Pēteris Vanags: Die Herausbildung und Entwicklung der lettischen

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Die
Herausbildung
und
Entwicklung
der
lettischen
Literatur
während
der
Reformationszeit im 16. und 17. Jahrhundert
Pēteris Vanags
1. Die Anfänge des lettischen Schrifttums und die Bedeutung der Reformation
Die Letten sind durch Missionare aus dem Osten wie dem Westen mindestens seit dem 13.
Jahrhundert mit Schrift in Berührung gekommen, jedoch sind schriftliche lettische Texte erst
seit der Reformationszeit sicher bezeugt. Selbst wenn es zu früheren Zeiten schriftliche
Aufzeichnungen gegeben hat, so haben sich daraus keine Schreibtradition und keine Literatur
entwickelt. Gründe dafür sind die untergeordnete Stellung der Letten selbst sowie die
eingeschränkte Funktion des Lettischen als Sprache der mündlichen Kommunikation der
untersten Schichten.
Ab dem 15. Jh. gibt es sicherere Hinweise darauf und Belege dafür, dass Lettisch auch in
geschriebenen Texten gebraucht wurde. Die ältesten Belege sind einzelne lettische Wörter in
verschiedenen Rigaer Amtsbüchern. Es muss im 15. Jahrhundert auch niedergeschriebene
christliche Gebetstexte gegeben haben, darauf weisen indirekt Zeugnisse des frühen 16.
Jahrhunderts hin.
Mit der Ankunft Andreas Knöpkens 1521 nach Riga verbreiteten sich in der Stadt rasch die
Ideen des Protestantismus und sie fanden Gehör nicht nur bei den deutschen Bürgern der
Stadt, sondern auch unter den lettischen Einwohnern.
Die Letten in Riga waren, im Vergleich zu den lettischen Bauern auf dem Lande, schon in der
vorreformatorischen Zeit mit dem christlichen Glauben vertraut und waren aktive Christen
geworden. So haben die Rigaer lettischen Amtverbände – Fischer, Träger (Los-, Saltzträger),
Bierträger und Ligger – sowohl das soziale, als auch das religiöse Leben ihrer Mitglieder
gepflegt. Diesen Brüderschaften gehörten Altäre in Rigaer Kirchen, sie bezahlten Priestern,
die diese Altäre bedienten. Diese Geistlichen wie auch andere angesehene Leute wurden in
diese Bruderschaften aufgenommen, auch, wenn sie zum Amt nicht gehörten. So wurde der
spätere Befürworter der Reformation Andreas Knöpken am 26. Oktober 1517 in die
1
Bruderschaft der Träger aufgenommen. Das hat eventuell zur aktiveren Anlehnung der Letten
an die Reformation beigetragen, obwohl dieser Prozess auch viele andere Gründe hatte.
Die Folge der Reformation, eventuell auch gewisse ihre Unterstützung, war der Übergang zu
der lettischen Sprache in den Gottesdiensten. Obwohl die Franziskaner schon vorher in der
Kappelle bei der Katherinenkirche auf Lettisch gepredigt hatten, erreichte das Lettische den
allgemeinen Charakter als Sprache der Gottesdienste nur mit der Reformation. Nur beim
vollständigen (oder überwiegenden) Übergang auf lettische Gottesdienste konnte man darauf
hoffen, dass die christlichen Ideen die führende Rolle auch im Leben der Letten einnehmen
würden.
Der Übergang zur Reformation und auf Gottesdienste in der Volkssprache veranlassten
Bildung einer besonderen lettischen Gemeinde. Sie kann um das Jahr 1525 entstanden sein;
ganz klar ist ihre Existenz 1527 bei der Jacobi Kirche belegt. Die Prediger waren Nicolaus
Ramm (Ramme) und Lorenz von Scheden (Schedinger, Scheiden). Als Diakone haben hier
seit dem Ende 20er Jahre des 16. Jahrhunderts auch Paul Wreding und Stephan Kramer
(Krämer, Kremer) gedient.
Mit dieser Zeit ist auch die erste Information über ein Buch mit vermutlich lettischem Text
verbunden. 1525 hat der katholische Lübecker Rat einem Kaufmann ein Fass für Riga
bestimmter Bücher konfisziert. Da war vasz plenu[m] libris lutterianisz ecia[m] missis in
vulgari liuonico lettico ac estonico. In dem erwähnten Büchlein muss wohl Agenda mit
lettischen Texten gewesen sein. Es ist anzunehmen, dass es eine Übersetzung von Nicolaus
Ramm oder einem anderen Pastor der damaligen lettischen Gemeinde war. Sie konnte
ungefähr der ersten Ordnung der Rigaer evangelischen Gottesdienste entsprechen, die
vermutlich von Sylvester Tegetmeyer spätestens im Frühling 1525 erarbeitet wurde. Leider
sind es nur Hypothesen, da das Büchlein bis jetzt nicht gefunden worden ist.
Die nächste mit der Herausbildung des lettischen Schrifttums verbundene Jahreszahl ist 1530,
als die vom damaligen Pastor der Domkirche und dem Superintendanten Johann Briesmann
zusammengestellte Agenda Kurtz Ordnung des Kirchendienſts erschien (Abb. 1). Sie
beinhaltete sowohl die Ordnung des Gottesdienstes, als auch dabei zu singenden Lieder. Sie
war also auch das erste evangelische Gesangbuch in Riga. Diese sind dann auch der Moment
und die Quelle, die die lettische Sprache in den Gottesdiensten vollkommen begründen. Da
2
auch die lettische Gemeinde dem 1532 gegründeten Kirchenrat unterstellt war, musste sie sich
an die gleiche Ordnung wie alle anderen Gemeinden halten.
Die ersten Schriften sind natürlich Übersetzungen von religiösen Texten. Wesentliche und
gemeinsame Merkmale aller diesen Texte sind die Sprache des Originals und die Nationalität
der Übersetzer. Alle frühen Texte der Reformationszeit sind aus dem Niederdeutschen
übersetzt worden, der in Riga und Livland üblichen Form der deutschen Sprache. Aus den
Namen der Übersetzer und den Herkunftsangaben in den Universitätsmatrikeln lässt sich
schließen, dass diese größtenteils ortsansässige Deutsche waren, für die Lettisch eine
Zweitsprache war, die sie auf ziemlich unterschiedlichem Niveau beherrschten. Aus diesem
Grund, wie auch aufgrund des Umstands, dass nicht frei, sondern Wort für Wort übersetzt
wurde und dass viele der in den Texten benannten Realia und Begrifflichkeiten der lettischen
heidnischen Tradition fremd waren, ist die Sprache dieser Quellen stark vom Deutschen
beeinflusst und wirkt unbeholfen.
Zu den frühesten Denkmälern der lettischen Literatur gehören alle Bestandteile des
Handbuchs der evangelisch–lutherischen Kirche: Katechismus, Perikopensammlung und
Gesangbuch. Jedes davon hat seine Geschichte. Als Katechismus ist zum einen in den
dreißiger Jahren des 16. Jahrhunderts Luthers Kleiner Katechismus von einem
niederdeutschen Original übersetzt worden, zum anderen liegt ein sehr kurzer Katechismus
vor, der, wie sich durch Textanalyse bestimmen lässt, in der frühen Reformationszeit in den
zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts entstanden ist und entweder aus einer unbekannten
deutschen Quelle übersetzt oder eigens für die lettische Gemeinde erstellt wurde (Abb. 2). Es
sei angemerkt, dass dieser anonyme Katechismus als erster Teil der Ausgabe von Luthers
Katechismus in Livland und Kurland bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts Bestand hatte.
