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 Verb (Verbum, Verba, engl. verb)
Verbum ‚Wort‘ (griech. rhema ‚Rede, Aussage‘)
Auch: Aussagewort, Tätigkeitswort, Zeitwort
Grammatische Kategorien: Konjugation
1) Numerus: Sg – Pl
2) Person: 1 – 2 – 3
[ergibt 6 verschiedene Flexionsformen. Es können aber auch mehr sein:
im Hebräischen wird in der 2./3.Sg sowie 2.Pl noch nach mask und fem
unterschieden, also 9 Formen]
3) Tempus (Tempora, Zeitformen):
temporale Verortung des geäußerten Sachverhalts (Ereigniszeit, E) in
Relation zur/m Äußerungszeit/Sprechzeitpunkt (S), daraus resultieren
Vergangenheit (E > S), Gegenwart (E – S), Zukunft (S > E)
im Deutschen werden traditionell 6 Tempora angesetzt
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 Präsens, Gegenwartstempus
Formen: gehe – gehst – geht – gehen – geht – gehen
[Vgl. Ital: parlo – parli – parla – parliamo – parlate – parlano;
Engl.: speak(s)]
Grundbedeutung: Gleichzeitigkeit/Überlappung von Ereignis- und
Äußerungszeit (ich arbeite gerade, heute fällt mir nichts ein)
auch Zukunftsbezug (Morgen gehe ich ins Kino) und Vergangenheitsbezug (historisches Präsens) (Am 1. September 1939 beginnt der 2.
Weltkrieg) möglich
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Präteritum (im Dt auch irrtümlicherweise: Imperfekt):
Vergangenheitstempus, bezeichnet vergangene Ereignisse (E > S) –
Bsp.: gestern ging ich ins Kino
Formen: starke vs. schwache Verben
Stark: stammvokalverändernd (heute: unregelmäßig)
sprach – sprachst – sprach – sprachen – spracht – sprachen
Schwach: Zusatz von –t, Stammvokal unverändert (heute: regelmäßig)
lieb-t-e – lieb-t-est – lieb-t-e – lieb-t-en – lieb-t-et – lieb-t-en
Gemischt: Ablaut plus –t (brach-t-e, ...)
auch Unterschiede beim Partizip: gesprochen vs. geliebt
Präs & Prät werden im Deutschen einfach (synthetisch) gebildet (durch
Flexion am Verb) und sie werden – zusammen mit dem Futur I – auch als
absolute Tempora bezeichnet (weil nur E & S eine Rolle spielen)
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Die
übrigen
Tempora
werden
zusammengesetzt
(analytisch/
periphrastisch) gebildet (d.h. mithilfe eines Auxiliars) und sie sind
relationale Tempora (außer Futur I), weil hier noch die sog. Referenzzeit
(R) bedeutsam ist.
 Futur I: zur Bezeichnung zukünftiger Ereignisse (S > E)
Bildung: werden + Infinitiv (ich werde morgen ins Kino gehen)
Gegenwartsbezug, wenn modale Bedeutung vorhanden (vermutlich wird
er jetzt zuhause sein)
Präsens vs. Futur I: nicht synonym
a) Gegenwartsbezug: modale Komponente fehlt bei Präsens, muß
gesondert (Adverb z.B.) ausgedrückt werden, d.h. er wird jetzt zuhause
sein  er ist jetzt zuhause, sondern = vermutlich ist er jetzt zuhause
b) Zukunftsbezug: muß bei Präsens besonders angezeigt werden (morgen
gehe ich ...), d.h. ohne Kennzeichnung kein Zukunftsbezug (ich gehe ins
Kino  ich werde ins Kino gehen)
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 Perfekt:
drückt ein in der Vergangenheit abgeschlossenes Ereignis aus, das in die
Gegenwart hineinwirkt, d.h. Referenzzeit (der zeitliche Bezugsrahmen)
ist die Gegenwart und damit gleich der Äußerungszeit (E > R = S), d.h.
