Hein Retter Anmerkungen zum Erziehungswissenschaftler Friedrich Schneider (1881-1974). Europa, katholische Selbstbehauptung im Nationalsozialismus und die eugenische Familienerziehung Vorläufiger Bericht Zur Biographie Friedrich Schneiders Friedrich Schneider wurde am 28. Oktober 1881 in Köln als Sohn eines evangelischen Lokomotivführers und einer katholischen Mutter geboren und katholisch getauft.i Er besuchte acht Jahre die Volksschule, anschließend die Präparande, unterrichtete als Volksschullehrer von 1901 bis 1904, absolvierte 1905 die Mittelschullehrerprüfung, ein Jahr später die Rektorenprüfung und war ab 1906 Seminarlehrer. Er bildete sich ab 1912 durch Privatstudien fort mit dem Ziel der Abiturprüfung, die er als Externer in Köln 1914 ablegte. Da war er 33 Jahre alt. Vom Militärdienst befreit, studierte er anschließend an der Universität Bonn Germanistik, Geschichte und Philosophie. 1918 promovierte er dort mit einer literaturwissenschaftlichen Arbeit über den Einfluss Nietzsches auf August Strindberg und legte auch das 1. Examen für das Lehramt an höheren Schulen ab. 1923 erfolgte an der Universität Köln seine Habilitation für Pädagogik mit dem Buch „Psychologie des Lehrerberufes“. Schneider war von 1920 bis 1927 Prorektor von Lehrerseminaren in den Regierungsbezirken Köln und Euskirchen. Zum 1. April 1927 wurde er Dozent für Psychologie und Pädagogik an der neu errichteten Pädagogischen Akademie Bonn. Anfang 1928 erfolgte die Ernennung zum Professor in dieser Funktion. Gleichzeitig war er Privat-Dozent für Pädagogik an der Universität Köln. Der Versuch, 1929 an der Kölner Universität eine unbesoldete außerordentliche Professur für Pädagogik zu erhalten, scheiterte, da Wilhelm Kahl (1864-1929), Inhaber eines persönlichen Ordinariats am Pädagogischen Seminar der Universität Kölnii, der Ansicht war, dass Schneider bis dahin zu sehr auf dem Gebiete der pädagogischen Psychologie und zu wenig im Bereich der Pädagogik im engeren Sinne veröffentlicht habe. Schneider zeigte schon früh ein Interesse für empirische Forschung, für die Pädagogik des Auslands, für die internationale Reformpädagogik. Durch Auslandsbesuche und Teilnahme an internationalen Tagungen, wie sie zum Beispiel seit 1920 von der New Education Fellowship (Weltbund für die Erneuerung der Erziehung) durchgeführt wurden, schuf er sich ein Netz von deutschlandweiten wie internationalen Kontakten. Schneider gilt heute als Nestor der Vergleichenden Erziehungswissenschaft im deutschsprachigen Raum. Von grundlegender Bedeutung war die von ihm 1931 ins Leben gerufene „Internationale Zeitschrift für Erziehungswissenschaft“ dar, die Schneider mit dem amerikanischen Kollegen Paul Monroe von der Columbia University, New York City, herausgab. Während des kurzen Zeitraums, der es ihr vergönnt war, in der bereits bedrohten Freiheit der Republik zu erscheinen, veröffentlichten hier bedeutende Erziehungswissenschaftler des In- und Auslands. Mit der vom NS-Staat erzwungenen Versetzung in den Ruhestand am 10.8.1934 endete Schneiders Tätigkeit als 53jähriger Hochschullehrer in Bonn. Schneider wurde ebenso die „Zeitschrift für Internationale Erziehungswissenschaft“ entzogen. Sie fungierte nun als „Internationale Zeitschrift für Erziehung“ unter der Herausgeberschaft von Alfred Baeumler und seinem Schriftleiter Theodor Wilhelm im Sinne nationalsozialistischer Wissenschafts- und Auslandspolitik. Schneider hatte zwar kein generelles Veröffentlichungsverbot, war aber, was Auslandskontakte anbetraf, weitgehend isoliert. Ab 1936 wurde ihm die Genehmigung versagt, Vortragseinladungen aus dem Ausland zu folgen. Er hatte mit erheblichen Einschränkungen finanzieller und publizistischer Art zu kämpfen. 1940 wurde Schneiders Situation auf Grund drohender politischer Pressionen besonders kritisch. Er übersiedelte mit seiner Frau nach Vöcklamarkt in Oberösterreich, arbeitete im Winterhalb- 2 jahr 1943/44 auch in Jena an der dortigen Universitätsbibliothek, um historische Quellen für Studien zur Vergleichenden Erziehungswissenschaft aufzuarbeiten. Nach dem 1943 erschienenen Band „Geltung und Einfluss der deutschen Pädagogik im Ausland“ ging es Schneider dabei um ein weiteres Buch, das er mit dem Titel „Triebkräfte der Pädagogik der Völker“ 1947 veröffentlichte. Unter anderem verwies Schneider darin auf die Bedeutung John Deweys (1859-1952), des führenden Erziehungsphilosophen der USA, für die moderne Reformpädagogik. Er saß schon im abfahrbereiten Zug nach Deutschland, um die ihm angebotene Direktion der Pädagogischen Akademie in Essen zu anzunehmen, als er am Bahnhof durch den Sekretär des Salzburger Erzbischofs, Andreas Rohracher, gebeten wurde, wieder auszusteigen. Der Erzbischof wollte Schneider für Salzburg und Österreich gewinnen.iii Schneider folgte der Bitte, weil er hoffte, in Salzburg ein „europäisches katholisches Zentrum für Erziehungswissenschaft in ihrem ganzen Umfang im Rahmen einer katholischen Universität für die Elite katholischer Akademiker“ errichten zu können. Das war auch ein lang gehegter Wunsch der Kirche.iv Doch dem Plan lag eine Fehleinschätzung zu Grunde. Schneiders berechtigte Hoffnung auf ein Ordinariat erfüllte sich nicht. 1946 wurde zwar das Institut für Vergleichende Erziehungswissenschaft“ in Salzburg mit Schneider als seinem Leiter errichtet. Als Gründung des katholischen Universitätsvereins war es ein privates, kein staatliches Institut, das allein durch die Person Schneiders mit der wieder eröffneten Katholischen Fakultät der Universität Salzburg in personeller Verbindung stand, doch weder zur Fakultät gehörte, noch hinreichend mit Personal- und Sachmittel ausgestattet war. Durch Inanspruchnahme von Diensträumen, welche amtierenden Professoren gehörten, sorgte Schneiders Institut für einen Dauerkonflikt mit der Fakultät. Das Salzburger Institut für Vergleichende Erziehungswissenschaft entwickelte Schneider schnell zu einem der aktivsten pädagogischen Zentren im deutschsprachigen Raum, aber entgegen allen Erwartungen akademischer Höherpositionierung war er seit April 1946 nur Honorarprofessur in der Theologischen Fakultät der Universität Salzburg, die zu dieser Zeit keine Lehrkanzel für Pädagogik besaß. So konnte man, wie Wolfgang Brezinka in seiner detaillierten Darstellung feststellte, bei Schneider zwar studieren, aber nach staatlichem Recht weder promovieren noch habilitieren. Diese langfristig enttäuschende Situation bewog Schneider 1953, mit 72 Jahren, einem Ruf der Universität München zu folgen, wo er schon seit 1949 als Honorarprofessor mit den Rechten eines Ordinarius lehrte. Er wurde hier zum 1.11.1958 emeritiert, hielt aber weiterhin bis zum Sommersemester 1961 Vorlesungen. Friedrich Schneider starb mit 92 Jahren am 14. März 1974. Drei Ereignisse in seiner Berufsbiographie sind nachzutragen: Erstens: Schneider unterschrieb ebenso wie etwa 900 andere Hochschullehrer das „Bekenntnis der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat“, das am 11. November, nach dem Austritt Hitler-Deutschlands aus dem Völkerbund ein „Wahlaufruf“ sein sollte für eine Reichstagswahl, die keine mehr war, weil alle anderen Parteien außer der NSDAP durch Verbot nicht mehr existierten. Zweitens: Das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 bildete die von NS-Juristen geschaffene rechtliche Grundlage für Schneiders Dienstentlassung als Professor in Bonn im August 1934. Als bekennender Katholik war er in der nationalsozialistischen Lehrerbildung unerwünscht. Es ist durchaus möglich, dass das Reichskonkordat vom 20. Juli 1933 die NS-Behörden dazu bewog, Schneider, den international tätigen katholischen Erziehungswissenschaftler, nicht schon früher zur Ausscheidung aus seinem Amt zu zwingen. Er hatte die Wahl zwischen Rückkehr in den Volksschullehrerdienst oder Frühpensionierung, und er wählte Letzteres. Das Gesetz war ein vom NSStaat geschaffenes Instrument, unerwünschte Staatsbeamte abzusetzen oder zu entlassen. Wer nicht arischer Abstammung war, wurde nach § 3 zwangsweise in den Ruhestand versetzt (mit eng definierten Ausnahmen). Wer auf Grund der „bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür“ bot, „jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eint(zu)treten“, zum Beispiel als ehemaliges SPD-Mitglied, hatte damit zu rechnen, nach § 4 dieses Gesetzes entlassen werden. Damit nicht genug, war die Entfernung weltanschaulich unliebsamer Beamter aus ihren Ämtern auch nach § 5 möglich, dessen erster Ab- 3 satz besagte: Jeder Beamte müsse es sich gefallen lassen, in eine andere Position oder Laufbahn versetzt zu werden, auch eine niederen Ranges, „wenn es das dienstliche Bedürfnis erfordert“. § 5,2 eröffnete die Möglichkeit, dass der betroffene Beamte auch die Versetzung in den Ruhestand wählen konnte. Für Schneider bedeutete die Entscheidung für die Zwangspensionierung nach § 5,2, sie der drohenden Rückkehr in den Volksschullehrerdienst vorzuziehen, allerdings unter Minderung seiner bisherigen Bezüge. Drittens: 1940 wurde Schneider an der Universität Köln die Ernennung zum Dozenten neuer Art, die wegen einer reichsweit neu eingeführten Habilitationsordnung beantragt werden musste, verweigert, womit ihm auch die Lehrerlaubnis als Privatdozent entzogen war. Der NS-Dozentenführer der Universität Köln hatte „schärfsten Widerspruch“ gegen Schneiders Verbleiben an der Universität erhoben. Ausschlaggebend war die Schneider attestierte „zeitweise auch ins Politische“ gehende „konfessionelle Bindung“.v Schneiders Beitrag zum Katholizismus als Bildungsmacht in der Weimarer Republik Die reiche Herausgeber- und Publikationstätigkeit Schneiders bezog sich in den zwanziger Jahren bis 1933 auf Psychologie und Persönlichkeit des Lehrers, auf die Individualität des Schülers und auf die internationalen Beziehungen der Pädagogik, unter besonderer Berücksichtigung reformpädagogischer Schulversuche. In den dreißiger Jahren standen Familie und Selbsterziehung im Mittelpunkt, ab den vierziger Jahren dann die Bemühungen um eine historisch und international vergleichende Erziehungswissenschaft, aber ebenso die für die Nachkriegszeit zentralen Themen, wie Jugendverwahrlosung, Heilpädagogik, Tiefenpsychologie, benachteiligte und behinderte Kinder Themen, die meist auf den Tagungen des Salzburger Institutes behandelt wurden. Wie kommt die Katholizität Schneiders in seinem wissenschaftlichen Werk zum Ausdruck? Durchgehend finden sich in Titeln seiner Aufsätze und Bücher Hinweise auf das christlich-katholische Anliegen. Das bedeutete nicht allein “Familienerziehung”, sondern vor allem katholische Familienerziehung, nicht nur „Unterrichten und Erziehen als Beruf“, sondern „Eine christliche Berufsethik für die Pädagogen“, wie der Untertitel dieses 1940 erschienenen Bandes hieß. Während der NS-Zeit bildeten Familien- und Selbsterziehung, jenen Themenbereich, mit dem Schneider christlich-katholische Werte vermittelte. Er schrieb Bücher, die in vermehrter Auflage auch nach dem Krieg glänzend verkauft wurden und eine Reihe von Übersetzungen im Ausland erfuhren, aber in der NS-Zeit auch mit dem Risiko der Beschlagnahme