Auch die Perikopen wurden anfänglich nach der niederdeutschen Fassung der Lutherbibel ins
Lettische übersetzt. Hier ist eine Entwicklung des Textes von Übersetzungen der 30en Jahre
des 16. Jahrhunderts bis hin zu Versionen, die der letzten Bearbeitung der Lutherbibel im
Jahre 1545 entsprechen, zu verfolgen.
Aus der Mitte des 16. Jahrhunderts stammt auch der erste längere zusammenhängende
Prosatext
in
lettischer
Sprache
Passio,
die
Übersetzung
eines
Fragments
der
3
Evangelienharmonie Hiſtoria des lidendes vnde Vpſtandinge vnſes Heren Jeſu Chriſti von
Johannes Bugenhagen (Abb. 3). Auch hier war die Quelle ein niederdeutscher Text.
Besonders hervorzuheben ist die Entstehung eines lettischen evangelisch–lutherischen
Gesangbuchs bereits im 16. Jahrhundert. Seine Grundlage bildet das entsprechende Rigaer
deutsche Gesangbuch in niederdeutscher Sprache, dessen erste Ausgabe Kurtz Ordnung des
Kirchendienſts 1530 erschien (Abb. 1) und dann in kontinuierlich erweiterten Ausgaben das
ganze 16. Jahrhundert hindurch . Dem folgte die Entwicklung des lettischen Gesangbuchs,
und auf diese Weise wurden viele Lieder sowohl Martin Luthers, als auch von anderen
Autoren ins Lettische übersetzt. Unter diesen Autoren ist der oben genannte Andreas
Knöpken zu erwähnen, denn ein großer Teil seiner in Niederdeutsch verfassten Lieder ist ins
Lettische übersetzt worden. Eigentlich lässt sich das lettische Gesangbuch des 16.
Jahrhunderts jedoch nur sehr bedingt als Sammlung geistlicher Dichtung ansehen, denn die
Lieder sind zum größten Teil wortwörtlich übertragen worden, und weder wird das Versmaß
des Originals beibehalten, noch wird versucht, ein neues, lettisches zu finden.
Alle Teile des Handbuchs der evangelisch–lutherischen Kirche, bereits in den 20en und 30en
Jahren des 16. Jahrhunderts in Riga übersetzt, wurden zunächst in Handschriften benutzt und
verbreitet. Das bezeugen Manuskripte, die in den 60en Jahren des 16. Jahrhunderts in der
südwestlichen Ecke Kurlands, in der Kirche von Heiligen-Aa/Sventāja, gefunden wurden und
die alle genannten Handbuchteile enthielten. Die Texte waren außerdem nicht statisch, sie
wurden kontinuierlich verbessert und in Übereinstimmung mit neueren Ausgaben
umgearbeitet. Insbesondere das Gesangbuch wurde mehrfach erweitert.
2. Die Entwicklung des lettischen Schrifttums Ende des 16. und in der ersten Hälfte des
17. Jahrhunderts
Die politischen Ereignisse in der Jahrhundertmitte, besonders der Livländische Krieg (1558–
1582), hinderten die Vorbereitung Bücher in lettischer Sprache. Obwohl es Annahmen über
einen eventuell lettischen Katechismus, gedruckt in Leipzig, Rostock oder Stockholm, gibt,
erschien das erste sicher auf lettisch gedruckte evangelisch–lutherische Kirchenhandbuch erst
1586–87. Es wurde in Königsberg mit Mitteln des Herzogs von Kurland gedruckt, um das
Christentum und die Reformation auch unter den kurländischen Letten zu stärken. Es bestand
aus Enchiridion. Der kleine Catechiſmus (Abb. 4), der Perikopensammlung Euangelia vnd
4
Epiſteln, die auch Passio enthielt, wie auch dem Gesangbuch Vndeudſche Pſalmen vnd
geiſtliche Lieder oder Geſenge (Abb. 5). Die erste Ausgabe für Livland und Riga erschient
erst 1615 in Riga in der Druckerei von Nicolaus Mollyn. Sie enthielt auch Gesangbuch
Pſalmen vnd geiſtliche Lieder oder Geſenge (Abb. 6) und war im Vergleich zu der Ausgabe
von 1587 umfangreicher, enthielt um 150 Lieder. Hier war das gesamte Liedergut der Rigaer
lettischen Gemeinde, das im 16. und am Anfang des 17. Jahrhunderts übersetzt wurde.
Beide erwähnten lutherischen Kirchenhandbücher erschienen zu einer Zeit, als sowohl
Kurland wie auch Livland Polen–Litauen unterworfen waren, wo am Ende des 16.
Jahrhunderts eine aktive Politik der Gegenreformation betrieben wurde und der Jesuitenorden
seine Tätigkeit entfaltete. Die katholische Kirche war aktiv bemüht, Livland, die im
Gegensatz zum Herzogtum Kurland direkt dem Staate Polen–Litauen unterworfen waren, zum
Katholizismus zurückzuführen. Diese Bemühungen fanden ihren Ausdruck unter anderem in
der Veröffentlichung geistlicher Literatur in den Sprachen der einheimischen Bevölkerung.
Erstes Ergebnis war lettische Übersetzung des Katechismus von Petrus Kanisius Catechiſmus
Catholicorum, die 1585 in Vilnius gedruckt wurde (Abb. 7). Als Übersetzer wird der aus
Warmland (Preußen) stammende katholische Geistliche Ertmann Tolgsdorf (1550 – 1620)
vermutet.
Dieser
Katechismus
war
zweifellos
auch
zur
Verbreitung
unter
der
Landbevölkerung bestimmt, denn die Auflage betrug 1002 Exemplare. Allerdings ist die
Sprache dieses Buches schwach, denn der Übersetzer konnte nur schlecht Lettisch.
Die frühen lettischen Texte sind in Riga entstanden und zeigen deswegen die im 16.
Jahrhundert und am Anfang des 17. Jahrhunderts in Riga gesprochene lettische Sprache, wie
auch die dort herrschende lettische Schreibtradition. Laut der Quellen entsprach das in Riga
gesprochene Lettisch generell dem System des mittellettischen Dialekts und der darauf
ruhenden heutigen Standartsprache. Doch viele Einflüsse sind der Tatsache zu verdanken,
dass die Schreiber keine Letten waren und ihre Muttersprache Niederdeutsch war.
Die niederdeutsche Sprache, die auf dem Territorium Lettlands in verschiedenen dialektalen
Formen schon seit dem 13. Jahrhundert gesprochen wurde, hat die lettische Sprache sehr stark
beeinflusst. Seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts hatte das Niederdeutsche sich auch
als Schriftsprache sowohl in Kanzleien, als auch im privaten Verkehr durchgesetzt und
ersetzte somit das Latein. Es war die traditionelle Sprache der Hanse mit gewissen regionalen
Besonderheiten. Ab 1520 begann der Übergang auf das Hochdeutsche, doch in der
5
lutherischen Kirche war das Niederdeutsche in den Gottesdiensten noch das ganze 16.
