Hirtenwort von Bischof Manfred Scheuer zur Fastenzeit 2006 an die

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Kurzfassung des Hirtenworts von Bischof Manfred Scheuer zur Fastenzeit 2006 an die
Gläubigen der Diözese Innsbruck
Seelsorgsräume - gemeinsam Zukunft gestalten
Nach dem Auszug aus Ägypten schickt Mose an der Grenze zum gelobten Land Kundschafter
aus, um das neue Land auszuforschen. Nach 40 Tagen kommen die Kundschafter zurück: Sie
bringen eine gute und eine schlechte Nachricht: Es ist wirklich ein Land, in dem Milch und
Honig fließen. Als Beweis dafür haben sie große Früchte mitgebracht. Aber im Land wohnen
Menschen, die den Kundschaftern wie Riesen vorkommen und sie selbst als Heuschrecken
erscheinen lassen.
Liebe Christen der Diözese Innsbruck! Was würden aufmerksame Kundschafter berichten, wenn
sie 40 Tage in unseren Dörfern und Städten unterwegs wären? Sie könnten von einem gelobten
und gesegneten Land berichten, in dem viele Menschen in Frieden leben und in dem gelebte
Solidarität viele Früchte hervorgebracht hat. Sie könnten von lebendigen Pfarren und religiösen
Gemeinschaften erzählen. Sie würden aber auch von Belastungen und Sorgen berichten: Viele
Menschen finden keinen Sinn in ihrem Leben, der steigende Druck lähmt Einzelpersonen und
Betriebe. Die Umweltbelastung weckt Angst um die Zukunft der Kinder.Auch die Kirche
befindet sich in einer Umbruchsituation. Kirche ist für viele Menschen unbedeutend und
nebensächlich geworden. Zeichen des Umbruchs sind die häufig nicht recht gelingende
Glaubensweitergabe an die nächste Generation und der immer stärker werdende Priestermangel.
Auf diesem Hintergrund haben die Dekane unserer Diözese beschlossen, sich auf den Weg der
Bildung von Seelsorgsräumen einzulassen. Dabei geht es um eine Bewegung nach außen – eine
Strukturreform unserer Diözese, und eine Bewegung nach innen – die stetige Erneuerung und
Stärkung unseres Glaubens.
Bewegung nach außen – Strukturreform unserer Pfarren. In den nächsten Jahren werden
mehrere Pfarren zu so genannten Seelsorgsräumen verbunden. Priester, Diakone und
hauptamtliche sowie ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden sich darin die
Aufgaben teilen. Die Leitung eines Seelsorgsraumes wird ein Priester innehaben. Vor Ort, in den
jeweiligen Pfarrgemeinden, werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am pastoralen Auftrag der
Kirche und auch an der Leitung der Pfarren hauptberuflich, nebenberuflich oder ehrenamtlich
teilhaben.
Bei der Bildung von Seelsorgsräumen ist und bleibt die Seelsorge in den Pfarrgemeinden
Schwerpunkt. Die Pfarren sollen soviel Selbständigkeit behalten wie möglich. Dazu wird es aber
ein hohes Maß an Zusammenarbeit brauchen. Bei den Überlegungen werden viele konkrete
Fragen auftauchen. Wie viel Eigenständigkeit muss erhalten bleiben und wie viel Einheit ist
nötig? Wie können Pfarren zusammenarbeiten? Wie sollen sich Orden, geistliche
Gemeinschaften und Bewegungen einbringen? Wie können Pfarrer administrativ so entlastet
werden, damit sie Seelsorger sein und bleiben können? Wie müssen die verschiedenen pastoralen
Dienste ihr Profil neu bestimmen?
