Geläufigkeit und Beiläufigkeit

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Liturgisch-paktischer Unterricht - ein Protokoll1
Wer Gottesdienst hält, Gruppen oder einzelne, kann in Hamburg vertiefenden praktischen Unterricht
dafür erhalten. Dabei üben die Akteure in ihrem eigenen Raum ihren eigenen Gottesdienst und erfahren im Tun, wie sie dabei wirken, wie sich liturgische Stücke zueinander verhalten und was sie bedeuten. Was die Erneuerte Agende an kompositorischer Kompetenz verlangt, kann hier vor Ort erarbeitet
werden. Solcherart Unterricht ist bislang angehenden Profis vorbehalten. Es fragen inzwischen aber
auch Altgediente und Ehrenamtliche nach praktischer Fortbildung auf diesem Gebiet. Das gottesdienst
institut nordelbien ermöglicht - nicht flächendeckend, aber exemplarisch - eine praxisorientierte Arbeit
mit Gemeinden. Neben Seminaren und Gemeindeberatungen kann auch individuelle Begleitung der
liturgischen Praxis abgefragt werden.
Wie solche Arbeit abläuft, lässt sich am besten in einem Praxis-Protokoll schildern, dem eine kurze
Reflexion folgt. Ziel der Darstellung ist es zu zeigen, wie dicht Theologie, geistliche Haltung, körperliche Resonanz und bewusste Handlung zueinander gehören. Das ganze ist auch ein Plädoyer für eine
geordnete geistliche Inkarnation von Theologie in die Praxis derer, die sie vertreten. Wir reden im
Moment viel von Spiritualität, aber es fehlt allen an Übung. Hier ein Ansatz zum Wandel beim Tun.
1. Protokoll eines liturgischen Unterrichts zum Thema Gottesdienstanfang
Der Rahmen: Das Treffen findet statt auf Anfrage des Pastors und der Pastorin, die zusammen den
Kirchraum und Teile der Liturgie bedenken möchten. Sie halten Gottesdienst in einer Kirche in der
Hamburger Vorstadt.
Der Raum: Die Kirche der Nachkriegszeit hat einen klassischen Aufbau: Bänke mit Mittelgang, der zum
mittig angeordneten Altar führt, Apsis von der Breite des Raumes, vom Sitzraum unterschieden durch
drei Stufen. Der breite Altar steht noch einmal auf einem eigenen kleinen Plateau, einer vierten Stufe.
An den drei Stufen halbrechts ein variables Lesepult, links an der Wand die Kanzel. Der Raum ist ca.
30 Meter lang und knapp 20 Meter breit.
Die Teilnehmenden: Pastor (Mitte 40), bereits einige Jahre in der Gemeinde und Kollegin (Ende 30) seit einem halben Jahr dort. Beide möchten neue Menschen in die Gemeinde holen, müssen aber mit
einigem Widerstand aus wichtigen Teilen der Gemeinde leben, die offenbar ungern etwas ändern. Die
Bitte um Raum- und Liturgie-Beratung steht - in dem Themenfeld Innovation - auch für die Frage: Wie
bekommen wir selbst eine (neue) Gewissheit für unsere Ideen ? Es ist beiden bemerkenswert selbstverständlich, dass sie einander beim Üben zuschauen und Rückmeldung geben.
Das liturgische Thema:
Der Anfang des Gottesdienstes ist eine heikle Aufgabe. Pastorinnen und Pastoren wollen ihren Beginn
zwischen Nähe und Distanz , auch zwischen Tradition und subjektiver Aktualität ausbalancieren und
finden dabei selten zu einer befriedigenden Form. So auch die beiden, denen ihre eigene Praxis zur
Frage geworden ist. Sie haben das Gefühl, dass etwas nicht stimmt, dass sie sich immer etwas fürchten vor diesen ersten Minuten. Daher der Wunsch, am Eingangsteil zu arbeiten.
Nach einer Phase der Erörterung von Sitzanordnungen in der Kirche (Bankstellung, Anlässe für zeitlich
befristete Umgestaltung usw.) gehen wir über zur liturgischen Übung.
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H.-H.: Begrüßen Sie die Leute am Eingang ?
Pastor: Ja.
H.-H.: Tut Ihnen das gut ?
Pastor: Ja, dann weiß ich, wer kommt und was mit ihnen so los ist.
H.-H.: Gut. Dann nehmen wir an, es wären alle da, und die Liturgie beginnt. Wann und wie gehen
Sie auf ihren Platz ?
6 Pastor: Ich gehe durch den Mittelgang und setze mich vorn rechts hin.
7 H.-H.: Bitte tun Sie das.
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Thomas Hirsch-Hüffell .
gottesdienst institut nordelbien . Dr. Ute Grümbel . Thomas Hirsch-Hüffell . Bei der
Christuskirche 5 . 20259 Hamburg . fax 040.43180393 . tel thh 040.43273-715, tel ug 040.43273-816 .