Jahrhundert im Gebrauch. Davon zeugen die wiederholt in Riga bis zum Jahr 1592
gedruckten niederdeutschen Gesangbücher.
Trotz Mangel an Quellen ist anzunehmen, dass in Riga wie auch in anderen größeren Städten
im lettischen Livland seit dem 14.–15. Jahrhundert eine lettisch – deutsche Zweisprachigkeit
geherrscht hat. Diese Zweisprachigkeit war ohne Zweifel unter den lettischen Einwohnern
verbreitet, denn sowohl die lettischen Handwerker, wie auch Dienstleute waren gezwungen
mit vielen Nicht–Letten zu kommunizieren. Letten und andere Nationalitäten bildeten
zusammen eine Gesellschaft, in der jede Sprache ihren sozialen Status hatte. Es ist zu
vermuten, dass auch viele Nicht–Letten, besonders gebürtige Rigaer, in gewissem Maße
Lettisch beherrschten. Darauf verweist auch die Tatsache, dass die Prediger der lettischen
Gemeinde in Riga vorwiegend gebürtige Rigaer waren, während dieselben der deutschen
Gemeinde oft aus Deutschland kamen. Fast sicher zweisprachig waren die außerhalb der
Städte lebenden Deutschen.
Der deutlichste niederdeutsche Einfluss ist in den ersten lettischen Schriftdenkmälern zu
finden. Die ältere lettische Orthographie ist im 16. Jahrhundert unmittelbar aus der
niederdeutschen Schreibtradition entstanden. Sie hat sich im Laufe des Jahrhunderts
allmählich entwickelt und war bis zu den ersten Druckwerken sowohl in den kirchlichen, als
auch weltlichen Handschriften im Gebrauch. Die wesentlichsten Merkmale der lettischen
Schrift sind der niederdeutschen Tradition entnommen.
Die Längebezeichnung der Vokale ist in den ersten lettischen Texten im 16. Jahrhundert und
am Anfang des 17. Jahrhunderts ziemlich unkonsequent und unterschiedlich. Der wichtigste
Grund dafür ist das Fehlen eines einheitlichen Systems in der niederdeutschen Sprache. Das
sich auf der niederdeutschen Schreibung beruhende Hauptprinzip ist – größtenteils keine
Kennzeichnung der langen Vokale in einer offenen Silbe, in einer geschlossenen – zeitweise
mit einer Vokalverdoppelung, teils mit einem nach- oder darüberstehenden <e>.
Auch bei der Wiedergabe des lettischen Konsonantensystems wurden die Autoren mit dem
Problem konfrontiert, wie sie die im Niederdeutschen nicht vorhandenen Laute bezeichnen
sollen. So sind, z. B., die palatalen Konsonanten /ķ, ģ, ļ, ņ/ unkonsequent bezeichnet und oft
gar nicht von anderen ähnlichen Lauten unterschieden worden. Oft wurde auch das Prinzip
6
der phonetischen Wiedergabe verwendet. Da wurden bei der Schreibung die positionalen
Veränderungen berücksichtigt, die im heutigen Lettisch schriftlich nicht fixiert werden.
Der niederdeutsche Einfluss auf den Wortschatz der lettischen Schriftsprache im 16. und 17.
Jahrhundert ist ebenfalls sehr groß. Germanismen sind unter verschiedenen semantischen
Gruppen zu finden. Das sind Lexeme, die das soziale Verhalten der Menschen bezeichnen, z.
B., brūte ‛Braut’ (< mnd. brût), ķēniņš ‛König’ (< mnd. könink), meisters ‛Meister’ (< mnd.
meister), rāte ‛Rat’ (< mnd. rât), skrīveris ‛Schreiber’ (< mnd. schriver), den Alltag und das
Handwerk, z. B., baļķis ‛Balken’ (< mnd. balcke), krūze ‛Krug’ (< mnd. krûs), stelles
‛Webstuhl’ (< mnd. stelle), šķūnis ‛Scheune’ (< mnd. schune), den christlichen Glauben und
andere abstrakte Begriffe, z. B., (h)elle ‛Hölle’ (< mnd. helle), skāde ‛Schaden’ (< mnd.
schade), stunda ‛Stunde’ (< mnd. stunde), uperis ‛Opfer’ (< mnd. opper), vīraks ‛Weirauch’
(< mnd. wīrôk), das physische und psychische Verhalten der Menschen, z. B., brūķēt
‛gebrauchen’ (< mnd. bruken), skapēt ‛schaffen, verschaffen’ (< mnd. schapen), smādēt
‛tadeln, schmähen, verachten’ (< mnd. smaden), šķiņķot ‛schenken’ (< mnd. schenken, nd.
schinken), vinnēt ‛gewinnen’ (< mnd. winnen). Die niederdeutsche Sprache hat auch als
Vermittler ziemlich vieler Fremdwörter, besonders aus der Bibel, gedient, z. B., eņģelis
‛Engel’, evaņģēlijs ‛Evangelium’, kamielis ‛Kamel’, ķeizars ‛Kaiser’, persona ‛Person’.
Einen viel größeren Teil machen jedoch die nach dem Muster der deutschen Sprachen
gebildeten Wörter aus, wie auch semantische Entlehnungen. Das ist mit der Tatsache
verbunden, dass die neue Schriftsprache Begriffe ausdrücken musste, die für die christliche
und städtische Kultur charakteristisch und der Sprache der lettischen Bauern fremd waren.
Beträchtlicher deutscher Einfluss ist auch in der Textstruktur, Morphologie und Syntax zu
beobachten. Die wichtigste Ursache dafür ist wohl nicht im deutschen Einfluss auf das
gesprochene Lettisch oder in ungenügenden Lettischkenntnissen der Übersetzer zu suchen.
Der wesentlichste Grund ist die Art des Übersetzens – die Wort für Wort Übersetzung, die die
morphologischen, ins besondere aber die syntaktischen Unterschiede bei der Original- und
Zielsprache nicht selten außer der Acht ließ. Die Übersetzungsart wird am besten durch die
Titelseite des Katechismus on 1586 charakterisiert – ENCHIRIDION. Der kleine
Catechiſmus:... D.Martin.Luther. Nun aber aus dem Deudſchen ins vndeudſche gebracht / vnd
von wort zu wort / wie es von D. M. Luthero geſetzet / gefaſſet worden... (Abb. 4). Solche
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Übersetzungsart ist auch für die religiöse Literatur anderer Völker früherer Periode
charakteristisch.
In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts haben sich die Machtverhältnisse abermals
verändert. Infolge des Krieges zwischen Schweden und Polen–Litauen (1600–1635) fiel der
westliche Teil des lettischen Livlands an Schweden. Um die Jahrhundertmitte fand der erste
Nordische Krieg statt (1655–1660), unter dem auch das Territorium Lettlands stark gelitten
hat. Doch, trotz der Kriege, hatte die lettische Schriftsprache allmählich Fuß gefasst.
