Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes Fachhochschule Fulda Fachbereich Sozialwesen Schriftliche Prüfungsleistung im Fachgebiet Fachwissenschaft Sozialpädagogik/Sozialarbeit Aspekte der Beratung - unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes Vorgelegt von: Alexandra Grosch Brunnenweg 11 36160 Dipperz-Armenhof [email protected] Matrikel-Nr.: 719111 Sabine Schul Jakobusstr. 9 36358 Herbstein [email protected] Matrikel-Nr.: 177179 Referent: Prof. Dr. Christian Schulte-Cloos Koreferent: Prof. Dr. Michael Wolf Fulda, Dezember 2004 1 Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 1. 2 Einleitung Gib einem Hungernden einen Fisch, so wird er einen Tag lang keinen Hunger haben. Gib ihm sieben Fische, so wird er eine Woche lang ohne Hunger sein. Lehre ihn fischen, und er wird sein ganzes Leben lang nicht mehr hungern. (Chinesisches Sprichwort) (Brem-Gräser, Bd. 1, 1993, 1) Wir1 haben uns entschlossen, im Rahmen unserer wissenschaftlichen Hausarbeit über das Thema „Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes“ zu schreiben. Diese Thematik interessiert uns besonders, da unserer Ansicht nach Beratung für jede Sozialpädagogin2, im Umgang mit Klientinnen in den verschiedensten Berufsfeldern, einen großen Stellenwert einnimmt. In unserer modernen Gesellschaft ist Beratung eine zentrale sozialpädagogische Tätigkeit geworden, da sowohl die Aufgaben zur Lebensbewältigung durch Individualisierung3 und Pluralisierung4, als auch die Ansprüche an eine gelungene Lebensführung komplexer geworden sind. Gerade deshalb ist es unserer Meinung nach besonders wichtig, dass für alle Altersgruppen, Lebensbereiche und Problemlagen Beratungsangebote ausWir werden in der folgenden Arbeit generell die „Wir-Perspektive“ benutzen, da wir einige Teile gemeinsam verfasst und auch sonst in gemeinsamer Absprache gearbeitet haben. 2 Wir werden in unserer Arbeit generell die weibliche Form (Sozialarbeiterin/-pädagogin/ Beraterin/Therapeutin/Klientin) verwenden, beziehen dabei aber die männliche Form, d. h. den Sozialarbeiter/-pädagogen/Berater/Therapeuten/Klient automatisch mit ein. 3 Individualisierung: Die traditionellen Sozialbindungen haben sich im Zuge der Industrialisierung und Modernisierung immer mehr aufgelöst. Zwar bedeutet das für viele Menschen ein großes Maß an persönlichen Freiheiten, allerdings ist der Preis dafür auch eine Zunahme von Lebensrisiken (vgl. Belardi et al., 2001, 20). 4 Pluralisierung: Die Möglichkeiten der Lebensverwirklichung sind freier geworden. Der soziale Druck auf den Einzelnen, sich in einer bestimmten Weise „angepasst“ verhalten zu müssen, ist nicht mehr so groß wie früher (z. B. Zusammenleben ohne Trauschein) (vgl. Belardi et al., 2001, 20). 1 Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 3 reichend zur Verfügung stehen und sich insbesondere den krisenanfälligen Übergängen von einer Lebensphase zur anderen widmen. Auf diesem Hintergrund möchten wir in unserer Arbeit u. a. folgende Fragestellungen näher betrachten: Was versteht man unter Beratung? Welche grundlegenden Fertigkeiten benötigt man als Beraterin innerhalb des Beratungsprozesses? Im weiteren Verlauf möchten wir den Ansatz der lösungsorientierten Kurzzeittherapie5 eingehender beleuchten. Besonders interessiert hat uns an diesem Konzept u. a. die Fokussierung auf die Ressourcen der Klientinnen, da wir uns im Rahmen unserer Vordiplomarbeit „Resilienz - Was Kinder stark macht“ schon ausführlich mit dem Themenschwerpunkt Ressourcen beschäftigt haben. Des Weiteren erscheint uns dieser Ansatz sehr bedeutend, weil es darum geht, nicht das Problem einer Klientin an sich zu analysieren und in den Vordergrund zu stellen, sondern statt dessen sich von Anfang an auf die Lösung bzw. auf mögliche Lösungen zu konzentrieren. Die Grundsätze der lösungsorientierten Kurzzeittherapie lauten: „Lösungen konstruieren statt Probleme analysieren“ (Bamberger, 1999, 20)6. „Statt des Rückblicks auf Vergangenheit geht es um die Konstruktion von Zukunft“ (Bamberger, 1999, 19). 5 Da wir in der von uns recherchierten und zitierten Literatur hauptsächlich auf die Darstellung von „Lösungsorientierter Kurzzeittherapie“ anstatt von „Lösungsorientierter Beratung“ gestoßen sind, werden wir bei unserer Beschreibung des lösungsorientierten Ansatzes die Bezeichnung „Kurzzeittherapie“ verwenden, schließen dabei jedoch die Bezeichnung „Beratung“ mit ein. 6 Zitate, die drei Zeilen und länger sind, kennzeichnen wir durch einzeilige und eingerückte Formatierung. Kürzere Zitate formatieren wir 1 1/2 –zeilig und rücken diese auch ein. Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 2. 4 Zum Begriff Beratung Die Begriffe „Beratung“ und „beraten“ kann man von ihrer Herkunft und ursprünglichen Bedeutung her auf „Rat“ und „raten“ zurückführen. Das Wort „Rat“ kommt aus dem Althochdeutschen und wurde im Sinne von „Besorgung notwendiger Mittel, Abhilfe, Fürsorge, gut gemeinten Vorschlag und Empfehlung“ gebraucht. „Ratschlagen“ bedeutete u. a. „den Kreis für die Beratung abgrenzen und einen gut gemeinten Vorschlag unterbreiten“. Das Verb „raten“ wurde im Sinne von „vorschlagen, empfehlen und für etwas sorgen“ verwendet (vgl. Drosdowski/Grebe, Kluge in: Mutzeck, 1996, 5). In der weiteren Auseinandersetzung mit dem Begriff Beratung sind wir auf unterschiedliche Definitionen gestoßen. Mit einigen wollen wir uns im Folgenden auseinandersetzen. Der Duden (1976) stellt Beratung im Wesentlichen mit folgenden Bedeutungen dar: „Jemandem einen Rat geben, der auf Erfahrungen und größerem Wissen beruht, gemeinsam überlegen und besprechen, über etwas Rat halten und Beratschlagen“ (Duden, 1976 in: Sander, 1999, 20). In vielen anderen Fällen wird Beratung im Sinne von Informationsvermittlung gebraucht. So definiert beispielsweise der Große Brockhaus (1978, Bd. 2) Beratung als „einen Prozess der Informationsvermittlung zwischen zwei Kommunikationspartnern (Ratsuchende und Beratungs-Instanz und -Person) zum Zwecke gemeinsamer Lösung meist eng abgrenzbarer, überschaubarer Einzelprobleme“ (Große Brockhaus, Bd. 2, 1978 in: Alterhoff, 1983, 14). In Meyers Enzyklopädischem Lexikon (1971, Bd. 3) werden die Ziele von Beratung wie folgt beschrieben: „ein auf der Grundlage psychologischer Untersuchungen basierendes Aufzeigen von Fehlverhaltensweisen in der Vergangenheit und das Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 5 Erteilen von Richtlinien für eine optimale Ausnutzung der vorhandenen gegenwärtigen Möglichkeiten des Ratsuchenden“ (Meyers Enzyklopädische Lexikon, Bd. 3, 1971 in: Sander, 1999, 20). Unserer Meinung nach wird hier vor allem die Expertenrolle der Beraterin angesprochen, während die Klientin mit ihren Handlungsmöglichkeiten gar nicht erwähnt wird. Ebenso wird die Bedeutung der Beziehungsgestaltung, bzw. der zwischenmenschlichen Situation nicht berücksichtigt. Ausführlicher