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Ruhr- Universität Bochum
Historisches Institut
IPS: Staat und Religion
Neuzeit
Dr. Claudia Kraft
Sommersemester 2004
27.06.2004
Referatsverschriftlichung: Die Bedeutung des
Kanzelparagraphen während des Kulturkampfes
Im Deutschen Kaiserreich
Hubert- Biernat- Str. 12
59192 Bergkamen
Sommersemester 2004
Hanefi Delice
Geschichte
Politik
Bachelor
2. Sem./ 3. Sem.
Inhaltsverzeichnis
I.
Einleitung
II.
Einführung des Paragraphen
III.
IV.
V.
1.
Inhalt des Kanzelparagraphen
2.
Allgemeine Informationen
Anlass für den Kanzelparagraphen
1.
Die Begründung für den Erlass des Kanzelparagraphen
2.
Die Hintergründe des Kanzelparagraphen
Reaktion der Katholiken
Fazit
I.
Einleitung
Ich möchte hier nun über den Kanzelparagraphen informieren. Die Themen sind so gestellt:
Als erstes, steht unter Punkt I., die Einleitung . Dann habe ich, unter Punkt II., die Einführung
des Kanzelparagraphen. Erstens habe ich, zur besseren Verständnis, die Originalfassung
dargelegt und zweitens ist hier eine kurze Erläuterung des Paragraphen. Punkt III. ist auch
zweigegliedert. Hier habe ich die offizielle Begründung für den Erlass und dessen
Hintergründe , d.h. was die Politiker eigentlich mit der Einführung erreichen wollten,
dargestellt. Um es noch deutlicher zu machen, habe ich eine Rede, ungekürzt übernommen.
Unter Punkt IV. ist, wie es an dem Titel auch sieht, einige Reaktionen der Katholiken zu
sehen. Und zum Schluss ist ein Fazit ( Punkt V.), wo ich teils, die eigene Meinung und teils
eine kurze Zusammenfassung wiedergegeben habe. Zunächst ist zu erwähnen, dass der
Kanzelparagraph ein Produkt des Kulturkampfes ist, der das 19. Jahrhundert unter anderem
prägte, weil dieser Paragraph der erste von den Kulturkampfsgesetzen, am Ende des 19.
Jahrhunderts, im Deutschen Reich war. Dieser Kulturkampf hatte sich zwischen der
protestantischen Staatsführung unter der Führung des Reichskanzlers Fürst Otto von
Bismarck, den Nationalliberalen und bürgerlichen Liberalen auf der einen Seite und den
Katholiken im Deutschen Reich und auch dem Vatikan auf der anderen Seite zugetragen.
Später waren auch fast alle Katholiken im Deutschen Reich betroffen. Dem
Kanzelparagraphen (erstes Kulturkampfgesetz) folgten eine Reihe von Gesetzen2, welche die
Aktivitäten der Katholiken im Deutschen Reich beschränkten, in dem diese durch Gesetze
eingeschränkt wurden. Der Staat setzte sich über die katholische Kirche hinweg und
bestimmte mit den Gesetzen wie die katholischen Geistliche handeln sollten, in dem die
unbeliebten Personen abgelöst wurden oder kürzte einfach die finanzielle Unterstützung.
Dadurch hat sich der Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten zugespitzt.
II.
Die Einführung des Paragraphen
1. Inhalt des Kanzelparagraphen:
„ Ein Geistlicher oder anderer Religionsdiener, welcher in Ausübung oder in Veranlassung
der Ausübung seines Berufes öffentlich vor einer Menschenmenge, oder welcher in einer
1
Jesuitengesetz, Maigesetze, Expatriierungsgesetz, Gesetz über die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen,
Gesetz über die über die Vermögensverwaltung der katholischen Kirchengemeinden usw.
Kirche oder an einem anderen zu religiösen Versammlungen bestimmten Orte vor mehreren
Angelegenheiten des Staates in einer Weise zum Gegenstande einer Verkündigung oder
Erörterung macht, wird mit Gefängnis oder Festungshaft bis zu zwei Jahren bestraft.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedruckten Kaiserlichen
Insiegel.
