Strategien der Veränderung des Gesundheitsverhaltens

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Strategien der Veränderung des Gesundheitsverhaltens
Primärpräventive Strategien der Gesundheitserziehung sind Ansätze, die eine Kompetenz zum
vorbeugenden Gesundheitsverhalten entwickeln wollen.
Hier handelt es sich vor allem um die Vermittlung von Wissen, Einstellungen und
Verhaltensroutinen, die der Gesundheit förderlich und vorbeugend gegen Krankheiten sind.
Die wichtigsten Vermittlungsinstitutionen sind Schulen und andere Bildungseinrichtungen
(z.B. Krankenkassen, evtl. zukünftig auch Krankenhäuser), in denen die Grundlagen für
Wertvorstellungen und Handlungsorientierungen gelegt werden.
Stärkung individueller Kompetenzen durch Gesundheitserziehung
„Gesundheitserziehung“ bezeichnet alle Strategien der Stärkung der Persönlichkeit durch
Wissens- und Kompetenzvermittlung, um die Selbstorganisation des Gesundheitsverhaltens
und die Gestaltung gesundheitsrelevanter Umweltbedingungen zu ermöglichen.
Dabei sind die Bedürfnisse des jeweiligen Adressaten zu berücksichtigen.
 Gesundheitserziehung in Deutschland als Arbeitsgebiet der Pädagogik seit den 1920er
Jahren.
 Seit den 1970er Jahren ist die Gesundheitserziehung überwiegend an lerntheoretischen
Positionen und am sozialmedizinischen Risikofaktorenmodell orientiert
 Seit den 1980er Jahren Neuorientierung: Die Entwicklung von Kompetenzen steht im
Vordergrund.
a) Autoritative Konzepte der Gesundheitserziehung
Die Konzepte der Gesundheitserziehung in den 1970er Jahren waren in ihrer didaktischen
Ausrichtung an der „Erziehungsbedürftigkeit“ eines Menschen orientiert.
Gesundheitserziehung sollte Menschen bewusst und zielorientiert zu bestimmten
Verhaltensweisen führen.
Ziel war die Vermeidung von Gesundheitsgefährdendem Verhalten.
Diese Tradition der Gesundheitserziehung kann wegen ihrer Orientierung an der unbefragten
Autorität von wissenschaftlichen Erkenntnissen als „auotoritativ“ bezeichnet werden.
Geschichtliche Tradition (seit Ende 18 Jh.): Mediziner traten als Autoritäten auf, vermittelten
medizinisches Sachwissen. Die Pädagogen sollten sich selbst vorbildlich verhalten und traten
als „Rollenmodell“ auf.
Didaktisch waren die Programme der Gesundheitserziehung an schulischen Lernkonzepten
orientiert, die auf eine Verhaltensänderung durch Wissensvermittlung setzten und dabei mit
moralischen Bewertungen arbeiteten.
Die autoritative Gesundheitserziehung arbeitete mit Schuldzuweisungen und der Erzeugung
von Angst/Selbstverantwortlichkeit von Krankheit. Individualisierung von Krankheit und
Gesundheit.
b) Kritik an der autoritaitven Gesundheitserziehung
Seit den 1980er Jahren gab es erst konzeptionelle, dann auch empirisch unterstützte Kritik an
diesem Konzept.
 Risikofaktorenmodell als zu einfaches Modell
 Lediglich statischtische Wahrscheinlichkeiten
 Besonders problematisch: Die wissenschaftlich objektiv belegbare Relevanz der
Risikofaktoren, spiegelt nicht die subjektive Bedeutung für den einzelnen Menschen
wider. Risikoverhalten muss als ein Bewältigungsversuch bewertet werden, um mit
alltäglichen Anspannungen und Belastungen zurechtzukommen.
Um die subjektiv bewährte „Problemlösung“, wie bspw. Das gesundheitsabträgliche
Verhalten „Rauchen“ zu verändern, reicht in der Regel die Information alleine nicht aus, um
das Verhalten zu ändern.
In der traditionellen Gesundheitserziehung werden die Krankheiten oft lediglich nur als
Fehlfunktionen der Organe und des Körpers interpretiert und nicht die Verbindung zu
psychischen, sozialen und ökologischen Bedingungen vernachlässigt.
 empirische Überprüfungen an Schulen: Weder Anstapelle, noch reine
Wissensvermittlung haben das Verhalten der Schüler/innen
Ursachen:
-> Gesundheit ist für Kinder und Jugendliche ein selbstverständlich erfahrener
Erlebniszustand
-> Risikoverhalten wirkt sich erst mit starker Verzögerung aus, sodass kein
Zusammenhang hergestellt werden kann
-> Das individuelle Verhalten wird im Jugendalter kaum von gesundheitlichen, sondern
von sozialen, psychischen und emotionalen Überlegungen gesteuert.
