Kooperative Beratung

Werbung
Referat
Kooperative Beratung
Grundlagen und Methoden der Beratung und Supervision im Berufsalltag
Nach Wolfgang Mutzeck 2002, 4. Auflage
1. Teil
Kapitel 3. – 3.1.3
Erarbeitet und vorgelegt von
Cornelia Reimann
20.04.2002
Dozent: Prof. Schulte-Cloos
Grundlagen der Beratung
4. S./SS. 2004
Thesenpapier  Referat I. Teil „Kooperative Beratung“ nach Wolfgang Mutzeck 2002, 4. Auflage,
Kapitel 3 – 3.1.3
Erarbeitet von Cornelie Reimann
Fach: Grundlagen der Beratung
Prof. Schulte Cloos
Konzeption des Beratungsansatzes „Kooperative Beratung“
1.
Menschenbildkonzeption
Die Beratungskonzeption „Kooperative Beratung“ orientiert sich am Humanistischen Menschenbild
Definition:
„Ein humanistisches Menschenbild sieht in jedem Menschen eine eigenständige, in sich wertvolle
Persönlichkeit und respektiert die Verschiedenartigkeit verschiedener Menschen. Niemals sind zwei
Personen gleich, auch nicht zwei mit der gleichen Behinderung oder dem gleichen Krankheitsbild. Jeder
Mensch muss ernst genommen werden in seiner ganz eigenen Art und Ausdrucksweise, auch wenn sie
uns unverständlich erscheint: für die betreffende Person hat sie einen Sinn. Ein humanistisches
Menschenbild geht davon aus, dass jeder Mensch grundsätzlich auf Selbstaktualisierung und Wachstum
angelegt und zu Veränderungen und Problemlösungen fähig ist. Diese Fähigkeiten können jedoch
verschüttet oder beeinträchtigt sein, z.B. durch Entwicklungsstörungen, traumatische Erlebnisse,
mangelnde Förderung, Krankheit, Alterungsprozess, Behinderung.“ (Marlis Pörtner, Vortrag 5.11.99 in
Kassel, Arbeitstagung der DGSGB)
Der Mensch ist ein ganzheitliches Wesen
Er besitzt potenziell die Fähigkeiten des Handelns, Sprechens, Fühlens und Denkens, einschließlich des
Entscheidens und Wollens. Sein Bezugssystem dieser potenziellen Fähigkeiten sind einerseits seine
Körperlichkeit und Spiritualität und andererseits, seine Umwelt, Sozialität (soziables Wesen, Verhalten,
Geselligkeit, Umgänglichkeit) und Historizität (Denkweise, welche die Erscheinungen des Lebens nur
aus ihren historischen Gegebenheiten und ihren historischen Entwicklung zu verstehen und zu erklären
sucht).
Menschliche Fähigkeiten (Menschenbildannahmen)wie:
 Reflexivität (Nachdenken, Überlegen)
 Emotionalität
 Verbalisierungs- und Kommunikationskompetenz
 Handlungskompetenz
 Autonomie
sind wesentlich für diesen Beratungsansatz, ergeben aber noch kein vollständiges Bild eines Menschen.
Es handelt sich vielmehr um ein idealisierendes Bild, dass als regulative Zielidee zu sehen ist.
2.
Wirklichkeitskonstruktion
Das Individuum hat eine subjektiv wahrgenommene Wirklichkeit, die ganz persönlich und eigen ist,
sich ständig neu bildet und nicht wiederkehrend ist. Es ist eine ganz individuelle Selbst- und Weltsicht.
3.
Konzeption eines Handlungsmodells
Aus einem Verhalten wird eine Handlung wenn dieses im wesentlichen zielorientiert, geplant,
entschieden und sinnvoll ist.
Jeder Mensch gehört Systemen an. Die jeweilige Handlung eines Menschen ist als kontextgebundenes
Geschehenssystem zu sehen.
Handlung ist ein intra- und interaktives Geschehen.
Informationsverarbeitungsprozesse und Wahrnehmungsprozesse sind intra- und interaktiv. Sie führen zu
der vom Menschen subjektiv konstruierten Wirklichkeit. Auf dieser Grundlage kann man die Planung
und Durchführung einer Handlung bzw. deren Aufschiebung, Unterbrechung oder Unterlassung
vornehmen.