abgeschlossene Ereignisse mit Bezug auf Gegenwart
Bildung: präsentisches AUX (sein/haben) + Partizip II
Präteritum vs. Perfekt:
a) Abgeschlossenheit wird bei Perf impliziert, nicht notwendigerweise
aber bei Prät, d.h. häufig sind beide äquivalent (ausstauchbar): gestern
kaufte er ein Auto/hat gekauft
Es gibt aber auch Kontexte, in denen das nicht der Fall ist: Peter schaut
am Morgen aus dem Fenster, es ist strahlend blauer Himmel, es hat den
ersten Schnee dieses Jahres, er sagt zu seiner Frau:
(i)
es hat geschneit
(ii)
*es schneite
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Konsequenz für Zeitenfolge in komplexen Sätzen:
da Abgeschlossenheit Vorzeitigkeit gegenüber R impliziert, folgt daraus
auch:
ich sehe, daß es geschneit hat/*schneite
(vgl. auch: plötzlich spürte ich, daß es regnete/*geregnet hat: hier ergibt
nur Gleichzeitigkeit eine sinnvolle Lesart)
Unterschied: bei Perf primär Abgeschlossenheitsaspekt, bei Prät
Vergangenheitsaspekt, daher
b) Perfekt erlaubt auch Zukunftsbezug, wenn R gleich Zukunft
(morgen hab ich das Geld besorgt)
c) generische Aussagen:
ein Tor liegt vor, wenn der Ball die Torlinie in vollem Umfang
überschritten hat/*überschreitet
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 Plusquamperfekt:
(lat. ‚mehr als vollendet‘) abgeschlossene Ereignisse/Vorzeitigkeit mit
Bezug auf Vergangenheit (E > R > S)
Als er eintrat, hatte/verließ Peter das Zimmer verlassen
Bildung: präteritales AUX (sein/haben) + Partizip II
 Futur II: Futurum exactum, vollendete Zukunft (S > E > R)
Bildung: werden plus Perfekt (AUX + Partizip II)
Er wird das Kapitel morgen abgeschlossen haben
Meistens ersetzbar durch Perfekt, daher ziemlich ungebräuchlich:
sobald ich es gefunden haben werden/habe, rufe ich ich Dich an
Außer bei modaler Gebrauchsweise (ohne entsprechendes Adverb): F:
Wo war Peter gestern? A: da wird er wohl zuhause gewesen sein/Er ist
gestern zuhause gewesen
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4) Modus (Modi):
Aussageweise, zum Ausdruck einer subjektiven Einstellung bzw.
Einschätzung des Sachverhalts, im Dt existieren drei Formen:
Indikativ (Wirklichkeitsform): neutraler Modus
Konjunktiv: allgemein zum Ausdruck irrealer/möglicher Sachverhalte
a) Konjunktiv I: Präsensstamm (z.B. lieb) + -e/est/e/en/et/en
unterscheidet sich also nur in 2./3.Sg. sowie 2.Pl. vom Indikativ
Funktionen: im Hauptsatz Wunsch, Bitte, Aufforderungen (mögest Du
gesund bleiben, seien Sie doch vernünftig), im Nebensatz Wunsch- (ich
bat ihn, er möge von seiner Forderung Abstand nehmen) oder Finalsatz
(Paß auf, damit es dir nicht zum Nachteil gereiche)
b) Konjunktiv II: Präteritumstamm (z.B. liebt) + -e/est/e/en/et/en
bei regelmäßiger Konj sind im Prät Indikativ und Kon II formengleich,
bei unregelm unterscheiden sich 1/3.Sg (blieb – bliebe) und 2.Sg/Pl
(blieb(s)t – bliebe(s)t) sowie im Umlaut (sang – sänge)
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Funktionen: im Hauptsatz als Coniunctivus Irrealis/Potentialis, wobei
Vergangenheit durch periphrastische Form (er wäre gern gekommen)
und Nicht-Vergangenheit durch einfache Form (er käme gern). In der
Ugs gern durch würde umgangen (er würde gerne kommen)
Im Nebensatz: z.B. kontrafaktische Konditionalsätze (wenn sie die letzte
Frage noch gewußt hätte, hätte sie die Million gewonnen; hätte sie die
letzte Frage noch gewußt, hätte sie ...)
