Einführung in das Risikomanagement Dr. Romana Edelböck Versicherungsbetriebslehre Grundkurs II WS 2004/05 Einführung in das Risikomanagement Aigner, Elke:8700592 Bedlan, Sylvia: 9408711 Buder, Matthäus: 9952221 Edelmayer, Manfred: 0150494 Hintermeier, Birgit: 0150275 Jankela, Andrej: 9901398 Utku Ülker: 9351537 -1- Einführung in das Risikomanagement Inhaltsverzeichnis 1. Definition von Risiko und Gefahr 1.1. Risiko 1.2. Gefahr Seite 4 Seite 6 2. Die Definition von Sicherheit 2.1. Allgemeine Definition 2.2. Anatomie des Sicherheitsbegriffs 2.2.1. Der formale Sicherheitsbegriff 2.2.2. Der materielle Sicherheitsbegriff 2.3. Das Sicherheitsziel im Unternehmen 2.4. Sicherheitsgüter 3. Risikoträger Seite 7 Seite 7 Seite 8 Seite 9 Seite 10 Seite 11 Seite 13 4.Risikodifferenzierung 4.1. Der Begriff Risiko im Sprachgebrauch der Versicherungswirtschaft 4.1.1. Risiko – Versicherungstechnische Einheit 4.1.2. Risikokollektiv 4.1.3. Objektives Risiko/subjektives Risiko 4.1.4. Reines Risiko/spekulatives Risiko 4.1.5. Moralisches Risiko 4.1.6. Versicherungstechnisches Risiko 5.Kriterien für die Versicherbarkeit von Einzelrisiken 5.1. Kriterium der Zufälligkeit 5.2. Kriterium der Schätzbarkeit 5.3. Kriterium der Eindeutigkeit 5.4. Kriterium der Unabhängigkeit 5.5. Kriterium der Größe Seite 14 Seite 14 Seite 15 Seite 16 Seite 17 Seite 18 Seite 22 Seite 22 Seite 23 Seite 24 Seite 24 Seite 25 6.Risikopolitik – Riskmanagement 6.1. Was ist Risikomanagement? 6.2. Mit welchen Risikotypen beschäftigt sich Riskmanagement? 6.3. Risikopolitik 6.4. Die Gegenüberstellung von Risikopolitik und Riskmanagement 6.4.1. Riskmanagement – Unternehmenspolitik Risikopolitik 6.5. Der Management-Aspekt im Risikomanagement -2- Seite 26 Seite 27 Seite 29 Seite 32 Seite 33 Seite 39 Einführung in das Risikomanagement 6.6. Aufgaben des Risk Managers 6.7. Risikopolitik, Riskmanagement und Versicherung 6.8. Vom Versicherungsmanagement zum Risikomanagement Seite 40 Seite 41 Seite 41 7.Geschichtlicher Rückblick des Risikomanagements 7.1. Der Beginn des Versicherungswesens 7.2. Die Dreißigerjahre 7.3. Die Fünfzigerjahre 7.4. Die Sechzigerjahre 7.5. Die Achtzigerjahre 7.6. Ausblick 8.Ziele des Risikomanagements Seite 44 Seite 44 Seite 45 Seite 45 Seite 46 Seite 47 Seite 49 Seite 49 Seite 50 Seite 52 Teilziel 1 Teilziel 2 Teilziel 3 -3- Einführung in das Risikomanagement 1. Definition von Risiko und Gefahr Risiko ist ein Begriff, der wohl überall im täglichen Leben vorkommt. Dennoch hat jeder eine andere Vorstellung von Risiko und würde es wohl auch unterschiedlich erklären. Generell gibt es hier wohl kein richtig oder falsch, es ist eine Auffassungssache und kommt daher auf die Sichtweise an, wie man zu diesem Begriff steht. Wenn ich über Risiko im täglichen Leben nachdenke, fallen mir Begriffe wie Straßenverkehr, kochendes Wasser, oder elektrische Geräte im Badezimmer ein. Spezieller auf Themengebiete eingegangen sehe ich Risiko im Glücksspiel, etwa beim Roulette, oder auch Kursschwankungen an der Börse. Die Liste der hier möglichen Aufzählungen wäre wohl unendlich lang. Hier stellt sich allerdings die Frage, ob es wirklich Risiken sind, die wir im Alltag als solche bezeichnen, oder ob es sich hierbei um Gefahren handelt. Um diese Abgrenzung etwas zu verdeutlichen, möchte ich nun auf beide Begriffe näher eingehen. 1.1.Risiko Risiko ist nicht nur im Alltag allgegenwärtig, sondern auch aus dem Berufsleben nicht mehr wegzudenken. So heißt es etwa „Die Begegnung mit dem Risiko gehört zu den Standardaufgaben des Wirtschaftslebens.“1 Jede Handlung, unabhängig ob sie geschäftlich oder privat ist, soll ein bestimmtes Ziel erreichen, anders gesagt, man erwartet ein gewisses Ergebnis. Die tatsächlichen Ergebnisse können von dem erwarteten abweichen. Dies kann sowohl positiv, wie auch negativ sein. Die hier entstehende Bandbreite an Möglichkeiten nennt man Risiko. Für die meisten Menschen ist Risiko allerdings negativ geprägt. Sie würden die positive Abweichung als Chance bezeichnen. Die mögliche Ergebnisbandbreite führt uns jedoch zur Risikodefinition nach Farny „Nach dem hier gewählten Sprachgebrauch wird mit Risiko der Sachverhalt bezeichnet, dass eine Entscheidung über ( wirtschaftliches ) Handeln nicht zu einem bestimmten Ergebnis führt, sondern zu einer Wahrscheinlichkeitsverteilung von Ergebnismöglichkeiten.“2 Jedes Ergebnis tritt mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit ein. Die typischen Größen für die Wahrscheinlichkeitsverteilung 1 2 Theil, Michael: Risikomanagement – Stand und Ansätze für die Weiterentwicklung. S. 207 Farny, Dieter: Versicherungsbetriebslehre. Karlsruhe 2000. S. 27 -4- Einführung in das Risikomanagement sind der Erwartungswert und die Streuung, welche man auch berechnen kann, wobei sich die Streuung in Varianz und Standardabweichung unterteilt. Der Erwartungswert wird als µ bezeichnet, und er ist die Summe aller Schadenseintrittswahrscheinlichkeiten mal der jeweils erwarteten Schadenshöhe. Die Streuung wird als benannt, die Varianz ist ² und die Standardabweichung entspricht der Streuung und wird als ² errechnet. Zur Berechnung der Varianz nimmt man die Summe aller Differenzen zwischen dem jeweils erwarteten Schaden und dem errechneten Erwartungswert zum Quadrat multipliziert mit der jeweiligen Eintrittswahrscheinlichkeit. Die Standardabweichung und die Streuung sind die Wurzel aus der Varianz. Haller wiederum geht von einem ganz anderen Ansatz der Risikodefinition aus und schreibt daher „In einer ersten Annäherung können wir nun das Risikoproblem der Unternehmung als die Möglichkeit von Störungen kennzeichnen, welche sich zwischen Unternehmung und Umwelt, in der Unternehmung selbst und natürlich unter dem Aspekt von verschiedenen Sphären vollziehen.“3 Haller unterscheidet drei Umweltsphären, die sich in jedem Risiko widerspiegeln, nämlich: die technologische Sphäre: Sie vertritt den naturwissenschaftlich-technischen Standpunkt und gibt die materielle Basis für alles wirtschaften die ökonomische Sphäre: zeigt volkswirtschaftliche Zusammenhänge für Unternehmen auf die soziale Sphäre: hier geht es um die eigentliche Gesellschaft mit ihren kulturellen, rechtlichen und politischen Sichtweisen. Wenn Haller von möglichen Störungen spricht, meint er nicht einzelne störende Komponenten, sondern ganze Störkomplexe, die einmal stärker und einmal schwächer auf das Unternehmen und seine Umwelt einwirken. Kurz sagt Haller daher über Risiko „Risiko = Möglichkeit, dass sich Erwartungen des Systems Unternehmung aufgrund von Störprozessen nicht erfüllen.“4 Mugler sieht einen direkten Zusammenhang zwischen Sicherheit und Risiko, das heißt wenn man Sicherheit aufgibt, geht man gleichzeitig ein Risiko ein. Er ist sich auch sicher, dass Risiko ein wichtiges Wesensmerkmal eines jeden Unternehmens 3 4 Haller, Matthias: Risiko-Management und Versicherung. S. 8 ebd. S. 13 -5- Einführung in das Risikomanagement ist. Mugler verweist bei der Risikodefinition auf die Entscheidungstheorie nach Knight „Eine Risikosituation liegt demnach dann vor, wenn objektive Wahrscheinlichkeiten für den Eintritt von ( nicht unbedingt zukünftigen ) Ereignissen verfügbar sind.“5 Karten sieht Risiko wieder ein wenig anders und definiert es wie folgt: „Risiko ist als die Unsicherheit über die Ergebnisse wirtschaftlichen Handelns zu verstehen.“6 1.2.Gefahr Gefahr versteht sich versicherungstechnisch als die Möglichkeit einer Bedarfsentstehung. Der Versicherer übernimmt vom Versicherungsnehmer gegen ein vereinbartes Entgelt eine vertraglich fixierte Gefahr, etwa die Gefahr dass das Haus des Versicherungsnehmers von einem Hochwasser vernichtet wird. Farny schreibt über Gefahren wie folgt „Das Wirtschaftssubjekt bzw. seine Objekte werden durch reale Gefahren bedroht, also etwa durch Brände, Einbrüche, Unfälle, Krankheiten. Die Realisation dieser Gefahren bedeutet zunächst einen realen Schaden, z.B. ein brandzerstörtes Haus, gestohlene Gegenstände, unfallbedingte Körperschäden, Erkrankung und Behandlung von Personen.“7 Wenn man sich nun die Definitionen von Risiko und Gefahr nochmals überlegt, kann man nur zu dem Schluss kommen, dass die meisten Situationen, die man einfach mit Risiko betitelt eigentlich Gefahren sind, und dass somit der allgemeine Sprachgebrauch hierin ziemlich unexakt ist. 5 Mugler, Josef: Risk Management in der Unternehmung. Wien 1979. S. 23 Karten, Walter: Risk Management. In: Wittmann, Waldemar et al. (Hrsg.): Handwörterbuch der Betriebswirtschaft. Stuttgart 1993. S. 3827 7 Farny, Dieter: Versicherungsbetriebslehre. S. 33 6 -6- Einführung in das Risikomanagement 2. Definition von Sicherheit Neben dem Risiko gibt es noch ein weiteres wichtiges Objekt des Risikomanagements, nämlich die Sicherheit. Darauf wird im folgenden Teil näher eingegangen. 2.1. Allgemeine Definition Unter Sicherheit kann sich wohl jeder etwas vorstellen, denn Sicherheit ist ein gesellschaftlicher Wert, der aber für jeden von uns etwas anderes impliziert. In diesem Rahmen soll aber keine philosophische Diskussion entstehen, was Sicherheit bedeutet, sondern es soll eine Definition unter dem versicherungstechnischen Aspekt gefunden werden. Sieht man in einem Versicherungslexikon nach, so erhält man folgende Erklärung: Sicherheit ist ganz allgemein und objektiv betrachtet „das Nichtvorhandensein von Gefahr“ und subjektiv gesehen bedeutet Sicherheit „die Gewißheit eines einzelnen, einer Gruppe oder eines Staates, vor möglichen Gefahren geschützt zu sein. […] Sicherheit ist ein elementares versicherungswirtschaftliches Unternehmensziel, […] welches mit anderen Zielen (z.B. Umsatz, Wachstum) in Konflikt stehen kann“8. Auf diesen Aspekt, nämlich in welcher Beziehung das Unternehmensziel Sicherheit mit den anderen Unternehmenszielen steht, soll im Folgenden noch näher eingegangen werden. Zuerst soll aber der Begriff „Sicherheit“ näher analysiert werden. 