rechnen mussten.vi Von 1920 bis 1923 gab Schneider die „Zeitschrift für christliche Erziehungswissenschaft und Schulpolitik” heraus. Dazu traten zwei von ihm edierte Sammelbände, die ihn ebenfalls als katholischen Pädagogen ausweisen: 1925 „Katholisches Kulturgut als Bildungsstoff“vii und 1936 „Bildungskräfte im Katholizismus der Welt“.viii Veröffentlichungen Schneiders, auch Reihen und Zeitschriften, die er herausgab, erschienen überwiegend in katholischen Verlagen, so bei Herder in Freiburg oder bei Schöningh in Paderborn. Er arbeitete eng mit katholischen Institutionen zusammen, wie dem Institut für wissenschaftliche Pädagogik in Münster i.W. Er pflegte enge Beziehungen zu hochstehenden katholischen Persönlichkeiten. Für seinen ersten Aufenthalt in England hatte ihm der Kölner Kardinal, Erzbischof Schulte, mit einem „sehr eindringlichem lateinischen Empfehlungsschreiben“ die Türen zum Londoner Kardinal Bourne geöffnet.ix Als Schneider in der finanziellen Krisenzeit die „Internationale Zeitschrift für Erziehungswissenschaft“ beim katholischen Verlag Bachem herausbringen wollte, wurde eine finanzielle Starthilfe nötig. Eine Audienz beim Reichsinnenminister und ehemaligen Reichskanzler Joseph Wirth führte zum Erfolg.x Wenn Schneider von einer geheimen Sitzung der pädagogischen Sektion der Görres-Gesellschaft 1934 berichtet,xi in der er seine Idee vortrug, angesichts der herrschenden politischen Situation die Bedeutung katholischer Familienerziehung publizistisch sehr viel stärker noch als bisher zu vertreten, erhielt er ungeteilte Zustimmung; Das personale Netz dieses wichtigsten Kommunikationsforums des 4 deutschen Katholizismus in einer damals mehrheitlich preußisch-protestantischen Öffentlichkeit eröffneten im Zugänge zu Kirchengemeinden, in denen er Vorträge hielt. Schneider kannte die geballte geistige Macht katholischer Universitätspädagogik, deren Hauptvertreter, wenn sie nicht Philosophen waren, dann doch ausgebildete Theologen, ja geweihte Priester, die mit ihren Werken einen hohen Bekanntheitsgrad besaßen: Joseph Göttler (1874-1953) mit der Katechetik der „Münchner Methode“ Franz Xaver Eggersdorfer (1879-1958) mit dem von ihm herausgegebenen “Handbuch der Erziehungswissenschaft Josef Schröteler, SJ, (1886-1954) mit den beiden von ihm edierten Bände über die „Pädagogik der Gegenwart in den großen Kulturländern“, Linus Bopp (1887-1971) mit seinem umfangreiches Werk über „Die erzieherischen Eigenwerte der katholischen Kirche” (1928). Hinzu kommen der einflussreiche Romano Guardini (1885-1968), der aus Galizien stammende Stanislaus Graf Dunin-Borkowski, SJ, (1864-1934) mit seinen Arbeiten zur Jugenderziehung; für Österreich ist Michael Pfliegler (1891-1972) zu nennen. Darüber hinaus stand Schneider in Kontakt mit dem ehemaligen Zentrumspolitiker und Physiker Friedrich Dessauer und dem Erziehungsphilosophen Robert Ulich – beide emigrierten nach 1933. Das fünfbändige Staatslexikon der Görresgesellschaft und das mehrbändige, bis 1933 aber nicht vollständig realisierte „Handbuch der Erziehungswissenschaft“ präsentierten den deutschen Katholizismus auf der Höhe seiner geistigen Potenz in der Weimarer Republik. Schneider war an beiden Großprojekten meiner Erkenntnis nach nicht direkt beteiligt, doch mit vielen Mitwirkenden gut bekannt. Die intellektuellen Kräfte des Katholizismus in der Weimarer Republik lassen sich aus meiner Sicht fünf institutionellen Zentren zuordnen: Zu nennen ist erstens die Kirche mit den von ihr geführten Institutionen, zweitens ein Erziehungs- und Bildungsangebot für alle Lebensphasen, das teils kirchlich, teils öffentlich, teils privat eine geistige Formung im Sinne katholischer Weltanschauung leistete. Drittens das Zentrum als die politische Partei der deutschen Katholiken. Viertens die Vielfalt der Laienvereinigungen, bei denen der Katholische Akademikerverband, die Jugendorganisation “Quickborn”, die Görres-Gesellschaft eine führende Funktion besaßen. Sie bildeten soziale Plattformen und soziale Netze für das Hineinwirken katholischer Geistigkeit in eine Gesellschaft, die überwiegend protestantisch, in wachsendem Maße jedoch auch antikirchlich eingestellt war. Fünftens schließlich ein modernes katholisches Verlags-, Presse- und Zeitschriftenwesen, das Orientierung bot und katholische Lebensvielfalt förderte. Das Zentrum war als katholische Verfassungspartei der Weimarer Republik ein politisches Wunder. Nachdem die römische Kurie seit der Zeit des Kulturkampfes über viele Jahrzehnte gegen Modernismus, Liberalismus und Demokratie einen erbitterten Kampf geführt hatte, bekannten sich das Zentrum und sein bayerischer Ableger, die Bayerische Volkspartei, zur Weimarer Demokratie. Man kann sogar behaupten: Dank des Zentrums wurde die 14-jährige Lebensdauer der Weimarer Republik überhaupt erst möglich. Mit der SPD war sie die einzige Partei, die schon im Kaiserreich parlamentarisch präsent war, doch im Gegensatz zur SPD war sie in der Ära nach Bismarck zu einer staatstragenden Partei geworden, die vom 1. 11.1917 bis zum 30.9.1918 sogar den Reichskanzler (Georg von Hertling) stellte. Ihren eigentlichen Einfluss auf den Staat gewann sie erst in der Weimarer Republik. Die katholische Zentrumspartei verstand es nicht nur ihre auseinanderstrebenden Flügel zu integrieren, sie war in sowohl in den Reichskabinetten ab 1919 (mit einer kurzen Ausnahme) als auch im gleichen Zeitraum in Preußen bis 1932 Regierungspartei und stellte für die kurzen Zeitabschnitte, in denen Otto Braun (SPD) im Zeitraum 1920-1932 Preußen nicht regierte, den Ministerpräsidenten, so Adam Stegerwald (1921) und Wilhelm Marx (1925). Aus dem Zentrum ging mit Constantin Fehrenbach, Joseph Wirth, Wilhelm Marx und Heinrich Brüning eine Reihe von verfassungstreuen Reichskanzlern hervor. Demgegenüber war von dem ehemaligen Zentrums-Mitglied Franz von Papen, Reichskanzler ab 1. Juni 1930, ein Eintreten für die Weimarer Demokratie nicht mehr zu erwarten. Erst auf diesem Zeithintergrund ist Schneiders Wirken in der Weimarer Republik als aktiver Katholik voll zu verstehen. Er war ein Rheinländer, und das mehrheitlich katholische Rheinland hatte sich als preußische Provinz mit seinem ökonomischen Gewicht gegenüber dem protestantischen Berliner Preu- 5 ßentum schon immer seine Freiheiten bewahrt. Als tiefgläubiger Christ gehörte Schneider zu jenen Persönlichkeiten, die in die internationale Welt der Erziehung und Bildung hineinwirkten: Das betraf kaum Ost- und Südosteuropa, sondern primär die Länder des Westens, nämlich Frankreich, Belgien, Luxemburg, Schweiz, England, Spanien, Italien und die USA, aber auch China. Doch Schneiders deutschlandweite und internationale Beziehungen beschränkten sich nicht auf die katholische Welt. Er war ebenso mit führenden protestantischen Universitätslehrern in Deutschland näher bekannt: Ich nenne Eduard Spranger, Peter Petersen und Carl Heinrich Becker. Eduard Spranger schrieb nach dem Tod von Ernst Troeltsch am 20. Februar 1923 an Käthe Hadlich, seine Brieffreundin, “daß nach dem Tode von Troeltsch die geistige Führung des protestantischen Deutschland nun meine Aufgabe ist, bis ein anderer kommt und mich ablöst.”xii Schneider zitierte mehrfach aus den Hauptschriften Sprangers. In Schneiders „Internationaler Zeitschrift für Erziehungswissenschaft“ veröffentlichte Spranger einen Beitragxiii, über 30 Jahre später dann einen weiteren in der Festschrift für Schneiderxiv; Es gibt auch sonst Belege für wechselseitige Wertschätzung, aber die persönlichen Kontakte zwischen Spranger und Schneider waren nicht zahlreich. Anders verhielt es sich mit dem Erziehungswissenschaftler und Reformpädagogen Peter Petersen von der Universität Jena, mit dem Schneider anlässlich des USA-Aufenthalts einer Gruppe von deutschen Pädagogen am Teachers College der Columbia Universität in New York, außerdem noch einer Einladung des Peabody Colleges of Education der Universität von Tennessee folgte. Schneider stand auch während der NS-Zeit mit Petersen in brieflichem Austausch.xv Schneiders Sohn Wilhelm Christian studierte zuletzt in Jena bei Petersen und promovierte 1936 bei ihm. Friedrich Schneiders Aufenthalt in Jena während des Winters 1943/44 ergab sich aus dem Kontakt mit Petersen. Die neue politische Ordnung der demokratischen Republik ab 1919, die auf die Kriegsniederlage, dem Ende des Wilhelminischen Kaiserreichs und dem von sozialistischen Kräften getragenen politischen Umsturz folgte, stürzte den deutschen Protestantismus in eine viel tiefere Krise als den Katholizismus. Trauerten orthodoxe Protestanten dem Verlust der Macht nach, den das landesherrliche Kirchenregiment besaß, so blieb Rom für die deutschen Katholiken immer erhalten. Allerdings war der alte Gegner, die religionskritische Sozialdemokratie, nun führende politische Kraft, die gegen den erbitterten Widerstand der Kirchen und Teilen der bürgerlichen Elternschaft die weltliche Schule durchzusetzen versuchte. Dies gelang nicht, vor allem weil „Bildung“ Sache der Länder war und die SPD etwa in Bayern im Gegensatz zur Bayerischen Volkspartei kaum Einfluss besaß. Als Koalitionspartner der politischen Mitte wurde das Zentrum sowohl in Preußen als auch in der Reichsregierung gebraucht. Die päpstliche Enzyklika „Divini illius Magistri“ vom 31.12.1929, die für Schneider zur Basis seiner Werke über „katholischen Familienerziehung“ wurde, betonte den Vorrang der kirchlich-elterlichen Erziehung vor der staatlichen Bildung und sprach für katholische Kinder ein Verbot aus, „weltliche“ Schulen zu besuchen. Der Schulpolitik der SPD setzten sich beide großen Konfessionen gemeinsam mit dem Besitzbürgertum entgegen. Darüber kam der parteilose preußische Kultusminister Carl Heinrich Becker (1876-1933) letztlich zu Fall. Gelang ihm 1929 den Abschluss eines Staatsvertrages zwischen Preußen und dem Heiligen Stuhl federführend erfolgreich vorzubereiten, so nur deshalb, weil die Schulfrage ausgeklammert blieb. Sein Rücktritt am 30. Januar 1930 erfolgte auf Druck der SPDLandtagsfraktion. Becker nahm seine Lehrtätigkeit als Orientalistik-Professor an der Berliner Universität wieder auf. Schneider, der Becker auf einem Kongress kennenlernte, pflegte zu ihm ein freundschaftliches Verhältnis bis zum unerwarteten krankheitsbedingten Tod Beckers.xvi In dem von Schneider 1925 herausgegebenen Band “Katholisches Kulturgut als Bildungsstoff”, meldete er Forderungen an, die Becker als Kultusminister gewiss nicht akzeptiert hätte: Schneider verlangte vom Staat die Einrichtung öffentlicher katholischer Gymnasien mit katholischen Lehrern und katholischem Bildungsgut, wenn die katholische Elternschaft dies wünschte.xvii Im Schulkampf gegen die Sozialdemokratie war dies eine von vielen Formen der Profilierung des Katholizismus in einer spürbar vom Säkularisierungsprozess ergriffenen Gesellschaft. Die in der Abwehr sowohl liberaler als auch sozialistischer Tendenzen sich ausbildende Profilschärfe katholischen Christentums hatte ab 1933 6 im NS-Staat ihre eigentliche Bewährungsprobe zu bestehen sichtbar auch im Wirken Friedrich Schneiders. „Bildungskräfte im Katholizismus der Welt” katholische Selbstbehauptung im NS-Staat Der seiner Heimatstadt Köln verbundene Friedrich Schneider nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Jenaer Historiker Friedrich Schneider (1887-1962) wurde nicht Mitglied der NSDAP. Er trat am 1.9.1933 in den NLSB ein. Ob er vor 1933 Mitglied in einer katholischen Lehrervereinigung war, ist anzunehmen, mir aber nicht bekannt. Dokumentiert ist Schneiders Mitgliedschaft in der Partei „Das Zentrum“, die, wie die anderen demokratischen Parteien der Weimarer Republik, nach dem 5. Juli 1933 nicht mehr existierte. Dokumentiert ist ferner die amtliche Ablehnung seines Antrages 1936, in Luxemburg einen Vortrag zu halten. Friedrich Schneider war weder Nationalsozialist noch diente er sich in seiner Publizistik dem NS-System an. Aber er war ein eher auf Ausgleich als auf Konfrontation bedachter Mensch. Das implizierte in bestimmter Hinsicht eine Nähe zur Sprache des NS, nämlich dort, wo die faschistische Ideologie an vorhandene Positionen bürgerlich-volksorganischen Denkens anschloss. 