Imperativ: Befehlsform
Im Dt nur 2.Sg/Pl: komm/kommt
5) Genus Verbi
Verbalgenus, Handlungsform, Diathese, engl. voice
Bestimmt
das
Verhältnis
zwischen
syntaktischen Funktionen
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semantischen
Rollen
und
In Nominativsprachen (wie Deutsch) existieren drei Genera:
Aktiv: Bildung synthetisch (s. oben)
Peter grüßt Paul (Peter = Subjekt und Agens; Paul = Objekt und Patiens)
Passiv: Bildung analytisch mit werden als AUX plus Partizip II
Paul wird (von Peter) gegrüßt (Paul = Subjekt und Patiens; Peter: präp.
Angabe, Agens und – wichtig! – ist fakultativ)
[NB: Aktiv und Passiv stehen in einer systematischen Relation
zueinander: A-P-Umwandlung beinhaltet Argumentreduktion (d.h.
Deagentivierung) und Deakkusativierung
[Medium: bezeichnet eine Handlung, die von einem Subjekt ausgeht und
auf dieses bezogen ist. Als Teil der Konjugation vorhanden im Sanskrit
und
Altgriechischen,
in
heutigen
ide.
Sprachen
reflexivischen Konstruktionen (er kauft sich ein Auto)]
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vergleichbar
Sonderformen:
a) Zustandspassiv: Bildung analytisch mit sein als AUX plus Partizip II
Die Tür ist geschlossen
Unterschied zu echtem oder Vorgangspassiv: kein(e) Ableitung/Bezug
aus/zu Aktivform
b) Mittelkonstruktionen: Bildung aktive Verbalform, zugrundliegende
Objekte (Patiens) als Oberflächen-Subjekte, Reflexivpronomen (im Dt)
Diese Autos verkaufen sich gut
Der neue Roman von X. ließt sich sehr schön
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6) Finitheit: finit vs. infinit
finite Formen: für Num/Pers/Temp usw. flektierte Formen
infinite Formen:
a) Infinitiv (Nenn-, Grundform)
einfacher/reiner und erweiterter Infinitiv (lesen, zu lesen)
b) Partizip (Mittelwort)
Partizip Präsens (Partizip I) und Partizip Perfekt (Partizip II)
Partizip II dient zur Bildung periphrastischer Formen (Tempus, Passiv);
beide können auch als Attribute (wie Adjektive) verwendet werden:
Der Vater liest/las das Buch
Partizip I: Prädikation über das Subjekt (der lesende Vater)
Partizip II: Prädikation über das Objekt (das gelesene Buch)
Systematik der infiniten Verbalformen (nach G. Bech)
Stufe I: Supinum
Stufe I: Partizipium
1. Status lieben (reiner Infinitiv)
liebend(er) (Partizip I)
2. Status zu lieben (zu-Infinitiv)
zu liebend(-er) (Gerundivum)
3. Status geliebt (Partizip II)
geliebt(-er) (Partizip II)
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7) Verbale Subklassen
a) syntaktisch
Kopulaverben: konstruieren mit adjektivischen und substantivischen
Prädikativen (Dt: sein, werden, bleiben – Peter ist/wird/bleibt Lehrer)
Hilfsverben: Auxiliare, nehmen Partizip oder Infinitiv zu sich, dienen
zur Bildung analytischer Formen (Tempus, Modus, Genus verbi),
Dt: sein, haben plus Partizip II (periphrastische Tempora), d.h. regieren
den 3. Status
Werden plus Partizip II (Passiv), d.h. regiert den 3. Status
Werden plus Infinitiv (Futur), d.h. regiert den 1. Status
Vollverben: nehmen substantivische Ergänzungen (Argumente) zu sich
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Modalverben:
 Syntaktisch:
nehmen reine Infinitive zu sich, d.h. regieren den 1. Status
Weitere Besonderheiten: haben keine Imperativform, Ersatzinfinitiv (er
hat das nicht lesen wollen), nicht-passivierbar (Hans will Maria küssen >
*Maria wird küssen gewollt), außer wenn als Vollverb verwendet (das
wurde eben nicht gewollt)
 Semantisch-funktional:
1) modale, deontische, zirkumstantielle Bedeutung: spezifizieren
Verhältnis zwischen Subjekt und Verbalvorgang, z.B.
