Kirchliche Zeitgeschichte Von der Französischen Revolution bis zur Gegenwart Eine Veranstaltung im Modul 2: Quellen und Entwicklungen – Das Christentum in seiner Geschichte, Sommer-Semester2005 (Eckehart Stöve) Begriffserläuterungen zum Thema: Ethik - oder die Lehre vom richtigen Handeln (23.6.05) Orthopraxie „richtige Praxis“ (griech.), in Analogie zu dem Begriff Orthodoxie (richtige Lehrmeinung) gebildet; oft polemisch: die richtige Lebensführung macht den Christen zum Christen, nicht seine Lehrmeinung. Moraltheologie Bezeichnung für theologische Ethik in der katholischen Theologie; Grundlage ist über die Bibel hinaus die Tradition sowie insbesondere das Naturrecht. Formale Ethik formuliert allgemeine Maxime, Regeln oder Prinzipien, die von konkreten Inhalten abstrahieren; Beispiele: kategorischer Imperativ: »Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.« (Immanuel Kant, Kritik der praktischen Vernunft (1788), 1. Teil, 1. Buch, 1. Hauptstück, § 7) Goldene Regel: »Alles, was ihr wollt, dass euch die Leute tun, das tut ihnen auch« (Matthäus 7,12) Materiale Ethik formuliert Grundwerte und Normen, auf die alle weiteren Werte zurückgeführt werden; Beispiele: Kardinaltugenden oder Haupttugenden: Weisheit, Tapferkeit, Besonnenheit, Gerechtigkeit (Plato, Stoa) christliche oder theologische Tugenden: Glaube, Hoffnung, Liebe (Thomas nach 1. Korinther 13) Individualethik hat das Handeln des einzelnen Menschen im Blick, unabhängig vom sozialen, politischen und materiellen Umfeld. Individualethik beschäftigt sich mit den Werten und Normen für das Verhalten des Individuums in seiner Einstellung gegenüber sich selbst (Gewissen), gegenüber anderen Menschen und gegenüber Gott. Sozialethik analysiert die sozialen und politischen Implikationen, die das sittliche Handeln des Menschen bedingen. Sozialethik will die ethischen Grundsätze und Leitbilder gesellschaftlichen Lebens ermitteln, wie sie in den verschiedenen Lebensordnungen (z.B. Familie, Ehe, Schule, Wirtschaft, Recht) zum Ausdruck kommen. In der politischen Theologie (vgl. Kap.3) schließt sie den Aufruf zu revolutionären Veränderungen nicht aus. Gesinnungsethik Handlung wird gemessen und begründet durch Rückbezug auf die jeweilige Überzeugung ohne Rücksicht auf die Folgen Verantwortungsethik Handlung wird gemessen und begründet in Bezug auf die zu erwartenden Folgen des Handelns Soziale Frage schlagwortartige, im 19. Jahrhundert geprägte Bezeichnung für die Gesamtheit der sozialen Probleme, unter denen die Arbeiterfamilien im Gefolge der industriellen Revolution litten (Kinderarbeit, lange Arbeitszeit, elende Wohnverhältnisse u. a.). Religiöser Sozialismus eine Bewegung innerhalb des deutschen Protestantismus, die nach dem Ersten Weltkrieg entstanden ist. Vor dem Hintergrund des sozialen Elends und der gesellschaftlichen Umbrüche der Zeit sah sie im Sozialismus den Ausdruck des Willens Gottes. – Wichtige Vertreter, in der Schweiz: Hermann Kutter (1863 -1931), Leonhard Ragaz (1868-1945); in Deutschland: Paul Tillich (1886-1965). Subsidiaritätsprinzip von lateinisch subsidium = Hilfe, Beistand; Unterstützung oder Hilfe wird im Bedarfsfalle aktiv; ein Gegenbegriff zu staatsdirigistischen (sozialistischen oder kommunistischen) Ideen: Die übergeordnete gesellschaftliche Einheit (bes. der Staat) darf nur solche Aufgaben an sich ziehen, zu deren Wahrnehmung untergeordnete Einheiten (wie die Familie) nicht in der Lage sind. Theologie der Befreiung in den 1960er-Jahren in Lateinamerika entstandene Richtung, die theologische Reflexion mit Gesellschaftskritik verbindet: die christliche Botschaft von der Erlösung schließt die soziale Befreiung von Knechtschaft und Unterdrückung mit ein. Friedensbewegung Pazifistische Bewegungen in der Moderne erlebten einen ersten Höhepunkt vor und nach dem 1. Weltkrieg. Nach 1945 gewann die Friedensbewegung starken Auftrieb durch die Bedrohung durch Atomwaffen, auch bestärkt durch die Folgen der Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki. Anfang der 1980er-Jahre bildete sich in zahlreichen westlichen Staaten eine neue, auf breiter Basis mit der Umwelt- und Frauenbewegung sowie alternativen Bewegungen verbundene, auch von Emotionen getragene Friedensbewegung, die gegen die Realisierung des NATODoppelbeschlusses (1979) protestierte und eine allgemeine Abrüstung forderte. Mit der globalen Wende in der Weltpolitik (1989/91) verlor die desorientierte und geschrumpfte Friedensbewegung zunächst an politischem Gewicht.