Obduktionsbericht Obduziert wir ein 4 Monate altes, weibliches Schaf der Rasse Merino. Einsender des Tieres ist die Klinik für Wiederkäuer und Schweine. Die Sektion des Tieres findet am 03.05.00 von 10.15 bis 12.00 Uhr in der Sektionshalle des Instituts für Veterinär-Pathologie unter der Leitung von Herrn im Beisein von Vorbericht: In dem 1000 Mutterschafe umfassenden Bestand treten seit 3 Jahren vermehrt Atemwegserkrankungen auf. Die Klinik für Wiederkäuer und Schweine äußerte den Verdacht einer Bronchopneumonie. Das erkrankte Tier wurde zur Abklärung der Ursache am 3.5.00 euthanasiert. Die Obduktion findet ca. 2 Stunden nach dem Tode statt. Äußere Besichtigung: Das Tier befindet sich in linker Seitenlage und ist bis auf die distalen Gliedmaßenenden und den Anogenitalbereich vollständig abgehäutet. Körper und Fell liegen zur Ansicht vor. Das Gewicht des Tieres ist 21kg. Der Tierkörper ist im Bereich des Brustkorbes leicht warm. Der übrige Körper ist gleichmäßig kalt. Die Gelenke der Gliedmaßen und das Kiefergelenk sind frei beweglich. Der Augenturgor ist erhalten, die Hornhaut ist beiderseits leicht getrübt. Der Ernährungs- und Pflegezustand des Tieres sind gut. Im Anogenitalbereich sind starke Verschmutzungen zu erkennen. Innere Besichtigung: Die Unterhaut des Tieres weist eine großflächige Gasblasenbildung auf. Im Bereich ventral des linken Leistenkanals sind Defekte der Bauchdecke zu erkennen. In diesem Bereich ragen Darmschlingen aus der Bauchhöhle heraus. Bauch- und Beckenhöhle: Das Netz ist auf einer Fläche von ca. 6 x 4 cm gelblich verfärbt. Die Farbe ist nicht abwaschbar. An der Serosa des Labmagens befindet sich eine bohnengroße, dünnwandige, flüssigkeitsgefüllte Zyste. In der Zyste ist ein weißer Herd zu erkennen. An der visceralen Seite der Leber befindet sich an der Serosa eine haselnußgroße, derbe Zyste. Der Inhalt des Dünndarms ist flüssig und olivgrün gefärbt. Im Rektum befindet sich ungeformter Kot. Die Mesenteriallymphknoten sind haselnußgroß, die Schnittfläche ist speckig und feucht. Die Grenze zwischen Rinde und Mark ist nicht zu erkennen. Brusthöhle: Die Konsistenz der Lunge ist derb und fleischig. In den Randbereichen ist die Konsistenz puffig. Die gesamte Lunge ist voluminös. Die Spitzenlappen sowie ventrale Anteile der Hauptlappen sind eingezogen. Auf der Schnittfläche ist eine leicht knotige Oberfläche sowie eine Läppchenzeichnung zu erkennen. Die Mediastinallymphknoten sind vergrößert. Die Schnittfläche ist speckig, feucht und homogen. Die Mark-Rindengrenze ist nicht erkennbar. Die Trachea und die Bronchien sind mit Schaum gefüllt. Pathologisch-anatomische Diagnose: 1.Chronische interstitielle Pneumonie 2.Akutes, herdförmiges, alveoläres Lungenemphysem 3.Lymphadenitis simplex der Mediastinallymphknoten 4.Akute, diffuse, katharralische Enteritis 5.Lymphadenitis simplex der Mesenteriallymphknoten 6.Infektion mit Cysticercus tenuicollis 7.Akutes, diffuses, alveoläres Lungenödem Epikrise: Eine chronische interstitielle Pneumonie ist gekennzeichnet durch die verdichtete, teilweise puffige Konsistenz der Lunge sowie das Nichtkollabieren des Lungengewebes. Desweiteren sind bindegewebig verbreiterte Interstitien und peribronchiale Knötchen und zu erkennen. Interstitielle Pneumonien werden im allgemeinen durch aerogen übertragene Virusinfektionen hervorgerufen. Allerdings kommen auch Chlamydien, Mykoplasmen und Parasiten als Ursachen in