Peter geht heute ins Kino > Peter kann/darf/muß heute ins Kino gehen
(Möglichkeit, Erlaubnis, Notwendigkeit)
2) epistemische, inferentielle, subjektive Bedeutung: Vermutung des
Sprechers
Peter dürfte/könnte/mag heute im Kino sein (häufig mit Konjunktiv)
Peter konnte nicht im Kino sein (d.h. nicht zwangsläufig an Konjunktiv
gebunden)
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b) nach Valenz (Wertigkeit, Stelligkeit, Fügungspotential), auf L.
Tesnière (1959) zurückgehend
DEF: Fähigkeit, Ergänzungen zu sich zu nehmen und deren gramm.
Erscheinung festzulegen:
grüßen: 2 Ergänzungen, beide Substantive, eines NOM, das andere AKK
helfen: 2 Ergänzungen, beide Substantive, eines NOM, das andere DAT
glauben: 2 Ergänzungen, eines Substantiv im NOM, das andere Satz/
Infinitivkomplement
 nullwertige (avalente) V: Witterungsverben, mit expletivem es als
Subjekt, dieses ist jedoch kein Argument, da es keine semantische
Rolle inne hat (vgl. auch ital. piove ‚es regnet‘)
 einwertige (monovalente) V: schlafen, blühen
 zweiwertige (bivalente) V: essen, singen
 dreiwertige (trivalente) V: schenken, geben
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Einteilung nach der Transitivität (transire ‚hinübergehen‘):
 transitive V: die ein DO zu sich nehmen
 intransitive V: null-, einwertige V und diejenigen zweiwertigen ohne
DO (helfen, schaden)
häufig gelten alle Verben ohne Objekt als intrV, es gibt zwei Klassen:
 Unergative Verben: (i) haben-Perfekt, Subjekt = Agens (der die
Handlung ausführt), innere Objekte möglich (einen Walzer tanzen,
den Schlaf des gerechten schlafen); daher (ii) unpersönliches Passiv
(jetzt wird aber geschlafen), (iii) kein attributives Partizip II (*der
geschlafene Lehrer), aber er-Nominalisierung (der Schläfer)
 Unakkusativische Verben: sein-Perfekt, Subjekt = Patiens (der vom
Vorgang betroffen ist), Subjekte sind eigentlich Objekte, die Verben
können keinen Akk vergeben, daher die Bezeichnung; daher auch
(Lesart als) Zustandspassiv möglich: ich bin im Augenblick erkrankt
(vs. bevor der Urlaub begann, ist Otto erkrankt = Perfekt), aber kein
unpersönliches Passiv (heute wird erkrankt); attributives Partizip II
(der erkrankte Lehrer), keine er-Nominalisierung (*der Erkranker)
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c) nach Aktionsart (manner of action, aspect)
d) nach Präsuppositionsverhalten
e) weitere Subklassen (syntaktisch)
Kontrollverben: nehmen Infinitive zu sich, deren unausgedrücktes, aber
mitverstandenes Subjekt entweder mit dem Subjekt oder Objekt identisch
ist, bzw. davon kontrolliert wird (SK, OK)
Subjektskontrollverben: ichi verspreche dir PROi rechtzeitig zu kommen
Objektskontrollverben: ich rate diri PROi rechtzeitig zu kommen
Empfindungsverben (psychologische/kognitive Verben): vergeben zwei
semantische Rollen, nämlich Thema (Patiens) und Experiencer
TH = Nom, EXP = Dat
(der Film gefällt mir)
TH = Akk, EXP = Nom
(ich mag den Film)
TH = PrO, EXP = Nom
(ich freue mich über den Film)
Anhebungsverben: scheinen
Hans scheint zu gewinnen vs. Es scheint, daß Hans gewinnt
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