2.2. Anatomie des Sicherheitsbegriffs In der deutschen Sprache ist das Wort „Sicherheit“ Ausdruck für verschiedene Bedeutungen. In der englischen Sprache werden dafür mehrere Wörter verwendet, wie „certainty“ (im Sinne von Bestimmtheit), „safety“ (aus einer Gefahr in Sicherheit bringen) und „security“ (vor einer Gefahr in Sicherheit sein). Alle diese englischen Wörter werden im Deutschen mit „Sicherheit“ übersetzt. Die Analyse von Mugler geht davon aus, dass es zwei Ausprägungen des Sicherheitsbegriffs gibt: den formalen und den materiellen Sicherheitsbegriff 9: 8 9 Koch, Peter (Hrsg.); Weiss, Wieland: Gabler Versicherungs Lexikon. Wiesbaden 1994. S.771 siehe Mugler, Josef: Risk Management. S.22ff. -7- Einführung in das Risikomanagement 2.2.1. Der formale Sicherheitsbegriff Bei der Definition von Risiko wurde bereits erwähnt, dass Risiko als eine „Wahrscheinlichkeitsverteilung von Ergebnissen einer Aktion“10 interpretiert werden kann. Das heißt, im Falle von Unsicherheit (Risiko) gibt es mehrere Möglichkeiten, wie eine Handlung wirken kann. Hingegen ist Sicherheit im formalen Sinn dann gegeben, wenn „nur eine einzige Zukunftsentwicklung für möglich gehalten wird“ 11 oder wenn „kein Zweifel am Eintreten der zukünftigen Ereignisse“12 besteht. Damit man sicher sein kann, dass eine bestimmte Handlung nur zu einem Ergebnis führt, bedarf es vollkommener Information. Aber genau hier liegt das Problem, denn vollkommene Information ist in der Realität nicht möglich. Somit ist auch Sicherheit real nicht möglich, sondern nur ideal möglich. „Manchmal wird anstelle des Begriffs Sicherheit der die Informationsbezogenheit besser kennzeichnende Begriff Gewißheit verwendet“13. Der Unterschied zwischen diesen beiden Begriffen ist, dass „Gewissheit“ auch die emotionale Ebene des Planenden, dessen Empfindungen und Meinungen beinhaltet. Möchte man Sicherheit nun negativ abgrenzen, kommt sofort wieder der Risikobegriff ins Spiel. Risiko liegt vor, wenn Wahrscheinlichkeiten für den Eintritt von Ereignissen vorhanden sind. Bewusstes menschliches Handeln ist immer von Zielen und Erwartungen geprägt. Genau hier setzt die Risikopolitik an, es wurde untersucht, „durch welche Maßnahmen die Zielverwirklichung sicher gestellt werden könne. […] Mit der Festlegung von Zielen ist untrennbar die Festlegung der Unsicherheit verbunden, mit der dieses Ziel erreicht wird“14. Sämtliche Ausführungen zeigen, dass Sicherheit nicht real existieren kann. Dennoch hat der Begriff für die Risikopolitik insofern Bedeutung, als er Situationen kennzeichnet, „in denen Sicherheit näherungsweise verwirklicht ist, also die Unsicherheit oder das Risiko relativ gering ist“15. Auch wenn Sicherheit nicht real erreichbar ist, ist der Bedeutungsinhalt des formalen Sicherheitsbegriffs dennoch als betriebswirtschaftliche Zielsetzung geeignet, denn auch real nicht erreichbare Zustände können zumindest angestrebt werden. Aber Sicherheit im formalen Sinn kann nicht nur alleine angestrebt werden, sondern muss in Verbindung mit einer weiteren Zielgröße stehen (z.B. optimale 10 Haller, Matthias: Risiko-Management. S.13 Mugler, Josef: Risk Management. S.22 zitiert nach Schneider, Investition S. 66 12 ebd. S.22 zitiert nach Albach, Ungewißheit S. 4036 13 ebd. S.22 14 ebd. S.24 15 ebd. S.28 11 -8- Einführung in das Risikomanagement Gewinnerzielung). So kommt es, dass das Ausmaß der Sicherheit und die Beiträge zum Bezugsziel oft miteinander konkurrieren. Oft steht man vor der „Alternative, entweder mit hoher Wahrscheinlichkeit („Sicherheit“) einen geringen Gewinn (Verlust) oder mit geringer Wahrscheinlichkeit einen hohen Gewinn (Verlust) zu erzielen“16. Je nachdem wie man sich in solch einer Situation entscheidet, spricht man von einer risiko(sicherheits-)neutralen, einer risikofreudigen oder risikoscheuen Einstellung. 2.2.2. Der materielle Sicherheitsbegriff Der formale Sicherheitsbegriff gibt Auskunft darüber, „inwieweit eine Information über einen bestimmten Zustand der Umwelt verläßlich ist. Im materiellen Sinn beschreibt der Sicherheitsbegriff diesen Zustand der Umwelt selbst. Können für eine bestimmte Umweltsituation bestimmte Merkmale identifiziert werden, liegt Sicherheit im materiellen Sinn vor.“17 Sicherheit im materiellen Sinn wird als gesellschaftlicher Wert interpretiert. Das Problem dabei ist, dass jeder einzelne aus diesem Wert unterschiedliche Wertvorstellungen ableitet. Aus diesem Grund sind Werte als Handlungsziele ungeeignet, „weil sie nicht ihrem informativen Gehalt nach, sondern nur ihrer emotionalen Appellqualität nach eindeutig sind“18. Für Kaufmann bedeutet Sicherheit „allgemein das Gegebensein von Werten in der Zukunft“19. Kaufmann unterscheidet dabei drei Konzepte des Sicherheitsbegriffs: Die erste Konzeption sieht Sicherheit als „einen Zustand umfassender statischer Ordnung […], in der die menschliche Psyche durch sichtbare Außengaranten stabilisiert wird. Die zweite Sicherheitskonzeption wird als Systemsicherheit im Sinne herstellbarer, berechenbarer Verfügbarkeit von Mitteln zu beliebigen Zwecken interpretiert. Die dritte Konzeption belegt den Sicherheitsbegriff mit der Bedeutung von Selbstsicherheit.“20 Auch Haller unterscheidet zwischen drei Dimensionen der Sicherheit: äußere Sicherheit, innere Sicherheit und Sicherheit für andere.21 Unter äußerer Sicherheit versteht er den Schutz des Menschen vor Ereignissen, die seine körperliche oder wirtschaftliche Existenz bedrohen. Hier wären als Teilsicherheitsaspekte zum Beispiel die finanzielle Sicherheit oder die 16 Mugler, Josef: Risk Management. S. 28 ebd. S. 28f. 18 ebd. S. 30 zitiert nach Kaufmann, Sicherheit S. 74 19 ebd. S. 31 zitiert nach Kaufmann, Sicherheit S. 340 20 ebd. S. 31 zitiert nach Kaufmann, Sicherheit S. 341 21 ebd. S. 31 zitiert nach Haller, Sicherheit S. 11ff. 17 -9- Einführung in das Risikomanagement Verkehrssicherheit zu nennen. Mit innerer Sicherheit meint Haller das „Sicherheitsgefühl des Menschen, das sich durch Ordnung und Orientierung, seelisches Gleichgewicht, Schutz und Geborgenheit u.ä. ausdrückt. Sicherheit für andere meint schließlich Verläßlichkeit von Personen und Sachen.“22 Erst diese drei Dimensionen zusammen ergeben den gesellschaftlichen Wert „Sicherheit“. Ein negativer Aspekt der Definition von Sicherheit als gesellschaftlichen Wert liegt in der Schwierigkeit, den Begriff zu operationalisieren. Beim formalen Sicherheitsbegriff, der sich mehr auf die Unternehmen bezog, haben wir schon gesehen, dass Sicherheit als Unternehmensziel in einem konkurrierenden Verhältnis zu anderen Zielen steht/stehen kann. Ebenso ist das beim materiellen Sicherheitsbegriff. Denn auch hier kann dieser gesellschaftliche Wert „Sicherheit“ mit anderen gesellschaftlichen Werten, vor allem der Freiheit, in einem Konkurrenzverhältnis stehen. 2.3. Das Sicherheitsziel im Unternehmen Die vorangehenden Ausführungen haben deutlich gemacht, dass der formale und der materielle Begriffsinhalt zu ganz unterschiedlichen Interpretationen der Sicherheit als Unternehmensziel führen. Unter Sicherheit im formalen Sinn versteht man die hohe Wahrscheinlichkeit für das Eintreten von gewünschten Ergebnissen. „Im materiellen Sinn bedeutet Sicherheit das Gegebensein eines Zustandes, der durch bestimmte Merkmale, die gesellschaftliche Wertschätzung genießen, beschrieben wird.“23 Durch die Unterscheidung zwischen formaler und materieller Sicherheit, ist es sinnvoll, das Unternehmensziel Sicherheit in zwei analoge Teilziele aufzuspalten. Durch Gewichtung der Handlungsergebnisse, die angestrebt werden sollen, wird das erste Sicherheitsziel im formalen Sinn konkretisiert. Das zweite Sicherheitsteilziel (Sicherheit im materiellen Sinn) kann im Unternehmen durch Festlegung von Maßnahmen für die Zielerreichung verwirklicht werden (z.B. Definition von Sozialzielen). Grundvoraussetzung, um diese beiden Sicherheitsteilziele zu realisieren, ist der Fortbestand des Unternehmens. Daraus ergibt sich, dass die Erhaltung des Unternehmens ein drittes Sicherheitsteilziel ist. 22 23 Mugler, Josef: Risk Management. S. 31 zitiert nach Haller, Sicherheit S. 14 ebd. S. 33 - 10 - Einführung in das Risikomanagement Die Verfolgung dieser Teilziele, die meist in Konkurrenz zueinander stehen, erfolgt im Rahmen der Unternehmenspolitik. Die kurzfristige Erhöhung der Sicherheit kann sich längerfristig negativ auswirken. Deshalb sollte man berücksichtigen, dass beides Sicherheit und Risiko – Bestandteile des Unternehmens sind und dass das Risiko nicht beseitigt werden kann und soll. 2.4. Sicherheitsgüter „Jede Handlung wirkt in bezug auf eine bestimmte Situation risikogestaltend. […] Die Fähigkeit, Risiken zu gestalten, kann man als Gut im weitesten Sinn bezeichnen.“24 Unter Sicherheitsgütern versteht man nun jene Güter, „die in der Lage sind, Risikosituationen in Richtung höherer Sicherheit zu verändern“25. Dies können sowohl materielle (Feuerlöscher, Airbag, Alarmanlage) als auch immaterielle (Fluchtplan, Notfallplan) Güter sein. Es gibt Sicherheitsgüter, deren Nutzen auf die Sicherheit beschränkt ist, und es gibt multifunktionale Güter, die durch Zweckwidmung zu Sicherheitsgütern werden (Reservegüter). Des Weiteren gibt es noch Güter, die nicht nur Sicherheits- sondern auch andere Bedürfnisse befriedigen (z.B. eine Wand). „26Eine strenge Trennung zwischen reinen Sicherheitsgütern und sonstigen Gütern mit peripherer Sicherheitsfunktion ist nicht möglich und auch nicht relevant“. Dadurch dass durch die Anschaffung und Verwendung von Sicherheitsgütern Kosten entstehen, kann „jedes Sicherheitsgut unter bestimmten Bedingungen zum Unsicherheitsgut“27 werden. Um die gewünschte Risikoveränderung gestalten zu können, ist es notwendig, die Wirkung eines Sicherheitsgutes auf das Risiko zu kennen. Dabei unterscheidet man zwischen Schaden verhütenden (z.B. Schutzbekleidung) und Schaden ausgleichenden (z.B. Feuerlöscher) Sicherheitsgütern, je nachdem ob das Sicherheitsgut die Schadenentstehung bekämpft oder erst die Folgen eines schadenwirksamen Ereignisses mildert. Für einen ökonomisch effizienten Einsatz von Sicherheitsgütern ist es wichtig, die einzelnen Sicherheitsgüter aufeinander abzustimmen und ausreichend Informationen darüber einzuholen, wenn notwendig dann auch von Spezialisten. 24 Mugler, Josef: Risk Management. S. 65 ebd. S. 66 26 siehe ebd. S. 66 27 ebd. S. 67 25 - 11 - Einführung in das Risikomanagement Aktives Risikomanagement befasst sich mit dem Erkennen, Auswählen und Bereitstellen von Sicherheitsgütern. - 12 - Einführung in das Risikomanagement 3. Risikoträger Wer von einem Schaden betroffen sein kann, wird als Risikoträger bezeichnet. Private Haushalte (Einzelperson, Personengruppen, Familien) Unternehmungen (Private, öffentliche) Andere Organisationen (Vereine, Sozialversicherungsträger) Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden) Bsp.: Auf einer nassen Straße in Salzburg kam ein Auto ins Schleudern und stürzt auf die Gleise. Der Lenker und die Mitfahrer konnten aus dem Auto aussteigen, bevor ein Güterzug mit 100 km/h auf den Wagen auffuhr und ihn dabei total zerstörte. Die Lokomotive und zwei Waggons sprangen dabei aus den Gleisen. Durch einen herausspringenden Waggon wurde ein angrenzendes Gartenhäuschen stark beschädigt. Wer aller war von diesem Schadenereignis und seinen Folgen betroffen? Der Fahrer des Autos und seine Mitfahrer Verschiedene (private und öffentliche) Unternehmen: in diesem Fall in erster Linie die ÖBB und die von dem Verlust der beschädigten Transportgüter betroffenen Unternehmungen. Andere Organisationen, z.B. Sozialversicherungsträger für Behandlungskosten und Krankengeld der zwei Leichtverletzten. 28 Gebietskörperschaften durch Beschädigung öffentlichen Vermögen.28 vgl. Jirsa; Oppl: Versicherungslehre. S. 10 - 13 - die Einführung in das Risikomanagement 4. Risikodifferenzierung 4.1. Der Begriff Risiko im Sprachgebrauch der Versicherungswirtschaft 4.1.1. Risiko – Versicherungstechnische Einheit Nicht nur in der Umgangssprache, sondern auch im Sprachgebrauch der Versicherungswirtschaft wird der Begriff „Risiko“ in vielfältiger Weise benutzt. So wird häufig der Versicherungsnehmer als „Risiko“, oder auch die von ihm versicherten Sachen, Vermögen oder Interessen als „versicherte Risiken“ bezeichnet. Des Weiteren benennt man auch häufig Versicherungsverträge als „Risiken“. Das versicherte Einzelrisiko, für das Versicherungsschutz gewährt wird, lässt sich auch als versicherungstechnische Einheit bezeichnen. Dieser Begriff ist wichtig, um dadurch eine Verwechslungsmöglichkeit zwischen Versicherungsvertrag und einzelnem „Risiko“ zu vermeiden. Es gibt daher Versicherungsverträge mit einer (zB Einzellebensversicherung), mit mehreren (z.B. Feuerversicherung verschiedener Sachen) und mit vielen (z.B. Gruppenversicherung, Versicherung großer Fahrzeugflotten) versicherungstechnischen Einheiten. 