1936 erschien der von Schneider herausgegebene Band „Bildungskräfte im Katholizismus der Welt seit dem Ende des Krieges” inmitten der NS-Zeit. Es handelt sich um das aus heutiger Sicht vielleicht interessanteste der 22 Bücher Schneiders, enthält allerdings keinen eigenen Beitrag von ihm selbst. Im Vorwort schrieb Schneider, dass der von ihm verfasste Textteil separat veröffentlicht wird, da das Buch bei noch größerem Umfang dem erhofften Absatz schaden würde.xviii Angesichts der 403 Seiten des Bandes ist offensichtlich, dass das ökonomische Argument nur vorgeschoben war. Schneider hatte als im NS-Staat unerwünschter Hochschullehrer Grund, vorsichtig zu sein und wollte das Werk vermutlich keinem zusätzlichen Risiko eines Verbots aussetzen. Selbst die Hinweise, wie es zu dem Vorhaben und der Wahl des Buchtitels gekommen sei, sind keineswegs nur sachliche Erläuterung, vielmehr der Versuch, möglicher Kritik von NS-Stellen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Das 1936 von Schneider herausgegebene Buch über die Bildungskräfte des Katholizismus konnte schon durch den selbstbewussten Titel als Provokation gelesen werden spätestens nach Verkündigung der Enzyklika “Mit brennender Sorge”, die am 21. März 1937 in den katholischen Gemeinden verlesen wurde. Der Buchtitel fungierte als ein Bekenntnis ein Signal, das mitten im „Dritten Reich“ katholische Stärke signalisieren sollte. Zur Sprache kommen in dem Band erstens der Katholizismus als Bildungsmacht allgemein, zweitens die katholische Erziehungswissenschaft mit Nachbardisziplinen, drittens Hauptbereiche katholischer Erziehungs- und Bildungswirklichkeit. Über Deutschland hinaus wurde die Bildungsmacht des Katholizismus dargestellt für: Österreich, Schweiz, England und Irland, Frankreich, Italien, USA, Japan und Korea, China und für den Malaiischen Archipel. “Überterritoriale Beiträge” behandelten die katholische Jugendbewegung in der Welt, die liturgische Bewegung, die katholische Universität, karitative Erziehung und Bildung, Berufs- und Standesbildung, Sozialpädagogik, Pädagogische Psychologie. Soweit die Beiträge das Deutsche Reich betrafen, ist festzuhalten: Weder wurde von den Autoren die sogenannte “Systemzeit” beschimpft noch Hitler als Erlöser bewundert. Dabei hätte es Gründe genug gegeben, die Jahre der Weimarer Republik im Rückblick kritisch einzustufen, hatte es doch die katholische Sozial- und Bildungspolitik auf der politischen Bühne schwer, sich gegenüber der Sozialdemokratie zu behaupten. Andererseits waren die Großstädte in den “Goldenen Zwanzigern” dank einer neuen Unterhaltungsindustrie zu einem Sündenpfuhl der Leichtlebigkeit und einer unterstellten Gefahr für die Jugend geworden, die die Kirchen mit Sorge betrachteten. Der NS-Staat machte dieser Liberalität ein Ende. Doch die Kirchen hatten trotz ihres Antiliberalismus keinen Grund zur Freude. Die kirchlichen Wohlfahrtsverbände verloren ihre Freiheit an die NS-Volkswohlfahrt. Schneiders Editionsband von 1936 ist auch heute noch historisch bedeutsam. Über die Hälfte der Autoren der 25 Buchbeiträge entstammten dem Ausland. Der erste Beitrag von Siegfried Behn beginnt 7 mit den Worten: “Zwischen Welterschaffung und Gericht, zwischen Sündenfall und Seligkeit vollendet sich das Schicksal der Menschheit.” Den Ausführungen Behns über die katholische Kirche als Erzieherin der Menschheit, schloss sich der Jesuit Josef Schröteler an mit einer Erläuterung der päpstlichen Enzykliken seit 1918 hinsichtlich ihrer Bedeutung für die katholische Erziehung. Ihm folgte Joseph Antz, der die besondere “Bildungskraft des katholischen Glaubens in der Nachkriegszeit” hervorhob, die überall in Europa zu einer Abkehr von Relativismus, Positivismus und Individualismus geführt habe zugunsten einer Wiedererweckung von innerer Einkehr und Offenheit für die Mysterien des Christentums. Für den Protestantismus verwies Antz auf die dialektische Theologie Karl Barths und Friedrich Gogartens. Hans Wollasch (1903-1975), ein Wegbereiter der katholischen Sozialarbeit, ließ in seiner Abhandlung über karitative Erziehung allerdings eine problematische Angleichung an die NSIdeologie, erkennen, wenn er behauptete: “Dabei ergibt sich aus dem Ordnungsprinzip der Caritas, daß sie ihre materiellen Fürsorgeaufwendungen nach dem Grade der Lebensbrauchbarkeit ihrer Schützlinge abstuft und nicht in Sentimentalität irdische Bedürfnisse und Wünsche in Geisteskranke hineinprojiziert, die diese gar nicht haben können. Sie sieht in Minderwertigkeit und Elend keine irdischen Werte. Ihr größtes Kräfteaufgebot gehört denen, die auch in den irdischen Ordnungen wertvoll sein können. Deshalb betont sie so stark die vorbeugende Fürsorge.”xix Wollasch berief sich dabei auf Anschauungen Hermann Muckermanns, der sich “angesichts mancher Fehlanwendung öffentlicher Mittel durch die öffentliche Wohlfahrtspflege für eine vernünftige Differenzierung der Fürsorge zu Gunsten der erbgesunden Familie eingesetzt” habe.xx Hier wird nicht nur das Prinzip sozialer Exklusion des NS wirksam, sondern die gezielte Unterversorgung der Existenz mit der billigenden Inkaufnahme vorzeitigen Ablebens von “lebensunwertem Leben”. Schneider als Herausgeber des Werkes hatte dem keine Einschränkung hinzuzufügen. Den im Sammelband von 1936 nicht enthaltenen Einführungsbeitrag Schneiders, “Überterritoriale Verbindung katholischer Pädagogik”, ließ er zeitgleich in der vom Christlichen Lehrer- und Erzieherverein der Schweiz (CLEVS) herausgegebenen Halbmonatszeitschrift “Schweizer Schule” erscheinen. Schneider erinnerte hier an die europaweite Bedeutung der vom Papst privilegierten mittelalterlichen Universitäten wie des weltweit agierenden Katholizismus bis zur Reformation. Für die Gegenwart stellte Schneider Aktivitäten länderübergreifender bzw. globaler katholischer Organisationen heraus. Er betonte, dass es notwendig sei, „den international geeinigten Gegnern katholischer Pädagogik auch eine überterritoriale Phalanx katholischer Pädagogik gegenüberzustellen“. Im Schlusssatz beschwor er „das Bemühen des deutschen Volkes um Wiederanknüpfung der Fäden mit der geistigen Kultur des Auslandes“.xxi Nationalsozialistische Zensoren hätten Grund gehabt solche Sätze als unvereinbar mit der NSWeltanschauung zu bewerten. Wie Schneider im NS-Staat sich sprachlich grenznah zur NS-Ideologie bewegte, um sachlich etwas ganz anderes auszusagen, zeigt sein bedeutendes, 1940 erschienenes Buch, “Unterrichten und Erziehen als Beruf”. Es trägt den Untertitel: “Eine christliche Berufsethik für den Pädagogen”. “Heute aber hat sich der Volkstumsgedanke im ganzen Erziehungsfeld durchgesetzt: Das Ziel der Erziehung ist der neue deutsche Mensch, bevorzugtes Bildungsmittel sind die deutschen Kulturgüter. Diese neue Pädagogik verlangt zu ihrem Vollzug den deutsch fühlenden, völkisch gesinnten und volksverbundenen Erzieher und Lehrer. Diese Ausstattung gehört daher auch zum Ideal des christlichen deutschen Erziehers. Wenn der Erzieher zielbewusst an der Selbstverwirklichung seiner Zöglinge mitarbeiten will, dann besteht für ihn die Notwendigkeit, sich um die Erkenntnis ihrer individuellen Lebensziele, d.h. ihrer göttlichen Urbilder, zu bemühen.“ „Wenn wir in der Gotteskindschaft und in mystischer Vereinigung mit Christus beharren, so ist damit wenigstens die gottgewollte Gesamtrichtung unseres Lebens und damit gleichzeitig eine sehr wichtige Vorbedingung für die Verwirklichung der echten göttlichen Uridee von uns gegeben.”xxii Den ersten Absatz hätte Schneider auch nach dem Ersten Weltkrieg, zum Beispiel zur Begründung der im sozialistischen Preußen eingeführten “Deutschkunde”, machen können, ohne dass er damit zum Nationalsozialisten geworden wäre.. Die anschließenden Sätze des Zitats machen deutlich, dass für den 8 „neuen deutschen Menschen“ nicht der völkische Staat Hitlers, sondern „Gotteskindschaft“, Erkennen des eigenen göttlichen Urbildes und die „mystische Vereinigung mit Christus“ maßgebend sind. Schneiders Buch von 1940 besaß ein großes Kapitel “Christus als das große Vorbild des Lehrers und Erziehers”. Es war völlig frei von völkisch-nationalpolitischen Tendenzen (die Kritiker späterer Zeit dem Fach Deutschkunde im sozialistisch regierten Preußen in der Weimarer Republik zuschrieben). Als aktuelles Vorbild hob Schneider hier unter anderem Albert Schweitzer hervor, der Musikwissenschaft und Theologieprofessur aufgegeben habe, um als Arzt im Namen Christi die Eingeborenen von ihren Leiden zu befreien.xxiii Die pädagogische Zentralidee dieses Bandes über christliche Berufsethik war die personale “Selbstverwirklichung auf dem Weg der Nachfolge Christi” eine Lebensaufgabe für den Schüler wie den Lehrer gleichermaßen.xxiv Jesus Christus habe nicht nur die Kinder, sondern auch die Sünder geliebt und alle Menschen aufgerufen, nach jener Vollkommenheit zu streben, die Gott selbst besitze.xxv Dass im historischen Teil des Bandes als der “hervorragende Pädagoge der Vergangenheit” nicht Pestalozzi an erster Stelle gewürdigt wurde, stattdessen der amerikanische Politiker und Bildungsreformer Horace Mann (1796-1859) eine ausführliche Darstellung erfuhr, dürfte für jeden, der heute das Buch Schneiders liest, eine Überraschung sein, die Respekt abnötigt. Das Faktum spricht für Schneiders Mut zur Selbstbehauptung. Er war nicht bereit, seine hohe Wertschätzung der internationalen und insbesondere der amerikanischen Pädagogik Ritualen politischer Anpassung zu opfern. Die personale Selbstverwirklichung im christlichen Glauben hatte Schneider 1936 in dem Band “Selbsterziehung” thematisiert, von dem er in seiner Autobiographie später aussagte, dass man es bei seinem Erscheinen “gleich beschlagnahmte”. Eine Online-Recherche im „Karlsruher Katalog“ zeigt jedoch, dass der Band durchaus nachweisbar ist in den zentralen Bibliotheken.xxvi War ein Lehrbuch über Erziehung Mitte der dreißiger Jahre im NS-Staat kaum mehr zu veröffentlichen, ohne Sanktionen befürchten zu müssen, falls der Bezug zum Staat Hitlers fehlte, so beeindruckt dieser