Maria und Joseph: Segen im Zwischenland 1 24.Dez. 2013; Pfr. B. Botschen Segen im Zwischenland 1. Maria und Joseph Kehren wir noch einmal zum Bibeltext aus der Lesung zurück (Lukas 2,1-14). Joseph und Maria machen sich auf den Weg von Nazareth nach Bethlehem. Nazareth liegt im Norden von Israel, damals hat man zu dieser Gegend Galiläa gesagt. Es liegt in der Nähe vom See Genezareth. Bethlehem dagegen liegt in der Nähe von Jerusalem, also sehr viel weiter südlich. Die Distanz zwischen diesen beiden Orten beträgt ungefähr 160 Kilometer. Hier haben jetzt die Mütter unter uns einen Vorteil: Denken Sie doch bitte an die Phase zurück, als sie hochschwanger waren, etwa ein bis drei Wochen vor dem Geburtstermin. Können Sie sich noch an den dicken Bauch erinnern? Vielleicht hatten Sie in den letzten Tagen vor der Geburt ihren Nestbautrieb und haben den gesamten Keller auf Hochglanz gebracht. Stellen Sie sich vor, in diesen Tagen kommt Ihr Mann zu Ihnen und sagt: „Ich hatte einen Traum von Gott. Wir müssen zu Fuss oder mit einem Esel eine Pilgerfahrt von 160 Kilometern machen!“ Das, was Maria mit ihrem Joseph erlebt, ist eigentlich schon schlimm genug. Aber es kommt noch schlimmer. Gehen wir vom Tag der Geburt noch ein paar Tage in die Zukunft. Da kommen die drei Weisen aus dem Morgenland und bringen Geschenke. Und dann passiert das: Matthäus 2,13-14 lesen. Ich kann mir das lebhaft vorstellen: Josef träumt und wird im Traum von Gott gewarnt. Er soll fliehen. Er wacht auf, steht auf, weckt Maria und sagt zu ihr: „Wir müssen nach Ägypten fliehen!“ Maria wacht auf und sagt: „Selbstverständlich. Ich habe ja nur gerade erst geboren, da drüben liegt ein neugeborenes Kind. Und nach Ägypten sind es ja auch nur 400 Kilometer. In wie viel Wochen wolltest du ungefähr aufbrechen?“ Beiden ist klar: Der Weg nach Ägypten führt durch gefährliche Wüsten und unsichere, wilde Gebirgsketten. Josef sagt: „Heute Nacht.“ Den Text kann man nur so verstehen, dass die beiden mitten in der Nacht aufstehen, ihre wenigen Habseligkeiten einpacken und sofort aufbrechen. Übrigens war die Reise und der lange Aufenthalt in Ägypten wohl nur möglich, weil Josef und Maria von den Weisen Gold geschenkt bekommen hatten. Warum lege ich so viel Wert auf diese schwierigen Umstände? Weil inmitten dieser Schwierigkeiten am Weihnachtsabend etwas Grosses passiert. Hier bricht sich der Segen von Gott Bahn. Die Weltgeschichte wird neu geschrieben. Etwas, was Milliarden von Menschen begleitet und trägt, findet hier seinen Anfang. Es ist ein Segen im Zwischenland. An diesen ersten Weihnachtstagen wäre es sicher schöner gewesen, eine richtige Herberge für die Geburt des Kindes zu haben. Davor war es schwierig. Danach auch. Aber Maria und Joseph sind Helden. Mit ihrem Vertrauen auf Gott erleben sie mitten im Schweren den Segen Gottes. 2. Wie leben im Zwischenland Wechseln wir von Maria und Joseph zu uns. Wie ist Weihnachten bei uns? Weihnachten kann wunderschön sein. Viele Menschen nehmen sich Zeit, um mit der Familie zusammen zu sein. Wenn heute alles für Sie gestimmt hat, umso schöner. Dann geniessen Sie diese Tage. Saugen Sie alles Schöne und Harmonische in sich auf. Nehmen Sie sich Zeit und danken Sie Gott für dieses Geschenk. Maria und Joseph: Segen im Zwischenland 2 24.Dez. 2013; Pfr. B. Botschen Zu Weihnachten ist unsere Sehnsucht nach Frieden und Harmonie besonders stark. Wann soll wir diesen Frieden erleben, wenn nicht dann? Aber interessanterweise hält sich die Bibel mit grossen Versprechen zu Friede und Harmonie zurück. Dort, wo es wirklich stimmt, wo Friede und Harmonie herrschen, das ist im Himmel. „Unsere Heimat ist im Himmel“, schreibt Paulus einmal (Phil.3,20). Was ist dann aber hier und jetzt? Wir erleben es während dem ganzen Jahr, aber an Weihnachten wird es manchmal noch deutlicher: Wir leben im Zwischenland. Weihnachten ist der Moment, an dem man an den Partner denkt, den man vor einigen Jahren verloren hat. Zu Weihnachten denkt man sich: Schön war es früher! Weihnachten ist der Moment, in dem einen bewusst wird, dass man nicht mehr mit allen Familienmitgliedern Kontakt hat. Weihnachten ist manchmal der Moment, in dem man sich denkt: Nicht einmal diesen einen Abend können wir so verbringen, dass wirklich alles stimmt! An Weihnachten geniesst man zwar die warme Stube und das Licht vom Christbaum – und doch ist es uns bewusster als an anderen Tagen, dass es hunderten Millionen von Menschen ganz anders geht. Weihnachten sollte Heimat sein, und ist doch oft nur Zwischenland. Damit ist Weihnachten ein Abbild für unser Leben. In den meisten Phasen meines Lebens könnte man mich nicht fragen „Läuft alles rund?