3. April 2015 Karfreitag/Chocolat 5 Ablauf Predigt Unsere Welt ist aufgeteilt in Freunde und Feinde, wir und sie. Es läuft auf globaler Ebene, aber auch in uns selbst tragen wir diese Aufteilung, es sei denn, wir haben es bis zur Vollkommenheit in der Liebe geschafft. Wir hören tagtäglich, dass wir uns wehren sollen gegen Herbeiströmende, die auf unser Land und auf unser Wohlsein aus sind. Oder wir sollen unsere Traditionen schützen vor denen, die sie nicht schätzen können. Wir hören allzu oft, dass wir gegen den inneren Schweinehund kämpfen sollen. Wir passen ständig auf, dass niemand uns hineinlegt oder für dumm hält. Wenn das doch so weitverbreitet, so üblich ist, sollten wir nicht dazu ja sagen, wie wir zu den Jahreszeiten, zu Winter und Sommer, oder zu verschiedenen Landschaften, dem Meer und den Bergen, ja sagen? Es gibt halt dieses und jenes, solche und andere Menschen, diejenigen, die zu uns gehören und die, die das nicht tun? Das Problem ist: wenn wir den Winter und den Sommer lieben, dann begrüssen wir, wie unterschiedlich sie sind. Wenn wir aber die Menschen in unserer Welt und unserem Leben in Freunde und Feinde aufteilen, bewerten wir die Unterschiede. Sie bekommen „gut“ und „böse“ Aufkleber. Wenn wir Winter und Sommer, das Meer und die Berge geniessen, lassen wir uns auf Gottes Grösse ein. Wir können sie entdecken und auskosten. Wenn wir aber ein Etikett aufkleben, schauen wir nicht mehr hin. Wir fragen nicht mehr nach und lernen nichts Neues. Das Problem daran, Menschen einzustufen und „abzuhaken“, ist, dass wir uns so damit abfinden oder sogar zufrieden geben, dass wir schon alles über Gott und Gottes Möglichkeiten wissen und gelernt haben. Was mich berührt an Jesus ist, dass er sich bis zuletzt einlässt auf andere Menschen, auf einen Fremden. Er hätte wirklich Grund gehabt zu sagen, jetzt nicht mehr. Aber er hört noch diesem Fremden an seiner Seite zu, mit seiner letzten Kraft. Wie immer begegnet er dieser Person mit Segen, mit einem Zuspruch. Leben strömt noch aus dem sterbenden Jesus. »Ich versichere dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.« Bis zuletzt rechnet Jesus mit Gottes Möglichkeiten und lässt damit auch die Möglichkeiten in anderen Menschen zu. In der Geschichte von Jesu Hinrichtung, wie Lukas sie erzählt, bilden zwei Gruppen einen Gegensatz. Auf der einen Seite sehen wir Pilatus und Herodes. Sie entdecken als Jesu Feinde ihr Bündnis. Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Anstatt sich von Jesus berühren zu lassen, rücken sie sich gegenseitig näher. Sie fühlen sich bestärkt und bestätigt wenn sie eine unschuldige Person foltern und hinrichten. Sie sind sehr menschlich. Wenn wir über jemand lästern, ist es beruhigend, wenn Andere mitmachen und uns bestätigen. Wenn wir Mühe haben mit einer Person, ist es schön zu wissen, das Problem liegt nicht an uns. Auf der anderen Seite – in der Lukas Geschichte sehen wir zwei in Kriminalität Verbündete. Sie sind einander gleich. Schuldig. Aber statt zueinander zu halten, wagt der eine den Schritt auf Jesus zu. Es ist ein Wagnis, denn, wie Lukas die Geschichte erzählt, geht nur er in diese Richtung. Alle anderen machen das mit dem anderen Kriminellen, mit Herodes und seinen Soldaten: sie lachen Jesus aus. Sie haben ihm mit einem Etikett versehen, »Dies ist der König der Juden«. Es stimmt offensichtlich für diesen Hingerichteten nicht. Darum müssen sie ihn nicht ernst nehmen. Sie wollen nichts mehr wissen oder sehen. Auf der einen Seite stellen Pilatus und Herodes Fragen. Pilatus sucht Auswege. Herodes ist neugierig. Er sucht eine Show. Er will Wunder sehen. Und wenn es langweilig wird, weil Jesus nichts sagt, macht er die Show selber, indem er Jesus auslacht und als Spektakel vorführt. Mit ihren Fragen suchen sie Bestätigung, dass sie Jesus nicht ernst nehmen müssen. So können Fragen sein. Der Verurteilte an Jesu Seite stellt auch eine Frage. Aber er hinterfragt nicht Jesus, sondern sich selbst und seinen Kumpel: »Hast du nicht einmal jetzt Ehrfurcht vor Gott, da du den Tod vor Augen hast? Wir haben für unsere Vergehen den Tod verdient, aber dieser Mann hat nichts Unrechtes getan.« Gute Fragen laden zu neuen Möglichkeiten ein. Sie laden uns ein, neue Blickwinkel auszuprobieren und Übersehenes zu beachten. Die richtigen Fragen helfen uns, uns und andere Menschen und unsere Welt besser zu verstehen. So, scheint es mir, wirkt die Frage des fremden Nachbarn Jesu. Er denkt nach und erkennt eine neue Möglichkeit. Vielleicht stimmt Jesu Aufkleber, »Dies ist der König der Juden«. Er drückt diese Möglichkeit aus als Bitte. »Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst.« Jesus, vergiss mich nicht. Erinnere dich an mich. Er lässt sich ein auf diese Möglichkeit, dass Jesus ein Reich hat, das nicht gerade sichtbar ist. Auf seine Bitte geht Jesus ein, wie er sonst auf nichts mehr eingegangen ist. Früher im Evangelium hat er noch Angriffe gekontert, aber seit seiner Verhaftung macht er es nicht mehr. Wenn es so aussehen könnte, als hätte er aufgegeben, ist seine Antwort das Zeichen, dass es nicht so ist. „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein“. Jesus ernennt den Fremden zum Reisebegleiter. Und zeigt, welche Hoffnung in ihm lebt, welches Vertrauen er hat. Er rechnet damit, dass der bevorstehende Tod nicht sein Leben zusammenfasst. „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“ In seiner engen Beziehung zu Gott verhängt Jesus bis zuletzt keine Zettel. Der Kriminelle kommt ins Paradies mit ihm! Jesus handelt mit Zuspruch und Annahme. Wenn wir den nächsten Filmausschnitt aus Chocolat heute schauen, sehen wir, wie Fremden einander begegnen können: Abweisend und besserwisserisch oder offen und interessiert. Wie in Lukas Erzählung von Jesu Hinrichtung spielen Fragen eine grosse Rolle. Sie zeigen eine Bereitschaft, auf Neues einzugehen, Sie laden auch zu neuen Möglichkeiten und zu Entdeckungen ein. Ins Städtchen, das wir nun schon ein paar Mal besucht haben, kommen „Kriminelle“. Es sind nicht verurteilte Kriminelle, wie im Lukas Evangelium, sondern Vorverurteilte. Ihr Lebensstil reicht schon, dass man weiss, wie kriminell und böse sie sind. Sie kommen mit vorgefertigten Aufklebern an: „Flussratten“. Ob jemand den Weg finden wird zu Zuspruch und Annahme? Lukas 23,1-12 (Neues Leben) Daraufhin führte der gesamte Hohe Rat Jesus zu Pilatus, dem römischen Statthalter, und sie trugen ihm die Anklage vor: »Dieser Mann verführt unser Volk. Er fordert es auf, dem Kaiser keine Steuern zu zahlen, und er behauptet, der Christus, ein König zu sein.« Pilatus fragte ihn: »Bist du der König der Juden?« Jesus erwiderte: »Ja, du sagst es selbst.« Pilatus wandte sich an die obersten Priester und an die Menge und sagte: »Ich finde keine Schuld an diesem Mann!« Doch sie bestanden darauf: »Wo er auch hinkommt, verursacht er Unruhe im Volk - in ganz Judäa, von Galiläa bis nach Jerusalem!« »Der Mann ist also ein Galiläer?«, fragte Pilatus. Als sie das bestätigten, ließ Pilatus Jesus zu Herodes Antipas bringen, denn Galiläa unterstand seiner Rechtsprechung und Herodes hielt sich gerade in Jerusalem auf. Herodes freute sich sehr, Jesus kennen zu lernen. Er hatte schon viel von ihm gehört und immer gehofft, einmal Zeuge eines seiner Wunder zu werden. Er stellte Jesus eine Frage nach der anderen, aber Jesus gab keine Antwort. Währenddessen standen die obersten Priester und Schriftgelehrten dabei und brachten mit lauter Stimme ihre Anklagen vor. Da begannen Herodes und seine Soldaten Jesus zu verhöhnen und zu verspotten. Sie legten ihm ein prächtiges Gewand an und schickten ihn zu Pilatus zurück. An diesem Tag wurden Herodes und Pilatus, die bis dahin verfeindet gewesen waren, Freunde. Lukas 23,32-43 Auch zwei andere Männer, beides Verbrecher, wurden abgeführt, um mit ihm hingerichtet zu werden. Schließlich kamen sie an einen Ort, der Schädelstätte heißt. Dort wurden alle drei gekreuzigt - Jesus in der Mitte und die zwei Verbrecher rechts und links von ihm. Das Volk schaute zu, während die führenden Männer lachten und spotteten. »Er hat andere gerettet«, sagten sie. »Soll er sich jetzt doch selbst retten, wenn er wirklich Gottes Auserwählter, der Christus, ist.« Auch die Soldaten verhöhnten ihn. Sie gaben ihm Weinessig zu trinken und riefen ihm zu: »Wenn du der König der Juden bist, rette dich doch selbst!« Über ihm am Kreuz wurde eine Inschrift mit den Worten angebracht: »Dies ist der König der Juden.« Einer der Verbrecher, die neben ihm hingen, spottete: »Du bist also der Christus? Beweise es, indem du dich rettest - und uns mit!« Doch der andere mahnte: »Hast du nicht einmal jetzt Ehrfurcht vor Gott, da du den Tod vor Augen hast? Wir haben für unsere Vergehen den Tod verdient, aber dieser Mann hat nichts Unrechtes getan.« Dann sagte er: »Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst.« Da antwortete Jesus: »Ich versichere dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.«