Sind Schädlinge wirklich Schädlinge? Schädling/Nützling: zweifelhaft gewordene Kategorien Die Begriffe „Schädling“ und „Nützling“ sind selten einem allgemeingültigen Verständnis von Umweltfreundlichkeit untergeordnet. Aus der Sicht des Landwirtes, des Forstmannes, des Fischers, des Jägers, des Tierzüchters, des Vorräte verwaltenden Menschen, des mit Naturprodukten befassten Handwerkers aber auch des durchschnittlichen Konsumenten im Alltag scheint sich die Welt des Lebendigen in die zwei Bereiche schädlich und nützlich zu teilen. Bestehen im Einzelfall womöglich Zweifel an der jeweiligen Zuordnung, so verfährt man mit den als schädlich erachteten Organismen sehr folgerichtig: Man rottet sie aus, verfolgt sie, wo sie angetroffen werden. Man stellt ihnen in einem Maße nach, welches häufig über das sachlich begründbare hinausgeht und wendet Mittel an, die dem biologischen Wissen der Zeit und der Vernunft widersprechen. Bei der Einschätzung eines Organismus als Schädling oder Nützling liegen die Grenzen bei genauer Betrachtung oft sehr dicht beieinander. Ein und dasselbe Tier kann je nach seiner Stellung in der Natur mal das eine und mal das andere sein. Spechte gelten allgemein als nützliche Vogelart, können aber unter bestimmten Umständen schädlich werden. Wenn sich Spechte aufgrund des Mangels an holzzerstörenden Insekten sich nun plötzlich von nützlichen Insekten ernähren, können sich Schädlinge wieder besser vermehren. Die Insektenfresser (Spitzmäuse, Igel, Maulwurf, Fledermäuse) gelten wegen ihrer Nahrungsspezialisierung als nützlich, vor allem deshalb, weil sie nicht mit den Nahrungsinteressen des Menschen in Konkurrenz treten. Dementsprechend stehen Spitzmäuse unter Naturschutz. Eine Ausnahme gibt es bei uns: Die Wasserspitzmaus, die auch von Fischbrut lebt, wird verfolgt. Ein kurzer Überblick über Schädlinge Schadorganismen, die dem Menschen oder seinen Kulturpflanzen, Haustieren und Bauwerken Schaden bringen können, lassen sich unterteilen in Gesundheitsschädlinge ( z. B. Anopheles als Überträgergattung der Malaria), in Vorrats- bzw. Materialschädlinge (z. B. Kornkäfer, Reiskäfer, Schabe, Hausbockkäfer, Hausschwamm) und in Kulturpflanzen-Schädlinge. Die ersten beiden Gruppen können hier nur fallweise behandelt werden. Die Kulturpflanzen werden von Mikroorganismen, von Viren, Bakterien und Pilzen (z. B. Tabakmosaik-Virus, Stengelfäule verursachende Bakterien, Pflanzenkrebs induzierende Bakterien, Rostpilze) und von Pflanzen, die als Nährstoff-, Licht und Wasserkonkurrenten auf den Kulturflächen wachsen und als Unkräuter eingestuft werden, in ihrem Gedeihen beeinträchtigt (z. B. Ackermelde, Ackerhellerkraut, Löwenzahn, Kornblume, Wegerich, Schachtelhalm u. v. m.). Wesentliche Schäden werden durch Tiere herbeigeführt, denen die Kulturpflanzen als Nahrung und Orte der Individualentwicklung dienen (hierzu zählen v. a. die Insekten aber auch Fadenwürmer, sog. Älchen). Wegen der gebotenen Kürze wird im folgenden nur noch von Schädlingen der Kulturpflanzen gesprochen. Man unterscheidet Insekten, die Pflanzensaft saugen von solchen, die Pflanzensubstanz fressen. Die Pflanzensaft-Sauger beeinträchtigen die Wirtspflanze, indem sie ihr Nährstoffe und Flüssigkeit entziehen; die Leitungsbahnen werden häufig beschädigt. Die saugenden Schädlinge entnehmen vielfach eine größere Menge an Nährstoffen als sie für die Ernährung mit Kohlenhydraten benötigen, weil sich Minimumstoffe (Eiweiße, Nährsalze) für die Entwicklung des Schädlings nur in geringem Maße im Pflanzensaft befinden. Deshalb scheiden viele saugende Insekten überschüssigen zuckerhaltigen Pflanzensaft in Form von «Honigtau» wieder aus. Neben der Schädigung durch den Entzug von Salzen, Flüssigkeit und Nährstoffen