“ sondern: „Was ist in deinem Leben gerade anspruchsvoll? Wo bist du gerade gefordert?“ Wir leben im Zwischenland und das heisst: Wir wünschen uns zwar Harmonie, eine heile Familie, Gesundheit und Glück. Aber unser Glück ist selten perfekt, es bleibt allzu oft unvollständig. 3. Der Segen im Zwischenland Trotzdem ist die Geschichte rund um die Geburt von Jesus ermutigend. Auch bei der Geburt von Jesus war vieles schwierig – und doch hat hier etwas Grosses begonnen. Wir können, ja wir sollen den Segen im Zwischenland erleben. Unser Leben muss nicht perfekt sein, bevor wir glücklich sein können! Gott kann uns segnen und wir können mit Freude durchs Leben gehen – auch wenn wir im Zwischenland leben! Ein paar Beispiele: Zu Weihnachten kann es so schwierige Momente geben, in denen Trauer hochkommen könnte und vielleicht sitzen Sie auch mit einem schweren Herzen hier. Aber ich lade Sie ein, diesen Gottesdienst, das Singen und Beten, diese Momente in Gottes Gegenwart, zu einem gesegneten Zwischenland zu machen. Jetzt ist der Moment, um Gott zu loben, dass er uns den Weg zu ihm frei gemacht hat. Jetzt kann niemand uns hindern, Gott zu begegnen und zu erleben, wie er vielleicht nicht Frieden in dieser Welt, aber doch Frieden in unserem Herzen schaffen kann. Gott segnet oft im Zwischenland. Haben Sie es noch nie erlebt, dass Gott jemanden, der nicht ganz einfach ist, gesegnet und gebraucht hat, um etwas Gutes zu bewirken? Ich habe früher oft den Satz gehört: „Gott kann dich nur gebrauchen, wenn du mehr oder weniger perfekt lebst.“ Ich glaube das nicht mehr. Denken Sie an den Mann zurück, der im vergangenen Monat so gefeiert worden ist: Nelson Mandela. Haben Sie gewusst, dass zuerst zwei seiner Ehen gescheitert und geschieden worden sind, bevor es mit der dritten Frau geklappt hat? Gott gebraucht Menschen denen das eine oder andere misslingt, und sie können trotz allem – mitten im Zwischenland – ganz viel Gutes bewirken. Wir leben auch die Beziehung zu Gott manchmal im Zwischenland. Wir wären so gerne eine starke und liebevolle Person. Ein Mensch, der keine Fehler macht. Der Gott liebt und der Beziehung zu ihm immer den ersten Platz gibt. Der sich nie lange mit Sorgen aufhält, sondern Gott in jedem Moment vertraut. Maria und Joseph: Segen im Zwischenland 3 24.Dez. 2013; Pfr. B. Botschen Ist das möglich? Mag sein. Aber es ist ganz sicher nicht immer so. Auch unser Glaube befindet sich oft im Zwischenland. Wir zweifeln, wir verzweifeln, wir machen uns Sorgen, wir geben Gott den zweiten, dritten oder vierten Platz. Aber Gott segnet auch im Zwischenland. Gott segnet uns auch dort, wo wir manchmal versagen. Gott kann seinen Frieden in uns hineinlegen, auch wenn wir es nicht verdient haben. Gott geht mit uns den Weg, auch wenn wir manchmal den Umweg wählen. Gott segnet auch im Zwischenland. Es braucht nur ein bisschen Vertrauen zu ihm, so wie Maria und Joseph Gott vertraut haben. Ich wünsche euch noch mehr Vertrauen, dass Gott mit euch geht. Vertrauen, dass Gott euch noch längst nicht aufgibt. Vertrauen, dass Gott euch segnen möchte, auch wenn ihr es nicht verdient. Noch mehr Vertrauen, dass Gott mitten in das Schwierige und Schmerzvolle hinein seine Freude hineinlegen kann. Vertrauen, dass sein Friede euch tragen kann, auch wenn euer Leben stürmisch verläuft. Wie sagt man so schön? „Gott kann auch auf krummen Linien gerade schreiben!“ Diese Welt und unser Leben ist ein Zwischenland. Im Zwischenland gibt es nur krumme Linien. Glauben wir, dass Gott auf den krummen Linien unseres Lebens gerade schreiben kann? Trauen wir ihm das zu? Wissen wir, dass wir keine heile Welt brauchen, um seinen Segen erleben zu können? Finden wir unser Glück auch dort, wo manches schwierig ist? Ich wünsche Ihnen, dass Sie ein grosses „Ja“ auf diese Frage finden. Nicht nur heute, am Weihnachtsabend. Sondern auch morgen, nächste Woche und im nächsten Jahr. Denn Gott hat es bei der Geburt von Jesus bewiesen: Er segnet im Zwischenland. AMEN.