finden wir die Definition von Mutzeck. Nach ihm kann Beratung definiert werden als „eine besondere zwischenmenschliche Interaktionsform, die im Gegensatz zum Alltagsgespräch planvoll, fachkundig und methodisch geschult durchgeführt wird und die auf einer beidseitigen Verbindlichkeit, Verantwortung und auf einem arbeitsfördernden Vertrauensverhältnis beruht“ (Mutzeck, 1996, 7). Nach dem Verständnis dieser Definition geht Beratung über eine bloße Informationsvermittlung hinaus. Dagegen tauchen in Beratungsdefinitionen, die davon ausgehen, den Klientinnen zu ermöglichen, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, Begriffe wie Hilfe zur Selbsthilfe, gemeinsames Beratschlagen oder gemeinsames Überlegen auf (vgl. Sander, 1999, 21). Dieser Position lässt sich u. a. auch Seidenstücker zuordnen, der Beratung folgendermaßen definiert: „Kommunikationsvorgang zwischen Berater und Klient, in dem der Berater bestrebt ist, die Probleme des Klienten zu verstehen und ihm Anregungen und Hilfe zur Selbsthilfe zu vermitteln“ (Seidenstücker in: Sander, 1999, 21). Ähnlich beschreibt Rogers Beratung: „Wirksame Beratung besteht aus einer eindeutig strukturierten, gewährenden Beziehung, die es dem Klienten ermöglicht, zu einem Verständnis seinerselbst in einem Ausmaß zu gelangen, das ihn befähigt, aufgrund dieser neuen Orientierung positive Schritte zu unternehmen“ (Rogers in: Brem-Gräser, 1993, 1). Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 6 Sickendiek et al. bezeichnen Beratung als „eine Interaktion zwischen zumindest zwei Beteiligten, bei der die beratsuchende(n) Person(en) die Ratsuchende(n) – mit Einsatz von kommunikativen Mitteln - dabei unterstützen, in Bezug auf eine Frage oder auf ein Problem mehr Wissen, Orientierung oder Lösungskompetenz zu gewinnen“ (Sickendiek et al., 2002, 13). Die zuletzt genannten Definitionen legen Beratung als einen Prozess dar, der über Hinweise und Ratschläge geben hinausgeht und das gemeinsame Lösen von Problemen in den Vordergrund stellt. Der Beziehung zwischen Beraterin und Klientin und den persönlichen Bedingungen wird hier eine größere Bedeutung zugemessen. Die Beraterin wird nicht mehr als Expertin angesprochen, die aufgrund ihres größeren Fachwissens und ihrer Erfahrung eine übergeordnete Position einnimmt, sondern sie wird als einfühlsame Partnerin gesehen, die verlässlich und vertrauenswürdig am Beratungsprozess teilnimmt. Am treffendsten erscheint uns nach vielfachem Vergleichen folgende Definition von Hirsch und Schmidtchen „Beratung ist eine Form zwischenmenschlicher Hilfe, bei der ein professioneller Berater eine kooperative und offene Beziehung zu einem (oder mehreren) Klienten eingeht und vor allem im Gespräch versucht, den Klienten zu einer bewussten Wahrnehmung seiner Probleme zu bringen. Er hilft ihm, seine Fähigkeiten zur Problemlösung zu entwickeln und so einzusetzen, dass er aus eigener Kraft die Probleme lösen und eine gesunde psychische Umgebung schaffen kann (Hilfe zur Selbsthilfe)“ (Hirsch/Schmidtchen in: Mutzeck, 1996, 6). Diese Definition berücksichtigt neben der Beratungsbeziehung vor allem auch die Hilfe zur Selbsthilfe. Ziel der Beratung ist laut dieser Definition den Klienten zu befähigen, selbst Möglichkeiten zur Problemlösung zu entwickeln. Sie spiegelt unserer Meinung nach u. a. einige Grundsätze des lösungsorientierten Ansatzes wieder, auf den wir in unserer Arbeit noch näher eingehen werden. An dieser Stelle möchten wir noch erwähnen, dass Beratung von der Interventionsform Therapie nur schwer abzugrenzen ist. Nach Alterhoff verwen- Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 7 den viele Autoren beide Begriffe synonym (vgl. Alterhoff in: Mutzeck, 1996, 7). Wenn zwischen Beratung und Therapie unterschieden wird, werden vor allem folgende Merkmale angegeben: Beratung findet üblicherweise über einen kürzeren Zeitraum als Therapie statt (geringere Anzahl von Sitzungen). In der Beratung werden meist aktuelle Probleme bearbeitet und sie nimmt häufig auch präventive Aufgaben wahr. In der Therapie werden meist schwierige Störungen behandelt und sie zielt auf eine weitergehende Selbstöffnung der Klientin. (vgl. Mutzeck, 1996, 7). Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 3. 8 Grundlegende Fertigkeiten der Beraterin In diesem Kapitel möchten wir uns ausführlicher mit grundlegenden Fertigkeiten der Beraterin beschäftigen. Die Bezeichnung „grundlegend“ bedeutet jedoch nicht, dass der Gebrauch dieser Fertigkeiten auf die Anfangsphase einer Beratungsbeziehung beschränkt bleibt, oder dass es sich um einfache Fertigkeiten handelt, die in späteren Phasen des Beratungsprozesses keinen Raum mehr beanspruchen. Sie sind für die gesamte Beratungsbeziehung von entscheidender Bedeutung und werden in unterschiedlicher Kombination und Abfolge immer wieder auftauchen. Im Folgenden werden wir zunächst mit der Darstellung der Basisvariablen beginnen, die zu einer konstruktiven Beratungsbeziehung beitragen. 3.1 Basisvariablen Der Erfolg einer Beratung hängt größtenteils von der Qualität der Beziehung ab. In der Literatur findet man diesbezüglich am meisten über den personenzentrierten Ansatz, der hauptsächlich von Rogers geprägt wurde. Durch seinen Einfluss fing man an, das Augenmerk auf die Beziehung zwischen Beraterin und Klientin zu richten. Rogers definierte so genannte Basisvariablen, die seiner Ansicht nach zu einer konstruktiven zwischenmenschlichen Beziehung beitragen. Dazu gehören einfühlendes Verstehen (Empathie), Echtheit (Kongruenz) und nicht an Bedingungen gebundene positive Wertschätzung. 3.1.1 Einfühlendes Verstehen (Empathie)7 Empathie meint die Fähigkeit, sich in die Gefühle und Gedanken eines anderen Menschen hineinversetzen zu können, ohne ihn zu verurteilen (vgl. Mutzeck, 1996, 83). 7 Soweit nicht anders angegeben, beziehen wir uns in diesem Kapitel auf Alterhoff, 1983, 82 ff. Auch die Zweitzitationen stammen aus der angegebenen Quelle. Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 9 Eine empathische Haltung umfasst das Bemühen, einen Menschen in seiner Welt zu begreifen, ihn in seinem Denken, Fühlen und Handeln nachvollziehen zu können und dafür ein möglichst tiefgehendes Verständnis zu entwickeln (vgl. Sickendiek et al., 2002, 129). Dabei geht es nicht vorrangig darum, den anderen Menschen kennen zu lernen und zu verstehen wie bzw. wer er ist, sondern es kommt vor allem darauf an, zu erfassen, was die andere Person in der Gegenwart erlebt, fühlt und mitzuteilen versucht (vgl. Brem-Gräser, 1993, 85). Dabei bedeutet die innere Welt eines Menschen zu begreifen mehr, als nur den einfachen Sinn seiner Worte aufzufassen (vgl. Brem-Gräser, 1993, 85). Rogers beschreibt dazu unserer Meinung nach sehr treffend: „Ich muss eintauchen in die Welt komplexer Sinngehalte, die mein Klient durch seinen Tonfall und ebenso durch seine Gesten zum Ausdruck bringt“ (Rogers in: Brem-Gräser, 1993, 85). Jedoch umfasst einfühlendes Verstehen nicht nur das Eintauchen in die innere Welt der Klientin, sondern die Beraterin muss der Klientin auch zu erkennen geben, dass sie sie versteht (vgl. Hackney et al., 1998, 24). Dieses Verstehen drückt sie in kommentierenden Bemerkungen aus, die sich nicht nur auf das beziehen, was die Klientin selbst erkennt, sondern auch auf jene Inhalte, deren sich die Klientin nur vage bewusst ist (vgl. Brem-Gräser, 1993, 85). Im Einzelnen sind es vor allem folgende gefühlsmäßige Erlebnisinhalte, die die Beraterin nachempfinden und mitteilen möchte: gefühlsbezogene Anteile und persönlich-emotionale Inhalte (Gefühle wie z. B. Angst, Ärger, Freude, Verzweiflung, Zuversicht), emotionale Bewertungen, gefühlsmäßige Teilbereiche und Haltungen und ihre persönliche Bedeutung, das Erleben der eigenen Person, insbesondere die erlebten Wirkungen auf andere, Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes Wünsche und Ziele, besondere Interessen und Vorlieben und die persönliche Bedeutung von Wahrnehmungsinhalten. 10 Die Beraterin verfügt dabei über verschiedene Möglichkeiten, der Klientin die nachempfundenen emotionalen Erlebnisinhalte differenziert und verständlich zu vermitteln. Sie sollte das Nachempfundene so mitteilen, dass die Klientin es ohne Abwehr annehmen und verstehen kann. Außerdem sollte sie sich möglichst bemühen, „papageienhafte“ Wiederholungen zu vermeiden, indem sie unterschiedliche abwechslungsreiche Formulierungen, d. h. Verbalisierungsarten benutzt. Die Beraterin kann ihr Verständnis beispielsweise entweder mit Hilfe eines Synonyms oder eines Antonyms äußern oder auch als Wunsch der Klientin formulieren. Das folgende Beispiel von Minsel veranschaulicht diese drei Verbalisierungsarten unserer Ansicht nach sehr treffend: Eine Klientin, die momentan arbeitslos ist, sagt zur Beraterin: „Schon seit einigen Monaten bemühe ich mich um eine Arbeitsstelle. Ich suche und suche, aber ich finde einfach nicht das Richtige für mich. Ich bin mittlerweile ziemlich niedergeschlagen.“ Die Beraterin, die ihr Verständnis mit Hilfe eines Synonyms äußert, benennt das von der Klientin geäußerte Gefühl mit einem anderen, aber gleichbedeutenden Wort. Sie könnte beispielsweise folgendes sagen: „Sie sind sehr bedrückt, weil sie immer noch keinen Arbeitsplatz gefunden haben.“ Drückt die Beraterin sich mit Hilfe eines Antonyms aus, wählt sie einen Begriff, der sich zu dem von der Klientin geäußerten Gefühls gegenteilig verhält, und verneint diesen: „Sie können da gar nicht mehr zuversichtlich sein.“ Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 11 oder „Sie haben da kaum noch Hoffnung.“ Die dritte Möglichkeit der Beraterin besteht darin, den hinter den Äußerungen der Klientin vermuteten Wunsch zu formulieren. So könnte sie sich folgendermaßen äußern: „Sie haben den ganz starken Wunsch, endlich aus ihrer jetzigen Situation heraus zu kommen.“ Der Einfluss und Erfolg des Beratungsmerkmals „Einfühlendes Verstehen/ Empathie“ im Beratungsprozess hängt davon ab, in welchem Ausmaß es der Beraterin möglich ist, sich in die innere Gefühlswelt ihrer Klientin hineinzuversetzen, und ihr das derart Nachempfundene annehmbar und verständlich zu vermitteln. Damit die Beraterin dabei erfolgreich sein kann, muss sie einige Grundsätze beachten, auf die wir im Folgenden näher eingehen möchten: (1) „Die Konzentration des Beraters sollte ausschließlich auf die Gefühle des Klienten gerichtet sein“ (Alterhoff, 1983, 86). Die einfühlende Beraterin konzentriert sich vollkommen auf die subjektive Erlebniswelt der Klientin. Im Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit sollte die emotionale Bedeutung jeder einzelnen Klientinnenäußerung stehen. Die Beraterin sollte sich bei jeder Auskunft ihrer Gesprächspartnerin die Frage stellen: „Wie erlebt die Klientin das, was sie gerade erzählt? und „Welches Gefühl will sie damit wohl ausdrücken?“. Für sie ist es in dieser Situation nicht am wichtigsten, was der Inhalt der Klientinnenäußerung ist, sondern dieser hilft der Beraterin dabei, Zugang zur inneren Erlebniswelt der Gesprächspartnerin zu finden. (2) „Die Formulierungen sollten möglichst konkret und anschaulich, möglichst kurz und exakt gehalten sein“ (Alterhoff, 1983, 86). Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 12 Die Klientin hat während des Gesprächs viele verschiedene Möglichkeiten ihre Gefühle auszudrücken. Sie kann sich sowohl in verbaler als auch in nonverbaler Form äußern, aber auch auf direkte oder indirekte Art und Weise. Die Beraterin versucht in jedem Fall, ihre Äußerungen einfühlend zu verstehen und das Nachempfundene so klar zu verbalisieren, dass die Klientin es ohne große Schwierigkeiten annehmen und nachvollziehen kann, um so die Gefahr eines Missverständnisses zu vermeiden. (3) „Dem Berater sollte immer bewusst sein, dass seine Verbalisierungen nur Hypothesen oder Annäherungen an das Gefühl des Klienten sein können“ (Alterhoff, 1983, 86). Die Beraterin kann immer nur vermuten, welche Emotionen die Klientin hat. Sie kann nicht mit absoluter Sicherheit wiedergeben, was die Klientin fühlt, sondern es handelt sich bei jeder ihrer Verbalisierungen nur um einen tastenden Versuch, die innere Welt der Gesprächspartnerin zu verstehen. Den Hypothesencharakter ihrer Nachempfindungen bringt die Beraterin gegenüber der Klientin beispielsweise in einem fragenden Tonfall zum Ausdruck. Sie kann auch durch Satzeinleitungen wie z. B. „Habe ich sie richtig verstanden...“ oder „Ich bin mir nicht ganz sicher, ob...“ der Klientin mitteilen, dass sie die Klientinnenäußerungen nicht als etwas Feststehendes auffasst, das nicht hinterfragt werden darf. Da nur die Klientin allein sagen kann, ob die Beraterin sie richtig verstanden hat, ist diese ständig auf das Feedback der Klientin angewiesen. Fasst man den zweiten und dritten Grundsatz ergänzend zusammen, hat die Beraterin nur wirklich Erfolg, wenn sie das Nachempfundene konkret und sehr exakt verbalisiert und gleichzeitig der Klientin das Gefühl gibt, dass sie letztendlich ganz allein über die Richtigkeit der Äußerungen der Beraterin entscheidet. Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 13 (4) „Der Berater teilt dem Klienten so oft wie möglich das einfühlend Verstandene mit“ (Alterhoff, 1983, 88). Die aktive Anteilnahme der Beraterin an den Schilderungen der Klientin äußert sich u. a. auch in der Häufigkeit, mit der sie sich zu Wort meldet. Mit häufigen Verbalisierungen und Wortmeldungen drückt die Beraterin aus, wie sehr sie am gemeinsamen Prozess interessiert ist. (5) „Der Berater drückt die von ihm nachempfundenen Gefühle möglichst direkt aus“ (Alterhoff, 1983, 88). Damit ist gemeint, dass die Beraterin das Gefühl, das sie als Ursache für das Verhalten der Klientin vermutet, direkt ansprechen sollte. Der emotionale Zustand der Klientin soll erkannt und benannt werden. (6) „Der Berater verbalisiert die augenblicklich erlebten oder so genannten ‚Hier-und-Jetzt-Gefühle’. Er versteht, wie der Klient sich jetzt fühlt“ (Tausch in: Alterhoff, 1983, 88). Der letzte Grundsatz beinhaltet, dass die Beraterin ihre Aufmerksamkeit auf die Gegenwart und das Jetzt, d. h. auf die aktuellen inneren Erlebnisinhalte der Klientin richten soll: Das bedeutet auch, dass die Beraterin sich bei Berichten über frühere Erlebnisse auf die emotionale Bedeutung konzentriert, die diesen momentan zukommen. Die Zielsetzung des einfühlenden Verstehens schließt außerdem aus, dass die Beraterin der Klientin Empfehlungen oder Ratschläge gibt. Sie unterlässt es, sie zu belehren oder zu kritisieren (vgl. Brem-Gräser, 1993, 86). Vergessen darf man auch nicht eine ganz spezifische Gefahr, die in diesem Zusammenhang für die Beraterin selbst besteht: Die Beraterin darf sich bei all ihren Bemühungen, sich in die innere Welt ihrer Klientin hineinzuversetzen, „als ob“ es die eigene wäre, niemals selbst verlie- Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 14 ren, d. h. sie darf sich nicht mit der Welt der Klientin identifizieren, da sonst die Gefahr besteht, dieses „Als-ob“ zu verlieren (vgl. Brem-Gräser, 1993, 86). Biermann-Ratjen et al. schildern diese Gefahr wie folgt: „Wichtig ist dabei, dass dem Therapeuten bei aller Nähe zum Klienten bewusst bleibt, dass er nicht der andere ist. Geht die Als-ob-Qualität verloren, so handelt es sich nicht um Empathie, sondern um Identifikation. Der Therapeut gerät dann in den gleichen hilflosen Zustand, in dem der Klient sich befindet und kann diesem keine Unterstützung bei der Klärung seines inneren Bezugsrahmens bieten. >Geteilte Verwirrung ist keine Einfühlung<“ (Biermann-Ratjen et al. in: Brem-Gräser, 1993, 86). Die Empathie ist für die Beziehung zwischen Beraterin und Klientin von großer Bedeutung. Auf so tief greifende Art und Weise verstanden und angenommen zu werden, stellt für die Klientin eine enorme Bestärkung dar, da insbesondere ihr Vertrauen zu sich selbst wächst und gefördert wird (vgl. Brem-Gräser, 1993, 86). Binder und Binder beschreiben die Auswirkungen des einfühlenden Verstehens auf die Beziehungserfahrungen der Klientin unserer Ansicht nach sehr passend: „Empathisches Verstehen vermittelt dem Klienten, dass er verstehbar ist, bzw. sich verständlich machen kann. Das bedeutet, dass er in der therapeutischen Beziehung die Erfahrung macht, nicht isoliert zu sein. Empathisches Verstehen ermöglicht es dem Klienten, Beziehung auf der emotionalen Ebene zu erleben, ohne emotionale Bedrohung zu erfahren. Emphatisches Verstehen vermittelt dem Klienten, als Person für einen anderen wichtig und lohnend zu sein. Wesentlich für diese Beziehungserfahrung ist, dass der Klient dies erlebt, unabhängig davon, um welche Wirkung auf den Therapeuten er sich bemüht. D. h. er erfährt in der Beziehung Wichtigkeit um seiner selbst willen, nicht um deswillen, was er jeweils bietet. Damit befähigt ihn die Beziehung, sich auch sich selbst (und anderen) zunehmend vorurteilsfreier zuzuwenden“ (Binder und Binder in: Brem-Gräser, 1993, 86 f.). Als nächstes werden wir auf die Basisvariable Echtheit (Kongruenz) eingehen und näher beleuchten, welche Bedeutung ihr im Beratungsprozess zukommt. Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 3.1.2 15 Echtheit (Kongruenz)8 Echtheit meint nach Rogers eine Übereinstimmung mit sich selbst (vgl. Rogers in: Brem-Gräser, 1993, 90). Während sich Empathie mit dem Verstehen und Nachempfinden der inneren Gefühlswelt der Klientin beschäftigt, äußert sich Echtheit in der Wahrnehmung und Vermittlung des inneren Erlebens der Beraterin. Rogers veranschaulicht dies folgendermaßen: „Echt sein bedeutet, in einer Beziehung ich selbst zu sein, die Person, die ich bin, ohne Fassade, und der anderen Person meine gefühlsmäßigen Wahrnehmungen mitzuteilen, aus meinem eigenen Erlebnisprozess heraus reagieren, um meinem Klienten die Suche nach gefühlten Bedeutungen zu erleichtern“ (Rogers in: Brem-Gräser, 1993, 90). Damit ist gemeint, dass die Beraterin sich ihrer eigenen Gefühle bewusst ist, sie fähig ist, diese zuzulassen, zu leben und diese mitzuteilen, wenn es notwendig ist (vgl. Mutzeck, 1996, 83). Rogers nennt in diesem Zusammenhang den Begriff der Kongruenz, und meint damit, dass die Beraterin gegenüber der Klientin Ehrlichkeit, Transparenz und Offenheit zeigt. Unserer Ansicht nach beschreiben Rogers und Truax die Kongruenz der Beraterin in der folgenden Passage sehr treffend und detailliert: „In Bezug auf Therapie bedeutet Kongruenz, dass der Therapeut bei der Arbeit mit dem Klienten so ist, wie er ist. Er gibt nichts vor, zeigt keine falsche Fassade, sondern lebt offen die Gefühle und Gedanken, die ihn im Augenblick bewegen. Dazu bedarf es der geschärften Selbstwahrnehmung (self-awareness), das heißt, der Therapeut muss sich über seine Gefühle im Klaren sein. Und er muss diese Gefühle leben können, muss sie gegebenenfalls in der Beziehung vermitteln können. Das bedeutet, dass ein direkter, menschlicher Kontakt zwischen Klient und Therapeut stattfindet, dass die beiden sich auf der Basis von Mensch zu Mensch treffen. Das bedeutet, dass der Therapeut er selbst ist und sein Selbst nicht verleugnet“ (Rogers und Truax in: Hackney et al., 1998, 29). 8 Soweit nicht anders angegeben, beziehen wir uns in diesem Kapitel auf Alterhoff, 1983, 104 ff. Auch die Zweitzitationen stammen aus der angegebenen Quelle. Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 16 Kongruenz meint dabei nicht nur, dass die Beraterin ihre Gefühle erlebt und sich dieser bewusst ist, sondern vor allem auch, dass ihr inneres Erleben mit dem nach außen gezeigten Verhalten übereinstimmt. Echtheit oder Kongruenz ist demnach eine Haltung der Beraterin, die eine aufrichtige Kommunikation innerhalb des Beratungsprozesses möglich macht. Die Beratungsbeziehung sollte von einem direkten und offenen Umgang miteinander geprägt sein. Die Beraterin wird durch ihr offenes und echtes Auftreten durchschaubar und transparent für die Klientin und ermutigt sie auf diese Weise, ihre echten und wahren Gedanken und Gefühle frei mitzuteilen (vgl. Sickendiek et al., 2002, 130). Die Beraterin kann ihre Gefühle und ihr inneres Erleben grundsätzlich verbal oder nonverbal ausdrücken, wobei laut Grässner den nonverbalen Ausdrucksformen aber eine besondere Bedeutung zukommt. Ihre Emotionen und Haltungen zeigt die Beraterin fast ausschließlich auf nonverbale Art durch ihre Stimmführung, Sprechweise, Mimik und Gestik. Die Überzeugungskraft dieser Signale ist erheblich größer als das verbal Geäußerte. Bei der Basisvariablen Echtheit/Kongruenz ist nun ausschlaggebend, dass das verbal Geäußerte der Beraterin mit ihren nonverbal gesendeten Signalen übereinstimmt, d. h. kongruent ist: „Äußerungen, Verhalten, Maßnahmen, Gestik und Mimik einer helfenden Person stimmen weitgehend mit ihrem inneren Erleben, ihrem Fühlen, Einstellungen und Denken überein. Was sie sagt, wie sie sich verhält und handelt, entspricht ihrer inneren Welt, ihrem Fühlen und Denken, ihrem Selbst“ (Alterhoff, 1983, 108). Tausch et al. messen der Echtheit/Kongruenz eine grundlegende Rolle in der Beratungsbeziehung bei. Echtheit/Kongruenz der Beraterin stellt ihrer Meinung nach gewissermaßen die Basis für die Wirksamkeit der anderen Merkmale wie Empathie und Wertschätzung9 dar. Wenn das Bemühen der Beraterin, ihre Klientin zu Verstehen und Akzeptieren nicht echt und ehrlich erscheint, wird das Verhältnis in der Beratungsbeziehung eher von Misstrauen als von Vertrauen geprägt sein. So hängt es also vom Ausmaß der Echtheit der Beraterin ab, ob sie in ihrem Bemühen um einfühlendes VersteAuf die Basisvariable „positive Wertschätzung“ werden wir im nächsten Kapitel ausführlich eingehen. 