Risikoerkennung - michaelpichler.net

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Risikoanalyse,
Methoden der
Risikoerkennung
und Bewertung
1
Johannes Frey
([email protected])
Katherine Wenk
([email protected])
Lisa Dertnig
([email protected])
Markus Riedel
([email protected])
Michael Pichler
([email protected])
Sabine Steindl
([email protected])
Sandra Viehaus
([email protected])
Ulrike Dietl
([email protected])
Im
Rahmen
der
Lehrveranstaltung
Grundkurs
2
Risikomanagement
und
Versicherungsbetriebslehre.
2
Inhaltsverzeichnis
INHALTSVERZEICHNIS .......................................................................................... 3
1 RISIKOWAHRNEHMUNG VON INDIVIDUEN ........................................................ 5
1.1
Aspekte des intuitiven Risikokonzeptes ................................................................................................ 5
1.2
Risikobeurteilung: .................................................................................................................................. 6
1.2.1
Wahrscheinlichkeitsbeurteilung ........................................................................................................... 6
1.2.2
Schadensbeurteilung ............................................................................................................................ 7
1.3
Charakteristika der Folgen .................................................................................................................... 7
1.3.1
Katastrophenpotential .......................................................................................................................... 8
1.3.2
Betroffenheit ........................................................................................................................................ 8
1.4
Charakteristika der Ursachen ............................................................................................................... 9
1.4.1
Freiwilligkeit ...................................................................................................................................... 10
1.4.2
Kontrollierbarkeit ............................................................................................................................... 10
1.4.3
Verantwortlichkeit ............................................................................................................................. 10
1.5
Die Undeutlichkeit von Risiken ........................................................................................................... 10
1.5.1
Umfang und Reichweite des Schadens .............................................................................................. 11
1.5.2
Grad und Art der Unsicherheit ........................................................................................................... 11
1.6
Resumee ................................................................................................................................................. 11
RISIKOANALYSE ................................................................................................... 12
2
2.1
RISIKOERKENNUNG ....................................................................................... 12
Anforderungen für Risikoerkennungsmethoden: .............................................................................. 13
2.2
Elemente der Methoden der Risikoerkennung................................................................................... 13
2.2.1
Progressive und retrograde Vorgangsweise ....................................................................................... 13
2.2.2
Induktive und deduktive Vorgangsweise ........................................................................................... 14
2.2.3. Positive und negative Risikoabgrenzung ........................................................................................... 15
2.2.4.
Die Informationspotentiale ................................................................................................................ 16
2.3
Die Synthese von Methoden der Risikoerkennung ............................................................................ 16
2.3.1
Besichtigungsmethode ....................................................................................................................... 16
2.3.2
Dokumentenanalyse ........................................................................................................................... 18
2.3.3
Organisationsanalyse ......................................................................................................................... 20
2.3.4
Die Abfrage persönlicher Datenspeicher ........................................................................................... 21
2.3.5
Analyse an Hand von Prüfungslisten ................................................................................................. 22
2.4
Gegenüberstellung der Methoden ....................................................................................................... 22
3.
RISIKOBEWERTUNG ..................................................................................... 24
3.1.
Risikobewertung nach Walter Karten ................................................................................................ 24
3.2.
Risikobewertung nach Dr. Matthias Haller ....................................................................................... 25
3
3.3. Anforderungen an die Methoden der Risikobewertung ........................................................................... 27
3.3.1. Methoden zur Ermittlung von Schadenausmaßen .............................................................................. 27
3.3.2. Die Methoden zur Ermittlung von Schadenhäufigkeiten ................................................................... 31
3.3.3. Die Abschätzung des Ausgleichsrisikos: ........................................................................................... 32
4.
ANHANG .......................................................................................................... 34
4.1. Fallstudie ....................................................................................................................................................... 34
4.2. Abbildungsverzeichnis ................................................................................................................................. 36
4.3.
Literaturverzeichnis ............................................................................................................................. 37
4
1 RISIKOWAHRNEHMUNG VON INDIVIDUEN
Die Frage, die wir uns in diesem Kapitel stellen, ist, wieso zum Beispiel das Thema
Aids in der Öffentlichkeit so eine Aufmerksamkeit erregt und die meisten Menschen
so beunruhigt sind während das Thema Rauchen eine viel geringere Aufmerksamkeit
erfährt, obwohl viel mehr Menschen an Lungenkrebs sterben als an Aids.
Peter Sandmann fasst dieses Problem zusammen: “the risks that kill you are not
necessarily the risks that anger and frighten you“.1
Diese Differenz herrscht, da der Mensch nicht nur nach der Anzahl der Todesfälle
und der Wahrscheinlichkeit das Risiko beurteilt. Die Wahrnehmung spielt sich viel
mehr im kognitiven Bereich ab.
1.1 Aspekte des intuitiven Risikokonzeptes
Als Risiko gilt ein möglicher Schaden als Folge einer Handlung oder eines
Ereignisses.2
Abbildung 1: Risiko als Funktion von Wahrscheinlichkeit und Wert der Folgen i.S. des
Ausmaßes an Personen und Sachschäden
Quelle: H. Jungermann, P. Slovic : „Charakteristika individueller Wahrnehmung"
1
2
H. Jungermann, P. Slovic: Charakteristika individueller Wahrnehmung; S.90
vgl. H. Jungermann, P. Slovic: Charakteristika individueller Wahrnehmung; S.91
5
Die
intuitive
Beurteilung
befasst
sich
natürlich
mit
weit
mehr
als
der
Wahrscheinlichkeitsbeurteilung und der Schadensbeurteilung, jedoch haben viele
Forschungen aufschlussreiche Mechanismen aufgedeckt. Diese versuchen wir nun
herauszuarbeiten.
1.2 Risikobeurteilung:
Für die Bewertung von Risiken in der Ökonomie werden die Parameter
Schadensausmaß und dessen Eintrittswahrscheinlichkeit herangezogen. Dies führt
jedoch zu Problemen des geeigneten Maßstabs und Merkmalsausprägung.
Schadensausmaße lassen sich am besten durch Geldwerte bewerten, was jedoch
nicht immer geeignet ist (z.B. zur Bemessung von „Schmerz und Enttäuschung“ in
Relation zum Risikoausmaß).
Alternativ wird versucht, Nutzenwerte zu bemessen, was jedoch mit enormem
Aufwand verbunden ist. Aus Mangel an kardinalen Größen verwendet man
statistische Verteilungsparameter wie „maximum possible loss“ oder „annual
expected loss“.
Alternativ werden ordinale Skalen wie Groß-, Mittel-, Klein-, Katastrophen- und
Bagatellrisiko verwendet.
1.2.1 Wahrscheinlichkeitsbeurteilung
In Situationen der Unsicherheit wenden Laien oft heuristische Strategien an.3 Unter
Heuristik versteht man Eilverfahren, die zu einer Lösung der Problemstellung führen,
jedoch manchmal auch verfälschte Entscheidungen hervorbringen.
Bei der Risikobeurteilung bedienen wir uns der heuristischen Strategie der
„Verfügbarkeit“ von Ereignissen. Sprich ein Ereignis wird für umso wahrscheinlicher
gehalten, je leichter ähnliche Ereignisse erinnert oder vorgestellt werden können. Um
dieses Phänomen zu verdeutlichen, führen wir ein Beispiel an. In den Tagen nach