Band, da er einer solchen Erwartung in keiner Weise entsprach. Schneider lieferte mit ihm die erste Studie im deutschen Sprachraum, die das Thema Selbsterziehung in umfassender Weise behandelte auf der Basis des katholischen Glaubens. Schneider ging hier auch auf die antiken Quellen der Selbsterziehung ein; ein Kapitel widmete Schneider selbstverständlich Jesus Christus. Ausführlich behandelte er die Exerzitien des Ignatius von Loyola und für die Gegenwart die Selbsterziehungslehre der apostolischen Glaubensgemeinschaft der Pallotiner in Schönstadt (bei Vallendar am Rhein), um schließlich im systematischen Teil des Buches eine auf Selbsterkenntnis, Übung und Vorsatz beruhende, im katholischen Denken verankerte Phänomenologie der Selbsterziehung zu entwickeln, die auch den sittlichen Konflikt nicht aussparte. In der Tat verwundert es, dass dieses Buch im NS-Staat mehrere Auflagen erfahren durfte. Das gilt ebenso für den Band “Deine Kinder und Du” von 1937, in dem Schneider eine Fülle von Erziehungssituationen, schilderte, in denen Eltern gefordert sind, erzieherisch richtig zu handeln ohne jeden Bezug zur politischen Wirklichkeit des NS, die für die Ertüchtigung der Jugend völlig andere Ziele vorschrieb, als sie Schneider für die christliche Erziehung erörterte.xxvii Es war ganz offensichtlich, dass Erziehung in dem von Schneider entfalteten Hintergrund gläubiger Christlichkeit, unvereinbar war mit der Erziehung zum Nationalsozialismus. Mit der Abwehr von Liberalismus und Sozialismus einerseits, der Zuneigung zum christlichvolksorganischen Gemeinschaftsdenken andererseits, existierte in manchen Kreisen des deutschen Katholizismus allerdings eine Orientierung am nationalen Denken, das Anfang der dreißiger Jahre die Weimarer Republik preisgab, und, falls Anschlussmöglichkeiten für Hitlers Programm des völkischen Staates gesucht wurden, solche ideologischen Brücken auch bereit war zu betreten. Mit Hitlers Machtübernahme begannen sogar manche Kräfte innerhalb der Kirche, ein Zusammengehen von Katholizismus und NS zu erwägen. Das war keine Haltung, die mehrheitsfähig war, das Reichskonkordat 1933 hatte jedoch eine Situation geschaffen, die die vorherige Ablehnung der NSDAP durch die Bischöfe 9 einer Tolerierung des NS-Staates als solchem Platz gemacht hatte. Es gab nach wie vor Anfang 1933 bedeutende Persönlichkeiten, die als bekennende Katholiken erklärte Gegner des NS-Systems waren. So wurden sie dann auch behandelt. Sie verloren ihre Ämter, ja hatten in manchen Fällen ihre Glaubensstärke mit dem Leben zu bezahlen, selbst wenn sie mit bestimmten Aspekten des NS-Regimes, wie z.B. der NS-Volkswohlfahrt sympathisierten. Die Forschung zum Thema Katholizismus und Nationalsozialismus ist noch mitten im Gang.xxviii Der Protestantismus war jedenfalls durch Deutschchristentum und Neuheidentum spätesten nach den Kirchenwahlen 1933 (die für die Kirche der altpreußischen Union die politische Gleichschaltung bedeutete) in eine sehr viel üblere Situation geraten. Die Enzyklika “Casti connubii” vom 31.12.1930 bewertete Sterilisation und Schwangerschaftsabbruch als unvereinbar mit der katholischen Ethik. Die verordnete Sterilisation als eugenische Maßnahme war in bestimmten Fällen bis dahin innerhalb wie außerhalb Deutschlands von manchen katholisch-kirchlichen Vertretern der Eugenikbewegung befürwortet worden.xxix Die Eheenzyklika führte unter NS-Herrschaft im Katholizismus zu Widerstand von Ärzten und Priestern gegenüber den Maßnahmen der NS-Eugenik. Es gibt sachliche Gründe, diesem Aspekt nach Analyse des Bildungsbegriffs und der Europa-Idee Schneiders nachzugehen. Bildungsbegriff und Europa-Idee Schneider bevorzugte den Begriff der Erziehung gegenüber dem der Bildung. Er hielt viel von funktionaler Erziehung, das Thema spielt dann auch nochmals in seinen Vorstellungen von “Selbsterziehung” eine Rolle. Eine tiefere phänomen- und begriffsanalytische Klärung pädagogischer Grundbegriffe fand in Schneiders Arbeiten zur Vergleichenden Erziehungswissenschaft nicht statt, was seinem Schüler Wolfgang Brezinka wiederum Anlass zur Kritik wurde.xxx Das ist ein weites Feld und braucht hier nicht weiter verfolgt werden. Von Interesse ist, dass die Vergleichende Erziehungswissenschaft durch Schneider und Schröteler ab den dreißiger Jahren, durch Oskar Anweiler mit seinem Schülerkreis ab den siebziger Jahren über Jahrzehnte fest in katholischer Hand lag von einigen wichtigen Ausnahmen abgesehen. Wenn ich an einzelne Kollegen wie den emeritierten Günther Böhm in Würzburg oder den in Eichstätt tätigen Franz-Michael Konrad mit ihren historisch-komparativen Studien denke, finde ich dafür weitere Belege. Die übernationale Orientierung des Katholizismus, auf die Schneider öfter verwies, mag damit zu tun haben. Für gewichtiger im Werk von Schneider halte ich ein Zweites: die Frage nach der geistigen Herkunft des von ihm viel seltener gebrauchten Bildungsbegriffs. Schneider hatte zwar 1925 im Anschluss an Otto Willmann und andere zeitgenössischen Zitate-Spender über “Bildung und Kultur” einige Gedanken entwickeltxxxi, aber die sprachlichen Wendungen und Kontexte, die er selbst mit “Bildung” im engeren Sinn verband, nicht thematisiert. Aus welchem historischen Hintergrund entstammt das von Schneider gebrauchte Begriffsvokabular? “Triebkräfte der Völker”, der “Kräftestrom in der deutschen Pädagogik”xxxii, das “Hin und Her der Kräfteströme”xxxiii, die “Bildungskräfte”, “Völkerpädagogik”, “die Liebe zum deutschen Volkstum”xxxiv, die Erkenntnis, dass “jedes Volk seine ihm ur- und eigentümliche Pädagogik besitzt”xxxv, die “Analogie zwischen der einzelmenschlichen und der Entwicklung der Völker”xxxvi, der “Volkscharakter” als einer der wesentlichen Faktoren nationaltypischer Eigenart der Pädagogik der Völker”xxxvii, die Unterscheidung zwischen dem “urtümlichen Nationalcharakter” und dem “nationalen Epochencharakter” der Völkerxxxviii aus welchem geistesgeschichtlichem Schubfach stammt dieses Vokabular Schneiders? Ich denke, es ist jene Ära, die von Johann Gottfried Herders „Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit“ bis zu Philosophen der Frühromantik, wie Adam Heinrich Müller (1779 - 1829), reicht. Sie betont die Bedeutung des Volkes gegenüber dem Obrigkeitsstaat des Absolutismus, bürgerliche Vitalität gegenüber dem Staatsapparat, und sie transformiert die Staatsmechanik in eine organlogische Sicht des Gemeinwesens. Daraus resultierte eine Sprache, die in volklicher Hinsicht der Sprache des Dritten Reiches entgegenzukommen schien, doch im Vorhof nationalsozialistischer Sprache ver- 10 blieb, ohne den exkludierenden Rasse- und Blutbegriff in Anspruch zu nehmen. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass die von Eugenio Pacelli (ab 1939 Pius XII.) redigierte Enzyklika „Mit brennender Sorge“ den Satz enthielt: „Wer die Rasse oder das Volk oder den Staat oder die Staatsform […] zur höchsten Norm aller, auch der religiösen Werte macht und sie mit Götzenkult vergöttert, der verkehrt und verfälscht die gottgeschaffene und gottbefohlene Ordnung der Dinge.“ Zu berücksichtigen ist, dass der Volksbegriff nach dem Untergang des deutschen Kaiserreichs 1918 in der neuen Staatsform, der demokratischen Republik, zu einer kompensierenden Ersatzmetapher wurde, weil der neue Staat, die Weimarer Republik, in ihrer politischen, von Krisen geschüttelten Schwäche keineswegs allen Menschen zur geistigen Heimat wurde. “Volk” und “Volkstum” in neuromantischer verklärender Sicht schien hier dem protestantischen wie dem katholischen Bürgertum einen geistigen Halt zu bieten, mit dem man sich als gläubiger Christ auch dem Marxismus entgegenstellen konnte, ohne dass Pädagogen wie etwa Schneider mit diesem Vokabular gleich deutschnational oder nationalsozialistisch sein mussten. Historisch lässt sich Bildung als pädagogischer Begriff mehrfach bestimmen: Erstens religiös in der imago dei-Idee, zweitens organologisch in der Naturphilosophie von Paracelsus bis zur deutschen Klassik einschließlich Blumenbachs “Bildungstrieb” und der nationalen Frühromantik; drittens aufklärungsorientiert bezogen auf curriculares, auch kritisch prüfendes Wissen, viertens künstlerischästhetisch angefangen von der Analogie Platons zwischen der Formbarkeit des Materials zur Formbarkeit der Seele über Schillers Ästhetische Briefe bis zur musischen Bildung der Reformpädagogik.xxxix Die Aufzählung zeigt, dass Schneiders Bildungsverständnis von vielen Quellen gespeist wird. Die vitalistisch-organologischen Auffassung vom “Volk” und seinen “Bildungkräften” und die „Bildung zur Humanität“ spielen dabei eine besondere Rolle. Schneider verwendete diese sprachlichen Idiome, von der ich Beispiele zitierte, auch in den Nachkriegsveröffentlichungen. In seinem Buch “Triebkräfte der Völker” von 1947 versuchte Schneider über eine Methodik des Vergleichs geistige Zusammenhänge zwischen dem Charakter von Völkern und ihrer Pädagogik herzustellen. Er blieb damit ganz den Vorstellungen des 19. Jahrhunderts über Volk und Volksgeist verhaftet. Als “besonders bedenklich” fand es Schneider, “wenn ein Volk im Widerspruch mit seinem bisherigen Volksgeist und -streben sich auch die erzieherischen Ziele und Ideale aus dem Ausland holt”.xl Das zeigt einmal mehr die beharrende Statik der von Schneider in Anspruch genommen Orientierungsmuster. Generell galt für die etablierte Universitätspädagogik in den ersten Nachkriegsjahren, dass sie keine vorwärtsweisenden Gedanken entwickelte, sondern gleichsam bruchlos an dem anknüpfte, was bis 1933 an geistigen Traditionen in Anspruch genommen wurde. Über NSDiktatur und Holocaust fiel kein Wort. Man steckte auch in der benutzten Sprache zum Teil selbst zu sehr im politisch überwundenen System. Während man den christlich-erzieherischen Traktaten Schneiders und seiner Sichtweise der Vergleichenden Erziehungswissenschaft nur zeithistorische Bedeutung abgewinnen kann, so sind seine Ausführungen zur Europa Idee und ihrer Geschichte, insbesondere zu europäischer Kunst, Kultur und Gesinnung heute, 40 Jahre nach seinem Tod, immer noch lesenswert, selbst wenn dabei sein spezifisch katholisches Interesse an Europa mehr als einmal hindurch scheint. Nachdem Schneider schon vor 1933 seinen Wunsch offenbarte, einen pädagogischen Weltkongress von nur katholischen Teilnehmern zu organisieren, weil sie sich “in letzten Fragen einig” seienxli, war für ihn das geistige Neuerstehen des Kontinents nach dem Zweiten Weltkrieg selbstverständlich ein christlich-katholisches Europa. Indem er bestrebt war, neben den antiken vor allem dessen christliche Wurzeln aufzuzeigen, verwies er auf ein Wort von Paul Valery, dass Europa dort liege, “wo Rom entscheidenden Einfluss” habe.xlii Schneiders Bestreben war es zu zeigen, dass das heutige Europa ohne die christliche Kirche, seine Kirche, nicht das geworden wäre, was es in der Moderne darstellt. Damit ging er von einer weltoffenen Kirche aus, die lernfähig sei auch hinsichtlich ihrer eigenen Fehler in der Vergangenheit. Für Schneider war der gesamte Bereich nichtkirchlicher oder sogar antikirchlicher Kultur schwerlich