Gebetsapostolat im Bistum Dresden-Meißen BETEND VERNETZT Ein herzliches Grüß Gott allen Leserinnen und Lesern! Dem Einen fällt es leichter, das richtige Wort zu finden, dem Anderen fällt es schwerer, das, was er denkt und fühlt, ins Wort zu bringen. Was in das Wort gefasst ist, lässt sich vermitteln. Menschen können sich im gesprochenen oder geschriebenen Wort wiederfinden. Öfters geht uns durch etwas, was wir gehört oder gelesen haben, ein Licht auf. Manchmal wiederum verschlägt es einem beim Hören oder Lesen die Sprache. Worte bringen auf den Weg, sie können einen Menschen lähmen, sie können verletzen und versöhnen. Immer verbirgt sich mehr hinter den Worten, als durch diese ausgedrückt werden kann. In Worten spiegelt sich das Leben wider. So fassettenreich wie das Leben ist, so verschieden sind die Worte. Die Nuancen der Worte reichen von banal über wissenswert und interessant bis anrührend und bewegend. In Worten klingen die Erfahrungen und Denkhorizonte derer nach, die sie sprechen oder schreiben. Existentielle Lebenserfahrungen reichen über das Handhabbare und Nachprüfbare hinaus. Sie bringen Menschen in Beziehung Betend vernetzt sein zu dem Geheimnis, das unser - mit dem Gott unseres Lebens Leben umfasst. Es scheint ihnen - mit den Beterinnen und Betern weltweit etwas von dem auf, was das - mit denen, für die wir beten Wunder und die Rätselhaftigkeit des Lebens umfängt. Wer diese Erfahrungen beschreibt, stößt an die Grenze dessen, was sich mit Worten ausdrücken lässt. Für die Beschreibung tiefer und wesentlicher Erfahrungen gibt es keine allgemeingültigen Kategorien. So hören sich die Schilderungen existentieller Erfahrungen oft merkwürdig, befremdend und verquer an. Und doch kann in ihnen etwas vom Geheimnis unseres Lebens aufscheinen. Begegnungen mit dem Geheimnis, das sich zu erkennen gibt - aber nicht fassen lässt - macht sicher jeder Mensch. Es ist eine Begegnung, die auch ohne Worte befreit, berührt, bewegt und trägt. November 2010 1. Drogenabhängige - Für die suchtkranken Menschen: Das Angebot christlicher Gemeinschaft verhelfe ihnen zu radikaler Änderung ihres Lebens. Jeder Mensch spürt den Hunger nach sinnvollem und erfülltem Leben in sich. Dieser Lebenshunger lässt sich mit drei Lebensthemen verknüpfen: Wurzeln zu schlagen (Besitz/Beheimatung), wachsen zu können (Freiheit/Macht) und einen Namen zu haben (Ansehen/Zuwendung). Mitten im Leben zu stehen und darin seinen Platz zu haben, ist nicht selbstverständlich. Wie viele Menschen erfahren schon früh mangelnde Zuwendung? Wie viele Menschen bleiben außen vor? Wie vielen Menschen wird das Ansehen verweigert? Wenn es sich bei diesen Lebensthemen um unausrottbare Urwünsche jedes Menschen handelt, was passiert dann, wenn diese permanent enttäuscht werden? Wie geht jemand damit um, dass er sich fremd fühlt in seiner Lebenswelt? Wie geht jemand damit um, dass er für sich nur wenige Lebenschancen ausmachen kann? Klar, viele Menschen verstehen, damit umzugehen und es wächst ihnen die Kraft zu, ihr Leben zu leben mit allen Höhen und Tiefen. Für andere wird die Last des Lebens so schwer, dass es ihnen schwer fällt, ihre Lebensumstände auszuhalten. Sie suchen nicht selten einen verkehrten Weg, um ihr Leben erträglicher zu machen. Einer der verkehrten Wege führt hin zur stoffgebundenen Abhängigkeit (bewusstseinsverändernde Substanzen, Aufputschmittel, Beruhigungsmittel, Nikotin, Alkohol, Medikamente) oder zu der das Verhalten betreffenden Abhängigkeit (Kaufsucht, Spielsucht, 2 Sexsucht, Glücksspiele, Computerspiele). Wie kann sich in schwierigen Lebenssituationen die Kraft aus dem Glauben als tragfähig erweisen? Es kommt darauf an, dass bei der religiösen Sozialisation ein Gottes- und Menschenbild zu Grunde gelegt wird, das dem ganzen Menschen