Entstanden neue Übersetzungen und Veröffentlichungen lutherischer und katholischer
religiösen Texte. Aus dieser Zeit sind auch die ersten längeren Sachtexte in lettischer Sprache,
wie auch die ersten sprachwissenschaftlichen Werke, in denen die lettische Sprache analysiert
wird, erhalten geblieben.
Mit dem Jahr 1624 ist die von Andreas Getzel (? – 1653), dem Lehrer der Lateinschule in
Mitau/Jelgava und dem späteren Pastor von Erlaa/Ērgļi, unterschriebene Übersetzung von
Psalmen Davids und Sprüchen Salomons zu datieren. Sie ist als Handschrift erhalten
geblieben und nie gedruckt worden. Das ist die erste vollständige Übersetzung eines
Bibelbuches in lettischer Sprache. Als Quelle hat die hochdeutsche Version der Lutherbibel
gedient. Die Übersetzung ist ganz nah dem Original verfasst worden, wodurch der Text
manchmal unverständlich, sogar ungrammatisch geworden ist. Insgesamt entspricht das
Manuskript von Getzel völlig den sprachlichen und Übersetzungstraditionen des 16.
Jahrhunderts. Doch zeigt es einen eigentümlichen Einfluss – das Vorwort ist unbedeutend
veränderter Text aus der Einleitung des 1561 erschienenen altpreußischen Katechismus
Enchiridion, am Anfang wird für die Längebezeichnung der Vokale neben dem
niederdeutschen Schreibsystem auch die vom altpreußischen Katechismus übernommene
waagerechte Linie über dem Vokal <ā, ē, ī, ū> verwendet.
Mit der zunehmenden Bedeutung der geschriebenen Texte im 17. Jahrhundert, entsprach das
bis dahin erschienene weder den Qualitätskriterien der Sprache und Schreibung, noch denen
der
Übersetzung.
Das
Fehlen
eines
erneuerten
und
verbesserten
lutherischen
Kirchenhandbuches hat die Entstehung des 1631 in Riga gedruckten Lettiſch Vade mecum
gefordert (Abb. 8). Georg Mancelius (1593 – 1654) hatte alle bis dahin erschienenen Texte
durchgesehen und redigiert. Er war in Semgallen geboren und aufgewachsen, war Professor
an der Universität in Dorpat, später auch Hofprediger des Kurländischen Herzogs. Mancelius
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hatte nicht nur die vorhandenen Texte verbessert, sondern erweiterte das Handbuch mit neuen
Teilen – dem Buch Jesus Sirach und der von Johannes Bugenhagen zusammengefassten
Erzählung über die Zerstörung Jerusalems. 1643–44 wurde Lettiſch Vade mecum noch einmal
gedruckt (Neuauflagen erfolgten auch 1671–73, 1685 und später). 1637 wurden auch die von
Mancelius übersetzten Sprüche Salomons aus dem Alten Testament herausgegeben. Ihm zu
verdanken
ist
auch
das
1654
in
Riga
erschienene
dreibändige
Predigtenbuch
Lang=gewünſchte Lettiſche Postill. Es ist der erste so umfangreiche lettische Originaltext
(über 1100 Seiten). Mit den Schriften von Mancelius hatte die lettische Schriftsprache
bedeutend an Klang und Reife gewonnen.
Georg Mancelius hatte als erster auch die Neugestaltung der lettischen Schriftsprache
vorgenommen. Sein Ziel war dem Zeitgeist entsprechendes Sprachmodell. Sein Lettiſch Vade
mecum hatte ein neues und systematischeres graphemisches und orthographisches System, das
genauer und vollständiger das lettische phonologische System darstellte. Mancelius führte
mehrere bedeutende Neuerungen ein:
1. die genaue Bezeichnung der Vokalqualität und –quantität nicht nur in den Stamm-,
sondern auch in den Auslautsilben;
2. die veränderte Bezeichnung der Vokallänge, die bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts
im Gebrauch ist.
In den meisten Positionen wird die Vokallänge nach dem
hochdeutschen Schreibprinzip mit einem darauf folgenden <h> bezeichnet.
3. In
der
Konsonantenschreibung
führt
er
die
Virgel
oder
die
Buchstabendurchstreichung, eventuell nach dem polnischen oder litauischen <ł>
Muster, ein. In lettischer Sprache gebraucht Mancelius sie zweierlei – 1) für die
palatalen Konsonanten <ļ, ņ, ŗ>; 2) zur Trennung des stimmlosen /s/ und des
stimmhaften /z/.
Alle diese Elemente hat Mancelius nicht gleich konsequent gebraucht. Er führte auch, mit
Hilfe der phonetischen und morphologischen Schreibung, ziemlich genau Bezeichnung der
Laute ein.
Georg Mancelius hat nicht nur die lettische Graphemik reformiert. Es war ihm bewusst, dass
in Riga gesprochenes Lettisch unter starkem Einfluss anderer, besonders der deutschen
Sprache stand. Zur Grundlage der Schriftsprache wählte er die auf dem Lande gesprochene
Sprache und schriebt, dass ungefähr so die Leute in der Mitte Semgallens und des lettischen
Livlands sprechen. In dieser verbesserten Schrift sind alle Werke von Mancelius erschienen.
9
Man könnte denken, dass diese neue, verbesserte Schriftsprache die ältere schnell verdrängen
würde. In der Tat hat die Entwicklung zu einer neuen und konsequenten lettischen
Schriftsprache etwa hundert Jahre gedauert.
Parallel zu den in Livland und Kurland erschienenen lutherischen religiösen Texten, hat auch
die katholische Kirche ihre Texte vorbereitet. Unter ihrer Verwaltung war nach 1629 nur der
östliche Teil Livlands – heut. Lettgallen geblieben. Alle Veröffentlichungen des 17.
Jahrhunderts ignorieren aber die Tatsache, dass in dieser Region gesprochener Dialekt sich
ziemlich stark von der Sprache der Liv- und Kurländer unterscheidet. Alle Werke wurden in
der traditionellen Schriftsprache veröffentlicht.
Als die wichtigste Persönlichkeit in der lettischen katholischen Literatur ist der Jesuit Georg
Elger (1585 – 1672) zu nennen. Er hat fast das ganze Jahrhundert gewirkt. Sein erstes
zusammengestelltes Gesangbuch Geiſtliche Catholiſche Geſänge erschien 1621 in Braunsberg
(jetzt Branevo), war also noch für das ganze lettische Livland bestimmt. Erstmals in der
lettischen Sprache wurden in diesem Buch gelegentliche metrische Prinzipien der Dichtung
geachtet, wie auch einzelne poetische Elemente der lettischen Volksdichtung verwendet.
Möglicherweise erschienen um 1621 auch der katholische Katechismus und die Sammlung
der Evangelien und Episteln. 1622 ist in Braunsberg auch ein katholisches Handbuch für
Geistliche Agenda Parva auf Lateinisch erschienen. Es enthält Frage- und Antwortentexte in
mehreren Sprachen, darunter auch lettisch und südestnisch. Da die Schreibung und Sprache
vollkommen denen des Gesangbuches entsprechen, ist Elger als Verfasser des lettischen
Teiles von Agenda anzusehen. Im Weiteren, viele Jahre als Jesuit in der östliche Teil Livlands
tätig, hat Elger ein neues Manuskript der Evangelien und Episteln vorbereitet (1640). Gegen
sein Lebensende erschien eine neue Auflage des Katechismus, der Evangelien (1672) (Abb.