3
vgl. H. Jungermann, P. Slovic: Charakteristika individueller Wahrnehmung; S.91
6
einem Flugzeugabsturz wird das Risiko für einen weiteren Absturz höher eingestuft.
Statistisch gesehen ändert sich nichts, jedoch wird durch ein einzelnes Unglück diese
Möglichkeit wieder ins Bewusstsein gerufen und ihre subjektive Wahrscheinlichkeit
erhöht.
1.2.2 Schadensbeurteilung
Allgemein können Laien das Schadensausmaß recht gut schätzen, jedoch kommt es
immer wieder zu Unterschätzungen hoher und Überschätzungen geringer Werte.4
Überraschend in diesem Zusammenhang ist, welche Bedeutung die bloße
Formulierung und Perspektive, in welcher der Schaden dargestellt wird, hat. So hat
man festgestellt, dass wir den sicheren Gewinn präferieren, wenn es um Optionen
geht, die zu Gewinne führen können. Wenn es aber um Optionen geht, die zu
Verlusten führen können, präferieren wir die riskante Option. Problematisch wird dies
erst, wenn es zu unterschiedlichen Entscheidungen veranlasst.
Wahrscheinlichkeit und Schaden mögen zwar etwas verzerrt vom Menschen beurteilt
werden, aber sie korrespondieren mit denjenigen Parametern, die im technischen
und statistischen Verständnis Risiko determinieren.
1.3 Charakteristika der Folgen
Nun kommen wir jedoch zu Aspekten, die sich der konventionellen Abschätzung von
Folgen eines Risikoereignisses völlig entziehen.
4
vgl. H. Jungermann, P. Slovic: Charakteristika individueller Wahrnehmung; S.93
7
Abbildung 2: Risiko als Funktion von Wahrscheinlichkeit und Wert der Folgen i.S.
eines multiattributen Konstukts.
Quelle: H. Jungermann, P. Slovic : „Charakteristika individueller Wahrnehmung"
Wie man an der Abbildung erkennen kann, handelt es sich dabei um die
psychologische Bedeutung von Katastrophen und der persönlichen Betroffenheit.
1.3.1 Katastrophenpotential
Ein Risiko wird höher eingeschätzt, wenn ein Unfall viele Todesopfer fordert, als
wenn die Todesfälle einzeln eintreten. Sprich es macht für die meisten Menschen
einen Unterschied, ob n Menschen auf einmal sterben oder ob zu n Zeitpunkten je
ein einzelner Mensch stirbt.5 Auch wenn es statistisch keinen Unterschied ausmachen
würde, spielt es psychologisch gesehen eine große Rolle.
1.3.2 Betroffenheit
Eine Technik, deren Versagen uns direkt betreffen könnte, erscheint ganz allgemein
riskanter und weniger nützlich als eine Technik, deren negativen Folgen andere
5
vgl. H. Jungermann, P. Slovic: Charakteristika individueller Wahrnehmung; S.96
8
treffen. Dieses Phänomen kann man mit folgendem Prinzip noch verdeutlichen:
„Heiliger St. Florian, verschon’ mein Haus, zünd andre an!“6 (St. Florianiprinzip)
1.4 Charakteristika der Ursachen
Abbildung 3: Risiko als Funktion von Wahrscheinlichkeit und Wert der Folgen sowie
von Charakteristika des Kontextes und der Lokation
Quelle: H. Jungermann, P. Slovic : „Charakteristika individueller Wahrnehmung"
Für Menschen ist es ebenfalls von Bedeutung, warum man mit einem Risiko
konfrontiert ist. Wissen und Vermutungen darüber spielen somit eine große Rolle für
die
intuitive
Risikoeinschätzung,
vor
allem
die
Faktoren
Freiwilligkeit,
Kontrollierbarkeit und Verantwortlichkeit.
6
vgl. H. Jungermann, P. Slovic: Charakteristika individueller Wahrnehmung; S.97
9
1.4.1 Freiwilligkeit
Risiken, denen wir uns freiwillig stellen, werden als weniger kritisch angesehen und
eher akzeptiert als Risiken denen wir unfreiwillig gegenüberstehen.
1.4.2 Kontrollierbarkeit
Die Überzeugung, dass man das Risiko durch eigenes Handeln unter Kontrolle hat
und somit auch minimiert, spielt eine wichtige Rolle für die Risikoeinschätzung. Dies
führt jedoch auch dazu, dass es zu einem unrealistischen Optimismus kommt.
Beispielsweise unterschätzt man häufig Risiken wie Rauchen, Operationen oder
Fallschirmspringen.
1.4.3 Verantwortlichkeit
Natürliche Risiken werden weniger stark gewichtet als von Menschen verursachte
Risiken. So wird zum Beispiel die Gentechnik als viel riskanter eingestuft als
Erdbeben. Dies hängt damit zusammen, dass wir für selbst geschaffene Risiken
Schuldige finden können, während wir natürliche Risiken als unvermeidbar
hinnehmen. Weiters hat man auch eine Tendenz zum Ausweichen vor einer riskanten
Entscheidung, für deren eventuellen negativen Folgen bei anderen man selbst
erkennbar verantwortlich ist, festgestellt, auch wenn das Nicht-Handeln für die
anderen faktisch riskanter ist.
1.5 Die Undeutlichkeit von Risiken
Man kann beobachten, dass der Begriff Risiko sowohl intuitiv als auch analytisch sehr
undeutlich ist. Dies hängt von zwei Faktoren ab: auf der einen Seite vom Umfang
und der Reichweite des Schadens, auf der anderen Seite von der Unsicherheit
unseres Wissens.
10
1.5.1 Umfang und Reichweite des Schadens
Wenn man von Schäden als Folge einer Investition oder eines Systemversagens
spricht, dann meint man konkrete, messbare Schäden, wie z.B. finanzielle Verluste,
Verletzte, etc. Die Beurteilung von Risiken gründet sich jedoch nicht allein auf
derartige Schäden. Hinzugefügt werden weiters noch andere Faktoren wie zum
Beispiel qualitativer oder zeitlicher Art. Schäden sind nun nicht nur monetärer oder
nicht monetärer Art, sondern auch eine mögliche Änderung der Wertvorstellungen
oder gar ein kultureller Wandel. Durch das Miteinbeziehen so indirekter, zeitlich
ferner Faktoren, kann man von einer Erweiterung des Schadenskonzeptes sprechen.
1.5.2 Grad und Art der Unsicherheit
Problematisch wird es auch, wenn wir Risiken gegenüberstehen, zu denen wir nur
wenig Erfahrung oder gar Wissen haben. Aktuelle Themen, die auf das Beschriebene
zutreffen, sind z.B. Gentechnik oder die Klimaveränderung. Die Risiken sind sehr
ungenau und ungewiss. Dies führt dazu, dass wir gar nicht wissen, ob nun ein Risiko
vorliegt oder nicht. Dieses Unwissen wird als besonders bedrohlich eingestuft, da
dieses Risiko unbestimmbar ist.
1.6 Resümee
Die
individuelle
Risikobeurteilung
Schadenswahrscheinlichkeit
Betroffenheit,
und
Verantwortlichkeit,
wird
von
folgenden
Schadensgröße,
Freiwilligkeit,
Faktoren
beeinflusst:
Katastrophenpotential,
Kontrollierbarkeit
und
die
Undeutlichkeit von Risiken. Mit welchem Ausmaß jedoch jeder einzelne Faktor in die
Beurteilung einfließt, hängt sowohl von der Art der zu beurteilenden Risikoquelle als
auch vom Beurteilenden ab. Jeder Einzelne muss für sich das Risiko bestimmen,
beurteilen und verantworten. Das heißt, jeder muss sowohl die „harten“ Maßstäbe,
sprich die Anzahl der Todesopfer, als auch die „weichen“ Maßstäbe (Bsp.:
Sozialverträglichkeit) in seine Beurteilung einfließen lassen.7
7
vgl. H. Jungermann, P. Slovic: Charakteristika individueller Wahrnehmung; S.105
11
RISIKOANALYSE
Aufgabe der Risikoanalyse ist es, mögliche Risiken zu erkennen und die Information
über deren Wahrscheinlichkeitsverteilung zu verbessern. Die Risikoanalyse betrifft
nicht
nur
die
Ausgangssituation,
sondern
auch
die
Wirkungen
aller
Handlungsalternativen einschließlich der Informationsbeschaffung selbst.
Der erste Schritt der Risikoanalyse ist die Risikoerkennung bzw. Risikoidentifikation.
Um möglichst alle Risiken im Unternehmen aufzuspüren, kann sich der Risk Manager
vielen verschiedenen Methoden bedienen. 8
2 Risikoerkennung
Risikoerkennung schafft erst das Aufgabenobjekt für die übrigen Teilbereiche des
Risk Managements. Daraus ergibt sich aber auch das zentrale Problem der
Erkennung von Risiken: Totalitätsanspruch der Aufgabenerfüllung. Denn es kann
durch ein einziges Risiko, das nicht erkannt wurde, jedes Sicherheitsziel gefährdet
werden. Weiters verändern die nicht erkannten Risiken den Risikoausgleich im
Kollektiv. Die Literatur des Risk Managements besagt, dass es keine Methode gibt,
die für sich allein in der Lage wäre, dem Erfordernis der Risikoerkennung ganz zu
entsprechen.
Die Risikoerkennung muss ihr Erkennungsobjekt grundsätzlich eher weit abgrenzen
und erst nach Prüfung von empirischen Risikomerkmalen kann eine Entscheidung
über die Kompetenz des Risk Managements getroffen werden. 9
Besondere
Anforderungen
an
die
Risikoerkennung
ergeben
sich
aus
der
Zeitraumbezogenheit von Sicherheitszielen und der Veränderlichkeit der Risiken.
Sicherheitsziele sind meist langfristig angelegt und bleiben grundsätzlich konstant. 10
vgl. W. Karten: Risk Management; S. 3830
vgl. J. Mugler: Risk Management in der Unternehmung; S. 87f
10
vgl. J. Mugler: Risk Management in der Unternehmung; S. 88
8
9
12
Risiken sind einem schnellen Wandel unterlegen. Es können sehr schnell neue
Risiken entstehen, bestehende Risiken können sich ändern oder ganz verschwinden.
Daher ist die permanente Risikoüberwachung notwendig und sehr wichtig.
Mit der Erkennung veränderter Risikolagen hängt eng die Prognose zukünftiger
Risikolagen zusammen. Die Anforderung, künftig mögliche Risiken vorweg zu
nehmen, hat besondere Bedeutung für die Investitionsplanung und für die Annahme
von Aufträgen, die das Unternehmen mit neuen Problemen konfrontieren.
Risikoerkennung im Planungsstadium ist in der Regel die kostengünstigste
Risikohandhabung, denn der nachträgliche Abschluss von Versicherungen für z.B.
eine Werkshalle ist wesentlich teurer.
Für die mit der Risikoerkennung betrauten Funktionsträger resultiert ein weiteres
besonderes Problem aus der unterschiedlichen Distanz zu den einzelnen Risiken.
Einerseits die räumliche Distanz, andererseits die organisatorische Distanz. 11
2.1 Anforderungen für Risikoerkennungsmethoden:

Vollständigkeit der Risikoerfassung

Rasche Erfassung neu auftretender Risiken

Prognose zukünftig möglicher Risiken

Überwindung der Distanzen zu den Informationspotentialen
2.2 Elemente der Methoden der Risikoerkennung
2.2.1 Progressive und retrograde Vorgangsweise
Schadensstiftende
Ereignisse,
Schäden
und
negative
Wirkungen
auf
das
Sicherheitsziel kann man als Glieder einer Kette von Ursache-Wirkungs-Beziehungen
11
vgl. J. Mugler: Risk Management in der Unternehmung; S. 88f
13
auffassen. Ansatzpunkte für die Risikoerkennung liegen bei jedem Glied in der Kette.
Vorteile versprechen aber die jeweils „ersten“ bzw. „letzten“ Glieder, weil sie die
Analyse relativ geschlossener Abfolgen von Ereignissen ermöglichen.
Progressive Vorgangsweise = es wird von den zwangsläufig nicht weiter
rückverfolgten
Risikoquellen
in
Richtung
negativer
Sicherheitszielwirkung
vorgeschritten und dabei werden die verschiedenen Stationen der Risikoentwicklung
identifiziert.
Retrograde
Vorgangsweise
=
es
wird
von
„letzten“
negativen
Sicherheitszielwirkungen bis zu den Risikoquellen die Entwicklung der Risiken
zurückverfolgt.
Die Wahl des richtigen Kettenglieds als Ansatzpunkt der Risikoerkennung dürfte bei
der progressiven Methode schwieriger sein als bei der retrograden, weil die Aktionen
stark schwanken können.
Innerbetriebliche Ansatzpunkte: Produktionsfaktoren, Produktionsprozesse, Produkte
Außerbetriebliche Ansatzpunkte: alle Rahmenbedingungen des Wirtschaftens
Progressives und retrogrades Vorgehen lassen in der Regel die Abgrenzung von
bestimmten
Gefahrenphasen
im
Sinne
von
Phasen
mit
gleichem
Gefährdungspotential zu, wobei die Phasenlänge allerdings sehr variabel sein kann. 12
2.2.2 Induktive und deduktive Vorgangsweise
Risikoerkennung kann betrieben werden, indem aus Einzelmerkmalen ein Risiko wie
ein Mosaik zusammengesetzt wird oder indem von einem verallgemeinerten Risikotyp
auf einzelne Ausprägungen geschlossen wird, ein gegebenes Mosaik somit in Teile
zerlegt wird.
Treten
einzelne
dieser
Gefahrenmerkmale
gehäuft
auf,
kann
man
einen
verallgemeinerten Risikotyp bilden. Umgekehrt bietet die betriebswirtschaftliche
12
vgl. J. Mugler: Risk Management in der Unternehmung; S. 90f
14
Risikolehre heute eine Fülle von Risikokatalogen an, in welchen Risikotypen
beschrieben und systematisiert werden und welche im Sinne einer deduktiven
Vorgangsweise bei der Risikoerkennung verwendet werden können.
Gliederungskriterien: Bereiche des Auftretens der Risiken, Möglichkeiten ihrer
Bekämpfung und ihre Entstehungsursache.
Setzt man die Bereiche des Auftretens gleich mit Leistungs- oder Funktionsbereichen,
kann man Risikotypen nach betrieblichen Funktionen bilden. Die Tiefe der
Risikogliederung ist dann abhängig von der Gliederungstiefe der Funktionen.
Den ersten Versuch Risikotypen nach Funktionsbereichen zu gliedern, machte
Oberparleiter. Schär, Nicklitsch und Leitner nahmen im deutschsprachigen Raum eine
ursachenbezogene Risikogliederung vor. Diese Risikokataloge sind für die Erkennung
von theoretisch versicherbaren Risiken grundsätzlich geeignet, obwohl sie für Zwecke
einer umfassenderen Risikopolitik entwickelt wurden. 13
2.2.3.
Positive und negative Risikoabgrenzung
Gegenüber der positiven Risikoabgrenzung im Sinne der Beschreibung der Merkmale
von Risiken, kann man auch von einer negativen Risikoabgrenzung sprechen, wenn
festgestellt wird, was kein Risiko darstellt. Die negative Risikoabgrenzung dient nicht
nur der Erkennung von vorher nicht bewusst realisierten Sicherheiten, sondern kann
zur Aufdeckung von Irrtümern über die Wirkungsweise vorhandener Sicherheitsgüter
beitragen.
Der
negativen
Risikoabgrenzung
kann
die
Bestandsaufnahme
von
in
der
auch
die
Unternehmung bereits vorhandenen Sicherheitsgütern zugeordnet werden.
Die
Erstellung
einer
optimalen
Sicherheitsgüterkombination
kann
Veränderung oder den Austausch vorhandener Sicherheitsgüter sinnvoll erscheinen
lassen.
Die
Bestandsaufnahme
von
Sicherheitsgütern
zwecks
negativer
Risikoabgrenzung überschneidet sich offenbar mit der Suche nach Sicherheitsgütern
als weitere verselbstständigte Teilaufgabe des Risk Management. 14
13
14
vgl. J. Mugler: Risk Management in der Unternehmung; S. 91f
vgl. J. Mugler: Risk Management in der Unternehmung; S. 93
15
2.2.4. Die Informationspotentiale
Das gemeinsame Ziel aller Risikoerkennungsmethoden ist das Aufspüren von
Risikoinformationspotentialen und deren bestmögliche Ausnutzung.
Die Inanspruchnahme unternehmungsexterner Organe wird ebenfalls als „eigene“
Risikoerkennungsmethode angeführt.
Externe
Funktionsträger
müssen
unternehmensinterne:
Dem
Informationspotentiale
zur
Spezialisierungsmöglichkeiten
grundsätzlich
Externen
stehen
Verfügung
verfügt
der
ähnlich
vorgehen
grundsätzlich
die
wie
gleichen
wie
dem
Internen.
Externe
aber
möglicherweise
Durch
über
schnellere Zutrittswege zu diesen Informationspotentialen.
Das ursprünglichste Informationspotential ist zweifellos die Realität selbst, wobei eine
Unterscheidung
in
materielle,
der
visuellen
Risikoerkennung
zugängliche
Komponenten, und in immaterielle Komponenten zweckmäßig erscheint.
Erkennung immaterieller Realitäten = Rückgriff auf Datenträger oder erstmalige
Datenspeicherung
Wichtiger Datenträger ist auch der Mensch als Mitarbeiter, Konsument, etc. 15
2.3 Die Synthese von Methoden der Risikoerkennung
In der Regel stellen die Informationspotentiale den „Minimumsektor“ für die
Risikoerkennung dar.
Informationsgewinnung aus Informationspotentialen kann besondere Anforderungen
qualitativer und quantitativer Art stellen, z.B. die Befragung von Mitarbeitern.
2.3.1 Besichtigungsmethode
Inspektionen des realen Geschehens stellen eine meist als unabdingbar bezeichnete
Methode der Aufdeckung von Risiken dar. Viele Gefahren dürften überhaupt nur
durch persönliche Wahrnehmung festgestellt werden können.
15
vgl. J. Mugler: Risk Management in der Unternehmung; S. 93f
16
Allgemein kann definiert werden, dass sich die Besichtigungsanalyse auf solche
Tatbestände erstreckt, „die durch einfache Inaugenscheinnahme erfasst werden
können“. 16
Je nach der Stellung der Risikoerkennung in der Verwirklichung des Risk
Managements können unterschieden werden:
a) Allgemeine Inspektionen:
Diese sind grundsätzlich auf die visuelle Erfassung der Einrichtungen und Abläufe der
Gesamtunternehmung orientiert. Ihr Primärzweck kann in der Aufdeckung von
Risiken oder Risikoquellen bestehen.
Das Hauptaugenmerk der allgemeinen Inspektionen liegt bei der gesamthaften
Erfassung der Objekte. Dadurch wird möglicherweise die Erkennung einzelner Risiken
noch hinter der hierfür vorbereitend wirkenden Beurteilung des allgemeinen
Risikoniveaus zurückzustehen haben. 17
b) Spezialinspektionen:
Diese dienen der Erkennung von einzelnen Risiken. Dabei empfiehlt sich die Setzung
von Schwerpunkten, um einerseits Betriebsblindheitseffekte möglichst zu vermeiden
und andererseits Spezialisierungseffekte zu fördern.
Katalogisierung v. Schwerpunkten:
16
17