4.1.2. Risikokollektiv Die Versicherungsbetriebslehre geht davon aus, dass Schadensereignisse, die bei einer Versicherungstechnischen Einheit sehr unregelmäßig auftreten, bei einer größeren Menge von Versicherungstechnischen Einheiten im Durchschnitt regelmäßig vorkommen. Wird im Versicherungsgeschäft eine Regelmäßigkeit der Schadenereignisse bei einer bestimmten Menge von versicherungstechnischen Einheiten vermutet oder hat man gar eine solche Regelmäßigkeit über einen Zeitraum beobachtet, so fasst man möglichst viele dieser versicherungstechnischen Einheiten in einem so genannten Risikokollektiv zusammen. Die Versicherungswirtschaft lebt davon, solche statistische Gesetzmäßigkeiten von Schadenereignissen festzustellen und Kollektive von Einzelrisiken zusammenzustellen, bei denen sich die Unregelmäßigkeit von Schäden der einzelnen versicherungstechnischen Einheiten in der Gesamtheit möglichst gut ausgleichen. - 14 - Einführung in das Risikomanagement 4.1.3 „Objektives“ Risiko/„subjektives“ Risiko Bei der Einteilung in solche Kollektive sollte man möglichst „objektiv“ vorgehen, um „subjektive“ Einflüsse der versicherungstechnischen Einheiten auf den Schadenverlauf so weit wie möglich auszuschalten. In der Versicherungswirtschaft will man mit der Bezeichnung „großes subjektives Risiko“ ausdrücken, dass der Einfluss der versicherungstechnischen Einheit auf die Möglichkeit, Schäden zu verursachen oder die Höhe der Schäden zu beeinflussen, groß sei. Für den Versicherer ist es in diesen Fällen schwierig bis unmöglich, die beeinflussbaren Schadenursachen im Vorhinein richtig zu kalkulieren, da das Risikoverhalten der einzelnen versicherungstechnischen Einheiten unterschiedlich sein kann und somit schwer prognostizierbar ist. Subjektive Risikomerkmale sind vom menschlichen Verhalten, darüber hinaus von menschlichen Fähigkeiten abhängig (z.B.: guter/schlechter Autofahrer). Da die Bandbreite der subjektiven Risikomerkmale sehr groß ist, sind sie auch nur schwer quantifizierbar. „Objektive Risiken“ sind unter diesem Blickwinkel Sachverhalte, die vom menschlichen Verhalten unabhängig sind. Dazu zählen vor allem Eigenschaften von Sachen (z.B. Bauart von Gebäuden, technische Merkmale von Kraftfahrzeugen) und Personen (z.B. Alter, Geschlecht, Familienstand). Diese objektiven Schadenursachen reichen jedoch meist nicht aus, um vor der Prämienberechnung den Einfluss der versicherungstechnischen Einheit auf die potentiellen Schäden exakt kalkulierbar machen zu können. - 15 - Einführung in das Risikomanagement 4.1.4 „Reines“ Risiko/„Spekulatives Risiko“ Abb.: Systematik des Risikobegriffs29 In der Versicherungslehre gibt es die Kriterien der Versicherbarkeit, auf diese wir in Kapitel fünf unserer Arbeit näher eingehen werden. Bis vor kurzem galten nur solche Tätigkeiten und Ereignisse als „versicherbar“, die ausschließlich negative Konsequenzen für den Versicherungsnehmer haben können und die zufällig sind, was heißt, dass der Eintritt des Versicherungsfalls weder vom Versicherungsunternehmen noch vom Versicherungsnehmer beeinflusst werden kann. Solche Risiken werden als „reine Risiken“ bezeichnet. Das heißt, es besteht hier lediglich eine Verlust-, aber keine Gewinnmöglichkeit für den Versicherten: Die Beschädigung oder Zerstörung eines Pkws führt zu einem finanziellen Verlust. Keine Beschädigung oder Zerstörung führt dagegen nicht zu einem finanziellen Gewinn. Diese Sichtweise entspricht jedoch nur einer Seite der Medaille, denn damit ein Versicherungsunternehmen überhaupt bereit ist, den Versicherungsfall finanziell zu entschädigen, muss mit dem Risiko auch eine Chance auf Gewinnerzielung verbunden sein, und zwar für die Anbieter von Versicherungsschutz. In der Prämie, die der Versicherungsnehmer an den Versicherungsanbieter zu zahlen hat, steckt in der Regel auch ein Gewinnzuschlag. Somit haben die übernommenen Risiken für das Versicherungsunternehmen durchaus spekulativen Charakter, das heißt, sie bieten Gewinnmöglichkeiten. 29 Kless T., 1998. S. 93 - 16 - Einführung in das Risikomanagement Letztendlich versicherbar ist folglich alles, wofür es ein Angebot an Versicherungsschutz gibt und eine Nachfrage, die sich mit dem Angebot zumindest teilweise deckt und das ist nicht zuletzt auch eine Frage des Preises. Der Begriff des Risikos wird deshalb zu eng gefasst, wenn man lediglich die möglichen negativen Folgen betont. Reine Risiken: Beschädigung von Sachen (durch Brände, Naturgewalten, technische Defekte,...) Vernichtung von Software Haftpflichtschäden Rechtsschutzkosten Forderungsausfälle Diese (Sachschaden)Risiken lassen sich im gewissen Rahmen kontrollieren und auch versichern. Das spekulative Risiko, auch als Risiko im weiteren Sinne bekannt, entsteht aus dem unternehmerischen Handeln, welches sich als Vermögen steigernd oder – mindernd auswirken kann. Eine weitere Unterteilung des spekulativen Risikos erfolgt in die Verlustgefahr, auch als Risiko im engeren Sinne bekannt und das Gegenteil, die Chance. Zu den spekulativen Risiken gehören z. B. die Möglichkeiten von Gewinn und Verlust durch Investitionen (in Aktien), Markteinflüsse, Wechselkursschwankungen, politische Rahmenbedingungen oder auch Wetten auf Pferderennen oder Unternehmensgründungen. Derartige Risiken sind nur äußerst schwer zu kontrollieren und sind auch nicht versicherbar. 4.1.5 Moralisches Risiko Wie auch das subjektive Risiko bezieht sich das moralische Risiko auf das Risikoverhalten der versicherungstechnischen Einheiten. Während sich das subjektive Risiko auf die personenabhängigen, nicht objektivierbaren Schadenursachen bezieht, zielt das moralische Risiko auf die Änderungen des - 17 - Einführung in das Risikomanagement Risikoverhaltens der versicherungstechnischen Einheiten nach Versicherungsvertragsabschluss ab. Im Grunde geht es darum, dass sich Versicherungsnehmer nach einem Vertragsabschluss leichtfertiger verhalten und sich weniger darum bemühen, Schäden zu vermeiden, weil sie ja versichert sind. Es besteht somit für ihn kein Anreiz, den persönlichen Schadenaufwand zu minimieren, da der Schaden vom Versicherungsunternehmen getragen wird und ihn somit nur indirekt belastet. Jedoch kommt es bei diesem Verhalten zu erhöhten Schadenaufwendungen im Kollektiv, was zu Verlusten des Versicherungsunternehmens führt und sich schließlich auch in Prämienerhöhungen niederschlägt. Beispiele: • Feuerversicherung: Der Versicherte kann Brandschutzmaßnahmen ergreifen, die die Wahrscheinlichkeit eines Brandes oder die Höhe des Schadens im Brandfall verringern. • Autohaftpflicht: Der Versicherte kann vorsichtig oder weniger vorsichtig fahren. • Krankenversicherung: Der Versicherte kann eine mehr oder weniger gesunde Lebensweise pflegen, mehr oder weniger häufig zum Arzt gehen, etc. Versicherungen reagieren auf das moralische Risiko in folgender Weise: • Ausschlussklauseln: Die Versicherung zahlt nicht bei nachgewiesenem “Fehlverhalten” der Versicherten. Problem: Die Versicherung kann das Verhalten des Versicherten nicht perfekt kontrollieren. Außerdem verursacht eine Überwachung zusätzliche Kosten. • Selbstbeteiligung: Der Versicherte zahlt einen Teil des Schadens selbst. Problem: Je größer die Selbstbeteiligung, umso kleiner ist der Anreiz zu Fehlverhalten, aber umso größer auch das Risiko, das der Versicherte selbst tragen muss. 4.1.6 Versicherungstechnisches Risiko Dem Versicherungsunternehmen kann das Zusammenführen von Versicherungstechnischen Einheiten zu einem Kollektiv nie so gut gelingen, dass der Versicherer keine Schwankungen mehr zu tragen hat, denn dazu müsste der Schadenverlauf dieses Kollektivs genau prognostizierbar sein. - 18 - Einführung in das Risikomanagement Das heißt, dass auch bei einem sehr großen Kollektiv der Schadenaufwand von Versicherungsperiode zu Versicherungsperiode schwankt. Dieses arteigene Risiko bezeichnet man als Versicherungstechnisches Risiko. „Das Versicherungstechnische Risiko ist somit die Gefahr, dass für einen bestimmten Zeitraum der Gesamtschaden des versicherten Bestandes die Summe der für die reine Risikoübernahme zur Verfügung stehenden Gesamtprämie inkl. des vorhandenen Sicherheitskapitals übersteigt.“30 Die Abweichung des kollektiven Effektivwerts der Schäden von dem geschätzten Erwartungswert kann durch unterschiedliche Einflüsse verursacht werden: a) Zufallsrisiko „Der kollektive Effektivwert der Schäden weicht vom geschätzten Erwartungswert ab, weil zufällig besonders viele/wenige Versicherungsfälle und/oder zufällig besonders hohe/niedrige Einzelschäden eintreten.“ 31 Beispiele: 1. Ein und dasselbe Ereignis löst gleichzeitig Schäden bei mehreren oder vielen Risiken aus = Kumulrisiko Münchner Hagelsturm 1984: In nur 15 Minuten wurden unter anderem 200 000 Kraftfahrzeuge, 70 000 Wohngebäude, 150 Flugzeuge und zahlreiche landwirtschaftliche Kulturen mit einem versicherten Gesamtschaden von 1,5 Mrd. DM zerstört oder beschädigt. Andere Beispiele sind Kollisionen mehrerer Schiffe, Flugzeuge oder Fahrzeuge, die zufällig bei einem Versicherer kaskoversichert sind. 2. Eine zweite Art des Zufallsrisikos stellt das Ansteckungsrisiko dar, wenn durch ein und dasselbe Ereignis nacheinander Versicherungsfälle bzw. Schäden zu mehreren Versicherungstechnischen Einheiten ausgelöst werden. Beispiele sind ansteckende Krankheiten in der Krankenversicherung oder das Übergreifen von Bränden auf benachbarte Gebäude. 30 31 Helten, Elmar; Karten, Walter: Das Risiko und seine Kalkulation. Aufsatz 6a. 1991 Farny, Dieter: Versicherungsbetriebslehre. S. 85 - 19 - Einführung in das Risikomanagement b) Änderungsrisiko „Der kollektive Effektivwert der Schäden weicht vom geschätzten Erwartungswert ab, weil sich die Wahrscheinlichkeitsverteilung des Gesamtschadens nach dem Zeitpunkt der Schätzung, also in unvorhersehbarer Weise ändert.