Seminar „Rom im Mittelalter“ Das Rom der Pilger Das Rom der Pilger Einleitung Pilgerwesen im Mittelalter – die mittelalterliche Frömmigkeit (Kathrin Schlegel) Heiligen- und Reliquienkult (Markus Schütz) Die Reiseumstände und -vorbereitungen eines Pil-gers auf dem Weg nach Rom (Meik Auth) Die Kirchen der Stadt Rom in den historia et discriptio (Oliver Schmidt) Zusammenfassung Seite 1 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ Das Rom der Pilger – Einleitung Im 5. Jahrhundert befand sich überall in Westeuropa der Christliche Glaube im Aufwind. Als im Jahr 640 Jerusalem von Muslimen erobert wurde bot nur noch Rom den sicheren Zugang zu heiligen Stätten. Der Papst wurde zum Herrscher Roms und fand in den Gräbern der Apostel und Märtyrer natürliche Ressourcen. Schon bald nahmen Tausende von Pilgern aus ganz Europa den beschwerlichen Weg auf sich. Gerade die Christen aus dem Norden verehrten den Heiligen Petrus. Sie erhofften sich hier die Erlösung von ihren Sünden. Die oftmals nur mit dem Nötigsten ausgerüsteten Pilger nahmen eine lange und entbehrungsreiche Reise auf sich. Das Land, welches sie durchquerten war ihnen oftmals völlig fremd. Einige wurden auf dem Weg überfallen andere kamen nie an. Um den langen und schwierigen Weg zu Trotzen trafen die Pilger einige Vorbereitungen. Da diese Reise oft sehr lange dauern konnte, machten viele Pilger vor ihrem Aufbruch erst ihr Testament. Auf den Pilgerwegen konnten die Romwallfahrer aber auch einige Hilfe finden. Eine der bedeutendsten Pilgerwege war die Via Francigena. So fanden sich auf dem gesamten Weg Herbergen, Hospitäler oder Klöster in denen die Reisenden eine Herberge entdeckten. Zum Schutz vor Räubern traten viele diesen Weg gemeinsam an. So wurden Bruderschaften geschlossen, zudem gab es auch Bestimmungen, welche dem der Sicherheit dienen sollte. Rom wurde so wieder zu einer Welthauptstadt, die der gläubigen Christen. Kamen die Wallfahrer in Rom an, mussten sie wohl von der Größe und den vielen Kirchen der Stadt völlig überwältigt gewesen sein. In Rom selbst entstand bald eine gut organisierte Struktur und so entstand auch der Bedarf an Pilgerführern. Während der Höhepunkte der Pilgerströme gab es eine ganze Reihe von verschiedenen Pilgerführern. Diese wurden anfangs noch mit der Hand geschrieben. Doch der Buchdruck führte auch hier zu einem Aufschwung. Immer mehr Pilgerführer wurden gedruckt. Mit der Zeit wurden diese Bücher ausführlicher und erschienen in den Sprachen aller christlichen Länder. In ihnen wurden den Reisenden die Geschichte Roms und die Christliche Weltherrschaft näher gebracht. Doch vor allem führten sie die Pilger zu den Hauptkirchen der Stadt. Anfangs waren dies nur die Apostelkirchen S. Petrie in Vatikano und S. Paul extra Muros. Mit der Zeit kam es zu einer folge von sieben Hauptkirchen, in denen Ablässe für mehrere hundert Jahre erbeten werden konnten. Interessant ist die Bedeutung und Wirkung welche diese Pilgerführer für die Stadt hatten. Seite 2 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ Mit diesen Pilgerströmen entwickelten sich schließlich eigene Wirtschaftzweige. Diese wurden zu einem wichtigen Faktor, die Arbeitsplätze boten und für Rom den eigentlichen Aufschwung bedeuteten. Dementsprechend kann die Bedeutung des Pilgerwesens für die Stadt Rom und deren Einwohner sehr unterschiedlich gewesen sein. In religiöser sowie wirtschaftlicher Sichtweise. Ebenso interessant ist hierbei auch die Nutzung neue Medien und Techniken, welche die Pilgerführer zu modernen Reiseführer machten. Seite 3 Seminar „Rom im Mittelalter“ Das Rom der Pilger Pilgerwesen im Mittelalter – die mittelalterliche Frömmigkeit Kathrin Schlegel 1. Einleitung „Pilgern heißt also damals auch, sich des Lebens zu freuen. Der mittelalterliche Pilger ist kein frommer, verklemmter Mann, der nur auf den Knien rutscht, sondern er genießt das, was diese schwierige Pilgerzeit ihm bietet, in jeder Hinsicht und in vollen Zügen.“ 1 Ludwig Schmugge entwickelt in seinem Aufsatz «Jerusalem, Rom und Santiago – Fernpilgerziele im Mittelalter» ein differenziertes und stark variierendes Bild des mittelalterlichen Pilgers. Die weit verbreitete Auffassung, dass der Pilger einsam und stets gesittet seine tägliche Wegstrecke zurücklegte und sich während seiner Reise nur außergewöhnlichen, überirdischen Erkenntnissen verschrieben hatte, widerruft Schmugge. Er kontrastiert die Überlieferung eines armen Pilgers, der die Pilgerreise unternahm, um zu einem religiösen Leben umzukehren, und den Stil einer Wallfahrt nach Jerusalem aus dem Jahr 1519, an der fast 200 Schweizer teilnahmen2. Die Männer seien teilweise namentlich bekannt und entstammten der Führungsschicht der damaligen Schweiz. Schmugge folgend, konsumierten die Pilger an Bord der Galeeren regelmäßig eine Menge Wein und genossen die Überfahrt wie nur irgend möglich. Nachdem die Pilger das Heilige Land erreicht und die schwierigen Zollformalitäten mit den muslimischen Kontrolleuren überstanden hatten, seien sie emotional tief bewegt gewesen und alle in Tränen ausgebrochen. Die Gefahren und Mühen der Reise hätten alle Männer gezeichnet, was für uns heute kaum mehr nachvollziehbar sei. Auch die britische Forscherin Debra J. Birch verzeichnet in ihrem Buch «Pilgrimage To Rome in the Middle Ages» ein verschiedenartiges Bild der mittelalterlichen Frömmigkeit. Birch hebt bereits in der Einleitung besonders hervor, dass man sich heutzutage eine Pilgerreise nicht nur als reine Pflichterfüllung vorstellen kann, sondern eine Wallfahrt zur Festigung des religiösen Glaubens beitragen sollte, vor allem natürlich zur individuellen Reinigung des Pilgers von seinen Sünden. Jeder sollte sich tief besinnen und umkehren zu einem sittlicheren Leben. „For the majority of Christians the undertaking of such a journey 1 2 Schmugge, S.25f. Vgl. Schmugge S.23ff. Seite 4 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ never developed into a duty or an obligation. […], for the majority pilgrimage is probably best understood as a manifestation of popular religious enthusiasm.”3 Die Autorin hält fest, dass schon Predigten aus der Mitte des 13. Jahrhunderts von dem damals sehr bekannten Jacques de Vitry kritischen Inhalt zu den derartig verschieden durchgeführten Wallfahrten enthalten4. Der Geistliche argumentierte an die Gläubigen in eindrucksvoller Sprache, dass die Pilgerreise keinen Nutzen bringe, wenn der Pilger nicht bereit sei, Jesus direkt nachzufolgen. Jeder müsse sich folglich damit auseinandersetzen, dass er vollkommen arm und schutzlos reisen werde. Der Pilger müsse harte körperliche und seelische Qualen während der gesamten Reise auf sich nehmen und jeder Form des Luxus absprechen, um zu wirklicher und heilbringender Erleuchtung zu gelangen. Im Hauptteil sollen das facettenreiche mittelalterliche Pilgerwesen und die Quellenlage näher beschrieben werden. Anschließend folgen Begriffsbestimmungen und Erläuterungen von zentralen theologischen Begriffen des Mittelalters: Heiligen- und Reliquienverehrung und Ablasshandel. Zum Schluss wird Rom als Pilgerziel kurz vorgestellt. Während der Ausarbeitung und im Schlussteil wird eingeschränkt auf das vorliegende Einzelthema der Frage nachgegangen, warum Rom als Pilgerziel im Mittelalter eine herausragende Position eingenommen hat. 2. Hauptteil 2.1. Mittelalterliches Pilgerwesen Religiöse Mobilität ist ein altes Phänomen, das eine „anthropologische Konstanze“5 in der Geschichte aufweist. Das fromme Reisen zu einem besonders heiligen Ort zeichnet nicht nur die christliche Religion aus, sondern ist gleichwertig in allen anderen Hoch- und Weltreligionen anzutreffen. Das christliche Phänomen erklärt sich einerseits daher, dass der Mensch als Wanderer von der Erde zum Himmelreich hin verstanden wird. Das ganze Leben umfasst eine Pilgerfahrt zur Seligkeit. Andererseits kommt zur Begründung der mittelalterlichen Wallfahrt ein zweiter, ungemein wichtiger Punkt hinzu: der Märtyrer- und Heiligenkult, welchem während der gesamten Epoche des Mittelalters stets enorm große Bedeutung beigemessen wurde und welcher den Pilgerreisen sowohl ihr theologisches, als auch die Volksfrömmigkeit beförderndes Fundament gab. 3 Birch, S.2. Vgl. Birch, S.3f. 5 Schmugge, S.11. 4 Seite 5 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ Die Verehrung der Heiligen war in der gesamten mittelalterlichen Bevölkerung populär und diente jedem Einzelnen ganz individuell, sowie der Gemeinschaft der Gläubigen insgesamt auf verschiedene Weise gerade in Notsituationen. Im Zentrum des christlichen Glaubens und zu Beginn der Geschichte der christlichen Wallfahrt steht das Paradoxon des leeren Grabes Christi in Jerusalem. Jerusalem und Umgebung sind seit der Gründung des Christentums die ersten und wichtigsten Pilgerorte, da dort Jesus sowohl historisch, als auch spirituell gewirkt hat und so seine Nähe und sein Geist am besten aufgefasst werden könnten. Zudem ist es für gläubige Christen, die Jesus unmittelbar nachfolgen wollen, unausweichlich, seine Spuren gerade im Heiligen Land aufzusuchen. Seit der Heiligen- und Märtyrerkult sich rasch verbreitete, traten zwei weitere - heute noch als die beiden großen Pilgerorte nach Jerusalem bekannt - in den Vordergrund: Rom und Santiago de Compostela. Die Lebensgeschichten der Heiligen wurden erforscht und weit verbreitet, sodass vielen Menschen die Wunder, die sich an den Gräbern der Märtyrer ereignet haben sollen, bekannt waren und sie sie nachzuvollziehen wünschten. In Rom werden die Apostel Petrus und Paulus verehrt; in Santiago de Compostela liegt Jakobus der Ältere, einer der drei vertrautesten Jünger Jesu begraben. Fernpilgerfahrten sind auch heute in Europa wieder sehr aktuell. Santiago wird enthusiastisch von vielen Menschen zu Fuß oder Pferd angestrebt, um genauso wie die mittelalterlichen Pilger auf einer längeren, von der industrialisierten Zivilisation und ihren Möglichkeiten des Reisens weitgehend abgeschirmten Wanderung dem Heiligen zu begegnen und das Göttliche direkt zu erfahren. Heute wünschen viele Menschen, sich selbst näher zu kommen und die eigene Person unmittelbar zu erfahren. Eine Wallfahrt bedeutet ein ganz individuelles Erlebnis der persönlichen Grenzerfahrung und -überschreitung. Wie bei Birch und Miedema gekennzeichnet wird auch seit Beginn des 21. Jahrhunderts vermehrt an den römischen Pilgerführern des 14., 15. und frühen 16. Jahrhunderts geforscht 6, welche bisher nur unzureichend untersucht worden seien. Birch weist besonders auf die schwierige mittelalterliche Quellenlage hin und stellt heraus, dass es nur möglich ist, sich einen Einblick in das mittelalterliche Pilgerwesen zu verschaffen, indem viele verschiedene schriftliche und bildliche Quellen studiert werden, die noch dazu von den Überlieferungen über die Kreuzzüge getrennt werden müssen.7 Als eine zentrale Quelle zur Heiligen- und Reliquienverehrung erscheinen die «Mirabilia Romae vel potius Historia et descriptio urbis Romae», die neben einer geschichtlichen Einleitung über die Gründung 6 7 Vgl. Miedema: Rompilgerführer, S.3f. Vgl. Birch, S.8ff. Seite 6 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ Roms, die ersten Könige und Kaiser auch die selbstständig überlieferten und für das Thema wesentlichen «Indulgentiae ecclesiarum urbis Romae» und «Stationes ecclesiarum urbis Romae» enthalten. Die erst im späten 15. Jahrhundert editierten «Historia et descriptio» enthalten Holzschnitte mit Abbildungen der Heiligen, denen die sieben Hauptkirchen geweiht sind. Die «Indulgentiae» ergeben für das mittelalterliche Pilgerwesen die meisten Quellen; hier sind die Kirchen Roms mit ihren Reliquien und Ablässen verzeichnet. Der Text ist selbstständig bereits in einer Handschrift aus dem 12. Jahrhundert überliefert, erreichte allerdings erst im 14. Jahrhundert einige Breite. Die Überlieferung ist nicht einheitlich. Umfang und Inhalt variieren erheblich. Die «Stationes» sind ein kalenderähnliches Verzeichnis, in dem nachgeschlagen werden konnte, welche römische Kirche an welchem Tag im Jahr Stationskirche war. Das bedeutete, dass dort die Hauptmesse gelesen wurde; es wurden keine Erwerbsmöglichkeiten von Ablässen aufgeführt. Die Überlieferung entstammt bereits dem 8. Jahrhundert, ihr Schwerpunkt liegt im 14. und 15. Jahrhundert. 2.2. Heiligen- und Reliquienverehrung sowie Ablasshandel Nach diesem Einführenden über Pilgerwesen im Mittelalter und die mittelalterliche Frömmigkeit folgt nun eine kurze Analyse der bereits verwendeten Begriffe Heiligen- und Reliquienkult sowie Ablass/Ablasshandel. Aufgrund der Begriffserläuterungen wird ein grober Einblick in Teile der mittelalterlichen Theologie möglich: der persönliche, unerschütterte Glaube der Menschen an die Heiligen und Wunder lockte viele auf eine Pilgerreise, jedoch im Hoch- und Spätmittelalter verpflichteten die verhängten Generalablässe die Gläubigen zum Pilgern. Als Heiliger oder Märtyrer gilt in der katholischen Kirche ein Christ, der sein Leben für den Glauben hingibt, der durch seinen Tod im Vorgriff auf den Jüngsten Tag und das Jüngste Gericht der sofortigen Anschauung Gottes teilhaftig geworden ist.8 Der Heilige befindet sich nach christlicher Auffassung auch nach seinem Tod noch auf Erden und kann somit als Mittler zwischen den Menschen und den Heiligen, die sich bereits in Gottes Gemeinschaft befinden, fungieren. Aus diesem Grund wurden die Heiligen- und Märtyrergräber neben dem Grab Christi in Jerusalem Orte einer besonderen Verehrung. Noch heutzutage ist es in der katholischen Kirche vorgeschrieben, bevor ein außergewöhnlicher Mensch kanonisiert werden kann, dass er über beschützende und heilende Fähigkeiten im strengen Sinn des christlichen Glaubens verfügt oder sich an den Gräbern Wunder ereignen. 