9) und des Gesangbuches (1673) . 1683 nach dem Tod von Elger erschien sein dreisprachiges
Wörterbuch Dictionarium Polono-Latino- Lottauicum.
Eigentümliche Schreibung ist in den Werken Elgers aus den Jahren 1621 und 1622
verwendet. Es ist die so genannte „polnische Rechtschreibung“ – mehrere Konsonanten
werden nach dem polnischen Muster bezeichnet, wie auch breite Verwendung der
diakritischen Zeichen zur Kennzeichnung der Vokallänge und der Diphthonge. Das
eigentliche Elgersche Schreibsystem bildet die alte rigasche Tradition mit einigen
10
Neuerungen, vermutlich aus polnischen oder litauischen Schriften. Die kurzen Vokale werden
in allen Positionen wie in den Texten des 16. Jahrhunderts geschrieben, doch unterscheidet
sich die Kennzeichnung der Vokallänge – der Gebrauch der diakritischen Zeichen <â, á, û, ú>
für die langen Vokale /ā/ und /ū/. In diesen Ausgaben ist im großen Maße auch das Problem
der Schreibung der im deutschen nicht vorhandener Konsonanten gelöst; verwendet wurde
das polnische oder litauische Modell.
Die Elgersche Schriftsprache ist einerseits ähnlich den Texten des 16. Jahrhunderts, obwohl
genauer im Schreibsystem – in einigen Tendenzen ist Elger weiter als alle anderen Autoren
seiner Zeit; andererseits, wegen der Isoliertheit seiner Texte von den lutherischen Autoren,
hinterlässt sie keinen Einfluss auf die weiteren Prozesse in der lettischen Schriftsprache.
In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ist auch der älteste erhalten gebliebene umfangreiche
Sachtext in lettischer Sprache entstanden. Es ist die Übersetzung der zwischen 1625 und 1640
verfassten Leinweberordnung. Der Übersetzer war vermutlich der damalige Amtssekretär,
auch Lehrer in der Schule der St. Gertrudenkirche in Riga, der Lette Mārtiņš Baķītis. Diese
Quelle, ebenso eine Übersetzung aus dem Deutschen, zeigt die Verbreitung der lettischen
Sprache im 17. Jahrhundert auf verschiedene Bereiche, wie auch belegt den unterschiedlichen
Gebrauch und die Bildung neuer funktionaler Stile – der Sachtexte und der juristischen Texte.
In diesem Manuskript sind, den Tendenzen der Zeit entsprechend, Merkmale der
neuhochdeutschen Schreibtradition zu verfolgen.
Für die Entwicklung der lettischen Sprache war sehr wichtig die Zeit um die
Jahrhundertmitte, denn zwischen 1650 und 1680 wirkte der vielseitig begabte Kurländer
Christophor Fürecker (um 1615 – 1684 od. 1685). Er gilt als einer der ersten lettischen
Grammatikern, Lexikographen und Dichtern. Seine Werke sind die Manuskripte der
lettischen Grammatik und des Wörterbuches, wie auch um 180 Lieder, die spätestens seit
1671 in verschiedene Ausgaben der Gesangbücher aufgenommen sind. Fürecker führte in der
lettischen
Dichtung
das
syllabotonische
Dichtungsprinzip
ein;
ein
Teil
seiner
Nachdichtungen, leicht modernisiert, wird heute noch in der lutherischen Kirche Lettlands
gesungen.
Christophor Fürecker hat auch ein eigenes Schriftsystem der lettischen Sprache erarbeitet. Er
benutzt die von Mancelius eingeführte Virgel, aber nicht nur zur Kennzeichnung der palatalen
11
Konsonanten, sondern auch für die langen Vokale. In den erhalten gebliebenen Handschriften
sind die Grapheme <ą, ę, į, ų> verwendet worden, für Lokativendung auch <â> mit Virgel.
Das war ein radikales Angebot, das, wenn realisiert, hätte die Grundlagen der lettischen
Orthographie stark von denen der deutschen Sprache unterschieden. Vermutlich gerade
deswegen setzte es sich in den gedruckten Texten nicht durch.
Insgesamt ist diese Periode in der lettischen Literaturgeschichte die Zeit der Übersetzungen
religiöser Basistexte und der Herausbildung der lettischen Schriftsprache. Doch vieles war
noch zu vollbringen, und die Zeitgenossen haben es auch deutlich gesehen.
3. Das lettische Schrifttum in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts
Die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts hat ihre Bedeutung für die lettische Literatur durch die
bis dahin umfangreichste Übersetzungsarbeit: eine vollständige Bibel. Die Notwendigkeit
einer Übersetzung wird schon um die Jahrhundertmitte gesehen, jedoch ist das eine
schwierige und arbeitsintensive Aufgabe. Auch kann es nicht von einem Einzelnen
bewerkstelligt werden, denn für die Benutzung der Bibel in der Kirche wird die offizielle
Anerkennung der Übersetzung verlangt. Es ist auch eine teure Angelegenheit, deshalb ist
finanzielle Unterstützung notwendig.
Von einer Bibelübersetzung schriebt als erster im Jahre 1662 der livländische
(General)Superintendent Johann Gezelius, und er erhielt auch die Zusicherung auf materielle
Unterstützung durch das schwedische Königshaus. 1664 beschloss die Synode Livlands, dass
zehn Pastoren die Psalme Davids als Probe übersetzen sollen; wir haben jedoch keinen
Hinweis darauf, dass jemand eine solche Probe auch eingereicht hätte. Verschiedene Pastoren
übersetzten jedoch von sich aus Teile der Bibel, ohne besonders dazu aufgefordert worden zu
sein. Die bedeutendste Leistung ist das vom livländischen Pastor Johannes Reuter (Jānis
Reiters) (um 1632 – 1695 od. 1697) übersetzte Matthäusevangeliums, das 1664 in Riga
gedruckt wurde (nicht erhalten), und seine 1675 herausgegebene Eine Überſetzungs Probe
(Abb. 10), in der Fragmente von Büchern des Alten wie des Neuen Testaments enthalten sind.
In seinen Übersetzungen verwendete er ein anderes Schreibsystem, das mit dem einiger
Nachbarvölker verwandt ist, nämlich, die Vokallänge /ā, ū/ wird durch Verdoppelung <aa,
uu> gekennzeichnet, die palatalen Konsonanten durch einen darauf folgenden <i>, z.B., <li,
ki, ni, ri>. Doch ist dieses Prinzip ziemlich unkonsequent durchgeführt worden. Reiter, Lette
12
von der Nationalität, hat ziemlich scharf die damalige Schriftsprache kritisiert, da er in ihr
viele grobe Fehler der lettischen Sprache sah. Da Reuter jedoch eine kontroverse
Persönlichkeit war und mit der Kirchenleitung in Konflikt stand, wurde er nicht beauftragt,
die ganze Bibel ins Lettische zu übersetzen.