Brand- und Explosionsgefahr

Gefährliche Stoffe

Lagerung

Innerbetriebliche Verkehrswege

Transportarbeiten und –einrichtungen

Arbeits- und Werkzeugmaschinen, Antriebe

Handwerkzeuge

Behälter, Rohrleitungen

Technische Instandhaltung
vgl. J. Mugler: Risk Management in der Unternehmung; S. 94
vgl. J. Mugler: Risk Management in der Unternehmung; S. 96f
17

Ordnung und Sauberkeit

Verhaltensweisen
der
Mitarbeiter
und
sonstiger
Personen,
die
mit
Einrichtungen der Unternehmung in Berührung kommen

Schutzausrüstung, Erste Hilfe-Einrichtungen
18
c) Ergänzungsinspektionen:
Hierbei handelt es sich um Inspektionen, deren Anlass und Objekt durch eine andere
Risikoerkennungsmethode bestimmt wird. Die Aufdeckung eines Risikos oder die
Erweckung eines bloßen Verdachts durch eine andere Methode kann es zweckmäßig
erscheinen lassen, eine Einrichtung oder einen Prozess an Ort und Stelle zu
besichtigen, um die Erkenntnis zu bestätigen oder zu vervollkommnen.
Die Risikoerkennung zielt darauf ab, nicht nur ein Schadenereignis, sondern auch das
Bedingungsgefüge dafür (die Kette der Ursache-Wirkungs-Beziehungen, deren letztes
Glied das Schadenereignis ist) zu erfassen.
Inspektionen schaffen Informationen, die zunächst nur im mehr oder weniger
unzulänglichen
Speicher
des
menschlichen
Gehirns
vorhanden
sind.
Zur
Verbesserung der Verlässlichkeit der Speicherung und des Datenzugriffs ist auch eine
Entscheidung darüber zu treffen, wie der Prozess der Informationsgewinnung sowie
deren Ergebnis dokumentiert werden können. 19
2.3.2 Dokumentenanalyse
Für die Risikoerkennung ist das gesamte betriebliche Dokumentationswesen von
Bedeutung. Die Dokumentenanalyse kann daher als eigenständige Methode der
Risikoerkennung angesehen werden, deren Aufgabe in der Erfassung und
Auswertung der in der Unternehmung verfügbaren Dokumente besteht.
Vorteile:
18
19
vgl. J. Mugler: Risk Management in der Unternehmung; S. 97
vgl. J. Mugler: Risk Management in der Unternehmung; S. 98f
18

Ausschaltung der Mängel menschlicher Informationsspeicher sowie deren
Gefahren,
die
bei
der
Befragung
von
Menschen
durch
Kommunikationsschwierigkeiten entstehen können

Geringe
Belastung
des
laufenden
Geschehens
durch
die
Auswertungstätigkeiten
Nachteile:

Mehrzahl der Dokumente wurden in der Regel nicht für den jeweiligen
Auswertungszweck gestaltet.
4 Schwerpunkte der Dokumentenanalyse:

Pagatorisches Rechnungswesen resultiert aus der Tatsache, dass nahezu
jeder Vorgang in einer Unternehmung, der mit Zahlungsvorgängen und/oder
Wertänderungen verbunden ist, hier seinen Niederschlag findet. Die Analyse
des pagatorischen Rechnungswesens konzentriert sich nicht primär auf
Buchungen, sondern auf die ihnen zugrunde liegenden Vorgänge. Vorteil
dieser Analyse ist die Breite der Informationen, nachteilig ist jedoch, dass eine
Reihe von Wirtschaftsgütern nicht erfasst werden.

Kalkulatorisches
Rechnungswesen:
Grundsätzlich
wäre
eine
Quantifizierung von Gütereinsätzen (Inputs) und Leistungen (Outputs) von
Betriebsprozessen unter Berücksichtigung der Unsicherheit, also der Struktur
der Schwankungen beider Größen, wünschenswert. Die Kostenrechnung ist
nach wie vor eine Rechnung unter Sicherheit. Die Unsicherheit wird in der
Kostenrechnung nicht durch Ergebnisverteilungen der in ihr zum Ansatz
gelangenden Größen, sondern pauschal und nur für eine Teilmenge ihrer
Rechengrößen
in
Form
von
„sicheren“
kalkulatorischen
Wagnissen
berücksichtigt.

Analyse des Geschäftsberichts ist nur bei Aktiengesellschaften möglich, da
nur
diese
Unternehmensform
einen
hat.
Besonders
für
externe
Funktionsträger stellt er aber bezüglich des Zugriffs ein vorteilhaftes
Instrument dar. Die Berichterstattung hat den Grundsätzen der Wahrheit,
Vollständigkeit und Klarheit zu entsprechen.
19

Vielzahl von weiteren Dokumenten: Aufzeichnungen aus Kontakten mit
Behörden, etc., Schadenaufzeichnungen, Unterlagen zu Investitionsprojekten,
Verträge, Aufzeichnungen über Werbeaktivitäten, Bedienungsanleitungen,
Sonstige betriebsspezifische Aufzeichnungen. 20
2.3.3 Organisationsanalyse
Die
Erfassung
und
Darstellung
des
Ist-Zustands
der
Organisation
eines
Unternehmens ist häufig mit erheblichen Aufwand verbunden, der durch die
ausschließliche Verwendung der Analyseergebnisse für das Risk Management
möglicherweise nicht zu rechtfertigen ist. Vor allem in größeren Unternehmen sind
Aufzeichnungen über organisatorische Regelungen bereits vorhanden, sodass für den
Zweck der Risikoerkennung entweder darauf zurückgegriffen werden kann oder das
Vorhandensein nur geringfügig ergänzt werden muss.
Die Darstellung des Ist-Zustandes einer Organisation erfolgt unter Einsatz von
schriftlichen und mündlichen Befragungen sowie direkter Beobachtung von
Arbeitsabläufen bzw. deren Ineinandergreifen.
Der Zugang zu detaillierten Risikoinformationen wird durch die Tiefe der
Organisationsanalyse und wahrscheinlich auch durch die gewählte Darstellungsform
beeinflusst. 21
Informationsschwerpunkte:
20
21