[email protected] . [email protected] . www.gottesdienstinstitut-nek.de,
erschienen in der PASTORALTHEOLOGIE
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8 Pastor geht langsam, fast schlendernd, mit unter dem Bauch gefalteten Händen und gesenktem
Kopf. Kommt an den Stufen des Altarraums an, bleibt stehen und senkt den Kopf noch etwas mehr,
verweilt kurz, dreht sich und geht drei Schritte zum Platz in der ersten Bankreihe, setzt sich.
9 H.-H.:. Was geht in Ihnen vor, wenn Sie so reinkommen ?
10 Pastor: Tja - ob das Ringbuch am Platz liegt, ob alles vorbereitet ist, die Lieder gesteckt ... .
11 H.-H.: Ja, so sieht es auch aus. Wie wenn der Küster nach vorn schlendert und noch ein paar Besorgungen im Raum vorhat.
12 Pastor: Hm, denkt nach ich bin auch meistens nicht so konzentriert, wenn ich mich hinsetze.
13 H.-H.: Ja, wie auch, wenn noch so viel Organisation im Kopf steckt ? Vielleicht gehen Sie wieder an
den Eingang und wir versuchen etwas Neues.
14 Pastor geht wieder an den Eingang.
15 H.-H.: Jetzt gehen Sie erst los, wenn sich in Ihnen etwas gebildet hat, das Sie konzentriert. Das
kann ein Bibelwort sein, ein Gegenstand im Raum, ein Gedanke, ein Vers - was immer.
16 Der Pastor sinnt, steht, geht nach ca. 30 sec los, entschlossener, den Blick gegen den Boden gerichtet, Hände wie vorher gefaltet unter dem Bauch, bleibt wieder vor den Altarstufen stehen, verweilt, setzt sich, wirkt deutlich konzentrierter.
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H.-H.: Wie ist es jetzt ?
Pastor: Ich bin ruhiger. Mehr bei mir.
H.-H.: Mögen Sie sagen, was Sie konzentrierter gemacht hat ?
Pastor: Ich habe gedacht: ‘Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses.’
H.-H.: Das hat gewirkt - man sieht es. Ich schlage vor, wir probieren noch eine dritte Version: Sie
machen alles wie eben, aber Sie blicken beim Hereinkommen auf und nehmen real Beziehung zu
dieser ‘Stätte’, das heißt dem Raum, auf, ohne Ihren Satz und die Ruhe zu verlieren. Das geht miteinander.
22 Pastor geht wieder nach hinten, wartet eine Weile, richtet sich auf und geht los, lenkt den Blick in
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den Altarraum, die Hände lösen sich vorm Bauch, schwingen normal an der Seite, er geht ruhig
nach vorn, bleibt an den Stufen stehen, zögert, sagt:
Pastor: Am liebsten würde ich jetzt zum Altar gehen.
H.-H.: Ja, bitte.
Er geht weiter, die Stufen hoch, bleibt vor der letzten, einzelnen, erneut stehen, wirkt unsicher.
H.-H.: Möchten Sie weiter ?
Pastor: Ja.
H.-H.: Bitte.
29 Er geht weiter, steht vor dem Altar, schaut ihn an und weiß offenbar nicht recht, was er da soll als hätte etwas Unwillkürliches ihn dahin verschlagen. Er versucht seine Hände vor sich und seitlich
zu lassen, findet aber keine passende Haltung.
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H.-H.: Ist es gut am Altar ?
Pastor: Ja, es ist gut.
H.-H.: Dann legen Sie doch mal die Hände drauf.
Pastor tut das, und als die Hände auf dem Altar liegen, atmet er tief durch und sagt:
Ja, das ist gut.
H.-H.: Geht etwas aus vom Altar ?
Pastor: Ja.
H.-H.: Dann nehmen Sie es auf und lassen es durch Ihre Hände und Arme in den Körper laufen.
Lassen Sie sich Zeit.
38 Pastor steht - mit den Händen auf dem Altar - wohl eine Minute, dann wendet er sich in den Kirchraum, lächelt, bleibt noch stehen am Altar und verweilt.
39 H.-H.: Jetzt haben Sie den Altar im Rücken. Wie ist das ?
40 Pastor: Gut.
41 H.-H.: Stützt er noch ?
42 Pastor: Ja.
43 H.-H.: Sehen Sie, nun können Sie auch begrüßen, denn jetzt kommen Sie vom heiligen Ort.
44 Pastor: Ja, aber sieht das nicht merkwürdig aus, wenn ich erst zum Altar gehe und dann zu den
Leuten rede ?
45 H.-H. zur Kollegin: Was sagen Sie ?
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46 Kollegin: Überhaupt nicht. Du bist viel gesammelter, wenn du von da kommst.
47 H.-H.: Und kann es nicht sein, dass ‘der Priester’ sich am heiligen Ort Kraft holt, bevor er zu den
Leuten geht ? Ist es nicht das, was man von einem Geistlichen erwartet ?