Abweichende Handlung: Eine Handlung kann erst als abweichend bezeichnet werden, wenn sie als
solche durch eine Bezugsinstanz, sei es aus individueller oder kollektiver Sichtweise, empfunden oder
bewertet wird.
Menschliches Handeln geschieht nicht immer bewusst, überlegt und sinnorientiert, vieles geschieht
unreflektiert.
Inhaltsverzeichnis
3. Konzeption des Beratungsansatzes
1
3.1.1 Menschenbildkonzeption
1
3.1.2 Wirklichkeitskonstruktion
5
3.1.3 Konzeption eines Handlungsmodells
6
Anlagen I - III
3. Konzeption des Beratungsansatzes
3.1.1 Menschenbildkonzeption
Wenn wir mit Menschen arbeiten, haben wir immer eine grundsätzliche Vorstellung von
unserem Gegenüber. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um erzieherische, therapeutische,
unterrichtende oder beratende Tätigkeiten handelt, die Sichtweisen und Vermutungen über die
Fähigkeiten der Menschen mit denen wir arbeiten sind immer vorhanden.
Der Beratungsprozess wird beeinflusst von der zu Grunde gelegten Menschenbildkonzeption
(Gegenstandsverständnis). Dieses Gegenstandsverständnis, gibt wiederum den Rahmen für
die Formulierung der Konzeption für die Beratungstheorie. (Siehe Abb.4, Folie)
Die Beratungskonzeption “Kooperative Beratung” orientiert sich am humanistischen
Menschenbild.
Definition:
„Ein humanistisches Menschenbild sieht in jedem Menschen eine eigenständige, in
sich wertvolle Persönlichkeit und respektiert die Verschiedenartigkeit verschiedener
Menschen. Niemals sind zwei Personen gleich, auch nicht zwei mit der gleichen
Behinderung oder dem gleichen Krankheitsbild. Jeder Mensch muss ernst genommen
werden in seiner ganz eigenen Art und Ausdrucksweise, auch wenn sie uns
unverständlich erscheint: Für die betreffende Person hat sie einen Sinn. Ein
humanistisches Menschenbild geht davon aus, dass jeder Mensch grundsätzlich auf
Selbstaktualisierung und Wachstum angelegt und zu Veränderung und Problemlösung
fähig ist. Diese Fähigkeiten können jedoch verschüttet oder beeinträchtigt sein, z.B.
durch Entwicklungsstörungen, traumatische Erlebnisse, mangelnde Förderung,
Krankheit, Alterungsprozess, Behinderung.“(Marlis Pörtner, Vortrag 5.11.99 in
Kassel, Arbeitstagung der DGSGB)
Da der Mensch ein ganzheitliches Wesen ist, besitzt er (potenziell) die Fähigkeiten des
Handelns, Sprechen, Fühlens und Denkens, einschließlich des Entscheidens und Wollens.
Das Bezugssystem dieser potenziellen Fähigkeiten sind seine Körperlichkeit und Spiritualität
einerseits und andererseits seine Umwelt, Soziabilität (soziables Wesen, Verhalten,
Geselligkeit, Umgänglichkeit) und Historizität (Denkweise, welche die Erscheinungen des
Lebens nur aus ihren historischen Gegebenheiten und ihrer historischen Entwicklung zu
verstehen und zu erklären sucht).
All diese Fähigkeiten gehören zum Selbst eines jeden Menschen werden als
Selbstverständlichkeit erachtet.
Der Mensch ist ein potenziell aktives Wesen und in der Lage, zu seiner Umwelt insbesondere
zu seinen Mitmenschen in Beziehung zu treten (Interaktion) als auch zu sich selbst
(Intraaktion).
Das Menschenbild ist die Grundlage einer Beratungskonzeption. Es ist entscheidend über den
Umgang mit dem Ratsuchenden, welche Fähigkeiten ihm zugestanden werden, ob sie genutzt
oder gefördert werden. Es ist wichtig, eine fördernde Beratungssituation zu schaffen, die ein
Ausbilden und Weiterentwicklung berücksichtigt, da beim Menschen geistige und emotionale
Fähigkeiten durch Wachstum und Reifung gekennzeichnet sind.
