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Handout von Luca Terribilini zum Referat über Sprach- und Sprechstörungen vom 23. 5. 2011
Seminar: Neurokognition von Hören und Sprache
Leitung: Dr. rer. nat. Martin Meyer
1. Übersicht Sprach- und Sprechstörungen
Das ICD-10 klassifiziert Symptome, welche die Sprache und Stimme betreffen (R47-R49) unter
Symptomen und abnormen klinischen und Laborbefunden, die andernorts nicht klassifiziert sind
(R00-R99). Die hier interessierende Aphasie (R.47.0: Dysphasie nud Aphasie) findet sich unter
den Sprech- und Sprachstörungen, die andernorts nicht klassifiziert sind (R47), worunter auch
einige Kriterien, z. B. umschriebene entwicklungsbedingte Störungen des Sprechens und der
Sprache (F80.-) ausgeschlossen werden müssen. Nicht zu verwechseln mit einer Dysphasie oder
Aphasie ist zudem die progressive isolierte Aphasie (G31.0), die im Zusammenhang mit
degenerativen Krankheiten des Nervensystems steht.
2. Aphasien
2.1 Definition
Aus dem Griechischen als „Sprachlosigkeit“ übersetzt, werden Aphasien als erworbene
Sprachstörungen aufgrund einer akuten (meist) linkshemisphärischen Hirnschädigung definiert.
Diese Störungen gelten als multimodal, da sie sowohl Laut- als auch Schriftsprache betreffen, und
supramodal, weil die Verarbeitung von laut- und schriftsprachlichen Informationen auf die
gleichen zentralen Wissenssysteme zurückgreift. Sie sind abzugrenzen von Störungen des
Sprechvorgangs, Symptomen der Verwirrtheit oder der Antriebsverminderung im akuten
Krankheitsstadium. Die Komponenten des Sprachsystems (Lexikon, Semantik, Syntax,
Phonologie) sind je nach Ort, Ausmass und Art der Läsion in unterschiedlicher Weise betroffen.
Bei Aphasien, die durch eine Durchblutungsstörung entstehen, lässt der Läsionsort auf das
jeweilige Ausfallsmuster schliessen: Läsionen im Bereich der vorderen Sprachregion, dem sog.
Broca-Areal, werden mit einer reduzierten (nichtflüssigen) Sprachproduktion assoziiert,
während Läsionen im Bereich der hinteren Sprachregion, dem sog. Wernicke-Areal mit
deutlichen Wortfindungsstörungen im Zusammenhang stehen. Aphasien sind keine
Denkstörungen im engeren Sinne.
2.2 Aphasiologie
Die interdisziplinär ausgerichtete Aphasiologie beschäftigt sich mit der Diagnostik und
Behandlung der Aphasien. Beteiligte medizinische Fächer sind z.B. die Neurologie und die
Phoniatrie, des Weiteren sind auch die Linguistik, die Psychologie und die Logopädie involviert.
2.3 Ätiologie
Die häufigste Ursache von Aphasien ist vaskulär bedingt durch einen Schlaganfall im
Versorgungsgebiet der Arteria cerebri media. Nicht-vaskuläre Ursachen können Schädel-HirnTraumas, Hirntumore, Hirnatrophien, entzündliche Erkrankungen des zentralen Nervensystems
oder Hypoxien sein.
2.4 Symptomatik
Es gibt drei sprachliche Störungsmerkmale bei den Aphasien: 1.) Störungen in der Wortfindung
und in der Wortwahl, 2.) kategorienspezifische Störungen und 3.) Störungen im Satzbau und in
der morphologisch-syntaktischen Verknüpfung von Satzkonstituenten. Zu den ersteren
Merkmalen zählen Paraphasien, Jargons, Neologismen und Automatismus. Unter den
Paraphasien gilt es zu unterscheiden zwischen semantischen Paraphasien als
bedeutungsmässige Wortverwechslungen zu einem Zielwort in der Standardsprache und
phonematischen Paraphasien als lautliche Veränderungen eines Wortes der Standardsprache
durch Substituierung, Auslassung, Umstellung oder Hinzufügung einzelner Laute. Unter den
Jargons ist der semantische Jargon als sinnlose Aneinanderreihung von Wörtern und
Redefloskeln bei flüssiger Sprachproduktion und der phonematische Jargon als sinnlose
Aneinanderreihung von phonematisch veränderten Wörtern bei flüssiger Sprachproduktion
eingeordnet. Neologismen sind in der Standardsprache inexistente Wörter aufgrund
semantischer oder lautlicher Gründe und Automatismen bezeichnen das unwillkürliche
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Auftreten von Silben, Wörtern oder Redephrasen, die bei jedem Versuch, sich sprachlich
mitzuteilen, zum Vorschein kommen.