48 Pastor schweigt und nickt.
49 Im weiteren geht es um die Begrüßung, die in dieser Gemeinde zum Teil frei gesprochen wird.
50 Pastor geht eine Stufe tiefer zum Lesepult und beginnt eine Begrüßung zu sprechen (Er spricht
rasch und macht keine Pausen zwischen den Sätzen):
51 Ich begrüße Sie recht herzlich zum heutigen Gottesdienst. Der Wochenspruch aus dem siebten
Kapitel des Lukas- Evangeliums für die heutige Woche lautet: Wer die Hand an den Pflug legt und
sieht zurück, der ist nicht geschickt in das Reich Gottes. Sie haben den Weg hierher gefunden, wir
gehen jetzt einen gemeinsamen Weg durch diesen Gottesdienst. In den Liedern und Texten und in
der Predigt wollen wir diesen Spruch weiter bedenken. Nun singen wir das erste Lied, das ist die
Nummer 444 im Gesangbuch.
52 Geht die Stufen herunter und setzt sich.
53 H.-H.: Gehen Sie doch bitte noch mal zum Altar, legen Sie wieder die Hände drauf, bleiben Sie,
solange Sie möchten und wenden sich von dort aus zum Pult und zu den Menschen. Und während
Sie das tun, behalten sie die Kraft des Altars im Rücken. Nehmen Sie sich dafür Zeit.
54 Sie probieren dann aus, wie es ist, wenn Sie einfach beginnen mit : ‘Wer die Hand an den Pflug
legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt in das Reich Gottes’ - ohne Kommentar, ohne Einleitung - und dann schweigen. Und während Sie schweigen, lassen Sie den Satz in sich nachklingen und forschen, was er in Ihnen anrührt.
Pastor geht zum Altar, legt die Hände darauf, verweilt, dreht sich, kommt bedächtig zum Pult, seufzt
und sagt lauter als vorher: ‘Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt
in das Reich Gottes.’ Schweigen ca. 5 sec. und weiter: Es wird heute darum gehen, wer geschickt
ist ins Reich Gottes und wer nicht. Pause. Und wie man merkt, ob man geschickt ist.
55 Pastor bricht ab und setzt sich.
H.-H. an die Kollegin: Ist noch was hinzuzufügen ?
Kollegin: Nein, toll, so klar warst du noch nie.
H.-H.: Er hat das Lied nicht mehr angesagt.
Kollegin: Das steht doch sowieso angeschlagen. Man muss es doch eigentlich gar nicht ansagen.
60 Pastor kommt kopfschüttelnd und mit erstauntem Gesicht in die Mitte des Raums:
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61 Das genügt vollkommen ... .
Er setzt sich hinten in die Kirche um nachzudenken. Er ist sichtlich bewegt.
Es schließt sich ein kurzes Gespräch an. Dabei geht es darum, ob und wenn ja, wie klar wir Zelebrierenden geistig, seelisch und körperlich wahrnehmen, dass Gott bereits gegenwärtig ist, wenn wir mit
der Liturgie anfangen. Und ob es in der Folge dieser Wahrnehmung noch nötig ist, mit ‘Ich’ anzufangen. Der Pastor hat sich im Vollzug der Übung spontan neu entschieden. Er wird nun in der Praxis
erproben, ob er dabei bleiben will.
2. Wozu Liturgie praktisch üben ?
Es geht im folgenden um eine Didaktik der Liturgie (wie kann Liturgie vermittelt werden ohne falsche
Normativität, das heißt eine, die in äußerlichen Korrektheiten stecken bleibt, ohne die geistliche Statur
des Zelebranten mitwachsen zu lassen ?) und um Pastoraltheologie (Was glaubt der/die Zelebrierende
eigentlich - beim Zelebrieren und weiterhin in der Ausübung des Amtes?)
Dabei wird es wichtig, wie der Körper und das Gemüt des Pastors ‘mitspielen’, das heißt, welche Regungen der geistlichen Verfassung anregende Impulse geben, die dann theologisch integriert werden.
Es gibt ein unausgesprochenes Verbot, Liturgie praktisch zu üben. Sie wird instinktiv als sakrosankt
empfunden. Man entwirft Liturgie am Schreibtisch, feiert dann, und das ist gleich der Ernstfall. Dazwischen gibt es kaum praktische Annäherungen an diesen Vollzug Liturgie. Wer Theologie studiert,
kümmert sich eventuell um die historisch-systematische Ableitung heutiger Agenden. Oft erscheint es
aber StudentInnen der Theologie noch abwegig, z.B. über den Sinn und die Stellung des ‘Kyrie Eleison’
nachzudenken, geschweige denn es übungshalber zu zelebrieren, um seinen Gehalt an Lebenswirklichkeit zu ermitteln.
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Vikarinnen und Vikare lernen später vor Ort, wie Gottesdienst gefeiert wird unter Anleitung der MentorInnen. Die Beteiligten legen auch hier in der Regel (wie das Studium) viel Wert auf die Predigt. Da tut
sich eine gute Verstehensebene für Theologen auf - in der Liturgie und ihrem Vollzug wird sie weniger
vermutet. Trotzdem wachsen Verständnis und Interesse für die Abläufe im Gottesdienst. Auch Vikarinnen und Vikare fragen anders nach als vor Jahren. Mancher, der anleitet, bekennt: “Ich bin liturgisch
eigentlich nie unterrichtet worden - ich gebe einfach weiter, was wir in der Gemeinde über Jahre
pflegen.” Wie man spricht, geht, grüßt, was dabei in denen vorgeht, die zelebrieren, das wird selten
besprochen. Was die Gemeinde dabei empfindet, ist sowieso nie Thema.