Aufdeckung weiterführender Informationsquellen

Aufdeckung von Koordinationsdefiziten

Aufdeckung der Folgen von Personalausfällen

Aufdeckung von Vertraulichkeitsrisiken

Aufdeckung EDV-bedingter Risiken
vgl. J. Mugler: Risk Management in der Unternehmung; S. 99ff
vgl. J. Mugler: Risk Management in der Unternehmung; S. 102f
20
Ablauforganisation
Zweck der Analyse von Arbeitsabläufen ist im Rahmen des Risk Management die
Aufdeckung
möglicher
Störungsursachen
und
Störungsfolgen
(Schwachstellenanalyse). Das Hauptaugenmerk ist bei der Darstellung daher auf die
Interdependenzen
zwischen
einzelnen
Schritten
von
Abläufen
zu
richten.
Grundsätzlich können in die Darstellung Daten über alle Ordnungskomponenten von
Arbeitsabläufen einbezogen werden: Arbeitsinhalt, Arbeitsraum, Arbeitszuordnung zu
den Arbeitsfaktoren.
Die Organisationsanalyse dient vor allem der Aufdeckung von einzelnen Risiken, wie
z.B. die Gruppe der Betriebsunterbrechungsrisiken. 22
2.3.4 Die Abfrage persönlicher Datenspeicher
Die meisten kommunikativen Kontakte zwischen Menschen implizieren auch die
Abfragung persönlicher Datenspeicher zur Informationsgewinnung.
In der Regel müssen auch im Zuge von Besichtigungs-, Dokumenten-, Organisationsund Prüflistenanalysen, Befragungen bestimmter Bezugspersonen stattfinden.
Durch Befragung können viele der für die Risikoerkennung benötigten Informationen
relativ rasch und einfach ermittelt werden.
Es ist festzulegen, ob die Befragung allein oder in Ergänzung zu anderen Methoden
durchgeführt werden soll und ob eine bezüglich des Risikokollektivs umfassende oder
ausschnittsweise
Informationsgewinnung angestrebt wird. Weiters
muss
der
Personenkreis, der befragt werden soll, ausgewählt werden. Die Fragestellung selbst
sowie deren Präsentation haben zwei mögliche Hindernisse zu überwinden: einerseits
die Unzulänglichkeit der Datenspeicherung und andererseits den (Un-)Willen des
Befragten zur Auskunftserteilung.
Art
und
Reihenfolge
der
Fragestellungen
können
die
Qualität
des
Befragungsergebnisses maßgeblich beeinflussen. Die Form der Befragungsaktion ist
eine weitere festzulegende Variable – mündlich oder schriftlich.
22
vgl. J. Mugler: Risk Management in der Unternehmung; S. 103ff
21
Die Abfragung persönlicher Datenspeicher kann als besonders sensible Methode der
Risikoerkennung bezeichnet werden. Sie ist potentiell geeignet, den einzelnen
Mitarbeitern im Sinne der Risikoerkennung und darüber hinaus im Sinne des Risk
Management-Konzepts zu kooperativem Verhalten zu motivieren. 23
2.3.5 Analyse an Hand von Prüfungslisten
Prüflisten sind Zusammenstellungen von Elementen einer Menge von Prüfobjekten
oder Prüfungshandlungen, die primär als Gedächtnisstütze zur Vervollständigung
einer Aufgabenerfüllung dienen. Risikoerkennungsorientierte Prüflisten enthalten in
diesem Sinne Einzelrisiken oder Risikoursachen als Prüfobjekte oder Schritte von
Risikoerkennungsmaßnahmen als Prüfungshandlungen. Sie dienen als Hilfsmittel für
ein mit der Risikoerkennung befasstes Organ. Kriterien sind Inhalt, Umfang und
Ursprung.
Die Bedeutung der Prüflisten liegt im übrigen aber nicht in ihrer Gliederungslogik,
sondern in ihrem Konkretisierungs- und Vollständigkeitsgrad.
Auch Risikokataloge, die im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Risikopolitik
entwickelt wurden, können, wenn sie eine ausreichende Konkretisierungsstufe
erreichen, als Prüfungslisten verwendet werden. 24
2.4 Gegenüberstellung der Methoden
gegliedert nach den Anforderungen der Methoden:
1. Vollständigkeit der Risikoerfassung:
Grundsätzlich ist keine Methode in der Lage, die Vollständigkeit der Risikoerfassung
zu gewährleisten.
23
24
vgl. J. Mugler: Risk Management in der Unternehmung; S. 106ff
vgl. J. Mugler: Risk Management in der Unternehmung; S. 109ff
22
2. Rasche Erfassung neu auftretender Risiken:
Besichtigungsanalyse und Dokumentenanalyse sind am ehesten den Anforderungen
geeignet.
3. Prognose zukünftig möglicher Risiken:
Besichtigungsanalyse ist im Nachteil, weil zukünftige Risiken häufig keine sichtbaren
Anzeichen vorwegschicken. Ähnliches gilt auch bei der Organisationsanalyse.
4. Überwindung der Distanzen zu den Informationspotentialen:
Besichtigungsanalyse und die Abfragung persönlicher Datenspeicher sind geeignet. 25
Die Liste der Identifikationsmethoden lässt sich jedoch noch um eine Gruppe von
technischen Verfahren erweitern. Zu dieser Gruppe gehören: Ausfalleffektanalyse,
Fehlerbaumanalyse, Ereignisablaufanalyse. Ihr wesentlicher Vorteil ist darin zu
sehen, dass sie durch stark abstrahierte Vorgehensweise den Einfluss individueller
Schadenerfahrung, Verdrängungseffekten und ähnlichem zu verringern in der Lage
sind. Ihr hauptsächlicher Nachteil liegt im enorm hohen Arbeitsaufwand für
detaillierte Analysen. 26
Der Umgang mit einem Risiko beginnt mit dem Wahrnehmen und Erkennen von
Gefahren.
Dies
ist
der
Weg,
zu
einem
Risikobewusstsein
zu
kommen.
Risikobewusstsein kann immer nur die Vorwegnahme, die Antizipation eines
schädigenden Ereignisses sein. Risiko ist je definitionsgemäß ein Zukunftsaspekt: Es
kann mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu Schäden und Verlusten kommen. Was
man verlieren kann, seine Gesundheit, sein Geld, seine Geborgenheit, lässt sich wohl
unschwer definieren. Das Kritische an der Zukunft ist die Ungewissheit, mit der alle
zukünftigen Ereignisse behaftet sind.
25
26
vgl. J. Mugler: Risk Management in der Unternehmung; S. 111f
vgl. M. Theil: Risikomanagement – Stand und Ansätze für eine Weiterentwicklung; S. 213
23
3.
RISIKOBEWERTUNG
3.1. Risikobewertung nach Walter Karten
Nach Walter Karten lässt sich Risk Management in aufeinander folgende Phasen
untergliedern: Risikodiagnose und –therapie oder Risikoerkennung, -bewertung und bewältigung .
Aufgabe der Risikoanalyse nach Walter Karten ist es, mögliche Risiken zu erkennen
und die Information über deren Wahrscheinlichkeitsverteilungen zu verbessern, und
zwar durch

Informationsbeschaffung,
also
Informationen
über
Komponenten
und
Einflussfaktoren zu sammeln, um eine Entscheidung vorzubereiten

