Felix Kucher EINFÜHRUNG IN DIE RELIGIONSPÄDAGOGIK INHALT I. Definitionen 1. 2. 3. 4. 5. Religion Katechetik Pädagogik Erziehung Bildung 4 5 6 6 7 II. Geschichte A. Vom Beginn bis zum 20. Jahrhundert 1. 2. 3. 4. 5. Antike Mittelalter Reformationszeit Aufklärung Das 19. Jahrhundert B. Das 20. Jahrhundert 1. Die Zeit von 1900 – 1968 a) Formale Ansätze b) Materiale Ansätze 2. Der Schwenk 1968: die anthropologische Wende der Religionspädagogik Bis 1968 Ab 1968 a) Schwerpunkt „Sache“ i. Bibelorientierter (hermeneutischer ) RU ii. Sachorientierter (religionskundlicher RU) b) Schwerpunkt „Beziehung“: Die Korrelationsdidaktik i. Fundamentaltheologische Grundlage ii. Rezeption in der Religionsdidaktik c) Schwerpunkt „Schüler“ i. Problemorientierter RU ii. Therapeutischer RU d) Curriculumtheorie – Lernzielorientierung III. Strömungen an der Jahrtausendwende 22 A. Konstruktivistische Religionspädagogik und –didaktik 1. Impulse aus dem Radikalen Konstruktivismus 2. Gemäßigter Konstruktivismus 3. Konstruktivismus "light " 22 24 25 25 B. Einflüsse der Postmoderne und des Poststrukturalismus 1. Sinnlosigkeit der Symboldidaktik 2. Ende der Legitimationsversuche von religiöser Erziehung C. Elemente einer Wissenschaftstheorie der Religionspädagogik 1. Traditionelles Verständnis 2. Aktuelle Impulse 2 IV. Dokumente – Interaktiver Teil A. Vatikan B. BRD C. Österreich 3 I. Definitionen 1. Religion a) Worterklärung Das Wort „Religion“ stammt vom Lateinischen religio,-onis, das wiederum vom Verb religare „(zurück-) binden“ abgeleitet ist. Es bedeutet also „Bindung“, „Rückbindung“. b) Sacherklärung: Für Religion gibt es sehr viele Definitionen, die je nach Blickwinkel und weltanschaulicher Herkunft sehr unterschiedlich ausfallen können. Eine sehr umfassende und komprimierte, eine sachliche und zugleich engagierte, eine theoretische und zugleich praktisch relevante Definition, die hier angeführt werden soll, stammt von Hans Küng 1: Um des besseren Verständnisses willen sind einzelne Abschnitte durch Absätze und Hervorhebungen gegliedert. „Immer geht es in der Religion um eine erlebnishafte ‚Begegnung mit dem Heiligen’ (R. Otto, F. Heiler, M. Eliade, G. Mensching): möge diese ‚heilige Wirklichkeit’ nun als Macht, als Mächte (Geister, Dämonen, Engel), als (personaler) Gott, (apersonales) Göttliches oder irgendeine letzte Wirklichkeit (Nirvãna, Shũnyatã, Tao) verstanden werden. … ‚Religion’ ist die in einer Tradition und Gemeinschaft sich vollziehende, lebendige sozial-individuelle Realisierung (in Lehre, Ethos und meist auch Ritus) einer Beziehung zu etwas den Menschen und seine Welt Übersteigendem oder oder Umgreifendem: zu einer wie immer zu verstehenden allerletzen wahren Wirklichkeit (Gott, das Absolute, Nirvãna, Shũnyatã, Tao). 1 Tradition und Gemeinschaft sind für alle großen Religionen Grunddimensionen: Lehre, Ethos und Ritus sind ihre Grundfunktionen. Vgl.: Hans Küng: Der Streit um den Religionsbegriff, in: concilium 22 (1986), 2-4. 4 Transzendenz (nach oben oder innen, in Raum und/oder Zeit, als Erlösung, Erleuchtung oder Befreiung) ist ihr Grundanliegen. Religion ist somit alles andere als eine rein theoretische Angelegenheit, gar nur eine Sache der Vergangenheit, Aufgabe für Urkundenforscher und Quellenspezialisten. Nein, Religion, wie wir sie hier verstehen, ist gelebtes Leben, eingeschrieben in die Herzen der Menschen und von daher für alle religiösen Menschen eine höchst gegenwärtige und durchaus den Alltag bestimmende Angelegenheit. Man kann sie mehr traditionell, oberflächlich, passiv leben oder aber tief empfunden, engagiert, dynamisch: Religion ist eine bewußt-unbewußt gläubige Lebenssicht, Lebenseinstellung, Lebensart. Man kann sie ein den Menschen und Welt umgreifendes Grundmuster nennen, durch das der Mensch (ihm nur teilweise bewußt) alles sieht und erlebt, denkt und fühlt, handelt und leidet: ein transzendent begründetes und immanent sich auswirkendes Koordinatensystem, an dem sich der Mensch intellektuell, emotional, existentiell orientiert. Religion vermittelt konkret einen umfassenden Lebenssinn, garantiert höchste Werte und höchste Maßstäbe, schafft geistige Gemeinschaft und Heimat.“ Weitere Umschreibungsversuche (mehr Denkanstöße als Definitionen): Rudolf Otto: „Religion ist die Begegnung des Menschen mit dem Heiligen.“ Max Weber: „Religion ist die Sinnganzheit der Welt.“ Paul Tillich: „Religion ist das, was den Menschen unbedingt angeht.“ … Karl Marx: „Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volks.“ 2. Katechetik a) Worterklärung: „Katechetik“ kommt vom griechischen katechéo ( abrichten“. 5 sprechen, b) Sacherklärung: Katechese meint die Glaubensunterweisung im Sinne einer Vermittlung von Glaubensinhalten. Religionsunterricht war bis ins 20. Jahrhundert durch die Katechese geprägt. Mit Katechetik ist die Begründung der und die Reflexion über die Katechese gemeint. Insbesondere ab den 60er Jahren gab es verschiedene Versuche, Katechetik und Religionspädagogik in eine Beziehung zu bringen (Katechetik als Überbegriff über Religionspädagogik und umgekehrt). Im deutschen Sprachraum wird heute von Katechetik fast nur noch im Sinne von Reflexion über Gemeindekatechese gesprochen. 3. Pädagogik „führen“. a) Worterklärung: Griech.: paîs ( b) Sacherklärung: Der „Paidagogos“ war in der römischen Antike der Sklave, der die Kinder zum Unterricht brachte. Da diese Sklaven (meist Griechen) oft sehr gebildet waren, kamen ihnen vielfach auch Erziehungsaufgaben zu. Im Mittelalter meint „paedagogus“ dann auch den Erzieher und nicht den Lehrer (der heißt „magister“). Pädagogik ist also ursprünglich die Kunst des richtigen Führens und Anleitens. Sie bezog sich nicht auf die fachliche Ausbildung (dafür waren die Lehrer - „magistri“ zuständig), sondern auf die rechte Erziehung, also auf ethische Kategorien. Heute meint Pädagogik die Wissenschaft von Bildung und Erziehung. Ende der 60er Jahre wurde der wissenschaftlicher scheinende Terminus „Erziehungsiwssenschaft“ geprägt, der es aber nicht geschafft hat, „Pädagogik“ ganz zu verdrängen. Umfassende Definitionen finden sich online z.B. auf wikipedia (www.wikipedia.org) s.v. „Pädagogik“. 4. Erziehung Aus der Fülle der Definitionen, die immer auch weltanschaulich gefärbt sind, seien drei möglichst umfassende herausgegriffen, die natürlich auch nicht ohne Wertungen auskommen: „Planmäßige und zielvolle Einwirkung auf junge Menschen, um sie mit all ihren Fähigkeiten und Kräften geistig, sittlich und körperlich zu formen und zu verantwortungsbewussten und charakterfesten Persönlichkeiten heranzubilden“ (Wahrig, Deutsches Wörterbuch – Hier wird ein Akzent auf Verantwortungsbewusstsein und Charakterbildung gelegt) „Die mehr oder weniger zielgerichtete Etablierung von Verhaltensweisen, Werten und Normen insbesondere bei Kindern und Jugendlichen und damit verbunden auch das Setzen von Grenzen. Ziel 6 der Erziehung ist es, ihnen ihren Platz in ihrer Sozialen Gruppe (zum Beispiel die Familie) zuzuweisen und später, um sie an das Leben und Überleben in der Gesellschaft anzupassen ("fit for life"). Entscheidend ist, dass die Erziehung immer nur im sozialen Kontext, also durch andere Individuen stattfinden kann, und anders als Bildung ausschließlich für die Orientierung im sozialen Umfeld nützlich ist. Dennoch ist eine scharfe Abgrenzung zwischen Bildung und Erziehung nicht immer möglich und sinnvoll. Oftmals werden Bildungsinhalte in einen gesellschaftlichen Kontext gerückt, so dass diese wiederum zunächst zur Erziehung werden (z.B. Hände waschen nach der Toilette). In vielen Sprachen gibt es deshalb auch nur ein Wort für beide Begriffe, z.B. das englische "education".“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Erziehung - hier spielt der ein soziologischer Blickwinkel eine Rolle) Erziehung umfasst „Handlungen, mit deren Hilfe versucht wird, andere Menschen dahin gehend zu beeinflussen, dass ihr Gefüge der psychischen Dispositionen in irgendeiner Hinsicht dauerhaft verbessert wird, oder seine als wertvoll beurteilten Bestandteile zu erhalten.“ (Wolfgang Brezinka – hier geht es um die Erziehung zum „Wahren, Guten und Schönen“ in der Tradition Platons. Dieses „Wahre, Gute und Schöne“ findet sich übrigens noch in $ 2 des österreichischen SchOG). 5. Bildung Eine populäre Publikation unter dem Titel „Bildung – alles, was man wissen muss“ war im Jahre 2002 ein Bestseller. Sie enthält Daten und Fakten aus Geschichte, Kunst, Philosophie und Naturwissenschafft, die leicht fasslich in anekdotischer Form vorgebracht werden. Der Titel war als ironische Provokation intendiert, die die meisten Käufer des Buches aber gar nicht mehr als solche verstanden – sie kauften, weil sie sich einen Wissenszuwachs erhofften, der für Smalltalk und Quizshows geeignet ist. Den Bildungsbegriff zu fassen ist indes sehr schwierig. Ganze Bücher sind darüber geschrieben worden2. Dieses Wort gibt es nur im Deutschen. Im Englischen hat, wie schon erwähnt, „education“ ein anderes Bedeutungsfeld, bei dem zwar auch Ideen mit gemeint sind, die im Dt. unter „Bildung“ konnotiert werden, aber zugleich auch Aspekte der Erziehung umfassen. Etymologisch leitet sich Bildung von „Bild“ ab und meint ursprünglich die Herstellung eines Bildes oder einer Plastik aus ungeformten, un-„gebildeten“ Rohstoffen. Unmittelbar auf den Menschen übertragen würde das heißen, dass es für jeden Menschen so ein „Idealbild“ gibt, zu dem sich jeder entwickeln kann, wenn er die nötige Unterstützung dafür hat (oft ist auch bloß diese Unterstützung gemeint, wenn man von „Bildung“ spricht). Unterbleibt diese Formung oder misslingt sie, bleibt der Mensch eben „ungebildet“. „Bildung“ betrifft also die Entwicklung der Persönlichkeit und ist nicht vom Besuch höherer Schulen und Lehranstalten abhängig und daher auch nicht mit „Ausbildung“ zu verwechseln. Gut ausgebildete, aber zutiefst ungebildete Menschen kennt wohl jeder von uns… 2 Vgl. zwei so unterschiedliche Publikationen wie Schwanitz (2002) und Heitger (2004 ). 