8 Vgl. Schmugge, S.12. Seite 7 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ Die Verehrung der Heiligen ist seit Beginn des Christentums nachweisbar und kann als wichtigstes Zeichen für die mittelalterliche Frömmigkeit angesehen werden. Im frühen Christentum galt Gott als heilig und alle Gläubigen hatten daran durch ihren Glauben Anteil. Später wurde die Heiligkeit auf einzelne, Gott besonders Nahe übertragen: Jesus Christus, dann auch die Apostel und Märtyrer. Anlehnend an die Bibel bewirkte Gott Wunder durch seine Heiligen und diese Funktion des Vermittlers der Macht und Liebe Gottes setzte sich auch nach dem Tod des Heiligen fort. Aus den «Indulgentiae» gehen verschiedene Beispiele hervor, die auch Maria als barmherzige Beschützerin aller Gläubigen beschreiben. Die Vorstellung, dass neben Christus und Maria die Heiligen als Fürbitter zwischen Gott und dem Menschen auftreten konnten, war weit verbreitet.9 Die Heiligen übernahmen in der mittelalterlichen Theologie die Rolle des Helfers, Heilers und Beschützers, was von Bedeutung für die Reliquienverehrung ist. Aus dem mittelalterlichen Gedanken der Identität des irdischen und des auferstandenen Leibes konnte den Grabstätten der Märtyrer Ehre zuteil werden. In Rom wurde bezüglich der Translation der Heiligen lange Zurückhaltung ausgeübt, was aus den Schriften des Papstes Gregor des Großen (590- 604) hervorgeht.10 Zur Entstehungszeit der «Indulgentiae» war die Teilung der Reliquien bereits selbstverständlich und schien ab dem 10. Jahrhundert allmählich üblich geworden zu sein. Die Päpste in Rom dagegen lehnten es nachdrücklich ab, Teile der Apostelreliquien an andere Städte zu verschenken, wohingegen die Katakomben Roms zur Zentrale des Reliquienhandels wurden.11 Im Spätmittelalter wiesen neben Kirchen und Klöstern auch Privatpersonen eine Sammlung an Reliquien auf. Die mittelalterlichen Menschen neigten immer mehr dazu, auf die Unterstützung mehrerer Heiliger zu setzen, was dazu führte, dass die Kirchen untereinander um möglichst viele Reliquien konkurrierten und auch Sekundärreliquien wie Kleidungsstücke und von Märtyrern berührte Gegenstände verehrt wurden. Es wurde nötig, die Echtheit der Reliquien durch autoritäre Personen, vor allem den Papst, beglaubigen zu lassen. Die Gläubigen schätzten den Wert dieser heiligen Gegenstände im gesamten Mittelalter unvorstellbar hoch ein und entfernten sich dabei immer weiter von Gott. Bereits seit dem frühen Christentum wurde die Verehrung der Heiligen problematisiert und damit auch die Wallfahrten kritisch beleuchtet. Die Hauptgegenargumente belaufen sich auf die Veräußerlichung der Verehrung der Heiligen, die Abbilder der Märtyrer wurden teilweise mehr verehrt als die Persönlichkeiten selbst, und den Mangel an innerer Einkehr. 9 Vgl. Miedema: Rompilgerführer, S.347. Vgl. Miedema: Rompilgerführer, S.351. 11 Vgl. Schmugge, S.14. 10 Seite 8 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ In der mittelalterlichen theologischen Auffassung fällt ein Widerspruch auf: einerseits waren sich die Menschen gewiss, dass sie durch Bereuung der Sünden und Verehrung der Heiligen auf den Beistand bei ihrer Erlösung hoffen durften; andererseits gab es keine Heilsicherheit. Aus diesem Grund übertrafen sich die Gläubigen in ihrem richtigen Verhalten, um die heilswirksame Unterstützung der Märtyrer zu erlangen. Die Anzahl und Art der Gebete und Geldopfer übertrafen fast die Möglichkeiten der einzelnen Gläubigen. Dieser Gesichtspunkt kann direkt angeknüpft werden an die Kopplung der Heiligenverehrung und der Wallfahrt an den Erwerb von Ablässen, was auch in den «Indulgentiae» thematisiert wurde.12 Allein die römische Kirche war befugt, Ablass zu erteilen und dem einzelnen mitzuteilen, wie der Ablass erworben werden konnte und wie viel Buße notwendig war, um die begangenen Sünden auszugleichen. Ursprünglich bedeutet Ablass den Nachlass einer zeitlichen Strafe für Sünden, die hinsichtlich der Schuld bereits im Bußsakrament getilgt sind. Gestalt und Form des Ablasses wuchsen aus dem doppelten Stamm der altkirchlichen Absolutionen und der bußdisziplinären Kommutationen, einer Form „Tauschgeschäft“, zusammen. Mittelalterliche Sakramente enthalten vielfältig Gebet und Fürbitte um Vergebung und Nachlass der Schuld. Der Nachlass wird von der kirchlichen Autorität (dem Papst ab dem 12. Jahrhundert; Bischöfen als Almosenablässe zugunsten äußerer kirchlicher Bedürfnisse) in Anlehnung an die Gnade Christi und der Heiligen gewährt: für die Lebenden durch Lossprechung, für die Verstorbenen in der Weise der Fürbitten. Die Ablassprivilegien begnügten sich mit einem Erlass von 20 oder 40 Tagen Buße13. Die Ablässe sind historisch aus verschiedenen Momenten entsprungen. Der Beginn scheint im 11. Jahrhundert in Frankreich zu liegen. Ein wichtiges Motiv der Kreuzfahrer war der Lohngedanke des Kreuzzugablasses, der schon in Clermont (französisches Konzil 1095, bei dem Urban II. einen Gottesfrieden sanktionierte und zum Ersten Kreuzzug ausrief) verkündet wurde. Hierbei bedeutete der Ablass grundlegend den Nachlass der kirchlichen Bußstrafen, wenn man sich dem Bußwerk einer Kreuzfahrt unterzog. Der Ablass wurde zu einem wirksamen Mittel der Kreuzzugwerbung durch die Umdeutung bis hin zu einem Nachlass der gesamten Sündenschuld, folglich ein Generalablass. Darauf entwickelte sich die Lehre vom Gnadenschatz der Kirche, die allein über das Ablasswerk entscheiden konnte. Der Begriff Ablass wurde undifferenziert und umgreifend als Sündenvergebung und BußStrafe- Nachlass im 11. und 12. Jahrhundert verstanden, sodass sich in dieser Zeit noch der 12 13 Vgl. Miedema: Rompilgerführer, S.377. Vgl. Fuchs, S.17f. Seite 9 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ doppelte Charakter von abbitteähnlichen Absolutionen und (autoritativem) Bußnachlass nachweisen lässt. Im komplexen Begriffsfeld von Sünde und Strafe, Reue und Vergebung, Absolution und Ablass blieb dieser sprachlich und sachlich in seiner Bedeutung in naher Anlehnung an Buße14. Die Theologie des 13. Jahrhunderts eröffnete den Weg zur Theorie und Praxis des vollkommenen Ablasses, den der Papst als Träger der universalen Schlüsselgewalt gewähren konnte (z.B. auch durch eine Pilgerreise). Die Ablasspraxis im Hochund Spätmittelalter folgte ihren eigenen Gesetzlichkeiten; hierbei häuften sich die Ablässe bei ständig kleiner werdenden Ablasswerken. Im Spätmittelalter wurde der Ablass auch fiskalisch verwendet und in Ablasspredigten floss die Volksfrömmigkeit des 14. Jahrhunderts mit ein, sodass die Lossprechung der Verstorbenen aus dem Fegefeuer behauptet wurde. Die weitverbreiteten Missstände in der Ablasspraxis zogen vielseitige theologische und künstlerische Kritik nach sich. Ende des 14. Jahrhunderts lehrten Johannes Hus und John Wyclif, die Kirche sei eine Gemeinschaft der von Gott zum Heil Vorherbestimmten unter Jesus Christus, nicht die existierende römische Kirche unter der nahen Allmacht des Papstes15. Besonders auch in der Entstehungsgeschichte der Reformation spielte Ablassmissbrauch eine entscheidende Rolle. Im Mittelalter selber wurde das Ablassinstitut nicht entwertet, das als ein gültiges Zeugnis des werktätigen Glaubens und der Jenseitsverantwortung der mittelalterlichen Christenheit gilt. 2.3. Rom als Pilgerziel Abschließend für das Pilgerwesen im Mittelalter soll nun der Frage nachgegangen werden, warum Rom als Pilgerziel für die mittelalterlichen Gläubigen derartig interessant erschien, dass es bis heute als zweites großes Wallfahrtsziel direkt nach Jerusalem verzeichnet wird. Bei der Untersuchung der Frage erscheinen mehrere Komponenten interessant: der theologische Stellenwert der Apostel Petrus und Paulus, der historische Hintergrund um die Besetzung Jerusalems und das mittelalterliche Bild der Stadt Rom. Petrus und Paulus gelten als die beiden wichtigsten Apostel. Beide predigten und starben in Rom und verhalfen durch ihr Wirken in dieser Stadt dem Vorrang Roms innerhalb der Kirche, der keineswegs aus der vorchristlichen Romidee und dem antiken römischen Führungsanspruchs entsprang. Die Apostel begegneten sich nicht in Rom persönlich und vertraten teilweise unterschiedliche Positionen, was dennoch zu einer gemeinsamen Kirche 14 15 Vgl. Hödl, Sp. 43. Vgl. Hilsch, S.217ff. Seite 10 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ beigetragen haben soll. Im allgemeinen Bewusstsein trat Paulus allmählich hinter Petrus zurück, was mit dem Aufstieg des Papsttums zusammenhing. Als die Papstresidenz im 15. Jahrhundert vom Lateran an den Vatikan und damit an das Petersgrab verlegt wurde, erhielt die Petrusverehrung zusätzliches Gewicht.16 Der Bibel folgend haben beide Apostel einen gleich bedeutenden Stellenwert. Petrus ist die herausragende Gestalt des Jüngerkreises Jesu und der ältesten christlichen Gemeinde; er war der Sprecher des Zwölferkreises. Einerseits erscheint er in der Überlieferung als tatkräftig, einsatzfreudig und impulsiv, andererseits weist ihn die sicher geschichtliche Verleugnung Jesu als zur Labilität neigend aus. Petrus’ führende Stellung im Kreis der Apostel hängt mit seiner Initiative bei der nachösterlichen Sammlung der Jünger zusammen. Für ein Jahrzehnt war Petrus maßgeblich an der Leitung der Jerusalemer Urgemeinde beteiligt und unternahm Missionsreisen. Paulus gilt als der Bahnbrecher der Heidenmission und eigentliche Begründer der christlichen Theologie. Er ist die heute am besten bekannte Gestalt des Urchristentums. Eine direkte Chronologie für sein Leben fehlt und kann nur rückgeschlossen werden. Dagegen sind die Theologie des Paulus, sein Kirchenverständnis und seine Ethik noch weit bekannt. Die Wirkungsgeschichte des Paulus verlief höchst uneinheitlich. Einerseits wurde Paulus als Bahnbrecher der Weltmission geehrt und als Apostel neben Petrus gestellt, doch seine Theologie wurde nur gering rezipiert.17 Neben der herausragenden Stellung der Apostel, die Rom aufgrund der Märtyrergräber lohnenswert für eine Pilgerreise erscheinen ließen, kommt der Umstand, dass 1071 der türkische Truppenführer Atsiz kampflos Jerusalem besetzte. Die Stadt befand sich seit ungefähr hundert Jahren im Besitz der schiitischen Kalifen in Kairo. 1076 entbrannten heftige Kämpfe um Jerusalem, bei denen die Türken die Oberhand behielten. Im christlichen Viertel Jerusalems blieb es offenbar ruhig. „Die Grabeskirche ist den Pilgern auch unter türkischer Herrschaft weiter zugänglich. Die Wirren behindern aber die christliche Wallfahrt.“18 Roms Popularität für Wallfahrer aufgrund der Position des Petrus bereits seit der Spätantike vorhanden stieg infolgedessen deutlich an. Wenn es nicht möglich war, das Grab Christi zu besuchen, dann wünschten die Gläubigen wenigstens, die Gräber der beiden wichtigsten Apostel zu besuchen. Allgemein nahm Rom im Weltbild des ganzen Mittelalters eine zentrale Position ein, da sowohl Geistliche als auch Laien oftmals in rechtlichen Angelegenheiten und in Fällen der kirchlichen Administration nach Rom reisen mussten. Vor allem im 16 Vgl. Gatz, S.11ff. Vgl. Koch u.a., S.413ff. 18 Milger, S.8. 17 Seite 11 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ Spätmittelalter zogen Hunderttausende nach Rom, was nicht nur auf die Verehrung der Heiligen, sondern vor allem auf den mit so einer Reise verbundenen großen bis gänzlichen Ablass zurückzuführen ist.19 Die britische Forscherin Birch kontrastiert in ihrem Buch Pilgerreisen nach Rom im 7. und 13. Jahrhundert und stellt dabei die unterschiedlichen Bedürfnisse und Interessen der Wallfahrer heraus. Die früheren Rompilger im 7./8. Jahrhundert hätten in erster Linie die Kirchen außerhalb der Stadtmauern besucht, da dort die Heiligen begraben gewesen wären, die sie verehrten. Ab dem 8. Jahrhundert hätten auch die Kirchen innerhalb der Stadt an Bedeutung gewonnen, allerdings nicht wegen der Reliquien, sondern aufgrund der abgehaltenen Messen.20 Ab der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts seien viele Totenkörper von den Katakomben in die Stadtkirchen verlegt worden, um diese vor der Zerstörung durch Besetzer Roms zu schützen. Die Kirchen innerhalb und außerhalb von Roms Stadtmauern seien bis zum 12. Jahrhundert beliebte Pilgerstätten gewesen. Ab dem 12. Jahrhundert habe sich das Bedürfnis der Pilger verändert: sie wünschten einen möglichst nahen physischen Kontakt zu den Reliquien, wollten diese sehen und berühren. Das Wissen über das Vorhandensein der Reliquien in den Altären, Sakristeien oder Kapellen, zu denen Frauen keinen Zugang hatten, befriedigte die Gläubigen nicht mehr. Die Reliquien wurden an festgelegten Tagen den Anhängern gezeigt oder im Rahmen einer Prozession feierlich durch Rom getragen. Vor dem Hintergrund der spätmittelalterlichen Wundersucht nahm die Heiligenverehrung magische Züge an: an den Wallfahrtsorten entwickelten sich Heiligenriten; Erde, Wasser und Öl von den Heiligengräbern wurden als Berührungsobjekte verwendet21 und Reliquien wurden zur besseren Anschaulichkeit weiter verarbeitet. Falls die Heiligen die Erwartungen der Pilger nicht erfüllten, wurden ihre Reliquiare bestraft und durch Bestreuen mit Dornen erniedrigt.22 3. Zusammenfassung Nach der groben Darstellung des mittelalterlichen Pilgerwesens und der aspektbezogenen Untersuchung, warum Rom als Pilgerziel sehr interessant war, erscheint es nun sinnvoll, die bereits anfänglich erwähnten mannigfaltigen, kritischen Ansichten näher zu betrachten. 