Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt Hauptseminar: Parteien und Parlamentarismus in der Weimarer Republik Dozent: Prof. Dr. Karsten Ruppert Protokollantin: Caroline Betz Sommersemester 2011 Reichspräsident / Artikel 48 / Ebert und Hindenburg Protokoll zur Sitzung am 29.06.2011 Das Funktionieren des Parlamentarismus Der Reichspräsident Es erscheint zunächst merkwürdig, dass im Zusammenhang mit dem Parlamentarismus der Reichspräsident betrachtet werden soll, da dieser aus unserer heutigen Sicht außerhalb dessen steht. Welche Funktion also hatte der Reichspräsident in der Weimarer Republik? Hierbei ist zunächst auf den „Parlamentsabsolutismus“ der Weimarer Republik einzugehen. Das Parlament erhielt nach dem Niedergang des Kaiserreichs erstmals reale Macht. Wie der heutige Bundestag bestand die Hauptaufgabe des RT in der Legislative. Im Gegensatz zu unserem heutigen Bundestag war die komplette Regierung vom Vertrauen des RT abhängig. Er konnte Kanzler und Minister stürzen, ohne dass es ein konstruktives Misstrauensvotum gegeben hätte. Daneben spiegelte sich die Mehrheit des RT immer in der Regierung wider, weshalb keine klare Trennung von Legislative und Exekutive bestand. Da der RT nun über derart großes Gewicht verfügte, sollte in der Person des Reichspräsidenten ein Gegengewicht geschaffen werden. Der Reichspräsident weist nun einige Gemeinsamkeiten mit dem heutigen Bundespräsidenten auf: - Er ist Staatsoberhaupt und damit auch Repräsentant des Staates nach außen. Diese Funktion spiegelt sich in der Unterzeichnung internationaler Verträge, im Empfang von Botschaftern und in der Mitsprache bei der Bestimmung deutscher Botschafter. - Der Reichspräsident steht über den Parteien. Ihm kommt integrierende Wirkung zu, die vormals dem Kaiser eigen war. - Er ernennt die obersten Reichsbeamten, den Chef der obersten Reichsverwaltung und die Minister. Daneben kommen dem Reichspräsidenten schließlich Aufgaben zu, die ihn vom Bundespräsidenten unterscheiden und seine Bedeutung für den Parlamentarismus begründen: - Zuerst einmal ist hat er den Oberbefehl über das Heer inne. - Zentraler ist jedoch, dass er den Reichskanzler erwählt und mit der Regierungsbildung beauftragt. Somit greift er aktiv in den Prozess derselben ein. Dem Reichskanzler kommt eine extreme Zwischenstellung zu, da er sowohl vom Vertrauen des Reichstages abhängt, als auch von dem des Reichspräsidenten, der ihn ernennt. - Des Weiteren ist der Artikel 48 bedeutend. Dieser erlaubt es dem Reichspräsidenten, Grundrechte außer Kraft zu setzen und Notverordnungen zu erlassen. Darunter sind Verordnungen zu verstehen, die dieselbe Berechtigung und Verbindlichkeit besitzen wie Gesetze und nur deshalb nicht als solche bezeichnet werden, da ihnen die Zustimmung des Reichstages fehlt. Sie werden also allein von der Exekutive statt der Legislative verabschiedet. Zum Einsatz kommen sollte dieser Artikel in Krisensituationen wie Bürgerkriegen, Aufständen und Kriegen. Die Idee dahinter war, dass in diesen Fällen eine Institution nötig ist, die die Staatsgewalt an sich ziehen kann. In der Weimarer Republik hatte es sich allerdings sehr früh eingeschliffen, dass der Reichspräsident die Gesetzgebung übernahm, sobald der Reichstag sich nicht zu einem Kompromiss durchringen konnte. Und dies, obwohl der Reichstag in diesem Fall durchaus handlungsfähig war! Dadurch wurde der Reichspräsident zum Ersatzgesetzgeber und der Reichstag machte sich seine Sache leicht: Entscheidungen, die voraussichtlich Stimmen kosteten, wurden einfach an den Reichspräsidenten abgegeben. Damit hat sich der Reichstag selbst entmachtet, da er in entscheidenden Fragen (Krisen, wichtige Gesetze) nicht gehandelt