7 Im Lateinischen finden sich drei Ausdrücke, die der Philosoph Robert Spaemann zur bekannten Deutung veranlasst hat: Eruditio (rudis: dt. roh), Entrohung. Das Ziel ist ein Mensch, der seinen „animalischen Egozentrismus hinter sich gelassen“ hat. Educatio (educere: Herausführen) Im Gegensatz zu emancipatio („aus der Hand geben“, einen Sklaven in die Freiheit entlassen) ist hier die Leitung, die Führung entscheidend. Formatio: Die „Formung“ einer Persönlichkeit und ihres Charakters Man kann die verschiedenen Bedeutungen und Verständnisse von „Bildung“ nach verschiedenen Kriterien aufzählen und einteilen. Ich möchte eine sehr grobe Einteilung machen hinsichtlich zweier Grundverständnisse: a) Idealistisch – christlich b) Autonom a) Idealistisch-christliches Verständnis Der ursprünglich idealistische Begriff von „Bildung“ geht davon aus, dass in jedem Menschen wie in einem Samenkorn die Anlage für die weitere Entwicklung vorgegeben ist. Um seine Persönlichkeit zu entwickeln, bedarf der Heranwachsende umfassender Unterstützung (wie die Pflanze des Wassers und des Lichtes bedarf). Mit der Zeit kann und soll diese Unterstützung aber nachlassen, da der Heranwachsende sie immer weniger braucht. Wie ein geflügeltes Wort sagt, habe die Erziehung die Aufgabe, sich selbst überflüssig zu machen. An die Stelle der Fremdbildung hat dann später die Selbstbildung zu treten, die eine ständige Aufgabe und Herausforderung für den erwachsenen Menschen bedeutet. Wie aber aus einem Weizenkorn nur Weizen werden kann und aus einem Apfelkern nur ein Apfelbaum, kann nicht jeder Mensch zu jeder beliebigen Persönlichkeit herangebildet werden. In der idealistischen Vorstellung griff man dabei auf die aristotelische Vorstellung der „Entelechie“ zurück: In jedem Ding sind die Möglichkeit seiner Entwicklung schon angelegt. Das frühe Christentum, das wesentliche Impulse aus der griechischen Philosophie vor allem platonischer Prägung empfing, modifizierte diese Aufassung dahingehend, dass die Gottebenbildlichkeit nicht nur am Anfang des Menschseins steht, sondern der Mensch sich auch dahin entwickeln muss. Er muss werden, was er ist: Abbild Gottes. Durch seine Gottebenbildlichkeit nimmt er teil an der Freiheit Gottes und wird erst zum autonomen Subjekt. Neben diesem „organologischen“ Verständnis gab und gibt es seit der Antike auch ein „technisches“ im Sinne der griechischen (téchne - Kunstfertigkeit, Geschicklichkeit, Kunst). Bildung wird hier analog zum Handwerk als Prozess der Verfeinerung und Kultivierung begriffen. Wie der Handwerker immer mehr zum Künstler werden soll, so soll der Mensch unter Anleitung sich selbst immer mehr verfeinern und vergeistigen, sich also höher bilden. Dies führt uns zum zweiten Verständnis: 8 b) Autonomes Verständnis Im diesem Sinne wird Bildung als autonome Selbstverwirklichung des Individuums verstanden. Zur Zeit der Aufklärung entstand in der an der grieichischen und römischen Antike sich orientierenden Klassik ein Widerstand gegen die „Entfremdung“ des Menschen. Theoretiker wie Wilhelm von Humboldt prägten um 1800 den Begriff „Bildung“ neu im Sinne einer selbstbestimmten Ausrichtung des Menschen. Bildung ist im wesentlichen autonome „Selbstbildung“ und nicht von außen verordnete „Fremdbildung“. Dieser Bildungsbegriff entstand nicht zuletzt im Misstrauen gegen eine Manipulation des Menschen durch Staat, Gesellschaft und Kirche. Autonomie heißt ja gerade: Ich brauche keinen, der mir sagt, wohin ich mich zu bilden habe! Religiöse Bildung bedeutet in diesem Kontext die Erlangung einer religiösen Mündigkeit und einer Fähigkeit, über religiöse Dinge zu reflektieren. Dieser autonome Begirff ist heute in der Erziehugnswissenschaft allgemein etabliert. Dazu eine zeitgenössische Definition: "Bildung ist der Erwerb eines Systems moralisch erwünschter Einstellungen durch die Vermittlung und Aneignung von Wissen derart, dass Menschen im Bezugssystem ihrer geschichtlich-gesellschaftlichen Welt wählend, wertend und stellungnehmend ihren Standort definieren, Persönlichkeitsprofil bekommen und Lebens- und Handlungsorientierung gewinnen. Man kann auch sagen, Bildung bewirke Identität." (Henning Kössler) Dieser Begriff hat sich inzwischen auch in einer erziehungswissenschaftlich geprägten Religionspädagogik etabliert. Dennoch stehen diese beiden Konzeptionen bis heute in ständiger Spannung zueinander. Vgl. dazu die Dokumente „Gravissimum educationis“ (1965) und „Der Religionsunterricht in der Schule“ (1974) im Anhang dieses Skriptums! Ich möchte zu diesem Konflikt auf einen Begriff hinweisen, um den es in den sechziger Jahren eine heute vergessene Kontroverse vor allem in der protestantischen Rp. gab, die sogenannte / charis paideuousa / gratia erudiens / erziehende Gnade / Gnade, die erzieherisch wirkt. (Tit 2,11). Hier geht es um die dem christlichen Glauben von selbst innewohnende Macht der Erziehung ohne konkrete pädagogische Absicht. Zitate: Bildung ist das, was übrigbleibt, wenn wir vergessen, was wir gelernt haben. George Saville Halifax 9 Ein gebildeter Mensch hat den animalischen Egozentrismus hinter sich gelassen. Zunächst ist ja jeder von uns im Mittelpunkt seiner Welt. Er setzt alles Begegnende zur „Umwelt“ herab und stattet es mit Bedeutsamkeiten aus, die die eigene Bedürfnisnatur widerspiegeln. Der Gebildete hat begonnen, die Wirklichkeit als sie selbst wahrzunehmen. Bilden heisst objektive Interessen wecken, sich bilden heisst „sich objektiv machen“. Etwas „auffassen,wie es gegeben ist“, setzt voraus,dass wir wissen: Es gibt außer uns noch andere Mittelpunkte der Welt und andere Perspektiven auf sie. Andere sind nicht Teil meiner Welt, ich bin auch Teil der ihren. Gebildet ist, wen es interessiert,wie die Welt aus anderen Augen aussieht, und wer gelernt hat,das eigene Blickfeld auf diese Weise zu erweitern.“ … „Sein [des Gebildeten] Selbstwertgefühl kann deutlich und stark sein, weil er es nicht aus dem Vergleich mit anderen bezieht. Er spricht eine „differenzierte, nuancenreiche“ und persönliche Sprache. Er kann es sich leisten, „einfache Sachverhalte einfach auszudrücken“.Das Fremde ist ihm eine Bereicherung.“ Robert Spaemann II. Geschichte A. Vom Beginn bis zum 20. Jahrhundert 1. Antike In der frühen Kirche begegnet uns bereits eine instutionalisierte Form der Glaubensunterweisung: Der sogenannte Katechumenat. Es ist eine Zeit der Vorbereitung, die erwachsene Taufwerber auf sich nehmen, um Mitglied der Kirche zu werden. In dieser Zeit, die bis zu drei Jahren dauern konnte, erfolgte eine „Bekehrung und Belehrung“, zusätzlich musste der Taufwerber eine untadelige Lebensführung aufweisen und diakonischen Diensten nachkommen. Den Abschluss dieser Zeit des Hineinwachsens bildete in der Regel die Taufe in der Osternacht, in der der Katechumene feierlich in die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen wurde. Zielgruppe in dieser Unterweisung waren ausschließlich die Erwachsenen. Das Glaubenlernen der Kinder erfolgte hingegen nicht durch Belehrung, sondern durch Teilhabe am christlichen Leben der Erwachsenen und am liturgischen Leben der Gemeinde. Es wurde als selbstverständlich angenommen, dass die Eltern ihre Kinder im Glauben unterwiesen und sie in diesen einführten. 10 Kernstück der Unterweisung bildete die Auslegung von Vaterunser (Pater noster) und Glaubensbekenntnis (Credo). 2. Mittelalter Durch die Germanenmission kam es zu einer Änderung der kirchlichen Sozialformen. Die Beibehaltung der römischen lateinischen Liturgie begünstigte eine Auseinanderentwicklung von Zelebranten und Volk im Gottesdienst. Durch den hohen Anteil von Analphabeten im Kirchenvolk gewann die bildliche Verkündigung an Bedeutung: Die Kirchen der Romanik und Gotik werden mit Fresken geschmückt, die biblische Ereignisse und Heiligenlegenden erzählen – „Biblia pauperum“ („Die Bibel der Armen“) Kaum Änderungen gibt es hingegen in der Tradition der häuslichen Unterweisung, die noch immer vorausgesetzt wurde: Der Unterricht durch die Eltern, insbesondere die Auslegung des Pater noster und des Credo wurden immer wieder eingemahnt, so auch am Konzil von Mainz im Jahre 813. Die Priester waren aufgefordert, diese Gebete bei der Beichte aufsagen zu lassen. Daneben wurde der Dekalog, das Ave Maria und die sieben Sakramente memoriert. Die mindestens einmal im Jahr abgelegte Beichte bildete ja neben dem sonntäglichen Messbesuch eine der wenigen Konstanten im Glaubensleben. Um sie herum begann sich eine eigene Katechese zu entwickeln. Es entstanden sogenannte „Beichtspiegel“, die dem Beichtkandidaten eine Gewissensprüfung erleichtern sollten, die aber immer mehr unterweisenden Charakter bekamen. Ab der Zeit Karls des Großen kam es u Errichtung von Schulen im Umfeld von Kathedralkirchen (Domschulen) und anderen geistlichen Zentren. Diese Schulen standen zunächst nur Klerikern offen. Mit der Entwicklung der Städte errichteten diese auch eigene Schulen. Das gesamte Schulwesen, ob geistlich oder bürgerlich, blieb religiös geprägt (Man lernte Lesen mit Gebeten). Auch im Mittelalter gibt es noch keine spezifische „Kinderkatechese“ - den Begriff des „Kindes“ oder einer eigenen „Kindheit“ gab es auch noch gar nicht. Sobald ein Kind sich fortbewegen und verständlich machen konnte, galt es als Erwachsener und wurde in den Arbeitsprozess integriert. Es gab keine getrennten Lebensbereiche, Spiele, Lieder oder Wahrnehmungen. Was Erwachsene erlebten, sahen, feierten, taten, machten auch die Kinder mit. Eine „liebevolle“ Erziehung gab es genausowenig wie eine „altersgerechte“ Glaubensunterweisung. 3. Reformationszeit Mit den Glaubensunruhen zu Beginn des 16. Jahrhunderts wächst der Bedarf nach einer systematischen Darstellung des christlichen Glaubens. Es ist Martin Luther, der den ersten „Katechismus“ (1529) als Zusammenfassung des zu Glaubenden für den Priester und für Laien vorlegt. Die katholische Kirche reagiert mit den berühmten Katechismen des Petrus Canisius (1555, 1556, 1558) und schließlich dem „Catechismus Romanus“ (1566) als Ergebnis des Konzils von Trient, der über Jahrhunderte als Lehrbuch Verwendung fand. 11 Die Gliederung des Katechismus in vier „Hauptstücke Glaubenslehre, Sittenlehre, Sakramente und Gebete“ spiegeln die entsprechenden theologischen Disziplinen Dogmatik – Moraltheologie – Sakramententheologie wider. Die Katechismen gewannen in der Glaubensunterweisung rasch an Bedeutung. Rasch entstanden Katechismen für alle Stufen der Ausbildung, die vom Grundschulunterricht bis zur Ausbildung von Geistlichen Verwendung fanden. Der Untericht lief streng nach dem durch das Buch vorgegebenen Schema ab: Ein Lehrstück mit Frage und Antwort wurde vorgetragen, erläutert und erklärt; in der nächsten Stunde wurden de auswendig gelernten Antworten abgeprüft. Sofern hier von einer Didaktik gesprochen werden kann, ist diese „normativ“ zu nennen, da theologische Aussagen vermittelt werden, ohne auf die Konstitution der Rezipienten Rücksicht zu nehmen , was in einem homogenen konfessionellen Milieu auch noch gar nicht von so großer Bedeutung war, da es außerhalb dieses Glaubenssystems kaum alternative „Weltanschauungen“ gab. Aufgabe der Unterweisung war es schlicht und einfach, die theologischen Aussagen entsprechend dem Fassungsvermögen der Laien bzw. Kinder zu vereinfachen und diesen einzudrillen. Diese Form der Unterweisung hielt sich mit Abweichungen großteils bis ins 20. Jahrhundert. Durch den Katechismusunterricht entwickelten sich allmählich auch Kinderkatechesen in den Pfarren, wodurch es zu einer Verlagerung der katechetischen Verantwortung von den Eltern zur Institution hin kam. Den Eltern blieb (und das m.E. bis heute) die Aufgabe, für die religiöse Erziehung (christliches Leben) ihrer Kinder zu sorgen, die Aufgabe der Unterweisung und Belehrung wird ihnen von der Institution abgenommen. Auf Beschlüsse des Konzils von Trient zurückgehend, entwickelten sich in Österreich in der Zeit der Gegenreformation neben den Volkskatechesen der Jesuiten sogenannte „Sonntagschristenlehren“. Priester hatten gemäß den Konzilsbeschlüssen dafür zu sorgen, dass an Sonn- und Feiertagen die Grundelemente der katholischen Lehre dem Volk unterbreitet werden. Diese katechetischen Unterweisungen für Erwachsene und Kinder haben in manchen Gegenden Österreichs bis in die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg überlebt. 