- > Gesundheitsfördernde Verhaltensweisen werden oft als Eingrenzung neuer
Erfahrungen gesehen.
-> Risikoverhalten vieler Erwachsener als schlechtes Beispiel
c) Das Konzept der partizipativen Gesundheitserziehung
Die Gesundheitserziehung schloss sich den umfassenden Konzepten der Stress- und
Bewältigungstheorie und der Sozialisationstheorie an.
Der Schwerpunkt der partizipativen Gesundheitserziehung liegt darauf, die Kompetenzen
jedes einzelnen Menschen zu stärken, um sich mit den körperlichen, psychischen und
umweltbezogenen Faktoren auseinanderzusetzen, die die eigene Gesundheit bestimmen.
Ziel ist es, das Wissen so zu vermitteln, dass es in die Lebenswelt des Adressaten einbezogen
wird und die individuellen Kompetenzen der Problembewältigung gestärkt werden, um mit
inneren und äußeren Anforderungen fertig zu werden.
Partizipative Gesundheitserziehung
 Unterstützung der eigenen Kräfte für
die gelingende Balance von
Gesundheit und
Krankheit/Eigenmotivation jedes
Menschen
 Didaktik: paritzipativ, Informationen
über Gesundheits- und
Krankheitsprozesse, Angebot durch
Gesundheitsfachleute zur Beratung
 Pädagogische Orientierung:
Gesundheitsverhalten als
Ausdrucksform von
Lebensbewältigung
Autoritative Gesundheitserziehung
 Einüben von Verhaltensänderungen
von Krankheit
vorzubeugen./normative Vorgaben
(„Du sollst nicht…“, „Du darfst
nicht…“)
 Didaktik: autoritativ, Vermittlung
wissenschaftlicher Erkenntnisse über
Krankheitsentstehung, moralischethische Bewertungen, Pädagoge als
Rollenmodell.
 Pädagogische Orientierung:
Persönliches Verhalten als
Direktverantwortung für die
Gesundheit
d) Gesundheitserziehung als Stärkung individueller Kompetenzen
In den verbreitetsten Modellen wird auf die aufklärende Wissensvermittlung und die
Entwicklung von gesundheitsbezogenen Einstellungen nicht verzichtet, aber das Wissen wird
so vermittelt, dass es an die persönlichen Erlebnisse und die Lebenserfahrung der Adressaten
anknüpft und in ihr Verhaltensreportoire übernommen und umgesetzt werden kann. Daneben
tritt die Einübung in alltagspraktische Verhaltensweisen, die für Herstellung oder
Wiederherstellung des Gesundheitsgleichgewichts von Bedeutung sind.
In der Praxis haben sich die Modelle der „sozialen Immunisierung“ und die Vermittlung von
„Life-Skills“ bewährt:
 Das Konzept der „sozialen Immunisierung“ bezieht sich auf die hohe Bedeutung der
gesundheitsschädigenden Beeinflussung von Verhalten und Einstellungen durch die
gleichaltrigen Gruppe. Durch Interventionsbausteine werden die Jugendlichen dazu
befähigt, dem Gruppendruck zu widerstehen und Überredungsversuchen mit
Gegenargumenten zu begegnen.
Es werden soziale Fertigkeiten eingeübt, konkrete Handlungsempfehlungen vermittelt
und Gegenstrategien des Verhaltens herausgearbeitet, um dem Gruppendruck
standzuhalten
 Der „Life-Skill“-Ansatz konzentriert sich auf die Entwicklung allgemeiner
Bewältigungskompetenzen. Hier geht es um die Förderung persönlicher und sozialer
Kompetenzen zur Auseinandersetzung mit Alltagsanforderungen. Es sollen
Kompetenzen von Stressbewältigung, Kommunikation, Konfliktregelung,
Entscheidungsfindung, Übernahme von Verantwortung und Entwicklung eines starken
Selbstkonzepts und positiven Selbstwertgefühl eingeleitet werden.
Ziel: Verhaltesweisen genauso attraktiv oder attraktiver als gesundheitsriskante
Verhaltensweisen.