Liturgischer Unterricht ist in der Regel normativ. Das heißt, die Mentorin, der Mentor erklärt, wie es zu
gehen hat und setzt dabei die liturgischen Teile als verstanden und durchdrungen voraus. Aber nur in
dem Maß wie jemand Liturgie selbst als ‘seelsorgerlich wirksam’, gar ‘therapeutisch’ oder ‘identitätsstiftend’ erlebt und bedacht hat, wird er oder sie es auch weitergeben. Dann hält man miteinander
inne, ertastet sich gemeinsam neu die altbekannten Worte und Gesten und versucht ihnen ihr Eigenleben abzuhorchen. Nur dann zeigt sich oft, was in diesen Ritualen für Wahrheit und Lebenskraft steckt.
In der Regel wird aber Gottesdienst als etwas verstanden, was eben immer so war und was man
einfach weiter so macht. Das ist ja auch nichts Schlechtes. Wesentlich an der Liturgie ist in der Tat,
dass es sie immer schon gibt - selbst dann, wenn wir sie nicht verstehen. Und die besten regelmäßigen Gottesdienste sind die, wo alle das Gefühl haben, hier sei etwas in hohem Maße Selbstverständliches geschehen, etwas, das man schon von alters her kennt und schätzt, was von den führenden Personen schlicht und wach ohne Erklärungen zelebriert wird. Aber solche Einfachheit und Beiläufigkeit im
Leiten und Mittun hat niemand, der ein Instrument spielt, von Anfang an. Dazu gehören Übung, Erfahrung, Spiel im Ensemble, Partitur-Studium und Geduld. Auch Gottesdienst halten ist eine Kunst - für
einzelne wie für Gruppen. Daher ist es wichtig zu üben, was ein Berufsleben lang als ‘Hauptinstrument’
des Glaubenslebens auf andere und die Zelebrierenden selbst wirken soll.
Damit soll kein neuer Heils-Mechanismus über dir Didaktik eingeführt werden: “Wer trainiert, hat den
Geist.” Auch hier gilt das protestantische Prinzip der mitlaufenden Kritik aller Versuche zur Selbsterlösung. Es geht mehr um eine Einübung für die Bereitschaft zur wachen Gegenwart des Menschen, die
sich offen hält für die Geistes-Gegenwart.
Mit dem Gottesdienst werden Christen am deutlichsten identifiziert. Was hier geschieht, ist symptomatisch für alles, was man über Kirche denkt. Im Gottesdienst ist das Zentrale des christlichen Glaubens sichtbar, auch in seinen Untertönen. Für eine erhöhte Aufmerksamkeit für diesen Zusammenhang
gibt es - und dies soll mit dem vorliegenden Protokoll angedeutet werden - eine Art der Übung, die
weder mechanisch-äußerlich noch theologisch-innerlich vorgeht, sondern dem Gehalt der liturgischen
Teile beim Anleiten nachgeht und dabei Geist, Seele und Körper beteiligt. Denn welche Kirche soll sich
dem Verstand, dem Körper und dem Gemüt widmen, wenn nicht die, welche die ‘Inkarnation’ Gottes
als ihr proprium versteht ? Liturgie ist nicht allein durch bildungsbürgerliche Wissensansammlung zu
verstehen, sondern auch durch die Gefühls- und Körper-Bewegung aller anwesenden Menschen.
Der Druck der Subjektivität:
Wenn man herumkommt und die Erregung von Amtsträgern zu Beginn des Gottesdienstes spürt, die
bemühten Einleitungen, (neben der Lust) auch ihre Last mit der stundenlangen Vorbereitung von Predigten, dann fragt man sich, mit welchem Selbst- und Gottesdienst-Verständnis sie leben. Oft meinen
Pastorinnen und Pastoren, sie seien die Autoren eines Gottesdienstes. Die Ankündigungen von Gottesdiensten bedienen sich dann einer einseitigen Sprache: “Nächsten Sonntag predigt Herr A.!” – weil alle
vermeintlich nur wegen der Predigt kommen. Viele denken, von ihrer Begrüßung hinge etwas ab, von
der Güte oder der Lockerheit der Worte, die sie erfunden haben. Der Umkehrschluss lautet dann:
Wenn wenige kommen, so ist das vielleicht doch auf die unzureichende Predigt zurückzuführen, also
auf die eigene Leistungsschwäche? Vor allem gehen Pastorinnen und Pastoren häufig allein davon aus,
dass sie Gottesdienst ‘für andere’ halten. Sie selbst kommen dabei selten zu sich. Das kann sich über
die Jahre zu einem Leistungsdruck auftürmen, der erschöpft und Überdruss erzeugt - zumal, wenn
wenige kommen. Die subjektive Leistung steht - wie in vielen Feldern des ganzen Berufs - immer
vornan: ‘Wenn ich es nicht schaffe, dann ist nichts.’