hat. - Letztlich kann der Reichspräsident laut Artikel 25 auch den Reichstag auflösen, wenn dieser z.B. dem Erlass von Notverordnungen nicht zustimmt. Gegen Ende der Weimarer Republik geschah dies andauernd. Die Persönlichkeiten der Reichspräsidenten Friedrich Ebert (s. auch Referat) Typisch für seine Karriere als SPD-Politiker war sein Aufstieg über eine Laufbahn als Parteifunktionär. In anderen Parteien war dies nicht in diesem Maße gegeben, da die Organisation nicht entsprechend entwickelt war. Die SPD hatte die am besten ausgebaute Organisation und die meisten Angestellten. Untypisch dagegen war seine Herkunft als Handwerker und nicht aus expliziten Arbeiterkreisen. Ebert hatte sich von Parteistreitigkeiten immer ferngehalten, da es hierbei um eine theoretische Debatte ging. Gegenüber standen sich eine pragmatische Reformpolitik (Revisionisten), zu denen sich Ebert zählte, und die Marxisten, die auf eine Gelegenheit zur revolutionären Machtübernahe warteten. Problematisch war die Tatsache, dass es sich beim Reichspräsidenten um ein völlig neues Amt handelte, das Eber nun auszufüllen hatte. Es stellte sich nun die Frage, wie man dieses Amt definierten sollte. Vor allem die integrative Funktion, die Ebert übernehmen sollte, bereitete Probleme. Er kommt aus der SPD, der viele Gruppen, die den Machtwechsel vom Kaiserreich zur Republik nie verwunden hatten, die Niederlage des deutschen Heeres und den Umsturz anlasteten. Das Akzeptanzproblem der Weimarer Republik war quasi nun in Ebert personifiziert. Daher war es ihm unmöglich, diesen Teil der Bevölkerung zu erreichen. Auch Länderbesuche innerhalb des Reiches gestalteten sich schwierig – und dies nicht nur aufgrund mangelnder Akzeptanz: Wenn der Kaiser kam, wusste man, mit wem man es zu tun hatte und wie man sich zu verhalten hatte. Was war aber nun mit einem Reichspräsidenten anzufangen? Hauptproblem blieb allerdings die mangelnde Akzeptanz, denn ein Staatsoberhaupt ist hierauf angewiesen. Diese Problematik resultierte aus dem Systemwechsel. Ebert hatte mit immer wieder mit Verleumdungen und darauf folgenden Prozessen zu kämpfen. In seinen letzten Lebensmonaten wurde er sogar des Landesverrats angeklagt und schuldig gesprochen, was vermutlich auch zu seiner Erkrankung und seinem frühen Tod beitrug. Eber hatte dennoch immer versucht, sein Amt würdevoll und gewissenhaft auszufüllen, was ihm durchaus gelang. Seine historische Leistung, aufgrund derer er erst zum Reichspräsidenten gewählt wurde, bestand in seiner Rolle bei der Revolution. Er hatte vom Zusammenbruch des Kaiserreichs übergeleitet in eine Demokratie. Angesichts des Übergewichts Radikaler war dies ein großes Verdienst, denn er hätte ebenso gut eine Linksdiktatur errichten können. Doch Ebert verhielt sich als Demokrat und gab freiwillig die Macht ab, indem er die gebildete Regierung für provisorisch erklärte und Wahlen vorbereiten ließ. Zudem hatte sich Ebert nie als Parteipolitiker profiliert, sondern orientierte sich immer an der Sache selbst. Sein Verdienst war auch darin zu sehen, dass er sich sehr versöhnlich gegenüber den alten Feinden zeigte, und den Konservativen entgegenkam. Dahinter verbirgt sich jedoch gleichzeitig ein Defizit, denn Ebert erwies sich hierbei als zu arglos. Er erreichte jedoch eine Versöhnung von Arbeiterschaft und Bürgertum, was eine Voraussetzung für Stabilität darstellte. Als Defizit ist daneben zu sehen, dass er den Machtaus- und –umbau konsequenter hätte durchziehen müssen. Hierbei war er zu wenig revolutionär. Auch war er zu wenig politisch, denn für ihn hatte Sachorientierung und Stabilität Priorität. Er war eben im Grunde doch ein „Kind des Kaiserreichs“. Die Wahl Hindenburgs Nach dem