“ 32 Beispiele: Natur: klimatische oder (z.B. Sturm- Hagel-, Regen-, Lawinen-, Hitzeschäden) oder geologische (Erdbebenschäden) Veränderungen. Technik: technische Veränderungen im Bereich der Güterproduktion, von allem bei Werkstoffen, Produktionsverfahren und Produkten (z.B. Ersatz von Metallen durch Kunststoffe, Eratz von menschen- durch computergesteuerte Fertigung) Zwischenstaatliche Beziehungen: Veränderungen im Verhältnis der Staaten zueinander, von allem im wirtschaftlichen Bereich, darüber hinaus die Wahrscheinlichkeit von Kriegen) biometrische Parameter: Sterblichkeit bzw. Lebenserwartung Die Zunahme der Lebenserwartung, verbunden mit hohen Kosten für Alterskrankheiten und Alterspflege erhöht die Versicherungsleistungen in den Erlebensfallversicherungen, den Kranken- und Pflegeersicherungen, senkt dagegen die Versicherungsleistungen in den Todesfallversicherungen. c) Irrtumsrisiko Die Erklärungsmodelle für Zufalls- und Änderungsrisiko gehen davon aus, dass die Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Schäden einzelner Risiken und des gesamten Versicherungsbestands bekannt sind. In der Realität ist diese Bedingung praktisch niemals vollkommen erfüllt. Der Versicherer agiert in der Regel mit unvollständigen Informationen. Es besteht somit eine Möglichkeit, dass der erfasste Effektivwert der Schäden vom geschätzten Erwartungswert abweicht, wenn die Schätzung der 32 siehe Farny, Dieter: Versicherungsbetriebslehre. S. 85 - 20 - Einführung in das Risikomanagement Wahrscheinlichkeitsverteilung des Gesamtschadens mit Fehlern behaftet ist – dies wird als Irrtumsrisiko bezeichnet. Nicht zum Irrtumsrisiko gehören zum Beispiel Fehler bei der Auswertung von statistischem Material. - 21 - Einführung in das Risikomanagement 5. Kriterien für die Versicherbarkeit von Einzelrisiken Es ist allgemein bekannt, dass nicht jede Risikolage eines Nachfragers versichert werden kann. Zudem gibt es keine allgemeinen Kriterien, die eindeutige Grenzen der Versicherbarkeit ziehen. Pragmatisch kann einfach festgestellt werden, dass versicherbar ist, wofür in der Welt Versicherungsschutz gefunden werden kann, und unversicherbar ist im exakten Gegensatz dazu ein Risiko, für das keine Deckung angeboten wird. Folgende Faktoren beeinflussen den Versicherer bei seiner Entscheidung über die Versicherbarkeit: Ziel und subjektives Risikoverhalten des Versicherers Struktur seiner Gesamt-Risikosituation Die erzielbare Prämie Die Eigenschaften der zu versichernden Zufallsvariablen33 Ob das Einzelrisiko versicherbar ist, muss es anhand fünf Kriterien untersucht werden: 1. Zufälligkeit 2. Schätzbarkeit 3. Eindeutigkeit 4. Unabhängigkeit 5. Größe 5.1. Kriterium der Zufälligkeit „Mit dem Kriterium Zufälligkeit werden die notwendige Ungewissheit über Entstehung und/oder Zeitpunkt und/oder Größe des Schadens sowie die Unabhängigkeit des Versicherungsfalls vom Willen oder Verhalten des Versicherungsnehmers angesprochen.“34 33 34 siehe Helten, Elmar; Karten, Walter: Das Risiko und seine Kalkulation. 1991. S. 206f. Farny, Dieter: Versicherungsbetriebslehre. S. 38 - 22 - Einführung in das Risikomanagement Es versteht sich von selbst, dass ein sicheres oder ein unmögliches Ereignis nicht sinnvoll Gegenstand eines Versicherungsvertragessein können. Für die Ungewissheit, kommt es allein auf die Kenntnis des Entscheidenden an. Was zählt, ist die Unabhängigkeit des Versicherungsfalles vom Willen des Vertragspartners. Dort wo ein Anreiz zur Manipulation von Schadeneintritt und Schadenhöhe besteht, kann man die Versicherungsverträge so gestalten, dass die Versicherungsfälle doch vom Zufall bestimmt werden. Es werden sogar Ereignisse versichert, die unmittelbar und bewusst durch den Willen des Versicherten ausgelöst werden, wie zum Beispiel bei Heirat, Entbindung und Selbstmord nach Ablauf der Karenzzeit. Um diese Störungen in versicherbaren Grenzen zu halten, müssen die Anreize zur Manipulation unterdrückt und Sanktionen eingeführt werden. Das geschieht durch Selektion und Gestaltung der Einzelrisiken, welche eine sorgfältige Festlegung des Versicherungsfalles und eine vorsichtige Bemessung der Versicherungsleistung erfordert. Das Einzelrisiko kann durch das moralische Risiko beeinflusst werden. „Die Grenze der Versicherbarkeit ist in Bezug auf das Kriterium der Zufälligkeit fließend.“35 5.2. Kriterium der Schätzbarkeit Das Kriterium der Schätzbarkeit verlangt, dass das Einzelrisiko nicht nur eindeutig beschrieben, sondern auch in rechenbaren Zahlen, insbesondere Wahrscheinlichkeiten erfasst werden kann. „Die Informationen für die Schätzung stammen aus vielen Quellen, besonders aus dem innerbetrieblichen Rechnungswesen des Versicherers, aus überbetrieblichen Schadenstatistiken oder aus speziellen Risikoanalysen.“36 Wenn eine Prämie nicht schätzbar ist, kann es auch zur Ablehnung der Versicherung führen. Es ist in solchen Fällen einfach nicht genügend Information über die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Zufallsvariablen für den Versicherer verfügbar. Gründe für die Unversicherbarkeit können weiters Schätzfehler bei der Messung der Wahrscheinlichkeit und auch die subjektive Risikoentscheidung sein. „Letztlich liegt also eine subjektive Schätzung vor, die mehr 35 36 Helten, Elmar; Karten, Walter: Das Risiko und seine Kalkulation. S. 208f. Farny, Dieter: Versicherungsbetriebslehre. S. 38 - 23 - Einführung in das Risikomanagement oder weniger durch objektive Erfahrungen gestützt wird. Der Versicherer muss selbst entscheiden, ob ihm die Qualität der Schätzung genügt.“37 5.3. Kriterium der Eindeutigkeit „Das Kriterium der Eindeutigkeit stellt auf die zahlenmäßigen Ausprägungen der Zufallsvariablen und die Definition der sie auslösenden Ereignisse ab.“38 „Sowohl die Merkmale des Versicherungsfalls als auch die des versicherten Schadens, in der Sprache der Praxis also versicherte Gefahren, Sachen und Schäden, sind materiell und formalrechtlich im Versicherungsvertrag genau zu definieren, damit die Versicherungsleistungen nach Eintritt eines Versicherungsfalls eindeutig bestimmbar sind.“39 Zudem muss eindeutig festgelegt werden, welcher Geldbetrag bei welchem Ereignis zu leisten ist. Wo es schwierig ist, einen Schaden durch einen äquivalenten Geldbetrag auszudrücken, wie zum Beispiel in der Lebensversicherung, wird die Versicherungsleistung als eine feste Summe festgelegt. Außerdem bieten gesetzliche Normen der Allgemeinen und Besonderen Versicherungsbedingungen generelle Regeln, auf die im Einzelfall Bezug genommen wird. 5.4. Kriterium der Unabhängigkeit „Es soll möglichst keinen systematischen Zusammenhang derart geben, dass durch ein Ereignis zufällig die Schadenrealisation bei mehreren, vielen oder allen versicherungstechnischen Einheiten ausgelöst wird. Sei es gleichzeitig, wie zum Beispiel bei Kumulrisiko, wenn es bei einem Schadenereignis mehrere Einzelrisiken betroffen sind (Zusammenstoß von Fahrzeugen) oder nacheinander wie bei einem Ansteckungsrisiko (Epidemien in der Krankenversicherung).“40 37 Helten, Elmar; Karten, Walter: Das Risiko und seine Kalkulation. S. 210f. ebd. S. 210 39 Farny, Dieter: Versicherungsbetriebslehre. S. 38 40 siehe ebd. S. 39 38 - 24 - Einführung in das Risikomanagement „Schwankende Grundwahrscheinlichkeiten beschreiben die Erscheinung, dass die mittleren Schadenhäufigkeiten in einem Bestand sich im Zeitablauf nicht gleichmäßig verhalten, sondern ihrerseits manchmal erheblichen Zufallsschwankungen unterliegen, die aber dann das gesamte Kollektiv zugleich treffen (Sturm – und Hagelversicherung).“41 5.5. Kriterium der Größe Als Größe des Einzelrisikos ist der Betrag der höchstmöglichen Versicherungsleistung zu verstehen. „Sehr große Einzelschäden führen nämlich zu einer starken Streuung der Gesamtschadenverteilung im Versicherungsbestand, insbesondere wenn sie […] äußerst selten eintreten (z.B. Verseuchungsschaden durch eine Atomanlage). Als Folge sehr hoher Einzelschäden könnten große Verluste im Versicherungsgeschäft, in Extremfällen sogar der Ruin des Versicherungsunternehmens eintreten.“42 Nicht alle Risiken können in voller Höhe versichert werden, weil eine begrenzte Deckungssumme bereitgestellt werden kann, welche von der Höhe der Sicherheitsmittel der Versicherer abhängt. Die Schadenssumme wird meistens begrenzt, damit die versicherbaren Risiken teilweise gedeckt werden können. Zusammengefasst können wir sagen, dass die Versicherbarkeit von drei Faktoren abhängt, und zwar von der Zufälligkeit der versicherten Ereignisse, Ausmaß der Versicherungsleistungen und erzielbarer Preis für den Versicherungsschutz. „Zudem kommt es immer auf die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Zufallsvariablen an.“ 43 41 Helten, Elmar; Karten, Walter: Das Risiko und seine Kalkulation. S. 212 Farny, Dieter: Versicherungsbetriebslehre. S. 39 43 Helten, Elmar; Karten, Walter: Das Risiko und seine Kalkulation. S. 213f. 42 - 25 - Einführung in das Risikomanagement 6. Risikopolitik – Riskmanagement 6.1. Was ist Risikomanagement? „Der Begriff des Risk Management entstammt weder einer theoretischen Konzeption noch wissenschaftlichem Anspruch. Er entwickelte sich in der Praxis amerikanischer Industriebetriebe und ist seit den 70 er Jahren auch im deutschen Sprachraum verbreitet. Die Stufe des Risk Managers war erreicht, als die systematische Risikoanalyse und der Einsatz alternativer Maßnahmen neben der Versicherung den Funktionsbereich erweiterten. Diese Herkunft prägt heute überwiegend das allgemeine Verständnis von Risk Management in der Praxis. Das deutsche bwl. Schrifttum (beginnend mit Haller) ist weniger auf die unmittelbare Praxis ausgerichtet, sondern entwirft theoretische Konzepte (z.B. Mugler) oder Anwendungen für spezielle Problemlösungen. Häufig wird dabei dem überkommenen Risk Management ein Risiko-Management im weiterem Sinn gegenübergestellt, das alle risikobehafteten Entscheidungen in der Unternehmung umfasst und auch als integrierte Aufgabe einer risikobewussten Unternehmungsführung bezeichnet wird.“ 44 „Es gibt viele Faktoren, die die Einstellung zum Risiko und die Struktur der Risiken ändern, neue Risiken entstehen und andere in den Hintergrund treten lassen. Einige dieser Faktoren sind: steigender Wohlstand, allgemeine Öffnung der Bildungsstätten für jedermann, Ausbau der staatlichen Sozialpolitik, technischer Fortschritt, Verknappung der natürlichen Rohstoffe, Umweltbeeinträchtigungen und verstärke weltweite gegenseitige Abhängigkeit.“45 „Risk Management kann nicht von der Befreiung des Menschen oder einer gesellschaftlichen Institution von allen Risiken handeln. Risk Management handelt vielmehr vom Austausch einzelner Risiken. „46 „In der Unternehmung muss immer wieder über die Zusammensetzung des Portefeuilles von Risiken entschieden werden.“ 47 „Es ist naheliegend, das Risk Management auf der Entscheidungstheorie aufbaut.“ 48 44 Karten, Walter: Risk Management. S. 3825 Stremitzer, Heinrich: Risikopolitik und Risk Management. In: Versicherungsrundschau. 1977. S. 22 46 Mugler, Josef: Risk Management. S. 3 47 ebd. S. 3 48 Karten, Walter: Risk Management. S. 3826 45 - 26 - Einführung in das Risikomanagement „Mit zunehmender Größe der Unternehmung und zunehmender Heterogenität der Umwelt und der Interessen der Unternehmungsbezugsgruppen nimmt jedoch die simultane Überschaubarkeit der Risikosituation ab. Es vergrößert sich die Gefahr, dass über Akzeptieren oder Austauschen von Risiken entweder überhaupt nicht bewusst oder widersprüchlich entschieden wird. Zur Bewältigung dieses Problems wird in der Unternehmung eine Hierarchie von Entscheidungsebenen geschaffen, in der die jeweils übergeordnete Ebene der nachgelagerten Entscheidungsrichtlinien vorgibt. Auf allen Entscheidungsebenen lassen sich Aufgabenbereiche abgrenzen, in deren Rahmen Risikosituationen gestaltet werden. Unterhalb der obersten Entscheidungsebene erfolgt die Aufgabenabgrenzung in der Regel nach Sachgebieten (nach Funktionen und/oder Produkten). Durch das Risk Management wird die Handhabung von bestimmten Risiken aus den so gebildeten Aufgabenbereichen herausgelöst und in einem eigenen Aufgabenbereichen zusammengefasst.