Unter die kategorienspezifischen Störungen fallen Dissoziationen im Benennen von Objekten und
Tätigkeiten, Dissoziationen in der Verfügbarkeit belebter und unbelebter Objektklassen und die
differentielle Verfügbarkeit von Eigennamen.
Zu den Störungen im Satzbau und in der morphologisch- syntaktischen Verknüpfung von
Satzkonstituenten zählt zum Einen der agrammatische Satzbau, der durch die Auslassung von
Funktionswörtern und Flexionsformen, einer eingeschränkten Verfügbarkeit von Verben, einer
verkürzten Satzlänge und vereinfachter Syntax und Schwierigkeiten bei der Wortstellung
charakterisiert ist. Zum Anderen gehört auch der Paragrammatismus als komplex angelegter
Satzbau, der von fehlerhaften Verdoppelungen von Satzteilen und Satzverschränkungen
gekennzeichnet ist, zu diesem sprachlichen Störungsmerkmal.
2.5 Klassifikation
Es gibt einerseits die Einteilung in flüssige und nichtflüssige Aphasien, in der die
Sprechgeschwindigkeit, die Anzahl Satzunterbrüche in einer Redeeinheit und die Anzahl Wörter
in einer Redephrase unterschieden werden.
Andererseits gibt es auch die Klassifikation in vaskulär bedingte Standard-Aphasiesyndrome und
Sonderformen der Aphasien, die durch modalitätsspezifische Störungsmerkmale bestimmt sind.
Für die Standardsyndrome ist eine an der Spontansprache orientierte Einteilung, in der die
Beurteilung des Schweregrades auf den Kriterien des Aachener Aphasie Tests für die
Beobachtung der Spontansprache beruht, möglich (Abbildung 1).
Abbildung 1: Spontansprache der 4 Standard-Aphasiesyndrome
Zu den Sonderformen der Aphasie gehören die Leitungsaphasie und die transkortikale Aphasie.
Bei der Leitungsaphasie ist das Nachsprechen herausragend gestört. Im Vergleich zu WernickeAphasikern sind sich Leitungsaphasiker ihrer meist phonematischen Paraphasien bewusster und
ihr Sprachverständnis ist besser erhalten. Es wird eine Läsion im Fasciculus arcuatus
angenommen, der durch das parietale Operkulum verläuft und die Broca-Region mit der
Wernicke-Region verbindet. Bei den transkortikalen Aphasien ist das Nachsprechen gut erhalten.
Es liegt eine transkortikal-sensorische Aphasie vor, wenn eine flüssige Sprachproduktion mit
vorwiegend semantischen Paraphasien vorherrscht und die Patienten schwere Störungen im
Sprachverständnis aufweisen. Häufig betreffen die Läsionen das zentrale Marklager. Das
Leitsymptom der seltenen transkortikal-motorischen Aphasie ist die nicht oder kaum
vorhandene Spontansprache, aber promptes Nachsprechen mit relativ gut erhaltener
Artikulation und intakter Syntax bei gutem Sprachverständnis. Bei dieser Aphasieform werden
die Läsionen in unmittelbarer Nachbarschaft der Broca-Region bzw. der supplementären
motorischen Area beschrieben. Bei der gemischt-transkortikalen Aphasie weisen die Patienten
eine geringe, nichtflüssige Sprachproduktion und einschlechtes Sprachverständnis auf. Es
werden multifokale Läsionen zur Lokalisation angenommen, welche die Verbindungen zwischen
der perisylvischen Sprachregion und dem übrigen Gehirn unterbrechen.