interpretierbar ohne jene Voraussetzungen, die in der Existenz der Kirche liegen. Erstaunlich aus meiner Sicht ist, dass nach dem 11 Ende der Nazi-Herrschaft ihm weder die Shoah eine nähere Betrachtung wert war noch die globale Vielfalt der Religionen, die nur randständig Erwähnung fand. In seinem Buch „Selbsterziehung“ widmete sich Schneider auch dem Buddhismus. Den Lehren Buddhas und des spätstoischen Philosophen Epiktet stellte er hier die Lehre Jesu gegenüber. In Schneiders Einführung in die Erziehungswissenschaft von 1948 dominiert demgegenüber das christlich-katholische Weltbild. Nach 1945 trat Schneider wie kaum ein anderer deutscher Erziehungswissenschaftler für die Europa-Idee ein. Seine These lautete: Die Schulen haben eine europäische Aufgabe. Schneider hat diese Aufgabe schon nach dem Krieg nicht auf den Westen allein, sondern auch auf die Menschen jenseits der Demarkationslinie im West-Ost-Konflikt bezogen. Zu dieser europäischen Sicht gehören wesentlich, der Verzicht auf den in der Geschichte immer wieder hervortretenden Suprematsanspruch Europas gegenüber anderen Völkern, die Herstellung von menschlicher und politischer Freundschaft zu Ethnien anderer Erdteile, insbesondere zu Afrika und nicht zuletzt der wechselseitige Respekt der Religionen voreinander. Auch bei religiöser und weltanschaulicher Verschiedenheit innerhalb Europas wird dieser Erdteil von Völkern anderer Erdteile als Einheit wahrgenommen, deshalb sollte Europa nach Schneider auch in einem einheitsstiftenden Rahmen repräsentiert werden, und das konnte für ihn letztlich nur der katholische Gedanke sein. Er sollte sich Schneider zufolge realisieren “in dem Bekenntnis zu europäischer Gesinnung, in der Achtung der Personalität und Würde des Menschen und seiner Freiheit, in der Zubilligung der Selbstbestimmung und in wahrhaft demokratischer Gesinnung”.xliii An dieser Stelle könnte mein Referat über Friedrich Schneider enden, so dass die bisherige Tradition der Wahrnehmung Schneiders in der erziehungswissenschaftlichen Disziplingeschichte ihre Bestätigung und Fortsetzung erfährt: zu gelten als aufrechter Vertreter der katholischen Pädagogik, der auf Grund seines religiösen Bekenntnisses im Nationalsozialismus berufliche Existenz und öffentliche Funktion einbüßte, Es gibt bislang offenbar nicht wahrgenommene Sachverhalte, die dieses Bild und das historische Urteil über Schneider verändern. Erziehung zur eugenisch verantwortlichen Partnerwahl als Reinhaltung der göttlichen Uridee Die pädagogische Klage über die “Zerstörung der gesunden Struktur der Familie”, ihren “unethischen Tiefstand” und den Erziehungsfehlern der Eltern auf Grund “pädagogischer Unwissenheit” findet sich bei Schneider allezeit stark ausgeprägt.xliv 1939 bedauerte er, dass die moderne Familie „in mancher Beziehung entseelt und veräußerlicht worden ist“; sie habe ihren „Geschlossenheitscharakter“ verloren, der die alte Familie ausgezeichnet habe. Schneiders Klage über die Situation der Familie in Großdeutschland, das den Geist des Hitlerstaates schon im Kindergarten vermittelte und ab 10 Jahren allen Schülerinnen und Schülern den Eintritt in die Hitler-Jugend vorschrieb, noch deutlicher: „Heute ist das öffentliche Leben fast völlig isoliert. In ihm sind viele Gedanken lebendig, die sich mit einer religiös-sittlichen Haltung und dem Geist einer christlichen Familie nicht vereinbaren lassen. Durch Presse, Rundfunk, Film und Reisen kommt diese pädagogisch bedenkliche Geistigkeit in die Familie hinein und an das Kind heran.“xlv Das Rundfunkgerät ( das vom NS-Staat politisch weidlich ausgenutzte Medium, kann man hinzufügen) darf in einer Familie mit Kindern „nur von Vater oder Mutter oder von den Heranwachsenden bedient und zwar nur zu vereinbarten Stunden auf eine bestimmte Sendung eingestellt“ werden.xlvi Das war 1939 so, und 1957, in der vorletzten Nachkriegsauflage des Buches, war es dasselbe: Jeder „Verdacht der Kulturlosigkeit“, den das gedankenlose Laufenlassen des Gerätes erzeuge, sollte nach Schneider abgewendet werden. Das Fernsehen war von Schneiders Medienkritik noch gar nicht entdeckt worden. Um den technischen Medien Einhalt zu gebieten, enthält Schneiders Familienerziehung umfangreiche Kapitel über den Wert des Lesens und Vorlesens innerhalb der Familie. Der guten Literatur, dem Theaterspielen und der musikalischen Erziehung daheim sind eigene Kapitel gewidmet. Erstaunlich, dass in der umfangreichen Liste empfohlener Bücher keines mit politischem bzw. nationalsozialistischem Titel enthalten ist. Die klassische Kinder- und Jugendliteratur deutscher wie internationaler Herkunft ist voll vertreten; soweit es um historische Erzählungen geht, dominieren Vorbilder mit alt- 12 deutsch-konservativem Habitus. Schneiders Sicht dürften die Funktionäre von NSV und NSDAP vermutlich nicht als positiven Beitrag zur nationalsozialistischen Familienerziehung bewertet haben. Der Nationalsozialismus war bei ihm einfach kein Thema. 1950 konnte Schneider das vor dem Krieg über die katholische Familie Gesagte nur noch einmal bekräftigend bestätigen: Die katholische Lebensform zeige in der modernen Gesellschaft bedenkliche Auflösungserscheinungen. Sie wieder herzustellen sollten junge Ehepaare als ihre Aufgabe betrachten: “eine Gliederung des Tages mit gemeinsamem Morgen- und Abendgebet und anschließender Gewissenserforschung, gemeinsamem Tischgebet, Heiligung des Sonntags, gemeinsamem Singen und Musizieren, Spielen und Wandern, durch Einführung von Vorlesestunden, Beseelung von Haus- und Familienfesten durch Sitte und Gebräuche, die vielleicht in glaubensstarken Zeiten der Vergangenheit lebendig waren, aber heute vielfach der Verweltlichung und Entseelung des Familienlebens zum Opfer gefallen sind.”xlvii Die Kinder sollen mit Persönlichkeit und Lebensgang ihres Namenspatrons bekannt gemacht werden. Eltern sollen “zu einer Verehrung und Nachfolge anleiten und mithelfen, daß die religiöse Feier des Namenstages zu einer frommen Gewohnheit wird”.xlviii Wenn man absieht von engeren Formen kirchlich-religiöser Erziehung dann entsprach das, was Schneider zur Gestaltung eines sinnerfüllten Familienlebens mitteilte, nach meiner Einschätzung weitgehend dem Selbstverständnis bürgerlicher Erziehung in der Nachkriegszeit. In ihr spielten die innerfamiliär tradierten Sinngehalte familiären Gemeinschaftslebens eine positive Rolle, weil sie bei den Kindern die Ausbildung von Kommunikation, emotionaler Sicherheit und persönlicher Verantwortung förderten. Wird hier Erziehung als Gestaltung eines erzieherisch wertvollen Milieus funktional verstanden, ging Schneider bei der intentionalen Erziehung, die die Verwirklichung elterlicher Erziehungsabsichten verfolgt, noch einen Schritt weiter. Schneiders Sicht verdient ausführliche Zitation: “Die Eltern und zwar nicht nur die Mutter, sondern auch der Vater müssen sich bewußt sein, daß sie beide verantwortlich sind für die gesunde psychophyische Entwicklung ihrer Kinder. Sie müssen sich in der Erziehungsarbeit als Mitarbeiter Gottes fühlen. Folgender Gedankengang kann diese Auffassung motivieren. Wie das Kunstwerk, ehe es Gestalt annimmt, im Kopf des Künstlers wenigstens in seiner Grundidee lebendig ist, ebenso und zwar wegen der Ewigkeit und Unveränderlichkeit des Weltenschöpfers, liegen die Ideen aller Dinge und Wesen, ehe der Weltenbaumeister sie schuf, von Ewigkeit her in ihm. Also existieren im Geiste Gottes von Ewigkeit her auch die Urbilder aller Menschen. Die Verwirklichung bzw. Inkarnation einer solchen göttlichen Uridee, dieser ‘idea exemplar, in mente divina praeexistens’, beginnt, wenn Gott den einzelnen Menschen unter Mithilfe eines Elternpaares ins Dasein ruft. Die weitere Aufgabe bleibt es dann, durch die Erziehung dessen göttliches Urbild möglichst vollkommen zu verwirklichen, so daß sie als Erzieher Gehilfen und Mitarbeiter des Schöpfers sind und als solche hohe Verantwortung tragen.”xlix Diese Aussage Schneiders hätte auch direkt nach dem Ersten Weltkrieg oder in einem früheren Jahrhundert getroffen werden können. Schneider nannte keine Literaturquelle für die Ableitung des Erziehungsauftrages aus der christlichen Schöpfungslehre. Man kann sie der Schöpfungs- bzw. der imago dei-Lehre von Thomas von Aquin zuordnen, der aristotelische und augustinische Interpretationen des Weltanfangs verarbeitete, um die Teilhabe am göttlichen Sein in der Unvollkommenheit irdischen Lebens als Antrieb zur Selbstvervollkommnung des Menschen zu deuten.l Indem sich das Abbild (imago) dem Urbild (exemplar) anzunähern versucht, ist in dieser Bewegung die religiöse Wurzel von „Bildung“ getroffen: Menschliche Existenz vollzieht sich im Horizont der Teilhabe am göttlichen Sein. Schneider begriff auf diesem Hintergrund Kindererziehung als die den Eltern auferlegte Pflicht, den Auftrages zur Vervollkommnung des jungen Menschen am Maßstab der göttlichen Uridee zu erfüllen. Die Orientierung an der Reinheit des Urbildes hat weitreichende Folgen für die Erziehung, denen Schneider in seinem familienpädagogischen Hauptwerk nachging. Nicht nur die präventive und aktuelle Bekämpfung der “Kinderfehler, wie Ungehorsam, Lüge, Unehrlichkeit, Naschhaftigkeit, Trotz usw.” in der frühen Kindheit und die geschlechtliche Aufklärung in der Jugendzeit zählte Schneider zu den Hauptaufgaben elterlicher Erziehung.li Es ging ihm auch um die Bewusstmachung der Reinheitsidee hinsichtlich jugendlicher Eigenverantwortung für die Gesundheit und die charakterliche Lauterkeit. 