“ 49 „Das Instrumentarium des Risk Management ist grundsätzlich in der Lage, zur Erreichung jeder denkbaren Zielsetzung beizutragen. Beispielsweise kann durch Qualitätskontrollen oder durch Kreditversicherungen zur Erreichung von Absatzzielen beigetragen werden. Schließlich ist dieses Konzept des Risk Management in der Lage, Beiträge zur Erhöhung der Sicherheit von Personen (der Mitglieder aller Unternehmungsbezugsgruppen) zu leisten.“ 50 6.2.Mit welchen Risikotypen beschäftigt sich Risk Management? Es gibt verschiede Meinungen über den Gegenstand des Risk Management. „Es entspricht der Tradition der Risk Management Literatur eine Abgrenzung dieser Risiko-Teilpolitik durch Benennung jeder Risiken vorzunehmen, die in ihren Gestaltungsbereich fallen.“51 In älterer Literatur können wir die Gliederung über die Risikoarten von Mehr und Hedges, Rosenbloom, Carter und Doherty, Williams und Heins finden. „Bei Mehr und Hedges fällt die besondere Betonung der Schadendimensionen auf, die aber letztlich als Abgrenzungskriterium nicht befriedigen können, weil sie auf die finanzielle Dimension von Risiken beschränkt bleiben. In der Gliederung von Rosenbloom fällt auf, dass Personenrisiken nicht Gegenstand des Risk Management 49 Mugler, Josef : Risk Management. S. 3 ebd. S. 4 51 ebd. S. 52 50 - 27 - Einführung in das Risikomanagement sind. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit jenen Risikoarten, die dem Risk Management zugeordnet werden, findet man bei Carter und Doherty. Aus der Abgrenzung von Doherty und Carter geht hervor, dass reine Wertminderungen nicht in den Aufgabenbereich des Risk Management gerechnet werden. Nach dieser Auffassung befasst sich das Risk Management nicht mit Risikoursachen wie Konjunkturschwankungen, Wechselkursschwankungen, Inflation, technischer Forschritt, Änderungen des Konsumentengeschmacks und Folgen der Entdeckung neuer Rohstoffquellen und Marktrisiken. Nach Williams und Heins ist das Risk Management für die Handhabung der meisten reinen und statischen Risiken zuständig. Daneben fallen aber auch einige dynamische und spekulative Risiken in die Kompetenz des Risk Management. Williams und Heins halten auch die Abgrenzung nach versicherbaren oder quasi versicherbaren Risiken für ausreichend exakt.“ 52 „Eine Typisierung von Risiken […] wurde von Haller vorgenommen. Es handelt sich dabei um eine Unterscheidung, die nicht sachlogischer, sondern psychologischer Natur ist. Die beiden sich danach ergebenden Risikotypen nennt Haller Aktionsrisiken und Bedingungsrisiken.“53 „Müller und Seifert ordnen dem von ihnen auf organisationstheoretischer Grundlage entworfenen Risk Management- Konzept jene Risiken zu, denen Handhabung Spezialwissen und/oder koordinative Maßnahmen verlangt. […] Welche Risiken in die Kompetenz des Risk Management fallen, ist vielmehr situativ bedingt.“54 „Die Nachteile der älteren Abgrenzung liegen vorwiegend in ihrer logisch unbefriedigenden Fundierung. Bei den jüngeren Abgrenzungen fällt dieser Einwand weg, allerdings bleibt wegen ihres hohen Abstraktionsniveaus vorläufig die Frage nach ihrer praktischen Eignung unbeantwortet.“ 55 Mugler verwendet als Abgrenzungskriterium die theoretische Versicherbarkeit von Risiken. „Infolge des pragmatischen Ansatzes des „Risk Management“ stehen die finanziellen Hauptziele des Risikoträgers im Vordergrund und ebenso seine finanziellen Sicherheitsziele. Jedoch gilt auch hier, dass die Überlegungen des „Risk Management auf nicht finanzielle Hauptziele, auf nicht finanzielle Sicherheitsziele, 52 Mugler, Josef: Risk Management S. 52ff. ebd. S. 58 54 ebd. S. 59 55 ebd. S. 60 53 - 28 - Einführung in das Risikomanagement auf die Bewältigung anderer als der „reinen“ Risiken und auf die Risikopolitik anderer Organisationen übertragen werden können.“56 Gegenstand des Risk Management „Gegenstand des Risk Management sind nicht nur jene versicherbaren Risiken, für welche am Markt, d.h. an einem bestimmten Zeit, eine Versicherungsmäßige Deckung angeboten wird, sondern alle jene Risiken, für die aufgrund ihrer Merkmale ein versicherungstechnischer Risikoausgleich geplant werden kann. Unter Risk Management wird hier somit die Gestaltung der theoretisch versicherbaren Risiken verstanden.“ 57 6.3.Risikopolitik „Unter Politik soll hier ein bewusstes, zielgerichtetes Verhalten und Handeln verstanden werden. Die Risikopolitik richtet das Verhalten und Halten auf die Beseitigung bzw. Veränderung von Risikoursachen und auf die Vorsorge für den Fall des Schadeneintritts (der misslungenen Zielerreichung) mit dem Ziel, Sicherheit zu erhöhen oder ein bestimmtes Sicherheitsniveau zu erreichen. Risikopolitik entsteht aus dem Sicherheitsbedürfnis und setzt voraus, dass an Sicherheit einen Mangel existiert. Risikopolitik (Sicherheitspolitik) ist somit ein bewusst auf das Sicherheitsziel ausgerichtetes Verhalten und Handeln. Risikopolitik ist nicht auf den Bereich der Unternehmung beschränkt, sondern sie wird in allen „ Sicherheit bedürfenden oder risikobedrohten“ Organisationen (Hauswirtschaften, Unternehmungen, Gebietskörperschaften, öffentlichen Anstalten und Körperschaften, Verbänden, Vereinen etc.) mehr oder weniger stark ausgeprägt betrieben. Unabhängig von der Art der risikobedrohten Organisationen und unabhängig von der Art der Zielsetzungen der Risikoträger lassen sich generelle Aussagen über ein Verhalten und Handeln zur Risikobewältigung treffen. Unter Einbeziehung der besonderen Bedingungen aus der Eigenart der risikobedrohten Organisationen können schließlich Aussagesysteme für spezielle Organisationen entwickelt werden: Risikopolitik(Sicherheitspolitik) der Unternehmung, des Staates, der Familie etc.“58 56 Stremitzer, Heinrich: Risikopolitik und Risk Management. S. 28 Mugler, Josef: Risk Management S. 4 58 siehe Stremitzer, Heinreich: S. 25 57 - 29 - Einführung in das Risikomanagement Eine systematische Risikopolitik unterscheidet sich von der zufälligen Lösung einzelner Risikoprobleme durch die Beachtung folgender Schritte:59 1- Systematische Untersuchung aller Zielerreichungsprozesse (Pläne) im Hinblick auf mögliche Störereignisse(=Risikoursachenforschung) 2- Entwicklung von risikopolitischen Alternativen unter Berücksichtigung ihrer die Zielerreichung beeinflussenden Wirkung, und zwar a- zur Vermeidung oder Veränderung der Risiken; hier handelt es sich um Maßnahmen der ursachenbezogenen Risikopolitik, z. B. um Maßnahmen zur Informationsverbesserung, zur Schulung, zur Zieländerung gegen den Eintritt von Störereignissen etc. b- zur Vorsorge für den Fall des Schadeneintritts; z. B: Maßnahmen zur Eindämmung der Schadenwirkungen (Schadensminderung), zur Überwälzung der finanziellen Wirkungen (u. a. Abschluss von Versicherungsverträgen), zur Vorsorge für den Fall des Selbstbehaltes etc.) 3- Bestimmung einer Tragbarkeitsgrenze für den Risikoselbstbehalt oder Festlegung eines Maximums der selbst zu tragenden Gesamtschadenwirkungen 4- Auswahl eines optimalen risikopolitischen Programms unter Beachtung der dominierenden Unternehmungszielsetzung und allfälliger (strenger) Nebenbedingungen. Voraussetzungen für systematische Risikopolitik: 1- das c), 2- ausreichende Fähigkeit zur zielgerichteten Informationsbeschaffung und– Verarbeitung, insbesondere zur Erstellung risikopolitischer Konzepte und 3- Macht und Fähigkeit zur Durchführung der risikopolitischen Maßnahmen. Unternehmungen als Risikoträger erfüllen zumeist weitgehend die genannten Voraussetzungen, soweit noch keine systematische Risikopolitik betrieben wird. Ist dies auf fehlendes Risikobewusstsein (Sicherheitsbewusstsein) und/oder auf fehlende organisatorische Vorkehrungen zurückzuführen. Diesem Mangel kann durch unternehmungsinterne und- externe Schulungs- und Beratungsleistungen begegnet werden. Unten sehen wir ein Beispiel für systematische Risikopolitik bei einem wertorientiert gesteuerten Unternehmen: 59 siehe Stremitzer, Heinrich: Risikopolitik und Risk Management. S.25 f. - 30 - Einführung in das Risikomanagement 60 60 Mis Ag Risk Management 2004 - 31 - Einführung in das Risikomanagement 61 6.4. Die Gegenüberstellung von Risikopolitik und Risk Management „Die Risikopolitik in der Tradition der deutschsprachigen Betriebswirtschaftslehre versucht, das Risikoproblem für das bedrohte System umfassend zu erkennen und auch möglichst umfassend zu lösen. Das „Risk Management“ meldet zunächst bescheidenere Ziele an. Es beschränkt sich in der klassischen Form auf reine Risiken und ihre finanziellen Auswirkungen und beschäftigt sich auch mit organisatorischen Lösungen. Risk Management wird daher als organisierte Risikopolitik im Bereich der reinen Risiken definiert. Risk Management- Denken ist sehr wohl auch auf andere Risikoprobleme übertragbar und nähert sich damit dem, was hier als umfassende Risikopolitik verstanden wurde.“62 61 62 Mis Ag Risk Management 2004 Stremitzer, Heinrich: Risikopolitik und Risk Management. S. 36 - 32 - Einführung in das Risikomanagement 6.4.1. Risk Management-Unternehmungspolitik-Risiko Politik „In Unternehmung ist Risk Management Bestandteil der Unternehmungspolitik. Demnach ist das Risk Management als Teil der betriebswirtschaftlichen Risikopolitik zu verstehen. „63 „Mit dem Begriff Unternehmungspolitik (Betriebswirtschaftspolitik) werden in der Literatur die Zielsetzungs- und Zielerreichungsentscheidungen der obersten Leitungsorgane der Unternehmung bezeichnet. Entscheidungen auf der untersten, operativen Ebene werden im allgemeinen nicht mehr unter die unternehmungspolitischen Entscheidungen subsumiert. Die Unternehmungspolitik umfasst dann die Erstellung von Grundsätzen, nach welchen eine Unternehmung geführt werden soll, die Ableitung von Strategien aus der Konfrontation der Grundsätze mit den Umweltentwicklungen und die Ableitung von Taktiken für abgegrenzte Sachbereiche aus den Strategien. „ 64 „Der hier geschilderte Aufbau der Unternehmungspolitik ist in Abbildung1 graphisch als gleichschenkeliges Dreieck dargestellt, das durch horizontale Schnitte in drei Teilflächen zerlegt wird, welche die drei hierarchisch geordneten Ebenen der Unternehmungspolitik repräsentieren. Die Spitze des Dreiecks nehmen die unternehmungspolitischen Grundsätze ein, die unmittelbar in die unternehmungspolitischen Strategien einfließen. Grundsätze und Strategien umfassen jeweils die Unternehmung als Ganzes und sind in ihrer Geltung nicht auf Teilbereiche eingeschränkt. Auf der taktischen Ebene erfolgt wegen der Unmöglichkeit der Simultanentscheidungen eine Zerlegung in Teilpolitiken, die Beispielsweise nach Leistungsbereichen differenziert werden können. An die taktische Ebene schließt sich die operative Ebene des Unternehmungsgeschehens an.