Auch der bereits erwähnte kurländische Geistliche Christophor Fürecker hat einzelne
Fragmente des Neuen Testaments übersetzt, die in der erneuerten Perikopensammlung im
kurländischen evangelisch–lutherischen Handbuch Vermehretes Lettiſches Hand=Buch
(1685) erschienen. Die Druckversion wurde vom Superintendanten Kurlands Heinrich
Adolphi (1622 – 1686) vorbereitet. Diese Ausgabe ist auch durch ihre Sprache
bemerkenswert. Hier ist zum ersten Mal versucht worden eine konsequente, auf bestimmte
Prinzipien beruhende Schreibung zu begründen und durchzuführen. Diese Prinzipien und
Verfahren sind zuerst in der Einleitung des Handbuches beschrieben worden. Diese
Einleitung entspricht im Allgemeinen derjenigen der, auch 1685 in Mitau/Jelgava
erschienenen, lettischen Grammatik von Adolphi Erſter Verſuch / Einer kurtz=verfaſſeten
Anleitung / Zur Lettiſchen Sprache (Abb. 11). Die Grundlage dieser Grammatik bildet das
Material von Christophor Fürecker. So ist in diesem Handbuch endlich die so genannte
kurländische oder Fürecker–Adolphi–Schreibung realisiert worden. Die größten Unterschiede
zum System von Mancelius sind:
1. der lange Vokal /ī/ wird mit <ih>, nicht <ie> wiedergegeben,
2. alle Lokative werden mit <^>, nicht unterschiedlich gekennzeichnet,
3. alle palatalen Konsonanten werden mit Virgel gekennzeichnet,
4. ziemlich konsequente Durchführung des morphologischen Systems in der Schreibung,
d.h., die homonymen Formen werden nicht unterschiedlich geschrieben.
Die Übersetzung und die Herausgabe der ersten lettischen Bibel ist mit den Namen von zwei
anderen Männern verbunden: Johann Fischer (1633 – 1705) und Ernst Glück (1652 – 1705).
Sie haben etwas Wesentliches gemein: beide stammten aus Deutschland und kamen erst im
Erwachsenenalter nach Livland. Fischer wurde 1673 zum neuen Superintendenten von
Livland bestellt (ab 1678 zum Generalsuperintendenten). Ernst Glück kam vermutlich 1675
nach Livland und fand hier seine Aufgabe – die Übersetzung der Bibel ins Lettische. Zunächst
erlernte er die lettische Sprache, dann begab er sich nochmals nach Deutschland. Da
erweiterte er seine Kenntnisse der alten Sprachen, um aus den Originalsprachen – Hebräisch
und Griechisch übersetzen zu können. Von dort kehrte er 1680 nach Livland zurück und
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schlug Fischer vor, für eine Bibelübersetzung zu sorgen. Im Jahre 1681 befürwortete der
schwedische König Karl XI mit einer Resolution die Übersetzung der Bibel ins Lettische, und
nun konnte die Arbeit ernsthaft beginnen. Das Neue Testament übersetzte Glück 1681–1682,
das Alte Testament in den darauf folgenden Jahren bis 1690. Die Drucklegung zog sich
nochmals von 1685 bis 1694 hin (Abb. 12).
Der oder die Übersetzer, wie auch die Rezensenten der Bibel mussten sich zuerst entscheiden
in welche Sprache übersetzt und welche Rechtschreibung gewählt wird. Die Antwort auf die
erste Frage war nicht schwierig, denn in der lettischen Schriftsprache hatte sich schon eine
Sprache gefestigt – diejenige, die den Mundarten im zentralen Livland und Semgallen am
nächsten war. Sie wurde in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts schon von allen Autoren
verwendet. Die Abweichungen waren unwichtig, sie waren meistens mit lexikalischen
Besonderheiten oder sich manchmal unterscheidenden Formenwahl verbunden. Schwieriger
war die Frage im Bezug auf die Schreibung – wie beschrieben, bestanden mehrere, dazu
ziemlich unkonsequente Schreibsysteme. Der Übersetzer hat das verstanden und versuchte die
Probleme zu lösen. Das beweist die lettische Bibel selbst. Gut bekannt, doch nicht immer
betont, ist die Tatsache, dass die ganze Erstauflage der Bibel nicht in einheitlicher Schreibung
verfasst ist. Die zuerst erschienenen Teile des Neuen Testaments unterscheiden sich von den
darauf folgenden. Die Unterschiede, die am deutlichsten die neuen Versuche in der lettischen
Schreibung zeigen sind in den Matthäus und Marcus Evangelien zu finden. Hier ist bis zum
Äußersten das so genannte logische Schreibprinzip getrieben worden. Es ist versucht worden,
die homonymen Formen unterschiedlich zu schreiben, z.B., die Endung –u im Akk. Sg. als <u> und im G. Pl. als <-o>.
Ohne Zweifel ist solche Schreibung sowohl für den Schreiber, als auch den Leser kompliziert.
Sie rief Einwände bei den Rezensenten, eventuell auch bei Ernst Glück selbst hervor. Im
Weiteren ist solche komplizierte Schreibung gemieden worden und im Text wurden nur die
Adverbformen <tà> [tā] ‛so’ u.a. von den Adjektivformen <ta> [tā] ‛die; des’, wie auch
Präsens vom Verb ‛sein’ <irr> [ir] ‛ist’ von der Partikel <ir> [ir] ‛auch’ ziemlich konsequent
unterschieden.
Diese sind aber nicht die einzigen Sprachverbesserungen in der Erstauflage der lettischen
Bibel. Andere, bis da unkonsequente Fälle sind präzisiert worden. Es muss gesagt werden,
dass diese Präzisierungen mit der Schreibung des kurländischen Handbuchs von 1685 und der
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Grammatik Adolphi übereinstimmen. Es ist auch kein Wunder, denn die kurländischen
Pastoren, auch Heinrich Adolphi, haben an dem Rezensieren der Bibel teilgenommen; dabei
hat die so genannte kurländische Schreibung auch mehrere Unzulänglichkeiten der bisherigen
lettischen Schriftsprache gelöst.
So waren die Erstauflage der Bibel und das Kurländische Handbuch von 1685 die ersten
Bücher, in denen die neue Rechtschreibung eingeführt wurde. Das war wahrscheinlich keine
schnelle oder einfache Entscheidung, worauf die Unterschiede und Schwankungen in
verschiedenen Büchern von Bibel hinweisen. Damit war die lettische Schriftsprache und
Schreibung entstanden, die bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts Bestand hatte.
4. Die Anfänge der lettischen Grammatiken und Wörterbücher
Im 17. Jahrhundert begann auch die linguistische Beschreibung der lettischen Sprache. Die
aus Deutschland kommenden Geistlichen benötigten Hilfe beim Erlernen der lettischen
Sprache. Das forderte das Erscheinen solcher Beschreibungen. Genau dieser Grund ist auch in
der Einleitung der ersten lettischen Grammatik Manuductio ad linguam lettonicam facilis et
certa (1644) genannt worden (Abb. 13). Ihr Verfasser ist der aus Deutschland stammende
Pastor von Ascheraden/Aizkraukle Johann Georg Rehehusen (? – vor 1650). Er erwähnt auch,
dass dieses Büchlein schon vor 14 Jahren (also um 1630) geschrieben wurde und dass viele
seiner Kollegen ihn gebeten haben es herauszugeben. Nach dem Erscheinen wurde das Buch
jedoch auch heftig vom damaligen Superintendanten Kurlands Paul Einhorn (? – 1655)
kritisiert, da die Sprachbeschreibung stark vereinfacht und auch nicht immer richtig war.