Die Lokalisierbarkeit von Läsionen innerhalb verschiedener Aphasieformen ist nicht als definitiv
aufzufassen (bspw. basiert dies oft auf Einzelfällen, was grosse interindividuelle Unterschiede
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mit sich bringt). Die Tatsache, dass umschriebene Läsionen nur einer Hemisphäre Aphasien
verursachen, ist und bleibt der stärkste Anhaltspunkt für die Lokalisierbarkeit psychischer
Funktionen. Wenn man aber das Begehren an die Lokalisierbarkeit auf die Art und Schwere der
Aphasie ausdehnt, werden die Verhältnisse komplizierter und die Zuordnung von Lokalisation
und Symptom wird weniger sicher.
2.6 Verlauf
Bei der Mehrheit der Aphasien gibt es in der Akutphase (also innerhalb von 4 Wochen nach dem
auftreten der Aphasie) zum Teil rasche und überraschend starke Besserungen. Bei der
Verfolgung des Spontanverlaufs von logopädisch nicht behandelten Patienten zwischen dem 1.
und dem 7. Monat nach einem Schlaganfall wurde beobachtet, dass ein Drittel nach einem halben
Jahr kaum mehr aphasische Störungen aufwies, 10% keine Verbesserungen aufzeigten, bei der
Mehrheit deutliche Rückbildungen sprachlicher Störungen in den ersten 4 Monaten stattfanden
und 30% einen Syndromwandel erlebten
Nach spätestens 12 Monaten kann von einem chronischen Zustand gesprochen werden, in dem
spontan keine weitere Besserung mehr erfolgt und auch bei fortgesetzter Sprachtherapie die
Fortschritte häufig begrenzt und auf einzelne sprachliche Modalitäten beschränkt sind.
Schwere Aphasien, bei denen meist eine ausgedehnte Läsion vorliegt, bilden sich im Allgemeinen
in einem geringeren Masse zurück als leichtere Aphasien. Allerdings besteht kein eindeutiger
Zusammenhang zwischen dem Ausmass der Hirnschädigung und dem Rückbildungspotential.
Aphasien mit traumatisch bedingter Hirnschädigung haben oft eine bessere Prognose und einen
längeren Rückbildungsverlauf als vaskulär bedingte Aphasien. Bei entzündlichen Prozessen
liegen oft Gedächtnisstörungen vor, welche die Wirksamkeit einer logopädischen Behandlung
erheblich einschränken.
2.7 Funktionelle Rückbildung
Die Rückbildung der sprachlichen Symptome ist mit einer Reorganisation des gestörten
Sprachsystems verbunden, wobei zwischen 3 Formen der Funktionswiederherstellung
unterschieden wird: 1.) Restitution, 2.) Substitution, 3.) Kompensation. Eine Restitution, d. h. die
Wiederherstellung der vor der Hirnschädigung intakten Sprachfunktion, ist in temporär
geschädigtem Gewebe in unmittelbarer Nachbarschaft der Läsion, d.h. im Bereich der
ischämischen Penumbra, möglich, sodass sich der in diesem Bereich gestörte
Funktionsstoffwechsel normalisieren kann und es zu einer vollständigen Rückbildung der
sprachlichen Funktion kommt. Aufgrund toxisch wirkender biochemischer Veränderungen
während der Minderdurchblutung in den ersten Stunden nach einem Schlaganfall kommt es aber
meist zu einer Unterfunktion in den zur Läsion benachbarten Gebieten. Um diese Auswirkungen
zu reduzieren werden seit einiger Zeit neuroprotektive Therapieverfahren erprobt. Mittels
Substitution können anhaltend gestörte Funktionen durch intakte Funktionen ersetzt werden.
Bei der Kompensation erfolgen Leistungsverbesserungen über Umwegstrategien, die verbunden
sind mit einem expliziten verbalen Einsatz des vormals impliziten sprachlichen Wissens.
Für eine frühe Erholung aphasischer Symptome ist wahrscheinlich die Wiederherstellung des
Blutflusses und anderer Mechanismen der Gewebeerholung verantwortlich, während spätere
Erholungsphasen wahrscheinlich abhängig von der Reorganisation der strukturell-funktionellen
Beziehungen, Reorganisation kognitiver Funktionen und kompensatorischer Mechanismen sind.