Auf dem Feld des Gottesdienstes ist das besonders absurd. Denn der will gerade das Gegenteil aufweisen: Alles Wichtige ist da. Gott ist da, wir sind da - das genügt. Dies ist die elementarste Form der
Rechtfertigung.
Der Ansatz einer Übung wie der oben protokollierten hält dagegen:
Entscheidend wichtig ist am Anfang des Gottesdienstes, ob jemand wahrnimmt, dass er sich einreiht in
eine Wahrheit, die er oder sie nicht selbst erfunden hat und erfindet. Diese Wahrheit kann er oder sie
in sich selbst tragen und zugleich außen sehen. Die Gegenwart des Geistes über die Generationen von
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Gläubigen ist evident. Der Kirchraum spricht ihre Sprache. Die Menschen bringen Glaubenserfahrung
mit, sie müssen nicht nur ‘gefüttert’ werden. Sie ‘nähren’ auch - mit ihrem Wohlwollen, mit der Bereitschaft zum Hören und ihrer Treue. Mit ihrer Gegenwart verkörpern sie die einfache Wahrheit: Gott ist
da. Wir sind da. Das ist eine der elementarsten Meditationsübungen.
Die liturgische Übung will an dem konkreten Ort mit dem jeweiligen Menschen wahr werden lassen,
was immer schon gilt: Nicht wir fangen an, sondern Gott hat mit uns bereits angefangen, auch heute
und jetzt. Daher die klassische Ansage ‘Im Namen Gottes’, daher der liturgische Gruß.
Die Didaktik muss aber nun von dem ausgehen, was da ist und darf im folgenden nicht zu große
Schritte gehen.
Man könnte normativ verkünden, wie es zu gehen hat. Auch der Satz ‘Gott ist schon da.’ kann zu einem Befehl verkommen. Aber dann entsteht Widerstand oder äußerliches Nachahmen - das ist im
Grunde dasselbe. Der Segen vorlaufender Gegenwart des Geistes an einem Ort muss sich seinem Wesen nach selbst zeigen.
3. Beobachtungen zum Protokoll
Im vorliegenden Fall tat sich etwas auf.
Es beginnt schon mit der Frage nach dem Wert des persönlichen Begrüßens am Eingang (3). Für die
meisten Menschen ist es zweifellos schön, wenn sie begrüßt werden, aber es gibt KollegInnen, denen
schadet das, weil sie sich dabei allerlei anhören müssen. Das erbaut die einen, andere sind schon vom
Begrüßen ermattet, bevor sie nach vorn gehen. Hier lohnt es sich, auf den eigenen KommunikationsTyp zu achten und sich nicht mit unangemessenen Forderungen (‘Ich muss doch begrüßen’) selbst zu
knebeln. Gottesdienst beginnt auch, wenn nicht am Eingang begrüßt wird.
Im folgenden (6-22) geht es nur um den Weg des Zelebranten in den Raum. Entscheidend ist hierbei,
ob er den Raum erobert und bewältigt - z.B. durch Organisation (10: Liegt das Ringbuch richtig ?)
und Abschirmung (8: Blick zum Boden), oder ob er den Raum bereits als ‘Stätte’ begreift, an der er
selbst erwartet wird, die ihm und allen ‘gewogen’ ist. Oft ist es auch gut, die vermeintlich fordernden
Erwartungen der Gottesdienst-Besucher zu imaginieren. Wollen sie wirklich ‘Leistung’ sehen, oder sind
sie nicht dem Zelebranten freundlich gesonnen? Bringen sie eventuell sogar geistliche Kraft in den
Raum mit ? Macht das dem Zelebrierenden Angst, oder trägt es ihn? Diese Annahmen entscheiden
bereits über die ganze Haltung, mit der jemand Gottesdienst hält.
Wie schwer sich der Pastor das Leben macht durch seine ‚Bewältigungsstrategie‘, das kann ihm nur
von außen her deutlich gemacht werden (11), und zwar relativ direkt. ‘Man spürt also außen, was in
mir umgeht.’ - dieser leise Schrecken ist nötig. Sonst sitzt man der Illusion auf, bestimmte Haltungen
vorspielen zu können - es sieht ja doch keiner. Man macht es sich nicht immer klar, wie etwas wirkt,
aber es wirkt um so mehr, je unbewusster es geschieht.
Indem ihm die Illusion genommen ist, ist aber noch nicht unbedingt etwas gewonnen. Hier in der
Analyse steckenzubleiben, wäre für das praktische Lernen im Moment nicht konstruktiv. Es muss um
eine handlungserweiternde Maßnahme gehen. Experiment und Stütze sind die Mittel der Wahl. Ein
Angebot wird unterbreitet, das als Experiment verstanden wird: Man kann ausprobieren und sehen,
wie es wirkt. Wenn es nichts ist, folgt ein neuer Versuch. Der gültigen Form kann man sich nicht durch
eine Reflexion allein annähern. Jede Kritik sollte in einen erneuten Versuch münden, sonst dringt
nichts durch ins Verhalten und in den Körper. Jede Tanzstunde funktioniert nach diesem Prinzip.