gerecht wird, eben auch der Widersprüchlichkeit seiner Erfahrungen. Gott, den Nächsten und sich selbst zu lieben, heißt eben auch, die dunklen Seiten des Lebens zu durchleben und das Leben auch dann auszuhalten, wenn es sich als Zumutung darbietet. Harpe Kerkeling hat in seinem Buch „Ich bin dann mal weg…“, in dem er sein Erleben auf seiner Pilgerreise nach Santiago de Compostella beschreibt, treffende Worte für die ambivalenten Lebens- und Gotteserfahrungen gefunden: „Und wenn ich es Revue passieren lasse, hat Gott mich auf dem Weg andauernd in die Luft geworfen und wieder aufgefangen. Wir sind uns jeden Tag begegnet.“ ¹ Hoffentlich können viele Menschen unsere Gemeinden und kirchlichen Einrichtungen als Lebensorte erleben, in denen sich tief greifende Lebens- und Glaubenserfahrungen ereignen können. Die Zielstellung ist ja, dass Menschen ihre geschenkte Freiheit nicht verlieren sondern wiedergewinnen. Und wenn ein Mensch in den Bannkreis einer Abhängigkeit gerät, ist seine Freiheit gefährdet bzw. eingeschränkt. Zunächst soll der Blick für die Abhängigkeitserkrankungen geschärft werden. Der Begriff Abhängigkeit steht in der Medizin für das unabweisbare Verlangen nach bestimmten Stoffen oder Verhaltensformen, durch die ein kurzfristig befriedigender Erlebniszustand erreicht wird. Diesem Verlangen werden nach Verständnis der Weltgesundheitsorganisation die Kräfte des Verstandes untergeordnet. Es beeinträchtigt die freie Entfaltung einer Persönlichkeit und kann die sozialen Bindungen und die sozialen Chancen eines Individuums beeinträchtigen oder zerstören, was sehr häufig der Fall ist. Abhängigkeit wird von der WHO als Krankheit eingestuft und nicht als Willens- oder Charakterschwäche. Die WHO definiert Abhängigkeit als "einen seelischen, eventuell auch körperlichen Zustand, der dadurch charakterisiert ist, dass ein dringendes Verlangen oder unbezwingbares Bedürfnis besteht, sich die entsprechende Substanz fortgesetzt und periodisch zuzuführen." Aus dieser Zusammenfassung ergibt sich, dass es kein leichtes Unterfangen ist, Abhängigkeitserkrankte auf ihrem Weg aus der Abhängigkeit zu 3 begleiten. Es wird ihnen schwer fallen, Wege zu gehen, die sie neu auf den Weg der geschenkten Freiheit führen. Der Umgang mit Abhängigkeitserkrankten wird geprägt sein vom respektvollen Umgang mit ihnen. Sie sollen immer wieder erleben können, dass sie nicht abgeschrieben sind. So wird ihnen immer wieder eine Chance eingeräumt, ihren Platz im menschlichen Miteinander einzunehmen. Das Gebetsanliegen für suchtkranke Menschen kann darin bestehen, dass die in Abhängigkeit geratenen Menschen nicht fallen gelassen werden, sondern ihnen geholfen wird, Chancen zu ergreifen, die sie wieder zu der ihnen geschenkten Freiheit gelangen lassen. 2. Kontinentweite Mission - Für die Kirchen Lateinamerikas: Um das Gelingen ihrer missionarischen Initiative für den ganzen Kontinent. Katholiken machen derzeit noch den Großteil der Bevölkerung in Lateinamerika aus. Die protestantischen Kirchen fassten im 19. Jahrhundert durch europäische Einwanderer - darunter sehr viele Deutsche - auf dem Kontinent Fuß. Einwanderer aus dem Mittleren Osten und Südostasien schließlich brachten den Islam mit, der heute vor allem im karibischen Raum verbreitet ist. Durch asiatische Einwanderer kam auch der Buddhismus in die Region, und seit einigen Jahrzehnten finden die christlichen Pfingstkirchen immer mehr Anhänger. Innerhalb der katholischen Kirche bestehen zwei Tendenzen. Einerseits lassen Bischöfe und Priester nicht selten zu wenig kritische Distanz gegenüber den politischen Führungskräften erkennen. Andere unterstützten und begleiteten die Bemühungen des Volkes. Neben der katholischen Kirche, die in Lateinamerika noch immer mehrheitlich die "Option der