Die nachfolgend ausgeführten Menschenbildannahmen, nämlich
menschliche Fähigkeiten wie : -
Reflexivität (Nachdenken, Überlegen)
-
Emotionalität
-
Verbalisierungs- und Kommunikationskompetenz
-
Handlungskompetenz
-
Autonomie
sind wesentlich für diesen Beratungsansatz, ergeben aber noch kein vollständiges Bild eines
Menschen. Es handelt sich vielmehr um ein idealisierendes Bild, dass als eine regulative
Zielidee zu sehen ist.
Menschliche FähigkeitReflexivität
Da der Mensch Nachdenken und Überlegen kann, ist er in der Lage sich gedanklich in sein
Inneres zurückzuziehen, sich von den äußeren Begebenheiten zu distanzieren und das Erlebte
innerlich zu erspüren (wie geht es mir damit?), zu überdenken und zu überprüfen.
Gedanken können in die Zukunft als auch in die Vergangenheit gelenkt werden. Der Mensch
kann Pläne schmieden, Visionen entwickeln, die wiederum überdenken durch neue
Informationen, Erfahrungen oder Bedingungen modifizieren, verwerfen oder realisieren. Er
hat sich gedanklich distanziert und so Veränderungen vornehmen.
Der Mensch kann sich Meinungen annehmen und Erklärungen bilden und diese wiederum für
seine eigenen Handlungsweisen nutzen. Als reflexives Subjekt kann der Mensch sein Denken
und Handeln, seine Ziele, Gefühle und Gründe selbst interpretieren. Durch das Bewusstsein
und die Aufmerksamkeit die der Mensch auf sich selbst lenken kann, ist er in der Lage seine
inneren Erlebnisse und auch sein Denken, Fühlen und Wollen zum Gegenstand seines
Nachdenkens zu machen, sein Erfahrungen zu reflektieren und diese dann zur Lösung von
Problemen zu benutzten.
Da der Mensch ein reflexives Subjekt ist, kann er sein Handeln auf Notwendigkeit und
Effektivität überprüfen und die Folgen kalkulieren. Er kann rational handeln, dazu gehört,
sich zu entscheiden, abwägen, auswählen und begründen. Verfolgte Ziele und deren erreichen
oder unterlassen sind beabsichtigt und vernunftorientiert.
Die vorgenannten Prozesse sind überwiegend kognitiv. Sie setzten die Aneignung von Wissen
voraus, das durch die individuell reflexive Verarbeitung von Informationen ein subjektives
Wissen ist.
Die Rationalität beinhaltet die Intentionalität, dies bedeutet die absichtliche, aufmerksame
Hinwendung zu einem Ziel oder Objekt. Aus seiner Sicht ist das Handeln des Menschen, als
reflexives Subjekt, immer sinnvoll und vernünftig, also psycho- – logisch.
Wenn der Mensch rational Denken kann (davon gehen wir aus), kann er auch erkennen.
Dieser Prozess beinhaltet Wahrnehmen, Erinnern, Vorstellen, Denken, Zurückführen und
Beurteilen. Durch diese Fähigkeit kann der Mensch von und über seine Umwelt und auch
über sich selbst etwas lernen. Diese Erkenntnis kann er dann in seine Lebenszusammenhänge
einordnen und verändern. „Der Mensch ist ein aktiv Erkennender und ein erkenntnisgeleitetes
Subjekt (Epistemologe).“ (Mutzeck 2002, 51)
Erlebt der Mensch einen Mangelzustand, entsteht der Wunsch nach Bedürfnisbefriedigung. Es
handelt sich dabei nicht nur um die Befriedigung physischer Bedürfnisse wie z.B. Hunger und
Durst, sondern auch um die Befriedigung psychischer, wie z.B. positive Anerkennung und
Sicherheit. Durch entsprechende Verhaltensweisen versucht er diesen Mangel zu beseitigen.
Ist dies gelungen, bezeichnet man diesen Zustand meist als subjektives Wohlbefinden.
Dies spielt eine wichtige Rolle bei der Erklärung von Handlungen und Handlungsstörungen
(abweichendem Verhalten).