19 Vgl. Miedema: Rompilgerführer, S.4. Vgl. Birch, S.97ff. 21 Vgl. Daxelmüller, Sp. 2016f. 22 Vgl. Miedema: Rompilgerführer, S.366. 20 Seite 12 Seminar „Rom im Mittelalter“ Das Rom der Pilger Schon in der Einleitung sind die zahlreichen Stimmen aufgezeigt worden, die bereits von Zeitgenossen stammten und die die Heiligenverehrung, die Wallfahrten sowie den Generalablass durch Pilgerreisen stark beanstandeten. Ein frühes deutschsprachiges Beispiel der generellen Kritik an der mittelalterlichen Praxis, die sogar in das Gedankengut der Reformation hineinreichte, formulierte Berthold von Regensburg in seinen Predigten23: Die Heiligen dürften nicht als wichtiger denn Gott zu betrachten sein. Er warnte eindringlich davor, nicht täglich Buße zu tun, sondern die kleinen Übungen aufzuschieben und später durch eine Pilgerreise einen Generalablass zu erzielen. Gerade nach Rom führen viele Menschen nicht aus frommen Motiven, sondern um dort gewesen zu sein und ihr weltliches Ansehen zu erhöhen. Das scheinbar deutlichste Beispiel für die völlige Umdeutung einer Wallfahrt liefert ein Gerichtsurteil von 1493 24 , in dem eine Strafwallfahrt angeordnet wurde. In diesem ge- wöhnlichen Fall war es möglich, sich von dieser Strafe frei zu kaufen oder andere stellvertretend für sich pilgern zu lassen. Von Reue für eigene Sünden oder angemessener Buße kann in dieser Situation nicht gesprochen werden. Trotz dieser weit verbreiteten, umfassenden und berechtigten Kritikpunkten erscheint es nicht sinnvoll, das Pilgerwesen im Mittelalter und die mittelalterliche Frömmigkeit leichtfertig abzuwerten oder gar die Ablasspraxis belustigt zu betrachten. Wie bereits bei der Erklärung der Ablasspraxis erwähnt, gilt diese als gültiges Zeugnis des gelebten christlichen Glaubens und ist neben der Heiligen- und Reliquienverehrung das entscheidende Stichwort für mittelalterliche Theologie. Mir persönlich hat sich durch das Literatur- und Quellenstudium ein verändertes, dynamisches Bild der mittelalterlichen Frömmigkeit aufgetan, das durch weitere Erforschung noch vielfältiger erscheinen kann. Die mittelalterlichen Menschen waren keineswegs vor der Ausrufung der Generalablässe zu den Pilgerreisen verpflichtet und leisteten nicht nur durch die Wallfahrten ihre auferlegte Buße ab. Einige, gerade ärmere Pilger nahmen schon enorme Schwierigkeiten in Kauf, dass sie überhaupt ihren Besitz und ihre Familien verließen. Sie schienen aufrichtig und fast zweifellos an die Macht der verehrten Heiligen geglaubt, wahre Wunder erwartet und einschneidende Veränderungen für ihr Leben erhofft zu haben. Anders als heute, wenn die eigene persönliche Erkundung und Entfaltung im Vordergrund steht und teilweise vor der Verehrung für einen Märtyrer auf eine Wallfahrt führt, veranlassten im Mittelalter auch gemeinschaftliche Motive und Notsituationen, um große körperliche und seelische Anstrengungen zu vollbringen. 23 24 Vgl. Miedema: Rompilgerführer, S.373ff. Vgl. Miedema: Rompilgerführer, S.375ff. Seite 13 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ Ich denke, dass die zahlreichen Kritikpunkte an Pilgerreisen und besonders ihre fiskalische Umdeutung und Missbrauch im Spätmittelalter ein eigenes Thema sind, welches weitreichend erörtert werden muss. Es ist schwierig für Historiker, ein einheitliches Bild, besonders der weniger vermögenden Pilger zu zeichnen, weil die Überlieferungen fehlen. Trotz der Betrachtung der Epoche des Spätmittelalters wächst in mir gerade durch den Kontrast zu unserem heutigen Zeitgeist der vermarkteten Wallfahrten Bewunderung für die mittelalterliche Pilgerreise und Anerkennung für die befremdliche Frömmigkeit. Die Reliquienverehrung und der Ablasshandel sind mir fern, doch die Pilger müssen im damaligen Denk- und Erfahrungsrahmen bewunderns- und lohnenswerte Eindrücke erlebt haben. Nach der Untersuchung der herausragenden Stellung Roms als bis heute nach Jerusalem zweitgrößten Pilgerzentrums des Christentums zeigt sich mir die Stadt in einem anderen Licht: nicht nur die kunsthistorisch prägenden Bauten, weltpolitisch entscheidenden und lange richtungsweisenden Herrscher und charakteristisch sehr unterschiedlichen Päpste mit ihren verschiedenen Interessen prägen seit Jahrhunderten das Stadtbild Roms, sondern auch ein fast kontinuierlicher Pilgerstrom aus ganz Europa, der am Geist dieser einmaligen Stadt teilhaben und diese anteilig formen wollte. 4. Quellen- und Literaturverzeichnis Überblicksliteratur: Boockmann, Hartmut: Einführung in die Geschichte des Mittelalters, 7.Aufl., München 2001. Hilsch, Peter: Das Mittelalter – die Epoche, Konstanz 2006. Ploetz, Dr. Carl (Hrsg.): Der Grosse Ploetz. Die Daten-Enzyklopädie der Weltgeschichte. Daten, Fakten, Zusammenhänge, 33., neu bearbeitete Aufl., Köln 2002, S.400ff. Lexika / Wörterbücher: Arnaldi, G. / F. Marazzi, Lexikon des Mittelalters, Bd.7, Sp. 967- 971, s.v. Rom, Stadt und Bm. in Mittelitalien, vom 4. bis zum 10. Jahrhundert. Daxelmüller, Chr., Lexikon des Mittelalters, Bd.4, Sp. 2015- 2017, s.v. Heiligenverehrung in Liturgie und Volksfrömmigkeit. Seite 14 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ Der Große Brockhaus. In zwölf Bänden, Bd.8, 18. völlig neubearbeitete Aufl., Wiesbaden 1979, S.650, s.v. Petrus. Fuchs, Konrad / Heribert Raab: Wörterbuch Geschichte, 13.Aufl., München 2002, S.17f, s.v. Ablaß. Harenberg, Bodo (Hrsg.): Personenlexikon, Bd.2, Dortmund 1983, S.1035, s.v. Paulus. Koch, Klaus / Eckart Otto / Jürgen Roloff u.a.: Reclams Bibellexikon, 7., überarbeitete und erweiterte Aufl., Stuttgart 2004, S.418ff, s.v. Petrus; S.413ff, s.v. Paulus. Sanfilippo, M., Lexikon des Mittelalters, Bd.7, Sp. 972- 978, s.v. Rom vom 11. bis zum 15. Jahrhundert. Literatur und Quellen Angenendt, Arnold: Heilige und Reliquien. Die Geschichte ihres Kultes vom frühen Christentum bis zur Gegenwart, München 1994. Birch, Debra J.: Pilgrimage to Rome in the Middle Ages. Continuity and Change, Woodbridge 1998. Gatz, Erwin: Roma Christiana. Ein kunst- und kulturgeschichtlicher Führer über den Vatikan und die Stadt Rom, 1.Aufl., Regensburg 1998. Miedema, Nine Robintje: Die «Mirabilia Rome». Untersuchungen zu ihrer Überlieferung mit Edition der deutschen und niederländischen Texte (Münchener Texte und Untersuchungen zur Deutschen Literatur des Mittelalters 108), Tübingen 1996. Miedema, Nine Robintje: Rompilgerführer in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Die «Indulgentiae ecclesiarum urbis Romae» (deutsch/niederländisch), in: Aurnhammer, Achim / Klaus Garber / Wilhelm Kühlmann u.a. (Hrsg.): Studien und Dokumente zur deutschen Literatur und Kultur im europäischen Kontext (Frühe Neuzeit 72), Tübingen 2003. Milger, Peter: Die Kreuzzüge. Krieg im Namen Gottes, 1.Aufl., München 1988. Rendenbach, Bruno (Hrsg.): Reliquiare im Mittelalter, Berlin 2005. Schmugge, Ludwig: Jerusalem, Rom und Santiago – Fernpilgerziele im Mittelalter, in: Matheus, Michael (Hrsg.): Pilger und Wallfahrtsstätten in Mittelalter und Neuzeit (Mainzer Vorträge 4), Stuttgart 1999, S.11- 34. Schubert, Ernst: Einführung in die deutsche Geschichte im Spätmittelalter, darin Kap.7: Kirche und Frömmigkeit, 2.Aufl., Darmstadt 1998, S.247- 288. Tönniesmann, Andreas: Kleine Kunstgeschichte Roms, München 2002, S.17- 61. Seite 15 Seminar „Rom im Mittelalter“ Das Rom der Pilger Heiligen- und Reliquienkult Markus Schütz 1. Einleitung Noch heute spielen Heilige besonders bei den katholischen Christen eine große Rolle. In Rom sammelte der Vatikan jüngst Wunder, die mit Papst Johannes Paul II in Verbindung stehen, um ihn selig zu sprechen, die Voraussetzung, um heilig gesprochen zu werden. Noch heute gibt es Pilger, die den Jakobsweg entlang pilgern, um zum Grab des Apostel Jacobus zu gelangen. Aber nicht nur zu Gräbern wird heute gepilgert. Man reist z.B. nach Rom, um den Petersdom zu sehen oder nach Turin, um vor dem Grabtuch von Turin zu beten, somit hat es der Reliquienkult bis in unsere Gegenwart geschafft. Was heute immer noch bestand hat und gängige Praxis ist, nahm seinen Ursprung bei den frühen Christen, die die Orte besuchten, an denen Jesus Christus gewesen sein soll. Dieser Verehrungskult hatte aus christlicher Sicht sicherlich einen Höhepunkt im Mittelalter. Heute sind es oft Bustouren, Bahnfahrten zu entfernteren Zielen, sogar Flüge wie z.B. nach Jerusalem. Heute kommen nicht mehr viele Menschen auf die Idee, nach Jerusalem zu Fuß zu pilgern. Aber wie sah das Pilgerwesen im Mittelalter aus? Gingen die Menschen zu Fuß? Allein oder in Gruppen? Wer pilgerte? Und wohin wurde gepilgert? Wie lange dauerte der Vorgang des Pilgerns und konnte sich jeder das Pilgern leisten? Einigen dieser Fragen versucht unsere Arbeitsgruppe nachzugehen und sie nach Bearbeitung zu beantworten. Ich bearbeite das Thema „Heiligen- und Reliquienverehrung“, wobei ich einen Schwerpunkt auf die Heiligenverehrung gesetzt habe. Ich möchte mich daher vor allem mit der Frage beschäftigen, wie man „heilig“ wird. Mein Thema gliedert sich in den Themenblock „Pilgerwesen im Mittelalter“ ein. Die Heiligen und Reliquien sind das Ziel der Pilger und von ihren Gebeten vor den Gebeinen der Heiligen oder vor bedeutenden Reliquien versprachen sie sich viel. Zum einen Heilung von Krankheiten, Wohlergehen, reiche Ernte, Schutz oder die Vergebung der Sünden. Für Kirchen, Herrscher und Städte waren Heilige und Reliquien von großer Wichtigkeit. So werteten berühmte Heilige den Ort auf, indem sie aufgebart waren, sprich betrachtbar waren und brachten dadurch den Einwohnern durch meist zahlende Pilger einen gewissen wirtschaftlichen Vorteil. Auch Herrscher schmückten sich oft und gern mit Reliquien und ließen ihr Volk dafür bezahlen, diese zu sehen oder davor beten zu dürfen. Heilige und Reliquien Seite 16 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ sind ein nicht zu unterschätzendes Machtinstrument von Herrschern und Kirche im Mittelalter. 2. Hauptteil 2.1. Historie der Heiligen- und Reliquienverehrung bis in das Mittelalter Die Verehrung wichtiger Orte gab es wohl schon in der Antike. Im Christentum verehrte man die Orte, an denen Christus gewesen ist. Die Christen, die außerhalb des Heiligen Lands lebten, suchten diese Orte auf. Unter Konstantin wurden an diesen Orten Basiliken errichtet, so z.B. über dem leeren Grab Christi, das seit Beginn des Christentums eine zentrale Position einnimmt und um das sich der Glaube von der Auferstehung entwickelt hat. Paulus bezeichnet in seinen Briefen ganze Gemeinden als heilig. Auch herausgehobene lebende Personen gelten seit der Spätantike als heilig, diese Praxis endet 1075 mit der Bestimmung Papst Gregors VII, dass nur der lebende Papst heilig ist. Im Mittelalter werden Heilige und Märtyrer verehrt. Wobei Märtyrer auch Heilige sind, da sie ihr Leben für den Glauben verloren bzw. geopfert haben. Die Zahl der Märtyrer nahm im Mittelalter zu und Roms Katakomben füllten sich mit Gebeinen von Märtyrern, die dort verehrt werden konnten. Im 4. und 5. Jahrhundert nahm die Kirche Anstoß daran, dass im Zuge der privaten Heiligenverehrung, diese missbraucht wurde um den Status mächtiger und reicher Bürger darzustellen, indem sie große Feste in ihren Häusern organisierten. Dem wirkte die Kirche entgegen, indem sie die Heiligen zu offiziellen Patronen z.B. eines Landes erhob. Im 7. Jahrhundert hob die Kirche eine Bestimmung auf, die besagte, dass Gebeine von Heiligen nur als Ganzes verehrt werden dürfen. Von nun an durften auch Reliquien von Heiligen verehrt werden, wie z.B. ihre Beine, Arme, Füße, Finger, etc. Diese Neuerung und die 816 auf einer Aachener Synode beschlossene Bestimmung, dass jede Kirche über eine Reliquie verfügen müsse, löste einen regen Handel mit Reliquien aus. Ein Zentrum dieses Handels war Rom mit seinen Katakomben, in denen die Märtyrer zur Verehrung lagen. Von nun an war es unerlässlich, wenn man vorhatte eine Kirche zu bauen, eine Reliquie zu besitzen. Klöster und Kirchen erwarben in diesem Handel Reliquien, aber auch weltliche Herrscher erwarben diese zum Zeichen ihrer Macht. Im 10. Jahrhundert schien die Heiligenverehrung außer Kontrolle zu geraten. Zumindest hatte die Kirche wenig Einfluss auf den Reliquienhandel. Die Kirche entschied sich daher, Regeln aufzustellen und nach diesen die Kanonisation zu regeln. Ab 1234 sollte nunmehr der Papst entscheiden wer Heiliger wurde, zumindest wurde ihm dieses Vorrecht eingeräumt. Es sind aber immer wieder Konflikte zwischen Papst und BiSeite 17 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ schöfen verzeichnet, deren Ursache die Zuständigkeit der Kanonisierung war, die beide Seiten für sich in Anspruch nahmen. Eine zweite Sache, die der Kirche in dieser Zeit missfiel, war der Betrug durch falsche Reliquien. Daher entschied der Papst, dass Reliquien von ihm authentisiert werden müssen. Reliquien, die der Papst für authentisch hielt, bekamen ein schriftliches „EchtheitsZertifikat“. Im 12. Jahrhundert nimmt die Heiligenverehrung noch einmal zu, da man allgemein der Meinung ist, dass man Sünden mit guten Taten oder mit dem Pilgern zu heiligen Orten tilgen kann. 1300 ruft Bonifaz in Rom das Heilige Jahr aus. Nun können Sünder auch in Rom den Ablass bekommen. 