„Der Hausgenosse“ 1 Pfingsten 2014; Pfr. B. Botschen Der Hausgenosse 1. Der Heilige Geist als Hausgenosse Vor zwei Wochen nahm ich an einer Pfarrkonferenz teil. 70 Pfarrpersonen aus dem Kanton Zürich waren anwesend. Am Schluss haben wir in der Klosterkirche von Kappel gemeinsam das Abendmahl gefeiert. Dort fiel es mir auf, wie manche heute den Heiligen Geist ansprechen. Da hiess es immer wieder: „Heilige Geistkraft“. „DER Heilige Geist“ zu sagen, passt manchen nicht, denn das hebräische Wort für Geist eigentlich weiblich ist. Also wird der Heilige Geist zur Kraft. Immer, wenn ich über den Heiligen Geist rede, gehört das aber als erster Gedanke dazu: Der Heilige Geist ist eine Person. Natürlich ist er auch ein Kraftträger. Aber er ist weit mehr als das: Man kann Gemeinschaft mit ihm haben, er lehrt und erinnert uns, er tröstet uns und wir können ihn betrüben. Ich habe die Predigt mit „Der Hausgenosse“ überschrieben und dieses Bild soll die heutige Predigt durchziehen: Stellt euch vor, ihr wohnt in einem Haus. Dieses Haus steht für euer Leben. Es hat einen Keller, in dem wir Dinge versorgen, an die wir lieber nicht denken. Es hat Küche, Schlafzimmer, Wohnzimmer, verschiedene andere Räume, Dachboden. Wenn ihr mit Gott durchs Leben geht, dann wohnt auch der Heilige Geist in diesem Haus. Er ist euer Hausgenosse. Manchmal ist uns das gar nicht bewusst und wir vergessen ihn. Manchmal hat er nur zu einigen Zimmern Zutritt. Aber er ist da, er wohnt in uns. Im Zusammenhang mit dem Heiligen Geist werden Wörter wie „betrüben“ und „erfüllen“ verwendet. Man spürt, dass das Zusammenleben mit ihm sehr dynamisch ist. Es geht nicht nur um „Hier“ oder „Nicht hier“. Er kann in die letzte Ecke des Dachbodens zurückgedrängt sein, weil er keinen Raum erhält. Bei manchen Menschen füllt er dagegen das gesamte Haus mit seiner Gegenwart. Wie lebt ihr mit dem Heiligen Geist zusammen? Ist euch bewusst, dass er euer Wohnungsgenosse ist? Habt ihr das schon so richtig erfasst, dass er eine Person ist? Spürt ihr etwas von seiner Gegenwart? Prägt er euer Lebenshaus? Oder würdet ihr gerne mehr von ihm merken, wisst aber nicht recht, wie ihr ihm mehr Raum geben könnt? 2. Betrübt nicht den Heiligen Geist Ein erster Schritt im Zusammenleben mit dem Heiligen Geist ist, dass wir auf seine sensible Natur Rücksicht nehmen. Eph.4,30 heisst es: „Betrübt nicht den Heiligen Geist, mit dem ihr versiegelt seid.“ „Betrübt nicht“ meint „bei jemandem Trauer hervorrufen“, oder auch „Schmerzen zufügen“. Das betont die sanfte Seite vom Heiligen Geist. Er ist niemand, der zornig wird und zurückschlägt, wenn er schlecht behandelt wird. Wenn er verletzt wird und leidet, wird er traurig, es schmerzt ihn. Womit betrübt man den Heiligen Geist? Ein paar Beispiele erhält man, wenn man die paar Verse liest, die diese Anweisung umgeben. Vers 29-31 lesen. In Vers 29 heisst es: „Redet nicht schlecht voneinander.