Die Dynamiken der sprachlichen Reorganisation nach einem Schlaganfall wurden von Saur et al.
(2006) während der akuten, der subakuten und der chronischen Phase nach dem Schlaganfall
untersucht. Die Aphasiker führten in allen Phasen parallel zu fMRI-Untersuchungen auditorische
Verständnisaufgaben durch, die Daten der Kontrollprobanden wurden nur einmal erhoben. Dies
ermöglichte ihnen die Beschreibung des Prozesses der sprachlichen Reorganisation und die
Darstellung an einem systematischen Modell mit 3 Phasen der sprachlichen Erholung.
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Abbildung 2: Drei distinkte Phasen der sprachlichen Erholung
Die wiederholten fMRI-Untersuchungen deckten 3 distinkte Phasen der sprachlichen Erholung
auf Abbildung 2). In der akuten Phase (M = 1.8 days post-stroke (dps)) wurde eine schwache
Aktivierung des linksseitigen inferioren frontalen Gyrus (IFG) beobachtet. Zu diesem Zeitpunkt
war die Sprache der Patienten nach dem Schlaganfall gestört, was zu tiefen sprachlichen
Erholungswerten führte. In der subakuten Phase (M = 12.1 dps) zeigten die fMRI-Bilder eine
Hochregulation des gesamten sprachlichen Netzwerks mit dem höchsten Anstieg der Aktivierung
im rechten IFG. Die parallelen Sprachtests zeigten eine signifikante Verbesserung der
sprachlichen Leistung während der gleichen Zeitperiode. In der chronischen Phase (M = 321 dps)
normalisierte sich die fMRI-Aktivierung und die höchste Aktivierung verschob sich erneut auf die
linke Hemisphäre zum linken IFG. Diese Aktivierungsnormalisierung war wiederum mit einer
signifikanten sprachlichen Verbesserung assoziiert, die bei den meisten Patienten in einer
beinahe kompletten Erholung resultierte.
2.8 Therapien
Es zeigte sich, dass eine intensive Behandlung (min. 4 d/w, 2 h/d) in kurzer Zeit effektiver ist als
eine ähnliche Anzahl Behandlungen über eine längere Zeitspanne hinweg. Es gibt 2 Ansätze zur
Behandlung von Aphasien: 1.) Behandlung der zugrundeliegenden Beeinträchtigung, 2.)
Interventionen, die auf kommunikativen Funktionen basieren. Bei beiden Ansätzen muss die
Behandlung individualisiert auf die Defizite, Bedürfnisse und Ziele der Aphasiker sein. 2
beispielhafte Therapien seien hier kurz dargestellt: die „melodic intonation therapy“ beinhaltet
die Komponenten der melodischen Intonation, des intensives Training (1,5 h/d, 5d/w) und des
simultanen Klopfens mit der linken Hand, um sensomotorische und motorische Kortices der
rechten Seite auf Artikulation zu primen. Ein Befund zu dieser Therapie war die Veränderung des
rechten Fasciculus arcuatus bei chronischen Broca-Aphasikern, was als Zeichen für die Anregung
von Plastizität in kontralateralen homologen Sprachgebieten gedeutet wurde (Schlaug, Marchina
& Norton, 2009). Allerdings ist es fraglich, ob sich dadurch die Funktionen der linken
Hemisphäre auch wiederherstellen. Die „constraint-induced aphasia therapy“ (CIAT), die analog
zur „constraint-induced therapy for motor therapy“ entwickelt wurde. Die zugrundeliegenden
Prinzipien der CIAT sind das Prinzip der häufigen Praxis, das Prinzip der Verhaltensrelevanz und
das Prinzip der Fokussierung. Gesten und andere Arten nonverbaler Kommunikation werden
gemieden und die Patienten forciert, die gesprochene Sprache zu gebrauchen. Pulvermüller et al.