2.2. Wie wird man heilig? Eine Möglichkeit heilig zu werden ist die des Märtyrertodes. Die verfolgten Christen, die vor der Konstantinschen Wende umgebracht wurden, wurden zum Teil nach ihrem Tod verehrt. Seit dem 3. und 4. Jahrhundert wurden schon Listen mit den Namen der Märtyrer angefertigt, die der Bischof zur Verehrung freigegeben hatte. Es brauchte also schon in dieser Zeit die ordnende Hand des Bischofs, der über den Heiligenstatus entschied. Eine weitere Möglichkeit Heiliger zu werden war die, ein gutes Leben zu führen und „Wundertätigkeit“ zu vollbringen. Auch die so genannten „Bekenner“ (confessores)25 wurden in die Liste mit aufgenommen. Diese Liste, die den Namen „Martyrologium Hieronymianum“ trägt, benannt nach dem vermeintlichen Autor Hieronymus, ist das Register der Heiligen bis ins späte 16. Jahrhundert gültig, wo sie von dem „Martyrologium Romanum“ abgelöst wurde, das bis heute Gültigkeit hat. Diese in dem „Martyrologium“ aufgeführten Heiligen, wurden im Kanon der Messe vom Priester nach der Wandlung genannt. Dieses Buch half dem Priester dabei nachzulesen welcher „Tagesheilige“ nun „an der Reihe“ war. Man geht davon aus, dass diese Nennung im Kanon der Messe, der Ursprung des Begriffs „Kanonisation“ ist. Eine weitere Möglichkeit heilig zu werden, die auch bei den anderen Möglichkeiten gegeben sein sollte, ist der Kult bzw. die Verehrung aus dem Volk heraus. Es konnte also im Mittelalter passieren, dass die Leute einen der ihren so verehren, dass es sich zu einer Heiligenverehrung entwickelt. Der Heilige bedarf also eines Kultes um seine Person, dies war bis in die dreißiger Jahre des 17. Jahrhunderts so. Erst in dieser Zeit wurde der vorausgehende Kult vom Papst verboten. Solch ein Kult kann die Person schon zu Lebzeiten selbst Schimmelpfennig, Bernhard. „Papsttum und Heilige- Kirchenrecht und Zeremoniell“. Neuried 2005, Seite 410 25 Seite 18 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ auslösen, es gibt aber auch im Mittelalter das Mittel der Hagiographie. Hagiographien zeichnen das Leben vorbildlicher geistlicher Personen. Das Leben von Heiligen wird meist in Form von Viten für die Nachwelt dargestellt, nicht selten um ein Nacheifern auszulösen. Diese Hagiographien wurden auch benutzt, einen Kult um eine Person auszulösen oder aufrecht zu erhalten. Wer hatte nun im Mittelalter das Recht Heilige zu ernennen? Lange ging man davon aus, dass Ulrich von Augsburg 993, der erste vom Papst Kanonisierte heilige sei, aber Widersprüche in der päpstlichen Urkunde, die zwar heute nur aus einer Abschrift überliefert ist, lassen vermuten, dass dies falsch ist und Ulrich nicht vom Papst durch die Kanonisierung heilig gesprochen wurde. 1234 findet sich eine Bestimmung im Buch „Corpus iuris canonici“, eine Art Rechtsbuch der Kirche, welches dem Papst ein Vorrecht Heilige zu ernennen, einräumt. Trotzdem gab es weiterhin bis ins 16. Jahrhundert Bischöfe, die Heilige ernannt haben. So kann man festhalten, dass vor dem Jahr 1000 ohne weiteres auch Bischöfe Heilige ernennen konnten. In der Folgezeit bis ins 16. Jahrhundert gab es einige Differenzen um die Zuständigkeit. Seit dem 16 Jahrhundert ist die Frage der Zuständigkeit der Heiligsprechung dahingehend entschieden, dass der Papst über diese entscheidet. Heute sieht die Prozedur wie folgt aus: Nach frühestens fünf Jahren nach dem Tod kann der Seligsprechungsprozess beginnen. Der Papst kann diese Zeit aber auch aussetzen, wie z.B. im Fall Johannes Paul II. Im Seligsprechungsprozess wird überprüft, ob der Seligzusprechende ein Leben im Sinn der Kirche geführt hat und man ihm ein Wunder zuschreiben kann, beides sind die Voraussetzungen der Seligsprechung. Die nächste Stufe ist der Heiligsprechungsprozess. Hier wird auf Antrag einer Ordensgemeinschaft oder einer Diözese der Heiligsprechungsprozess eröffnet. In diesem Prozess wird das Leben und Wirken der Person überprüft. Heute geht die Kirche an diese Prüfung sehr wissenschaftlich heran. Bei herausragenden Persönlichkeiten werden so auch Historiker befragt. Auch Schriften und Werke werden untersucht. Sofern der Heiligzusprechende kein Märtyrer ist, bedarf es eines weiteren Wunders, das ihm zugeschrieben werden kann, welches sich zudem nach der Seligsprechung zugetragen hat. Bei medizinischen Wundern, die häufig herangezogen werden, prüfen Mediziner die Unerklärbarkeit dessen, was sich ereignet hat. Seite 19 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ 3. Zusammenfassung Die Heiligsprechung hat wie vieles nach Kompetenzgerangel erst heute eine klare Linie bekommen. Heute kann man der Kirche nicht mehr nachsagen, dass man sogar Hunde, als Märtyrer heilig spricht und so viele Stücke vom Kreuz Jesu Christi verehrt, dass man daraus ein Schiff bauen könnte. Heute ist der Prozess der Seligsprechung und auch der Heiligsprechung viel wissenschaftlicher geworden. Die Kirche bedient sich vieler Hilfswissenschaften fernab der Theologie, so z.B. beauftragt die Kirche Historiker, Mediziner etc. um Wunder zu untersuchen. Dies macht den Prozess der Selig- und Heiligsprechung um ein Vielfaches seriöser, als er das noch im Mittelalter war. Reichte doch in Spätantike und frühem Mittelalter noch die ausgiebige Verehrung durch das Volk und ein ausgeprägter Kult, sowie die Heiligsprechung durch den Bischof. In der Übergangszeit, wenn man sie so bezeichnen will, gab es einige Kompetenzstreitigkeiten um die Zuständigkeit heilig zu sprechen. Da es sich um innerkirchliche Konflikte handelt, vermute ich, dass dies der Grund ist, warum diese Ungereimtheiten eher unbekannt sind und nicht die Tragweite des Investiturstreits haben, indem weltliche und geistliche Herrscher um Kompetenzen stritten. In der Frühen Neuzeit war dann nur noch der Papst befugt heilig zu sprechen. Wobei er auch weiterhin bis heute der einzige lebende Heilige ist. Und mit Heiliger Vater angeredet wird. Heute arbeiten, wie schon beschrieben, die Experten dem Papst zu und übergeben ihm ihre Ergebnisse, aber weiterhin ist der Papst derjenige, der die Entscheidung trifft, ob er den Heiligzusprechenden auch wirklich heilig spricht oder nicht. Er kann auch die Fristen außer Kraft setzen, derer es bedarf, bevor Selig- und Heiligsprechungsprozesse beginnen können, wie geschehen bei Johannes Paul II. Somit hat der Papst heute in Sachen Selig- und Heiligsprechung mehr Macht als noch im Mittelalter. Die Reliquienverehrung würde ich nicht von der Heiligenverehrung trennen, an beides knüpften die Menschen ihre Hoffnungen und Wünsche, wenn sie zu Heiligen oder Reliquien pilgerten. Zumal nach Aufhebung der Bestimmung, dass Heilige nur in ganzen Stücken verehrt werden dürfen, wurden damit ihre Gebeine und Knochen, ja sogar Gegenstände auch zu Reliquien. Seite 20 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ 4. Quellen- und Literaturverzeichnis Angenendt,Arnold: „Heilige und Reliquien“. München 1994. De Voragine, Jacobus: „Legenda aurea“.Stuttgart 2005. Krafft, Otfried: „Papstkunde und Heiligsprechung“.Böhlau2005. Schimmelpfennig, Bernhard: „Papsttum und Heilige - Kirchenrecht und Zeremoniell“. Neuried 2005. Schmugge, Ludwig: „Jerusalem, Rom und Santiago – Fernpilgerziele im Mittelalter“ in, Matheus, Michael (Hrsg.): „Pilger und Wallfahrtsstätten in Mittelalter und Neuzeit“. Stuttgart 1999. Seite 21 Seminar „Rom im Mittelalter“ Das Rom der Pilger Die Reiseumstände und -vorbereitungen eines Pilgers auf dem Weg nach Rom Meik Auth 1. Einleitung Erst vor wenigen Jahren zum Jahrtausendwechsel feierte die katholische Kirche ein heiliges Jahr. Die heiligen Jahre stellen eine Tradition dar, die um 1300 begründet, jedes Mal zahllose Pilger nach Rom streben läßt um einen Generalablass zu empfangen. Natürlich wird nicht nur in heiligen Jahren gepilgert, wenngleich die Pilgerreisen in der Vergangenheit rückläufig waren. Im Mittelalter hingegen hatte das christliche Pilgertum seinen Ursprung und entwickelte sich zu einer Massenbewegung. In den besten Jahren, kann man mit mehreren Millionen Pilgern pro Jahr rechnen, die in Europa unterwegs waren zu den verschiedenen Pilgerstätten. Einen beträchtlichen Teil machten gewiß die Pilger zu den peregrinationes minores, den kleineren Wallfahrtorten, aus. Die begehrtesten Ziele waren jedoch die peregrinationes majores, wie Rom, Jerusalem oder Santiago de Compostela. Aus unserer Perspektive stellen diese Fernreiseziele keine Herausforderung mehr dar, für einen mittelalterlichen Pilger hingegen war eine solche Reise ein Unterfangen, das mit etlichen Gefahren und Problemen gespickt war. Aber welche Probleme stellen sich nun konkret für einen - in unserem Kontext relevanten - Rompilger. Im folgenden werde ich auf die Probleme eingehen, die vor Reisebeginn und während der Reise auftreten. Das Pilgertum ist ein Teilgebiet der Geschichte, daß eine gute Quellenlage aufweist und auch recht gut mit Literatur versorgt ist. Vor allem sei Pilgrimage to Rome von Debra Birch und Pilgerleben im Mittelalter von Norbert Ohler genannt, die einen guten Einblick in den Pilgeralltag, insbesondre den des Rompilgers geben. 2. Hauptteil 2.1 Reisevorbereitungen Bevor ein sich ein Pilger überhaupt aufmachte, mußte er vielerlei Vorbereitungen und Entscheidungen treffen. Zur Routenplanung gab es einige Hilfestellung. Von spätmittelalterlichen Pilgerführern und Karten über Kontakte, Bruderschaften usw. Die Route, die ein PilSeite 22 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ ger wählte, war von vielen Faktoren abhängig. Zum Beispiel war lief man auf dem Weg zum Endziel auch noch kleinere Wallfahrtsorte ab, die in einem vertretbaren Zeitrahmen von der eigentlichen Route ab zu erreichen waren. Bekannte Räubergebiete wurden, so man konnte, auch gemieden. In diesem Zusammenhang war es auch üblich in Gruppen zu reisen, weil sie einfach einen gewissen Schutz im Vergleich zur Einzelreise boten. Wer das Pilgern aus sich nahm, mußte mit der Möglichkeit rechnen, daß er niemals in seine Heimat wiederkehrte. So war der Pilger angehalten sich mit den seinen Auszusöhnen und evtl. Unrecht zu korrigieren, was er selbst begangen hatte. Schlußendlich war es auch Sinnvoll ein Testament zu hinterlassen, damit alle weltlichen Belange für den Fall der Fälle geregelt waren. Die Kleidung und das Gepäck war für den einfachen Pilger eine bekannte Standardausrüstung. Die Kleidung umfaßte den Hut, der vor Regen schütze und an dem das oder die Pilgerzeichen angebracht wurden, den ärmellosen Mantel, der Nachts als Decke diente, ein Stab, der auf schwierigen Strecken zusätzlichen halt bot ein Paar Schuh sowie Ersatzsohlen und ein Sack in dem Proviant und andere Kleinigkeiten verstaut wurden. Geld und Papiere wurden oft dicht am Körper oder versteckt getragen, zur Sicherheit vor Dieben. Ein Punkt, der nicht unerwähnt bleiben darf, ist die Sprachbarriere, die ein Pilger zu überwinden hatte. Hierfür gab es im späten Mittelalter bereits einfache Übersetzungshilfen mit einfachen Redewendungen. Diese Hilfen waren aber beschränkt auf diejenigen die lesen konnten und über das nötige Geld verfügten sich so etwas zu anschaffen zu können. Latein als Gelehrtensprache öffnete den Gebildeten immerhin eine Möglichkeit zur Verständigung. Gruppen waren gut beraten sich Begleiter zu suchen, die eine der Sprachen beherrschten, mit denen sie konfrontiert sein würden. Allerdings konnte man auch später noch, wenn man in fremden Gebiet war, wo eine andere Sprache gesprochen wurde auch noch einen Dolmetscher suchen, was immer rentierte, da man sonst leicht von Zöllnern und anderen Übervorteilt wurde oder man sich mit Gesten, sprich simpelsten Handzeichen verständigen mußte. 2.2 Infrastruktur und Verkehrswege Nachdem die großen, gutausgebauten Verkehrswege mit dem Untergang des römischen Imperiums verfielen, war die Strassen- und Wegesituation im Mittelalter äußerst desolat und unterentwickelt. Auch und vor allem Brücken respektive Brückenbau gab es selten. Gepflasterte Strassen waren eine Seltenheit; festgetretene Wege die Regel. Je nach Wetterlage verschlechterte sich der Zustand eines solchen Weges immens. Seite 23 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ In den Alpen, die ein nach Rom pilgernder in der Regel zu überwinden hatte, etablierten sich im Laufe der Zeit Pfade und Pässe, die regelmäßig genutzt wurden (wie zb. der Brennerpass) . Des weiteren halfen mancherorts Führer oder gemeinnützige Bruderschaften bei der Reise durch das Gebirge. Die nächsten Schwierigkeiten boten sich, sobald ein Pilger an einen Fluß gelangte, den es zu überqueren galt. Wie erwähnt, waren Brücken rar. Um nun einen Wasserlauf zu überqueren boten sich viele verschiedene Optionen. Handelte es sich um ein schmales Gewässer, konnte schon ein Baumstall über den Lauf als Behelfsbrücke dienen. An anderer Stelle konnte der reisende das Wasser nur zu Fuß durch eine Furt überwinden, viele heutige Ortsnamen lassen noch auf eine solche Furt schließen (Frankfurt, Erfurt, etc). Fähren gab es nur dort, wo das Personenaufkommen das Einkommen eines Fährmanns bzw. den Betrieb einer Fähre sichern konnte. Die Landwege wurden indes nicht nur per Pedes bewältigt, Reittiere und Karren waren genauso gang und gebe. Reittiere waren eher Esel als Pferde, denn den Esel konnte sich auch ein nicht so wohlhabender Pilger leisten. Einachsige Karren waren zweiachsigen Wagen auf den schlechten Wegen aufgrund ihrer besseren Manövrierbarkeit überlegen. Auf engen und holprigen Wegen war aber das fahren im Wagen meist eine Option, die Kranke und Frauen in Anspruch nehmen mußten. Ein weiter Nachteil liegt darin, daß viele schmale Wege und Pfade nicht befahrbar und oft nur so breit wie ein oder zwei Mann waren. Die Alternative zum Landweg war der Wasserweg. Zwar war für viele Wallfahrer der Gedanke "per pedes apostolorum", also es den Aposteln gleich zu tun und sich zu Fuß fortzubewegen, ein wichtiger Bestandteil ihrer Pilgerreise aber gab es auch eine große Gruppe derer, die, sofern sie es sich leisten konnten, auf dem Wasser reisten. Dabei muß zwischen Kurzstrecken- und Langstreckenschifffahrt unterschieden werden. Für kurze Teilstrecken gab es oft ein Angebot, diese per Wasserweg zurückzulegen, waren doch schon Wasserwege mit einer Tiefe ab 50 cm befahrbar. Flösse und andere Boote mit geringem Tiefgang waren dort bereits einsetzbar. Auf den Langstrecken befuhren große Segelschiffe oder Ruderschiffe. Die Schifffahrt im Mittelalter war allerdings nicht sehr komfortabel. Zum einen ließ die Unterbringung zu wünschen übrig und zum anderen waren die hygienischen Verhältnisse sowie die Versorgung mit Lebensmitteln und genießbarem Frischwasser von eher schlechter Natur. Allerdings relativierte sich dies je nach Geldbeutel. Nun war es aber nicht so, daß sich nur äußerst wohlhabende Reisende sich eine Fahrt auf einem Schiff leisten konnten, auch weniger gut betuchte Pilger konnten auf diese Möglichkeit zurückgreifen. Wer sich zum BeiSeite 24 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ spiel als Ruderer auf einem Schiff angenommen wurde und durch besonderen Fleiß hervortat, konnte darauf hoffen, daß er auch über längere Strecken mitgenommen wurde. 