“ Wer hätte das gedacht, dass man dem Heiligen Geist Schmerzen zufügt, wenn man sich so richtig über jemanden anderen aufregt? Ob es jetzt den Arbeitskollegen, den Nachbarn, den Ehepartner oder wen auch immer betrifft – der Heilige Geist hat es nicht gerne, wenn wir verurteilen, niedermachen, herzlos kritisieren, die Achtung vor jemandem verlieren. Während wir am Tisch sitzen und so reden, wird er betrübt. Er steht auf und zieht sich zurück. Vers 31 gibt einen weiteren Anhaltspunkt: Bitterkeit, Jähzorn, Wut, Gemeinheiten. Sätze, wie „Meinen Rat haben sie wieder einmal links liegen lassen“, oder „Natürlich hat er unseren „Der Hausgenosse“ 2 Pfingsten 2014; Pfr. B. Botschen Hochzeitstag vergessen“, oder „Typisch für Söhne, zuerst zieht man sie gross, dann vergessen sie einen“, sind Sätze der Bitterkeit. Es mag alles stimmen, aber Bitterkeit vertreibt den Heiligen Geist genauso schnell, wie Jähzorn oder Wut. Wenn es laut wird, weil man die Beherrschung verliert, wenn es grob und aggressiv wird, fühlt sich niemand wohl – auch der Heilige Geist nicht. Wie reagiert ihr, wenn ihr betrübt werdet? Viele Menschen müssen sich einen Moment zurückziehen. Entweder in den Bastelraum im Keller, oder in ein eigenes Zimmer. Normalerweise sucht man etwas Distanz. Man zieht sich zurück. Man braucht ein bisschen Abstand. So reagiert auch der Heilige Geist. Wenn es ganz schlimm kommt, steht der Heilige Geist mit gepackten Koffern bei der Eingangstüre. Als König David Ehebruch und Mord begangen hat, betet er zu Gott und sagt zu ihm: „Bitte, nimm deinen Heiligen Geist nicht von mir.“ (Ps.51,13). Der Epheserbrief legt zwar Wert darauf, dass wir versiegelt mit dem Heiligen Geist sind. Er ist also kein Gast, der schnell wieder geht, sondern ein fester Mitbewohner. Aber wer nach so Verfehlungen nicht umkehrt, läuft Gefahr, dass der Heilige Geist das Haus verlässt. Deshalb bekennt David seine Schuld und bittet: „Nimm deinen Heiligen Geist nicht von mir.“ Bei diesem ersten Punkt stellt sich also die Frage: Gibt es Dinge in meinem Leben, in meinem Verhalten, mit denen ich den Heiligen Geist betrübe? Gibt es Momente, in denen der Heilige Geist auch von meinem Tisch aufstehen und sich zurückziehen würde? Fühlt er sich wohl in meinem Lebenshaus? Es ist ein wichtiger erster Schritt, wenn wir uns bewusst sind, dass der Heilige Geist unser Hausgenosse ist und wir ihn nicht betrüben sollen. Aber wenn man sich wünscht, dass der Heilige Geist mehr Raum erhält, kommen noch zwei andere Dinge dazu: 3. Lasst euch erfüllen Kurz nach dem „Betrübt nicht“ schreibt Paulus eine weitere Aufforderung zum Heiligen Geist: „Lasst euch vom Geist Gottes erfüllen“ (Eph.5,18). „Lass dich“ ist eine spezielle Formulierung. Mich erinnert das an Teenager, denen man vielleicht auch einmal sagen muss: „Komm, lass dich umarmen! Du musst nichts tun, lass es nur zu!“ Genauso hier: Selber kann man sich nicht erfüllen. Man kann den Heiligen Geist nicht einfach ins Wohnzimmer zerren. Aber man kann ihm Raum geben. Auch hier gibt Paulus ein paar konkrete Beispiele, wie das geschehen kann. Wenn man es genau nimmt, gehört nämlich der nächste Vers noch dazu: „Lasst euch vom Geist erfüllen, indem ihr miteinander Psalmen singt, den Herr mit Liedern lobt und Gott zu jeder Zeit, überall und für alles, dankt.