Lk 17,5+6, 15. Sonntag nach Trinitatis, 16.9.2007

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Lk 17,5+6, 15. Sonntag nach Trinitatis, 16.9.2007
Liebe Gemeinde,
die Bitte der Apostel: ”Herr, stärke uns den Glauben!” entspricht sicher der
Bitte vieler Menschen. Erschütternde Nachrichten umkreisen fast jeden Tag
unsere Welt. Und dazu lassen sich unsere ganz persönlichen Beispiele in der
Stille nennen: psychische Veränderungen, persönliche Belastungen, chronische
und akute Krankheit, plötzlicher Tod, Angst vor anderen Menschen oder in der
Schule.
Man kann sowohl die Beispiele aus weiten der Welt wie auch die ganz
persönlichen Lebensbeispiele unter der Erfahrung der Apostel mit dem Wort der
Anfechtung belegen. Das ficht mich an. Das kratzt an mir, oder mehr noch: das
raubt mir den Schlaf, das raubt mir den Nerv, das geht ans Eingemachte. Das
macht mich fertig. Neben allen konkreten Fragestellungen stellt die Anfechtung
in Menschen die Frage nach Gott. Ja, sie stellt Gott selbst in Frage.
Gibt es den noch einen, der alles zusammenhält – und der auch mich hält?
Spricht er denn noch ein Wort, das anders klingt als Rache und Vergeltung?
Kann ich denn noch Vertrauen in allem, was mir widerfährt, dass da ein Vater
sei im Himmel, ein Hirte, der mich führt und leitet? Oder ist alles aus den Fugen
geraten, wird nur noch Ohnmacht erfahren, löst sich der Glaube langsam auf
unter den schweren Eindrücken des Lebens?
Vielleicht standen die Apostel in ähnlicher Situation, in der Situation der
Anfechtung. Aber ich sage eines: lieber in der Situation der Anfechtung als
nach der Situation der Anfechtung. Lieber noch fechten, lieber noch kämpfen,
lieber noch im Kampf sein als schon verloren zu haben. Lieber angefochten als
ausgefochten, liebe Gemeinde. Die Apostel machen dazu Mut, die großen
zwölf, die Manager der urchristlichen Mission, die Leiter der Gemeinden in
Verfolgung und Tod, die treuen Freunde Jesu. Sie machen mir Mut.
Mit ihrer Bitte”Herr, stärke uns den Glauben!” erklären sie sich solidarisch mit
allen, die nach ihnen kommen werden. Würden sie sich als Helden der Vorzeit
gebärden, was wären sie nütze, wozu wären sie gut? Aber ich empfinde sie
nicht als Ikonen des Glaubens, sondern vielmehr als Vorbilder des
angefochtenen Glaubenden.
Sie stellen sich nicht auf irgendeinen Sockel hin. Sie sprechen von ihrer
Schwäche. Sie räumen ein, dass sie leiden, so wie viele heute leiden unter den
Widerfahrnissen ihres Lebens und unter ihrem schwachen Glauben. Aber wer
das einräumt, der wird sich und andere nicht mehr belügen.
Wie gut ist es, dann eine Adresse zu haben, zu der man reden kann. Wie gut ist
es, dann einen Halt zu haben, auch wenn er selber in Frage steht. Wie gut ist es,
sich dann erinnern und besinnen zu können, dass noch ein Gott ist, dass noch
ein Glaube ist, auch wenn er schwach ist, auch wenn er klein ist.
Das tun ja auch die Apostel. Sie wissen noch, wissen trotz allem noch, an wen
sie sich wenden können. Sie sagen ”Herr!” Sie wenden sich an Jesus Christus.
Ihn bitten sie, zu ihm rufen sie, zu ihm beten sie. ”Herr, stärke uns den
Glauben!” Und mit der Anrede Gottes wird ihnen bewusst, dass sie nicht völlig
leer sind, nicht einfach nur ausgebrannt und fertig, sondern dass da noch etwas
mehr in ihnen ist: der Glaube, ein Stückchen Glauben, ein Funken Hoffnung,
ein kleines Licht, das brennt, ihre Beziehung zu Gott.
Sie stehen vielleicht mit nichts da. Aber sie stehen nicht ohne Glauben da, so
klein, so winzig er auch sein mag. Und Jesus bezieht sich in seiner Antwort
genau auf diese Winzigkeit. Er nimmt die Bitte ernst. Er konstruiert keinen
Vorwurf, er nutzt die Schwäche nicht aus. Ein anderer würde vielleicht sagen:
”Ja, habt ihr denn immer noch nicht genug Vertrauen, wann ist es denn endlich
mal gut, wie viele Beweise wollt ihr denn noch haben, was soll ich denn noch
alles tun, bis alles klar ist?”
Aber: Kein Wort davon. Es ist zwar nicht alles klar, aber es ist Glaube da. Nur
so groß wie ein Senfkorn groß ist, und Jesus meint hier schwarzen Senf, von
dem man 700 Samen braucht, um auf ein einziges Gramm zu kommen. Mehr ist
nicht da als ein Senfkorn, aber das scheint zu reichen. Mehr braucht es nicht.
Vielleicht verwundert es, dass Jesus sich damit zufrieden gibt. Es scheint ihm
nicht darauf anzukommen, dass die Apostel den Katechismus auswendig rauf
und runter können. Oder dass sie zu jedem einzelnen Begriff des
Glaubensbekenntnisses einen Aufsatz verfassen können. Aber Jesus gibt sich
mit dem Kern, und sei er noch so klein, zufrieden. Solange dieser Kern da ist,
wird es weitergehen. Solange dieser Kern da ist, wird es Trost geben. Solange
dieser Kern in einem Menschen ist, wird es Hoffnung geben. Solange ein
Mensch eine Beziehung zu dem allmächtigen und barmherzigen Gott hat, kann
daraus alles erwachsen.
Ich finde das sehr ermutigend. Manche Menschen denken, sie glauben noch
nicht genug. Sie fühlen ihren Glauben an Gott mit Mängeln belastet. Das macht
Angst. Andere Menschen meinen, sie dürften keine Zweifel haben. Sie
verwechseln den Glauben mit der Parole”Alles klar.” Jesus aber verlangt das
nicht. Er will den Glauben dadurch stärken, dass er auf das Vorhandene
hinweist und es wertschätzt. Schon das Wenige hat Gott auf seiner Seite. Schon
mit dem als schwach empfundenen Glauben lasen sich Bäume ausreißen und ins
Meer versetzen. Schon das geringe Maß ist genug, um noch etwas von Gott zu
erwarten. Die Anfechtung des Glaubens ist ja immer ein Hinweis auf den
Glauben selbst. Und auf seine Kraft, die das Unmögliche zur Möglichkeit
werden lässt, die starke Bäume entwurzelt und – warum nicht gleich mit den
Bergen, auf denen sie wachsen – ins Meer versetzt.
Darum lasst uns darauf vertrauen, dass Gott auch in uns den Glauben schon
längst geweckt hat. Dann kann man ihm nachspüren und sich der Bitte der
Apostel anschließen: ”Herr, stärke uns den Glauben.” Gott wird das tun. Und
das wir sich auch äußern. Es wird immer wieder dieses Wunder geben durch
den wunderbaren Gott.
Amen.
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