Menschliche Fähigkeit  Emotionalität
Würde man den Menschen jedoch nur als reflexives, rationales Wesen betrachten, nähme man
ihn nur teilweise ernst. Durch das hervorheben der Kopflastigkeit und der Vernachlässigung
der Emotionalität wurde man den Menschen eines Teils seines Seins berauben. Der Mensch
ist ein Wesen der die Fähigkeit der Vernunft als auch der Emotionalität besitzt. Merkmale wie
Lust und Unlust, Betroffenheit, Freude und Ärger, Angst, Mitleid und Trauer werden als
Emotionen verstanden. Durch Erwartungen, Überzeugungen, Wertungen und Beurteilungen
werden die kognitiven Prozesse beeinflusst. Ulich schreibt (1982,75 in Mutzeck 2002, 53)
„eine Analyse kognitiver Vorgänge ohne Berücksichtigung emotionaler Komponenten ist
einfach wirklichkeitsfremd.“ Dies bedeutet für ihn , dass man emotionale Erlebnisse nicht
ignorieren bzw. in Kognitives auflösen kann, ohne „dass Schaden für den gesamten
Erkenntnisanspruch der Psychologie entsteht.“ (Ulich 1982, 78, in Mutzeck 2002, 53)
Menschliches Handeln ist nur möglich, durch kognitive und emotionale Prozesse, die den
Reiz-Reaktions-Mechanismus unterbrochen haben.
Menschliche Fähigkeit  Verbalisierungs- und
Kommunikationskompetenz
Der Mensch ist ein sprachbegabtes Wesen, welches die Sprache als Mittel für soziale
Beziehungen einsetzt. Es kann über die Sprache seine Gefühle, Gedanken und seinen Willen
Ausdruck verleihen und über seine Welt- und Selbstsicht mit anderen in Kommunikation
treten. Alles was der Mensch erfährt, erlebt, fühlt oder will kann er mit Hilfe der Sprache, in
Form von Worten (Begriffen), Sätzen zum Ausdruck bringen. Dies geschieht meist in
spontanen Gesprächen und bezieht sich sowohl auf Beobachtbares (äußeres wie, Verhalten
und Gegenstände) und auf durch die Verbalisierung Rekonstruierbares (inneres wie, Gefühle
und Gedanken).
Nur wenn das verbalisierende Subjekt sicher sein kann, das seine Nachricht richtig verstanden
wurde, kann man von einem transformativen Verstehensprozess sprechen. Nur der Mensch
selbst als erkennendes, reflexives Wesen kann über seine mentalen und emotionalen Prozesse,
wie zum Beispiel Ziele Abwägungen, Entscheidungen, Stimmungen usw. verbalisieren, vor
allem in einer für ihn angenehmen Umgebung mit einem Menschen seines Vertrauens, der
ihm das Gefühl vermitteln kann, dass es sinnvoll und richtig ist sich zu öffnen. Da der
Mensch die Fähigkeiten besitzt zu Verbalisieren und zu Kommunizieren, sollte man ihm
genügend Möglichkeiten bieten, seine Gedanken und Gefühle sowie sein Handeln nach
seinen Möglichkeiten zu artikulieren und zu interpretieren.
Menschliche Fähigkeit  Handlungskompetenz
Man kann einen Menschen nicht nur als ein Objekt betrachten, das seinen Trieben und den
Reizen aus der Umwelt folgt, sondern ein Wesen, das in der Lage ist, sein Leben aktiv zu
gestalten, sich selbst zu steuern und zu überprüfen. Sein Handeln ist ziel- und sinnorientiert,
begleitet von Emotionalität. Auch wenn Menschen sich hin- und hergeschoben fühlen, sind
sie potenziell doch fähig selbstbestimmt zu handeln.
Durch die aktive Konstruktivität kann der Mensch die Fähigkeit erreichen, seine Wünsche
und Intentionen in konkretes Handeln umzusetzen  Wollen (Volition).