“ 65 63 Mugler, Josef: Risk Management. S. 4f. ebd. S. 39 65 ebd. S. 40f. 64 - 33 - Einführung in das Risikomanagement “Abbildung1“ 66 66 Mugler, Josef: Risk Management. S. 41 - 34 - Einführung in das Risikomanagement „Abbildung2“ 67 Die Position des RM in der Unternehmungspolitik „Durch das Risk Management wird die Risikodimension der taktischen Entscheidungen in zwei Teilbereiche zerlegt, wie auch Abbildung2 zeigt. Ein Teil der Risikohandhabung verbleibt bei den übrigen Teilpolitiken, während der andere Teil Gegenstand des Risk Management wird. Diese horizontale Abgrenzung des Risk Management bedarf eines möglich eindeutigen und operationalen Abgrenzungskriteriums. Üblicherweise wird diese Abgrenzung nach Risikotypen vorgenommen. Die horizontale und vertikale Abgrenzung des Risk Management innerhalb der Unternehmungspolitik bestimmen einander gegenseitig. Der Übergang von der strategischen Ebene der Unternehmungspolitik zur taktischen Ebene und von hier zum operativen Unternehmungsgeschehen wird in der Realität nicht immer klar erkennbar sein. Beispielweise können Risiken sehr kurzfristig 67 Mugler, Josef: Risk Management. S. 51f. - 35 - Einführung in das Risikomanagement auftreten und ad hoc- Entscheidungen im operativen Bereich ohne entsprechende Fundierung auf der taktischen Ebene verlangen. Auch in horizontaler Richtung wird manchmal nicht erkennbar sein, ob ein Risiko in den Bereich des Risk Management fällt oder in den Bereich der übrigen Teilpolitiken. Die Berücksichtigung dieser Probleme ist allerdings primär Gegenstand der Organisation des Risk Management.“68 „Hinsichtlich der Beziehungen zwischen Unternehmungspolitik und Risikopolitik sind in der Literatur zwei Auffassungen feststellbar: -In der älteren Literatur wird die Risikopolitik überwiegend als Teil der Unternehmungspolitik gesehen, -In der jüngeren Literatur überwiegen Risikopolitik und Unternehmungspolitik gleichgesetzt werden.“69 Unterscheidung zwischen Risikopolitik im engeren Sinn und Risikopolitik im weiteren Sinn: „ Maßnahmen zur Begegnung der einzelnen Risiken für bestimmte Vermögenswerte oder für bestimmte Handlungen“ = Risikopolitik im engeren Sinn „die Gesamtheit aller Maßnahmen zur Fernhaltung von Gefahren für die Unternehmung als Ganzes“ = Risikopolitik im weiteren Sinn“ 70 „Unabhängig davon, ob nun Unternehmungspolitik und Risikopolitik gleichgesetzt werden oder die Risikopolitik als Teil der Unternehmungspolitik aufgefasst wird, kann man feststellen, dass Risikogestaltung auf allen Ebenen der Unternehmungspolitik betrieben wird.“ 71 „Unternehmungspolitische Grundsätze enthalten schon allein aufgrund ihres hohen Abstraktionsgrades explizit oder implizit immer auch risikopolitische Grundsätze. (z. B: Gewinnverwendungsgrundsätze, Grundsätze zur Gestaltung gesellschaftlicher Werte)“ 72 „Unten sehen wir ein praktisches Beispiel wie bei der G&V als risikopolitischer Grundsatz verwendet wird;“ 73 68 Mugler, Josef: Risk Management. S. 50 ebd. S. 42 70 ebd. S. 42 71 ebd. S. 43 72 ebd. S. 43f. 73 Mis Ag Risk Management 2004 69 - 36 - Einführung in das Risikomanagement „G&V ist eine Gegenüberstellung von Aufwendungen und Erträgen einer Periode zur Ermittlung des Unternehmensergebnisses und der Darstellung seiner Quellen. Sie ist Pflichtbestandteil des Jahresabschlusses von Kaufleuten. Die G&V ist klar und übersichtlich zu gliedern, um einen Einblick in die Ertragslage der Unternehmung zu gewährleisten“ 74 Für die Unternehmen, die als Grundsatz die „Gewinnverwendung“ haben, ist es sehr wichtig, die Risiko Situationen bei G&V zu erkennen und zu bewältigen. Weil die Grundsatz Gewinnverwendung sehr wichtig für Eigenkapital/Fremdkapital Teilung ist. (Wertorientierte Unternehmungssteuerung) 74 Gabler Wirtschaftslexion. 15. Auflage. S. 1305 - 37 - Einführung in das Risikomanagement „Die unternehmungspolitischen Grundsätze müssen auch hinsichtlich ihres risikopolitischen Gehalts erst auf den nachgelagerten Ebenen der Unternehmungspolitik operationalisiert werden. Dies geschieht auf der Ebene der strategischen Entscheidungen. Durch strategische Entscheidungen werden noch nicht unmittelbar umsetzbare Maßnahmen festgelegt, sondern Entwicklungslinien für das Stärken/Schwächen-Profil der Unternehmung. „ 75 „Die Entscheidungen auf der strategischen Ebene der Unternehmungspolitik bilden die Grundlage für Entscheidungen auf der taktischen Ebene. Dazu ist es notwendig, die strategischen Pläne zu konkretisieren und in Teilpläne zu zerlegen. Als Kriterien für die Formulierung von taktischen Teilpolitiken dienen häufig die Produktarten oder die Funktionsbereiche einer Unternehmung. Je weniger Entscheidungen in den Teilbereichen aufeinander abgestimmt sind, desto größer wird die Gefahr, dass sie in Bezug auf ein gemeinsames Oberziel nur suboptimal sind. Diese Problematik der Differenzierung von Teilpolitiken stellt sich auch für die Risikopolitik mit voller Schärfe. Risiken werden grundsätzlich dort dargestellt, wo Entscheidungen gefällt 75 Mugler, Josef: Risk Management. S. 44 - 38 - Einführung in das Risikomanagement werden. Die Bindung von Teilpolitiken nach Produktarten oder Leistungsbereichen bewirkt eine dementsprechende Streuung der Risikopolitischen Entscheidungen.“ 76 „Auf der taktischen Ebene der Unternehmungspolitik erhält jede Teilpolitik für sich einen Risikoaspekt. Werden in das System keine verändernden Eingriffe vorgenommen, bedeutet etwa Beschaffungsrisikopolitik gleich Beschaffungspolitik unter Berücksichtigung von Risiken oder Produktionsrisikopolitik gleich Produktionspolitik unter Berücksichtigung von Risiken. Dies führt zu der Konsequenz, dass auf der taktischen Ebene der Unternehmungspolitik möglicherweise über gleiche Risiken und den Einsatzgleicher Sicherheitsgüter verschiedene Entscheidungen gefällt werden. Diese Situation wird als unbefriedigend empfunden. Durch das Konzept des Risk Management soll eine verbesserte Lösung der Risikoprobleme auf der taktischen Ebene der Unternehmungspolitik herbeigeführt werden.“ 77 6.5. Der Management- Aspekt im Risiko-Management „Der Management- Aspekt im Risiko-Management tritt in den Vordergrund, die umfassenden Sicherungsbedürfnisse setzen den Rahmen, in dem dann auch spezielle Schutzkonzepte wie jenes der Versicherung ihren spezifischen Auftrag zu erfüllen haben. Indem sich Risiko-Management vor allem mit den Existenz gefährdenden Risiken befasst, soll zugleich die „normale“ Führung entlastet werden. „78 „*So verstandenes Risiko-Management ist also darauf ausgerichtet, 1- in allen Führungstätigkeiten und unter allen Führungsaspekten das wesentliche Risiko besser zu erkennen und zu beurteilen; 2- als wesentlich beurteilte Risiken mit geeigneten Instrumenten und Verfahren zu bewältigen; 3- allgemeine Führungsmäßige und organisatorische Kosequenzen für eine zweckgerechte Risikobewältigung zu ziehen; *Für die Versicherung ergeben sich zweierlei Konsequenzen: 1- zum einen lässt sich im Konzept des umfassenden Risiko-Managements der Stellenwert der Versicherung präzisieren; 76 Mugler, Josef: Risk Management. S. 47 ebd. S. 49 78 Haller, Matthias: Risiko Management und Versicherung. S. 3 77 - 39 - Einführung in das Risikomanagement 2- zum anderen setzt Risiko-Management Impulse für die Weiterentwicklung der Dienstleistungen des Versicherers.“79 6.6. Aufgaben des Risk Managers „Risikoanalyse 1- Erforschung der Risikoursachen mit Auflistung aller möglichen Störungen (Risk Identifikation) 2- Festlegung bzw. Abschätzung der möglichen Schäden und Erstellung einer Prioritätenliste nach der Schwere der Risiken (Risk Evaluation) Bewältigung der Risiken 3- Entwicklung risikopolitischer Alternativen in Entsprechung der Prioritätenliste. Folgende Maßnamen stehen grundsätzlich zur Verfügung: Risikomeidung, Risikominderung und Risikoteilung, Risikoüberwälzung auf Nichtversicherer und auf Versicherer und schließlich Risikoselbstbehalt 4- Auswahl der risikopolitischen Alternativen ( Festlegung des optimalen risikopolitischen Programms) 5- Durchführung und Kontrolle.“80 6.7. Risikopolitik, Risk Management und Versicherung „Das Vordringen risikopolitischen Denkens, insbesondere auch in Form des „Risk Management-Denkens“ wird zu Nachfrageänderungen am Sicherheitsmarkt führen. Das Bedürfnis nach risikopolitischer Beratung vor allem in Klein- und Mittelbetrieben,(in Österreichs Wirtschaft spielen bekanntlich Klein- und Mittelbetriebe eine bedeutende Rolle .ihre Stärke gegenüber den Großbetrieben besteht in Ihrer größeren Flexibilität und Spezialisierung) aber auch in risikopolitisch sensibilisierten Familien und anderen Organisationen wird eine Nachfrage nach Versicherungsdienstleistungen in größerem Umfang entstehen lassen. Zunehmendes risikopolitisches Wissen und bessere Fähigkeit zur Durchsetzung risikopoltischer Konzepte können eine Änderung der Versicherungsnachfrage bewirken. „81 „In einer umfassenden Risikopoltik ist die Versicherungspolitik nur ein 79 Haller, Matthias: Risiko Management und Versicherung. S. 4 Stremitzer, Heinrich: Risikopolitik und Risk Management. S. 27 81 ebd. S. 36 80 - 40 - Einführung in das Risikomanagement Teil. Die Versicherungsnachfrage ist daher auch nur ein Teil der Gesamtnachfrage nach Sicherheitsgütern.“ 82 6.8. Vom Versicherungs-Management zum Risiko-Management „Als Führungskomponente besteht es vor allem darin, Sicherung bewusst zu machen und im Gesamtzusammenhang der Unternehmung zu koordinieren, d.h. die vorhandenen Stärken noch zu unterstützen und die Schwächen so weit wie möglich auszumerzen. Um bereits vorhandene Instrumente zu nutzen, wird man auch auf das sog. Risk Management zurückgreifen. Allerdings ist dieser Rückgriff nur beschränkt möglich, hat sich Risk Management doch in erster Linie aus dem Bestreben heraus entwickelt, die Versicherungsdeckung der Unternehmung zu optimieren und – unter Einsatz der Marktmacht der Unternehmung- möglichst kostengünstig einzukaufen . die bewusste Befassung mit Versicherungsproblemen hat als solche das Denken in Alternativen der Sicherung entscheidend angeregt: zum einen wurde der Versicherungsname die Möglichkeit gegenübergestellt, Risiken selbst zu tragen, zum anderen wurden Maßnahmen der Risikoverminderung (Schadenverhütung, Schadenherabsetzung) vermehrt berücksichtigt. Der RM-Prozeß ist die Aufeinanderfolge von Identifikation, Analyse und Handhabung des Risikos; als Instrumente der Risikohandhabung dienen Vermeidung, Verminderung, Überwälzung und Selbstragen des Risikos. Der Verantwortliche oder Koordinator für die Versicherung (und zum Teil auch für die Risikoverminderung) wird als Risk Manager bezeichnet. RISK Management hat zweifellos einige wertvolle Beiträge zur Unternehmungssicherung geleistet. Durch die Delegation an eine Fachstelle ließ sich die Verantwortung für das Versicherungsprogramm in einer Hand zusammenfassen, was sich um so günstiger auswirkt, als die Führungsspitzen in Unternehmungen sich kaum mit Versicherungsproblemen befassen. Wo der Risk Manager mit den übrigen Führungskräften intensive Kontakte pflegt und die Verhältnisse übersichtlich sind, resultieren Prämienersparnisse bei koordinierter Schadenverminderung. Diesen Vorteilen steht die Gefahr