4. Aufklärung Hier soll nicht auf die philosophische (Kant: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeteten Unmündigkeit“) und literarische (Voltaire, Diderot; Schiller, … ) Dimension eingegangen, sondern nur kurz auf zwei österreichiche schulpolitische Besonderheiten hingewiesen werden: 1774 ist in mehrfacher Hinsicht ein bedeutendes Datum: In diesem Jahr wird in Österreich unter Maria Theresia die Allgemeine Schulpflicht eingeführt. In der von Abt Ignaz Johann von Felbiger, Autor zahlreicher Religionsbücher, erstellten Schulordnung gbit es zum ersten Mal „Religionsunterricht“ als 12 ausgewiesenes Fach. Zugleich treten an den Universitäten neue Studienpläne in Kraft. Das von Abt Franz Stephan Rautenstrauch reformierte Theologiestudium, wird um die Fächer „Pastoraltheologie“ und „Katechetik“ erweitert (1. Lehrkanzel in Wien!). 1791 wird an der Universität Salzburg durch Franz Michael Vierthaler das Fach „Religionspädagogik“ eingeführt. Mit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht wird der RU ein ordentliches Schulfach, behält aber in Inhalt und Methode den Charakter der kirchlichen Kinderkatechese bei. Die Kirche hat weiterhin ihren Einfluss auf das gesamte Schulwesen durch die Schulaufsicht. Dennoch hat die Unterweisung eine anderes Ziel bekommen: Nicht mehr der von der Kirche selbst herangebildete gläubige Christ war das Ziel der Schule, sondern der – auch durch Religion – edle Mensch und tüchtige Staatsbürger. Die Legitimation gibt also der Staat vor, nicht die Kirche. 5. Das 19. Jahrhundert Auch im 19. Jahrhundert geht es weiterhin um die Weitergabe einer objektiv gültigen Lehre ("Glaubenswahrheiten") in einem neuscholastisch konzipierten Katechismusunterricht (Ziel: Lernwissen). Der isoliert daneben stehende Bibelunterricht ("Biblische Geschichte") dient nur zur Stützung / Veranschaulichung der Katechismus-Aussagen. Von einer Didaktik im heutigen Sinne kann noch nicht gesprochen werden. Eine Wende zeichnet sich erst um 1900 ab, als neue pädagogische Richtungen rezipiert werden. B. Das 20. Jahrhundert I. Die Zeit von 1900 - 1968 Es erscheint sinnvoll, diese Zeit zusammenzufassen, da in ihr viele Theorien vorbereitet und Ansätze entwickelt wurden, die zur sog. „anthropologischen Wende“ um 1970 führten. Grundsätzlich lassen sich formale („Formalkatechetik“) und materiale („Materialkatechetik“) Ansätze unterscheiden. a) Formale Ansätze Um 1900 gibt es eine Anzahl von Pädagogen, die auf die erzieherischen Ideale der Aufklärung zurückgreifen, die die Emanzipation des Individuums von Fremdbestimmung sowie die Hinführung zu Selbstverantwortung zum Ziel haben. Man entdeckte die Schriften eines Pestalozzi und eines J.F. Herbart neu. Herbart (1776-1841) hatte für Lernvorgänge drei Stufen definiert, die er seinerseits aus Aristoteles schöpft: aisthesis (Wahrnehmung) noesis (Denken) – orexis (Wille). Auf die unterrichtliche Praxis umgelegt ergibt dies den berühmten Dreischritt von Sehen – urteilen – handeln. 13 Diese Strömungen standen zunächst im Widerspruch zum damals vorherrschenden Paradigma in der Religionspädagogik, der Neuscholastik, die im Katechismus von Josephus Deharbe 1847 ihren Höhepunkt erfahren hatte. In diesem hatte der „Lehrbegriff“ eine tragende Rolle gespielt. Nun traten auch im religionspädagogischen Bereich Vertreter der sogenannten „Methodenbewegung“ auf, die sich gegen eine bloße Vereinfachung von Inhalten zu Unterrichtszwecken wandte und die formale Struktur der Vermittlung betonte. Ein festes Aufbauschema jeder Stunde mit genau beschriebenen Lehr- und Lernschritten steht vor der inhaltlichen Struktur eines Themas. Um 1905 prägten Willmann – Weber – Stieglitz den Begriff „Münchner Methode“ Zum ersten Mal wird von „Schülerorientierung“ gesprochen – diese Orientierung wird sogar zum Leitbegriff der gesamten Konzeption. Zentrales Konzept dieser Münchner Methode ist der bis in die heutige Didaktik fortlebende Dreischritt von "Darbietung - Erklärung - Anwendung". Dieser Dreischritt wird dann differenziert auf fünf Stufen erweitert: 1. Vorbereitung / Anknüpfung und Zielangabe 2. Darbietung 3. Erklärung/Vertiefung 4. Zusammenfassung 5. Anwendung Zum ersten Mal wird in einem didaktischen Konzept das Vorwissen und die psychologische Entwicklung der SchülerInnen berücksichtigt. Daher wurde diese Methode auch „psychologische Methode“ genannt. Da sich dieses Konzept primär formale Abläufe und nicht inhaltliche Fragen thematisiert, gehört es zu den formalkerygmatischen bzw. formalkatechetischen Konzepten. Dieses fünfstufige Konzept prägte die Religionsdidaktik der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und kennzeichnet noch den "Katholischen Katechismus der Bistümer Deutschlands" von 1955. b) Materiale Ansätze Diese Ansätze stellen eine Gegenbewegung zu formalen Ansätzen, aber auch zur Katechismusdidaktik dar. Das materialkerygmatische bzw. materialkatechetische Konzept wirkte in der Religionspädagogik und – didaktik von ca.1930 bis zur anthropologischen Wende. In diesem Konzept wird die Vorherrschaft von psychologischen vor inhaltlichen Kriterien sehr kritisch gesehen. Demnach sollen bei der Vermittlung nicht psychologische Kriterien im im Vordergrund stehen, sondern der Inhalt, d.h. vor allem die Bibel, aber auch Fragen der Liturgie, und des praktischen Vollzugs des Christentums. 14 Der Stoff ist dabei nicht nach psychologischen Kriterien strukturiert, sondern hat ein Zentrum, auf das hin alle Inhalte angeordnet sind: Jesus Christus. Schülerinteressen als Gegenstand des Unterrichts treten in den Hintergrund. Katechese ist primär „Dienst am Glauben“. Diese Rückbesinnung auf das Kerygma, auf die Frohbotschaft bedingte eine spezifische Sicht des Unterrichts als"Glaubensverkündigung", die zur persönlichen Entscheidung des Schülers für Christus anleiten will. ("Predigt in der Schule"). Dem Rl. kommt als Verkünder sehr große Verantwortung zu, denn er steht mehr als in jedem anderen Konzept für das ein, was er lehrt. Daher ist eine völlige Identifikation mit der Kirche und intensive Bindung an sie Voraussetzung für einen Rl. Zwischen schulischer und gemeindlicher Katechese wird in diesem Konzept noch nicht getrennt. Als Hauptvertreter dieser Richtung sind Klemens Tilmann und der Innsbrucker Josef Andreas Jungmann anzusprechen; in den 50er Jahren verhilft der Grazer Katechetiker Georg Hansemann diesem Konzept zum Durchbruch in Österreich. Materialkatechetische Konzepte wurden sehr wirksam in verschiedenen Lehrplänen und Lehrwerken. Sie flossen u.a. ein in: - Katholischen Katechismus der Bistümer Deutschlands 1955 - Rahmenlehrplan 1967 – in ihm ist zum ersten Mal von „katechetischen Feiern“ die Rede. In diesen kommt die Verkündigungsintention wohl am deutlichsten zum Ausdruck. - Religionsbuch „Glauben – leben – handeln“ 1969 II. Der Schwenk 1968: Die anthropologische Wende der Religionspädagogik Bis 1968 Lehre Lehrer SchülerIn Lehrer – Lehre – Schüler („Die pädagogische Trias“) sind Teil der Kirche, Lehrer und Schüler sind der Institution verbunden und fühlen sich ihr zugehörig. Sie bilden eine homogene Einheit. Die Aufgabe des Lehrers in diesem Konzept ist die Vermittlung der Lehre, die den Glauben, der im Schüler vorhanden ist, entfaltet und reflektiert. Der Schüler muss an die Sache herangeführt werden. Diese sollte möglichst detailliert ergründet und verstanden werden. Grafisch dargestellt: Schüler begreifen, verstehen 15 Sache Ab 1968 Im Zuge der Veränderungen im Bildungswesen Ende der 60er Jahre und aufgrund der Veränderungen durch das 2. Vatikanum beginnt die Suche nach religionspädagogischen Konzeptionen, die den veränderten soziokulturellen und kirchlichen Bedingungen der Gegenwart gerecht werden sollen. Auch lehramtlich wird erkannt, dass die Trias Lehrer – Lehre – Schüler keine Einheit mehr darstellt. Lehre SchülerIn Lehrer Ab ca. 1968 steht nicht mehr der Inhalt, sondern die Lebenswelt des Schülers im Mittelpunkt. Während früher der Schüler Glauben „hatte“ und über diesen Glauben Wissen vermittelt bekam, dachte man eine Zeit lang noch daran, RU müsste „Katechese“ (für die Glaubenden) und „Evangelisierung“ (für die „Ungläubigen“) miteinander verbinden. Spätestens in den 80er Jahren wird klar, dass beides nicht geleistet werden kann. Aufgrund dieser und anderer Gründe (zunehmender Pluralismus, Abmeldungen von RU,...) verabschiedet sich die Religionspädagogik gegen Ende des 20. Jh. schließlich gänzlich von der Vorstellung, primär Inhalte vermitteln oder gar den Schüler kirchlich sozialisieren zu wollen. Ziel des RU nach der „anthropologischen Wende“ ist nicht mehr die kirchliche Sozialisation oder die Produktion abrufbarer Kenntnisse, die bei Bedarf vorzuweisen sind, sondern die Persönlichkeitsbildung und Identitätsfindung des Schülers. Auf der Ebene der Didaktik streicht Wolfgang Klafki den Vorrang der Fachdidaktik vor der Fachwissenschaft heraus: An sog. „Schlüsselproblemen“ (wie z.B. Umweltproblematik oder Sexualität) soll der Zugang zu Inhalten und Adressaten gleichermaßen gefunden werden. Für den Unterricht bedeutet dies, dass nicht mehr die Lehre oder gar der Lehrer im Mittelpunkt stehen, sondern das Subjekt des Schülers und seine Lebenswelt, die als deutungsbedürftig 16 gesehen wird. Die Lehre / Sache dient allenfalls noch als einer der Ausgangspunkte in dieser Interrelation und kann eine Hilfe (von vielen möglichen Hilfen) zu dieser Deutung darstellen. Mittelpunkt: Schüler (seine Lebenswelt deutend) kann helfen kann helfen Sache Sache Dieses Schema gilt mehr oder weniger für alle folgenden Richtungen. Jede nimmt aber einen anderen Punkt dieses Beziehungsgeflechts näher in den Blick. 1. So gibt es Richtungen, die den Schwerpunkt auf die Sache (Bibel, traditionelle Lehre der Kirche) legen und untersuchen, wie diese am besten die Deutungen des Schülers beeinflussen kann. Dazu muss die Sache gut verstanden und gedeutet werden. Dies kann zu einer existentiellen Neuentdeckung der Bibel (hermeneutischer RU) oder zu einer bloßen Religionsinformation führen (sachkundlicher RU). 2. Andere betonen die Wichtigkeit der Beziehung zwischen Sache und Schüler und meinen, dass hier sogar eine Wechselbeziehung zwischen Sache und Schüler möglich ist, indem sich Sachinhalte in der Lebenswelt des Schülers finden und Lebenserfahrungen des Schülers in der Sache. Beide erklären und erhellen einander (Korrelativer RU). 3. Neuere Richtungen hingegen legen ihr Augenmerk vor allem auf den seine Lebenswelt deutenden Schüler (problemorientierter RU, emanzipierender RU, therapeutischer RU). Welche Sache ihm dabei hilft, scheint immer unwichtiger zu werden. 