Gegeben Berlin, den 10. Dezember 1871 Wilhelm, Fürst v. Bismarck.“2
2. Allgemeine Informationen:
Bei dem Kanzelparagraphen handelt es sich um den Paragraphen 130a, der hinter den
bestehenden Paragraph 130 des Strafgesetzbuches hinzugefügt wurde. Der Paragraph
bedeutet, dass der „Missbrauch der Kanzel“ zu bestrafen ist. Diejenigen, die sich nicht dran
halten, sollen laut dem Paragraph mit Gefängnis oder Festungshaft bis zu zwei Jahren bestraft
werden.
Der Kanzelparagraph wurde auf Antrag Bayerns, genauer gesagt des bayrischen
Kultusministers Johann von Lutz am 10. Dezember 1871 dem deutschen Strafgesetzbuch
eingefügt. Von Lutz beantragte am 19. November beim Bundesrat die Annahme3, am 23.
November folgte die Beratung über den Paragraphen im Reichstag und am 25. November
folgte die namentliche Abstimmung. Außer der Zentrumspartei, die geschlossen gegen den
Antrag stimmte, gab es 12 Gegenstimmen bei den Fortschrittlern. Bei den Nationalliberalen
gab es nur eine Gegenstimme. Der Abgeordnete Lasker war nämlich Jude. Es ist möglich ,
dass er deswegen dagegen stimmte, weil die Juden auch in der Minderheit waren und Lasker
die Situation nachvollziehen konnte . Außerdem steht im Gesetzesentwurf nichts davon, dass
nur katholische Geistliche davon betroffen sind. Es könnten auch jüdische Geistliche oder
Religionsgelehrte sein. Später folgte am 26. Februar 1876 eine Verschärfung des
Kanzelparagraphen.4
2
Zitiert nach: Vom Bruch, Rüdiger (Hg.): Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung, Bd. 8, Stuttgart
2000, S. 45.
3
Nur Sachsen und Mecklenburg widersprachen dem Gesetzentwurf.
4
Da in den meisten Quellen nur der Kanzelparagraph von 1871 behandelt wurde und die Verschärfung von 1876
nur nebenbei erwähnt wurde, kann ich nichts näheres darüber sagen.
III.
Anlass für den Kanzelparagraphen
1. Die Begründung für den Erlass des Kanzelparagraphen:
Die Begründung für den Kanzelparagraphen seitens Bismarck und Gleichgesinnten, d.h.
Staatsfunktionäre und Politiker die gegen die katholische Kirche waren, war die Trennung
von Religion und Politik. Genauer gesagt wurde beabsichtigt dem, „religiösen Kultus
strikt von politischen Willensbekundungen zu trennen“5.
Das erste Vatikanische Konzil hatte im Jahre 1870 ein Dogma verkündet. Darin war der
Papst als unfehlbar dargestellt. Viele deutsche Katholiken waren gegen dieses Dogma. Die
Folge war die Abspaltung des katholischen Bayerns von der katholischen Kirche. Denn
die Katholiken standen für traditionell, religiöse Werte und lehnten das Dogma der
Unfehlbarkeit des Papstes ab. Die Gegner des Dogmas bezeichnete man als Altkatholiken.
Dies führte zu Konflikten zwischen Altkatholiken und Vertreter der Kirche6. Vatikan
wollte die Gegner von den kirchlichen Institutionen ausschließen. Obwohl viele
Katholiken v.a. Altkatholiken, gegen das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes
waren, verkündeten es die katholischen Geistlichen von ihrer Kanzel aus.
Genau dieser Konflikt diente Bismarck und seiner preußischen Machtelite, v.a.