gegenüber, dass sich die übrigen Führungsangehörigen nach der Einsetzung eines Risk Managers auch von Sicherungsaufgaben entlastet fühlen, welche nur sie wahrnehmen können. Je schlechter der Risk Manager in wichtige Entscheidungsprozesse (z.B.Investitionsentscheidungen, Produktinnovation) einbezogen ist, desto gravierender sind die Auswirkungen. Im Kern handelt es sich 82 Stremitzer, Heinrich: Risikopolitik und Risk Management. S. 3 - 41 - Einführung in das Risikomanagement hier um die Verwechselung zwischen dem Versicherungs-Management und dem Risiko-Management im weiteren Sinne. Hat sich Risk Management bis vor kurzem auf die Optimierung der Sicherung im Bereich der versicherbaren Risiken beschränkt, so zeigt sich in jüngster Zeit die klare Tendenz, die Erkenntnisse der Risikobewältigung auf die gesamte Führung zu übertragen. In der Tat besteht kein Anlass, zufällig ausgelöste Störungen (z. B Brand oder Produkthaftpflicht) grundsätzlich anders als jene Störungen zu handhaben, welche sich im Ursprung aus willentlichen Entscheidungen (z. B Markt- und Produktwahl) ergeben. Größtschadenereignisse im einen wie im anderen Bereich weisen darauf in, dass sämtlichen Störprozessen in der Unternehmung bewusste und unbewusste Entscheidungen zugrunde liegen, dass mit anderen Worten auch für die Auswirkungen solcher Störungen Verantwortung zugeordnet wird, wo früher bisweilen ein guter Versicherungsschutz genügte. Aus diesem Grund steht am Anfang die Frage, wie Störungen sich im Gesamtzusammenhang der Unternehmung manifestieren, welche Folgerungen sich zunächst für das Management im allgemeinen aufdrängen. Auf dieser Basis stellt sich sodann das Risikoproblem, zu dessen Lösung weit mehr als die logischen Instrumente der Entscheidungstheorie erforderlich sind. Risiko- Management als Teil der Unternehmungsführung wird wesentlich dadurch festgelegt, wie weit man „Management“ auffasst, welche Bedeutung man im besonderen den technischen, sozialen und finanziellen Faktoren in der Unternehmung selbst und ihrer Umwelt beimisst. Um die modernen Störprozesse und mit ihnen das Unternehmungsrisiko abzubilden, erscheint es jeden falls unabdingbar, die Unternehmung nicht aus einer engen, betrieblichen Perspektive zu sehen, sondern gezielt die Zusammenhänge zwischen Wirtschaft und Gesellschaft in die Risikoanalyse und- Bewältigung einzubeziehen.“ 83 „Oft wird eine weite Fassung des Risikobegriffs für das Risiko-Management mit der Begründung abgelehnt, dass damit jedes Management zum Risiko-Management werde. Wohl trifft es zu, dass praktisch in jedem Management der Faktor RM enthalten ist: während „normales“ Management ab er auf die Optimierung der Unternehmungsziele ausgerichtet ist, richtet sich der Schwerpunkt des RisikoManagements gegen Existenz bedrohende Abweichungen von den Unternehmungszielen, dies völlig gleichgültig, in welchem Zusammenhang das Bedrohungspotential entsteht. Damit sind die Grenzen zwischen beiden naturgemäß 83 siehe Haller, Matthias: Risiko Management und Versicherung. S. 4ff. - 42 - Einführung in das Risikomanagement fließend, was unter dem Aspekt der Integration des Risiko-Managements in die Führung durchaus zu begrüßen ist.“84 84 Haller, Matthias: Risiko Management und Versicherung. S. 16 - 43 - Einführung in das Risikomanagement 7. Geschichtlicher Rückblick des Risikomanagements85 Jede Form von Wirtschaften, aber auch der prinzipielle Wesenszug des Daseins beinhaltet unweigerlich eine Begegnung mit dem Risiko. Nahe liegend ist daher, dass sich auch die Betriebswirtschaftslehre schon frühzeitig damit zu befassen begonnen hat. Für ein tieferes Verständnis des Risikomanagements von heute, wie oben dargelegt, ist daher ein Rückblick auf dessen Entstehungsgeschichte von Vorteil. 86 7.1. Der Beginn des Versicherungswesens Ende des 19. Jahrhunderts war der Eisenbahn als mehr oder weniger einziges schnelles und modernes öffentliches Verkehrsmittel besondere Bedeutung beigemessen. Das mit dem Eisenbahnverkehr verbundene Risiko führte zur Gründung einer „Eisenbahn-Versicherung“ im Jahre 1878. Dennoch wurde dieses Vorbild bis in die Dreißigerjahre des 20. Jahrhunderts nicht imitiert. 7.2. Dreißigerjahre In den Dreißigerjahren wurden ausgehend von Amerika zur Abdeckung des Risikos für Industriebetriebe erstmals Versicherungsunternehmen gegründet, die Ihre Geschäfte über auf Provisionsbasis agierende Versicherungsvertreter („Agents“) abwickelten, wie das auch heute noch häufig praktiziert wird. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass auf Grund des Provisionssystems die Qualität (nämlich eine fundierte, speziell auf ein bestimmtes Unternehmen zugeschnittene Versicherungsberatung) häufig der Quantität (gemeint ist die Anzahl der abgeschlossenen Versicherungsverträge) weichen musste. Der daraus resultierende Interessenkonflikt zwischen den Kaufentscheidungen der Unternehmen einerseits und den Gewinnerzielungsabsichten der Makler auf der Verkäuferseite andererseits ließ größere Unternehmen die Position eines „Insurance Buyers“ einrichten, welcher neben zahlreichen anderen Aufgabengebieten auch für den Kauf von Versicherungsleistungen von außen zuständig war. Diese Person hatte aber kein spezielles Wissen über den Versicherungsbereich allgemein, da dessen 85 86 siehe Englehart, Joanne P.: A Historical Look at Risk Management. In: Risk Management. 1994. S. 65ff Theil, Michael: Risikomanagement – Stand und Ansätze für eine Weiterentwicklung. S. 207 - 44 - Einführung in das Risikomanagement Hauptaufgabengebiete in anderen Unternehmensbelangen lagen. In Abhängigkeit vom Ausmaß des versicherungstechnischen Wissens des Insurance Buyers übernahm das Unternehmen als Käufer eines Versicherungsprodukts vermehrt Verantwortung. So entwickelte sich daher in dieser Zeit neben dem Agent auf der Verkäuferseite der neue Begriff des Insurance Buyers auf der Käuferseite. Dennoch blieb dem Agent ein Informationsvorsprung erhalten, da er alle Informationen (Preise, Leistungen) über das angebotene Versicherungsprodukt kannte und der versicherungstechnisch Versiertere war. Der Insurance Buyer kannte zwar im Gegensatz zu früher die eigenen Versicherungsanliegen genauer, blieb aber auf die seriöse beratende Tätigkeit des Agents angewiesen. Der Versicherungsmarkt gab daher in den Dreißigerjahren ein typisches Beispiel für einen unvollkommenen Markt ab, auf dem Informationsungleichgewicht herrschte. Ziel war es daher, als Insurance Buyer in möglichst geringerer Abhängigkeit von der Verkäuferseite zu stehen. 7.3. Die Fünfzigerjahre Bis zu den Fünfzigerjahren hatten sich vor allem in größeren Unternehmen Abteilungen entwickelt, die sich ausschließlich um die Versicherungsanliegen des eigenen Betriebes kümmerten. Damit war die Position des „Insurance Managers“ geboren: Typischerweise hatte eine Person, die mit dieser Aufgabe betraut war, berufliche Erfahrung im Bereich des Versicherungswesens, meistens als Agent, d.h. man kannte nicht nur die Käufer- sondern auch die Verkäuferseite. Der Insurance Manager war sozusagen ein Versicherungskonsument „mit Köpfchen“. Seine Aufgabe war klar definiert: Er hatte für eine ausreichende Versicherungsdeckung des unternehmerischen Vermögens im Schadensfall durch Abwälzung eigener Risiken zu sorgen und verwirklichte dies durch traditionelle Versicherungsgeschäfte mit Agents. Durch sein größeres eigenes Fachwissen war der Insurance Manager aber von Maklern unabhängiger als der Insurance Buyer der Dreißigerjahre. 7.4. Die Sechzigerjahre Mit sich ändernden und umfassenderen Aufgabengebieten entwickelte sich in den Sechzigerjahren aus der Praxis der amerikanischen Betriebe der Begriff des „Risk - 45 - Einführung in das Risikomanagement Managers“, der seit den Siebzigerjahren auch im deutschen Sprachraum verbreitet ist. Die Stufe des Risk Management wurde spätestens dann erreicht, als der Bereich der traditionellen Versicherung mit der klassischen Abwälzungsmethode von Risiken an einen Versicherer eine Erweiterung durch neue Möglichkeiten der Risikohandhabung erfuhr, wie etwa die Komplett- oder Teilübernahme eigener Risiken. Der Risk Manager fand sich selbst in einer aktiveren Position wieder, indem dieser begann seine potentiellen Risiken selbst zu identifizieren um anschließend zu entscheiden, welche Art der Handhabung die geeignetste sei. Es kam also zur Verlagerung eines bedeutenden Inhalts der Versicherungsgeschäfte in den internen Unternehmensbereich. Diese verstärkte Verantwortungsübernahme und die genauere Kenntnis des eigenen Versicherungsbedarfs hatten zur Folge, dass sich das Abhängigkeitsverhältnis des Risk Managers zu den Maklern positiv veränderte: Versicherungsaufträge wurden für den Risk Manager verhandelbar, Makler wurden oftmals auf Honorarbasis leistungsentsprechend entlohnt. Es wurde auch möglich, für besondere Unternehmensprojekte einen Risk Manager für einen gewissen Zeitraum „anzumieten“. Dies war oft kostengünstiger als denselben anzustellen. 7.5. Die Achtzigerjahre87 In den Achtzigerjahren war der Beginn eines generellen Trends zu Größtrisiken festzustellen. Der daraus resultierende Konflikt zwischen Wirtschaft und Öffentlichkeit und die neue Rolle des Risk Managers als Vermittler in einem Risiko-Dialog lässt sich wie folgt beschreiben und ist bis heute von Relevanz: Einerseits sollen die Unternehmen eine zunehmende Wohlstandsentwicklung garantieren („Risiko als Chance“, Chancenaspekt), andererseits sieht die Gesellschaft ihre Lebensbasis durch eventuelle Großunfälle und ökologischen Störungen (Gefahrenaspekt) gefährdet. Die seit den Achtzigern deutliche Tendenz zu Größtrisiken bedeutet, dass sich faktisch weniger Unfälle ereignen, diese jedoch mit minimaler Wahrscheinlichkeit eintretenden möglichen katastrophalen Auswirkungen einhergehen können. Die Störanfälligkeit war zwar im Laufe der 87 siehe Haller, Matthias: Die Entwicklung des industriellen Risikos und die künftige Rolle des Risk Managers. S. 2ff. - 46 - Einführung in das Risikomanagement Achtziger im abnehmen begriffen, das System tendierte aber zu vermehrter Verwundbarkeit. Das bedeutet, dass mit geringer Wahrscheinlichkeit eintretende Größtunfälle (z.B. Tschernobyl) von katastrophaler Wirkung sein können. Zunehmender Wohlstand geht damit auf Kosten ökologischer und risikobehafteter Nebenwirkungen und es lässt sich daraus der Begriff der „WohlstandsRisikogesellschaft“ ableiten: Die Komplexität im Bereich des Aufgabengebiets des Risk Managers stieg durch wachsende Unternehmen mit mehreren Standorten, größerem Personalbedarf und zunehmender Risikogröße. Der „Risk Manager“ der Achtzigerjahre erfuhr daher in dieser Zeit eine bedeutende Erweiterung seines Verantwortungsbereiches und war auch damit befasst, das Vertrauen der Bevölkerung in ein Großunternehmen dahingehend zu stärken, dass kleinstwahrscheinlichste Schäden die gesellschaftlich gefürchteten größten Auswirkungen auf ein Minimum reduziert werden würden. 