2.3 Aufenthaltsmöglichkeiten und Unterkünfte War ein Pilger nun auf seinem Weg, brauchte er nun natürlich jede Nacht ein Lager sowie in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen eine Möglichkeit um seine Verpflegung wieder aufzustocken oder eine warme Mahlzeit zu sich nehmen zu können. Was die Schlafstätte angeht, so genügte je nach Jahreszeit und Region schon ein trockener Platz oder eine Höhle. Im Winter genügte dies aus offensichtlichen Gründen jedoch nicht. Die Besiedlung im Mittelalter war recht unterschiedlich. In manchen Regionen fand man alle paar Kilometer eine Siedlung, in anderen waren die Entfernungen um einiges größer. Hilfreich war für den Pilger die Glocke der örtlichen Kirche, die über viele Kilometer den Weg zum nächsten Ort wies. Ähnliches galt für Klöster, die oftmals fernab von Siedlungen entstanden. Sie boten dem Pilger freie Kost und Logis für einen begrenzten Zeitraum. Die Qualität der Unterkünfte und des Essen variierte allerdings erheblich, je nachdem wieviel Pilger zu versorgen waren. Wenn ein Pilger nun nicht in einem Kloster unterkam, sondern in einer Siedlung verweilte, war er auch dort einigermaßen sicher eine Unterkunft zu bekommen. Gastfreundschaft und das Helfen derer, die in Not sind, waren eine christliche Tugend. Sprich es war nicht unwahrscheinlich in der Nacht ein Dach über dem kopf zu haben. Am sichersten war es aber wenn man Kontakte und Bekannte hatte, bei denen man fest davon ausgehen konnte, daß man bei ihnen unterkam. Auch der Adel reiste so und hielt sich oft bei Verwandten auf. Im Laufe der Zeit gab es auch immer mehr Herbergen und Gasthäuser. Um als Herberge zu gelten, gab es in vielen Herrschaftsbereichen strikte Auflagen, wieviel Schlafplätze und Futterplätze für Tiere zur Verfügung stehen mußten. Diese Gasthäuser entstanden vor allem dort, wo ein hohes Aufkommen an Reisenden auftrat, denn Gasthäuser waren entgeltpflichtig. Aber auch hier war es so, daß man nicht alleine ein Zimmer oder Bett bewohnte. Es war nicht selten, daß man zu mehreren in einem Bett respektive Zimmer schlief und auch die Hygiene war nicht nennenswert. Das änderte sich erst zum späten Mittelalter hin, als sich gewisse Standards durchsetzten. Hospitäler, oft durch Bruderschaften unterstützt, stellten einen weiteren Pfeiler in der Versorgung der Pilger dar. Ihre Qualität und Quantität differierten sehr. So lagen zeitweilig an einer nach Rom führenden Strasse in der Toskana Seite 25 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ alle fünf bis sechs Kilometer ein Spital. Ein Johanniter-Spital in Jerusalem sollte Standards in der Versorgung aufstellen, die viele Spitäler niemals erreichten. 2.4 Tradierte Pilgerrouten Im Mittelalter gab es eine Reihe von einigermaßen festen Pilgerwegen, die jeweils einen eigenen Namen trugen. Einigermassen fest, weil keine Route zu einhundert Prozent vorgegeben war. Viele Quellen beschreiben verschiedene Teilstrecken, so daß man nur grob eine Hauptstrecke ausmachen kann, man muß eher im Sinne eines Wegesystems denken. Ein heute noch bekannter und vor allem auch noch genutzter Weg ist der Jakobsweg nach Santiago de Compostela. Ein fast vergessener und vor kurzem erst zu einer Kulturstrasse erhobener ist die Via Francigena. Sie führt von Canterbury nach Rom und ist von daher für uns interessanter. Der Erzbischof Sigeric von Canterbury reiste um 990 nach Rom, um sich vom Papst die Bestätigung zu holen, daß er der rechtmäßige Bischof in Canterbury sei. Sein Itinerar bestimmt letztendlich wie die Via Francigena im Groben verläuft. Auf dieser Route haben zahlreiche Pilger ihren Weg nach Rom in angriff genommen. Wichtig war dieser Weg vor allem für die Engländer und sogar auch für Isländer. Er führte weiter durch Frankreich und war dann ab Südfrankreich auch für Pilger aus dem Heiligen Römischen Reich relevant, führten doch einige Zubringerrouten auf die Via Francigena. 3. Zusammenfassung Das Pilgertum sorgte neben dem Handel für ein Aufblühen der Infrastruktur. Wege und Routen etablierten sich, wurden aber auch zum Teil wieder vergessen, weil ein Wallfahrtsort an Attraktivität verlor. Ein anderer wichtiger Aspekt ist der wirtschaftliche. Ob nun der verkauf von Pilgerzeichen im Wallfahrtsort oder die Inanspruchnahme von Dienstleistungen und der Erwerb von Waren, die während der Pilgerreise notwendig waren, all dies Trug zu einem überregionalen Wirtschaftsaustausch bei. Der Austausch war aber auch kultureller Natur. Beim Pilgern begegnete man Fremden Menschen, Sprachen und Kulturen, mit denen der Pilger sich auseinandersetzen mußte um seinen Pilgerwunsch zu fördern. Vielerlei, was uns aus unserer heutigen Sicht nicht einmal als Problem erscheint, war im Mittelalter jedoch ein erhebliches Problem. Man muß sich nur vergegenwärtigen, daß eine Reise nach Rom damals Wochen und Monate gekostet hat, wohingegen es heute eine Frage von wenigen stunden ist innerhalb Mitteleuropas nach Rom zu reisen. Ganz zu schweigen von den gesundheitlichen Strapazen. Zum Teil widrigsten Witterungen und sanitären Umständen ausgesetzt, nahm ein Pilger dennoch eine Pilgerfahrt auf sich. Zum einen ist Seite 26 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ dies durch die Religiosität begründet, zum anderen aber auch durch Abenteuerlust und in einigen Fällen auch durch Unwissenheit, was einen auf der Reise erwartet. Pilgern war ein Massenphänomen und das ganze Mittelalter hindurch eine alltägliche Gegebenheit. Der Pilger umfaßte das ganze Spektrum der Bevölkerung und auch jede Altersklasse. 4. Quellen- und Literaturverzeichnis Birch, Debra J.: Pilgrimage to Rome in the Middle Ages. Continuity and change, Woodbridge 1998. Carell, Susanne: Die Wallfahrt zu den sieben Hauptkirchen Roms. Aufkommen und Wandel im Spiegel der deutschen Pilgerführer, in: Jahrbuch für Volkskunde, Neue Folge 9(1986), S. 112-150. Carlen, Louis: Wallfahrt und Recht im Abendland, Freiburg (Schweiz) 1987. Caucci von Saucken, Paolo (Hrsg.): Pilgerziele der Christenheit. Jerusalem, Rom, Santiago de Compostela, Darmstadt 1999. Haasis-Berner, Andreas: Pilgerzeichen des Hochmittelalters, Würzburg 2003. Herbers, Klaus; Ohler, Norbert; Schimmelpfennig, Bernhard (u.a.): Pilgerwege im Mittelalter, Darmstadt 2005. Liebgott, Niels-Knud; Jensen, Carsten Selch; Kraack, Detlev (u.a.): Pilgerreisen Im Mittelalter, Odense 2003. Ohler, Norbert: Pilgerleben im Mittelalter. Zwischen Andacht und Abenteuer, Freiburg im Breisgau 1994. Schmugge, Ludwig: Deutsche Pilger in Italien, in: Rachewiltz, Siegfried (Hrsg.): Kommunikation und Mobilität im Mittelalter. Begegnungen zwischen dem Süden und der Mitte Europas, 11.-14. Jahrhundert, Sigmaringen 1995, S. 97-113. Webb, Diana: Medieval European pilgrimage. c. 700 - c. 1500, Basingstoke 2002. Zweidler, Reinhard: Der Frankenweg - Via Francigena. Der mittelalterliche Pilgerweg von Canterbury nach Rom, Darmstadt 2003 Seite 27 Seminar „Rom im Mittelalter“ Das Rom der Pilger Die Kirchen der Stadt Rom in den historia et discriptio Oliver Schmidt 1. Der Weg der Pilger im Mittelalterlichen Rom Im Jahr 1300 rief Papst Bonifaz VIII. das erste Heilige Jahr aus. Dies erlaubte jedem Pilger der innerhalb einer bestimmten Frist die Basiliken der Apostel Paulus und Petrus besuchte einen Ablass aller Zeitlichen Sündenstrafen. Obwohl diese Zahl nur eine ungenaue Schätzung ist, folgten diesem Aufruf wohl über 200000 Pilger aus allen katholischen Ländern. Dies erhöhte das Ansehnen des Papstes, brachte eine Menge Geld noch Rom, führte zum Aufschwung und unterstrich die Rolle Roms als heiligste Stadt Europas. Die Reisenden hatten anfangs nur die beiden Kirchen S. Petrie in Vaticano und S. Pauli extra Muros zu besuchen aber mit der Zeit wurden immer öfters heilige Jahre ausgerufen. Die Pilger hatten nun auch immer mehr Gotteshäuser der Märtyrer und ihre Reliquien aufzusuchen. Reliquien sind Überreste die an Heilige erinnern, dies können Knochen Haare oder auch Kleidungsstücke sein. Zum Ende des Mittelalters, ab dem 14. Jahrhundert stehen die sieben Hauptkirchen fest, welche von dem Pilger besucht werden sollten. In jeder von ihnen gab es unterschiedliche Ablässe, zudem gab es wechselnde Stationskirchen in denen es mehr Ablass zu erreichen gab als an anderen Tagen. Im Spätmittelalter wurde dieser Pilgertourismus immer besser organisiert. Die Nachfrage nach Pilgerführer stieg an und so wurde eine ganze Reihe von Verzeichnissen, welche die Sehenswürdigkeiten und eine Beschreibung der einzelnen Gotteshäuser boten immer umfangreicher. So entstanden anfangs die Indulgentiae, welche die römischen Kirchen mit den ihnen beinhaltenden Reliquien und zu erlangenden Ablässen enthalten. In einer anderen Sammlung, den Stationes ist ein kalenderartiges Verzeichnis mit den Stationsgottesdiensten gegeben. Seit der Mitte des 12. Jahrhunderts liegen Beschreibungen und Ablässe vor, zusammengefasst in den Indulgentiae eccleviarum urbis Romae. Allerdings weisen diese große Differenzen untereinander auf. Diese erschienen anfangs in lateinischer Schrift, seit dem späten Mittelalter gibt zunehmend Versionen in den Volkssprachen. Im späten Mittelalter entstanden daraufhin die vor allem in Frühneuhochdeutscher Schrift gedruckten historia et discriptio. Die niederländische Historikerin Nina Robijentje hat hierzu ausführliche Untersuchungen durchgeführt. In ihren Büchern, Rom Pilgerführer im Spätmittelalter und Früher Neuzeit, sowie die Mirabilia Romae, Untersuchungen zu ihrer Überlieferungen mit Editionen der deutschen und niederländischen Texte hat sie einen Vergleichenden Überblick der vorhanSeite 28 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ denen Pilgerführer geschaffen. Insgesamt gibt es 43 Drucke in verschiedenen Sprachen, die unterschiedlich gut erhalten sind. Die in ihrem Buch abgedruckte Version d6 der historia et descripio verwende ich als meine Hauptquelle. Christian Hülsen und Bernhard Schimmelpfennig haben sich mit der Entstehungsgeschichte der so genannten Mirabilia befasst. Die englische Historikerin Debora Brich hat treffend das Pilgerwesen des Mittelalters beschrieben. Ich möchte an der Quelle d6 die Bedeutung oder Wirkung der Pilgerführer bedenken. Zudem werde ich versuchen die sieben Hauptkirchen der Stadt mit der Funktion zu ergründen. 2. Was sind die Pilgerführer? Um die Pilgerführer besser zu verstehen, soll hier noch einmal über deren Funktion und deren Ursprung nachgedacht werden. Mit dem Aufschwung der Romwallfahrten wurde auch die Nachfrage nach Pilgerführern größer. Spätestens am Ende des Mittelalters beinhalten die Mirabilia- Pilgerbücher ausführliche Verzeichnisse der sieben Hauptkirchen. Wobei es große unterschiede gibt. Während die ersten noch handschriftlichen Texte aus dem frühen Mittelalter nur die Auflistung einiger Sehenswürdigkeiten und den in den Kirchen zu findenden Reliquien darstellen. Seit dem 14. Jahrhundert gibt es die historia et discriptio, welche sich ebenfalls in ihrem Umfang erheblich unterscheiden können. Allen gemein ist die Auflistung der Hauptpilgerstätten. Diese können sehr ausführlich mit einer Geschichte der Kirche und des hier zu ehrenden Heiligen ausgestattet sein oder aber auch nur den zu erlangenden Ablass enthalten. Einige Drucke enthalten weitere Kirchen und Gebäude mit mehr oder weniger langen Beschreibungen. Die Rheinfolge der Hauptkirchen festigt sich spätestens im 15. Jahrhundert. Hier soll zuerst der S. Johannis in Laterano besucht werden. Dann die Apostelgräber in S. Petrie in Vaticano und S. Pauli extra Muros, gefolgt von der Mariae Maioris. Die drei weiteren Kirchen sind die S. Laurentie extra Muros, S. Crucis und S. Sebastian. Diese 7 Kirchen erhalten in den historia et descriptio ausführliche Nennungen der zu erlangenden Ablässe, Reliquien, heiligen Legenden und der Kirchengeschichte. Festgestellt wurde, dass diese deutschen Fassungen mit zu den Ausführlichsten der Pilgerführer gehören. Interessant ist hierbei, dass die lateinischen Versionen wohl erst nach den Deutschen entstanden sind. Als Verfasser gelten Bartholomaeus von Guldenbeck und Stephan Plannck, welche vermutlich zusammen gearbeitet haben. Trotzdem haben wir voneinander Abweichende Versionen. Dies könnte an der Nachfrage liegen, welche zu Neudrucken führte oder auch zu zwei Paralleldrucken. Anhand von DaSeite 29 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ tierungen, der Entwicklung der Kirchenbauten und Schlussfolgerungen auf die Päpste, werden diese drucke in einem Zeitraum von 1471-1484 vermutet. Die ersten Exemplare wurden in Nürnberg zusammengestellt und erst einige Jahre später kam es auch zu Drucken aus Rom. Speziell für diesen Buchdruck wurden wohl Chroniken von römischen Königen und Kaisern als Quelle verwendet. Zudem beginnen die historia et descriptio mit der trojanischen Gründung Roms. Schon zu beginn der Schriften wird auf die Verfolgung der Christen im Antiken Rom aufmerksam gemacht. So werden die Christen von Anbeginn zu einem Teil der Geschichte Roms gemacht. Weiterverfolgt führt dies zur „Christlichen Weltherrschaft“. Eine Hauptquelle für die ersten Drucke, ist die Weltchronik des Jakob Twinger von Königshofen um 1400. Wobei sich die Forschung nicht sicher ist ob vielleicht auch die überarbeitete Chronik von Heinrich Steinhöwel 1473 als Grundlage gedient hat. Zudem werden noch weitere noch nicht identifizierte Quellen vermutet. 