Empirische Überprüfung dieser Modelle:
 gute bis zufrieden stellende Wissensvermittlung
 annehmbare Einstellungsänderung
 unzureichende Verhaltensänderung
 nur bei Einstellungsänderung teilweise Verhaltensänderung
 Konzept der „Life Skills“ inzwischen auch im schulischen Unterricht in Deutschland
verbreitet.
e) Gesundheitserziehung als Unterrichtsfach
Verständnis von Gesundheitserziehung in der amerikanischen und angelsächsischen
Diskussion:
Unter Gesundheitserziehung („health education“) werden nicht nur die verhaltensbezogenen
Interventionen verstanden, sondern auch alle unterstützenden organisatorischen,
ökonomischen und umweltbezogenen Struktursetzungen und Netzwerkbildungen, die das
Verhalten beeinflussen. Förderung von Kompetenzen als verbindende Konzeption. Die
Vorstellung, dass ein Mensch sein Gesundheitsproblem selbst identifiziert und
mitverantwortlich eine darauf abgestimmte Veränderung des eigenen Verhaltens einleitet,
trifft auf eine gute Resonanz in der deutschen Diskussion. „Gesundheitserziehung wird
verstanden als die Gesamtheit der Bildungs- und Erziehungseinflüsse, die über eine
Auseinandersetzung mit individuellem und kollektivem Verhalten des Menschen zur
Förderung, Erhaltung und Wiederherstellung seiner Gesundheit beitragen.
Gesundheitserziehung festigt die Verantwortung für die eigene Gesundheit und befähigt, aktiv
an der Gestaltung der natürlichen und gesellschaftlichen Umwelt teilzunehmen.“
(Bundesvereinigung für Gesundheitserziehung 1991).
Unterschiedliche Auffassungen über die konkrete Umsetzung von Gesundheitserziehung im
schulischen Bereich und in der Lehrerausbildung.
Gesundheitserziehung als eigenes Unterrichtsfach, innerhalb de4 EU nirgends eingeführt.
Gesundheitserziehung als Querschnittsgebiet in andere Unterrichtsfächer integriert. Bisher
gibt es noch kaum eine spezifische Methodik für den gesundheitserzieherischen Unterricht.
Weiterbildung in Gesundheitserziehung ist Privatinteresse der Lehrer/innen.
f) Umfassende Konzepte der Gesundheitserziehung
Der Rat der EU hat 1992 eine Intensivierung der Arbeit an Konzepten und Programmen der
Gesundheitserziehung gefordert. WHO: Netzwerk „Gesundheitsfördernde Schulen in
Europa“. In Deutschland bisher zu selten Absicherung durch empirische Evaluationsstudien.
Die Pädagogik des Erlebens von Kurt Hahn stellt auf 4 Komponenten ab.
 „Körperliches Training“
Leistungsfähigkeit, Kondition, körperliches und seelisches Wohlbefinden,
Selbstvertrauen, Gespür für den eigenen Körper.
 „Expedition in unbekanntes Terrain“
zum Aufbau von Mut und Vertrauen gegenüber Konflikten und neuartigen Situationen
 „Ganzheitliches Lernen“
Erlernen von Fähigkeiten und Fertigkeiten, die alle Sinne ansprechen, zur Bildung der
gesamten Persönlichkeit
 „Dienst am Nächsten“
Hahn will so soziale Verantwortlichkeit und das unmittelbare Erleben von Hilfe und
Unterstützung erfahrbar machen.
Interessanterweise zieht sich die Idee der Eigentätigkeit wie ein roter Faden durch die
„Pädagogik des Erlebens“.
Erweiterung durch:
 professionelle Gestaltung der Arbeits- und Lernbedingungen für Schüler und Lehrer
 gezielte Gesundheits- und Organisationsberatung in der Schule
 schulbetriebsärztlicher Dienstag
g) Verhaltenstheoretische Modelle für die Gesundheitserziehung
2 Modelle, in schulischen und außerschulischen Interventionen eingesetzt:
 Das Gesundheits-Erwartungs-Modell (Health Belief Modell)
 Das Stufenmodell von Verhaltensänderungen (Model of Stages on Change)
Modelle der Lern- und Persönlichkeitstheorie (empirisch abgesichert)
Das „Health Belief Modell“ stützt sich auf die Annahme, dass das Verhalten eines Menschen
durch die Erwartungen gesteuert wird, einen positiven Gesundheitszustand zu erreichen.
Dem Modell liegt die lerntheoretische These zugrunde jeder Mensch strebe aus eigenem
Antrieb optimale Gesundheit an und versuche Krankheit zu vermeiden.
Am besten anzuwenden bei Interventionen, die sich auf die Bedrohung durch schwere
Krankheiten (z.B. Aids) beziehen.
Komponente
Definition
Interventionsschritt
Bedrohung durch Aids
Die eigene Annahme, wie
Risikopopulation mit
wahrscheinlich es ist, von
Anfälligkeit für Aids
der Krankheit Aids betroffen
identifizieren
zu werden
Schwere von Aids
Die eigene Annahme, wie
Konsequenzen verdeutliche,
ernst die Krankheit Aids ist
die ein Risikoverhalten (z.B.
ungeschützter Sex) hat
Nutzen einer helfenden
Die eigene Annahme, wie
Über geeignete
Handlung, z.B. Gebrauch
effektiv das empfohlene
Verhaltensänderungen
eines Kondoms, um eine als
Verhalten auf die
aufklären, positive Effekte der
gefährlich eingeschätzte
Vermeidung von Aids wirkt
Veränderung verdeutlichen
Hindernisse für die helfende
Die eigene Annahme, wie
Hindernisse für eine
Handlung: Kosten von
hoch die subjektiven Kosten
Verhaltensänderung
Infektion zu vermeiden
Kondomen, Beeinträchtigung des empfohlenen Verhaltens
identifizieren und durch
der Partnerbeziehung usw.
