Das Gegenstrom-Prinzip Grundprinzip: Um einen Temperaturausgleich durch Wärmeleitung (oder einen Konzentrationsaustausch durch Diffusion) zwischen zwei Flüssigkeitskreisläufen zu erreichen, ist es effizienter, wenn beiden Flüssigkeiten im Wärmetauscher (oder in einer künstlichen Niere oder in Fischkiemen) in entgegengesetzten Richtungen strömen. Im folgenden untersuchen wir, warum der Gegenstrom zu einem besseren Austausch führt als der Parallelstrom, beschränken uns aber der Einfachheit halber auf den Fall, dass in beiden Kreisläufen dieselben Flüssigkeiten mit derselben Geschwindigkeit fließen. Mathematische Formulierung: a. Parallelstrom Fl. 1 Fl. 2 Die Koordinate x beschreibt die Position im Wärmetauscher, T1(x) und T2(x) geben die Temperaturen der beiden Flüssigkeiten an der Stelle x an. Nun gilt, dass die zwischen Flüssigkeiten pro cm Wärmetauscher ausgetauschte Energie (und damit die Temperaturänderungen der beiden Flüssigkeiten) proportional zur Temperaturdifferenz zwischen den beiden Flüssigkeiten ist, also d T 1( x) dx T 1( x) T 2( x) d T 2( x) dx T 1( x) T 2( x) (1a) (1 b) Die Konstante hängt dabei von der Bauart des Wärmetauschers, von der verwendeten Flüssigkeit und von der Strömungsgeschwindigkeit ab. Weil wir der Einfachheit halber gleichartige Flüssigkeiten und gleiche Strömungsgeschwindigkeiten betrachten, muss sich Flüssigkeit 2 an jeder Stelle des Wärmetauschers um genau jene Temperatur erwärmen, um die sich Flüssigkeit 1 abkühlt. Aus diesen Gleichungen erkennt man, dass d T 2( x) dx d T 1( x) dx und damit (durch Integrieren dieser Gleichung auf beiden Seiten) T 2(x) T 1(x) c 1 (2) Einsetzen in die erste Gleichung unseres Differentialgleichungssystems ergibt d T 1( x) dx 2 T 1( x) c 1 Variablentrennung führt zu 1 2 T 1 c 1 dT 1 1 dx Beidseitige Integration und Auflösen der erhaltenen Gleichung nach T1 führt nach Umbenennung der Integrationskonstanten zu x c1 T 1( x) 2 2x c 2e Wenn man diese Gleichung in (2) einsetzt, erhält man T 2( x) c1 2 2x c 2e c1 und c2 lassen sich aus den Einströmtemperaturen T1(0) und T2(0) bestimmen: T 1( 0) T 2( 0) T 2( x) 2 T 1( 0) T 2( 0) T 1( x) 2 T 1( 0) T 2( 0) 2 T 1( 0) T 2( 0) 2 2x e 2x e Interpretation: Bei dem mit Parallelstrom betriebenem Wärmetauscher (mit gleichartigen Flüssigkeiten und gleicher Durchflussgeschwindigkeit) nähern sich die Temperaturen der beiden Flüssigkeiten beim Durchfluss exponentiell an den Mittelwert der Einströmtemperaturen an. Im untenstehenden Diagramm sind die beiden Temperaturverläufe für Einströmtemperaturen von 80°C und 10°C und =0.01 gezeichnet. Eine Verlängerung des Wärmetauschers über den hier gezeichneten Bereich hinaus führt nur zu einer geringfügigen Verbesserung des Energieaustausches. 80 70 60 80 10 ( 8010) 0.02 x e 2 2 80 10 ( 8010) 0.02 x e 2 2 50 40 30 20 10 0 0 50 100 150 200 x b. Gegenstrom Fl. 1 Fl. 2 Da die Flüssigkeit 2 nun in negativer x-Richtung strömt, ändert sich unser Differentialgleichungssystem geringfügig: d T 1( x) dx d dx T2( x) T 1( x) T 2( x) T1( x) T2( x) Also d dx T2( x) d dx T1( x) und damit (durch Integrieren dieser Gleichung auf beiden Seiten) T2(x) T1(x) c1 Im Unterschied zur Rechnung beim Parallelstrom fällt T1(x) nun beim Einsetzen vollkommen weg: x d dx T1( x) c1 Durch Integration ergibt sich T1( x) c1 x c2 T2( x) c1 x c1 c2 und c1 und c2 lassen sich wieder aus den Einströmtemperaturen T1(0) und T2(L) bestimmen, wobei L die Länge des Wärmetauschers angibt. Interpretation: Bei dem mit Gegenstromstrom betriebenem Wärmetauscher (mit gleichartigen Flüssigkeiten und gleicher Durchflussgeschwindigkeit) ändern sich die Temperaturen der beiden Flüssigkeiten beim Durchfluss linear, wobei die Differenz der beiden Temperaturen an jeder Position des Wärmetauschers denselben Wert aufweist. Im untenstehenden Diagramm sind die Temperaturverläufe wiederum für Einströmtemperaturen von 80°C und 10°C und bei zwei verschiedenen Wärmetauscher-Längen =0.01 gezeichnet. 80 80 70 T 1( x1 23.33 80) T 2( x1 23.33 80) 60 50 T 1( x2 14 80) 40 T 2( x2 14 80) 30 20 10 0 0 0 0 100 200 x1 x1 x2 x2 300 400 400 Es ist einerseits erkenntlich, dass der im Gegenstrom betriebene Wärmetauscher effizienter ist als der im Parallelstrom betriebene, und dass sich andererseits die Effizienz durch eine Verlängerung des Wärmetauschers weiter erhöhen lässt.