3. Inhalt der historia et descriptio Die Gedruckte Quelle ist für den Bedarf der Wallfahrer nach Pilgerführern entstanden. Eine weitere Absicht, die zwar nicht der Hauptgrund war aber dennoch eine Rolle gespielt haben kann, ist die Überlieferung für spätere Generationen. Im 16. Jahrhundert entstehen keine neuen Drucke mehr. Anzunehmen ist das die historia et descriptio trotzdem weiter benutzt wurden, obwohl nach der Reformation die Wallfahrten nach Rom stark nachgelassen haben und so kein bedarf mehr für neue Reiseführer bestand. Die Quelle selber ist in Frühneuhochdeutsch geschrieben, was den Norddeutschen Raum als Entstehungsort ausschließt. Alle Namen und Ortsbezeichnungen werden aber in Latein geschrieben. Die historia ist durch eine einfache Chronologische Erzählweise geprägt. Die historia et discreptio beginnt mit einem Inhaltsverzeichnis. Hierbei befassen sich die ersten 5 Punkte mit der Geschichte der Stadt Rom, das 6. Verzeichnis führt in die Kirchen Roms und der letzte Punkt nennt die Stationes. Man kann die Quelle in vier Hauptteile gliedern, die alle eine ähnliche Länge aufweisen. Nur der vierte Teil ist kürzer und umfasst etwa ein drittel der Länge seiner Vorgänger. Im ersten Teil wird umfassend die Entstehungsgeschichte Roms wiedergegeben. Lange werden die Christen verfolgt bis es schließlich mit einer Christlichen Weltherrschaft endet. Papst Sivester und seinen Nachkommen wird hier die Stadt Rom und das Wohl der Christen anvertraut. Im zweiten Teil werden die 7 Hauptkirchen beschrieben. Der dritte Teil umfasst 76 weitere Kirchen, welche oftmals nur mit einem Satz oder einer Ortsangabe versehen sind. Schließlich ergänzt der vierte Teil Seite 30 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ mit der kalenderartigen Stationsbeschreibung. Was den Pilgern eine bessere Orientierung gibt, indem sie hier erfahren, in welchen Kirchen zu welcher Zeit die meisten Ablässe oder besondere Ereignisse stattfinden. Der Schluss bildet eine kurze Richtlinie über die Betrachtungsweise der Reliquien und Verhaltensregeln. Im vorletzten Absatz wird der Drucker Barthlome Guldinbeck genannt. Hier wird das Entstehungsdatum 1487 genannt. Die historia et descriptio richtet sich an die Pilger, damit der ihnen entsprechende Ablass auch zuteil wird. Wobei der erste Teil als ein Geschichtsbuch verstanden werden kann. Die Entstehungsgeschichte fängt mit der Abstammung von Troja an. Das Römische Recht wird beschrieben, gefolgt von der Rheinfolge der Könige. Der Antike Aufbau Roms und deren Probleme mit den Göttern führen dem Leser die Vorchristliche Zeit vor Augen. Relativ schnell kommt der Leser bei der Geburt von Jesus Christus an. Seine Wunder werden ebenso wie seine Kreuzigung beschrieben. Hier werden anschließend die Bosheit und der Tod in Rom aufgeführt. Die erste Christenverfolgung und der Krieg gegen die Juden leitet dann die leiden der Christen in der Antike ein. Noch einmal wird von den vollbrachten Wundern Jesus erzählt, worauf seine Kreuzigung folgt. König Vespasian tritt hier als Gesandter auf, der sich bei den Juden rächt, viele erschlägt und deren Häuser zerstört. Auf ihn folgte Kaiser Domicanus, der die Christen ins Elend führt und am ende dafür erschlagen wird. Eine Aufzählung der Soldatenkaiser folgt. Nun kommt es zu einer engen Verbindung zu den Christen und der Stadt Rom. Somit beginnt hier die christliche Geschichtsschreibung und die Bedeutung Roms für diese wird hervorgehoben. Phillipus der erste getaufte Kaiser wird ermordet. Unter den nächsten 5 Kaisern kommt es zu zahlreichen Christenverfolgungen, was Rom zu einer Stadt mit Zahllosen Märtyrern macht. Drei mal werden nun auch die Deutschen erwähnt, was mit deren Unterwerfung in das Römische Reich endet. Etwa 300 Jahre nach Christus Geburt kommt es unter Diocletianus zu der Zerstörung von Kirchen und erneuten Christenverfolgungen. Die über Jahrhunderte lange Christenverfolgung zeigt den schweren Weg der Gemeinde Roms, welcher mit viel Elend verbunden ist. Einige Märtyrer werden mit Namen genannt, doch wird Rom hier zu einem Massengrab von bekennenden Christen. Kaiser Constantin erscheinen die Apostel Petrus und Paulus in der Nacht. Woraufhin der Kaiser zu dem schon mit Papst betitelten Silvester aufsucht um sich von ihm Taufen zu lassen und wird, nach einer schweren Krankheit gesund. Nun folgt eine Legitimierung des Papstes als Oberhaupt, indem Gott ihm die Schlüssel zum Himmel gibt. Er ist somit der ausgewählte Gottes, Constantin überlässt ihn die Stadt und verlegt seinen Regierungssitz nach Konstantinopel. Ausführlich werden die 8 Tage der christlichen Machtübernahme Seite 31 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ aufgelistet. Am 1. Tag lässt sich der Kaiser taufen, woraufhin er am 2 Tag den Christen seinen Schutz verspricht. Am nächsten Tag wird Silvester zum ersten Papst ernannt und am darauf folgenden zum obersten Priester der Welt und aller Herren erklärt. Am 5 Tag wird die Vergebung der Sünden in den Christlichen Kirchen verkündet. Am folgenden Tag wird Silvester zum einzigen Vertreter der Richtigen Kirche ernannt. Dann bestimmt der Kaiser Abgaben und Steuern für den Papst. Am 8. Tag wird mit dem Bau der Sant Peters Kirche begonnen.26 Festgestellt wird das hier der Jesus am Kreuz angebetet wird und nicht der Gott der Juden. Am Ende stehen die Verfolgungen von Ketzern an und die Regentschaft des Papstes über die Stadt. Folglich vermehren sich die Christen und somit beginnt die Christliche Herrschaft. Im Zweiten Teil werden die sieben Hauptkirchen der Stadt beschrieben. Die als oberste Kirche beschrieben Hauptkirche ist die S. Johannes in Laterano. Diese ist dem Papst übergeben mit der Aufgabe alle Christenmenschen zu reinigen. Die Struktur ist immer sehr ähnlich. Zu beginn wird die Geschichte und der damit verbundene Zweck erklärt. Die in der Kirche passierten Wunder werden dargestellt und das Grab des Johannes wird beschrieben. Zudem ist der S. Johannes in Laterano an jedem Samstag eine Stationskirche, was bedeutet das an diesen Tagen mehr Sünden vergeben werden. Es folgen Beschreibungen der einzelnen Kapellen und Altäre. Wobei hier bei dem Besuch der einzelnen Kapellen verschieden Ablässe zu erlangen sind. Die Kirche erhielt eine Huldigung durch die Engel. Weiter werden Bilder und andere Wunder erwähnt. Die zweite Hauptkirche ist die S. Petrie in Vaticano. Beginnen tut diese Beschreibung mit einem Weghinweis. Der Heilige Peter hat hier selber Messe gehalten und somit wird hier auch großer Ablass gewährt. Des Weiteren werden die Wunder und vorhandenen Altäre mit ihren Ablässen beschrieben, sowie die Kapellen. Am Ende wird von den vorhandenen Reliquien berichtet. Die dritte zu besuchende Hauptkirche ist die Sankt Paul extra Muros die auf einem Berg, die durch ein Wunder erschaffen wurde steht. Beschrieben wird hier ein Sonnenwunder, die Kreuzigung Peters und das Paul hier geköpft wurde. Hier werden ganz besonders viele Sünden vergeben. Bis zu 68 Jahren und die Vergebung ein drittel aller Sünden. Die Gräber der 2 Apostel sind beschrieben, sowie weitere Reliquien. Die ersten 3 Kirchen werden sehr lange und Ausführlich beschrieben. Die vierte Hauptkirche ist die S. Mariae Maioris und beginnt mit der Entstehungslegende. Die vorhandenen Reliquien werden aufgezählt. Hier ist ebensoviel Ablass und Vergebung 26 S. 237 Seite 32 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ zu erhalten wie in den 3 ersten Hauptkirchen. Zudem können an Ostern und Pfingsten alle Sünden vergeben werden. Im letzten Satz gibt es für den Pilger noch eine geographische Orientierungsangabe. Fünfte Hauptkirche ist die S. Laurentii extra Muros. Die Beiden Märtyrer wurden zu Tode gefoltert und hier begraben. Die Schilderung erzählt auch hier von dem gleichen Ablass und berichtet weiter von Engeln welche hier Wunder vollbrachten, sowie weiteres Heiligtum. Die nächste Hauptkirche ist die S. Crucis Kirche. Auch hier wird der gleiche Aufbau verfolgt. Informiert wird über die Stiftung und die beerdigten Märtyrer. Gefolgt von dem zu erwartenden Ablass. Über die zwei Kapellen und Altäre wird zu den Reliquien geschrieben. An besonders Heiligen Tagen gibt es hier die Vergebung aller Sünden. Zudem beinhaltet die Kirche ein Stück vom Heiligen Kreuz, an dem Jesus gekreuzigt wurde. Die siebente Hauptkirche wird Sankt Sebastiani genannt. Neben den beiden Namensgebern ist auch Papst Steffan hier beerdigt. Nachdem ein Engel hier erschienen ist, werden jeden Sonntag im Mai alle Sünden vergeben. Der allgemeine Ablass ist in allen Hauptkirchen derselbe. An besonderen Tagen, Reliquien oder Altären können hier weitere Sünden vergeben werden. Zudem sind in der siebenten Hauptkirche sehr viele, während der Römerzeit verfolgte Christen umgekommen. Dies führt zu einer riesigen Menge an Reliquien. Also hier haben die sieben Hauptkirchen ein Ende. Auf der Karte kann der Weg eines Pilgers, nach der Reihenfolge der Historia et discriptio nachgegangen werden. Hierdurch ist die Vermutung, dass sich diese nach einem praktikablen und einfach zu findenden Weg aufbaut und nicht nach der Bedeutung von Heiligen oder der Kirchen selbst. Der 3. Teil der historia et discriptio führt weitere 76 Kirchen auf. Welche in den verschiednen Quellen ganz unterschiedlich sind. Die hohe Anzahl ist ungewöhnlich. Zudem sind diese meist nur mit wenigen oder gar nur einem Satz beschrieben. Erwähnt wird, dass noch weitere Kirchen und Klöster vorhanden sind, diese aber weniger Bedeutung haben. Einige kleine Hinweise zur Betrachtung der Reliquien werden dem Pilger gegeben. Dann folgt der Kalender mit den Stationskirchen, in denen zu bestimmten Zeiten besonderen Ablass zu erwarten ist. Als erste werden die Kirchen aufgelistet welche an bestimmten Tagen aber das ganze Jahr über als Stationskirchen dienen. Anschließend erfolgen die Namen der Kirchen welche nach Ostern und schließlich im Advent besonderen Nachlass bieten. Seite 33 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ 4. Schluss Was hatten also die Pilgerführer für die Romwallfahrer für Bedeutungen. Eingegangen werden sollte auf dem Aufbau der Pilgerführer. In ihnen entdecken wir die Möglichkeit mehr über die Stadt Rom und seine Bedeutung erfahren zu können. Zu erst einmal wird den Gläubigen geholfen sich zurechtzufinden in einer ihm unbekannten Stadt. Sie halfen ihm seine Frommen Ziele zu befriedigen. Im ersten Teil wird der Pilger davon überzeigt geworden sein, dass Rom Oberhaupt und Zentrum der Christenheit ist. Verwunderlich ist die Fülle der zu erlangenden Ablässe. In den Pilgerführern steht nichts davon wie viele Kirchen besucht werden müssen. Doch konnte sich hier Theoretisch ein Pilger Vergebung der Sünden für hunderte oder sogar tausende von Jahren verschaffen. Gab es nun so viele Schwerverbrecher oder galt dies als Vorbeugung. Die historia et descriptio dienten der praktischen Nutzung und gaben Orientierungshilfe. Diese Art von Reisführen scheint für das Mittelalter einzigartig gewesen zu sein. Die genaue Beschreibung der Kirchengeschichte kann als Beweis für die Bedeutung der Religion gewertet werden. Wobei sie mit modernen Reiseführern durchaus vergleichbar sind. Entsprechend voluminöses zu schaffen Zeugt von der Leistungsfähigkeit und der Intensionskraft der römischen Kirche und deren Gläubigen. 