„Die externen und internen Bedingungen der Realisierung bzw. Nichtrealisierung einer
Handlungsabsicht sind, soweit dem Individuum bewusst, rekonstruierbar und somit
verbalisierbar.“ (Mutzeck 2002, 55)
Menschliche Fähigkeit  Autonomie
Spricht man einem Menschen, als reflexives Subjekt, die Fähigkeit ab, autonom zu sein,
werden Misstrauen und Täuschungen auf der Seite der Betroffenen hervorgerufen. Autonomie
bedeutet, selbständig, aus der eigenen Vernunft heraus, Entscheidungen zu treffen und allein,
aus eigener Kraft heraus, zielgerichtet handeln zu können. Werden Situationen geschaffen, in
der sich das Individuum akzeptiert fühlt und Anerkennung erfährt, kann ein reflexives Subjekt
kommunikativ und autonom handeln. Ist ein Miteinander durch partnerschaftliche
Absprachen gekennzeichnet, fördert dies die Autonomie der Partner.
Wenn die Selbst- und Weltsicht des Menschen einbezogen wird in Prozesse wie Zuhören,
Erkennen, Erklären, Mitteilen, Interpretieren und Verstehen kann die Anerkennung der
potentiellen Autonomie eines Individuums angemessen zum Tragen und Nutzen kommen.
Die vorher beschriebenen Fähigkeiten des Menschen sind potenzielle Fähigkeiten. Es ist nicht
Möglich, dass ein Mensch immer bewusst und subjektiv vernünftig handelt.
3.1.2 Wirklichkeitskonstruktion
Selbst- und Weltsicht, Gedanken, Emotionen, wie erlangt der Mensch diese ? Wie wird diese
Realität gezeichnet ?
Der Mensch besitzt Sinne (Organe  Augen, Nase, Mund, Ohren, Haut) in verschiedener
Qualität diese sind verbunden mit den Nervenzellen des Menschen  physikalischer,
biochemischer Prozess. Dieser ergibt wiederum die subjektiv wahrgenommene Realität eines
jeden Individuums. Es ist eine ganz eigene, persönliche, sich ständig neu bildende, nicht
wiederkehrende Wirklichkeit. Es ist eine ganz individuelle Selbst- und Weltsicht.
Wir leben in einer Umwelt mit sozialen Bezügen in den unterschiedlichsten Situationen, eine
Flut von Informationen und Erlebnissen stürmen täglich auf uns ein. Doch sind es nicht die
Informationen und Erlebnisse die unser Handeln prägen, sondern die Bilder, die dadurch in
unseren Köpfen entstehen. Ein jeder Mensch erlebt eine scheinbar gleiche Situation völlig
anders und handelt dementsprechend. Dadurch entsteht unsere Selbst- und Weltsicht. All
unsere Erkenntnisse und Erlebnisse werden von uns individuell durch unsere Wahrnehmung
konstruiert, verstanden und so verbalisiert. Sie erhalten so eine Bedeutung und Wertigkeit,
aufgrund dessen wir dann handeln und Entscheidungen treffen.
Jedoch basiert das aktuelle selbst- und Weltbild nicht nur auf aktuellen Erlebnissen und
Informationen, sondern bezieht sich auch auf historisches und auf die Soziabilität eines
Individuums. Die Innensicht eines Menschen ist keine starre Informationssammlung, sondern
verändert sich und entwickelt sich weiter. Sie steht in ständiger Interaktion mit dem laufenden
Informationsprozess (was nicht heißen soll, dass Altes keinen Bestand hat). Der Mensch als
reflexives und autonomes Wesen kann durch seine verbalen Fähigkeiten seine Selbst- und
Weltsicht jederzeit in Wort und Schrift rekonstruieren. Doch es hat immer eine subjektive
Bedeutung.
„Nach Rogers gibt es demzufolge keine objektive Realität, sondern immer nur eine – gemäß
der individuellen selektiven Wahrnehmung – subjektive Wirklichkeit, die durch das
Selbstkonzept einer Person strukturiert wird.“ (Weinberger 1988, 90 in Mutzeck 2002, 58)
3.1.3 Konzeption eines Handlungsmodells
Auf Grundlage der explizierten Menschenbildannahmen und Wirklichkeitskonzeption ist eine
Handlungs- und Störungstheorie im zweiten nachgeordneten Rahmen der
Beratungskonzeption angeordnet. (Siehe Abb.4, Folie)
„Der Mensch ist ein überwiegend handelndes Wesen“ (Mutzeck 2002, 58).