Unser Pastor versucht nun in einem zweiten Versuch eine solche geistliche Einrede. Er nimmt ein Bibel-Wort, also eines, das nicht von ihm selbst stammt und ‘käut’ es hineingehend ‘wieder’. Das ist eine
einfache Meditation und führt dazu, dass er von der Anspannung etwas lassen kann. Man kann oft
nur etwas loslassen, indem man etwas anderes dafür nimmt (15). Sein neuer Satz ist innerhalb der
Übung der Einstieg in einen geistlichen Beginn des Gottesdienstes. Er wählt ihn selbst.
Aber die Körperhaltung zeigt, dass er mit dem Satz innerlich bleibt (16). Er hat seinen Rhythmus im
stillen Sprechen und Hineingehen gefunden, aber es fehlt ihm der Bezug zum Raum und den Menschen, zu der realen ‘Stätte seines Hauses’, die ihn empfangen, bergen und mitnehmen kann in die
äußere Geistesgegenwart, die die innerliche ergänzt. Denn Gottesdienst ist ja auch im Protestantismus
ein sichtbares, körperhaftes und gemeinschaftliches Geschäft in realer Umgebung.
Körperliche Intuition
Man sieht im dritten Anlauf (22), wie die Haltung offener wird und er sich sogar dazu hinreißen lässt,
einem Wunsch nachzugeben, der ihm in der Betrachtung des Raumes gekommen ist: Den Altar aufzusuchen (23-38). Davon war keine Rede gewesen, es ist ihm spontan eingefallen. Wenn man den
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Hauptweg des Kirchraumes vor Augen hat, der vom Eingang direkt auf den Altar zuläuft, dann liegt es
eigentlich nahe, diesen Weg zuende zu gehen. Was ihm zu der Eingebung verhalf, war weder eine
Anweisung, noch eine Überlegung, sondern der Freiraum des körperlich orientierten Experiments
‘Weg’. Er findet im Gehen den Zugang zur Topographie seines Gottesdienstes. Der reale und verlangsamte Vollzug entlässt oft noch ganz andere Inspirationen, weil der Körper andere Sehnsüchte und
Verhaltensmuster abgespeichert hat als das sitzende Denken. Was sich da zeigt, kommt aus einer
elementareren Ebene des Handelns und Verstehens und wirkt auch nachhaltiger auf Entscheidungen
für die liturgische Praxis. Oft zerfällt klug Erdachtes und wird durch spontan ‘Gefundenes’ ersetzt.
Nun folgt etwas, was vielleicht als ‘Annäherung an das Heilige’ beschrieben werden kann. Die ersten
drei Stufen mit dem Zögern und dem Wunsch (22-23). Der zweite Halt vor der vierten Stufe mit dem
unausgesprochenen ‘Darf ich ?’ (25-27) und dann die fast schüchternen Bewegungen der Hände direkt
vor dem Altar (29). Das alles lässt sich als Unbeholfenheit interpretieren, aber auch als respektvollschüchterne Annäherung an etwas, das die Mitte alles weiteren bilden soll: Der heilige Punkt, die Achse, um die sich die Suche dreht, der Ausgangspunkt des Priesters - wie immer man es nennen mag.
Der Altar wird nun als Ort begriffen, der - im Wortsinn - geistlich Halt gibt (33-34). Das Aufatmen
zeigt: Der Pastor ist angekommen - in seinem und im Raum der Kirche gleichzeitig (33). Der Moment
seiner Ankunft soll nicht vorbeihuschen, bevor er wahrgenommen ist - daher die Aufforderung zum
körperlich präsenten Verweilen. Dazu kommt eine dem protestantischen Denken vielleicht ‘magisch’
anmutende Vorstellung: Vom steinern-wortlosen Altar gehe etwas aus (35-37). Hier wird vorausgesetzt, dass ein geistlicher Mensch durch lange Vertrautheit mit einem Ort diesen zu deuten weiß. Die
Erfahrung, von der ein gläubiger Mensch immer schon herkommt, nämlich, dass er getragen ist, bevor
er tragen kann, die gerinnt gewissermaßen an Symbolen und kann punktuell wahrgenommen werden.
Das ist an vielen Orten des Lebens möglich, aber auch in der Kirche, z.B. in der Begegnung mit einem
Altar. Dazu kommt die implizite Annahme, dass es Räume und Orte gibt, die ‘zurechtgebetet’ sind. Das
heißt, sie tragen die Spuren der Geistesgegenwart Gottes und der Menschen in sich. Nicht jede/r
Geistliche wird dies so empfinden, aber wo es sich so selbstverständlich einstellt wie in diesem Fall, da
soll es sein dürfen.