wirken viele Pflanzensauger als Überträger von Viruserkrankungen. Neben den Spinnmilben kommt den Blattläusen eine große Bedeutung als Pflanzenschädlingen zu. Ferner sind Schildläuse zu nennen, die häufig in Gewächshäusern als eingeschleppte Schädlinge ihre Schadwirkung entfalten und gleichfalls Kulturpflanzen im Freien heimsuchen. Wanzen, eine von den verschiedenen Ernährungstypen her außerordentlich vielgestaltige Insektengruppe (es gibt ca. 40 000 Arten auf der ganzen Welt) treten ebenfalls als Pflanzensauger auf. Sie sind als Großschädlinge z. B. im Orient gefürchtet und beeinträchtigen dort Getreidekulturen. Insekten, die als erwachsene Tiere oder während der Entwicklung an Kulturpflanzen fressen, verursachen beträchtliche Schäden. Über die katastrophalen Folgen des Auftretens von Wanderheuschrecken wird z. Z. in vielen Zeitungen immer mal wieder berichtet. Ein anderer Schädling, der Große Kohlweißling, bei dem nur die Raupe der 2. Sommergeneration massenhaft auftritt, kann Kohlanpflanzungen zum Verhängnis werden. Allerdings werden die meisten Schäden durch Schmetterlinge von Vertretern der unscheinbaren Eulen, Wickler, Motten, Glucken, Spinner und Spanner verursacht. Blattwespen sind weitere Großschädlinge, die im Forst und im Obstanbau bedeutsam sind. Ihre Larven fressen Nutzpflanzen in kürzester Zeit kahl, wenn die Larven massenhaft vorkommen. Das Beispiel der Kiefernbuschhornblattwespe stellt aufgrund von Massenvermehrung in Kiefernmonokulturen die Berechtigung des einseitigen Anbaus solcher «Baumäcker» in Frage. Entsprechend der immer größer werdenden Anzahl von Kulturpflanzen mit den von ihnen herleitbaren hochwertigen Rassenzüchtungen wird auch die Zahl der wirtschaftlich relevanten Schädlinge immer größer. Auch Käfer verursachen vielerlei Schädigungen. Dies, weil Arten, die sich ausschließlich von einer bestimmten Kulturpflanze ernähren teilweise sehr widerstandsfähig gegenüber Insektiziden sind, zum andern aber relativ schnell resistent gegen Gifte werden. Käfer, die mehrere Futterquellen haben, können dagegen nach Kahlfraß der Kulturpflanze leicht auf eine ihnen noch zusagende Futterquelle ausweichen und dort gewissermaßen in «Wartestellung> ausdauern, bis wieder bessere Umweltbedingungen herrschen. Jene Arten, die vielerlei Pflanzen als Nahrungsobjekte annehmen entgehen am leichtesten einer gezielten Bekämpfung. Die kurze Zusammenstellung wichtiger Schädlinge ist aber noch unvollkommen. Schließlich werden Kulturpflanzen auch von Wirbeltieren in Mitleidenschaft gezogen. Dies trifft besonders zu, wenn sich bestimmte Arten unkontrolliert vermehren können, wie es z. B. mit dem aus Europa nach Australien eingeführten Wildkaninchen geschehen konnte. Weltweit bedeutsam sind die jährlich auftretenden Ernteverluste, die durch die Nahrungstätigkeit der verschiedenen Rattenarten, darunter auch die der Wanderratte, entstehen. Nicht zuletzt aus diesem Grunde wird der Rattenbiologie und der Rattenbekämpfung in diesem Heft ein breiter Raum gewidmet. Als weiteres Beispiel für einen bei uns schädlichen Säuger kann der Bisam gelten. Diese Art ist von besonderem Interesse, weil sich in der Beschäftigung mit deren Lebensweise die ganze Problematik der zufälligen oder bewusst geplanten Einbürgerung von Säugetieren in ihnen nicht angestammte Lebensräume aufzeigen lässt. Es sei noch auf Wildschäden hingewiesen, die durch die Äsung des Reh-, Rot- und Schwarzwildes in unseren heimischen Einstandsgebieten immer wieder auftreten. Solche Schäden halten sich bei hinreichender Aufsicht in Grenzen; mehr noch: Die Jagdpächter sind verpflichtet, Wildschäden zu ersetzen und beugen zu großen finanziellen Belastungen vor, indem sie Futteräcker und Winterfütterungen einrichten.