Tode Eberts war die Wahl eines Nachfolgers durchzuführen. Im ersten Wahlgang, der im März 1925 stattfand, erreichte keiner der Kandidaten die benötigte absolute Mehrheit. Im zweiten Wahlgang war es laut Wahlgesetz nicht mehr nötig, die absolute Mehrheit zu erlangen. Zudem konnten hier andere Kandidaten antreten als im ersten Wahlgang. Dies geschah auch: Für den Reichsblock trat Hindenburg an. Diese Koalition von DNVP und anderen völkischen, bürgerlichen und industriellen Gruppen vereinigte das rechte und rechtsbürgerliche Lager hinter sich. Die hier vertretenen Parteien waren im ersten Wahlgang je einzeln angetreten. Bei Hindenburg handelte es sich um eine symbolische Figur: Er war Monarchist und eine Figur des Sieges, denn er stand für die militärischen Erfolge und für den Glanz des Kaiserreichs. Angesichts dieses Kandidaten waren die anderen Parteien im Zugzwang. Man einigte sich auf Wilhelm Marx (Zentrum). Auch hier trat eine Koalition an: Zentrum, SPD und DDP, die sog. Weimarer Parteien, die die erste Regierung gebildet und den Systemübergang verantwortet hatten, fanden sich hier zusammen. Die Wahlen symbolisierten so die Konkurrenz zwischen altem und neuem Regime. Marx war bereits Reichskanzler gewesen und verdientes Mitglied der Regierung und als Parteipolitiker bekannt. Dabei war er allerdings kein sehr profilierter Politiker, kein Rhetoriker, denn hierfür fehlte ihm das Charisma. Wie ist er dennoch an die Kandidatur gekommen? Dies geschah auf Absprache mit der SPD: In Preußen war das Amt des Ministerpräsidenten frei geworden und der SPD-Kandidat Braun benötigte die Unterstützung des Zentrums, um an den Posten zu kommen. Im Gegenzug unterstützte die SPD nun eben Marx. Die KPD hatte bei der Wahl ebenfalls einen Kandidaten gestellt, nämlich Thälmann. Dieser spielte allerdings kaum eine Rolle, außer, dass ohne seine Kandidatur Marx vermutlich die Wahlen gewonnen hätte. Hindenburg gewann schließlich die Wahl mit 48,3% der Stimmen, während Marx nur 3% weniger Stimmen erhielt. Zu Lasten von Marx ging es auch, dass die BVP Hindenburg unterstützte, da man aufgrund von Spannungen dem Zentrum eins auswischen wollte. Daneben war man mit einer Koalition mit der SPD unzufrieden und Marx war der BVP zu zentralistisch. Hindenburg hatte eine Vielzahl von Stimmen aus der Masse der Nicht-Wähler erhalten, denn er war eine mythische Figur mit Charisma. Marx hatte also keine größeren Verluste aus den eigenen Reihen zu verzeichnen, sondern scheiterte an diesem Plus für Hindenburg. Welche Reaktionen gab es nun auf die Wahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten? Die Unterstützer sahen hierin den Sieg des Kaiserreichs, doch betrachtet man Hindenburgs Antrittsrede wird deutlich, dass er auf dem Boden der Weimarer Verfassung regieren will und nicht beabsichtigt, die Monarchie erneut einzuführen. Er hatte hier klar die Grenzen dieser Hoffnung aufgezeigt. Man erwartete von seiner Amtsführung überdies mehr Stabilität, stärkere Autorität des Staates, eine selbstbewusstere Außenpolitik und erneuerte Sittlichkeit (weg von der Bonzenherrschaft etc.). Die erhoffte Stärkung Deutschlands war im Hinblick auf Hindenburgs Amtsausübung ein realistischeres Ziel als die Erneuerung der Monarchie. Hindenburgs Gegner hielten nun dagegen, dass Hindenburg bereits sehr alt war. Des Weiteren war er nie wirklich politisch aktiv, sondern in diesem Milieu vielmehr unbedarft, was zu der Befürchtung Anlass gab, dass er zur Marionette der Kreise gemacht wurde, die hinter ihm standen. Hierzu gehörten die Deutschnationalen, die Reichswehr, die Rechtskonservativen und die ostelbischen Großagrarier. Die hier geäußerte Befürchtung erwies sich letztlich als zutreffend.