Die Wendung vom Altar aus zu den Menschen vollzieht der Pastor auch von sich aus. Sein Lächeln
zeigt Erleichterung und Geistesgegenwart (38). Die neue Sicht, die sich aus einer neuen Erfahrung
speist, wird genossen. Mit der Nachfrage wird der Augenblick etwas gedehnt. Denn er ist kostbar und
wird der Schlüssel sein für alles weitere. Wenn die Wahrnehmung beendet ist, kann eine einfache
Deutung folgen(43).
In unserem Fall verhallt dieser Satz noch - es folgt eine Frage zur Regie und nach möglichem Fehlverhalten (44). Das zeigt, dass die Aufmerksamkeit wieder umgesprungen ist und sich dem alten Fokus
zuwendet: Wie realisiere ich das nun jeden Sonntag ? Die Frage ist berechtigt - man kann nicht lange
im (neuen) Gefühl der Einheit mit der Situation verweilen, in der Regel meldet sich Widerstand und
Pragmatismus. Damit er Anhalt findet an der Wirklichkeit, bitte ich die Kollegin, die ihn und den Raum
kennt, Stellung zu nehmen (45). Sie tut es knapp und deutlich und bestärkt ihn sofort in seiner bislang
eher selbstvergessenen Aktion (46). Das ist wichtig, weil die schmale Ersterfahrung von etwas Neuem
den Kontakt zur Realität der anderen braucht. Gottesdienst ist öffentliches Geschehen, und die Geste,
die im besonderen Moment gelang, will wiederholbar werden, sonst hat sie keinen Bestand.
Der folgende Deutungssatz (47) wird vom Pastor schweigend entgegengenommen. Man weiß nicht,
wo er ihn lässt, aber das macht nichts. Wichtig ist der gelungene Versuch der eigenen Affirmation an
einem Ort in der Kirche.
Mit der Arbeit an der Begrüßung greift nun wieder das alte Muster. Der Pastor tut, was er immer tut.
Er begrüßt informell, wie es in der Gemeinde üblich ist (51). Dabei ergeht er sich in einer etwas zusammenhanglosen Weise halb geistlich, halb verfahrenstechnisch und endet mit einer Regieanweisung. Solche Begrüßungen sind sehr üblich. Innerhalb unserer Übung ergibt sich ein starker Kontrast
zu der vorangegangenen Erfahrung der wortlosen Dichte am Altar. Eigentlich geht es nur darum, die
Stimme des Pastors zu hören, damit man merkt, er ist da, und es geht los. Die Ornithologie nennt so
etwas ‘Stimmfühlungslaut’: Die Vögel, die in hörbarer Nähe zueinander sitzen, sondern Laute ab, um
sich der Gegenwart der anderen und ihrer selbst im Zusammenhalt zu vergewissern. Aber solcherart
Begrüßung bleibt liturgisch auf der Ebene der ‘Selbstvergewisserung der Gruppe’ - hier ist noch keine
andere Gegenwart angesagt. Das liegt daran, dass er
1. seine Ansage abkoppelt von der vorlaufenden Gegenwart Gottes und sie zu seiner eigenen Ansage
macht,
2. die Ebenen der Ansage dauernd wechselt (Gruß/Stellenangabe für ein Zitat/ Bibelzitat/ Situationsangabe/ Inhaltsangabe und Regieanweisung),
3. keine Pausen macht, also alles ohne Akzentuierung hintereinander sagt. Auf diese Weise stellt er
sicher, dass die Menschen freundlich zerstreut werden. Er muss also probieren, wie es ist, 1. sich
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der tragenden Kraft zu erinnern, die er bereits Minuten vorher wahrgenommen hat und sie in Verbindung zu seiner Ansage zu bringen, 2. aus dieser Haltung heraus eine Priorität zu setzen, 3. innezuhalten, damit er selbst und die Anwesenden innerlich mitkommen können (53 und 54).
Dies sollte didaktisch nicht durch eine Analyse geschehen, sondern durch einen handfesten Vorschlag.
Sonst wird durch abstrahierendes und zerlegendes Denken der Erfahrungszusammenhang zum Vorherigen unterbrochen. Solche Übungen haben nur dann einen inneren ‘flow’, wenn man miteinander auf
der konkreten Handlungsebene bleibt.
Seine neue Version der Ansage verzichtet auf vier von sechs Stilmitteln und beginnt sofort mit dem
Zitat (55). Durch die Pause sammelt er sich und die Anwesenden. Danach reicht ein knapper Satz, der
sagt, worum es ihm selbst und im weiteren geht. Er wird geistlich und wesentlich. Natürlich wäre ein
liturgischer Gruß zu Beginn am klarsten, aber es geht vorerst darum, aus dem vorhandenen Gedankenmaterial das herauszuschälen, was bedeutsam ist. Das wichtigste im Moment: Er ist spontan einverstanden mit seiner eigenen Reduktion. Es ist ihm selbst evident, was er tut (61 und 62). Die Kollegin bestätigt es ihm sofort und ohne Umschweife (58).