4. Konstruktivistische Pädagogik geht schließlich noch einen Schritt weiter: Schüler erschafft sich selbst Sache Der Schüler konstruiert sich die Sache selbst, der Lehrer beschränkt sich darauf, „Baumaterial“ bereitzustellen bzw. Informationen darüber zu geben, wo welches zu finden ist. Er stellt auch ein „Gerüst“ zur Verfügung („scaffolding“), bauen muss der Schüler jedoch selbst. 17 Zu den einzelnen Richtungen: a) Schwerpunkt „Sache“ (Bibel, traditionelle Lehre) i) Bibelorientierter (hermeneutischer) RU. Schon im Jahre 1958 forderte der evangelische Religionspädagoge M. Stallmann eine „Wende“ im Religionsunterricht, der nicht material-inhaltlich bestimmt sein, sondern mit den Möglichkeiten des Christseins vertraut machen sollte. In direktem Gegensatz zu materialkatechetischen Konzepten sollte der RU davon absehen, Verkündigung leisten zu wollen, er sollte sich vielmehr auf die existentielle Interpretation von Texten bemühen. Die Hermeneutik als Kunst der Auslegung soll den Sinngehalt des Fremden (bzw. fremd Gewordenen) in das eigene Verstehen übertragen und zur Meisterung der eigenen Lebenssituation beitragen. Um Missverständnisse auszuräumen: Auch geht es nicht um das Verstehen der Bibel in ihrer eigenen Welt (vgl. Thomas Ruster: Der verwechselbare Gott, Freiburg 2000), sondern um die „Erhellung“ der Lebenssituation des Schülers. Zwar ist die Bibel mit ihren Texten der zentrale Bezugspunkt, von dem her es zu einer Deutung kommt und es geht auch um das Verstehen von Texten, aber nur insofern, als diese Hermeneutik „existential“ ist, d.h. zur Lebenssituation des Schülers einen Bezug hat und für diese von Bedeutung ist. Diese Richtung hat vor allem in Österreich Ende um 1970 sehr viele Anhänger gefunden, allen voran den Grazer Religionspädagogen Albert Höfer (der sich später der Gestaltpädagogik zuwandte) und Wolfgang Langer (der sich später dem schülerorientierten RU zuwandte). In der BRD wurde diese Richtung vor allem von Günther Stachel und Hubertus Halbfas getragen. Während andere Strömungen die gesamte kirchliche Tradition, die auslegungsbedürftig ist, einbeziehen, ist für Halbfas hermeneutischer Unterricht auf weite Strecken biblischer Unterricht, ohne dass er deshalb zu einem materialen Konzept zurückkehrt. In der Auslegung der Bibel soll vielmehr zugleich die Auslegung der eigenen Existenz geschehen. Lehrer und Schüler sind dabei gleichberechtigte Ausleger, die in einen Dialog mit der Bibel und untereinander treten sollen. Halbfas betont in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Sprache und fordert eine religiöse Sprachbildung. ii) Sachorientierter (religionskundlicher) RU 18 Auch diese Konzeption geht auf Hubertus Halbfas zurück und wurde von Stephan Vierzig weiterentwickelt. Sie entstand, da die Kirche bzw. der RU in der Zeit um 1968 immer wieder dem Vorwurf der Manipulation und Indoktrination ausgeliefert war. Sachorientierter RU setzt sich nun zum Ziel, unter Verzicht auf jedwede Indoktrination grundlegende Kenntnisse im Bereich "Religion" zu vermitteln und damit zu einer eigenständigen Positionierung des Schülers anzuregen. RU soll also als objektive Informationsveranstaltung stattfinden, als bloße „Religionskunde“. Das Aufkommen der Kommunikationstheorie um 1970 begünstigte Schemen wie „Sender – Inhalt – Empfänger“, die auch den Weg in die pädagogische Literatur fanden. Der Unterricht soll möglichst objektiv und wertfrei und unter stattfinden. Da Religion als anthropologische Dimension durchaus anerkannt und als zum Menschsein gehörig gesehen wird, ist sie auch durchaus Teil einer ganzheitlichen Erziehung und hat als Religionskunde auch im staatlichen Schulwesen einen Platz. Der Lehrer wird in diesem Konzept keineswegs als weltanschaulich neutral gesehen, sondern als jemand, der sich weltanschaulich „schon entschieden hat“ und andere zu einer Entscheidung, wie immer sie auch aussehen mag, führen soll. Schulpolitisch wird in Zusammenhang mit diesem Konzept die Forderung erhoben, dass ein so verstandener RU für alle Schüler verpflichtend sein kann, da er nicht konfessionell geprägt und verantwortet ist. Diese Forderung stand und steht jedoch im Gegensatz zu den Schulgesetzen sowohl in den deutschen Bundesländern als auch in Österreich, die den Religionsunterricht regeln. Die Alternative zum RU kann niemals ein Fach „Religionskunde“, sondern nur ein staatlich verantworteter Ethikunterricht sein. b) Schwerpunkt „Beziehung“: Die Korrelationsdidaktik Korrelativer RU ist ein Unterricht, der das Leben (der Schüler) und den Glauben (der Kirche) in ihrer Wechselbeziehung und Wechselwirkung gleich ernst nimmt und damit zugleich sachorientiert und schülernahe sein will. Eine Definition von Georg Hilger 3: “Korrelation wird als Wechselbeziehung von Offenbarung und Erfahrung, von christlicher Botschaft und menschlichem Leben, von überliefertem und gelebten Glauben reflektiert.“ Korrelation spielt sich also auf mehreren Ebenen ab, die von verschiedenen Autoren unterschiedlich benannt wurden. Ich folge hier im Groben der Terminologie von Hilger (ebda.): i) Fundamentaltheologische Grundlage: Laut Paul Tillich (Systematische Theologie, 1956) ist Religion das, „was den Menschen unbedingt angeht.“ Ihm ist es ein Anliegen, aufzuzeigen, dass Religion Glaube für den Menschen, auch den Nichtchristen, bedeutsam ist. Korrelation wird dabei nicht als gegenseitige Anpassung oder Einverleibung verstanden, sondern als Zustand des wechselseitigen Aufeinander-Bezogen-Seins. 3 Hilger/Leimgruber/Ziebertz: Religionsdidaktik. Göttingen 2001, S. 319. 19 Bekannte Zitate Tillichs: „Gott antwortet auf die Fragen des Menschen. Unter dem Eindruck von Gottes Antworten stellt der Mensch seine Fragen.“ „Der Mensch ist die Frage, aber er ist nicht die Antwort.“ Edward Schillebeeckx Laut Schillebeeckx hat die Theologie zwei Quellen: Erfahrungstradition und heutige menschliche Erfahrungen. Jede ist zum Verständnis der anderen notwendig. Jede Botschaft hat einen „Kern“, der aktualisiert und auf die heutige Situation übertragen werden muss. Schillebeeckx spricht von „Kritischer Korrelation“: Evangelium/ Tradition („Sache“) kritisiert die heutige Erfahrungswelt, heutige Erfarhungswelt kritisiert die ART, wie Evangelium/Tradition vermittelt werden. Neue Erfahrungen werfen neues Licht auf die Offenbarung. Schillebeeckx spricht später nicht mehr von Korrelation, sondern von „kritischer Interrelation“. Er warnt immer wieder vor billigen Harmonisierungen und betont den kritischen und produktiven Charakter der Korrelation. Falsch wäre es, oberflächliche Gemeinsamkeiten herzustellen – stattdessen geht es vielmehr um Konfrontation und Provokation. ii) Rezeption in der Religionsdidaktik Ab 1977 (Zielfelderplan der DBK) wird „Korrelation“ zu einem „Leitmotiv“ in der Didaktik, vor allem die Lehrpläne sind von diesem Konzept durchdrungen. „Korrelation“ schien die lange gesuchte Lösung zu sein, die zwei Engführungen vermied: die des bibelzentrierten RU (Gefahr: Starre Lehre ohne Rücksicht auf Schüler) und die des problemzentrierten RU (Gefahr: Zeitgeist-Plaudereien). Die Kirche sah in dem Konzept die Möglichkeit, glaubensferne Schüler näher an die Lehre und die Institution Kirche zu bringen. Die ursprüngliche didaktische Intention ist es, nicht Inhalte den jungen Menschen überzustülpen, sondern Fragen, Bedürfnisse, Sehnsüchte und Ängste junger Menschen so mit Glaubensinhalten zusammenzubringen, dass diese darin Antworten auf ebendiese Fragen, Bedürfnisse,.... erhalten. Diese hohen Ansprüche lassen schon erahnen, dass große Hoffnungen auf dieses Konzept gesetzt wurden. So wurde auch der weite Begriff „Korrelation“ zwar breit rezipiert, erfuhr aber höchst unterschiedliche Interpretationen. Beide Richtungen, inhaltszentrierter und schülerzentrierter RU sahen durch ihre Brille ihre eigene Position bestätigt. In Verbindung mit der Curriculumtheorie (vgl. unten 3 b) werden ab Mitte der Siebziger Jahre die didaktischen Strukturgitter gebaut, die bis in die heutigen gültigen Lehrpläne überlebt haben: Dabei werden auf einer Matrix anthropologischer und theologischer Bereich aufgetragen, in den Spaltenüberschriften Themenfelder benannt und dazwischen die Inhalte und Ziele aufgereiht. Diese Matrizen stellen sich auf der Stufe der Lehrpläne sehr elegant und beeindruckend dar. Der dazugehörige Unterricht, und diese Bilanz ist nach mehr als 20 Jahren möglich, vermochte die Erwartungen hingegen nicht zu erfüllen. Zu oft erschöpft sich korrelativer Unterricht in Herstellung rein additiver Verbindungen, nivelliert Unterschiede zwischen der Begrifflichkeit der Schüler und Inhalten 20 (z.B. Umwelt der Bibel, Kirchengeschichte,...), wird theologischer Inhalt auf die Besprechung von Schülererfahrungen aufgesetzt. c) Schwerpunkt „Schüler“ Diese Richtungen lassen sich als „Schülerorientierter RU“ zusammenfassen. Wie in allen Richtungen nach der „anthropologischen Wende“ geht es auch hier um die Deutung der Lebenssituation des Schülers. Die Rolle der „Lehre“ tritt zugunsten der Lebenssituation des Schülers noch weiter zurück als in den hermeneutischen und korrelativen Richtungen. Gegenstand des Unterrichts ist der Schüler mit seinen Fragen und Problemen. i) Problemorientierter RU Ca. von 1968 – 1975. Diese Richtung entwickelt sich als Antithese zu materialkatechetischen und als parallele Gegenströmung zu hermeneutischen Konzeptionen, geht aber weiter als diese. Nicht mehr die Bibel und die Tradition sind die zentralen Bezugspunkte im RU, sondern der Mensch in seiner Welt. Der Begriff „Religion“ wird nicht mehr primär als Bezeichnung einer institutionalisierten Glaubensgemeinschaft und an diese gebunden verstanden, sondern als mit der Einzelperson verbundenes Phänomen. „Religion“ wird nicht in erster Linie als eine gemeinschaftliche Veranstaltung, sondern als ein individuelle Beziehung zur Transzendenz gesehen. Dieser Religionsbegriff geht im Wesentlichen auf Paul Tillich zurück, wird aus seinem theologischen Kontext heraus in die Didaktik verpflanzt und als pädagogische Legitimation benutzt, die Lebenswelt des Schüler zu thematisieren. So wird die individuelle Lebenswelt zum wichtigsten Interpretationsmoment. Motto: „Themen statt (biblische) Texte“. Der Religionspädagoge H.P. Kaufmann formuliert als erster, dass RU nicht von der Bibel, sondern von den Schülern auszugehen habe. In dieser Hinsicht gehe der hermeneutische Unterricht zu wenig weit, da er ja bei den Texten ansetze und von diesen erst auf die Schüler abhebe. Anzusetzen ist auch im Vorgang der Deutung beim Schüler. Gegenstand des RU ist also kein vor-gesetzter Stoff, sondern „alles, was den Schüler betrifft“ und auch (aber nicht ausschließlich) christlich gedeutet werden kann. Der Rl. muss in diesem Konzept ein humanwissenschaftlich und theologisch gut ausgebildeter Pädagoge sein, der nicht nur über großes Wissen auf beiden Gebieten verfügt, sondern auch weiß, wie die Lebenswelt seiner Schüler beschaffen ist, d.h. wie die soziokulturellen Voraussetzungen aussehen, welche Musik gerade gehört oder welche Kleidung gerade getragen wird. Eine dieser Konzeption entsprechende