(2009) zeigten, dass bei chronischen Aphasikern nach einem Schlaganfall (im Schnitt 8.3 Jahre
nach dem Beginn der Aphasie) eine sprachliche Verbesserung durch intensive CIAT (ca. 32
Stunden innerhalb von 10 Tagen) erreicht werden konnte.
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Die Trends der Aphasietherapieforschung liegen in der Evaluation der Effekte
pharmakologischer Steigerung der Therapie durch Stimulanzien, Cholinesterasehemmer,
Dopaminagonisten und anderen Medikationen, die die Verfügbarkeit von Neurotransmittern
beeinflussen. Zudem wird auch die transkraniale magnetische Stimulation als Methode
untersucht, um sich schneller von aphasischen Symptomen zu erholen
3. Interpretationsprobleme klinischer Daten bei brain imaging-Verfahren
Dronkers (1996) untersuchte Gehirnregionen, die bei Sprechapraxie betroffen sind, bei Läsionen
von 25 Schlaganfallspatienten mit Sprechapraxie und vergleich diese mit Läsionen von 19
Schlaganfallspatienten ohne Sprechapraxie. Anhand des „lesion overlap approach“ mit CTund/oder MRI-Scans fand sie eine doppelte Dissoziation: Läsionen der Sprechapraktiker betrafen
eine Region, die bei den anderen Patienten verschont geblieben war: der linke präzentrale Gyrus
der Insula. Daraus schlussfolgerte sie, dass diese Region spezialisiert für die motorische Planung
der Sprache sei. Hillis et al. (2004) kritisierten den lesion overlap approach, da die reziproke
Assoziation oft nicht evaluiert werde. d.h. die Wahrscheinlichkeit, dass die Läsion selbst das
Defizit verursacht (anstatt die Hirnregion, die bei den meisten beschadet wurde). Sie nahmen an,
dass diese Region (i.d.F. die Insula) eventuell gegenüber eines Verschlusses oder einer
Verengung der Arteria cerebri media vulnerabel sei. Den Zusammenhang zwischen
Sprechapraxie und Insula untersuchten sie anhand dreier Wege: 1.) Bestimmung der
Wahrscheinlichkeit, dass die Läsion das Defizit verursacht, als auch der Wahrscheinlichkeit, dass
das Defizit mit der Läsion assoziiert ist (reziproke Assoziation). 2.) Patienten wurden beim
Beginn des Schlaganfalls untersucht, um das Defizit zu identifizieren bevor es sich in Fällen von
kleinen Schlaganfällen wieder auflöste. 3.) Es wurden sowohl Regionen von dysfunktionalem
Gehirngewebe als auch der strukturelle Schaden identifiziert. Entgegen den Befunden von
Dronkers zeigten die Befunde von Hillis et al. (2004) keinen Zusammenhang zwischen
Sprechapraxie und Läsionen der linken Insula, der anterioren Insula oder der superioren Spitze
des präzentralen Gyrus der Insel. Dafür fanden sie bei Patienten mit und ohne Läsion in der
Insula einen Zusammenhang zwischen Sprechapraxie und strukturellem Schaden oder geringer
Durchblutung im linken posterioren inferioren frontalen Gyrus. Diese Resultate zeigen, dass
Korrelationen in lesion overlap – Studien nicht als kausativ aufgefasst werden sollten, sondern
dass solche Zusammenhänge stattdessen bedeuten können, dass die Insula (als
zusammenhängend mit Sprechapraxie wie bei Dronkers) eine Vulnerabilität widerspiegelt in
Bezug auf Mangeldurchblutungen bei grossen Hirninfarkten in der Arteria cerebri media.
Literatur
Dronkers, N. F. (1996). A new brain region for coordinating speech regulation. Nature, 384, 159161.
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Verlag Urban & Fischer.
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Hillis, A. E. (2007). Aphasia: Progress in the last quarter of a century. Neurology, 69, 200-213.
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Pulvermüller, S., Neininger, B., Elbert, T., Mohr, B., Rockstroh, B., Koebbel, P. & Taub, E. (2001).
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Schlaug, G., Marchina, S. & Norton, A. (2009). Evidence for plasticity in white-matter tracts of
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Berlin, Heidelberg: Springer Medizin Verlag Heidelberg.
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