Nationalliberale, bürgerliche Liberale usw., die, die Kirche in den Staat einzuordnen
wollten, als äußerer Anlass für die Einführung des Kanzelparagraphen. Sie meinten, dass
der Entwurf für den Kanzelparagraphen wurde aufgrund der „maßlosen Agitation, welche
die Regierung von Seiten des Klerus und zwar vor allem durch die Kanzelvorträge
desselben zu beklagen“7 notwendig geworden sei.
2. Die Hintergründe des Kanzelparagraphen
Schon die Beobachtung, dass der Kanzelparagraph die freudige Zustimmung Bismarcks und
der protestantischen Nationalliberalen fand, lässt erahnen, dass diese etwas Anderes im Sinne
hatten. Es war für alle Beteiligten mehr als der äußere Anlass da. Bismarck hat den Konflikt
zwischen dem Vatikan, seinen Befürwortern im Deutschen Reich einerseits und den
5
Vom Bruch: Deutsche Geschichte..., S. 44.
Als Beispiel ist der Konflikt zwischen dem Bischof Krementz von Ermland und dem altkatholischen Professor
Michelis sowie den Religionslehrer Wollmann. Als der Bischof dem Religionslehrer die Erteilung des
Religionsunterrichts untersagte, wurde ihm seitens der Regierung die staatlichen Finanzmittel entzogen. Ein
anderer Fall, in den sich der Staat einmischte, trat in Köln ein. Dabei wurde der katholische Feldpropst als
„Militärbeamter“ wegen Ungehorsams gegen „dienstliche Anordnung“ staatlich suspendiert.
7
Zitiert nach: Bachem, Karl: Vorgeschichte, Geschichte und Politik der Deutschen Zentrumspartei, Bd. 3, Köln
1927, S. 241.
6
deutschen Altkatholiken andererseits auch deshalb genutzt, um die bürgerlich – Liberalen an
sich zu binden. Bismarck hatte zu dieser Zeit keine eindeutige Regierungs-mehrheit und war
auf die Unterstützung der bürgerlich – Liberalen angewiesen.
Den bayerischen Kultusminister Lutz ging es darum, der katholischen Kirche zu zeigen, wer
Herr im Staat ist und ein Bollwerk gegen diese zu errichten. In seiner Begründung für den
Paragraphen, sagte er: “Wenn ich zur Hauptsache selbst übergehen will, so bezeichne ich den
Kern der Sache, um den es sich handelt, damit, dass es sich fragt, wer Herr im Staate sein soll,
die Regierung oder die römische Kirche. Kein Staatswesen hat Bestand, in welchen zwei
Regierungen nebeneinander bestehen, noch viel weniger dann, wenn die beiden Regierungen
sich untereinander bekriegen, wenn die eine Regierung Dinge empfiehlt und durchzuführen
versucht, welche die andere Regierung als verwerflich bezeichnet.
In einem solchen Staatswesen muss notwendig alle Autorität zugrunde gehen. Besser keine
Regierung in einem Lande als deren zwei. Ein solcher Zustand wie derjenige, von dem ich
mir soeben zu sprechen erlaubte, findet sich aber sehr leicht in denjenigen Staaten, deren
Bevölkerung der Mehrheit nach, wenn auch nur vorübergehend, den Einflüssen der römischen
Kirche preisgegeben ist. Im übrigen gebe ich zu, ein Universalheilmittel ist der von uns
vorgeschlagene Gesetzesentwurf nicht; er ist nur ein Bollwerk, welchem bei Revision des
Staatskirchenrechtes wie ich mir die Sache denke, andere folgen müssen.“8 Hier gibt er schon, mit
Bollwerk und mit andere Gesetze müssten folgen, den Hinweis zu späteren
Kulturkampfgesetzen.