Didaktik bemüht sich in erster Linie um eine gute Kommunikation zwischen Lehrer und Schüler, die eine Voraussetzung für eine gelungene Beziehung 21 darstellt. Unter Aufbringung möglichst vielfältiger Methoden soll der Schüler zu den Problemen und Fragen geführt werden, die er selbst zu stellen und zu beantworten hat. Auch hier zeigt sich, dass nicht die Sache (Lehre) im Mittelpunkt steht, sondern der Schüler. Jeder Unterricht zielt auf die Problematisierung der Lebenswelt des Schülers ab, die aufgefordert sind, sich mit ihrem Leben einzubringen. Unterricht ist Behandeln der Probleme der Schüler. Doch ergeben sich schnell Fragen: Woher weiß der Lehrer, welches die Probleme der Schüler sind? Sind es wirkliche Probleme, die zur Sprache kommen, oder die Probleme, von denen bemühte Lehrer glauben, dass sie Probleme der Schüler sind? „Glaube“ wird in dieser Konzeption weder vorausgesetzt noch als Ziel gesehen, zu dem die Schüler gebracht werden müssen. Da Antworten des Glaubens zu den einzelnen vorliegenden Fragen als eine mögliche Alternative präsentiert werden, droht die Bibel sowie die gesamte „Lehre“ zu einem Steinbruch zu verkommen, aus dem je nach Anlass die passenden Stücke herausgebrochen werden, ohne dass das Ganze erscheint. ii) Therapeutischer RU Der Therapeutische RU führt die Ansätze des problemorientierten Konzepts insofern weiter, als er den Anspruch erhebt, zur Selbstfindung und zur Beseitigung von durch die Erziehung hervorgerufener „Deformationen“ der Schüler beizutragen. Diese Deformationen sind für den evangelischen Religionspädagogen D. Stoodt vor allem durch religiöse Sozialisation zustandegekommen, deren einziges Ziel es war, die Schüler an die bestehende gesellschaftliche Verhältnisse anzupassen. Aufgabe des RU ist es, mit Hilfe von Texten – auch biblischen - diese Deformationen aufzubrechen und dem Schüler zu Ichstärke und Selbstbewusstsein zu verhelfen. Hauptziel eines solchen – auch „sozialisationsbegleitend“ genannten RU ist also die Selbstfindung des Schülers, bei der er aber nicht stehen bleiben darf. Er soll vielmehr von egoistischem Denken weg- und zu solidarischem und verantworteten Handeln hingeführt werden, das bis zu stellvertretendem Eintreten für Unterdrückte und zu einem Denken führt, das alternative Lebensweisen in Betracht zieht. Selbstfindung Solidarisierung stellvertretendes Handeln alternativisches Denken 22 Die „68er-Prägung“ dieses Konzepts wird hier sehr deutlich. In keinem anderen Konzept tritt auch die Schülerzentriertheit so klar hervor: Die Schüler sind Mitte und Ziel, Inhalt und „Material“, Subjekte und Objekte des Unterrichts. Ihre Erfahrungen und Lebensgeschichten stehen im Mittelpunkt. Der Rl. hingegen muss sich zurücknehmen und schlüpft in die Rolle eines begleitenden Therapeuten, der sich um die „Heilung“ (therapia) der Seele des Schülers bemüht. Kritik: Ein so verstandener RU sprengt nicht nur die Grenzen des Schulfaches „Religion“, sondern ist auch eine Zumutung für Schüler, sich Lehrern auszusetzen, die als Therapeuten dilettieren. d) Curriculumtheorie – Lernzielorientierung Diese betrifft nur mittelbar die Religionspädagogik – hier geht es, wie der Name schon sagt, um die Frage, wie ein Lehrplan zu gestalten und mit seiner Didaktik wissenschaftlich zu begründen ist. Als Auswirkung der sog. Robinsohn-Studie 1967 wurde die Forderung nach neuen, klar definierten Inhalten und Zielen für die Lehrpläne erhoben. Was wie warum gelernt wird, sollte eindeutig und wissenschaftliche begründet werden. Der alte Dreischritt von Sehen – Urteilen – Handeln wird hier zu: 1. Identifizierung der Lebenssituation des Schülers 2. Analyse der Möglichkeiten, wie diese zu meistern ist 3. Identifikation der Ziele, Inhalte und Methoden, die dabei helfen können Georg Hilger (1975) verbindet die Definition von Zielen bereits mit dem zweiten Schritt und richtet danach die Inhalte und Ziele aus. Man spricht bei dieser Priorität der Ziele von „Lernzielorientierung“. Durch die Formulierung von Zielen, die erreicht werden müssen, erscheint der Eindruck, das Endverhalten des Schülers könne kontrolliert werden, was sich aber oft als unmöglich herausgestellt hat: Man denke nur an Formulierungen im ethischen Bereich. Die Curriculumtheorie erreichte ihre Blüte in den späten 70er Jahren und fand Eingang in zahlreiche Lehrplankonzepte. Sie feierte in den letzten Jahren eine Renaissance in Lehrplänen, die eine strenge Zielorientierung versuchten (vgl. den sog. „Lehrplan 2000“ in der österreichischen Sekundarstufe I). Vielfach verstecken sich hinter den neuen Schlagworten von „Kompetenzen“, die in Lehrplänen formuliert werden, nichts anderes als die bekannten Zielformulierungen. 23 24 III. Strömungen an der Jahrtausendwende A. Konstruktivistische Religionspädagogik und -didaktik „Der Schüler erschafft sich selbst die Sache“ Am Ende des 20. Jahrhunderts zeigt sich die Trias Lehre – Lehrer – Schüler total fragmentiert: Der Schüler ist in der Regel weit weg von institutioneller Religion und Lehre, Anknüpfungspunkte ergeben sich eher zufällig. Der Lehrer, in der Regel ein Laie, befindet meist in kritischer Distanz zur Lehre und ist gefordert, sein Leben den Schülern, deren einzige religiöse Bezugsperson er meist ist, als exemplarisch christlich vorzuleben. Für viele Religionslehrer ergeben sich dadurch Spannungen, die auch Auswirkungen auf den Unterricht haben. Lehre LehrerIn SchülerIn In den letzten Jahren hat der radikale und gemäßigte Konstruktivismus in die Pädagogik und Didaktik Einzug gehalten4 und stellt auch für die Religionspädagogik und -didaktik eine ernste Herausforderung dar. Die Auseinandersetzung mit dieser Richtung hat in der Religionspädagogik gerade erst begonnen5. Nach dem erkenntnistheoretischen Konstruktivismus eines Heinz von Foerster und eines Ernst von Glasersfeld gibt es ja keine objektive Erkenntnis: "Die Umwelt, so wie wir sie wahrnehmen, ist unsere Erfindung."6 Die vermeintlich objektive Wirklichkeit ist stets eine subjektiv konstruierte. Beobachtungen und Beschreibungen der Wirklichkeit ergeben sich nicht aus dieser, sondern werden durch den Beobachter getätigt. Da alle Erkenntnis aktive Konstruktion des Subjekts ist, bastelt sich jeder Erkennende seine eigene Weltsicht zusammen. Wissensaneignung erfolgt nicht durch Transmission, sondern durch Aufbau eigener Strukturen zur Deutung der Wirklichkeit. Nicht Rezeptivität, sondern Aktivität steht im Vordergrund. "Wissen entsteht nicht durch Enkodierung und Repräsentationen, sondern emergiert im Augenblick des Handelns."7 Traditionelles Lehren und Lernen wird im Konstruktivismus unterschiedlich bewertet, worauf nicht näher eingegangen werden soll. Das Spektrum reicht von der Leugnung der Existenz von 4 Vgl. exemplarisch Dubs (1995), Reich (1996) , Diesbergen (1998), vgl. Hilger/Ziebertz (2001), S. 97-101 6 von Foerster (1995), S. 40. 7 Gerstenmaier/Mandl (1995), S. 880. 5 25 Lerninhalten im radikalen Konstruktivismus (etwa bei Maturana) bis zur Würdigung traditioneller Lehrmethoden in Anfangsphasen zum Aufbau eines Grundwissens oder beim Erlernen von Sprachen. In allen Richtungen geht es aber um selbständige Konstruktionsleistungen, die durch "starke Lernumgebungen" und verschiedenste, auch technologische Hilfsmittel ermöglicht werden sollen 8. 1. Impulse aus dem Radikalen Konstruktivismus Radikal konstruktivistische Strömungen gibt es seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges in mehreren Geisteswissenschaften. So hat George Kelly schon in den 50er Jahren eine konstruktivistische Persönlichkeitspsychologie entworfen, in der sich neue Ansätze zu Therapien aus der Theorie ergeben, dass psychisch Kranke nicht mehr ausschließlich als Opfer einer Krankheit, sondern vielmehr als Konstrukteure derselben gesehen werden. In Kellys "Psychologie der persönlichen Konstrukte" wird jeder Mensch grundsätzlich als gleichberechtigter Wissenschaftler gesehen. "Alle Menschen sind gleich darin, dass sie Konstrukte verwenden, und denselben psychologischen Prozessen folgen."9 Als Gegenstand der Psychologie ist nun jeder Mensch selbst Psychologe, insofern jeder seine Realität konstruiert und die Effizienz seiner Konstruktionen überprüft. Es gibt Theologen, die versucht haben diese Einstellung auf die Theologie zu übertragen:, so ist jeder Glaubende als Theologe anzusprechen, "indem er Verantwortung zu übernehmen hat für die Konstruktion seines vertretenen Glaubens. Das heißt eben nicht, dass jeder Mensch religiös im naiven Verständnis sein müsste. Denn Theologie ist ja eine Art Metatheorie über die Art und Weise, wie Glaube und Realität konstruiert werden"10. Der protestantische Theologe Norbert Ammermann, der diese Worte gebraucht, gibt aber zu, dass dieser Standpunkt wohl nur mit einem protestantischen Verständnis, in dem auf die "Konstruktionsleistungen" eines normativen Lehramtes verzichtet wird, vereinbar ist. In diesem Paradigma lassen sich mithin sowohl (Religions-)Lehrer als auch Schüler als Konstrukteure sehen. Beide "bauen" an ihrem Glauben, und konstruieren sich Sinn in zunächst sinn-losen Situationen. Das Problem, das sich daraus ergibt, soll die Grafik verdeutlichen: Radikal-konstruktivistisches Modell Glaubensinhalte konstruiert 8 vgl. z.B. Dubs (1995) Pervin (1993), S. 255. 10 Ammermann (2001) 9 26 Subjekt (aktiver Konstrukteur) Aus den vielen Fragen, die sich anhand dieses Modells stellen, seien nur einige herausgegriffen: Was ist das Ergebnis des Konstruktionsprozesses? In welchem Verhältnis steht das Ergebnis zu den "Konstrukten " anderer, angefangen von den Autoren der Bibel bis zu den Enzykliken Johannes Paul II.? Was bedeuten "Glaubensinhalte" und eine "Hierarchie der Wahrheiten" in diesem Kontext? 2. Gemäßigter Konstruktivismus In die Didaktik hat in den letzten Jahren ein gemäßigter Konstruktivismus Eingang gefunden, wobei in unterschiedlichen Konzeptionen das konstruktivistische Element verschieden stark ausgeprägt ist. Der Pädagoge Kersten Reich differenziert drei konstruktivistische Tätigkeiten: So kann der Aufbau einer eigenen Deutung erfolgen durch Konstruktion ("Wir sind die Erfinder unserer Wirklichkeit") in der neues Wissen konstruiert und in bestehendes hineinverwoben wird, durch Rekonstruktion, also NachDenken der Konstruktionen anderer ("Wir sind die Entdecker unserer Wirklichkeit") und durch Dekonstruktion im Sinne einer "Enttarnung" der Wirklichkeit.11 Im Kontext des Religionsunterrichtes könnte das bedeuten, dass der Lehrer mit einem gewissen Vorsprung an Konstruktionsleistungen den Schülern hilft, um für sich selbst Sinn und Glauben konstruieren zu können. Im Sinne einer "Rekonstruktion" greifen beide auf ein tradierte Deutungen zurück, die nicht neu zu erfunden werden brauchen, aber rekonstruiert werden müssen, "wenn man ihre Relevanz für die eigene Weltsicht befragen will."12 "ehemalige Konstrukteure" (Bibl. Autoren, Theologen, Glaubende...) Glaubensinhalte ähnliche Glaubensinhalte?? rekonstruiert Subjekt (aktiver ReKonstrukteur) 3. Konstruktivismus "light " Doch immer häufiger wird in den letzten Jahren der Ausdruck "Konstruktivismus" für bereits bekannte und bewährte Methoden verwendet, die nicht ursprünglich mit dieser Strömung zu tun haben, sondern lediglich eine größere Selbsttätigkeit des Lernenden in den Mittelpunkt stellen. 