Frage. Häufig wird die ursprünglich interstitielle Pneumonie durch bakterielle Sekundärinfektionen überdeckt, so daß der Nachweis einer interstitiellen Pneumonie nur noch histologisch erfolgen kann. Die teilweise emphysematös veränderte Lunge, sowie die gefundenen Knötchen und das deutlich vergrößerte Organ bei dem untersuchten Lamm sprechen für eine chronische interstitielle Pneumonie bei diesem Tier. Die Lymphadenitis simplex der Mesenteriallymphknoten spricht für ein infektiöses Geschehen. Beim Schaf wird eine interstitielle Pneumonie durch das Maedi-Visna-Virus hervorgerufen. Das Virus gehört zum Genus der Lentiviren. Maedi und Visna stellen zwei unterschiedliche Krankheitsformen des selben Virus dar. Visna ist eine anzeigepflichtige, Maedi eine meldepflichtige Tierseuche. Während Visna eine mit Demyelinisierung einhergehende Erkrankung mit zentralnervöser Symptomatik und Paralysen darstellt, löst Maedi die hier besprochene Pneumonie aus. Beide Erkrankungen gehören zu den slow-virus-diseases und führen nach Abmagerung trotz erhaltener Freßlust regelmäßig zum Tode. Pathologisch-anatomisch findet man stecknadelkopfgroße, grau-rote bis grau-weiße Knötchen, die diffus im Lungengewebe verteilt sind und histologisch als hyperplastische Lymphfollikel identifiziert werden können. Das Gewicht der Lungen ist um das 2- bis 3-fache erhöht. Die Erkrankung muß nicht auf die schon besprochenen Organe beschränkt sein. Auch Arthritiden (vor allem am Carpus) und indurative Mastitiden gehören zum Krankheitskomplex. Da die Inkubationszeit mit bis zu 6 Jahren sehr lang ist, wird die Erkrankung in der Regel nur bei Tieren im Alter von mehr als 3 Jahren beobachtet. Die Infektion findet jedoch meist schon in den ersten Lebenstagen über die Milch statt. Weiterhin kann das Virus auch aerogen übertragen werden. Dies ist allerdings nur bei sehr engem Kontakt der Tiere möglich, so daß hier vor allem Tiere, die im Stall gehalten werden, betroffen sind. Da es sich bei dem obduzierten Tier um ein Jungtier handelt, ist diese Erkrankung als Ursache für die Atemwegsprobleme im Bestand nicht sehr wahrscheinlich. Es wäre sicher noch abzuklären, ob andere Tiere des Bestandes Symptome der Visna-Erkrankung zeigen. Eine genauere Abklärung kann durch Erreger- oder Antikörpernachweis sowie durch eine histologische Untersuchung der veränderten Lungenbezirke erfolgen. Eine mild verlaufende interstitielle Pneumonie wird beim Schaf durch Chlamydia psittaci hervorgerufen. Eine solch Infektion führt allerdings vor allem zu Aborten und der Geburt lebensschwacher Lämmer. Da Aborte in diesem Bestand jedoch nicht gehäuft aufzutreten scheinen, kann man diese Differentialdiagnose weitestgehend ausschließenEine ähnlich wie die interstitielle Pneumonie verlaufende Erkrankung ist die Lungenadenomatose. Verantwortlich für das Auftreten dieses bronchiolialveolären Adenokarzinoms ist ein Retrovirus vom Typ D. Die Tumorerkrankung ist enzootisch und verläuft progredient mit letalem Ausgang. Auch hier ist die Inkubationszeit sehr lang, so daß vor allem Tiere im Alter von 3 bis 4 Jahren betroffen sind. In Einzelfällen erkranken die Tiere allerdings schon im Alter von 6 Monaten. Eine Abmagerung ist erst im terminalen Stadium zu beobachten, wobei die Freßlust auch hier bis zum Ende erhalten bleibt. Pathologisch-anatomisch sieht man graue, weiche, nicht verkalkende Knötchen mit unscharfer Begrenzung, die mit fortschreiten