5. Bibliographie Quelle Miederna, Nine Robijentje: Rompilgerführer im Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Tübingen 2003, S. 223- 294 Literatur Beloschnitschko, Swetlana: Deutschsprachige Pilger- und Reiseberichte des 15. und 16. Jahrhunderts. Eine Untersuchung ihrer Themen und ihre Sprache im metalitätsgeschichtlichen Kontext, Osnabrück 2004. Birch, Debora J.: Pilgrimage To Rome In The Middel Ages, Continuity and Change, Woodbridge 1998. Herbers, Klaus u. a. (Hrsg.): Pilgerwege im Mittelalter, Darmstadt 2005. Hülsen, Christian: Mirabilia Rome, Rom Stephan Planck 20. November 1489, Ein römisches Pilgerbuch des 15. Jahrhundert in deutscher Sprache, Berlin 1925. Matheus, Michael (Hrsg.): Pilger und Wallfahrtsstätten in Mittelalter und Neuzeit, Stuttgart 1999. Seite 34 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ Miederna, Nine Robijentje: Rompilgerführer im Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Tübingen 2003. Dies., Die Mirabilia Romae, Untersuchungen zu ihrer Überlieferung mit Editionen der deutschen und niederländischen Texte, Tübingen 2001. Schimmelpfennig, Bernhard; Schmugge, Ludwig: Rom im hohen Mittelalter, Studien zu den Romvorstellungen und zur Rompolitik vom 10. bis zum 12. Jahrhundert, Sigmaringen 1992. Tönnesmann, Andreas: Kleine Kunstgeschichte Roms, München 2002. Seite 35 Seminar „Rom im Mittelalter“ Das Rom der Pilger Ankunft und Aufenthalt in der Ewigen Stadt: Beherbergungsmöglichkeiten für Pilgerreisende, der festgelegte Besuch der sieben Hauptkirchen und die ökonomische Auswirkungen Jochen Mützel 1. Einleitung Im Spätmittelalter gab es viele Anlässe zum Reisen. So reisten beispielsweise Boten, Kaufleute, Handwerksgesellen zum Erwerb des Meistertitels, predigende Mönche. Viele deutsche Patrizier gingen nach Italien und Frankreich, um dort an den berühmten Universitäten zu studieren. Was Pilgerreisen von all diesen Reisegründen abgrenzte, war der angestrebte Kontakt mit religiösen Gedenkstätten am Reiseziel wie z. B. in Jerusalem, Santiago de Compostela und Rom. Mit dem Besuch dieser drei Orte der peregrinationes maiores, aber auch kleinere Orte innerhalb des Heimatlandes, verbanden viele Pilger der damaligen Zeit die Sehnsucht nach einer kontemplativen Begegnung mit den Stätten der Geburt und des Wirken Jesu (Jerusalem), der Wirkunksorte der Apostel Paulus und Petrus (Rom) und des Heiligen Jakobus (Santiago de Compostela). Von einer Pilgerreise erhoffte man sich Heilung von Krankheiten, Linderung der Schmerzen, Erlösung von Kinderlosigkeit, insbesondere aber Vergebung der Sünden und besondere Gnade. Diese Beweggründe der Pilgerfahrten fanden ihren Ausdruck in zahlreichen Reliquien, die man an verschiedenen Pilgerorten erwarb. Sie waren Zeugnis für die vollbrachte Reise und Stolz vieler Pilger. 27Nachfolgend soll in diesem Unterthema die organisatorischen Teile einer Pilgerfahrt bei Ankunft in die Ewige Stadt näher untersucht werden. Die Suche nach einem passenden Quartier ist eine fundamentale Herausforderung für jeden Pilgerreisenden gewesen. Dieser Essay soll im Wesentlichen die Hauptunterkunftsmöglichkeiten in Rom untersuchen und diese detailliert beschreiben. Gleichzeitig wird dabei ein ökonomisches Wachstum innerhalb der Stadt nachgewiesen. Gerade die gut organisierten Unterkünfte welche die Pilgerströme auffingen haben sehr viel dazu beigetragen, dass die Ewige Stadt sich zu einem der drei Hauptpilgerzentren im damaligen Europa entwickeln konnte. Ferner wird ein festgelegtes Programm vorgestellt, welches den Besuch der sieben Hauptkirchen vorsah. 27 Beloschnitschenko, Swetlana, Deutschsprachige Pilger- und Reiseberichte des 15. und 16. Jahrhunderts, Eine Untersuchung ihrer Themen und ihre Sprache im mentalitätsgeschichtlichen Kontext, Der Andere Verlag Osnabrück 2004, S. 24. Seite 36 Das Rom der Pilger 2. Hauptteil 2.1 Das Heilige Jahr - Begriffsdefinition Seminar „Rom im Mittelalter“ In der katholischen Kirche soll das Heilige Jahr der Inneren Erneuerung der Gläubigen dienen und wurde erstmals 1300 gefeiert. Das heilige Jahr wurde zu diesem Zeitpunkt erstmals unter Papst Bonifaz VIII. gefeiert. Es wurde zunächst nur für die Römer als Pilgerjahr ausgerufen. In der Einberufungsbulle, die den Beginn auf den 22. Februar 1300 datiert, sind allerdings noch nicht die Begriffe „Heiliges Jahr“ bzw. „Jubeljahr“ verwendet worden. Zunächst fand ein Heiliges Jahr alle 100 unter Papst Bonifaz VIII. statt, später alle 50, dann alle 33 und schließlich unter Papst Paul II. im Jahr 1470 alle 25 Jahre statt und außerdem zu besonderen Anlässen. Es beginnt mit dem Öffnen der Heiligen Pforte und endet mit deren Schließung. Elemente des Heiligen Jahres sind Pilgerfahrten nach Rom und zu den römischen Kirchen sowie zu anderen zentralen Orten der Christenheit; außerdem das Durchschreiten der Heiligen Pforten und der Erwerb des vollkommenen Jubiläumsablasses, also einer Befreiung von zeitlichen Sündenstrafen. Die Heilige Pforte in Rom spielte seit dem Heiligen Jahr 1400 eine wichtige Rolle. Damals wurde erstmals eine solche Pforte für die Bischofskirche des Bischofs von Rom, die Lateranbasilika erwähnt. In einem Brief aus dieser Zeit heißt es: „Wer dreimal durch diese Pforte schreitet, dem werden die Schuld und Sündenstrafen nachgelassen. Es ist ein Wunder, das die Menschen erleben…“ Die Heilige Pforte wurde bald auf alle vier Papstkirchen in Rom (S. Maria Maggiore, S. Paolo fuori le mura und S. Piestro in Vaticano) ausgedehnt. Durch diese Pforte sollen die Pilger die „Schwelle“ überschreiten, um sich mit zu versöhnen.28 29 2.2 Die sieben Pilgerkirchen Ein jeder Rompilger hat ein festes Programm zu absolvieren wenn er in der Hl. Stadt am Tiber nach oft langem und beschwerlichem Weg ankommt. Es handelt sich dabei um den Besuch der sieben Hauptkirchen. Dies sind San Piettro in Vaticano, San Paolo fuori le mura, San Sebastiano ed Catacumbas, San Giovanni in Laterano, Santa Croce in Gerusalemme, San Lorenzo fuori le mura, ferner Santa Maria Maggiore. Erstmals berichtet die heilige Brigitta im 14. Jahrhundert von deren systematischer Begehung.30 Die Wiederbelebung im 16. Jahrhundert verdankt diese Sitte dem Vorbild des heiligen Filippo Romolo Neri, im deutschsprachigen Raum als Philipp Neri bekannt. Mehrfach im Jahr, „beson28 http://www.radiovaticana.org/tedesco/Vatikanlexikon/storia/anno_santo.htm http://www.dbk.de/stichwoerter/data/00591/index.html 30 Haggenmüller, Martina, Als Pilger nach Rom. Studien zur Romwallfahrt aus der Diözese Augsburg von den Anfängen bis 1900, AV-Verlag Franz Fischer, Augsburg 1993, S. 215-218. 29 Seite 37 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ ders zu Karneval und Ostern, unternahm er Wallfahrten zu den sieben Hauptkirchen Roms, den sich das einfache Volk, später auch Adelige und hohe Geistliche anschlossen. Obschon die Reihenfolge, in welcher man die sieben Kirchen besucht, nicht streng vorgeschrieben ist, ergibt sich diese doch fast von selber, wenn man Lage und Örtlichkeit im Auge behält. Nach dem Besuchte St. Peters im Vatikan am Vorabend, besucht man am nächsten Tag die berühmte Basilika, welche dem heiligen Paulus gewidmet wurde. Diese liegt vor dem Ostiensischen Tor. Wenn man den Weg gerade aus weitergeht erreicht man direkt St. Pauls Basilika. Dabei handelt es sich um die Ruhestätte des Heiligen St. Pauls. St. Sebastian außer der Mauer, eine halbe Stunde vom gleichnamigen Tor dicht an der Appischen Straße, gehört zu den ältesten Kirchen Roms und ist wieder auf den Katakomben erbaut, welche unter dem ganzen Hügel rechts an der Straße sich hinziehen. Wenn man in St. Sebastian seine Andacht verrichtet hat, lenkt man seine Schritte zum Lateranpalast, man muss also wieder bis zum Stadttor auf der Appischen Straße umkehren. Der Platz verlängert sich in der Tiefe mit einer recht angenehm schattigen Allee, welche den Pilgerweg weiter nach der nahen, auf einem kleinen Hügel liegende Kirche: Santa Croce in Jerusalemme (Heilig Kreuz in Jerusalem) mit den mächtigen Klostergebäude nebenan und der berühmten Bibliothek. Die Entfernung von St. Johann im Lateran bis dorthin ist kaum eine kleine Viertelstunde weit. Der Pilgerweg umgeht die antiken Trümmerstädten, und führt zum Tor hinaus längs der Außenmauer bis zum Tor des heiligen Laurentius, eine Viertelstunde wie etwa, führt dann landeinwärts zu der altberühmten, höchstdenkwürdigen Basilika des heiligen Laurentius. Der Hl. Laurentius wird besonders aufgrund seines Märtyrertods besonders in der Stadt Rom verehrt. Diese Kirche ist die sechste Station, die fünfte Patriarchalkirche in Rom. Auf dem Rückweg kommt am zu Maria Maggiore, der letzten Stationskirche in Rom.31 Die Romführer des ausgehenden Mittelalters sind die so genannten Mirabilien, in denen die Bauwerke Roms systematisch aufgezählt werden. Da das Aufkommen der Mirabilia im 12. Jahrhundert mit einem neuerwachten Nationalbewusstsein der Römer, indem sie sich auf die Antike beriefen, zusammenhing, stehen die Bauten aus dem Altertum im Vordergrund. Aber es sind natürlich auch christliche Stätten genannt, die, vielleicht weil sie bekannt waren, das Auffinden der alten Bauwerke erleichterte. Im Spätmittelalter entstanden außerdem Indulgenzlisten, gewissermaßen geistliche Gegenstücke der Mirabilien. In ihnen ist genau festgehalten, wie viele Ablässe und andere Schulderlasse der Rompilger in den sieben Hauptkirchen und anderen Kirchen der Stadt erwarten können.32 31 http://www.buechereien-im-vorgebirge.de/rom/b100.htm Haggenmüller, Martina, Als Pilger nach Rom. Studien zur Romwallfahrt aus der Diözese Augsburg von den 32 Seite 38 Das Rom der Pilger 2.3 Seminar „Rom im Mittelalter“ Ankunft in Rom – Beherbergungsmöglichkeiten für die Dauer des Romaufenthaltes Für alle Rompilger dürfte die erste Handlung gewesen sein, ein entsprechendes Quartier zu finden. Nach oft monatelangen Reisen waren die nun ankommenden Pilger auf eine Unterkunftsmöglichkeit angewiesen in den sie nun mehrere Wochen und Monate leben würden. Im Zuge der zunehmenden Pilgerfahrten stellte sich die Stadt Rom entsprechend auf die hohe Anzahl an Pilger ein. Dies bedeutete gleichzeitig in einem Zeitraum von mehren Jahren eine Verbesserung der Infrastruktur, welche nun explizit auf Pilgerreisen zugeschnitten wurde. Zur Verfügung standen den Pilgern dabei die unterschiedlichsten Wohnmöglichkeiten. Diese waren unter anderem Unterkünfte bei Privatleuten, in Gasthäusern und in Klöstern. Nachfolgend sollen die verschieden Kategorien an Wohnmöglichkeiten in der Stadt Rom beschrieben werden.33 2.4 Die beiden großen Spitäler „Campo Santo Teutonico“ und „Santa Maria dell’Anima“ Für Wallfahrer aus deutschen Ländern stellten die beiden landsmannschaftlichen Niederlassungen in der Stadt, der „Campo Santo Teutonico“ und „Santa Maria dell’ Anima“ der Frage der Unterkunft die zentralen Anlaufstellen dar. Der Campo Santo Teutonico geht auf die Zeit Karl des Großen zurück.34 Damals entstand als eine von vier sogenanten „scholae peregrinorum“, das heißt Fremdenkolonien, die sich bei Sankt Peter niederließen, auch eine „Frankenschola“. Jede dieser Scholen bildete eine eigne Ansiedlung mit Kirche, Spital, Pilgerhospiz und eigenem Friedhof. Außerdem waren sie jeweils von einer Mauer umgeben, da sie ja außerhalb der Stadt lagen. Erst Leo IV. (847-855) ließ um Sankt Peter und das gesamte Gebiet der Scholen eine Mauer, die leoninische Stadtmauer, ziehen. Erstmals treten die Fremdenscholen im Liber Pontificalis urkundlich in Erscheinung, wie sie 799 dem aus dem Frankenreich heimkehrenden Leo III. zur Begrüßung entgegenziehen. Die Gründung der Frankenschola muss sich also vor diesem Zeitpunkt erfolgt sein, ohne dass jedoch eine genaues Datum auszumachen wäre. Wichtigste Aufgabe der Einrichtung war, wie ein Bericht des Abtes Marquard von Prüm an Kaiuser Lothar aus dem Jahr 844 über die Erhebung von Märtyrerleibern aus den Katakomben erwähnt, die Betreuung der Pilger Anfängen bis 1900, AV-Verlag Franz Fischer, Augsburg 1993, S. 196-197. Haggemmüller, Martina. Als Pilger nach Rom. Studien zur Romwallfahrt aus der Diözese Augsburg von den Anfängen bis 1900, AV-Verlag Franz Fischer, Augsburg 1993, S. 229. 34 Gatz, Erwin (Hrsg.): Der Campo Santo Teutonico in Rom. Bd I: Albrecht Weiland: Der Campo Santo Teutonico in Rom und seine Grabdenkmäler, Rom/Freiburg/Wien 1988, S. 45-59. 33 Seite 39 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ aus dem Frankenreich und allen weitern christlichen Ländern. Hinzu kam die Bestattung von Wallfahrern. Die Geschichte des Campo Santo ist in den folgenden Jahrhunderten über weite Strecken hinweg aufgrund mangelnder Dokumente kaum mehr nachzuvollziehen. Die lange Abwesenheit der Päpste in den siebzig Jahren ihrer „Babylonischen Gefangenschaft“, die Schismen und die andauernden Parteienkämpfe des römischen Adels führten im 14. Jahrhundert zu einem regelrechten Verfall der Stadt, von dem diese Anlage gleichfalls betroffen war. Wie schlimm die Verhältnisse noch unter dem Pontifikat Eugens IV. (1431-1447) waren, zeigt eine Nachricht jener Jahre, wonach Füchse und Wölfe, die nachts aus der Campagna hereinbrachen, den Gottesacker verwüsteten. Auch das Hospital des Campo Santo wurde in jenen Wirren in Mitleidenschaft gezogen. Eugen IV. ließ 1446 als Reorganisationsmaßnahme ein Frauenspital erreichten. Wenige Jahre vorher, um 1440 schon, hatte ein gewisser Friedrich Frid aus Magdeburg mit eigenen Mitteln ein Häuschen auf dem Terrain des Campo Santo gebaut, betrieb die Wiederinstandsetzung der halbverfallenen Kirche und kümmerte sich un die Erneuerung des Friedhofs sowie die Bestattung der Armen. Etwa zur selben Zeit rief der Augustinermönch mit Johannes Holdener aus Nürnberg in seiner des Campo Santo eine Armee-Seelen-Bruderschaft ins Leben, die sich unter den besonderen Schutz der Gottesmutter stellte und daher den Namen „Bruderschaft zur schmerzhaften Muttergottes beim Campo Santo Teutonico“ erhielt. Sie widmete sich zum einen der Beisetzung der Verstorbenen, um anderen der Versorgung der Armen und Kranken der Gemeinschaft und der fremden Pilger durch den Unterhalt eines Spitals. Ein Anrecht auf Zugang zum Hospiz sollten, wie bereits erwähnt, Pilger aus sämtlichen Ländern im Herrschaftsbereich Karl des Großen besitzen. Als dann in der Folgezeit die Kaiserwürde an die deutschen Könige überging, beschränkte sich der Einzugsbereich der Wallfahrer auf das Heilige Römische Reich Deutscher Nation.35Santa Maria dell’Anima, die zweite wichtige deutsche Niederlassung in Rom, wurde in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, wohl aus Anlass des Pilgerstromes des Heiligen Jahres 1350, von einem Soldaten in päpstlichen Diensten namens Johannes Peter aus Dordrecht und seiner Frau Katharina