11 12 vgl. Reich (1996), S. 119-121. Hilger/Ziebertz (2001), S. 99. 27 So stellt schon Dubs fest, dass gerade in Europa viele Postulate einer konstruktivistischen Didaktik sich schon auf anderen Hintergründen entwickelt haben. Er nennt dabei Stichworte wie "schülerzentriertes Lernen anstelle von lehrerzentriertem Unterricht, selbstgesteuertes, kollektives Lernen anstatt darbietender Unterricht, Projekt- und Werkstattunterricht anstelle von fachwissenschaftlich-systematischem Unterricht oder die Lehrperson als Lernberater anstelle herkömmlicher Lehrertätigkeit"13. In diesem weiten Sinne könnte man bereits den Großteil des Reformschulwesens als "konstruktivistisch" bezeichnen... Es fällt weiters auf, dass der Begriff "Konstruktivismus" immer farbloser zu werden scheint und seine subversive Kraft einbüßt, je mehr er in den Dienst konkreter didaktischer Anstrengungen genommen wird. --Zusammenfassend könnte man die drei wichtigsten Paradigmen wie folgt charakterisieren: Zeit (ca.) Ausgangspunkt Prozess Lehrerrolle Bis 1968 Inhalt Subjekt Inhalt wird dem Subjekt vermittelt Pauker Ab 1968 Inhalt Subjekt Inhalt tritt in Wechselbeziehung zu Subjekt, Subjekt zu Inhalt Korrelierer Ab 2000 Inhalt Subjekt Subjekt konstruiert sich Inhalt Coach, gibt Hilfe zur Konstruktion Parallel zum Konstruktivismus und auch komplementär dazu soll eine weitere Richtung angedeutet werden, mit der die Auseinandersetzung in der Religionspädagogik sehr verspätet begonnen hat: B. Einflüsse der Postmoderne und des Poststrukturalismus Der zweite große, noch nicht abgeschlossene Themenkomplex ist ausgelöst durch die um gut 20 Jahre verspätete Rezeption postmoderner bzw. poststrukturalistischer philosophischer Theorien in verschiedenen Bereichen der Pädagogik und Religionspädagogik, von der Bildungsforschung bis hin zur Legitimationsproblematik von Erziehung im weiteren und religiöser Erziehung und Bildung im engeren Sinne. Aus der Fülle der derzeit diskutierten Themen möchte ich nur zwei kurz skizzieren: 1. Sinnlosigkeit der Symboldidaktik, da Symbol nichts bezeichnet. Der evangelische Religionspädagoge Michael Mayer-Blanck hat versucht, die Semiotik mit ihren Unterdisziplinen Grammatik, Syntaktik und Pragmatik für die Theologie fruchtbar zu machen, was folgenschwere Auswirkungen auf das Symbolverständnis im allgemeinen und auf die Symboldidaktik 13 Dubs (1995), S. 889f. 28 im besonderen hat14. Wie im Konstruktivismus wird auch hier die Existenz einer allen gemeinsamen und allen gleich zugänglichen „Wirklichkeit“ geleugnet. „Wirklichkeit“ ist nicht allgemeingültig, sondern konstituiert sich durch einen Vorrat von Zeichen, aus dem nach verschiedenen Selektionsregeln ausgewählt wird, die je nach Kultur, Zeit, Situationen usw. verschieden sind. Nun setzen alle Ansätze der Symboldidaktik voraus, dass es eine Verbindung zwischen dem Symbol und der dahinterliegenden Wirklichkeit gibt. Die entscheidenden Konzepte dazu wurden in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts entworfen: Hubertus Halbfas war es um die Entwicklung des „Dritten Auges“ gegangen, einem Sensorium, das die oberflächliche Wirklichkeit durchbricht und das hinter dem Profanen liegende Sakrale zu erschließen 15. Yorik Spiegel betonte die Ambiguität von Symbolen und bezog auch profane Symbolwelten in sein Konzept mit ein 16. Peter Biehl betonte die Vermittlungsfunktion von Symbolen zwischen Bewusstem und Unbewusstem, Subjektivem und Archetypischem, Gegenwart und Vergangenheit 17. In all diesen Richtungen wird die Möglichkeit eröffnet, über symbolisches Lernen von der subjektiv wahrgenommenen „oberflächlichen“ Dimension eines Symbols zu einer tieferen Dimension der Wirklichkeit vorzudringen, in der die persönliche Sphäre auf einen größeren Sinnzusammenhang hin überschritten wird. Im Sinne einer semiotischen Betrachtungsweise sind Symbole zunächst bloße Zeichen ohne bestimmte Bedeutung sind, bloßes signifiant (Bezeichnendes) ohne signifié (Bezeichnetes). Je nach Gebrauch – und dies ist die pragmatische Dimension der semiotischen Analyse – wird das Zeichen beliebig mit Bedeutung aufgeladen. Das symboldidaktische Unternehmen erweist sich dadurch als eine Ansammlung von möglichen, aber nicht ausschließlichen Interpretationsmustern, die das zu beweisen versuchen, was sie voraussetzen. 2. Ende der Legitimationsversuche von religiöser Erziehung Sämtliche Legitimationsversuche religiöser Erziehung setzen einen Konsens darüber voraus, was Erziehung und Bildung überhaupt leisten soll und kann. Dieser Konsens wird aber in einer sich immer weiter ausdifferenzierenden pluralistischen Gesellschaft immer unwahrscheinlicher. Mit dem postmodernen „Ende der großen Erzählungen“ werden sämtliche Weltanschauungen, Religionen, Ideologien und –ismen als unverbindliche Sprachspiele entlarvt. Die einzelnen Topoi: 14 Meyer-Blanck (1995). Halbfas, Hubertus: Das Dritte Auge – Religionsdidaktische Anstöße. Düsseldorf 1982. 16 Spiegel (1984). 17 Biehl (1989). 15 29 Topos „Sinnbedürftigkeit des Menschen“ These: Die rationale Beschäftigung mit der Welt gibt dem Menschen keine Antwort auf letzte Fragen nach dem Sinn, dem Woher und Wohin des Lebens. Rationalität allein kann diesen Sinn nicht hervorbringen, kann keine Hoffnung stiften. Daher ist die Beschäftigung mit Religion notwendig. Widerlegung: Dies ist nur der Fall, wenn über die Verfassung von Welt und Mensch Konsens herrscht. Eine existentialistische Sichtweise, der gemäß der Mensch ins Dasein geworfen und zur Sinnlosigkeit verdammt ist oder biologistische Sichtweise, der zu Folge der Mensch ein Zufallsprodukt der Evolution ist, legen bereits nahe, dass es keineswegs ein Bedürfnis des Menschen sein muss, sich selbst zu überschreiten und seine Verfasstheit zu transzendieren. Im Sinne einer postmodernen Beliebigkeitsphilosophie sind im übrigen auch die Erzählung der Evolutionsbiologie und des Existentialismus eben nur Erzählungen. Topos „Kulturgeschichte“ These: Religionen haben die Weltgeschichte entscheidend geprägt. In Europa ist die Geschichte seit der Zeitenwende ohne Christentum nicht vorstellbar. Christliches Denken und christliche Kultur prägte und prägt Politik und Sozialgeschichte bis heute, christliche Wertvorstellungen sind die Basis für Rechtsordnungen aller Art; sogar der Kapitalismus ist nach Max Weber ohne christliche Wurzeln undenkbar (systematische Lebensführung, Askese,...). Deshalb ist die Beschäftigung mit Religion bzw. dem Christentum Teil der historischen Allgemeinbildung. Widerlegung: Dieses Argument greift nur, wenn jemand von der Bedeutung der Religion (des Christentums) überzeugt ist. Gibt es hier keinen Konsens, verpufft auch die Wirkung des Arguments. Topos „Allgemeine Religiosität“ These: „Einerlei also, ob ein Mensch einer überlieferten Religion angehört, ob er für seine Religiosität einen Namen weiß oder ob er sich in Abhängigkeit von verbreiteten Anschauungen als areligiös, ungläubig, atheistisch oder religionsfeindlich bezeichnet, solange er offen ist für alles, was dem menschlichen Leben Sinn geben kann – oder anders gesagt: - solange er in seiner Existenz, bewußt oder unbewußt, die Frage nach der Bestimmung des Daseins mit letztem Ernst stellt, ist er religiös.“ 18 Widerlegung: Wenn der Mensch sinnbedürftig ist, heißt das nicht, dass er gleich religionsbedürftig oder gar religiös ist. Die obige Aussage ist eine unzulässige Vereinnahmung und nur bei Konsens über die Verstehensbedingungen möglich. Topos „Religion als Hilfe zur Menschwerdung“ These: Erziehung besteht nicht in der Vermittlung von Kenntnissen, sondern in der Hilfe zur Selbstfindung und Menschwerdung des zu Erziehenden. Wenn man zur Menschlichkeit des Menschen vordringen will, ist die Orientierung an einer Instanz, die die Diesseitigkeit des Menschen überschreitet, notwendig. Ohne diese Selbsttranszendenz („der Mensch überschreitet seine eigenen Grenzen“) verkümmert die Tiefendimension des Menschen. Daher darf religiöse Erziehung einem Menschen nicht vorenthalten werden. 18 Halbfas (1972), S. 5. 30 Widerlegung: Auch diese These hält nur, wenn man ihre Voraussetzungen teilt. Der Mensch braucht nicht notwendigerweise religiöse Erziehung, um zu sich selbst zu kommen – warum sollte die Diesseitigkeit überschritten werden, wenn dazu doch gar keine Veranlassung besteht? Und wenn die Grenze der eigenen Beschränktheit schon überschritten wird, muss es dann in Richtung Religion sein? Ist eine am Menschen orientierte Ethik nicht genug? Fazit: „Die Suche nach einer absolut sicheren Legitimationsbasis für eine religiöse Erziehung muss vergeblich bleiben.“ schrieb Heinz Schmidt schon 198219. Er zieht daraus den einzig möglichen Schluss, dass jedwede religiöse Erziehung notwendigerweise positional ist. Es ist eine mögliche Position, die man einnehmen kann, aber nicht muss. Sinn- und Werteflexion ist wie viele andere Dinge (von Fremdsprachen bis zur Kunst, von Mathematik bis zur Geographie) nicht überlebensnotwendig, dennoch hat sie, seit es menschliche Geschichte gibt, immer stattgefunden und hat daher auch ihre verschiedensten historisch gewachsenen Ausdrucksformen erfahren – auch in Religionen. Wie die nicht überlebensnotwendigen Wissenschaften betrieben wurden und ihre eigenen Legitimationserzählungen entwickelt haben, so haben auch die Religionen versucht, sich zu legitimieren. Jeder Unterricht ist daher Teil des großen Sprachspiels der verschiedenen Legitimationserzählungen; RU im besonderen ist ein Teil der sich selbst begründenden und sich seiner selbst vergewissernden Rede von Religion. C. Elemente einer Wissenschaftstheorie der Religionspädagogik 1. Traditionelles Verständnis Mit der „anthropologischen Wende“ 1968 ware es im deutschen Sprachraum auch zu einer Differenzierung von „Religionspädagogik“ und „Katechetik“ gekommen, wie auch in der Praxis schärfer zwischen Religionsunterricht (als schulische Veranstaltung) und Katechese (als Glaubensunterweisung) getrennt wurde. Der Grazer Katechetiker E.J. Korherr versuchte, in Österreich diese Auseinanderentwicklung möglichst zu verhindern und die Katechetik im schulischen RU möglichst ausdrücklich zu verankern. Bis heute gibt es keine eindeutige Aufgabentrennung dieser beiden Disziplinen. Während es während der siebziger Jahre viele Publikationen zum Selbstverständnis dieser beiden Disziplinen gab, hat das Interesse in den letzten Jahren deutlich abgenommen. Ja, es gibt insgesamt zur Theoriebildung einer Wissenschaftstheorie der Praktischen 19 Schmidt (1982), S. 33. 