Wahrscheinlich deswegen wurde diese Grammatik auch nicht recht gebraucht und, wie es
scheint, sogar schnell vergessen.
Anders ist nicht zu erklären, warum die 1685 vom Superintendanten Kurlands Heinrich
Adolphi herausgegebene Grammatik den Titel Erſter Verſuch einer kurtz verfaſſeten
Anleitung zur Lettiſchen Sprache trug (Abb. 10). Gerade diese auf dem Material von
Christophor Fürecker gestützte Grammatik wurde zur Grundlage für die weitere Beschreibung
der lettischen Sprache und auf ihr beruhen die meisten lettischen Grammatiken bis zur Mitte
des 18. Jahrhunderts. Die Grammatik beschrieb schon ziemlich ausführlich das phonetische
und morphologische System der Sprache, es gab auch eine kurze Einführung in Syntax.
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Auf dem Material von Christophor Fürecker beruht auch die zweite 1685 erschienene
Grammatik – vom Pastor aus Pinkenhof/Piņķi Georg Dressel (1654 –1698) Gantz kurzte
Anleitung zur Lettiſchen Sprache, wie auch vom anderen kurländischen Pastor Martin
Büchner aufgeschriebenen Fragmente einer Grammatik. Über die Wichtigkeit des
grammatische Gedankens in der damaligen Gesellschaft spricht noch ein Manuskript, eine
selbständige Arbeit des Pastors aus Südwestkurland Ober- und Nieder-Bartau (Bārta, Nīca)
Johann Langius (1615 – um 1690) ..eine kurtze Lettiſche Grammatica (auch 1685).
Im 17. Jahrhundert hat sich auch die lettische lexikographische Tradition gebildet. Der erste
Beleg der lexikographischen Arbeit ist im Nekrolog von Ertmann Tolgsdorff (1550 – 1620),
des eventuellen Übersetzers vom katholischen Katechismus (1585), erwähnte Tatsache, dass
er das lettische Nomenklator (Nomenclatores) verfasst hat, eine der damals üblichen Formen
des thematischen Wörterbuchs. Das erste erhalten gebliebene gedruckte Wörterbuch ist vom
kurländischen Pastor Georg Mancelius vorbereitete und 1638 erschienene Lettus, Das iſt
Wortbuch (Abb. 14). Der erste Teil ist ein alphabetisch geordnetes deutsch–lettisches
Wörterbuch (um 6000 Wörter), der zweite Teil Phraſeologia Lettica beinhaltet Wörter und
Sätze in 51 thematisch geordneten Kapiteln.
Im 17. Jahrhundert sind noch zwei mehrsprachige Wörterbücher erschienen – 1683 in
Wilna/Vilnius Dictionarium Latino-Polonico-Lottauicum von Georg Elger, wie auch ein
anonymes viersprachiges Wörterbuch Vocabularium Wie Etzliche gebräuchliche Sachen Auff
Teutſch / Lateiniſch / Polniſch Und Lettiſch Auszuſprechen ſeynd (1688 in Riga). Das
Wörterbuch von Elger basiert auf dem Wörterbuch Dictionarium trium linguarum (1642) vom
Litauer Konstantynas Sirvydas (Szyrwid). Sein lateinisch–polnischer Teil ist mit der
lettischen Lexik erweitert worden. Die Geschichte der Ausgabe von 1688 ist ziemlich unklar.
In ihr sind verschiedene Traditionen vereint, doch der Verfasser des lettischen Teils ist immer
noch nicht identifiziert.
Die beiden letzten Wörterbücher konnten jedoch nicht recht beim Erlernen der lettischen
Sprache helfen, denn das erste erhielt ziemlich viel dialektale Lexik aus dem östlichen Teil
Livlands, war dazu in Wilna/Vilnius gedruckt und an den katholischen Teil Livlands
orientiert. Das viersprachige Wörterbuch beinhaltete fast ausschließlich Substantive, die
Schreibung des lettischen Teils war auch ziemlich unkonsequent und fehlerhaft.
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Das Bedürfnis nach Wörterbüchern belegen auch mehrere aus der zweiten Hälfte des 17.
Jahrhunderts erhalten gebliebene Manuskripte. Es sind drei umfangreiche Manuskripte
bekannt – Lettiſches und Teutſches Wörterbuch von Christophor Fürecker in zwei
Abschriften, Lettiſch-Deutſches Lexicon von Johann Langius, wie auch ein anonymes
Manuskript Manuale Lettico-Germanicum, das auf die beiden vorher erwähnten basiert. Alle
drei Wörterbücher sind lettisch–deutsch, haben ein ziemlich umfangreiches lexisches Material
(bis 7000 Wörter), die Stichwörter verfügen über grammatische und dialektale Angaben, wie
auch beinhalten Beispiele, darunter auch Phraseologismen.
So hatte sich bis zum Ende des 17. Jahrhunderts umfangreiche Literatur in lettischer Sprache
entwickelt, waren die ersten bedeutsamen linguistischen Werke verfasst worden, die sowohl
das Erlernen der Sprache, wie auch ihre Normierung sicherten.
5. Die Herausgeber lettischer Bücher und ihre Leser
Der Verbreitung und Vervollkommnung der lettischen Schriftsprache verhalf auch das
Drucken und Verlegen der Bücher (Tab. 1). Wenn die ersten lettischen Bücher außerhalb
Livlands – in Königsberg, Wilna/Vilnius, Braunsberg – gedruckt wurden, so begann und
festigte sich im 17. Jahrhundert der Buchdruck vor Ort. Schon 1588 gründete Niclas Mollyn
in Riga die erste Druckerei, wurde zum privilegierten Stadtdrucker und wirkte bis 1625. In
dieser Zeit wurde aber nur ein lettisches Buch gedruckt (1615). Der Nachfolger von Mollyn
Gerhard Schröder arbeitete von 1625–1657, doch auch er hat nur fünf lettische Bücher
gedruckt (wenn die Teile des Handbuchs einzeln gezählt werden, ist die Zahl größer – 1631,
1637, 1638, 1643–44, 1654). Unter dem nächsten Stadtdrucker Heinrich Bessemesser (1660–
1683) wurden etwa sieben lettische Bücher gedruckt. Der letzte Stadtdrucker im 17.