Im folgenden werden die Merkmale aufgezeigt, die Handeln kennzeichnen.
 Handlungen beziehen die mentalen Prozesse mit ein und setzen sie in Verbindung mit
der Umwelt in Aktualität, Soziabilität und Historizität.
 Die internen mentalen Prozesse, so wie der Mensch sich und seine Welt sieht und sie
in Beziehung zu seiner Umwelt und zu seinem verhalten setzt ist ausschlaggebend für
die Erklärung von Handlung.
 „Handlungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie
-
bewusst,
-
zielgerichtet,
-
geplant bzw. planvoll
-
absichtlich (willentlich)
-
interaktiv (Mensch-Umwelt-bezogen),
-
normen- und wertorientiert,
aus mehreren Möglichkeiten gewählt, abgewägt und entschieden und damit subjektiv sinnvoll
und mit Bedeutung versehen ist, und dass der Handelnde (unter diesen Prämissen) mit den
ihm als geeignet und sinnvoll erscheinenden Mitteln versucht, etwas zu verändern, zu erhalten
oder eine Veränderung zu verhindern bzw. sie absichtlich zu unterlassen.“ (Mutzeck 2002,58)
Man kann sagen, dass aus einem Verhalten eine Handlung wird, wenn dieses im wesentlichen
zielorientiert, geplant, entschieden und sinnvoll ist. Wenn ein Außenstehender nun diese
Handlung beobachtet, kann er die Zielorientiertheit und Sinnhaftigkeit nur aus seiner eigenen
Wahrnehmung heraus interpretieren. Diese Interpretation ( Hinsichtlich der Intensionen und
Handlungsgründe usw.) jedoch kann nie unmittelbar auf eine Handlungsentscheidung,
-ausführung usw. wirksam werden, denn der Beobachter kann nie genau wissen, warum
etwas wie gemacht werden soll.
Der Handelnde selbst, wenn er sich der Inhalte seiner mentalen Prozesse bewusst ist, kann
über seine Ziele und Gründe Auskunft geben. Setzt er seine Handlungen in Verbindung zu
seinen Zielen, Plänen und Entscheidungen, interpretiert er auch, denn er kann seine
Wirklichkeit nur so darstellen (konstruieren), wie er sie selbst sieht und erlebt. Im Unterschied
zum Beobachter kann (muss nicht) die Selbstinterpretation des Handelnden operativ wirksam.
werden.
Jeder Mensch gehört verschiedenen Systemen an (ich lebe in den Systemen Familie, Studium,
Beruf, Freundeskreis...usw.). Die jeweilige Handlung eines Menschen ist als ein
kontextgebundenes Geschehenssystem zu sehen. Das heißt, dass unsere jeweiligen
Handlungen an den jeweiligen Kontext (Zugeständnisse, Rückmeldungen usw.) gebunden
sind, jedoch durch unsere entsprechende Wahrnehmung und Informationsverarbeitung
andere Systeme miteinbeziehen.
„Ein Handlungsmodell auf der Grundlage der Theorie des Menschen als reflexives Subjekt in
seinen systemischen Bezügen stellt somit keine geradlinige Ursachen-Wirkungs-Beziehung
dar, sondern eher einen zirkulären Rückkopplungsprozess. Handlung ist ein wechselseitiges
intra- und interaktives Geschehen.“ (Mutzeck 2002, 59) (siehe Abb.7 Folie)
Es ist nicht der Kontext an sich der die Handlung eines Menschen bestimmt, sondern das was
durch die individuelle Wahrnehmung im Inneren des Menschen ausgelöst wird, wie er welche
Informationen (man nimmt nicht alle Informationen aus seinem Kontext wahr 
Wahrnehmungsprozess) verarbeitet, wie er diese wiederum in seine Handlung einbezieht und
dessen Einflussfaktoren in Bezug zum Kontext. Das Individuum verarbeitet Informationen,
indem es Bewertungen, Schlussfolgerungen und Interpretationen vornimmt. Hier einfließen
können auch sogenannte erschlossene Informationen, die ausgelöst werden durch die
Körpersprache oder die Kleidung des Gegenüber, also nur zu einem kleinen Teil auf
beobachtbaren Informationen beruhen. Die vorgenannten Prozesse werden von verschiedenen
Faktoren beeinflusst und diese beruhen wiederum auf den Informationen der dargestellten
Prozesse.