9 Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 17 hen von der Klientin wirklich ernst genommen wird. Die gleiche Position vertritt Weinberger und begründet dies wie folgt: „Die positiven Auswirkungen der Variablen >Positive Wertschätzung und emotionale Wärme< können kaum auftreten, wenn der Klient das Verhalten des Therapeuten als unecht, als vorgespielte professionelle Rolle empfindet“ (Weinberger in: Alterhoff, 1983, 112). Auch für Rogers hat Echtheit/Kongruenz eine ausschlaggebende Bedeutung. Für ihn steht diese Variable an erster Stelle und ist die Grundlage für die Beziehung zwischen Klientin und Beraterin. Rogers äußert sich bezüglich der Echtheit/Kongruenz sehr eindeutig: „Dies ist die grundlegendste unter den Einstellungen des Therapeuten, die den positiven Verlauf einer Therapie fördern. Eine Therapie ist mit größter Wahrscheinlichkeit dann erfolgreich, wenn der Therapeut in der Beziehung zu seinem Klienten er selbst ist, ohne sich hinter einer Fassade oder Maske zu verbergen [...]. Im normalen Leben - zwischen Ehepartnern, zwischen Lehrern und Schülern, Arbeitgebern und Arbeitnehmern oder auch unter Kollegen – ist wahrscheinlich Kongruenz das wichtigste Element. Man muss den anderen wissen lassen, wo man gefühlsmäßig steht [...]. Kongruenz ist die Grundlage für das Zusammenleben in einem Klima der Glaubwürdigkeit“ (Rogers in: Alterhoff, 1983, 112 f.). Mit dem Begriff Glaubwürdigkeit weist Rogers auf eine Auswirkung der Echtheit hin, die die zentrale Bedeutung dieser Basisvariablen für jede soziale Beziehung begründet. Eine kongruente Beraterin wirkt auf die Klientin glaubwürdig, wenn sie ihr nichts vormacht und sich so gibt, wie sie sich tatsächlich fühlt. Die Klientin kann jeder ihrer Äußerungen trauen, denn sie stellen stets einen direkten, unverzerrten Ausdruck ihrer realen Gefühle dar. Die Klientin muss nicht befürchten, dass die Beraterin ihr etwas vorspielt oder verheimlicht. Sie erlebt die Beraterin als äußerst zuverlässig, weil sie zu dem steht, was sie ausdrückt und mitteilt. Wenn eine Klientin ihre Beraterin auf diese Weise erlebt, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass sich das zunehmend förderlich auf ihre Entwicklung innerhalb des Beratungsprozesses auswirken wird. Die Klientin fühlt sich zunehmend ernst genommen und gleichwertig. Dadurch wird u. a. eine wachsende Selbstachtung erreicht (vgl. Binder/Binder in: Brem-Gräser, 1983, 91). Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 18 Das Erleben der Echtheit der Beraterin hat eine Modellwirkung für die Klientin und hilft ihr, selbst kongruenter zu werden (vgl. Binder/Binder in: BremGräser, 1983, 91): „Der Klient erfährt, dass der Therapeut, indem er sich gibt, wie er ist, nicht enttäuschend oder abstoßend wirkt und gewinnt damit zunehmend mehr Vertrauen in die Möglichkeit, echt zu sein, ohne an positiver Wertschätzung zu verlieren“ (Binder/Binder in: Brem-Gräser, 1993, 91). Die Klientin macht außerdem die Erfahrung, dass Echtheit jede Beziehung im menschlichen Zusammenleben befriedigender und intensiver werden lässt. Dieses Erkennen verhilft ihr dazu, auch außerhalb der Beratung zu versuchen, Kongruenz in Beziehungen zu leben und damit ihre förderlichen Entwicklungsmöglichkeiten auszubauen (vgl. Binder/Binder in: Brem-Gräser, 1993, 91). Wenn die Beraterin ihrer Klientin gegenüber offen ist, kann diese sich relativ angstfrei mit sich selbst auseinandersetzen, denn sie braucht nicht darüber zu grübeln, was ihre Beraterin eigentlich sagen will. Kongruenz beinhaltet auch immer Transparenz, d. h. sie gibt der Klientin die Sicherheit, dass sie Gefühle der Beraterin, die mit ihr in Zusammenhang stehen, auch erfährt. Diese Sicherheit macht es der Klientin laut Binder/Binder möglich, Mitteilungen der Beraterin ziemlich spannungsfrei und ohne innere Abwehr zuzulassen. Nach Egan ist Echtheit/Kongruenz aber auch mit Gefahren verbunden. So darf dieses Beratermerkmal nicht als Freibrief angesehen werden, Gefühle und Einstellungen ohne Rücksicht auf die Klientin zu äußern. Laut Rogers kann Echtheit deshalb nicht bedeuten, „mit jedem vorübergehenden Gefühl und jedem Vorwurf unter dem bequemen Eindruck des Echtseins unbesonnen herauszuplatzen“ (Rogers in: Alterhoff, 1983, 109). Nach Bommert stellt eine Beraterin, die ihrer Klientin jedes ihrer Gefühle und jede Stimmungsschwankung mitteilt, sich auf diese Weise selber in den Mit- Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 19 telpunkt und vernachlässigt damit die Gefühle und das Erleben der Klientin. Es ist also nicht notwendig, sondern sogar hemmend für den Beratungsprozess, wenn die Beraterin alle ihre persönlichen Gefühle und Bewertungen äußert. Wichtig ist, dass, wenn sie sich mitteilt, es sich um echte, tatsächlich erlebte Gefühle und Einstellungen handelt. Andererseits weist u. a. auch Rogers auf die Gefahr hin, dass immer dann, wenn die Beraterin sich nicht wirklich am Verhalten und Geäußerten der Klientin beteiligt fühlt, die Möglichkeit am größten ist, dass sie in ein distanziertes und routinemäßiges Berufsverhalten verfällt. Obwohl Rogers betont, dass niemand in der Lage ist, andauernd und gegenüber allen Menschen kongruent zu sein, sieht er den einzigen Weg zur Vermeidung eines solchen Routineverhaltens in einem ständigen Bemühen der Beraterin, ein möglichst hohes Maß an Echtheit zu erreichen (vgl. Rogers in: Brem-Gräser, 1993, 90). Im weiteren Verlauf wollen wir nun auf die dritte Basisvariable der Beraterin eingehen: Die positive Wertschätzung. 3.1.3 Positive Wertschätzung10 Wertschätzung meint, dass die Beraterin der Klientin als Person eine warme, positive, bedingungsfrei akzeptierende und nicht wertende Haltung entgegenbringt (vgl. Brem-Gräser, 1993, 87). Die Klientin soll erleben, dass sie so wie sie ist akzeptiert wird und sich in der Äußerung ihrer Gefühle, seien es positive oder negative, nicht zu verstellen braucht (vgl. Sickendiek et al., 2002, 130). Rogers schreibt dazu: „Akzeptieren heißt hier ein warmherziges Anerkennen dieses Individuums als Person von bedingungslosem Selbstwert [...]