Armen" vertritt, richten sich auch die so genannten "Sectas" oder "Evangelicos" und die Pfingstkirchen, die heute in Lateinamerika relativ großen Zulauf haben, an die Ausgegrenzten, an die Armen, an die Schwarzen, an die Indigenas. Dort, wo die katholische Kirche oder die Regierung den Armen keine Angebote macht, schließen sich diese Menschen den Evangelikalen an. Nicht nur bei ihrem Einsatz für die Armen steht die Kirche in Lateinamerika vor großen Herausforderungen. Tiefgreifende Veränderungsprozesse finden in diesen Jahrzehnten in Lateinamerika statt. Es gilt, die Veränderungen zu analysieren und sich auf die neuen Herausforderungen einzustellen. Damit muss die Besinnung auf die eigene Berufung verbunden sein. Der Ruf Gottes, 4 evangeliumsgemäß zu leben, muss je neu gehört werden. Die Freude und die Kraft aus dem Glauben muss immer neu verlebendigt werden. In der Folge wird das missionarische Bemühen der Christen auf dem südamerikanischen Kontinent gesegnet sein. Das Gebetsanliegen der Beterinnen und Beter für die Kirche auf dem südamerikanischen Kontinent kann darin bestehen, dass es den Verantwortlichen der Kirche gelingt, sich uneingeschränkt auf die Seite der Armen und Benachteiligten zu stellen und dass die reiche Tradition des kirchlichen Lebens in Südamerika erhalten bleibt. Dezember 2010 1. Mitgefühl mit Leidenden - Für alle von uns, die selbst Leid erfahren: Um mehr Verständnis für Menschen, die einsam, krank oder betagt sind, und deshalb unsere Hilfe suchen. Wer mag sie nicht, die lebensbejahenden Menschen? Stehen lebensbejahende Menschen nur auf der Sonnenseite des Lebens? Wohl nicht! Jedenfalls kenne ich viele Menschen, die trotz eigener Leiderfahrungen das Leben bejahen. Wer die dunklen Seiten des Lebens bejaht, vollzieht eine bewusste Entscheidung. Er verdrängt leidvolle Erfahrungen nicht, sondern räumt ihnen einen Platz im Leben ein. Er hält die damit verbundenen Belastungen, die sich einstellenden Zweifel und Fragen aus. Obwohl es keine passable Antwort auf die Frage nach dem Leid gibt, gelingt es Menschen, mit Leiderfahrungen umzugehen und diese in ihr Leben zu integrieren. Sie haben das Wissen des inneren Menschen, dass alles Leben auf Vollendung hin ausgelegt ist und dass die Vollendung uns in Zeit und Raum noch nicht gegeben ist. Eigene Leiderfahrung kann einen Menschen sensibel machen für das Leid anderer. Diese Sensibilität ermöglicht eine Art des Umgangs mit dem leidenden Menschen, die diesen Nähe, Verständnis und Verbundenheit spüren lässt. In dieser menschlichen Atmosphäre kann er aufatmen, kann er Mensch sein. Er spürt, dass heiles Leben auch dann möglich ist, wenn er nicht mehr in der Blüte seines Lebens steht. Es gelingt ihm Freude an dem zu haben, was er zunächst übersehen hatte. Er empfindet wieder Dankbarkeit für die vielen kleinen Dinge des Lebens. Er spürt, dass er nicht 5 abgeschrieben ist vom Leben. Er nimmt wahr, dass er mitten drin ist im Leben und dass ihm die Tür zum Leben in Fülle offen steht. Das Gebetsanliegen der Beterinnen und Beter in der Intention um Mitgefühl für die Leidenden kann darin bestehen, dass die in Notlagen geratenen Menschen und die Menschen, die Beschwernisse, Schmerz und Bedrängnis ertragen müssen, durch die Begegnung mit einfühlsamen Menschen wieder neuen Lebensmut, Kraft und Freude erlangen. 2. Weihnachten - Für die Völker der Erde: Sie mögen Christus und seiner Botschaft des Friedens, der Brüderlichkeit und der Gerechtigkeit ihre Tore öffnen. Im Johannesevangelium wird recht abstrakt vom Kommen Gottes in unsere Welt gesprochen: „Im Anfang war das Wort. Das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott selbst. Von Anfang an war es bei Gott. Alles wurde durch das Wort geschaffen, und nichts ist ohne das Wort geworden. Von ihm kam alles Leben, und sein Leben war das Licht für alle Menschen.