13 Beim jungen Erwachsenen stand für Schneider die Idee der Reinheit im Dienst der Partnerschaftswahl im Vordergrund, die vom Bewusstsein gemeinsamer Verantwortung für die eigenen Kinder getragen sein sollte. Dabei bedürfen Ehepartner in ihrem Geschlechtsleben der göttlichen Gnadenhilfe, da die Ehegatten sonst „sich im rein Animalischen verlieren und das in allem Geschlechtlichen Dämonische sich hervorwagt und beherrschend wird“. Menschen, die eine Ehe miteinander eingehen, “ohne den Willen zum Kind zu besitzen”, zerstören nach Schneider den Sinn der Ehe. Der Römische Katechismus lehre, dass abgesehen von Zeugung und Erziehung der Kinder “die gegenseitige innere Formung des Gatten” und “das beharrliche Bemühen, einander zur Vollendung zu führen” den Sinn der Ehe ausmache.lii Deshalb sei bei der Gattenwahl die “Berücksichtigung eugenischer Faktoren” unerlässlich. Ohne dass er darauf verwies, stand Schneider mit diesen Sätzen ganz auf dem Boden der Enzyklika „Casti connubii“ von 1930, in deren Mittelpunkt die Ehe stand. Fragen der Eugenik wurden vom Papst zwar aufgegriffen, sie bestimmten aber nicht das zentrale Anliegen des Sendschreibens. Auffällig ist jedoch, dass Schneider das Thema Eugenik in den Nachkriegsauflagen seines Hauptwerkes „Katholischen Familienerziehung“ in derselben Weise und Breite behandelte wie in der NSZeit. Das zeigt der Abschnitt “Die Berücksichtigung eugenischer Faktoren bei der Gattenwahl” in der 6. Auflage 1957 der „Katholischen Familienerziehung“, versehen mit dem Imprimatur (Erstauflage des Buches 1935). Dem Abschnitt über Eugenik bei der Partnerwahl hatte Schneider ein Kapitel vorangestellt über “Die Anforderungen sittlicher und religiöser Art an den Ehepartner (Die Erziehungssituation der religiös gemischten Ehe).” Eine “selbstverständliche Anforderung an den Ehepartner ist für den wahrhaft katholischen Menschen, dass er ebenfalls Katholik ist.”liii “Es würde daher verkehrt sein, mit der Bekämpfung der Mischehe erst dann einzusetzen, wenn die individuelle Gefahr des Abschlusses einer solchen droht. Sondern die Jugend muß in der Anschauung groß werden, daß die Mischehe etwas Verbotenes und allemal ein Unglück ist.”liv Das Verbot der Mischehe hatte Pius XI. in der Eheenzyklika 1930 betont. Allerdings ist der Tonfall dieser von Schneider übernommenen Aussage in den Nachkriegsauflagen seines Erziehungsbuches für liberale Leser, zumal für heutige, kaum geeignet, Zustimmung zu finden. Schneider berücksichtigte nicht, dass der gesellschaftliche Kontext der späten fünfziger und sechziger Jahre ein anderer war als der des Jahres 1930. Man gewinnt den Eindruck, dass er die Bedrohung der konfessionellen Reinheit des Ehestandes durch einen Protestanten nach dem Muster eugenischen Gesundheitsschutzes behandelte. Zur Warnung vor der Mischehe ließ Schneider sogar den Begründer der Rassenhygiene, Francis Galton, zu Wort kommen: Man dürfe das Problem dem Betroffenen nicht erst deutlich machen, so Schneider, wenn “er sich seelisch bereits an einen anderen gebunden fühlt, wenn also Liebe oder Leidenschaft sein Urteil trüben und seine Stellungnahme beeinflussen. Man wird dann nur die Erfahrung bestätigt finden, die der 82jährige Francis Galton schon ansprach, daß es außerordentlich schwierig sei, verliebte Menschen zur Vernunft zu bringen, wenn sie wirklich unglücklich gewählt haben sollten.”lv Natürlich dürfen nach Schneider solche Überlegungen nicht durch eine “fanatische Einstellung oder Verachtung der anderen Konfession” bestimmt sein. Sie seien vielmehr “diktiert von der Sorge um die Harmonie der christlichen Ehe und die Kindererziehung.” Die Jugend müsse “früh genug an das Problem der Mischehe zu eigener, noch von Emotionen freier Entscheidung herangeführt werden, damit sie es entsprechend dem alten Spruch ‘Principiis obsta!’ gar nicht zu einer Bindung an einen Andersgläubigen kommen läßt”.lvi Schneider erklärte in seinem Lehrbuch zur katholischen Familienerziehung, dass neben konfessioneller Reinheit der Ehekandidaten, die Erbgesundheit als fast noch bedeutsamer für das Ehebündnis zu bedenken sei. Es ist für den heutigen Leser des Buches von Schneider erstaunlich, dass er, ohne öffentliche Kritik zu erfahren, als Professor der Universität München im Jahr 1957 darauf hinweisen konnte, man habe diese Frage früher “entsprechend der individualistischen Einstellung der abendländischen Menschheit” nur in Bezug auf die Konsequenzen für das “Einzelschicksal” gesehen. 14 Demgegenüber seien “jetzt mehr die das Volksganze bedrohenden Folgen der Nichtberücksichtigung eugenischer Faktoren bei der Gattenwahl” zu bedenken: “das bedrohliche Anwachsen der körperlich oder psychisch Belasteten im Volke, die zunehmende Verschlechterung der Keimsubstanz, die, wenn nicht energische Gegenmaßnahmen getroffen werden, die Zahl der im Kern körperlich und geistig Gesunden immer kleiner und die Zahl der infolge Erbkrankheit sozialen Untüchtigen immer größer werden lässt”.lvii “Die genaue Prüfung der körperlichen und geistigen Gesundheit des Ehekandidaten und seiner Vorfahren sollte daher eine Selbstverständlichkeit sein.” Denn: “ Auch der Katholik ist im Gewissen verpflichtet, aus der Verantwortung für das Heil der Kinder und für Gesundheit und Kraft seines Volkes bei der Gattenwahl eugenische Faktoren zu berücksichtigen und die Mittel, die ihn bei der Unterstützung dieser Pflicht unterstützen können, anzuwenden.”lviii Schneider verwies in diesem Zusammenhang einmal mehr auf die Eheenzyklika Casti connubii, welcher er entnahm, dass der Papst “die Sterilisierung aus eugenischen [ethischen?! H.R.] Gründen abgelehnt, aber die eugenische Eheberatung empfohlen” habe.lix Sollte da ein Bedauern Schneiders herauszuhören sein, dass dem Katholiken die Hände gebunden seien, dem Verfall der Erbsubstanz des deutschen Volkes durch wirksamere Maßnahmen entgegenzutreten, als es bloße Individualberatung sein kann? Jedenfalls gab die eugenische Eheberatung, für die Schneider Feuer und Flamme war, ihm das Stichwort für das nächste Kapitel seines Buches: die “Familienkunde”, entsprechend den Vorkriegsauflagen des Bandes. Familienkunde wurde in die öffentliche Bildung im NS-Staat eingeführt als Bestandteil rassehygienischer Maßnahmen. Schneiders Begründung der Bedeutung der Familienkunde für die katholische Familie lautete noch 1957: “Für eine sofortige gesetzliche Durchführung dieser eugenischen Eheberatung und zur Anlage einer Gesundheitskartei, die die Vorfahren mit einbezieht, fehlen uns vorläufig in den meisten Fällen noch die Unterlagen. Wir kennen unsere Vorfahren nicht, haben uns um sie oft bisher auch gar nicht gekümmert. Das hat sich in Deutschland nach 1933 deutlich gezeigt, als alle Beamten ihre arische Abstammung bis zu den Großeltern nachweisen mußten und viele dazu erst nach langen Nachforschungen fähig waren.”lx Der durch den Nationalsozialismus schwer geschädigte Friedrich Schneider war nach dem Ende des Hitler-Staates offenbar nicht in der Lage, die “Familienkunde” als Selektionsinstrument der NSRassenpolitik zu begreifen. Noch weniger begriff er, wie demütigend nach dem Ende des NS-Terrors seine Rechtfertigung der “Familienkunde” gegenüber denjenigen war, die im “Dritten Reich” ihre Vorfahren sehr genau kannten und die nicht nur in ihrem Beruf, sondern in ihrer ganzen Existenz gefährdet waren. Ihr Schicksal im NS-Staat wurde der Holocaust. Man kann auch nicht sagen, dass Schneider die veränderte politische Realität entgangen war. Seine Bewusstseinskontrolle funktionierte jedenfalls: In den Vorkriegsauflagen der „Katholischen Familienerziehung“ hatte die oben zitierten Passage „...als alle Beamten ihre arische Abstammung bis zu den Großeltern...“ noch die Fassung: „...alle Volksgenossen“ anstelle von „alle Beamten“. Ein weiteres Beispiel für textliche Anpassung: Wenn in der Literaturempfehlung zur Familienkunde in Vorkriegsauflagen (so 1939 und 1941) „Rassenhygiene, Erblehre , Familienkunde“ von Arthur Hoffmann (1933) zu finden ist, wurde diese Angabe in den Nachkriegsauflagen stillschweigend gestrichen. Von Rassenhygiene sprach Schneider sonst generell nicht. Natürlich erinnert die eugenische Perspektive in Schneiders Familienerziehung an den vormaligen Jesuiten und katholischen Geistlichen Hermann Muckermann (1877-1962), den einflussreichsten katholischen Eugeniker der Weimarer Republik. Muckermann verlor 1933 seine Stellung als Abteilungsleiter beim Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie aus politischen Gründen und arbeitete bis 1945 mit kirchlicher Unterstützung in Berlin als Privatgelehrter (Forschungsstelle für die Gestaltung von Ehe und Familie); er erhielt 1936 Redeverbot. 1948 wurde Muckermann an der Technischen Hochschule Berlin Ordinarius für Anthropologie und Sozialethik. In der Tat bezog sich Schneider eingangs seiner eugenischen Familienpädagogik auf die “naturtreue Normalfamilie” nach Muckermann, der dieses Ideal von den negativen Formen der “unnatürlichen 15 Großfamilie” und der “unnatürlichen Zwergfamilie” unterschied. In den Vorkriegsauflagen der Katholischen Familienerziehung Schneiders war die „unnatürliche Zwergfamilie“ die Ein-Kind-Familie. Diese Kleinfamilie sei den Eltern häufig „mehr Last“, als dies in „kinderreichen Ehen mit ihrer ganzen Kinderschar“ der Fall sei so Schneider 1939: „Die erzieherische Situation des Einkindes ist eben außerordentlich schwierig, so schwierig, daß man das einzige Kind wohl von vornherein zur Gruppe der Schwererziehbaren rechnet. Entweder sind die Eltern in solchen Zwergfamilien ichsüchtig (darin liegt dann auch das Motiv zur Beschränkung der Kinderzahl), und dann wächst das einzige Kind in ihr einsam und verlassen auf, oder sie sind trotzdem reich an Liebe, und dann konzentriert sich der ganze Reichtum an elterlicher Kinderliebe, der für eine größere Kinderzahl ausgereicht hätte, auf das Einzige, so dass dieses nach einem Worte Muckermanns leicht zum ‚verzogenen Haustyrannen oder bleichen Spielpüppchen aufgezüchtet wird, an dessen harten begehrlichen Launen keiner mehr zu leiden hat als die Eltern selbst’. Die kleine Kinderzahl kann von den Eltern auf eine sündhafte Weise herbeigeführt worden sein; dann fehlte es ihrer Persönlichkeit an tiefer Religiosität und Ethos, und dadurch schon wird ihre erzieherische Kraft beschränkt.“lxi Schneider verwies dabei auf Muckermanns Büchlein Kind und Volk. Der biologische Wert der Treue zu den Lebensgesetzen beim Aufbau der Familie von 1922; in den Nachkriegsauflagen der katholischen Familienerziehung nannte Schneider Muckermanns unter demselben Haupttitel erschienenen Schrift von 1946. Aber er hatte Muckermanns Veröffentlichungen zur Eugenik sehr viel früher kennengelernt und auf sie verwiesen. Muckermann hatte die zitierten Begriffe schon 1922 publik gemacht. Im Abschnitt “Rassenhygienische Auslese von Minderjährigen” des Bandes von 1922 (der in der Wiederauflage von 1946 nicht mehr erschien) zeigte sich Muckermann nicht nur von den Sterilisationsprogrammen in den USA durchaus angetan, sondern sah es auch als Aufgabe des Staates an, “daß Geisteskranke und psychopathische Verbrecher … in Anstalten der Liebe gesammelt werden, wo ihnen keine Möglichkeit mehr bleibt, Nachkommen mit gleichen Anlagen zu belasten.” Die eigentliche Aufgabe aber habe die “positive Rassenhygiene” zu leisten durch Partnerschafts- und Eheberatung, um die “Wiedergeburt der naturgetreuen Normalfamilie in gesunder Lebenslage und sittlich reiner Atmosphäre” zu sichern mit dem Ziel der eugenischen “Wiedergeburt unseres Volkes”.lxii Der letztere Gedanke findet sich auch in Muckermanns Publizistik nach dem Zweiten Weltkrieglxiii, allerdings wurde hier wie auch von Schneider die Ablehnung jeglicher Tötung des ungeborenen menschlichen Lebens besonders hervorgehoben, entsprechend der schon immer bestehenden negativen Haltung der katholischen Kirche zum Schwangerschaftsabbruch. Schneider bezeichnete die Tötung “des keimenden Lebens” als Mord und jeden mit diesem Ziel verbundenen Eingriff als “verbrecherische Handlung”, als ein “fluchwürdiges Vergehen”.lxiv Umso auffallend ist für heutige Leser, die in Schneiders “Katholischer Familienerziehung” der Auflage von 1957 den Abschnitt “Die Berücksichtigung eugenischer Faktoren bei der Gattenwahl” entdecken, dass der unbefangene Gebrauch des Begriffs “Eugenik” für Schneider offenbar nicht belastet war durch die Erinnerung an die mörderische NS-Gesundheitspolitik. Die Bruchlosigkeit des Überganges von der Diktatur der Ausmerzung des “artfremden” Lebens zur westdeutschen Nachkriegsdemokratie, ebenso das Wiederanknüpfen an die Zeit vor 1933, sind dokumentationswürdig. Als Literaturangabe im Anmerkungsteil zum Kapitel über die zu beachtenden eugenischen Gesichtspunkte nennt Schneider die von H. Muckermann edierte und redigierte Zeitschrift “Das kommende Geschlecht. Zeitschrift für Eugenik“.lxv Das Phänomen des Fehlens ausdrücklicher Distanzierung von Ideologien des „Dritten Reichs“ ist allerdings auch in Nachkriegspublikationen anderer deutscher Erziehungswissenschaftler vorfindbar. Schneiders Position zur Eugenik unterschied sich nach 1945 offensichtlich nicht von seiner vor dem Krieg gezeigten Haltung. Hatte die Rassenhygiene des „Dritten Reichs“ auf ihn abgefärbt? Tatsächlich entsprach das, was er dazu äußerte, dem Diskussionsstand des Problems innerhalb der preußischen Ministerialbürokratie nach 1920, die maßgeblich von der Koalition zwischen SPD und dem Zentrum ge- 16 prägt wurde. Das möchte im Folgenden am Beispiel der Diskussion um die Forderung nach eugenischen Gesundheitszeugnissen vor der Eheschließung erläutern. 