Der Informationsverarbeitungsprozess und der Wahrnehmungsprozess sind Intra- und
Interaktiv. Diese führen zu der von dem Mensch subjektiv konstruierten Wirklichkeit. Auf der
Grundlage dieser Wirklichkeit kann dann die Planung und Durchführung einer Handlung
bzw., deren Aufschiebung, Unterbrechung oder die Unterlassung vorgenommen werden.
Sollten der Handlungsausführungsort und Planungsort nicht übereinstimmend sein, kann es
im nachhinein noch zu Veränderungen, Anpassungen oder auch zu neuen Entscheidungen
kommen. Immer kommt es darauf an, wie die neue Handlungssituation bewertet wird. Nicht
vergessen darf man, dass plötzliche starke emotionale Regungen ein Handlungskonzept völlig
verändern können.
Handelt ein Mensch, so wird er von seinen Gedanken und Empfindungen geleitet. Die Bilder
die durch die Wahrnehmung seiner Umwelt und von sich selbst entstehen und wie er diese
Informationen verarbeitet, beeinflussen die Handlungsweise. Diese subjektive
Situationsverarbeitung von seinen Vorstellungen, Motiven, Erwartungen,
Abwägungsprozessen, Zielen und Entscheidungen spielen dabei eine wichtige Rolle.
Nun kommen wir zu den als abweichend und störend empfundenen Handlungen. Diese sollten
aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden:
1. „aus der Sicht dessen, der eine „ abweichende“ Handlung zeigt,
2. aus der Sicht des Interaktionspartners dieser Handlung und
3. aus der Sicht der Person, die diese Handlung als abweichend und störend beurteilt
(Person 2 und 3 können identisch sein).“
(Mutzeck 2002, 63)
Welche Motivation steckt hinter einer abweichenden Handlung, wie ist die
Entstehungsgeschichte, welche situativen und emotionalen Bedingungen waren gegeben,
welches Ziel verfolgen die Interaktionspartner, welche Regeln und Normen liegen zu
Grunde ?
Diese Fragen sollte den jeweiligen Interaktionspartnern gestellt werden, um die jeweilige
subjektive Sichtweise erkennen zu können. Das bedeutet, dass die Verhaltensstörungen aus
der Innenperspektive der Interaktionspartner betrachtet werden sollten, aus der individuellen
Selbst- und Weltsicht.
Eine Handlung kann erst als abweichend bezeichnet werden, wenn sie als solche durch eine
Bezugsinstanz, sei es aus individueller oder kollektiver Sichtweise, empfunden oder bewertet
wird.
Im Beratungsprozess ist es wichtig die handlungsleitenden, subjektiven Sichtweisen genauso
zu berücksichtigen, wie die wissenschaftlichen Erkenntnisse „über den gesellschaftlichen,
geschichtlichen, systemischen und ökologischen Kontext und Wirkungszusammenhang, in dem
das Handeln von Individuen und Gruppen steht.“ (Muzeck 2002, 63)
Auch an dieser Stelle soll noch einmal verdeutlicht werden, dass menschliches Handeln nicht
immer bewusst, überlegt und sinnorientiert ist, vieles geschieht unreflektiert.
Dieses unreflektierte Verhalten nennt man Gewohnheits- Spontan-, Zwangs-, Affektverhalten,
es wird aufgeteilt in :
 „Reflexe (als angeborene oder erworbene Reiz-Reaktions-Verbindungen,
 Automatismen und Routinen (als erlernte, aber unreflektierte automatisch
ablaufende Reaktionen und Verhaltensweisen, welche meist aus einst reflektiertem
Verhalten (Handlung) entstanden sind und sich dann zu weniger bewussten Prozessen
(rück-)entwickelt haben).“
(Mutzeck 2002, 65)
Reflektiertes Verhalten  Handlung,
unreflektiertes Veralten  Reflexe, Automatismen, Routinen
Es ist nicht immer klar zu welchen Phänomenen unreflektiertes Verhalten gehört, auch die
Übergänge zu Handlungen im alltäglichen Leben sind eher fließend.
Herunterladen