Sich selbst, da es ein Ausgangsrisiko veränderndes Instrument ist.
Man versteht darunter auch die Quantifizierung des Risikos. Es sind die möglichen
Ergebniswerte (Schadenshöhen) und ihre Wahrscheinlichkeiten abzuschätzen.27
Im praktischen Risk Management geht es in erster Linie um eine Ordnung der Risiken
nach der Größe der höchstmöglichen Schäden, die durch ein Ereignis oder
voneinander abhängige Ereignisse ausgelöst werden können. Unabhängig von ihrer
Eintrittswahrscheinlichkeit bestimmen diese Beiträge, ob das Risiko für die
Unternehmung
Existenz
bedrohend
ist
oder
zu
außerordentlichen
Anpassungsmaßnahmen zwingt oder ob es in der Unternehmung hinreichend
ausgeglichen ist. Die Wahrscheinlichkeiten sind für das Abwägen von Wirkungen und
Kosten verschiedener Maßnahmen von Bedeutung. Diese sind meist nur sehr grob
abzuschätzen, wichtig ist die Untersuchung, ob unabhängige oder z.B. Kumul- oder
Ansteckungsrisiken vorliegen.
27
vgl. W. Karten: Risk Management; S 3830 - 3831
24
Betriebsinterne und externe Schadensstatistiken sind Informationsquellen für die
Risikobewertung. Insbesondere für seltene Störereignisse, über die noch keine
Erfahrungen
vorliegen,
sind
Schadenszenarien,
Störfallablauf-
und
Fehlerbaumanalysen nützliche Instrumente.
Die Risikoanalyse vermindert die Unsicherheit des Risk Managers über die Verteilung
des Risikos.28
3.2. Risikobewertung nach Dr. Matthias Haller
Bei der Beurteilung der Risikolage geht es um die Identifikation und Analyse von
Störfaktoren
und
deren
Wirkung
im
Gesamtzusammenhang
des
Unternehmungsgeschehens.
Haller bedient sich dem Unternehmungsmodell:
Eine Störung wird immer dann für den Markterfolg der Unternehmung relevant
werden, wenn der innere und äußere Fluss zum Absatzmarkt unter technischen,
ökonomischen oder sozialen Gesichtspunkten unterbrochen wird. Meist spielen
mehrere Störungen bzw. Störungen aus mehreren Bereichen zusammen, aus diesem
Grund drängt sich eine Gesamtbetrachtung auf. Die Absatzmärkte werden zum
Ausgangspunkt, die einzelnen Störungen rückwärts bis zu den Ursprüngen verfolgt.29
Die systematische Diskussion aller Schwachstellen bewirkt, dass sich die Angehörigen
der Unternehmensführung mit den relevanten Störprozessen auseinander setzen und
Gegenmaßnahmen einleiten.
Eine Vertiefung der Risikoanalyse wird dadurch erreicht, dass bewusst auf die
Stördimensionen Bezug genommen wird und die Störprozesse in ihren Komponenten
untergliedert werden. Die Aufgliederung von Risikofaktoren in einer Störungskette
28
29
vgl. W. Karten: Risk Management; S 3831
vgl. M. Haller: Risiko-Management und Versicherung; S 21 - 22
25
lässt die gegenseitigen Verknüpfungen erkennen. Je bedeutender der Beitrag eines
einzelnen
Prozesses
zur
Gesamtleistung
der
Unternehmung
ist,
desto
schwerwiegender wirkt sich die Störung auf bestimmte oder alle Unternehmungsziele
aus.
Abbildung 4: Beurteilung der Risikolage durch Evaluation von Störungsketten
Quelle: Haller, Mathias: „Risikomanagement und Versicherung S. 23“
Die Störungsprozesse können in zwei sich überlappende Hauptbereiche aufgeteilt
werden:
Mögliche Störungsquellen, Störungsarten und Störungsobjekte bringen zusammen
die Störbarkeit des Systems zum Ausdruck, während die Störungsobjekte, die
gestörten Vollzugsprozesse, die beeinträchtigten Ziele und Funktionen zusammen die
Verletzbarkeit des Systems verkörpern. Aus ihrer Verbindung geht die Beurteilung
der Risikolage hervor.
26
Wo sich aufgrund der Evaluation von Störungsketten ein außerordentlich hohes
Störpotential ergibt, wird eine wahrscheinlichkeitsfundierte Fehlerbaumanalyse oder
Störfallanalyse vorgenommen.
Bei der Störfallanalyse werden unerwünschte Ereignisse, die aus einer bestimmten
Ursache resultieren, gesucht, bei der Fehlerbaumanalyse dagegen, wird ein
unerwünschtes Ereignis vorgegeben, und man sucht nach allen Ursachen, die zu
diesem Ereignis führen. Auf der Grundlage solcher Analysen kann nun gezielt die
Zuverlässigkeit
des
Gesamtsystems
Fehlerhäufigkeit
von
Einzelteilen
des
erhöht
werden,
Systems
durch
indem
eine
die
relative
Anordnung
von
Komponenten drastisch herabgesetzt wird.30
3.3. Anforderungen an die Methoden der Risikobewertung
Es kann für die Methoden der Risikobewertung die Anforderung abgeleitet werden,
dass
Informationen
anzustreben
sind.
Die
über
Schadeneintrittswahrscheinlichkeiten
Schwierigkeit
dabei
ist,
dass
diese
grundsätzlich
Einholung
von
Informationen zeitweise begrenzt ist. Folglich werden nur Schadenausmaße in die
Risikobewertung
aufgenommen
und
die
daraus
resultierenden
steigenden
Anforderungen bezüglich der Abschätzung des Ausgleichsrisikos der theoretisch
versicherbaren Risiken. Mugler differenziert deshalb zwischen:
● Methoden zur Ermittlung von Schadenausmaßen
● Methoden zur Ermittlung von Schadenhäufigkeiten
● Methoden zur Abschätzung des Ausgleichsrisikos
3.3.1.
Methoden zur Ermittlung von Schadenausmaßen
Die Risiken nach dem Schadenausmaß können in dichotomische und dimensionale
Risiken unterteilt werden. Bei dichotomischen Risiken ist nur ein Schadenausmaß
vorhanden, das eintritt oder nicht. Im Gegensatz dazu, können die dimensionalen
30
vgl. M. Haller: Risiko-Management und Versicherung; S 22 - 24
27
Risiken verschiedene Schadenausmaße aufweisen.31 Für die Risikobewertung stellt
sich hier die Frage, welche Schadenausmaße für die Bewertung herangezogen
werden sollten. Indem man auf Sicherheitsgüterkombinationen zurückgreift, kann
man die eben genannte Frage beantworten. So können Ersatzwerte ermittelt werden,
wie z.B.:
● der maximal mögliche Schaden, der für eine Unternehmung überhaupt eintreten
kann
● der wahrscheinliche Maximalschaden
● der Schadenerwartungswert pro Periode
Die Problematik bei den eben genannten Größen ist allerdings, dass diese nur unter
sehr
restriktiven
Informationsbedingungen
befriedigende
Verteilungsparameter
darstellen. Häufig verwendete Parameter sind:
● Lageparameter (z.B.: Mittelwert, Modalwert, Median)
● Streuungsparameter (z.B.: Varianz, Standardabweichung)
● sonstige Parameter (z.B.: Schiefe, Kurtosis)32
Beispielsweise
kann
der
oben
erwähnte
Schadenerwartungswert
den
Lageparametern zugeordnet werden.
Die Ermittlung des Schadenausmaßes konzentriert sich zunächst lediglich auf die