“ Da ist ein Hörender, da sind Hörende. Da sind Menschen, die spüren dem nach, was sie hören. Sie suchen nach dem, was den Worten vorausgeht. Ihr Suchen setzt sich nicht nur mit dem Gegebenen auseinander, sondern sie versuchen zu ergründen und zu beschreiben, was alles Geschaffene umfasst. Sie verstehen sich als die ins Leben Gerufenen. Mit ihrem Leben wollen sie Antwort geben auf den Ruf, der an sie ergeht. Weil sie diesen Ruf in sich verspüren, haben sie die innere Gewissheit, dass es ein Geheimnis ihres Lebens gibt, das dem Ruf, den sie vernehmen, vorausgeht. Abgeleitet von dem inneren Wissen um dieses Gerufensein bekommt der Begriff Wort einen Bedeutungszusammenhang, der mit dem Wort Gott in enger Verbindung steht. Die Ansprache Gottes an den Menschen geschieht so unterschiedlich, wie verschieden Menschen sind. Immer geht es darum, Menschen für die Liebesgeschichte zu gewinnen, die seiner Absicht entspricht. Das Wort seiner Liebe zu uns Menschen ist in Jesus Christus unüberbietbar gegenwärtig. Er lebt vor, wie menschliches Leben gelingen kann. Dass dies überhaupt nicht einfach ist, lässt sich in den Schriften des Neuen Testamentes nachlesen und im Lauf der Kirchengeschichte nachverfolgen. Sich auf die Liebesgeschichte Gottes mit uns Menschen einzulassen, verlangt von 6 uns Demut und langen Atem. Demut wird uns abverlangt, weil wir unser Leben letztlich nicht aus eigenem Vermögen heraus im Griff haben können. Langer Atem ist notwendig, um die Fragwürdigkeiten des Lebens auszuhalten. Letzte Antworten auf die großen Fragen gibt es in Raum und Zeit nicht. Dies deshalb, weil das Leben über Raum und Zeit hinausreicht. Menschliches Leben gelingt nur, wenn Menschen für sich, für andere und für ihre Mitwelt Verantwortung übernehmen. Verantwortung zu übernehmen schließt ein, hinzuhören, was im Hier und Jetzt meinem Leben und dem Leben des anderen förderlich ist. Was dem Leben förderlich ist, fasst die zweite Gebetsintention im Dezember zusammen: Frieden, Brüderlichkeit und Gerechtigkeit. Wenn in den Völkern der Erde das Bestreben um ein gelingendes soziales Miteinander innerhalb der Gemeinschaft des Volkes, um nationale Identität und um einen fairen Interessenausgleich der Völker untereinander von dem Ringen um Frieden, Brüderlichkeit und Gerechtigkeit getragen ist, dann sind sie mitten dabei, Christus und seiner Botschaft des Friedens, der Brüderlichkeit und der Gerechtigkeit ihre Tore zu öffnen. Mit den Worten des folgenden Gebetes können die Beterin und der Beter in dieser Gebetsintention beten. Fundgrube Öffne dich, Himmel und regne herab Frieden und Gerechtigkeit Freude und Kraft Freundschaft und Liebe Öffne Dich, Himmel und verschlinge den Tod und die Tränen die Not und das Leiden Anton Rotzetter 7 Angenommen bin ich grundsätzlich und für immer Angenommen in meinem Dasein und in meinem Sosein Angenommen in meiner Schuld und in meinen Fehlern Angenommen in meiner Ohnmacht und in meiner Angst Angenommen in meiner Schwäche und in meiner Krankheit Angenommen in meiner Hinfälligkeit und in meinem Sterben Gott Ich möchte froh werden im Blick auf Deine Menschwerdung möchte glauben an meine Zukunft und an die Zukunft der Welt Anton Rotzetter Weitere Gebete und spirituelle Impulse finden Sie auf der Homepage unseres Bistums www.bistum-dresden-meissen.de in der Rubrik Spiritualität. Quellen 1 Hape Kerkeling, Ich bin dann mal weg: Meine Reise auf dem Jakobsweg Dieses Heft wird Ihnen gern kostenlos vom Bischöflichen Ordinariat zugeschickt. Bestellen können Sie es mit den im Impressum angegeben Daten. Herausgeber: Bistum Dresden-Meißen Redaktion: Pfr. i. R. Norbert Mothes, Louise-Seidler-Straße 25 01217 Dresden, 0351/4260755, [email protected] Heft 6/2010 8