“ Es ist auffällig, auf was Paulus sich hier konzentriert. Es ist das Gegenteil vom ersten Punkt, wo man den Heiligen Geist mit Jähzorn und Bitterkeit betrübt. Wir werden erfüllt, indem wir Gott mit Liedern loben und ihm danken. Wenn wir während dem Abwaschen ein Lied singen und Gott damit loben, wenn wir beim Beten Gott für alles danken, dann sind das Momente, in denen der Heilige Geist sich wohl fühlt. Er gewinnt Raum. Es wäre spannend, das eigene Gebetsleben einmal zu analysieren. Wie viel Zeit verbringen wir, Gott unsere Not hinzulegen und ihn für verschiedene Sachen zu bitten und wie viel Zeit verbringen wir damit, ihn zu loben und ihm zu danken? Bei mir ist das manchmal, wie wenn ein starker Magnet mich immer nur zum Bitten ziehen würde. Dabei könnte man theoretisch einen Grossteil vom Gebetsleben auf Dankbarkeit umstellen: Statt für den Ehepartner zu beten, könnte man auch für ihn danken. Statt Gott für den Gottesdienst zu bitten, könnte man ihm danken, dass er uns versprochen hat, hier in unserer „Der Hausgenosse“ 3 Pfingsten 2014; Pfr. B. Botschen Mitte zu sein. Mit Loben und Danken bitten wir nicht direkt um den Heiligen Geist. Aber er fühlt sich wohl in so einer Atmosphäre. Er erfüllt uns. 4. Bittet um den Heiligen Geist Nach dem „Nicht betrüben“ und „Lasst euch erfüllen“ gibt es noch einen dritten Schritt. Denn Jesus hat seinen Jüngern Mut gemacht, Gott ganz direkt um den Heiligen Geist zu bitten. Im Gleichnis „Vom bittenden Freunde“ (Lk.11,5-13) beschreibt Jesus ein unverschämtes Drängen, um nachher zu sagen: „Genauso wird der Vater im Himmel denen den Heiligen Geist geben, die ihn darum bitten.“ In Ehebeziehungen gibt es ein beliebtes Motiv. Der eine Partner erwartet etwas vom anderen. Aber er möchte nicht darum bitten. Sie sagt: „Er sollte selber spüren, was ich will. Wenn ich erst darum bitten muss, zeigt das nur, wie wenig er sich um meine Bedürfnisse kümmert.“ Er denkt sich: „Wir sind so lange verheiratet, sie müsste eigentlich wissen, was ich brauche und gern habe.“ Und alle sind wir manchmal zu stolz, um den anderen ganz direkt zu bitten. Wenn wir in unserer Gesellschaft um etwas bitten, dann immer sehr vorsichtig und zurückhaltend. Beim Heiligen Geist handeln wir manchmal ähnlich. Es sollte ja auch Gott klar sein, dass wir seinen Heiligen Geist immer wieder neu brauchen. Trotzdem sagt Jesus: „Bittet Gott um seinen Heiligen Geist. Sagt ihm immer wieder, dass ihr den Heiligen Geist braucht.“ Dabei können wir unser Lebenshaus vor Augen haben und Gott bitten: „Fülle mich mit deinem Heiligen Geist!“ Jesus geht noch weiter. Dieses Bitten darf zum unverschämten Drängen werden. Gott hat es gern, wenn wir ihn bestürmen. Er merkt dann, wie ernst es uns ist. Dieses Drängen darf auch „unverschämt“ sein. Ich habe z.B. das Gefühl: „Wenn ich darum bitte, dass Gott mich mit seinem Heiligen Geist erfüllt, ist das unverschämt. Ich habe es gar nicht verdient, dass mir Gott durch seinen Heiligen Geist so nahe ist. Zuerst müsste ich ihm mehr Raum geben und viel treuer beten. Wenn ich dann genau so lebe, wie Gott sich das vorstellt, dann kann ich um den Heiligen Geist bitten.“ Aber wir dürfen Gott auch dann, wenn wir es überhaupt nicht verdienen, wenn es eigentlich unangebracht ist, um seinen Heiligen Geist bitten. In einem ersten Schritt geht es darum, dass wir in unserem Lebenshaus eine Atmosphäre schaffen, in der der Heilige Geist nicht betrübt wird. Der Heilige Geist fühlt sich wohl, wenn wir Gott loben und ihm dankbar sind. Das liebt er! Aber ausserdem dürfen wir in unserer Sehnsucht nach mehr Nähe zu Gott, Gott ganz direkt und anhaltend bitten: „Gib mir deinen Heiligen Geist. Erfülle mich!“ AMEN.