31 Theologie und ihrer Teildisziplinen in den letzten Jahren nur wenig Beiträge aus dem deutschen Sprachraum20. Nach Englert (1986) lassen sich drei Ebenen der rp. Reflexion unterscheiden: 1. Rp. als Reflexion von religionspädagogischer Praxis 2. Rp. als wissenschaftliche Theorie der Praxis 3. Rp. als Theorie dieser Theorie: Als Wissenschaftstheorie. Diese dritte Ebene reflektiert über die Bedingungen und Voraussetzungen religionspädagogischer Reflexion. Nun kann man diese fundamentalen Reflexionen traditionell im Sinne eines aristotelischen Wissenschaftverständnisses als Definitionen von Grundbegriffen („Was ist Religion?“, Was ist Pädagogik?“ usw.) bestimmen, wobei sich die Blickrichtung auf etymologische und begrifffsgeschichtliche Aspekte richtet. Man kann versuchen, das „Wesen“ (essentia) der Disziplin zu bestimmen, ihren Ort und ihre differentia specifica im Unterschied zu anderen Disziplinen hervorzuheben (die universitäre Religionspädagogik wird als Teil der Praktischen Theologie gesehen, was sich auch in der Organisationsstruktur abbildet), Formalobjekt und Materialobjekt (etwa „religiöse Erziehungs- und Bildungsprozesse“)der Wissenschaft eruieren, ihre Methoden und ihren Wirkungskreis und ihre Handlungsfelder beschreiben. 2. Aktuelle Impulse In einer postmodernen Umgebung, in der die „großen Erzählungen“ ihre Legitimität verloren und in der die ökonomische Terminologie sich des pädagogischen Betriebes bemächtigt hat, wird es indes notwendig, andere Begründungszusammenhänge zu entwickeln. Wie Englert (Englert 2002) drastisch beschreibt, hat die Anwendung ökonomischer Denkweisen auf den Wissenschaftsbetrieb auch für die Theologie und damit auf die Religionspädagogik substantiellen Einfluss genommen. Sämtliche Ausbildungsinstitutionen müssen heute nachweisen, „dass sie 1. eine gesellschaftliche Leistung erbringen, die tatsächlich gefragt ist (Stichwort ’Auslastungsquote’), dass die Leistung 2. auch nicht mit geringeren Mitteln, in kürzerer Zeit und an einem anderen Standort zu bewerkstelligen ist (Stichwort ‚Effizienzkontrolle’), dass sie 3. im nationalen und internationalen Wettbewerb um Forschungsprojekte, Drittmittel und die fähigsten Student/innen und Nachwuchswissenschaflter/innen bestehen können (Stichwort ‚Centers of excellence’) und dass sie 4. im Zuge einer umfassenden Flexibilisierung allen 20 Vgl. Englert (1986); Englert (1995), Ritter / Rothgangel (1998); Englert (2002), Angel (2000). 32 Lebens und Arbeitens möglichst unaufwendig in kontextübergreifende Systeme integrierbar sind (Stichwort ‚Modularisierung’“ 21 Diese Umstände rücken jetzt nicht Definitionen an den Anfang der Begründungen von Wissenschaft, sondern Legitimationsbemühungen: Wozu ist eine wissenschaftliche Disziplin, wozu Theologie, wozu Religionspädagogik gut? Wie kann man die wissenschaftliche Ausbildung „marktgerecht“ gestalten? Gibt es einen Bezug von Studium und Arbeitsmarkt? Gibt es einen durchgehenden Praxisbezug? Was Religionspädagogik unter diesen Bedingungen auf jeden Fall NICHT SEIN kann: - appendix theologiae Eine bloße Anwendungswissenschaft der systematischen und historischen Theologie. Eine solche Wissenschaft untersucht, wie theologische Inhalte am besten methodisch zu vermitteln sind. Sie beschäftigt sich selbst nicht mit theologischen Inhalten. Einer so verstandenen Rp. kommt kein Platz innerhalb der Theologie zu, sie ist kein Platz theologischer Reflexion oder Erkenntnis, sondern reine Anwendungswissenschaft, die „zur Anwendung bringt, was anderswo wissenschaftlich produziert wird.“22 Als rein humanwissenschaftliches Repertoire von Anwendungstechniken besitzt sie keine „theologische Dignität“. - Humanwissenschaft Problematisch ist auch das Verständnis der Rp. als reine Humanwissenschaft, also als Spezialgebiet der Pädagogik, wie etwa auch Sexualpädagogik oder Sonderpädagogik. Als Humanwissenschaft (nicht als theologische Disziplin) beleuchtet sie wie andere Humanwissenschaften (Psychologie, Soziologie,..) den Menschen aus ihrem spezifischen Sichtpunkt als ens religiosum und ens educandum. Diese Sichtweise legitimiert den RU als Teil eines umfassenden Erziehungs- und Bildungsauftrages. Ein solches Verständnis ist gegenwärtig in z.B. den Lehrplänen für Religionspädagogik an den PAs und RPAs in Österreich vorherrschend. Es ist insofern problematisch, als theologische Argumente in diesem Kontext zum Fremdkörper werden. - Importwissenschaft Es ist charakteristisch für die Rp. als Wissenschaft im Schnittpunkt von Theologie und Pädagogik, dass sie Theorien aus der Allgemeinen Pädagogik importiert und für ihre Zwecke zu adaptieren versucht. Dabei wurden, wie Angel (2000, S. 275) aufgewiesen hat, insbesondere Theorien aus dem Bereich der Entwicklungspsychologie immer wieder kritiklos übernommen, ohne auf die dadurch veränderten Kontexte und Referenzsysteme Rücksicht zu nehmen und die Frage der Angemessenheit zu stellen. Die Frage stellt sich heute z.B. angesichts der Adaption von 21 22 Englert (2002), S. 24. Angel (2000), S. 261 33 Konstruktivismus und Poststrukturalismus/Postmoderne. Hier ist mehr Vorsicht, aber auch mehr Originalität gefordert. Was Rp. unter diesen Bedingungen SEIN kann: - Teil der prakt. Theologie Als solches ist sie eine Teildisziplin der Praktischen Theologie und damit auch genuiner Ort theologischer Reflexion und der Gewinnung theologischer Erkenntnis. Da sie wie andere theologische Disziplinen auf dem Vertrauen darauf, dass der Glaube allen Menschen zum Heil dient, fußt, hat sie ihre Wurzeln nicht in einer Humanwissenschaft, sondern in der Theologie. Sie ist dieser nicht „nachgeordnet“, sondern ein ihr immanentes, von der Praxis abhebendes und wieder auf sie abzielendes Reflexionsmoment. „Religionspädagogik wird hier als ein Fach Praktischer Theologie und als Teil der theologischen Gesamtaufgabe betrachtet.“ 23. Man könnte die Sicht Englerts verkürzt tabellarisch darstellen: Rp. traditionell: Rp. im 21. Jh.: Anwendungswissenschaft zur Theologie Hat eigene theologische Dignität „Meisterlehre“ im Vergleich zur Wissenschaftliche, empirisch arbeitende Unterrichtspraxis (Lehrer= Geselle), Disziplin Überbau zu Didaktik und Praxis Theoretisch-deskriptive Wissenschaft Praxisbezogene, handlungsorientierte Wissenschaft - Komplexitätsmanagement (Angel) H.-F. Angel24 bestimmt als zentrale Aufgabe der Rp. das „Komplexitätsmanagement“. Die Komplexität, die der Rp. aufgrund ihrer mehrfachen Zuordnung zu verschiedenen Wissenschaften mit ihren Teildisziplinen und den daraus resultierenden mehrfachen Aufgaben und Erwartungen an sie eignet, ist für sie als Herausforderung zu sehen, der sie sich auf fünf verschiedenen Wegen stellen kann: 1. Strukturierung des Imports von disziplinexternen Wissen. Dadurch sollen die oben beschriebenen „Importprobleme“ verhindert werden. 2. Benennen und Strukturieren von Bezugswissenschaften D.h. je nach Thematik (z.B. religiöses Lernen mit Musik, mit Bildern usw.) soll die zuständige Bezugswissenschaft (Musik, Kunstgeschichte,...) benannt werden. Durch diese Delegation 23 24 Englert (2002), S. 31. Angel (2000). 34 kommt es dann zu einer „Entlastung des Problemzusammenhangs“ 25, da mit der Terminologie dieser anderen Disziplinen besser gelingt, komplexe Probleme zu formulieren und in den Griff zu bekommen. 3. Exportfähige Aufbereitung von fachinternem Wissen Diese schon vor dreißig Jahren von W.G. Esser als „Brückenfunktion“ beschriebene Aufgabe der Rp. zu anderen Wissenschaften entspricht nach wie vor eher einem Wunschdenken der Religionspädagogen, das in anderen Disziplinen nie richtig rezipiert wurde. Angel schlägt vor, genauer auf die Zielgruppen und Verwendungskontexte zu schauen – doch wird man eher skeptisch bleiben dürfen. 4. Differenzierung und Kategorisierung von Wissensbeständen Da in allen Disziplinen immer mehr Wissen angehäuft wird, muss sich auch die Rp. mit der Frage auseinandersetzen, welches Wissen verbindlich und welches Spezialwissen ist. 5. Definition der gemeinsamen Schnittstelle zwischen Bezugswissenschaften Hier schlägt Angel in Computer-Metaphern vor: Die Rp. müsse Schnittstellen zwischen Bezugswissenschaften (~ Systemkomponenten eines PC) definieren, um Kompatibilitätsprobleme zu vermeiden. Dadurch, dass Angel der Rp. eine „Schnittstellenfunktion“ überhaupt zuerkennt, bewegt er sich letzlich doch auf dem Boden des korrelativen Denkens: Es geht nach wie vor darum, Glaube und Leben zusammenzubringen, gegenseitige Anknüpfungspunkte zu finden und die theologische und anthropologische Dimension zu verschränken. - RP. als Garant von „leichtem“ und Inkubator von „schwerem Wissen“ Die Linzer Religionspädagogin Ulrike Greiner entwickelt die hinlänglich bekannten Kategorien von implizitem und explizitem Wissen weiter zu „schwerem“ und „leichtem“ Wissen. Letzteres werde vor allem „durch Selektion, Analyse, Strukturierung und Austausch von Informationen gewonnen.“ 26 Stichworte, um dieses leichte Wissen zu kennzeichnen sind Wissensproduktion, Glaube an die Herstellbarkeit des Wissens, Wissensakkumulation, Digitalisierung. „Leichtes Wissen“ lässt sich leicht kommunizieren und modulartig in andere Kontexte einbauen. Es ist die Wissensform, die der „Informationsgesellschaft“ adäquat ist und ist durchaus nicht theoretisch, sondern auf Praxis ausgerichtetes Handlungswissen. Seine Dimension ist die Gegenwart und dieZukunft. Das „schwere“ (implizite) Wissen hingegen lässt sich nicht „produzieren“, sondern erwächst durch langdauernde Lernprozesse, am besten im miteinander kommunizierendem Team. Nicht Effektivität, Umsetzbarkeit und Effizienz stehen im Vordergrund, sondern implizit gewonnene und daher nur schwer kommunizierbare Ergebnisse, d.h. es lässt sich zwar beschreiben, was an implizitem Wissen gewonnen wurde, „...tatsächliche Einsicht erhält man aber durch Partizipation an den konkreten intersubjektiven Arbeitsprozessen selbst.“ 27 Nicht-systematisierbare und nicht-digitalisierbare Komponenten wie Verfasstheit des Forschers, Beziehungsstrukturen in der Forschungsgruppe, 25 Ebda., S. 277. Greiner (2001), S. 11. 27 Greiner (2001), S. 12. 26 35 Umweltbedingungen, beeinflussen dieses Wissen. Während im „leichten“ Wissen klare Antworten auf klare Fragen gegeben werden, hat man es beim „schweren“ Wissen mit nicht-linearen Lösungswegen, mit Widerständen, Verzögerungen, Tabus zu tun. Greiner diagnostiziert für die Rp. der Gegenwart (2002) ein Auseinanderdriften der Positionen: Während es kaum noch Vertreter des Korrelations-Konzeptes gibt, stehen auf der einen Seite Religionspädagogen, die in ihrer Arbeit vor allem die Lebenswelt des Schülers in den Blick nehmen und fast nur noch empirisch arbeiten: Ein Blick in die gegenwärtige deutsche Rp. bestätigt diese Vermutung: Noch nie gab es soviele empirische Untersuchungen zum RU und den von ihm betroffenen Personen, noch nie wusste man beispielsweise so viel über das Gottesbild von Jugendlichen einer bestimmten Altersgruppe oder die Internetnutzungsgewohnheiten der Religionslehrer. Die Ergebnisse einer solchen empirischen Forschung mit ihrer vollständigen Kommunizierbarkeit und der Gewinnung von anwendbaren Handlungswissen entsprechen somit voll den Kriterien des „leichten Wissens“. Auf der anderen Seite stehen Religionspädagogen, die in einer als „neo-orthodox“ bezeichneten Strömung die Fremdheit der biblischen Überlieferung und die Unmöglichkeit einer Korrelation von biblischen bzw. dogmatischen Inhalten und Lebenssituationen betonen. Glaubensinhalte seien so fremd geworden, dass es in der Lebenswelt der Schüler nichts mehr gibt, an dem angeknüpft werden könnte28. Die Parole lautet daher „Zurück zu den Inhalten!