der Erkrankung konfluieren und graue, durchscheinende Bezirke bilden. Zu Beginn der Erkrankung sind meist die dorsalen Bereiche der Zwerchfellslappen betroffen. Später breitet sich die Erkrankung auf die ventralen Teile der Zwerchfellslappen sowie den rechten Herz- und linken Anhangslappen aus. Wie schon bei Maedi haben die Lungen auch hier ein deutlich erhöhtes Gewicht. Bei Druck läßt sich ein seröses Sekret abpressen. Aufgrund des Alters des Tieres ist auch diese Differentialdiagnose eher nicht wahrscheinlich. Auch ist bei dem obduzierten Tier keine Abmagerung festzustellen. Hier muß jedoch die Tatsache in Betracht gezogen werden, daß das Tier wohl nicht im Endstadium der Erkrankung euthanasiert worden ist, und dieses Symptom daher noch nicht auftritt. Die Diagnose kann durch eine histologische Untersuchung der Knoten erhärtet werden. Eine weitere Differentialdiagnose ist der Befall mit Lungenwürmern. Bei einer Infektion mit Dictyocaulus filaria (großer Lungenwurm) sind vor allem bei 2 – 3 Monate alten Lämmern große Verluste zu beobachten. Die Tiere zeigen außer einer ausgeprägten respiratorischen Symptomatik (hervorgerufen durch eine katharralischeitrige Bronchopneumonie) Durchfall und Anämie. Die Krankheit kann bei bakterieller Sekundärinfektion zum Tode führen. Da bei dem obduzierten Tier keine Würmer oder Larven gefunden werden können und das pathologisch-anatomische Bild der Lunge nicht das einer katharralisch-eitrigen Pneumonie ist, kommt der große Lungenwurm als Ursache für die Atemwegserkrankungen bei diesem Lamm nicht in Betracht. Nur ein massiver Befall führt bei den kleinen Lungenwürmern (Protostrongylus rufescens, Protostrongylus brevispiculum, Muellerius capillaris, Cystocaulus ocreatus und Neostrongylus linearis) zu klinischer Symptomatik. Da dann aber auch makroskopisch Wurmstadien erkennbar sein müßten, kann diese Differentialdiagnose vernachlässigt werden. Bei der Erkrankung des obduzierten Tieres handelt es sich um eine Lungenadenomatose oder um eine Infektion mit dem Maedi-Virus. Eine endgültige Diagnose kann durch eine Histologie der knotigen Veränderungen der Lunge gestellt werden. Eine akute, diffuse, katharralische Enteritis ist durch Hyperämie und ödematöse Schwellung der Schleimhaut sowie durch ein seromuköses Exsudat und einen dünnflüssigen, ungeformten Darminhalt gekennzeichnet. Sie ist abzugrenzen von postmortalen Veränderungen sowie von einer Verdauungshyperämie. Da bei diesem obduzierten Lamm gleichzeitig mit der Veränderungen am Darm eine Lymphadenitis simplex der Mesenteriallymphknoten auftritt kann die Diagnose Enteritis hier sicher gestellt werden. Die an der Enteritis beteiligten Pathomechanismen sind Maldigestion, Malabsorption, Hypersekretion und Motilitätsstörungen, wobei nur die beiden erstgenannten histopathologisch erfaßbare Veränderungen aufweisen. Als Noxen kommen hierfür folgende Viren in Betracht: Rotaviren, Parvoviren, Adenoviren, Breda-Virus, Newbury-Agent, Astroviren, Herpesviren und Caliciviren. Bei den fünf letztgenannten ist die effektive Bedeutung in Europa allerdings nicht bekannt, so daß sie hier vernachlässigt werden können. Bakterien, die zu einer Enteritis führen sind vor allem E.Coli- und Salmonellen-Infektionen. Von untergeordneter Bedeutung sind hier noch Chlamydien und Klebsiellen, Vibrio cholerae, Yersinia enterocolitica zu nennen. Auch Protozoen können Enteritiden verursachen. Hier sind