4. Authentizität und Geläufigkeit
‚Authentizität‘
Dass etwas aus sich selbst evident ist, das ist als Erfahrung gar nicht hoch genug einzuschätzen. Viele
Pastorinnen und Pastoren agieren liturgisch, ohne dass ihnen selbst im Moment des Handelns einleuchtet, was sie tun. ‘Einleuchten’ meint hier nicht dasselbe wie die bisweilen zur Norm erhobene
‘Authentizität’. Dies Wort wird öfter als Synonym dafür missverstanden, dass immer alles ‚ganz erfüllt‘
vollzogen werden soll. Hier droht ein falsches neues ‘Gesetz’. Niemand kann immer erfüllt zelebrieren.
Dann ist man eben ‚authentisch halbherzig’. Das gehört zu unserem Leben. Gott ist ja ganz da, dann
kann ich auch halb sein. Wichtig ist, das zu merken und mitten darin Gottesdienst zu halten.
Es geht im Lauf des Arbeitens mehr darum, ob jemand einfach bei der Sache und sich selbst gleichzeitig ist - was immer ‘die Sache’ und dies ‘sich selbst’ ist. Diese ‘herzliche Sachlichkeit’ kann auch darin
geschehen, dass er oder sie mitten im Geschehen merkt: Ich bin gar nicht bei der Sache oder bei mir.
Oder: Dies Kyrie schmeckt heute öde. Dann kann man sich darauffolgend bewusst zu einer distanzierten Sprech- oder Handlungsweise entscheiden. Oder wer den Gottesdienst hält, steuert eine Wendung
der Liturgie an, die ihn wieder hineinbringt. Auch das ist möglich. JedeR kann sich stets wach neu
entscheiden, wie sie oder er handeln will. Dafür ist eine Art der Wahrnehmung wichtig, die Geistesgegenwart, eigene Gegenwart und Gegenwart der Menschen zusammen im Lauf der Jahre aufnehmen
lernt. Das wäre ein wöchentliches geistliches Exerzitium und würde der inneren Statur des Standes
aufhelfen. Wer im Gottesdienst lernt, wie es sich in der Gegenwart Gottes lebt, wird es auch in anderen Bezügen begreifen. So wird unser Pastor gegenüber der Gemeinde mit seinen Veränderungswünschen anders auftreten lernen, wenn er auf Dauer merkt, dass er dabei von Gott und nicht allein vom
Wohlwollen der Gemeinde getragen ist. Und darum ging es ihm unausgesprochen auch bei seinem
Wunsch, den Anfang zu üben, der ihn bislang immer so angreifbar erscheinen ließ.
Geläufigkeit und Beiläufigkeit
Am Anfang solcher Übungen zur liturgischen und pastoralen Wachheit wird es natürlich darum gehen,
in den verschiedenen Gottesdienst-Teilen geistig, körperlich und seelisch anwesend zu sein. Aber im
Laufe der Jahre soll diese Qualität so geläufig werden, dass sie die Ausführenden nicht ständig existentiell ergreift, sondern wie ein lebendiger Unterton mitschwingt. Auch das ist nichts Mystisches, sondern geistliches Handwerkszeug. Das gilt für einzelne Zelebranten wie für Gruppen, die Gottesdienst
gestalten. Auch sie können geläufig werden in ihrem Ensemble, hören, fühlen, gleichauf mit den anderen und dem Geschehen sein - und das umso mehr, als sie oft besondere Liturgien entwerfen und
leiten.
Dies mag als Eindruck aus dem praktischen Liturgie-Unterricht genügen. Vikarinnen und Vikare sowie
Pastorinnen und Pastoren nehmen in der Regel gern und mit einer gewissen Spannung das Angebot
solcher Stunden wahr. Für die, die anfangen im Amt ist es genauso wichtig, die Haltungen zu üben,
die den Handlungen innewohnen wie für die ‘alten Hasen’. Nach drei bis sechs Treffen hat sich in der
Regel etwas an der Zugangsweise verändert. Das kann später noch einmal aufgefrischt und erweitert
werden. Beim Unterricht mit Gruppen sind mehr Treffen anzusetzen, weil sie ja ehrenamtlich, also
seltener handeln und mit der Liturgie meist nicht so vertraut sind. Aber sie bringen dafür oft eine unverbrauchtere Frische mit. Ihre Unbeholfenheit kann manchmal charmant sein und den anwesenden
theologischen LaiInnen zeigen:
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Ihr seid - ähnlich wie wir - nicht versiert im Zelebrieren, aber das ist kein Grund abständig zu bleiben man kann mitmachen wie man ist.
Gottes Gegenwart wird ja nicht durch liturgische Virtuosität garantiert. Aber auch nicht durch inszenierte Lockerheit und ‘Volksnähe’. Es geht letztlich darum, nicht im Wege zu stehen, wenn der Geist
aufkommen will. Schlicht und geistlich direkt, wach und menschlich lässt sich der alte Schatz der Gesten und Worte im Gottesdienst aufrufen - ohne falsche Depressivität, ohne geliehenen Frohsinn, ohne
aufgeregte Zutaten. Was da ist, reicht für alle. Wer das begreift kann auch neue Formen im Gottesdienst gestalten, die etwas vom großen Atem der alten Formen haben.
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