Beratung und Angebot von
sind
Alternativen ausräumen
Selbstwirksamkeit
Das Vertrauen in die eigene
Soziale Verstärker für die
Fähigkeit, ein Verhalten zu
Verhaltensänderung setzen,
zeigen, das die Ansteckung
Modelllernen fördern,
mit Aids vermeidet
Hinweise für die
Gesundheitsselbstbeobachtung
geben
Die Leistungsfähigkeit des Health Belief Modells
 = rationales Verhaltensmodell
 enthält Züge der autoritativen Konzeption der Gesundheitserziehung
 Durch die Komponente Selbstwirksamkeit -> Anschluss an die
Kompetenzorientierung
 Das Modell auch anwendbar auf Probleme wie Fehlernährung, Bewegungsmangel,
Zigarettenrauchen etc.
Das Modell der Entwicklungsstufen des Verhaltens
Das Modell integriert die Prinzipien mehrer theoretischer Konzepte, darunter die Lerntheorie
und die interaktionistische Theorie, und wird deswegen auch als „transtheoretisches Modell“
bezeichnet.
Übertragung des Modells auf Bereiche des Gesundheitsverhaltens: z.B. Verhaltensänderung
bei Zigarettenkonsum, Drogenmissbrauch, Essstörungen etc.
Es sieht Veränderungen im Verhalten, besonders auch im Gesundheitsverhalten, als einen
Prozess an, der fünf aufeinander folgende Stufen durchläuft:
 Prä-Kontemplation:
Keine Verhaltensänderung geplant. Abschirmen von Informationen über die
Gefährdung. Verdrängung unangenehmer Erlebnisse.
 Intervention: Bedürfnisse und Verhaltensmotive erkunden, um Ansatzpunkte zur
Einstellungsänderung zu identifizieren.
 Kontemplation:
Absicht einer Verhaltensänderung; Kosten-Nutzen-Analyse -> Vorteile, Nachteile
einer Verhaltensänderung; Ambivalenz: Verhaltensänderung lässt auf sich warten
 Vorbereitung
Aufklingende Absicht das Verhalten zu ändern; Informationen werden über
Verhaltensänderung eingeholt; Verhaltensänderung wird in Gedanken durchgespielt.
 Handlung
Durchführung der Verhaltensänderung; sog. Signifikante Verhaltensänderung ->
Verminderung des Krankheitsrisikos; bei Rauchern nur völlige Abstinenz als
signifikant zu bezeichnen.
 Aufrechterhaltung
Beständigkeit der Verhaltensänderung; Selbstsicherheit muss langsam aufgebaut
werden, frühere Motivation gelöscht, Selbstwirksamkeit auch in Stresssituationen
10 Veränderungsparameter zum Vorrücken von einer Stufe zu nächsten
 Bewusstwerdung: neue Informationen aufnehmen
 Erleichterung: die negativen Emotionen wahrnehmen (Angst, Sorge)
 Selbstevaluation: Notwendigkeit zur Verhaltensänderung als Teil der eigenen
Identität
 Evaluation der Umwelt: die negativen Effekte des ungesunden bzw. die positiven
Effekte des gesunden Verhaltens auf die soziale Umwelt bedenken
 Selbstmanagement: Den festen Entschluss zur Veränderung
 Helfende Beziehungen: Soziale Unterstützung für die Verhaltensänderung suchen
und herstellen
 Gegenkonditionieren: Das ungesunde Verhalten mit neuen, gesünderen Kognitionen
und Verhaltensweisen ersetzen
 Kontingenzmanagement: Gesunden Verhalten verstärken und ungesundes Verhalten
weniger verstärken
 Stimuluskontrolle: Reize vermeiden, die an das ungesunde Verhalten erinnern und
neue Reize für das gesunde Verhalten schaffen
Zusammenhang zwischen Entwicklungsstufen und Veränderungsparametern!
Demnach setzen Menschen auf den frühen Stufen kognitive, affektive und evaluative
Prozesse ein, während sie sich in späteren Stufen mehr auf ihr Engagement und auf
Unterstützung aus der Umwelt konzentrieren
 Ziel ist die Entwicklung an individuelle Entwicklungsstufen angepasste
Interventionsprogramme!
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