gestiftet. Sie besaßen in der Regio Parionis drei Häuser, zwei davon sollten als jeweils gesonderte Einrichtungen für Männer und Frauen der Aufnahme von Pilgern dienen, eines wurde als Oratorium umgestaltet. Schon bald fand sich ein weiterer Wohltäter für die Pilger. Dietrich von Niem, Sekretär an der Kurie, vermachte dem Hospiz, nachdem er schon zu Lebzeiten Schenkungen zu dessen Gunsten getätigt hatte, testamentarisch sieben 35 Haggenmüller, Martina, Als Pilger nach Rom. Studien zur Romwallfahrt aus der Diözese Augsburg von den Anfängen bis 1900, AV-Verlag Franz Fischer, Augsburg 1993, S. 230-231. Seite 40 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ Häuser, einen Weinberg sowie weitere nicht näher benannte Schenkungen („allia bona“). Fast wichtiger noch als die materielle Unterstützung waren seine diplomatischen Aktivitäten für die Einrichtung.36 In seiner Funktion als erster Rektor des Hauses erreichte er, dass Innozenz VII. durch die Bulle „Piae postulatio voluntatis“ vom 21. Mai 1406 die Anima unmittelbar dem Heiligen Stuhl unterstellte. Neben dem Schutz seitens der Kirche erfreute sich die Fundation schon gegen Ende des 15. Jahrhunderts der weltlichen Protektion durch die deutschen Kaiser, angefangen mit Friedrich III. Dadurch dass er und die folgenden Kaiser, die alle Habsburger waren, diese Stiftung förderten und unter ihren Schutz nahmen, ist es zu erklären, dass die Gebäude das habsburgerische Wappen des Doppeladlers trugen, den das Signum der Anlage im übrigen auch heute noch aufweist. In dessen Mitte, über der Brust des Adlers, befindet sich Maria mit dem Kinde, an jeder Seite eine Arme Seele, entsprechend dem Namen des Hospizes, „Maria dell’Anima“. Durch zahlreiche Wohltäter, die dem Institut liegende und bewegliche Güter vermachten, wuchs der Besitz der Einrichtung und damit die Möglichkeit zur karitativen Tätigkeit immer mehr an. Eine besondere Quelle, aus der der Anima Schenkungen zuflossen, stellte dabei die mit der Stiftung verbundene Armen-Seelen-Bruderschaft dar. Um in sie aufgenommen zu werden, galt es nämlich, einen Betrag zugunsten des Hauses zu entrichten. Eine wichtige Erweiterung des Besitzes stellte die Übertragung des Andreashospizes an die Anima dar. Im 14. Jahrhundert hatte es Nikolaus Henrici, ein Priester der Diozöse Culm, als eine wohltätige Niederlassung in Rom gegründet, indem er zur Aufnahme von Pilgern zwei Häuser zur Verfügung stellte, deren Kapazität durch Überlassung weiteren Wohnraumes noch vergrößert wurde Papst Johannes XXIII. Hatte die Stiftung diese „Andreashospitals“ durch die Bulle „Illa quae pietatis opera“ vom Oktober 1412 bestätigt. Wenige Jahre nach Auflassung des Hospizes erfolgte eine Revision der Gebäude, das sich entgegen mancher Befürchtungen in einem überraschend guten Zustand befand. Es wies acht Kammern für die Frauen und dazu zwei große Räume mit zwölf Betten für die Männer auf. Außerdem gab es ein Zimmer für den Kaplan. Die Anima, die Mitte des 15. Jahrhunderts selbst über zwei Räume in einem Neubau mit insgesamt 26 Schlafstätten verfügte, konnte somit ihr karitatives Angebot erheblich erweitern. Speziell zu Heiligen Jahren wurde die Kapazität erhöht, indem man Betten hinzukaufte, beziehungsweise für Notunterkünfte sorgte. Das Geld reichte zudem, um regelmäßig Reparaturen oder baulich notwendige Veränderungen vornehmen zu lassen, so dass sich das Haus innen wie außen recht ansehnlich präsentierte.37 Ferner wählten nicht wenige Pilger Esser, Thomas, Das deutsche Pilgerhaus S. Maria dell’Anima in Rom, Rom 1900, S. 19ff. Haggenmüller Martina, Als Pilger nach Rom. Studien zur Romwallfahrt aus der Diözese Augsburg von den 36 37 Seite 41 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ für die Zeit ihres Aufenthaltes in Rom Gasthäuser als Unterkunft. Schon aus dem 14. Jahrhundert sind einzelne Namen von solchen Herbergen bekannt, deren Zahl sich kontinuierlich vermehrte. Es existierten Häuser verschiedener Qualität, von gehobenen Gasthöfen bis zu Kaschemmen. Vor allem aus Anlass der Heiligen Jahre ergingen wiederholt Anweisungen der Kurie an die Wirte, die von den Rechten und Verpflichtungen der Wirte und ihre Gäste handeln und vor allem auch die moralische Verfassung der Gasthäuser im Auge haben. Viele Gasthäuser lagen um Sankt Peter und im Umfeld des Campo die Fiori, also in Gegenden, die seit alters her den Mittelpunkt des religiösen bzw. weltlichen Lebens der Stadt bildeten. Dabei stellte das Gaststättengewerbe auch eine starke Domäne deutscher5 Zuwanderer dar. Diese fanden offensichtlich bei Reisenden Anklang, nachdem die einheimischen Wirtshäuser bis in 18./19. Jahrhundert in keinem besonders guten Ruf standen. Im 14. Jahrhundert beispielsweise führte eine Gewisse Mathilde de Stella in der Nähe Campo Santo Teutonico ein Haus, „Zum Doppeladler“ genannt, Ende des 15. Jahrhunderts besaß Johann Teufel das Gasthaus „Zur Glocke“.38 2.5 Ökonomische Bedeutung der Pilgerreisen Die ökonomische Auswirkung der Pilgerfahrten dürfte für die Stadt Rom von erheblicher Bedeutung gewesen sein. Seit Einführung des Heiligen Jahres im Jahr 1300 dürfte die Stadt Rom diese Auswirkungen gespürt haben. Wie in den vorangegangen Unterpunkten ausgeführt musste durch die wachsende Anzahl von Pilgerströmen in die Ewige Stadt eine völlig neue Infrastruktur geschaffen werden, um die Pilger in der Zeit ihres Aufernthaltes beherbergen zu können. Die Pilgerbewegungen nach Rom führten hingegen zu einem unwahrscheinlich hohen ökonomischen Aufschwung in der Stadt. Es profitierten davon Gasthäuser und Privatpersonen, welche ihren Wohnraum für die Pilger gegen Entgelt zur Verfügung stellten. Ferner kam es zu Gründung mehrere Spitäler und Orden. Diese hatten oftmals wie oben beschrieben als einzige Aufgabe die Pilgerströme, insbesondere zurzeit der Heiligen Jahre Herr zu werden. Durch die Wallfahrten fand ein interkultureller Austausch statt, von dem beide Seiten, Einwohner und Pilger profitieren konnten. Insbesondere spricht dafür, dass einige Gaststätteneigentümer eine durchaus nicht unprofitable Existenz errichten konnten und so auch eine Heimat im klimatisch angenehmen Rom fanden.39 Die Anfängen bis 1900, AV-Verlag Franz Fischer, Augsburg 1993, S. 237-239. Haggenmüller, Martina, Als Pilger nach Rom Studien zur Romwallfahrt aus der Diözese Augsburg von den Anfängen bis 1900, AV-Verlag Franz Fischer, Augsburg 1993, S. 256-257. 39 Haggenmüller, Martina, Als Pilger nach Rom. Studien zur Romwallfahrt aus der Diözese Augsburg von den Anfängen bis 1900, AV-Verlag Franz Fischer, Augsburg 1993, S.257. 38 Seite 42 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ stets ansteigenden Pilgerzahlen machten sich somit bei vielen Bürgern der Stadt bemerkbar. Neben der Tatsache dass die Einnahmen in der Stadt anstiegen muss man auch die Gründung von Bruderschaften entsprechend Honorieren, welche zum Großteil bis heute bestand haben. Pilgerfahrten waren demnach ein Stückweit Geschäftsreisen, bei denen Verbindungen aufgebaut und Beziehungen hergestellt wurden. Diese Beziehungen dürften von erheblichem Vorteil für unternehmerische Tätigkeiten, insbesondere im Bereich des Warenhandels gewesen sein. 3. Zusammenfassung In dem vorangegangenen Essay sollte auf wichtige organisatorische Dinge einer Pilgerreise nach Rom eingegangen werden. Insbesondere sollte dabei auf die wie beschrieben verschiedensten Unterkunftsmöglichkeiten eingegangen werden. Einen wesentlichen Bestandteil dabei nehmen die Spitäler ein. Für die Wallfahrten aus den deutschen Ländern stellten die beiden landsmannschaftlichen Niederlassungen in der Stadt, der „Campo Santo Teutonico“ und „Santa Maria dell’Anima“ in der Frage de Unterkunft die zentralen Anlaufstellen dar. Diese beiden Unterkunftsmöglichkeiten wurden als zentrale Orte besonders intensiv beschrieben. Darüber hinaus spielten die Gasthäuser eine wichtige Rolle als Wohnmöglichkeit während des Aufenthaltes der Pilgerreisenden in der Stadt am Tiber. Auch der kulturelle Austausch wurde im Sinne von unternehmerischen Gründungen im Gastronomiegewerbe durch ehemalige Reisende verdeutlicht. Außerdem sollte zu Beginn des Essays auch noch einmal auf die Ursprünge der Pilgerfahrten eingegangen werden. Diese liegen vor allem im ersten, später genant Heiliges Jahr. Dabei wurde die aktuelle Erklärung der römisch-katholischen Kirche vorgestellt. Pilgerreisen sind bis in unsere heutige Zeit Bestandteil der Glaubensausübung viele hundert Millionen Menschen. Gerade Pilgerstätten von zentraler Bedeutung wie Rom, aber auch das französische Lourdes, das spanische Santiago de Compostella oder Fatima in Portugal erfreuen sich auf dem europäischen Kontinent nach wie vor hoher Beliebtheit unter den Gläubigen. Daher konnte Rom seine Stellung über die Jahrhunderte als religiöses Zentrum der Christenheit bewahren und ausbauen.40 40 Haggenmüller, Martina, Als Pilger nach Rom. Studien zur Romwallfahrt aus der Diözese Augsburg von den Anfängen bis 1900, AV-Verlag Franz Fischer, Augsburg 1993, S. 37-39. Seite 43 Das Rom der Pilger 4. Seminar „Rom im Mittelalter“ Quellen- und Literaturverzeichnis Abel, Wilheln, Strukturen und Krisen der spätmittelalterlichen Wirtschaft, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart/New York 1980. Appel, Bruno, Hl. Willibald. 787-1987. Künder des Glaubens, Bischöfliches Ordinariat Eichstätt, Eichstätt 1987. 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Gerade für die Menschen des Mittelalters waren die Pilgerreisen nach Rom, in die Ewige Stadt ein durchaus denkwürdiges Ereignis. Die wesentlichste Handlung für die Reisenden war nach Ankunft ein passendes Quartier für die folgende Nacht zu finden. Da der Aufenthalt eines Pilgerreisenden in der damaligen Zeit recht lange andauernde musste man bis zu mehre Wochen oder Monate einkalkulieren, die man in Rom blieb. Die Wahl nach der passenden Unterkunft entschied nicht in wenigen Fällen die ökonomischen Möglichkeiten der jeweiligen Person. Rom bot dazu bereits im 14. Jahrhundert ein weitreichendes Angebot an die verschiedensten Bedürfnisse des potentiellen Kunden an. Das Angebot an Unterkunftsmöglichkeiten war bereits für die damalige Zeit überaus groß. Der Pilgerreisende konnte wählen zwischen einfachen privaten Unterkünften, Spitälern oder Gasthäuser in den unterschiedlichsten Kategorien. Jedoch gab es selbstverständlich auch gut situierte Menschen entsprechende Wohnmöglichkeiten. Im Laufe der Zeit wuchs der Strom der Pilger konstant an. Dies erforderte ein Umdenken der Verantwortlichen in der Stadt. Nun war eine völlig neuartige Infrastruktur im Bezug auf die Pilgerströme gefragt. Es wurden neue Beherbergungsmöglichkeiten geschaffen. Die wesentlichsten waren davon der Campo Santo Teutonico und die Santa Maria dell’Anima, die besonders gerne von Pilgerreisenden aus dem Heiligen Römischen Reich angesteuert wurden. Interessant dabei ist vor allem die historische Entwicklung beider Spitäler im Laufe der Jahrhunderte. Darüber hinaus gab es unzählige Gaststätten, die den Reisenden mit diversen Annehmlichkeiten versorgen konnten. Außerdem gibt wie in den vorangegangen Essay geschildert, sehr deutliche Beweise dafür, dass bereits einige Gasthäuser von Deutschen erfolgreich geführt wurden. Gerade diese Gasthäuser erfreuten sich hoher Beliebtheit bei den Pilgern nördlich der Alpen. Auch darf niemals die ökonomische Dimension und die durch die Wallfahrt nach Rom geschaffenen kulturellen Beziehungen zwischen Rom und den Hauptgebieten des Heiligen Römischen Reiches vergessen werden. Sicherlich konnte oftmals ein Pilgerreisender geschäftliche Verbindungen nach Rom, und natürlich auch umgekehrt aufbauen. Möglichkeiten im Sinne von völlig neuartigen Handelsbeziehungen, welche den einzelnen Kaufleuten in ihren unternehmerischen Seite 48 Das Rom der Pilger Seminar „Rom im Mittelalter“ Operationen einen neuen Horizont verschafften. Die Pilger waren somit ein fest einzukalkulierender Wirtschaftsfaktor, und dies nicht nur für die Gastronomie in Rom. Die Wallfahrten bildeten einen eigen Markt von denen viele Menschen ökonomisch, aber auch kulturell einen Vorteil haben konnten. Im Laufe der Zeit entwickelten sich feste Anlaufziele für die Pilger auf dem Weg nach Rom, in das Heilige Land (Jerusalem) oder nach Santiago de Compostela. Ferner war eine wesentliche Errungenschaft für die Pilger die so genannten Pilgerführer. Diese Schriften sollten dem frühen Pilger eine Hilfestellung geben sich gerade in der doch großen Stadt Rom zurechtzufinden. Ferner war die Aufgabe der Pilgerführer niemals den Weg des Pfades der Frömmigkeit zu verlieren. Im Zentrum der Absicht der Pilgerführer stand, das der Pilgernde niemals vergisst, dass die Stadt Rom das Zentrum der Christenheit ist. Sehr erstaunlich ist die Fülle der Ablassmöglichkeiten. Um eine erhöhten Sündenablass zu erreichen, musste man die im Essay erwähnten sieben Hauptkirchen in Rom besuchen. Jedoch wird der Besuch der Hauptkirchen nicht in den Pilgerführern erwähnt. Die sieben Hauptkirchen bildeten für den Pilger bereits seit dem 14. jahrhundert einen festgeschrieben Plan den er zu bewältigen hatte. Die Pilger mussten diese Kirchen anlaufen und dort gewisse Gebetsformeln wiederholen. In den Anfängen dieser Tradition gab es noch keinen festen Ablaufplan. Dieser etablierte sich erst in späterer Zeit. In diesen sieben Kirchen konnte sich hier theoretisch ein Pilger Vergebung der Sünden für hunderte oder sogar tausende von Jahren verschaffen. Die historia et descriptio dienten der praktischen Nutzung und gaben Orientierungshilfe. Seite 49