Ein Augsburger Abgeordneter, der Fischer hieß, meinte, das Dogma der Unfehlbarkeit des
Papstes zeige das Bestreben den alten Gott im Himmel zum Statthalter des Papstes im
Himmel abzuwerten. Gleichzeitig nannte er die Zentrumspartei eine „kosmopolitisch –
revolutionäre“ Partei9. Als Anspielung auf die gescheiterte Revolution von 1848/1849. Damit
wollte er die Zentrumspartei, genau wie die revolutionären Gruppierungen von 1848/1849, als
eine Gefahr für die Monarchie darstellen, die eine Revolution anstreben würde. Der spätere
Gesandte Bismarcks am Vatikan, der Fürst Chlodwig Hohenlohe meinte, dass man die
„Ultramontanen“ aus ihrer defensiven Haltung herausbringt.10 Damit wollte er diese, als die
angreifende Seite darstellen und jede Schuld von der Staatsführung, Eliten usw. abweisen.
Trotzdem gab es auch Fälle in denen der Kanzelparagraph nicht ganz unbegründet schien. In
Bayern wurden Missgriffe, d.h. Kritiken, gegen die Regierung nicht vermieden. Zum Beispiel
8
Zitiert nach: Bachem: Vorgeschichte..., S. 241-242.
Ebd.
10
Ebd., S. 243.
9
wurde in Niederbayern, ein Geistlicher dafür bestraft, der gesagt haben soll: “Wenn Gott will
eine Stadt strafen, so gibt er ihr einen versoffenen Bürgermeister und einen liederlichen
Pfarrer; wenn er aber will ein Land strafen, dann gibt er ihm ein Kind zum König und
Minister, die Lausbuben sind.“11. Obwohl diese Rede als keine Rechtfertigung für den
Kanzelparagraphen gelten würde, zeigt es, dass die Geistlichen, bei ihrer Kritik auch weit
gehen könnten.
IV.
Reaktion der Katholiken
Die Reaktion der Katholiken ging vom passiven Wiederstand bis zu gewaltsamen Übergriffen
wie Beschimpfungen etc., auf die Repräsentanten der Kulturkampfpolitik. Diese Reaktionen
waren nicht speziell gegen den Kanzelparagraphen, sondern allgemein gegen die
Kulturkampfgesetze und dauerten während dieser ganzen Zeit.
Vielmehr waren es traditionelle Kult- und Frömmigkeitsformen, die, die Bedeutung von
politischen Demonstrationen erlangten. Diese Kult- und Frömmigkeitsformen, die zum
passiven Wiederstand zählten, waren u.a. die Wiederbelebung marianischer Frömmigkeit,
Heiligenverehrungen, Aufschwung der Papstverehrung, Wallfahrten, Bußtage wurden
Symbole des passiven Wiederstands. Diese dienten auch die katholischen Massen, organisiert,
zu mobilisieren.
All diese Formen steigerten die Religiosität unter den Katholiken.12
V.
Fazit
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Kanzelparagraph, für die damalige Zeit
nutzlos und überflüssig war, weil es zu dieser Zeit nie angewendet wurde. Dies galt auch nach
der verschärften Form 1876. Mit Karl Bachems Worten13 war er ein Schlag ins Wasser. Auch
der erwähnte Pfarrer wurde nicht aufgrund des Kanzelparagraphs, sondern wegen Beleidigung
bestraft. Obwohl der Kanzelparagaph überflüssig war, wurde es nicht aus dem
Strafgesetzbuch gestrichen. Obwohl es nicht angewendet wurde, könnte es vorkommen, dass
ein Anderer, der an die Macht kommt, den Paragraphen, gegen die Menschen, benutzen
könnte. Dafür gibt es in der Geschichte genügende Beispiele.
11
Ebd.
z.B. stiegen die Zahlen der Wallfahrtsteilnehmer.
13
Ebd. S. 243-244.
12
Literatur:
Vom Bruch, Rüdiger (Hg.): Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung, Bd. 8, Stuttgart 2000, S. 44-45.
Loth, Wilfried: Das Kaiserreich, München 1996, S. 53-56.
Föhles, Eleonore: Kulturkampf und katholisches Milieu 1866-1890, Geldern 1995, S. 221.
Bachem, Karl: Vorgeschichte, Geschichte und Politik der Deutschen Zentrumspartei, Bd. 3, Köln 1927, S. 240244.
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