Schadenbetragsermittlung. Sinnvoll wäre, zuerst die gesamte Schadendimension zu
erfassen, um anschließend mit der Ermittlung des Höchstschadens pro Risiko
fortzufahren. Das ist deshalb trivialer, da man den Gesamtschaden so in
Komponenten zerlegt:
● Abhandenkommen und Beschädigung von vorhandenen Vermögensgegenständen
● Nicht-Erzielung von geplantem Vermögen bzw. Kapital
● Verlust von Kapital durch Schadenersatz
● Personenschäden
31
32
vgl. J. Mugler: Risk Management in der Unternehmung; S. 116
vgl. J. Mugler: Risk Management in der Unternehmung; S. 117
28
Abhandenkommen und Beschädigung von vorhandenen
Vermögensgegenständen
Vorrangig wird die Schadenhöhe dadurch ermittelt, ob das betroffene Objekt die
Eigenschaft eines Wirtschaftsgutes aufweist. Ist der Gegenstand wertlos, so entsteht
durch Abhandenkommen bzw. Vernichtung kein Schaden. Ist dies jedoch nicht der
Fall, wird der Schaden nach objektiven (=Marktwert) und subjektiven Kriterien
gemessen. Vom Marktwert zu unterscheiden ist jedoch jener Wert, der dem Objekt
innerhalb der einzelnen Unternehmung als Bestandteil des Zielwirkungspotentials
beizumessen ist.33
Es gibt Wirtschaftsgüter, die nur schwer durch gleichwertige zu ersetzen sind (z.B.:
Gebäude).
Werden
Wirtschaftsgüter
innerhalb
des
Unternehmens
selbst
wiederhergestellt, so werden die anfallenden Kosten dafür verrechnet.
Die Ermittlung des Schadenausmaßes bei Nicht-Erzielung des
geplanten Vermögens bzw. Kapitals
Durch
schadenwirksame
Ereignisse
werden
nicht
nur
vorhandene
Vermögensgegenstände bedroht, sondern es wird auch das Potential zur Erreichung
von Unternehmenszielen allgemein bzw. speziell von zukünftigem Vermögen
bedroht.34
Auch Folgen von Sach- und Personenschäden können zu Vermögensschaden führen.
Man denke z.B. an die Opportunitätskosten, die für den Ausfall eines kranken
Mitarbeiters entstehen. Eine solche Unterbrechung kann zu Kapitaleinbußen führen.
Vor allem folgende Kostenpositionen von Unternehmen sind betroffen:
● Beschäftigungsfixe Kosten: kein Zusammenhang zwischen Produktionsmenge und
Kosten; (z.B. Steuern, Gehälter, Miete)
● Beschäftigungsvariable Kosten: ein Zusammenhang zwischen Produktions- menge
und Ausgaben besteht; (z.B. Materialkosten, Betriebsstoffe)
● Gewinn: hierbei muss man z.B. die Einbußen beachten, die man durch fehlende
Mitarbeiter hat => weniger wird produziert => weniger kann abgesetzt werden
33
34
vgl. J. Mugler: Risk Management in der Unternehmung; S. 120
vgl. J. Mugler: Risk Management in der Unternehmung; S. 119
29
Die Ermittlung des Schadenausmaßes bei Kapitalverlusten
infolge von Schadenersatz
Kapitalverluste entstehen durch die rechtliche Verpflichtung zum Schadenersatz.
Anstelle
von
Haftungsabwehrmaßnahmen
kann
aber
auch
die
bewusste
Haftungsanerkennung eine rationale risikopolitische Verhaltensweise darstellen,
wenn dadurch Good-Will-Schäden (beispielsweise durch große Publizitätswirkung von
Schadenersatzprozessen) vermieden werden können.35
Bei leichter Fahrlässigkeit wird lt. § 1331 ff ABGB nur der „erlittene Schaden“ ersetzt.
Im Gegensatz dazu wird bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz die volle Genugtuung
geleistet. Außerdem muss auch der entstandene Gewinn ersetzt werden.
Die Ermittlung des Schadenausmaßes bei Personenschäden
Unter Personenschaden versteht man den Schaden am Körper, an der persönlichen
Freiheit und Ehre. Um den Schaden von Personen zu messen, ist die Differenz
zwischen Gesundheitszustand und Beeinträchtigungszustand zu ermitteln. Objektiv
ist dies nur schwer möglich, vor allem bei psychologischen Komponenten des
Schadens.
Die finanziellen Einbußen aufgrund von Personenschäden sind relativ leicht zu
bestimmen. Man kann z.B. sehr leicht berechnen, wie viel der Ausfall einer
Arbeitskraft für den Zeitraum der Krankheit kostet.
Komplexer wird die Berechnung für die Entschädigung des Erkrankten selbst. Sie
erfolgt in dreifacher Abstufung:
1. finanzielle Mittel zur Wiederherstellung der Gesundheit
2. Wahrung eines gewissen Lebensstandards für den Geschädigten und ggf.
auch seiner Angehörigen
3. Ansprüche, die über die Sicherung des Mindestlebensstandards hinaus
gehen36
35
36
vgl. J. Mugler: Risk Management in der Unternehmung; S. 123
vgl. J. Mugler: Risk Management in der Unternehmung; S. 123
30
3.3.2.
Die Methoden zur Ermittlung von Schadenhäufigkeiten
Eine rationale Entscheidung über den Einsatz von Sicherheitsgütern ist prinzipiell nur
möglich, wenn auch die Eintrittswahrscheinlichkeit der Schäden berücksichtigt wird.
Eine wesentliche Rolle dabei spielt die Informationsgewinnung. Beispielsweise kann
die Gewinnung zusätzlicher Informationen mit Kosten verbunden sein, die zum Wert
der Informationen in einem relativ ungünstigen Verhältnis stehen. Man sollte sich
weiters auch die Frage stellen wie viel Zeit einem Entscheidungsträger zu Verfügung
steht. Zwischen der Situation der vollkommenen Information und der Situation in der
keinerlei Vorstellungen über Eintrittswahrscheinlichkeiten von Ereignissen vorliegen,
kann man die Wahrscheinlichkeiten nach persönlichen Urteilen festlegen. Dabei zu
berücksichtigen ist allerdings, dass solche Schätzungen von der Grundeinstellung der
jeweiligen Person abhängen.
Daher ist es auch sinnvoll, mehrere Experten für das jeweilige Risiko, zur Ermittlung
potentieller Schadenausmaße und zur Abschätzung von SchadeneintrittsWahrscheinlichkeiten heranzuziehen.
Die Ermittlung von objektiven Wahrscheinlichkeiten sowohl aus innerbetrieblichen als
auch aus außerbetrieblichen Statistiken ist nur in gewissen Grenzen sinnvoll.
Großschäden wie beispielsweise Großbrände oder Erdbeben sind durch die Seltenheit
des Auftretens möglicherweise durch betriebsinterne Statistiken überhaupt nicht oder
nicht ausreichend erfasst. Daher ist in der Regel die Berechnung von relativen
Häufigkeiten für Großschäden mittels interner Statistiken nicht empfehlenswert. Für
kleinere Schäden, die eventuell häufiger auftreten eignen sich Daten aus internen
Statistiken für die Schätzung.
Außerbetriebliche Statistiken werden oft herangezogen wegen der Fülle des
Datenmaterials und können für folgende Zwecke herangezogen werden:

Zur Kontrolle der Verteilung, die man aus internen Daten errechnet hat,
speziell für den Abschnitt um den häufigsten Wert.

Zur Gewinnung von Informationen über die Wahrscheinlichkeit der größeren,
selteneren Schäden, über die interne Statistiken in der Regel nichts aussagen
können.
31

Zur Abschätzung des Verteilungsgesetzes und der Parameter für die gesamte
Schadenverteilung.
Die Bildung subjektiver Wahrscheinlichkeiten kann erleichtert werden, wenn in einem
ersten Ansatz verbale Merkmale für Wahrscheinlichkeitsbereiche festgelegt werden
oder wenn erst Vorstellungen über Schadensfälle in größeren Zeiträumen gebildet
werden.
Eine Möglichkeit der verbesserten Abschätzung der Wahrscheinlichkeit von Schäden
ist bei komplexen Risiken durch deren Aufgliederung in Risikofaktoren und
Abschätzung
der
Eintrittswahrscheinlichkeiten
der
einzelnen
Risikofaktoren37
erzielbar. Eine Methode für die Darstellung wäre beispielsweise die Ereignisbäume.
Wenn der Schaden das gleichzeitige Eintreten mehrerer Faktoren voraussetzt,
ermittelt
man
die
Schadeneintrittswahrscheinlichkeiten
nach
dem
Multiplikationstheorem für stochastisch unabhängige Ereignisse.
Bei Haller findet man hingegen im Bereich der Großrisiken keine Ermittlung
numerischer Wahrscheinlichkeiten.
3.3.3.
Die Abschätzung des Ausgleichsrisikos:
Unter Ausgleichsrisiko versteht man die Gefahr der negativen Abweichungen vom
Gesamterwartungswert aus einem Risikobestand – aus dem Bestand der theoretisch
versicherbaren Risiken.
Der
bewusste
und
rationale
Einsatz
der
Selbstversicherung
und
von
Sicherheitsgütern, die das Ausgleichsrisiko auf ein bestimmtes Ausmaß begrenzen,
erfordert eine möglichst genaue Bestimmung dieses Risikos.38
In
idealtheoretischen
Modellen
ist
die
Untersuchung
des
Ausgleichsrisikos
Gegenstand der Risikotheorie. Anwendungsbereiche der Risikotheorie waren bisher
vor allem Risikobestände von Versicherungsunternehmen, wobei sich immer mehr
37
38
vgl. J. Mugler: Risk Management in der Unternehmung
vgl. J. Mugler: Risk Management in der Unternehmung; S. 132
32
die Frage stellt inwieweit die Ergebnisse des Risk Management auch auf
Risikobestände anderer (Nichtversicherungs-) Unternehmen Anwendung findet.
Man versucht sich an den Bestimmungsfaktoren des Ausgleichsrisikos zu orientieren,
da in den meisten Informationssituationen eine exakte oder annähernde Bestimmung
des Ausgleichsrisikos im Bestand der theoretisch versicherbaren Risiken nicht möglich
ist.
Wenn man als Risikomaß die Varianz verwendet, können für die Varianz eines
Risikobestandes die Einflussfaktoren auf das Ausgleichsrisiko näher untersucht
werden.39
V (x1 + x2 + ....... + xn) =
 V(x1) + 2   Cov(xij)
i>j
Die Beziehung drückt aus, dass die Varianz des Erwartungsschadens von n Risiken
abhängig ist. In diesem Zusammenhang ist von drei zentralen Größen auszugehen:
(1) der Zahl der Risiken n
(2) der Varianz V (xi) der einzelnen Risiken und
(3) der Kovarianz zwischen den einzelnen Risiken Cov (xij)
Wenn es gelingt diese drei Größen zu ermitteln, kann eine Aussage darüber gemacht
werden, welcher Betrag an finanziellen Mitteln erforderlich ist, um mit einer
bestimmten Sicherheit (d.h. einer bestimmten Wahrscheinlichkeit) den aktuellen
Entschädigungsbetrag abzudecken.40
Die Anzahl der Einzelrisiken – siehe (1) – ist durch die Teilaufgabe der
Risikoerkennung zu bestimmen.
Bei der Varianz – siehe (2) - ist man in der Regel auf Schätzungen angewiesen, die
entweder auf empirischem Datenmaterial (inner- und außerbetriebliche Statistiken)
beruhen oder mangels dieser subjektive Urteile darstellen können.41
39
40
41
vgl. J. Mugler: Risk Management in der Unternehmung; S. 132
vgl. J. Mugler: Risk Management in der Unternehmung; S. 133
vgl. J. Mugler: Risk Management in der Unternehmung; S. 135
33
4. Anhang
4.1. Fallstudie
Die Tischlerei Holzwurm ist im ländlichen Gebiet im Bundesland Niederösterreich
angesiedelt. Der Tischlermeister Peter Holzwurm hat den Familienbetrieb von seinem
Vater Josef Holzwurm im Jahr 1975 übernommen. Früher hatte der Betrieb an die 15
Mitarbeiter, doch heute besteht er nur mehr aus dem Meister, 2 Gesellen und einem
Lehrling im ersten Lehrjahr. Frau Maria Holzwurm, die Gattin des Meisters, kümmert
sich um die Buchhaltung.
Der Betrieb hat sich in den letzten Jahren auf den Innenausbau spezialisiert. Es
werden
vor
allem
Küchen,
Wohnzimmermöbel,
Betten,
Schreibtische,
etc.
maßangefertigt. Der Tischlermeister fährt persönlich zu den Kunden und entwirft
anschließend am Zeichenbrett einen Entwurf des gewünschten Möbelstücks.
Sämtliche Verträge mit Kunden schließt der Tischlermeister persönlich mit
Handschlag ab. Danach geht das Möbelstück in Produktion.
Die Werkstatt wurde im Jahr 1950 erbaut und bei der Übergabe an den Junior, Peter
Holzwurm, erweitert. Sie befindet sich in der Mitte des kleinen Heimatortes, zwischen
Wohnhäusern. Neben der Werkstatt hat vor 15 Jahren eine Zweigstelle des
Lagerhauses eröffnet, wobei die beiden Gebäude direkt aneinander gebaut wurden.
Am Areal des Lagerhauses befindet sich auch ein Flüssiggastank, der gesondert
eingezäunt wurde.
Die Produktionsmaschinen der Tischlerei Holzwurm sind teilweise veraltert, jedoch
noch sehr gut intakt. Es gibt eine Kreissäge, Hobelmaschinen, eine Schleifmaschine,
eine Stemmfräse, usw. Der Heizraum der Tischlerei befindet sich auch in der
Werkstatt. Mit der Heizung wird nicht nur das Gebäude der Werkstatt beheizt,
sondern auch die Wohnung der Familie Holzwurm. Meistens wird der Heizraum auch
für das Holztrocken verwendet.
Die Arbeiter arbeiten selbstverständlich alle mit Schutzmasken und auch Gehörschutz
wird, vor allem im Maschinenraum, eingesetzt. Ein Erste Hilfe Kasten befindet sich im
Pausenraum der Arbeiter und wird alle paar Jahre von der Chefin überprüft.
34
Der LKW der Tischlerei Holzwurm wurde erst vor einem halben Jahr gekauft und wird
vor allem für die Montage der Möbel verwendet.
Nicht zu vergessen ist der Seniorchef, Josef Holzwurm. Er ist in Pension und hilft
aber trotzdem immer fleißig mit, wenn Not am Mann ist. Vormittags geht der Altchef
gerne ins Wirtshaus auf einen G’Spritzten und spielt Karten mit ein paar Freunden.
Danach sieht es selbstverständlich nach dem Rechten in der Werkstatt und hilft auch
gerne dem Lehrling, der noch in Ausbildung ist. Leider gibt er auch manchmal nicht
so gute Tipps wie zum Beispiel: „de Schutzbrille brauchst jo eh net, de hom a früher
a net braucht!!“.
Die Tischlerei hat eine Feuerversicherung, die im Jahr der Übernahme durch den
Juniorchef, also im Jahr 1975, abgeschlossen wurde. Im Laufe der Jahre sind
verschiedene Maschinen ersetzt worden.
Wie bereits erwähnt, ist die Gattin des Tischlermeisters für die Buchhaltung des
Betriebes zuständig. Sie macht diese per Computer, aber leider ist das Zip-Laufwerk
für die Sicherung seit einigen Wochen kaputt. Somit kann sie keine Sicherung der
Daten durchführen.
Aufgaben:
o Welche Risiken können Sie anhand der Beschreibung der Tischlerei Holzwurm
und anhand der Fotos erkennen?
o Welche Methoden der Risikoerkennung kennen Sie und welche Methode passt
zu welchem Risiko?
35
4.2. Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Risiko als Funktion von Wahrscheinlichkeit und Wert der Folgen
i.S. des Ausmaßes an Personen und Sachschäden .................................................. 5
Abbildung 2: Risiko als Funktion von Wahrscheinlichkeit und Wert der Folgen
i.S. eines multiattributen Konstukts. ...................................................................... 8
Abbildung 3: Risiko als Funktion von Wahrscheinlichkeit und Wert der Folgen
sowie von Charakteristika des Kontextes und der Lokation ...................................... 9
Abbildung 4: Beurteilung der Risikolage durch Evaluation von Störungsketten........ 26
36
4.3. Literaturverzeichnis

Dunwoody,
Sharon/Peters,
Hans
Peter:
Massenmedien
und
Risikowahrnehmung

Haller, Matthias: Risiko-Management und Versicherung; S.19-24

Hoyos, Carl Graf: Wahrnehmung, Akzeptanz und Bereitschaft zum Risiko

Jungermann,
Helmut/Slovic,
Paul:
Charakteristika
individueller
Risikowahrnehmung

Karten, Walter: Risk Management; S. 3830-3831

Mugler, Josef: Risk Management in der Unternehmung; S. 85-136

Theil, Michael: Risikomanagement; S. 212-216
37
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