Kryptosporidien, Eimerien und Giardien zu nennen. Außer den genannten lokalen enteralen Infektionen, die zu Durchfall führen, gibt es auch systemische Infektionen, bei denen, vor allem im fortgeschrittenen Stadium Diarrhöe als Komplikation auftritt. Hier ist vor allem der Befall mit großen Lungenwürmern zu nennen. Da diese Differentialdiagnose in Bezug auf die Lungenerkrankung des Tieres jedoch ausgeschlossen werden kann, ist sie auch hier nicht in Betracht zu ziehen. Die klinische Symptomatik ist bei allen Erregern der Diarrhö die gleiche. Aufgrund von Felduntersuchungen kann man davon ausgehen, daß den meisten infektiösen Diarrhöen Mischinfektionen zugrunde liegen. Auch in diesem Fall kann davon ausgegangen werden, daß es sich bei der Enteritis um eine Mischinfektion handelt. Eine genaue Abklärung des Erregers kann durch einen Erregernachweis in Kotproben erfolgen. Die Lymphadenitis simplex der Mesenterial- und Mediastinallymphknoten sind im Zusammenhang mit der Enteritis bzw. der Pneumonie zu sehen. Sie tritt häufig auf, wenn im Einzugsgebiet des betroffenen Lymphknotens entzündliche Prozesse ablaufen. Normalerweise beobachtet man dann eine reaktive Hyperplasie des Lymphknotens, eine markige Schwellung. Ist diese Schwellung mit lokalen Kreislaufstörungen wie Hyperämie oder Ödem verbunden, so spricht man von einer Lymphadenitis simplex. Bei Cysticercus tenuicollis handelt es sich um die Finne von Taenia hydatigena. Der Zwischenwirt (wie hier das Schaf) nimmt das Ei mit dem Futter auf. Im Dünndarm wird die Oncosphäre frei, gelangt in die Blutgefäße der Darmwand und wandert dann über die Vena portae in das Leberparenchym. Von dort gelangt sie in die Serosa der Leber, durchbohrt die Leberkapsel und siedelt sich im Gekröse oder im Netz an. Hier entwickelt sich dann die bis zu 15cm große Finne. Bei der Wanderung durch die Leber kann es zu einer schweren traumatischen Hepatitis kommen. Diese ist in diesem Fall, da es sich um eine leichte Infektion handelt (nur 2 Finnen können gefunden werden) nicht beobachtet worden.Agonale Veränderungen: Das akute, diffuse, alveoläre Lungenödem entsteht durch Austritt von Blutflüssigkeit in das Alveolargewebe durch die kardial bedingte Steigerung des hydrostatischen Druckes während der Agonie und Erhöhung der Kapillarpermeabilität durch Hypoxie. Die Flüssigkeit vermischt sich dort mit Luft und durch die Waschmittelwirkung des Surfactant entsteht der in der Trachea beobachtete Schaum. Das Lungenemphysem hat seine Ursache in den besonderen Inspirations- und Exspirationsverhältnissen in der Agonie. Einer angestrengten Inspiration erfolgt eine unvollständige Exspiration. Die Luft wird nicht vollständig abgeatmet, es kommt zum Luftstau und letztlich zur Überdehnung der elastischen Fasern und schließlich zur Ruptur der Alveolen. Das Emphysem kann seine Ursache allerdings auch in der oben beschriebenen Pneumonie haben. Postmortale Veränderungen: Die Gasblasenbildung in der Unterhaut ist durch das Abziehen der Haut entstanden. Ebenso ist die Perforation der Bauchdecke mit einer Unachtsamkeit bei der Vorbereitung des Tieres zur Obduktion zu erklären. Das ergibt sich aus der Tatsache, daß die Wundränder glatt und keinerlei Anzeichen einer Entzündung zu erkennen sind. Die Verfärbungen des Netzes sind durch gallige Imbibition post mortem entstanden. Todesursache: Die Todesursache ist ein akutes Herz- Kreislaufversagen durch Euthanasie.