1939 und ebenso in den Nachkriegsauflagen seiner „Katholischen Familienerziehung“ sah Schneider den Ausbau der eugenischen Eheberatung als besonders dringlich an mit folgenden Worten: „Wenn sie [die eugenische Eheberatung] verwirklicht ist, besteht für Personen, die eine Ehe miteinander eingehen wollen, die gesetzliche Verpflichtung, vor ihrer Verlobung ihre Sanitätspässe miteinander auszutauschen. Diese enthalten die Ermittlung des Vorlebens des Ratsuchenden in Bezug auf seine bisherige körperliche Entwicklung sowie die gesundheitlichen Verhältnisse seiner Vorfahren und seiner Verwandtschaft, die sog. Anamnese, und ein Zeugnis über seinen augenblicklichen Gesundheitszustand, das von einem besonders vorgebildeten ärztlichen Eheberater auf Grund einer von ihm vorgenommenen Untersuchung ausgestellt wurde. Weiter muss der Sanitätspaß die Vererbungsmöglichkeit etwaiger bei dem Ratsuchenden oder seinen Vorfahren festgestellten Krankheiten berücksichtigen und als Ergebnis aus den gesamten Unterlagen ein Urteil über seine Ehetauglichkeit aussprechen.“lxvi Schneider betonte abschließend, dass eine gesetzliche Pflicht zum wechselseitigen Austausch von Gesundheitszeugnissen zwar noch nicht bestehe, ihn freiwillig durchzuführen aber durchaus möglich sei. So sehr der mit der Geschichte der Eugenik nicht vertraute Leser meinen könnte, Schneider habe ein Stück weit rassenhygienisches Ideengut des NS aufgegriffen und nach 1945 nicht getilgt, trifft diese Vermutung nicht zu. Ingrid Richter gibt darüber Auskunft in ihrer umfangreichen Studie über „Katholizismus und Eugenik in der Weimarer Republik und im Dritten Reich“.lxvii Politisch und sozialethisch führende Kreise im deutschen Katholizismus begrüßten die vom preußischen Minister für Volkswohlfahrt, Heinrich Hirtsiefer (Zentrum) verfasste eugenische Denkschrift von 1922, die von Ehewilligen die Beibringung eines Gesundheitszeugnisses verlangte, als gangbaren „Mittelweg“ zwischen „eugenischer Unwirksamkeit und radikaler Unfruchtbarkeit“ der erblich Geschädigten bzw. dem Eheverbot für Eheuntaugliche. Zu letzteren zählten auch Alkoholiker, Geschlechtskranke und mit schweren Krankheiten Behaftete. Nicht nur, weil der Vorschlag Hirtsiefers in Parallele stand zu ähnlichen Überlegungen in der SPD, doch deren weitergehende Forderung ablehnte, im Falle negativer Indikation ein Eheverbot gesetzlich zu verankern, blieb er in katholischen Kreisen attraktiv. Den Austausch vorehelicher Gesundheitszeugnisse sowie Eheverbote aus rassehygienischen Gründen hatte die Deutsche Gesellschaft für Rassehygiene bereits 1916 gefordert, als die Frage der Auszehrung des Erbgutes des deutsche Volkskörpers durch die Kriegsverluste jene Aktualität hatte, die sie in den zwanziger Jahren durchaus beibehielt. Der in der Koalition von SPD und Zentrum bis 1932 in Preußen virulent gebliebene Gedanke eines durch Reichsgesetz verankerten Austauschs von Gesundheitszeugnissen der Eheschließenden gelangte nicht zur Verwirklichung. Hirtsiefer hatte 1926 in einem Eheberatungserlass auf die Möglichkeit des freiwilligen Austauschs hingewiesen. Nichts anderes als diese Position vertrat Friedrich Schneider in seiner Familienerziehung. Nur war der gesellschaftspolitische Kontext für diese Forderung 1939 ein völlig anderer als der von 1922, und 1957 wiederum war die politische Rahmensituation eine andere als im „Dritten Reich“. Schluss Schneiders Ausführungen zur Eugenik und deren volkstheoretische Begründung sind problematisch auch für die parallel dazu entwickelte religiöse Verankerung des Erziehungsgedankens in der Reinheitsidee des göttlichen Vorbildes. „Eugenik“ stellt in seiner Nachkriegspublizistik nicht nur ein sprachliches, sondern auch ein sachliches Problem dar. Man kann sich fragen, ob Schneider und die Leser seiner Bücher dies damals so empfinden konnten, oder ob unsere kognitive Abwehr gegenüber dem Eugenik-Begriff in der Wachhaltung der Erinnerung an den Nationalsozialismus nicht erst ein späteres Produkt zunehmender Sensibilisierung gegenüber Begriffen und Tatbeständen ist, die im Umfeld der Rassen- und Vernichtungspolitik des NS eine Rolle spielten. Es sei daran erinnert, dass jene 17 Länder, in denen Sterilisierungsgesetze vor dem Ende der NS-Diktatur galten, mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges keineswegs ihre Abschaffung betrieben, dies vielmehr ein länger dauernder Prozess war, der erst in den siebziger und achtziger Jahren zum Abschluss kam. Man kann aber auch die Frage stellen, ob Schneider als überzeugter Katholik nicht im Recht war, den Begriff „Eugenik“ in den Nachkriegsauflagen seines Buches zu verwenden, wenn Pius XI. in seiner Eheenzyklika „Casti connubii“ vom 31.12.1930 den Terminus benutzte. Was der Heilige Vater sachlich meinte, und womit er dies begrifflich ausdrückte, kann zu keiner Zeit falsch sein. Schneider sah sich als Interpret dieser Enzyklika, die für eine paedagogia perennis catholica, wie sie Schneider vorschwebte, eine nicht hintergehbare Wahrheit darstellt. Die vielfach geäußerte Behauptung, dass die moderne Humangenetik eine Fortführung der historischen Eugenikbewegung mit anderen Mitteln sei, verkennt, dass Motiv, Anwendung und Instrumente künstlicher Befruchtung einer völlig anderen gesellschaftlichen Basis entspringen, die individuellen Kinderwunsch auf Grund freiwilliger Entscheidung dort ermöglicht, wo dieser Wunsch aus medizinischen Gründen nicht erfüllbar ist. Demgegenüber waren die zwangsweise durchgeführten Sterilisierungen und Tötungen im Nationalsozialismus der Inbegriff von Unmenschlichkeit. Sie standen im Dienst einer exkludierenden inhumanen Ideologie, deren Rechtfertigung den Machthabern keine Schwierigkeit bereitete. Dieser Hinweis ist nicht als moralische Anklage zu verstehen. Es geht mir um den Prozess interpretativer Selbstklärung eines heutigen Lesers der Werke Schneiders bei der Wahrnehmung von problematischen Sachverhalten, die eine Bewertung aus historischer Distanz, nicht aber ein ihr vorlaufendes moralisches Vor-Urteil fordern. Hier gibt es eine Schwierigkeit: Das historische Faktum der systematischen Menschenvernichtung im NS erzwingt eine moralische Perspektive, weil sie schuldhafter Erinnerung untersteht, die sich der relativierenden Historisierung widersetzt.lxviii Aus dem Abstand von über einem halben Jahrhundert müssen wir uns klar machen, dass Schneiders Buch “Katholische Familienerziehung” dessen siebte und letzte „durchgesehene Auflage“ 1961 erschien, offenbar keinen Diskussionsbedarf weckte, ebenso zwischen den Konfessionen keine kontroversen Urteile auslöste. Bekanntlich waren auch im Protestantismus der Nachkriegszeit Verdrängungsmechanismen wirksam bei der Aufarbeitung seiner politischen Irrtümer. Das Grundproblem der Interpretation von Biographien und wissenschaftlichen Leistungen bedeutender Personen der Öffentlichkeit, die in einem schuldbelasteten Abschnitt deutscher Geschichte agierten, besteht darin, dass unsere Moral ein dichotomes Urteil bevorzugt. Selbst ein differenziertes Abwägen von Sachverhalten, wie es im Falle Schneiders notwendig erscheint, vermag die dichotome Urteilsstruktur der Moral nicht auszuhebeln: Der achtbare Bürger X wurde vom NS-Staat um Amt und Beruf gebracht, also hatte er mit diesem verbrecherischen System nichts zu tun, also stand er als Opfer des Systems auch in Opposition zu ihm. Wenn er gegen den NS-Staat war, der alles Demokratische bekämpfte, dann besaß dieser Bürger auch eine „demokratische Haltung“. Deshalb verdient seine aufrechte Gesinnung Würdigung. So zu denken will uns unsere Moral vorschreiben. Demgegenüber fördert die historisch-kritische Betrachtung Sachverhalte zutage, die der dichotomen Urteilsbereitschaft in vielen Fällen widersprechen, weil die Vergangenheit, die wir zu bewerten haben, realiter sehr viel komplexer war, als dass diese Komplexität mit einer dichotomen Urteilsstruktur begriffen werden könnte. Im Falle Schneiders wird hinsichtlich der Eugenik zumindest begrifflich eine Nähe zur NS-Ideologie erkennbar, die als sprachliches Arrangement zu deuten leicht fällt, wenn man die Inhalte seiner drei pädagogisch-praktischen Hauptwerke aus der NS-Zeit „Selbsterziehung“, „Katholische Familienerziehung“ und „Unterrichten und Erziehen als Beruf“ als klare Absage an die NS-Ideologie zugunsten des christlich-katholischen Bekenntnisses bereit ist anzuerkennen. In dieser Deutlichkeit hat meines Wissens kein anderer im NS publizierender deutscher Erziehungswissenschaftler der Realität des Nationalsozialismus eine so klare Absage durch völlige Nichterwähnung erteilt, und dies in höchst erfolgreichen Publikationen. Wird aber jene Begrifflichkeit hinsichtlich der Eugenik, die ich als sprachliches Arrangement bezeichnet habe, auch nach dem 18 Untergang des Nationalsozialismus unreflektiert weiterhin gebraucht, dann muss dies dem heutigen Leser durchaus fragwürdig erscheinen. Im Bemühen um ein sachlich differ0enziertes und gerechtes Urteil wird nicht nur Friedrich Schneider, sondern der deutschen Katholizismus insgesamt in seiner Stellung zur Eugenik im Zeitraum 19191945 zu befragen sein, wie dies zum Beispiel in der umfangreichen Studie von Ingrid Richter 2001 erfolgte.lxix Um diesen Sachverhalt angemessen zu bewerten, ist auch der Frage nachzugehen, wie denn “im überterritorialen Katholizismus” die Eheennzyklika von 1930 interpretiert und umgesetzt wurde. Im katholischen Österreich äußerte sich der Widerstand gegenüber der negativen Eugenik vor dem “Anschluss” des Jahres 1938 sehr viel stärker, als er zur gleichen Zeit in den deutschen kirchlichen Wohlfahrtsverbänden vorhanden war. lxx Der Interpret steht vor einem Dilemma. Die klassische Hermeneutik machte glauben, dass man im hermeneutischen Zirkel zwischen dem Perspektivwechsel vom Einzelnen zum Ganzen gleichsam in einer Spirale zunehmender Sacherkenntnis vorwärts schreitet, dem am Ende ein objektives Urteil folgt. Nein, es ist genau umgekehrt: Der Interpret hat sich von Anfang moralisch entschieden für “gut” oder für “problematisch”, und entsprechend diesem vorausgehenden moralischen Urteil, das dann auch von der Leserschaft so übernommen wird, da der Interpret glaubwürdige Autorität besitzt, werden die einzelnen