Bewegung nach innen – stetige Erneuerung und Stärkung unseres Glaubens. Eine bloß
äußere Strukturerneuerung unserer Pfarren und Diözese wäre eine reine Symptombehandlung. Es
braucht genauso die Bewegung nach innen, die stetige Erneuerung und Stärkung unseres
Glaubens als einzelne und als Gemeinschaft. Diese Erneuerung hat in einer lebendigen
Beziehung zu Jesus Christus ihre Quelle und ihre Wurzeln. Wir begegnen Jesus Christus, wenn
wir tief eintauchen in die Heilige Schrift, in das Gebet und in die Feier der Liturgie. Es gilt das
Beten neu zu lernen und zu lehren. Zur Erneuerung des Glaubens gehört das Glaubenswissen.
Inmitten einer Bildungsgesellschaft ist es notwendig, dass Christen die großartige Gesamtgestalt
des christlichen Glaubens gut kennen, damit sie in der Begegnung mit anderen Religionen und
Lebensmodellen ernst genommen werden und bestehen können. Kirche soll in ihren
Grundvollzügen mit der Verkündigung und mit dem Zeugnis des Evangeliums, mit der Feier der
Sakramente, vor allem mit der Eucharistie, und mit der konkret gelebten Nächstenliebe vor Ort
gegenwärtig sein. Und Kirche ist nur Kirche im Sinne Jesu, wenn sie seine Sendung in der
Gegenwart lebt, wenn sie missionarisch ist.
Auf einem Weg in die Zukunft gilt es das Bewusstsein der je eigenen Berufung aller Getauften
zu wecken. Pfarrgemeinden sollen ihre seelsorgliche, geistliche und priesterliche Verantwortung
entdecken. Damit Kirche in Zukunft lebt, brauchen wir Priester, Diakone, Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter in der Seelsorge, der Caritas, Religionslehrerinnen und Religionslehrer. Wichtig wird
ein Leitungs- und Arbeitsstil sein, der von gegenseitiger Anerkennung geprägt sein soll und in
einer Kultur der Wertschätzung seinen Ausdruck findet.
Miteinander Zukunft gestalten. „Nehmt Neuland unter den Pflug.“ (Jer 4,3) Auch in Phasen
der Not braucht es den Blick nach vorne. Ich möchte unsere Veränderungen und Krisen als
Herausforderung und Chance verstehen. Sie stellen uns in die Entscheidung, uns neu im
Evangelium und im lebendigen Glauben an Jesus Christus zu verankern und uns auf die Mitte
des Glaubens an den dreieinen Gott zu besinnen.
Dass der Aufbruch auch mit Abschied verbunden sein wird und ist, soll nicht verschwiegen
werden. Die Umstellung der Seelsorge ist mit Trauerarbeit verbunden, die uns zukunftsfähig
machen soll. Die Wertschätzung gegenüber der Tradition, die Würdigung der Glaubensweisen
bisheriger Generationen ist nur dann echt, wenn der Glaube nicht ins Museum gestellt wird,
sondern von den Kinder und Jugendlichen in der je ihnen eigenen Form angenommen und gelebt
wird. Die Treue zum Evangelium ermöglicht es uns, neue Bedingungen und Herausforderungen
schöpferisch anzugehen. Und es braucht die Hand, die aussät. Im biblischen Bild vom Sämann
(Mk 4) zeigt sich eine Haltung, die bereit ist, alles einzusetzen, im Vertrauen auf eine gesunde
Erde und den Segen von oben, der die Saat wie von selbst wachsen lässt.
Ich bitte Sie, liebe Schwestern und Brüder, diese neue pastorale Herausforderung anzunehmen
und konstruktiv mitzugestalten. Dieses Anliegen erfordert ein hohes Maß an vertrauensvollem
Miteinander unter den Verantwortlichen in den Pfarren, Dekanaten und der Diözese. In diesem
Sinn erbitte ich uns allen für die kommenden Aufgaben Gottes gütiges Geleit, Gottes Geist und
seinen Segen. Gott führe uns durch die österlichen Geheimnisse hindurch zur Freude der
Auferstehung.
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