“ (Werbick), oder „Religionsunterricht – die Freiheit zu glauben, das Recht zu wissen“ (Werbeslogan der DBK für den RU, in Österreich übernommen). Da auch hier klare Inhalte, die in erster Linie kognitiv zu vermitteln sind, eine Rolle spielen, gehört auch dieser Ansatz überraschenderweise in die Sparte „leichtes“ Wissen. Greiner selbst nennt nur einen Ansatz, in dem sie „schweres Wissen“ gewahrt sieht: Die „Kommunikative Theologie“, die an der Innsbrucker Theologischen Fakultät entwickelt wurde und auf dem Gebiet der Rp. mit dem Namen von Matthias Scharer verknüpft ist, bei dem Greiner studiert hat. Scharer versucht die aus der Psychotherapie bekannte Methode der Themenzentrierten Interaktion (TZI) von Ruth Cohn im Sinne eines Gruppen-Lernprozesses auf das theologische Forschen anzuwenden. „Theologisieren umfasst in diesem Ansatz den gesamten in der Forschungsgruppe stattfindenden Lernprozess, in dem theologische Erkenntnisse quer zu biographischen und gesellschaftlichen Systemlogiken erarbeitet werden und sich – als schweres Wissen – an der Qualität der kommunikativen Strukturen gemeinsamer Arbeit zeigen“ 29. Scharer selbst: „Dann geht es nicht mehr nur um die Theologie als „Sache", als „Lerngegenstand" oder als Thema (ES); auch die subjektive und intersubjektive Symbolbildung und Symbolvergewisserung in TZI Gruppen wird nochmals in einen ausdrücklichen theologischen Zusammenhang gebracht. In einem kommunikativ-theologischen Prozess werden die subjektive- (ICH-), die intersubjektive- (WIR-) und Kontext- (GLOBE-)ebene in ihrem je authentischen theologischen Charakter angefragt: Das ICH wird vor allem durch das Verhältnis von Theologie und Biografie im Blick auf eine Identität im Fragment (Luther 1992; Greiner 2000), die gnadentheologisch zu bestimmen ist, gekennzeichnet. 28 29 Vgl. z.B. Ruster (2000). Greiner (2001), S. 14, Anm. 45. 36 Das WIR bringt das bleibend Brüchige von Gruppen und Beziehungen, letztlich die „geschenkte" - auch durch TZI nicht herstellbare - Gemeinschaft der Gemeinde/Kirche ins Spiel (Scharer 1998). Schließlich ist abseits des Kontextes (GLOBE) in seiner kulturellen, gesellschaftlichen und (orts-)kirchlichen Verortung keine ernstzunehmende Theologie mehr möglich.“30 Ob eine „kommunikative Religionspädagogik“ nun ein Weg aus dem gegenwärtigen Dilemma der Rp. ist, wird sich erst zeigen müssen. Meiner Meinung nach muss die Rp. beiden Wissensformen Platz bieten: „Leichtem Wissen“, um u.a. als universitäre Disziplin überhaupt noch ernst genommen zu werden, „schwerem Wissen“, um sich der Ökonomisierung des Wissenschaftsbetriebes und des Bildungswesens entgegenzustellen. 30 Scharer (2001) 37 IV. Dokumente – Interaktiver Teil A. Vatikan Deklaration über christliche Erziehung des 2. Vatikanums „Gravissimum educationis“, 1965 http://stjosef.at/konzil/GE.htm Wichtige Aussagen: 1. Erziehung ist ein Grundrecht aller Menschen 2. Erste Erziehungsinstanz sind die Eltern, an zweiter Stelle steht die Schule. 3. Erziehung ist eine Grundaufgabe der Kirche 4. Katholische Schulen und theologische Fakultäten sind besondere Institutionen christlicher Erziehung. Leitfragen: 1. Worin liegen die Verpflichtungen der Eltern im Rahmen der Erziehung? 2. Welche Hilfsmittel zur Erfüllung ihrer Erziehungsaufgabe werden als der Kirche eigentümlich beschrieben? 3. Welche Aussagen trifft das Dokument zum Thema „Schulwahl durch die Eltern?“ Catechesi tradendae (Apostolisches Schreiben von J.P. II.), 1979 (engl.) http://www.vatican.va/holy_father/john_paul_ii/apost_exhortations/documents/hf_jpii_exh_16101979_catechesi-tradendae_en.html Important topics: 1. We have one teacher, Jesus Christ. 2. Catechesis is as old as the church. 3. The Creed (Credo) is a very important expression of the Church’s doctrine 4. Everybody needs to be catechized. 5. The task concerns us all. Questions 1. Read § 46: What is said about the role of communication media? 2. Read § 55: What does it tell about memorization? 3. Read § 61: J.P. II is warning the teachers – what of? Die Krise der Katechese und ihre Überwindung. Vortrag von Kardinal Joseph Ratzinger. Einsiedeln 1983. Online nicht verfügbar. 38 Wichtige Aussagen: Die moderne Religionspädagogik hat versagt, da die Methode zum „Maßstab des Inhalts“ geworden ist. Rp. muss vielmehr eine „Weiterführung und Konkretisierung der Dogmatik“ sein. In der Theologie gibt es einen Primat des Logos vor dem Pragma. Daher ist es falsch, der Anthropologie einen Vorrang vor der Theologie einzuräumen. Fragen: 1. Worin liegt für Ratzinger der Hauptgrund für die Krise der Katechese? 2. Welche Kritik wird an der praktischen Theologie insgesamt geübt? Apostolische Konstitution über die katholischen Universitäten „Ex Corde Ecclesiae“ (J.P. II.), 1990 http://www.vatican.va/holy_father/john_paul_ii/apost_constitutions/documents/hf_jpii_apc_15081990_ex-corde-ecclesiae_ge.html Die Gegenwart der Kirche an der Universität und in der Kultur der Universität (Kongregation für das Bildungswesen). 1994 (engl.) http://www.ewtn.com/library/CURIA/CCEUNIV.htm Wichtige Aussagen: 1. Universities are changing 2. Presence of church in the university culture is necessary 3. Pastoral guidelines Allgemeines Direktorium für die Katechese (Kleruskongregation), 1997 http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cclergy/documents/rc_con_ccatheduc_doc_170 41998_directory-for-catechesis_ge.html Wichtige Aussagen: 1. Adressaten der Katechese sind primär Erwachsene (59), der Ort ist die Gemeinde. 2. Ziel der Katechese ist die Gemeinschaft des Menschen mit Christus (80). 3. Glaubensinhalte: Wichtig ist eine enge Bindung der Katechese an den KKK, der zusammen mit der Hl. Schrift als Hauptwerke für die Katechese genannt wird (128). 4. Welche Methodik ist richtig? „Erziehungsweisheit Gottes“ (143): Göttliche Pädagogik ist letztes Maß. 5. RU und Katechese sind aufeinander bezogen. RU muss Systematik und Strenge wie jedes andere Schulfach haben(!?). 6. Unterscheidung von gläubigen – suchenden/zweifelnden – nicht glaubenden Schülern (übernommen von BRD). Leitfragen: 39 1. Welche Aussagen trifft das Dokument in § 111 über die Unversehrtheit der Botschaft des Evangeliums und was ist damit gemeint? 2. Welcher Raum wird der menschlichen Erfahrung in der Katechese eingeräumt (§ 152)? 3. Was sagt dieses Dokument über das Memorieren (Auswendiglernen) (§ 154)? Vgl. dazu oben § 55 von Catechesi tradendae! 4. Elemente der Jugendkatechese (§ 184) Die katholische Schule an der Schwelle zum dritten Jahrtausend (Kongregation für das Bildungswesen), 1997 http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/ccatheduc/documents/rc_con_ccatheduc_doc_2 7041998_school2000_ge.html Wichtige Aussagen: 1. Die katholische Schule muss sich erneuern 2. Sie ist Kreuzungspunkt verschiedener Probleme der heutigen Gesellschaft 3. Gefahr der „pädagogischen Apathie“ gibt es auch an Katholischen Schulen 4. Erzieherischer Wert muss herausgestellt werden 5. Katholische Schule muss Erfahrungsraum von Kirche für Schüler sein 6. Wichtigkeit der Erziehungsgemeinschaft von Eltern, Lehrern und Schülern Leitfragen: 1. Welche „Mühen“ der heutigen Zeit nennt das Dokument? 2. Welche Gefahren birgt eine rein sozio-kulturelle Sicht von Erziehung (vgl. § 10)? 3. Soll sich die Katholische Schule eher um Hochbegabte oder um weniger Begünstigte kümmern (vgl. § 15)? 40 B. BRD „Der Religionsunterricht in der Schule“ Erklärung der Würzburger Synode zum Religionsunterricht (1974) Online nicht verfügbar. Das Dokument ist sehr umfassend und bildet die Synthese mehrerer bis dahin kontrovers diskutierter Positionen. Es bietet zugleich die Grundlage für das heute Selbstverständnis des RU im gesamten deutschen Sprachraum. 2. „Die bildenden Kraft des Religionsunterrichtes“ Deutsche Bischofskonferenz (1996) http://www.erzbistum-muenchen.de/archiv/iMA001/iMA00111820.PDF Der Untertitel dieses Dokuments nimmt klarer auf den Inhalt Bezug: „Zur Konfessionalität des katholischen Religionsunterrichts“. Diese Schrift ist ein grundlegendes Dokument für den heutigen RU im gesamten deutschen Sprachraum! Wichtige Aussagen: 1. Bildung ist Allgemeinbildung, nicht Anhäufung von Wissen. 2. „Konfession“ zielt nicht auf Abgrenzung sondern meint „Bekenntnis“:= „gesprächsfähige Identität“. Die gesamte Trias von Lehrer – Schüler – Lehre muss einheitlich sein. Daher Absage an „konfessionell-kooperativen Unterricht“! 3. Forderung nach Ethik als WPF. 4. Unterscheidung von gläubigen – suchenden/zweifelnden – nicht glaubenden Schülern. Leitfragen: 1. Nehmen Sie kritisch zum Begriff „Zivilreligion“ (vgl. Pkt. 1.4) Stellung! 2. Worin liegt das „Bildungspotential“ des Evangeliums? 3. Was gibt es hinsichtlich der Konfessionalität des / der RL zu sagen? 3. „Religionsunterricht in der Schule“ Ein Plädoyer des Deutschen Katecheten-Vereins (12 Thesen), 1997 http://www.katecheten-verein.de/dkv/Infos/Erklarungen/Pladoyer_zum_RU/pladoyer_zum_ru.html Wichtige Aussagen: 1. RU muss Schülern helfen, ihre Identität zu finden 2. Unterscheidung von gläubigen – suchenden/zweifelnden – nicht glaubenden Schülern 3. RU wird bildungstheoretisch begründet 4. RU muss frei sein von der Forderung, Glaubensüberlieferungen »umfassend und unverkürzt« darzustellen. 5. RU sollte von den Kirchen gemeinsam verantwortet werden 41 Leitfragen: 1. Was sagt das Dokument über „Korrelation“ in der Lehrerausbildung? 2. Wie sollte die ökumenische Zusammenarbeit lt. DKV aussehen? 3. Zu welcher Kritik sollte der RU befähigen? C. Österreich Die österreichischen Dokumente sind online leider nicht verfügbar 1. Österr. Katechetisches Direktorium I 2. Österr. Katechetisches Direktorium II 3. Vorauer Erklärung, 1998 (erschienen in: ÖRPF 1998) 42 Literatur Adam, Gottfried / Lachmann, Rainer (Hgg.): Religionspädagogisches Kompendium. Göttingen 1997. Ammermann, Norbert: Kurze Einführung in die Empirische Theologie. http://afeth2000.de/Dokumente/Emp_Theo/Emp_Theo.htm - 10.7.2001. Angel, Hans-Ferdinand: Komplexitätsmanagement. Ein spezifischer Beitrag der Religionspädagogik zur Profil-Diskussion, in: Ders. (Hg.): Tragfähigkeit der Religionspädagogik. Graz 2000, S. 256-280. Bartholomäus, Wolfgang: Einführung in die Religionspädagogik. München 1983 Biehl, Peter: Symbole geben zu lernen. Neunkirchen 1989 Diesbergen, Clemens: Radikal-konstruktivistische Pädagogik als problematische Konstruktion. eine Studie zum Radikalen Konstruktivismus und seiner Anwendung in der Pädagogik. Frankfurt/Main 1998. Dubs, Rolf: Konstruktivismus: Einige Überlegungen aus der Sicht der Unterrichtsgestaltung. In: Zf. F. Päd. 41 (1995.), S. 889-903. 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