Jahrhundert Georg Mathias Nöller (1684–1712) hat bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts um
15 lettische Bücher (ohne die Teile einzeln zu zählen) gedruckt. Doch bestand in Riga seit
1675 noch eine Druckerei, die dem Superintendanten Johann Fischer gehörte und das Privileg
des schwedischen Königs besaß. Als Buchdrucker arbeitete da Johann Georg Wilcken, der
zusammen mit der vollständigen lettischen Bibel (1685–1694) etwa 15 lettische Bücher
gedruckt hat. Seit 1666 oder 1667 war eine Druckerei in Mitau/Jelgava, der Hauptstadt des
Herzogtums Kurland tätig. Nach Michael Karnal übernahm diese Druckerei 1684 Georg
Radetzky, der Ende des 17. Jahrhunderts die kurländische lettische Ausgabe des lutherischen
Kirchenhandbuchs in zwei Auflagen gedruckt hat. Wenn man alle Ausgaben und deren Teile
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zusammen zählt, kann man von 1631–1664 um zehn und von 1671–1708 um 60 auf lettisch
erschienene Bücher rechnen. Auch die Auflagen wurden größer. Wenn die ersten Auflagen
etwa einige Hunderte Exemplare hatten (eine Ausnahme bildet der katholische Katechismus
von 1585), so waren die Auflagen Ende des 17. Jahrhunderts auf etwa 1000 Exemplare zu
schätzen. Es ist bekannt, dass die Bibelübersetzung in 1500 Exemplaren gedruckt wurde. Die
Auflagen des Katechismus und der Gesangbücher konnten noch größer sein.
Auch das Zielauditorium dieser Bücher hatte sich verändert. Ursprünglich wurden alle Bücher
(ausgenommen wieder des Katechismus von 1585) mit deutschem Titel, deutschen
Kapitelüberschriften und Kommentaren gedruckt, was deutlich zeigt, dass sie für die
deutschen Pastoren bestimmt waren. Doch seit dem letzten Viertel des 17. Jahrhunderts,
beginnend mit der 1672 erschienenen Gebetsammlung Lattweeſcho Pataro=Ghramata
werden die Titelseiten allmählich lettisch geschrieben. Am Anfang des 18. Jahrhunderts sind
fast alle Titelseiten lettisch. Die Bücher wurden also für den lettischen Leser gedruckt.
Die Zahl der Bücher wuchs auch dank der Schulgründungen. Die ersten Schulen wurden in
Riga schon ziemlich früh gegründet – 1211 wurde dem Bischof unterstellte Domschule
gegründet, 1353 gründete der Rigaer Rat die Peterschule. Nach der Reformation wurde die
Domschule der Stadt unterstellt, die Petersschule wurde für einige Zeit geschlossen. In dieser
Zeit wurden für die Grundausbildung die so genannten Rechnungsschulen gegründet. Der
Unterricht fand in ihnen auf Deutsch, nicht wie in den höheren Schulen auf Latein statt. In der
polnischen Zeit gründeten 1582 die Jesuiten ihr Kollegium, das bis 1621 bestand und mit
anderen Rigaer Schulen konkurrierte. Die schwedische Verwaltung gründete ihrerseits 1631
das Akademische Gymnasium, das bis zur Pestepidemie von 1657 tätig war. 1675 wurde in
Riga das Lyzeum Schola Carolina gegründet, das ein bedeutender Konkurrent der Domschule
war. Im 16. Jahrhundert wurden auch Schulen in Kurland gegründet. Die größte war die 1567
gegründete Lateinschule in Mitau/Jelgava. Alle diese Bildungsstätten entsprachen der
Bildungstradition ihrer Zeit und die Unterrichtssprache war hauptsächlich Latein. Die Schüler
kamen aus den oberen gesellschaftlichen Schichten. Für die Ausbildung der Letten war die
Rolle dieser Schulen gering.
Einzelne lettische Schulen bildeten sich nach der Reformation bei den Rigaer Kirchen
(Johannisschule im 16. Jahrhundert, Gertrudenschule 1632), 1676 in Lastadien, 1667 in
Ilgezeem/Iļģeciems, in den 80en Jahren in Thornsberg/Torņakalns, Hagenshof/Āgenskalns.
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Typisch für die Rigaer lettischen Schulen war jedoch, dass der Unterricht oft auf Deutsch war.
In den 80en und 90en Jahren bildeten sich die Schulen im Rigaer Patrimonalgebiet – in
Holmhof/Sala, Pinkenhof/Piņķi, Bickern/Biķeri, Babit/Babīte, Olai/Olaine. Die Anfänge der
Schulen in Livland fallen in die schwedische Zeit, in die 80en Jahren des 17. Jahrhunderts –
Dünamünde/Daugavgrīva,
St.Matthiae/Matīši
(1678),
Papendorf/Rubene
(1679),
Fehteln/Vietalva, Salis/Lielsalaca (1682), Marienburg/Alūksne (1683), Seltingshof/Zeltiņi,
Oppekaln/Apukalns. Bis 1710 sind in Livland 68 Gemeindeschulen auf den Staats- und
Privatgütern. In den 80en Jahren des 17. Jahrhunderts werden auch die ersten Fibeln gedruckt.
In Kurland ist die erste Schule, in der lettische Kinder lernten, Annaschule in Mitau/Jelgava
(1633), doch ist im Allgemeinen im 17. Jahrhundert noch kein Schulsystem entwickelt
worden.
Die Schulen benötigten auch das Lehrmaterial. Anfänglich wurden zum Lesenlernen alle
vorhandenen Texte, besonders der Katechismus verwendet. Mehrere Quellen berichten, dass
Schulen Katechismen geschenkt bekommen haben. So wurde auch andere religiöse Literatur
ausgeteilt. Nach 1680 entstand jedoch eine neue Textsorte – die Fibel, die gerade zum
Lesenlernen bestimmt war. Diese Büchlein waren zum häufigen Gebrauch vorgesehen, es ist
also kein Wunder, dass nur wenige und in geschädigtem Zustand das 21. Jahrhundert erreicht
haben. Von mehreren Fibeln gibt es nur schriftliche Belege, die Bücher selbst sind nicht mehr
vorhanden.
Dies alles hat die Zahl der lettischen Lesekundigen erhöht. Das trug auch zur Verbreitung der
Schriftsprache bei. Anfänglich war sie natürlich passiv, festigte sich jedoch mit der Zeit auch
im aktiven Gebrauch.
***
Mit dem 17. Jahrhundert endet die erste Entwicklungsphase der lettischen Schriftsprache,
deren Hauptaufgabe und auch größte Leistung die Übersetzung sämtlicher für die Existenz
und die Stärkung der evangelisch-lutherischen Kirche notwendigen Literatur ins Lettische
war. Gleichzeitig bildete sich eine klare und normierte Orthographie heraus sowie eine
Schriftsprache, die anstelle der früheren Verwendungen einzelner Mundarten in schriftlichen
Texten nun bereits eine überregionale Sprachform darstellte, die in ganz Livland und Kurland
verstanden und verwendet werden konnte. Diese Schriftsprache und diese Schreibweise hatten
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bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts Bestand, als die Letten selbst die weitere Normierung
übernahmen. Die im 16. und 17. Jahrhundert entstandenen religiösen Übersetzungen und
Originaltexte trugen auch zur Stärkung des Christentums, konkret den Protestantismus, bei,
und sie waren die Grundlage für die lettische schöngeistige Literatur im 18. und 19.
Jahrhundert.
Zusammenfassend hat sich in der Reformationszeit im 16. und 17. Jahrhundert die lettische
Schriftsprache und Orthographie herausgebildet sowie umfangreiche religiöse Literatur in
lettischer Sprache.
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