7.6. Ausblick Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass im vergangenen Jahrhundert eine Entwicklung vom Versicherungskaufmann mit geringer Autorität und starker Abhängigkeit vom externen Versicherungsvertreter bis hin zum modernen Risk Manager von heute mit komplexen Verantwortungsbereichen und vielfältigen Aufgabengebieten stattgefunden hat. Die zunehmende Globalisierung, die Veränderung in den Ost-West-Beziehungen und die voranschreitende Öffnung der Märkte räumt dem Wettbewerb absolute Priorität ein. Sicherheitsanliegen drohen in den Hintergrund zu treten. Was sich in den Achtzigerjahren im Zeichen der „Wohlstands-Risiko-Gesellschaft“ eher am Problem der Gefährdungspotentiale, der (seltenen) Großunfälle und des wachsenden Umweltbewusstseins manifestierte, schlägt sich jetzt und in naher Zukunft in den täglich wahrgenommenen Geschehnissen nieder: In der Arbeitswelt der gefährdete oder bereits verlorene Arbeitsplatz, im gesellschaftlichen Leben die Bedrohung der inneren Sicherheit. Das Aufgabengebiet des modernen „Risk Managers“ wird daher eine drastische Erweiterung um soziale Faktoren erfahren. Das „Wohlstands-Risiko“ der Achtzigerjahre entwickelt sich zu einem Risiko für den Wohlstand. Für den „Risk Manager“ bedeutet dies, dass er in Zukunft sowohl aktiv durch Führungsverhalten als auch passiv durch Vorsorgemaßnahmen dieser neuen sozialen Frage begegnen wird müssen. - 47 - Einführung in das Risikomanagement Darüber hinaus wird der Risk Manager als Akteur an der Nahtstelle zweier unterschiedlicher Systemwelten verstärkt zum Dialog gefordert:88 Einerseits agiert er als Vertreter einer Unternehmung in dessen wirtschaftlichem Interesse er handelt, andererseits ist der Risk Manager auch verantwortlich für den „Fachbereich“ des Risiko Managements, also für Versicherungsbelange. Als Unternehmer wird der Risk Manager - um sich im zunehmenden Wettbewerb besser behaupten zu können – die aus der Umwandlung eines Risikos in Fixkosten durch Versicherung gewonnene Planungssicherheit dazu nutzen, neue Risiken einzugehen. Aus Unternehmersicht ist demnach nicht mehr Sicherheit, sondern Einkommenszuwachs das Ziel. Hingegen der Risk Manager als Verantwortlicher für den Bereich der Sicherheit steht der Tatsache gegenüber, dass es Versicherungsbedarf gibt, weil vermehrt Risiken eingegangen werden und nicht nur traditionellerweise deshalb, weil Risiken einfach vorhanden sind. Der künftige Risk Manager wird als zentrale Person an der Schnittstelle dieser beiden Bereiche gefordert sein, den Dialog zwischen den beiden aufrechtzuerhalten. 88 Haller, Matthias: Die Entwicklung des industriellen Risikos und die künftige Rolle des Risk Managers. S. 19 - 48 - Einführung in das Risikomanagement 8. Ziele des Risikomanagements Generelles Ziel des Risk Management ist die Erhöhung der Sicherheit von Unternehmen. Dieses generelle Ziel besteht aus 3 Teilzielen89: Erhöhung der Wahrscheinlichkeit für das Eintreten von gewünschten Handlungsergebnissen Erhöhung der Sicherheit für die Mitglieder der Unternehmensbezugsgruppen Erhaltung des Unternehmens Eng verbunden mit den Zielen des Risk Managements sind die Aufgaben, die zur Erfüllung der Ziele notwendig sind. Die Hauptaufgabe ist die Bearbeitung der aufgedeckten Risiken. Dies geschieht durch die Sicherheitsgüterdisposition. Weitere Teilaufgaben werden davon abgeleitet. „Der Zweck der Aufgabenbildung liegt primär in der Schaffung der Voraussetzungen für eine geordnete Vorgangsweise bei der Zielverfolgung.“90 In Unternehmen ist darauf zu achten, dass diese Ziele bestmöglich verwirklicht werden können. Dies hat auch Auswirkungen, welche die Unternehmensführung und die Unternehmensorganisation betreffen: zB. wird in kleinen Unternehmen das Risk Management von der Unternehmensführung bewältigt; in größeren Unternehmen werden eigene Risk-Managment-Stellen mit Spezialisten eingerichtet. Teilziel 1: Erhöhung der Wahrscheinlichkeit für das Eintreten von gewünschten Handlungsergebnissen: „Risk Management kann zur Erhöhung der Wahrscheinlichkeit beliebiger Handlungsergebnisse beitragen. Beispiel: Ein Unternehmen hat als gewünschtes Handlungsergebnis die Gewinnerzielung Durch den Einsatz von Sicherheitsgütern können die Gewinnhöhe und deren Eintrittswahrscheinlichkeit verändert werden.“91 89 siehe Mugler, Josef: Risk Management. S. 69 ebd. S. 78 91 ebd. S. 69 90 - 49 - Einführung in das Risikomanagement Das beste Szenario besteht in einer Verlagerung Richtung höherem Gewinn bei geringerem Risiko. „Diese Wirkung kann mit dem Sicherheitsgut „Versicherungsvertrag“ erzielt werden: Der Entscheidungsträger muß über ein Versicherungsangebot verfügen, bei dem die Versicherungsprämie unter dem Schadenerwartungswert liegt. Dieser Fall kommt in der Praxis jedoch sehr selten vor.“92 „Grundsätzlich kann die o.a. positive Wirkung auch bei der Verfolgung anderer Ziele als das des Gewinnziels realisiert werden.“93 Folgende Szenarien sind denkbar: a) niedrigeres Risko und höheren Gewinn b) höheres Risiko und niedrigeren Gewinn c) niedrigeres Risiko und niedrigeren Gewinn d) höheres Risiko und höherer Gewinn Die Bewertung dieser Szenarien sieht folgendermaßen aus: a) ist ein Vorteil und b) ist ein Nachteil für das Unternehmen. c) und d) sind nicht pauschal zu bewerten, da hier die Risikoeinstellung der Verantwortlichen im Vordergrund steht. Teilziel 2: Erhöhung der Sicherheit für die Mitglieder der Unternehmensbezugsgruppen „Dieses Teilziel bezieht sich auf die Bedeutung der Sicherheit als gesellschaftlicher Wert. Die dafür durchgeführten Maßnahmen des Risk Managements basieren auf unternehmenspolitischen Grundsätzen. Durch das Risk Managment werden die Grundsätze in konkrete Sicherheitsnormen umgewandelt und Sicherheitsgüter zur Erfüllung dieser Normen eingesetzt. […] Die Normen betreffen die Lebensqualität und den Lebensstandard der Unternehmensbezugsgruppen. Die Maßnahmen des Risk Managements sind daher primär Schadensverhütungsmaßnahmen; und nicht Schadenausgleichsmaßnahmen: 92 93 Mugler, Josef: Risk Management. S. 70 ebd. S. 71 - 50 - Einführung in das Risikomanagement Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit haben generell Vorrang vor Maßnahmen zum finanziellen Ausgleich von Gesundheitsschäden.“94 (z.B.: Würden Arbeiter in einer Stahlfabrik keine Schutzanzüge tragen, kann dies immer wieder zu Verbrennungen am Leib führen. In diesem Fall wären u.a. Krankenhauskosten zu bezahlen. Es macht aber mehr Sinn, dass Geld in Schutzanzüge für die Arbeiter zu investieren, um so die Gesundheit zu schützen.) Im Falle dass für Risiken übergeordnete Vorschriften bestehen (z.B.: Wasserqualitätswerte, Geräuschkulisse, etc.), so sind die Handlungsoptionen des Risk Management von Haus aus eingeschränkt. Es besteht für das Unternehmen die Möglichkeit, diese Vorschriften zu missachten. Jedoch wird diese Missachtung dann von Seiten des Staates wahrscheinlich sanktioniert, was wiederum zu Kosten führt (z.B.: sind in bestimmten Räumlichkeiten von Stahlfabriken Brandschutztüren vorgeschrieben. Missachtet eine Fabrik diese Vorschrift, so wird Strafe zu zahlen sein). „Auch durch Risk Management kann allerdings keine absolute Sicherheit im Arbeitsschutz (= Bezugsgruppe) gewährleistet werden. Die Erhöhung von Sicherheit ist in der Regel mit hohen Kosten verbunden. Dies kann zu einem Konflikt mit anderen Unternehmenszielen führen“95: Zum Beispiel mit dem Ziel, das Unternehmen zu erhalten (vor der Insolvenz zu bewahren). Die Erhöhung der Sicherheit der Unternehmensbezugsgruppen muss daher mit den anderen Zielen des Unternehmens akkordiert werden. Auch wenn zum Schutz der Gesundheit Schadenverhütungsmaßnahmen vorrangig vor Schadenausgleichsmaßnahmen einzusetzen sind, so besitzen die Schadenausgleichsmaßnahmen trotzdem ihre Wichtigkeit. Denn: es kann immer passieren, dass Sicherheitsgüter versagen. Unternehmensinterne Schadenausgleichsmaßnahmen gewinnen an Bedeutung: über die staatlichen Entschädigungen hinaus gewähren viele Unternehmen finanzielle Sozialleistungen. 94 95 Mugler, Josef: Risk Management. S. 72 ebd. S. 72 - 51 - Einführung in das Risikomanagement Teilziel 3: Erhaltung des Unternehmens „Abgesehen von politischen Risiken ist die Existenz eines Unternehmens hauptsächlich durch das Insolvenzrisiko bedroht. Existenzbedrohende Schadensfälle können den Nominalgüterbereich (Schadenersatzverpflichtungen) bzw. den des Unternehmens Realgüterbereich betreffen betreffen (z.B.: Verbrennung von Lagerware). Maßgeblich für die Existenzbedrohung ist die Relation zwischen Summe der Schäden und der Zahlungskraft des Unternehmens.“96 Die Liquidität des Unternehmens kann unter verschiedenen Schadenszenarien leiden. Es sind sowohl kleine Schäden (häufige bzw. seltene) als auch große Schäden (häufige bzw. seltene) möglich. Im schlimmsten Fall ist das Unternehmen von allen eben aufgezählten Varianten gleichzeitig betroffen. Des Weiteren kann die Liquidität durch eine schlechte Ergebnisentwicklung gefährdet sein (Unternehmen schreibt jahrelang nur Verluste). Das Risikomanagement hat folgende Punkte zu berücksichtigen97: a) Unsicherheit des Ergebnisses b) Schadenfälle in ihrer finanziell definierbarer Dimension c) Kosten der Risikoveränderungsmaßnahmen (des Sicherheitsgütereinsatzes) d) die Einstellung des Entscheidungsträgers zum Risiko Der Handlungsspielraum des Risk Managements ergibt sich durch die einsetzbaren Sicherheitsgüter. Neben Schadenverhütungs- und Schadenausgleichsmaßnahmen bei den Einzelrisiken kommen zusätzlich auch Schadenausgleichsmaßnahmen beim Gesamtrisiko in Frage. Im Falle dass die Bearbeitung der Einzelrisiken zu kostspielig ist, sollte das Unternehmen das Hauptaugenmerk auf die Bearbeitung des Ausgleichsrisikos legen. Unter der Prämisse „ökonomischen“ Wirtschaftens ist es besser, die Gesamtschadensumme zu begrenzen (z.B. durch Abschluss von Versicherungsverträgen), als viele einzelne Maßnahmen (Sicherheitsschulungen, Sprinkleranlagen, etc.) zur Risikoveränderung zu treffen. 96 97 Mugler, Josef: Risk Management. S. 75 siehe ebd. S. 76 - 52 - Einführung in das Risikomanagement Literaturverzeichnis Englehart, Joanne P. (1994): A Historical Look at Risk Management. In: Risk Management. 1994. Farny, Dieter (2000): Versicherungsbetriebslehre. Karlsruhe 2000. Gabler Wirtschaftslexikon:15. Auflage. Haller, Matthias: Die Entwicklung des industriellen Risikos und die künftige Rolle des Risk Managers. Haller, Matthias: Risiko-Management und Versicherung. Helten, Elmar; Karten, Walter (1991): Das Risiko und seine Kalkulation. Aufsatz 6a. 1991. Jirsa; Oppl, Versicherungslehre Karten, Walter (1993): Risk Management. In: Wittmann, Waldemar et. al. (Hrsg.): Handwörterbuch der Betriebswirtschaft. Stuttgart 1993. Koch, Peter (Hrsg.); Weiss, Wieland (1994): Gabler Versicherungs Lexikon. Wiesbaden 1994. Kratzheller, Johannes B. (1997): Risiko und Risk Management aus organisationswissenschaftlicher Perspektive. 1997. Mugler, Josef (1979): Risk Management in der Unternehmung. Wien 1979. Stremitzer, Heinrich (1977): Risikopolitik und Risk Management. In: Versicherungsrundschau. 1977. Theil, Michael: Risikomanagement – Stand und Ansätze für eine Weiterentwicklung. www.wi.uni-muenster.de/aw/publikationen/CGC18.pdf (Aktualisierungsdatum: 8.11. 2004) - 53 -