Predigt zum Herz-Jesu-Sonntag (21.06.2009) Christoph Schweigl Liebe versammelte Gottesdienstgemeinde, liebe Brüder und Schwestern im Glauben! „Ich tue ja nichts Schlechtes; ich lasse alle in Ruhe; tue Niemandem etwas zuleide; misch‘ mich in den Angelegenheiten anderer nicht ein …“ Wer kennt sie nicht, diese sicherlich gutgemeinten und in diesem Sinne auch zu würdigenden Worte und Aussagen? Und doch wage ich es, nicht weil es bloß meine eigene Idee, Meinung oder Vorstellung wäre, sondern weil es in erster Linie dem Wesen von Humanität und für den Gläubigen, dem Wesen des Christ Seins zutiefst entspricht, ja, untrennbar und unlösbar damit einhergeht und zusammenhängen muss: nämlich, dass es zwischen Gutem tun und Lieben, bei aller Würde und Wertschätzung, die ihnen entgegengebracht werden muss, doch Unterschiede gibt. Es mag kurz in der Formel „Gutes tun und Gutes tun bzw. Lieben und Lieben muss und wird nicht immer das Gleiche sein“ gesagt sein. Ewald Balser sagt: „Alles Schöne in der Welt lebt von den Menschen, die mehr tun als ihre Pflicht“. Dass wahre, echte Liebe nicht auf ein bestimmtes Maß festzulegen, nach Graden einzuteilen, oder in bestimmten Kategorien abzugrenzen ist, damit kommen wir im Geheimnis des heutigen Herz-Jesu-Festes in Berührung. Im Blick auf Jesus Christus, „im Blick auf den, den sie durchbohrt haben“, wie es im Evangelium heißt, kommen wir in Berührung mit einer Liebe, die so groß ist und so weit geht, dass bzw. bis sie weh tut. Jesus Christus verkörpert und bezeugt jene Liebe Gottes zum Menschen und zur Welt, die so groß ist und so groß sein, dass sich „Gottes Herz“, wie es in der Lesung aus Hosea heißt und wie es die Bischöfe von Trient, Bozen-Brixen, Innsbruck und Salzburg in ihrem gemeinsam veröffentlichten Hirtenbrief ansprechen, „gegen sich selbst wendet“. Der Mensch, die Not des Menschen, sein Leid, seine Bedürftigkeit, seine Schuld und all das, in dem und mit dem der Mensch sich von der Beziehung zu einem liebenden Gott zu lösen und zu verabschieden droht, sind, wenn wir die Botschaft des Propheten Hosea verstehen, in der Lage, Gottes Herz so sehr zu bewegen, dass es sich gegen ihn selbst wendet; dass Gott dem Menschen und seinem Heil zuliebe ganz andere, ganz neue Wege einschlägt als solche, die wir gewöhnlich mit einem großen, geheimnisvollen und unendlichen Gott verbinden. Michael Graff hat einmal gesagt: „Er, Jesus, ist der Sohn, das heißt: Er ist dem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten“. In Jesus Christus haben wir in seiner ganz menschlichen Art zu lieben und vor allem in seinem so tiefen Vertrauen, selbst von Gott geliebt und getragen zu sein, das für uns Christen anschauliche Bild des Wesens, der Liebe und des Herzens Gottes. An Jesus Christus und seiner Art zu lieben wird deutlich, wer Gott und wie Gott ist und vor allem wer Gott und wie Gott für uns Menschen ist. Und deutlich wird, und muss vor allem werden, welche Konsequenzen der Glauben an diesen Gott für unser Leben selbst und noch mehr für unser Leben in Beziehung zu anderen Menschen haben muss. Unser Glaube erkennt einen Gott, dessen Wesen es ist, „zu lieben, bis es weh tut“. Welche Auswirkungen hat der Glaube an diesen Gott für unser Leben, für dein Leben, für mein Leben? Sicherlich ist Gott keinesfalls einer, der uns überfordert und uns über unser Mensch Sein hinaus beansprucht, ist er doch selbst Mensch geworden, um uns unter die Arme zu greifen, wo wir es nicht schaffen, wo unsere Kräfte am Ende sind. Christen und Christinnen aber sollte man abkaufen können, dass sie aus der Beziehung zu diesem Gott, zu diesem liebenden Gott, der „liebt, auch wenn es weh tut“, leben und handeln. Wie sagte nochmals Ewald Balser: „Alles Schöne in der Welt lebt von den Menschen, die mehr tun als ihre Pflicht“. Wer an einen Gott, dessen Liebe so groß ist, dass sie weh tun kann, glaubt, der wird nicht umhin kommen, selbst alles ihm oder ihr mögliche zu tun, um das eigene Leben und jenes der Mitmenschen im Blick auf diese Liebe zu sehen und zu lieben. „Gutes tun und Lieben“ mag, bei aller Wichtigkeit, sich zeigen, in einem friedlichen Sich-Heraushalten, „Gutes tun und Lieben“ nach dem Herzen Jesu und damit im Glauben an die Liebe Gottes kann oft aber ganz anders ausschauen; ja, so weit gehen (müssen), dass es weh tut: „Halt‘ dich zurück!“; „Verzeih!“; „Sei mutig und steh‘ zu deinem Glauben!“; „Liebe! - um nur einige Situationen anzudeuten. Jemand hat einmal gesagt: „Wem Gott wichtig ist, dem kann und darf der Mensch nicht mehr gleichgültig sein“. Oder, wie es der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch einmal in einer Predigt betont hat: „Wo und bei wem Gott in der Mitte steht, da rückt der Mensch ins Zentrum“. Gerade hier sind wir Christen gefordert: auf der einen Seite, uns immer wieder jenes Gottes bewusst zu werden, an den wir glauben und der uns im durchbohrten Herzen seines Sohnes immer vor Augen steht als ein liebender und sich für das Leben des Menschen sogar gegen „sich selbst wendender Gott“; auf der anderen Seite die ehrliche und verantwortungsvolle Selbstkritik, ob wir diesem Gott und seiner Liebe in unserem Denken, Reden und Handeln wirklich nach bestem Kräften und vor allem im Glauben zu entsprechen versuchen. „Bilde unser Herz nach deinem Herzen“, sprechen wir in einem Gebet. Wer das in einem echten Glauben immer wieder zu tun versucht, der wird erkennen, dass auch wir oft nicht anders können, „als unser Herz gegen uns selbst“, gegen unsere Vorstellungen, Meinungen, Handlungs- und Verhaltensweisen zu wenden. Bei all dem aber ist es die große Chance, nach dem Bild der Liebe Gottes beizutragen zu all dem, was das Leben des Menschen wirklich glücklich macht und was dem Menschen von Gott her unantastbar zusteht. Welch‘ große Verantwortung all jene haben, die an einen Gott glauben, der „liebt, auch wenn es weh tut“! Amen.