Sachverhalte arrangiert.lxxi Das Arrangement betrifft nicht zuletzt die Abfolge der Abschnitte der Darstellung: Entscheidend ist, was am Schluss ausgesagt wird. Ob in einem biographischen Abriss, wie dem hier vorliegenden über Friedrich Schneider, ein moralisch problematischer Sachverhalt in der Mitte oder am Ende der Interpretation steht, macht einen Unterschied: Den problematischen Sachverhalt in einem der mittleren Abschnitte der Darstellung zu erwähnen hat zur Konsequenz, am Ende zu betonen, dass Schneider ein Opfer und ein Gegner des Nationalsozialismus war, der nachfolgenden Generationen Respekt abverlangt und bleibende Erinnerung verdient, selbst wenn einzelne seiner Sichtweisen heute nicht mehr opportun sind. Wird der problematische Sachverhalt jedoch ans Ende der Interpretation gerückt, bedeutet dies: Auch wenn Schneider durch Berufsverlust Opfer und in seiner christlich-katholischen Überzeugung Gegner des NS war, hatte er sich doch im Oktober 1933 öffentlich für Hitler ausgesprochen. Nach dem Ende der NS-Diktatur sprach er über “Eugenik” in der Familienerziehung, und dies mit einem “völkischem” Theoriehintergrund , als wenn es keine mit diesem Begriff verbundene missbräuchliche Praxis unter Hitler gegeben hätte. Schneiders Familienpädagogik ist heute historisch. Es liegen keine Gründe vor, ihr mehr Aufmerksamkeit zu schenken als ihre bloße Kenntnisnahme aus historischer Distanz dies erfordert. Dabei sollte im Bewusstsein bleiben: Komplexe zeithistorische Sachverhalte gewinnen ihre urteilsbestimmende Relevanz in vielen Fällen erst durch die Sicht, die wir ihnen auferlegen. Anmerkungen ii Wiedergegeben nach Wolfgang Brezinka: Pädagogik in Österreich. Die Geschichte des Faches an den Universitäten vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Band 3. Wien 2008, S. 64ff. ii Klaus-Peter Horn: Erziehungswissenschaft in Deutschland im 20. Jahrhundert. Zur Entwicklung der sozialen und fachlichen Struktur der Disziplin von der Erstinstitutionalisierung bis zur Expansion. Bad Heilbrunn: Klinkhardt 2003, S. 49. iii Friedrich Schneider: Ein halbes Jahrhundert erlebter und mitgestalteter Vergleichender Erziehungswissenschaft. Paderborn 1970, S. 49f. iv Wolfgang Brezinka: Friedrich Schneider (1881-1974) als Mitbegründer und Kritiker der Vergleichenden Pädagogik. In: Pädagogische Rundschau 57 (2003), S. 3-15, hier S. 7f. v Brezinka 2008 (Anm. 1), S. 68. Dass Schneider 1943 einen Ruf an die Universität Freiburg (Fribourg) in der Schweiz erhalten haben soll, dessen Annahme das NS-Regime verboten habe, ist vermutlich unzutreffend. Es gibt dafür keinen Nachweis. In den Akten des betreffenden Berufungsverfahrens tauchte Schneiders Name nicht auf. Vgl. Brezinka, ebenda (Anm. 1), S. 68-69, Fußnote 16. vi Schneider 1970 (Anm. 3), S. 44. vii Friedrich Schneider (Hrsg.): Katholisches Kulturgut als Bildungsstoff. Eine Reihe von Abhandlungen. Paderborn 1925. viii Friedrich Schneider (Hrsg.): Bildungskräfte im Katholizismus der Welt seit dem Ende des Krieges. Unter Mitwirkung von Fachkennern des In- und Auslandes. Freiburg 1936. 19 ix Schneider 1970 (Anm. 3), S. 11. Ebenda (Anm. 3), S. 33. Schneider sprach von Wirth als „damaligem Reichskanzler“, aber Wirth war dies 1921/22, während er 1930/31 bis zu seinem vorzeitigem Ausscheiden Reichsinnenminister im Kabinett Brüning war. xi Schneider 1970 (Anm. 3), S. 44. xii http://opac.bbf.dipf.de/editionen/spranger-hadlich/1923/es1923-02-20-011.html xiii Eduard Spranger: Umrisse philosophischer Pädagogik. In: Internationale Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 3 (1933/34), 160-180, 332-337-, 448-467. xiv Wolfgang Brezinka (Hrsg.): Weltweite Erziehung. Festgabe für Friedrich Schneider zum 80. Geburtstag. Freiburg 1961. xv Briefe Friedrich Schneiders an Peter Petersen befinden sich im Peter Petersen-Archiv in Vechta. Die nachfolgenden Angaben (zu Beginn des Abschnittes „Bildungskräfte im Katholizismus der Welt”) über Schneiders politische Mitgliedschaften und Aktivitäten im NS entnehme ich Kopien aus dem Bundesarchiv (BA), die mir auf Grund meiner Anfrage mit Schreiben vom 17.3.2014 vom BA zugestellt wurden. Ich danke Frau S. Langner, BA. xvi Schneider 1970 (Anm. 3), S. 33. xvii Friedrich Schneider: Katholisches Kulturgut als Bildungsstoff unserer höheren Schulen. In: Schneider 1925 a.a.O. (Anm. 7) 1-36; hier S. 33. xviii Schneider 1936 a.a.O. (Anm. 8), Vorwort, VIII-XI. xix Hans Wollasch: Caritative Erziehung und Bildung. In: Friedrich Schneider 1936 (Anm. 8), S. 289-336; hier S. 312. xx Ebenda, S. 312, Fußnote 37. – Wollasch hatte Recht mit seinem Verweis auf Muckermann; vgl. Hermann Muckermann: Kind und Volk. Der biologische Wert der Treue zu den Lebensgesetzen beim Aufbau der Familie. Teil 1: Vererbung und Auslese. 10. Aufl. Freiburg 1922, S. 213f. xxi Friedrich Schneider: Ueberterritoriale Verbindung katholischer Pädagogik. In: Schweizer Schule 22 (1936), S. 57-63, 161-168; hier S. 163, 168. xxii Friedrich Schneider: Unterrichten und Erziehen als Beruf. Eine christliche Berufsethik für den Pädagogen. Einsiedeln 1940, S. 94, S. 97. xxiii Ebenda (Anm. 21), S. 108. xxiv Ebenda (Anm. 21), S. 189. xxv Ebenda (Anm. 21), S. 103. xxvi Friedrich Schneider: Die Selbsterziehung. Wissenschaft und Übung. Einsiedeln 1936. Der Band erhielt eine zweite Auflage 1937 und wurde offenbar in Deutschland vertrieben. Zur „Beschlagnahme“ vgl. Schneider 1970 (Anm. 3), S. 44. Theodor Rutt berichtete demgegenüber, dass Schneiders Buch „Unterrichten und Erziehen als Beruf“, das 1940 erschien, „in Deutschland sofort nach Erscheinen beschlagnahmt“ worden sei. Vgl. Theodor Rutt (Hrsg.): Friedrich Schneider. Ausgewählte pädagogische Abhandlungen. Paderborn 1963, S. 137. xxvii Friedrich Schneider: Deine Kinder und Du. Dreiundachtzig erläuterte Fälle falscher und richtiger Kindererziehung für die Hand der Eltern und Erzieher. 7. Aufl. Freiburg 1960 (Erstdruck 1937). Schneider verwies auf eine spätere Mitteilung des Herder Verlages, dass die Verlagsprodukte im NS-Staat einen gewissen Schutz besaßen, da Herder der Verlag gewesen sei, „der aus dem Export die meisten Devisen einbrachte“. Ob dies tatsächlich relevant war, ist heute kaum zu beurteilen. Vgl. Schneider 1970 (Anm. 3), S. 44f. xxviii Karl Joseph Hummel/Michael Kißener (Hrsg.): Die Katholiken und das Dritte Reich. Kontroversen und Debatten Paderborn 2009. Andreas Henkelmann/Nicole Priesching (Hrsg.): Widerstand? Forschungsperspektiven auf das Verhältnis von Katholizismus und Nationalsozialismus. Saarbrücken 2010. xxix Vgl. Ingrid Richter, Katholizismus und Eugenik in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. Zwischen Sittlichkeitsreform und Rassenhygiene. Paderborn, 2001 xxx Brezinka 2003 (Anm. 4), S. 11ff. xxxi Friedrich Schneider: Kultur und Bildung (1925). In: Friedrich Schneider: Ausgewählte pädagogische Abhandlungen. Besorgt von Theodor Rutt. Paderborn 1963, S. 5-10. xxxii Schneider 1970 (Anm. 3), S. 40 xxxiii Ebenda (Anm. 3), S. 40. xxxiv Friedrich Schneider: Geltung und Einfluss der deutschen Pädagogik im Ausland. München 1943, VIII xxxv Ebenda (Anm. 34), S. 10. xxxvi Ebenda (Anm. 34), S. 12. xxxvii Friedrich Schneider: Vergleichende Erziehungswissenschaft. Geschichte, Forschung, Lehre. Heidelberg 1961. xxxviii Ebenda (Anm. 37), S. 156. xxxix Günther Dohmen: Bildung und Schule. Die Entstehung des deutschen Bildungsbegriffs und die Entwicklung seines Verhältnisses zur Schule. Bd. 1: Der religiöse und organologische Bildungsbegriff Weinheim 1964; Bd. 2: Die Entstehung des pädagogischen Bildungsbegriffs und seines Bezuges zum Schulunterricht. Weinheim 1965. xl Friedrich Schneider: Triebkräfte der Pädagogik der Völker. Salzburg 1947, S. 338. xli Schneider 1970 (Anm. 3), S. 41. xlii Friedrich Schneider: Europäische Erziehung. Freiburg 1959, S. 90. xliii Ebenda (Anm. 42), S. 223. xliv Friedrich Schneider: Katholische Familienerziehung. 6. Aufl. Freiburg 1957, S. 24. x 20 xlv Friedrich Schneider: Katholische Familienerziehung. 3. Aufl. Freiburg 1939, S. 23. Ebenda (Anm. 45), S. 271; Schneider 1957 (Anm. 44), S. 290. xlvii Hier zitiert nach dem Wiederabdruck (1950). In: Friedrich Schneider: Ausgewählte pädagogische Abhandlungen. Besorgt von Theodor Rutt. Paderborn 1963, S. 63f. xlviii Ebenda (Anm. 47), S. 64. xlix Ebenda (Anm. 47), S. 65. l Vgl. Hans Vorster: Das Freiheitsverständnis bei Thomas von Aquin und Martin Luther. Göttingen 1965, S. 77f. li Schneider 1950/1963 (Anm. 43), S. 66. lii Schneider 1939 (Anm. 45), S. 4-6; Schneider 1957 (Anm. 44), S. 4-5. liii Schneider 1957 (Anm. 44), S. 36. liv Ebenda (Anm. 44), S. 39. lv Ebenda (Anm. 44), S. 39. lvi Ebenda (Anm. 44), S. 40. lvii Ebenda (Anm. 44), S. 43. lviii Ebenda (Anm. 44), S. 43. lix Ebenda (Anm. 44), S. 43. lx Ebenda (Anm. 44), S. 45. lxi Schneider 1939 (Anm. 45), S. 19. lxii Hermann Muckermann: Kind und Volk. Der biologische Wert der Treue zu den Lebensgesetzen beim Aufbau der Familie. Teil 1: Vererbung und Auslese. 10. Aufl. Freiburg 1922, S 201ff.; S. 211-213. Zur wechselnden Haltung Muckermanns hinsichtlich der eugenischen Sterilisierung vgl. Hans-Walter Schmuhl: Grenzüberschreitungen. Das KaiserWilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik 1927-1945. Göttingen 2005, S. 132. lxiii Hermann Muckermann: Die Familie. Darlegungen für das Volk zur Frage des Wiederaufbaues im Licht der Lebensgesetze. Bonn 1946. lxiv Schneider 1957 (Anm. 44), S. 54. lxv Ebenda (Anm. 44), S. 322. lxvi Schneider 1957 (Anm. 44), S. 43f. Schneider 1939 (Anm. 45), S. 41. . lxvii Ingrid Richter: Katholizismus und Eugenik in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. Zwischen Sittlichkeitsreform und Rassenhygiene. Paderborn 2001. Die nachfolgenden Zitate entstammen dem Abschnitt „II. Katholiken und der ‚Mittelweg’ eugenischer Gesundheitszeugnisse“, S. 78-100. lxviii Um einen Eindruck von der Größenordnung der Ermordung von Patienten und Pflegefällen der Diakonie in Bayern 1940/41 zu geben, sei die Diakonissenanstalt Neuendettelsau erwähnt: „Allein aus Neuendettelsau wurden rund 1200 Patienten deportiert. Mindestens 800 von ihnen wurden entweder in der Tötungsanstalt Schloss Hartheim bei Linz oder aber in staatlichen Heil- und Pflegeanstalten ermordet.“ Matthias Honold: Der unbekannte Riese. Geschichte der Diakonie in Bayern. Augsburg 2004, S. 43. lxix Richter 2001 (Anm. 67). lxx Vgl. Monika Löscher: "... der gesunden Vernunft nicht zuwider ...?". Katholische Eugenik in Österreich vor 1938. Innsbruck 2009. lxxi Die Dissertation von Barbara Hartmann über Friedrich Schneider enthält keinen Hinweis auf die problematischen Aspekte in dessen Band Familienerziehung. Das Thema der Dissertation betrifft die Anfänge der Vergleichenden Erziehungswissenschaft, da erscheint es nicht zwingend, über belastende Sachverhalte zu reflektieren. Dennoch ist es ein Manko, wenn die Leserschaft über ideologische Erblasten aus der NS-Zeit unaufgeklärt bleibt. Vgl. Barbara Hartmann: Die Anfänge der Vergleichenden Erziehungswissenschaft im deutschsprachigen Raum. Das Wirken ders Erziehungswissenschaftlers Friedrich Schneider. Frankfurt a.M. 2009. xlvi