. Das bedeutet Respekt und Zuneigung, eine Bereitschaft, ihn seine Gefühle auf seine Art haben zu lassen“ (Rogers in: Alterhoff, 1983, 123). 10 Soweit nicht anders angegeben, beziehen wir uns in diesem Kapitel auf Alterhoff, 1983, 123 ff. Auch die Zweitzitationen stammen aus der angegebenen Quelle. Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 20 Das Interesse und die Zuwendung der Beraterin sind nur dann als Aspekt von Wärme und Annahme zu betrachten, wenn sie nicht an Bedingungen und Anforderungen gebunden sind, die die Klientin erfüllen soll. Nach Rogers ist Bedingungsfreiheit dann gegeben, wenn der Berater feststellt, „dass er alle vom Klienten geäußerten Erlebnisinhalte gleichermaßen akzeptieren kann und nicht den einen Erlebnisinhalt mehr, den anderen weniger seiner positiven Zuwendung würdig erachtet“ (Rogers in: Alterhoff, 1983, 127). Die Klientin kann das Vorhandensein von bedingungsloser Annahme daran erkennen, dass die Beraterin auf alle Äußerungen verzichtet, die eine Bewertung ihrer Person, ihres Handelns oder ihrer Gefühle beinhalten. Die Beraterin vermeidet sowohl Anerkennung und Lob als auch Kritik, Missbilligung und Belehrung, da all diese Verhaltensweisen Wertungen zum Inhalt haben. Allerdings bedeutet diese bedingungsfreie, nicht urteilende Wertschätzung der Klientin als eigenständige Person nicht, dass man mit allem, wie sie fühlt, denkt und handelt übereinstimmt (vgl. Brem-Gräser, 1993, 88). Linster drückt dies folgendermaßen aus: „Den Klienten in dieser Weise bedingungsfrei akzeptieren heißt nicht jede Äußerung oder Verhaltensweise des Klienten gutheißen oder billigen. In einem solchen Moment stoße ich als Therapeut und als (Privat-) Person auch an meine Grenzen, die ich selbst akzeptieren und bestehen lassen kann. Ich kann sie aber auch in Frage stellen. Insoweit es mir gelingt, auch in einem solchen Augenblick dem Klienten gegenüber positive Zuwendung und Wertschätzung entgegenzubringen und dieser sich als Person akzeptiert fühlt, können wir beide auch leichter unsere unterschiedlichen Auffassungen und Werthaltungen offen aussprechen und miteinander besprechen, ohne dass das Gefühl entsteht, deshalb beurteilt oder verurteilt zu werden“ (Linster in: Brem-Gräser, 1993, 88). Rogers weist in seinen Ausführungen sogar darauf hin, dass bedingungslose Wertschätzung in ihrer reinen Form nur in der Theorie existiere: „Der effektive Berater erlebt unbedingte Wertschätzung gegenüber seinem Klienten zu vielen Zeitpunkten, aber manchmal hat er das Gefühl einer bedingten Wertschätzung und gelegentlich kann er sogar Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 21 Missachtung für seinen Klienten empfinden“ (Rogers in: Alterhoff, 1983, 130). Es ist für die Beraterin deshalb wichtig, sich möglichst oft innerhalb des Beratungsprozesses darüber Klarheit zu verschaffen, ob und wieweit sie ihre Klientin akzeptieren kann. Kommt sie dabei zu der Erkenntnis, dass sie ihrer Klientin nicht die notwendige Wärme und Wertschätzung entgegen bringen kann, muss sie dies nach Ansicht Rogers am besten offen ansprechen und gemeinsam mit der Klientin nach einer Lösung suchen. Diesbezüglich betont Mutzeck, dass das offene Annehmen der Gefühle, Gedanken und Vorstellungen des anderen nur dann gelingt, wenn man gegenüber seinen eigenen Gefühlen offen ist und diese akzeptiert. Wichtig für diese Selbstakzeptanz sei es aber wiederum, von anderen angenommen und respektiert zu werden (vgl. Mutzeck, 1996, 82). Die Beraterin sollte die bedingungslose Wertschätzung als anzustrebendes Idealziel betrachten und sich stets um eine Annäherung an diese Idealvorstellung bemühen. Während sich „einfühlendes Verstehen“ im Wahrnehmen, Nachempfinden und Verständlichmachen der Gefühle der Klientin und „Echtheit“ sich im Erkennen und Mitteilen der eigenen Gefühle der Beraterin ausdrückt, bezieht sich emotionale Wärme und Wertschätzung mehr auf die nonverbalen Verhaltensanteile der Beraterin. So kommt vor allem averbalen Gesten der Wertschätzung und Aufmerksamkeit große Bedeutung zu. Dazu zählen die Kopf- und Körperhaltung, Stimme, Mimik und Gestik der Beraterin. Nach Gordon muss sie sich bemühen, ihre innere Einstellung zur Klientin in direkte Körpersignale umzusetzen. Nur so kann die Klientin erfahren, dass die Beraterin sie akzeptiert und schätzt. Es reicht nicht aus, Akzeptanz und Achtung für die Klientin zu empfinden, sondern diese muss auch mitgeteilt werden. Hoffmann et al. haben festgestellt, dass es beispielsweise als Ausdruck von Sympathie gewertet wird, wenn man seiner Gesprächspartnerin direkt gegenübersitzt, sich leicht in ihre Richtung vorlehnt und Augenkontakt hält. Allerdings ist die Wirkung beispielsweise des Augenkontaktes nicht bei jeder Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 22 Klientin gleich. So fühlen sich manche Menschen insbesondere am Anfang des Beratungsprozesses eher verunsichert, wenn die Beraterin ständig Augenkontakt hält. Laut Egan ändert sich das Zuwendungsverhalten der Beraterin zumeist mit der Intensität der Beratungsbeziehung. So nimmt die Beraterin zu Beginn eine Haltung ein, die einen angemessenen, aber nicht ständigen Augenkontakt ermöglicht. Sie sollte in aufrechter Position, ein wenig schräg und nach vorn geneigt zur Klientin sitzen. Je fortgeschrittener der Beratungsprozess ist, desto intensiver kann die Beraterin sich ihrer Klientin zuwenden. Ganz allgemein charakterisiert Alterhoff diesen Aspekt der Zuwendung der Basisvariablen „Wertschätzung“ wie folgt „Wir erleben in der Regel einen Menschen als zugewandt, wenn er uns zum Gegenstand seiner Aufmerksamkeit und Konzentration gewählt und seine Wahrnehmung sichtbar auf uns gerichtet hat. Ein solches Zuwendungsverhalten drückt aktives Interesse des Beraters am Erleben des Klienten aus“ (Alterhoff, 1983, 127). Die bedingungslose positive Zuwendung bewirkt in der Beratungsbeziehung Sicherheit für die Klientin in der Hinsicht, dass eine angstfreie Atmosphäre geschaffen und es der Klientin ermöglicht wird, ihre Gedanken und Gefühle offen zu zeigen (vgl. Brem-Gräser, 1993, 89; Sickendiek et al., 2002, 130). Im folgenden Kapitel wollen wir noch weitere Fertigkeiten der Beraterin näher beleuchten, die uns besonders wichtig erscheinen. Darunter fallen zunächst die reflektierenden Fertigkeiten, die ein Erreichen von Empathie und Akzeptanz seitens der Beraterin überhaupt erst möglich machen. Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 3.2 23 Klientenanregende Beratungsaktivitäten11 Die klientenanregenden Beratungsaktivitäten, die auch reflektierende Fertigkeiten genannt werden können, sind Fertigkeiten, „die uns in die Lage versetzen, unser Verstehen der Perspektive der Klienten und ihres Bezugsrahmens mitzuteilen“ (Culley, 1996, 73). Die gesamten reflektierenden Fertigkeiten umfassen, was die Klientin gegenüber einer Beraterin kommuniziert, verbal oder nichtverbal. In all diesen Äußerungen gibt die Beraterin der Klientin zurück, was sie hört, versteht und was die Klientin ausdrückt, fügt jedoch ihre eigene Perspektive nicht hinzu (vgl. Sickendiek et al., 2002, 147). Sie sind für den gesamten Beratungsprozess wertvoll, um Vertrauen zu schaffen und die Klientin zur Selbstexploration zu ermutigen. Des Weiteren sind diese Beratungsaktivitäten geeignet, neben dem empathischen Verstehen auch das Akzeptieren mitzuteilen. Insbesondere sind solche Berateräußerungen dann sinnvoll, wenn sie sich auf gefühlsmäßige und motivationale Geschehnisse konzentrieren (vgl. Hackney et al., 1998, 61). Wichtig erscheint uns an dieser Stellte auf ein direktes, persönliches Ansprechen der Klientin hinzuweisen. Die Beraterin sollte im Beratungsgespräch darauf achten, die Rat suchende Person direkt und persönlich anzusprechen, d. h. dass sie die direkte Rede verwendet (z. B. „Wie geht es Ihnen?“). Außerdem ist es von großer Bedeutung, dass die Beraterin die Klientin ausdrücklich anspricht, indem sie Person, Situation und ihre Sichtweise betont (z. B. „ Wie sehen Sie das für ihre momentane Situation?“). Ferner sollte die Beraterin Verallgemeinerungen wie z. B. „wir“ oder „man“ vermeiden (vgl. Mutzeck, 1996, 69 f.). 11 Soweit nicht anders angegeben, beziehen wir uns in diesem Kapitel auf Culley, 1996, 73. Auch die Zweitzitationen stammen aus der angegebenen Quelle. Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 24 Als nächstes werden wir folgende reflektierende Fertigkeiten, die uns am wichtigsten erscheinen, näher beleuchten: 1) 2) 3) 4) 5) 6) Wiederholen, Paraphrasieren, Reflektieren von Gefühlen, Zusammenfassen, Bitte um Erklärung und Ansprechen nonverbalen Verhaltens. 1) Wiederholen Bei der Fertigkeit des Wiederholens gibt die Beraterin der Klientin entweder einzelne Worte oder kürzere Sätze, die sie selber verwendet hat, zurück. Unter Umständen kann dies eine wirksame Methode sein, das Gespräch zu fördern. Dazu ein Beispiel: Klientin: Beraterin: Klientin: „Ich habe das Gefühl ich werde andauernd bestraft.“ „hmhm, bestraft…“ „Also. Ich habe wirklich eine Menge Arbeit in meine Hausarbeit gesteckt und die Rückmeldung der Professorin war deprimierend. Ich war nachher total fertig! Ich denke, ich hätte eine bessere Note verdient. Und jetzt bin ich soweit, dass ich nicht mehr genau weiß, ob ich meinem eigenen Urteil überhaupt noch trauen kann.“ Die Beraterin wiederholt dabei ein Wort, in diesem Fall „bestraft“, das die Klientin im Gespräch betont hatte und das offensichtlich emotional aufgeladen war. Diese Wiederholung ermuntert die Klientin zu näheren Ausführungen und lieferte weitere Informationen über den Bezugsrahmen der Klientin. Sie wird ebenso eingesetzt, um den Focus eines Beratungsgesprächs im Auge zu behalten. Zum Beispiel: Klientin: Beraterin: Klientin: „Ich fühlte mich total überflüssig. Ich habe irgendwie niemanden gekannt. Das ist eigentlich sonst nie der Fall. Ah! Ich kannte doch jemanden, aber er war die meiste Zeit mit anderen Leuten beschäftigt…Wo war ich noch mal stehen geblieben?“ „Sie fühlten sich überflüssig.“ „Ich stand irgendwie total neben mir, ohne jedes Selbstvertrauen. Ich dachte, ich bin eben nicht so interessant wie die anderen Leute, die da waren.“ Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 25 Durch diese Wiederholung erinnert die Beraterin ihre Klientin daran, was sie zuletzt bezüglich ihres Hauptthemas gesagt hat und ermutigt sie, damit weiterzumachen. 2) Paraphrasieren Mit Hilfe des Paraphrasierens wird die Kernbotschaft einer Klientin, der wichtigste Gedanken oder das wichtigste Gefühl einer Äußerung, in den Worten der Beraterin wiederholt. Es soll der Klientin signalisieren, dass die Beraterin ihr Anliegen verstanden hat (vgl. Hackney et al., 1998, 61). Ein Beispiel dazu: Klientin: Beraterin: „Ich bin mir nicht sicher, ob ich in der Schule bleiben oder sie verlassen und mir einen Job suchen soll. Andererseits kann es ja sein, wenn ich von der Schule abgehe, dass ich gar keinen Job oder einen Job finde, der mir keinen Spaß macht.“ „Sie wissen nicht, ob sie in der Schule bleiben oder abgehen sollen.“ (vgl. Hackney et al., 1998, 61). In diesem Beispiel hat die Klientin der Beraterin zwei Gedanken mitgeteilt: In der Schule bleiben oder abgehen und die Unsicherheit, wenn sie abgeht, überhaupt Arbeit zu finden. Die Absichten, die mit dem Paraphrasieren verbunden werden können, sind folgende: Die Wahrnehmung dessen zu überprüfen, was die Klientin gesagt hat. Durch das Paraphrasieren können sowohl die Beraterin als auch die Klientin überprüfen, ob ein gemeinsames Verständnis bezüglich des besprochenen Problems besteht. Akzeptanz und Verstehen vermitteln. Diese Grundhaltung ermöglicht es, der Klientin mitzuteilen, dass die Beraterin „bei ihr ist“ und dass sie sich bemüht, ihre Sichtweise zu verstehen. Dieses Verständnis wird der Klientin noch einmal zur Überprüfung dargelegt. Wenn die Beraterin wirklich bei der Sache und bei der Person ihrer Klientin ist, bestehen gute Voraussetzungen, um diese akzeptieren und verstehen zu können. Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 26 Sammeln von Informationen, wie die Klientin sich und ihr Anliegen sieht. Paraphrasieren ist auch gut geeignet, um weitere Informationen zu sammeln. Außerdem zeigt es der Klientin, dass die Beraterin ihr folgt und Gelegenheit gibt, das zu sagen, was sie für wichtig hält. Aufbauen einer vertrauensvollen Beziehung. In der Anfangsphase einer Beratungsbeziehung ist die Klientin oft noch sehr unsicher, ob sie der Beraterin vertrauen kann und diese ihr mit Respekt begegnet. Durch das Paraphrasieren zeigt die Beraterin, dass sie sich für das Anliegen der Klientin interessiert und schafft damit eine vertrauensvolle Basis. Außerdem wird die Methode des Paraphrasierens eingesetzt, um die Klientin anzuregen, ihre Gefühle auszudrücken. Die Beraterin sollte beim Paraphrasieren bestimmte Leitlinien berücksichtigen: Die Wahrnehmung dessen, was die Klientin mitgeteilt hat, sollte als schwebende Frage angeboten werden. Es ist zu vermeiden, der Klientin etwas zu erzählen, sie zu informieren oder für sie eine Situation zu definieren. Die Beraterin sollte nicht urteilen, sondern respektvoll bleiben. Sie sollte versuchen ihre eigenen Worte zu benutzen, anstatt die Worte der Klientin einfach zu wiederholen. Es darauf zu achten, wie intensiv die Klientin ihre Gefühle ausdrückt, und es sollte versucht werden, auf eine ähnliche Ebene zu gelangen. Zu dem, was die Klientin gesagt hat, sollte nichts hinzugefügt werden. Auch sind Bewertungen oder das Angebot einer Interpretation von Seiten der Beraterin zu vermeiden. Als Beraterin ist es wichtig, bei sich selber zu bleiben und nicht vorzugeben, etwas zu verstehen, wenn dies jedoch nicht verstanden wird. Die Beraterin sollte außerdem in ihrer Vorgehensweise kurz und direkt sein. Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 27 3) Reflektieren von Gefühlen Das Reflektieren von Gefühlen ist eine paraphrasierende Antwort auf ein Gefühl, das die Klientin entweder verbal oder nonverbal mitteilt. Die Beraterin spiegelt dabei die Gefühle oder Emotionen, die in der Äußerung der Klientin enthalten sind, wider (vgl. Hackney et al., 1998, 62). Dazu ein Beispiel für das Reflektieren eines verbal ausgedrückten Gefühls: Klientin: Beraterin: „Eines meiner Hauptprobleme ist, dass ich gerne mehr aus mir herausgehen, also offener sein möchte. Aber wenn ich dann mit anderen Personen zusammen bin, fällt mir nichts ein, was ich sagen könnte. Ich habe nichts zu sagen, verstehen Sie.“ „Es ist so, wenn sie mit anderen Menschen zusammen sind, dann haben sie so ein Gefühl, dass es an Ihnen nichts gibt, was es sich zu erzählen lohnt und was andere Leute auch interessieren würde.“ (vgl. Hackney et al., 1998, 62). Ein weiteres Beispiel zum Reflektieren eines nonverbal ausgedrückten Verhaltens: Klientin: Beraterin: (Sitzt zusammengesunken auf dem Stuhl, blickt hilflos und allein gelassen nach unten auf den Boden.) „Sie wirken auf mich, als ob sie sich ziemlich hilflos und allein gelassen fühlen.“ (vgl. Hackney et al., 1998, 62). 4) Zusammenfassen Im Vergleich zu der Paraphrase, ist die Zusammenfassung wesentlich umfangreicher. Mit ihr sollen wichtige Aspekte eines Gesprächs auf eine organisierte Weise zusammengefasst werden. Nach Ivey et al. stellt die Zusammenfassung in der Anfangsphase der Beratung eine „begleitende Zusammenfassung“ dar. Sie beinhaltet das, was die Klientin gesagt hat, und enthält keine Hypothesen der Beraterin. Die Zusammenfassung ist dann besonders hilfreich, wenn sie auf kohärente Weise das wiedergibt, was die Klientin gesagt hat, und dadurch einen Rückblick auf die bisherige Beratungsarbeit ermöglicht. Dazu ein Beispiel einer möglichen Zusammenfassung, die die Beraterin am Ende der Sitzung ihrer Klientin geben könnte: Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes Beraterin: 28 „Nachdem, was Sie mir bis jetzt gesagt haben, fühlen Sie sich verärgert und wütend über die unfaire Weise, wie Sie von Ihren Eltern behandelt worden sind. Sie vergleichen sich mit Ihrer Schwester und sehen sich in dem, was Sie erreicht haben, Ihrer Schwester unterlegen.“ Mit dieser Methode wird versucht, den bisherigen Kern der Beratungssitzung zusammenzufassen. Die Zusammenfassung kann folgenden Zwecken dienen: Sie kann helfen, Inhalte und Gefühle zu klären. Die Beraterin muss sich versichern, ob sie die wirklich zentralen Punkte der Anliegen und Themen, die die Klientin ihr erläutert hat, auch erfasst hat. Des Weiteren sollte sich die Beraterin versichern, dass sie der Klientin tatsächlich ebenso genau folgt wie sie glaubt, dass sie es tut. Sie könnte dann sagen: „Ich möchte mal überprüfen, ob ich Sie wirklich verstanden habe.“ Sie liefert einen Rückblick auf die Beratungsarbeit. Eine Zusammenfassung ist eine Art Bestandsaufnahme, die der Klientin ermöglicht, entweder Missverständnisse zu korrigieren, dem Gesagten etwas hinzuzufügen oder es zu verändern. Sie hilft die Sitzung zu beenden. Wird die Zusammenfassung dazu gebraucht, um das Beratungsgespräch zu beenden, sollte dieser hinzugefügt werden, welche Aufgaben die Klientin bis zur nächsten Sitzung erledigt haben und welche Themen in der nächsten Sitzung behandelt werden sollten. Sie dient dazu, die nächste Sitzung zu eröffnen. Eine Zusammenfassung ist sehr hilfreich, um den Beginn der folgenden Sitzung zu erleichtern, da sie für die Beraterin wie für die Klientin einen gemeinsamen Start darstellen kann. Dazu ein Beispiel: Beraterin: „Ich habe mir noch mal Gedanken über unsere letzte Sitzung gemacht. Wir haben hauptsächlich davon gesprochen, dass sie sich sehr stark unter Druck gesetzt fühlen sowohl in ihrer Familie als auch bei der Arbeit. Möchten Sie dieses Thema Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 29 wieder aufgreifen oder gibt es andere Themen, die Sie heute mit mir besprechen möchten?“ Sie kann helfen, Prioritäten zu setzen und Schwerpunkte zu bilden. Die Klientin braucht eine Hilfestellung bei dem Erkennen der wichtigen Punkte ihrer Anliegen und bei der Herstellung von Prioritäten. 5) Bitte um Erklärung Oft hören sich Äußerungen der Klientin verwirrend an und die Beraterin weiß dann oft nicht, was die Klientin eigentlich sagen möchte. Daher ist es wichtig, von der Klientin diesbezüglich eine Klärung zu bekommen. Die Bitte um Erklärung stellt eine Aufforderung dar, das eben Gesagte nochmals näher zu erläutern (vgl. Hackney et al., 1998, 63). Folgendes Beispiel veranschaulicht dies: Klientin: „Wenn sie sagen „bedrückt“, was meinen Sie damit?“. „Ich glaube, ich habe da etwas nicht ganz mitbekommen. Können Sie mir das noch einmal beschreiben?“. (vgl. Hackney et al., 1998, 63). 6) Ansprechen nonverbalen Verhaltens Die Beraterin greift u. a. eine Geste oder Mimik der Klientin auf, ohne diese jedoch, wie das bei dem Reflektieren nonverbal geäußerter Gefühle geschieht, zu interpretieren. Sie teilt ihr mit, dass sie gerne die Bedeutung ihres Verhaltens kennen würde. Dazu zwei Beispiele: Beraterin: „Sie schauen mich etwas verwirrt an. Haben Sie nicht ganz verstanden, was ich meine?“. Beraterin: „Sie machen im Moment einen ruhigen Eindruck auf mich. Fühlen Sie sich jetzt auch tatsächlich ruhiger?“. Unsere Ausführungen lassen erkennen, dass die reflektierenden Fertigkeiten für verschiedene Beratungsansätze von zentraler Bedeutung sind. Sie signalisieren aufmerksames und einfühlsames Zuhören der Beraterin und ermutigen die Klientin zur Selbstexploration. Außerdem ermöglichen diese Fertigkeiten es, das Beraterverständnis von der Klientin selbst korrigieren zu las- Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 30 sen. Im folgenden Abschnitt möchten wir uns ausführlicher mit informationsorientierten Berateräußerungen beschäftigen, bei denen die Beraterin, im Vergleich zu den reflektierenden Fertigkeiten, direktiver vorgeht. Informationsorientierte Berateräußerungen12 3.3 In den informationsorientierten Berateräußerungen, auch sondierende Fertigkeiten genannt, ist die Vorstellung der Beraterin impliziert, welche Themen anzusprechen wichtig wäre. Setzt die Beraterin die Methode des Sondierens ein, geht die Kontrolle über den Inhalt des Gesprächs von der Klientin auf die Beraterin über. Es gibt Situationen im Beratungsprozess, in denen es sinnvoll ist, zusätzliche Informationen von der Klientin zu bekommen und sie zu ermutigen, spezieller und konkreter zu werden als sie es bisher war. Zu den wichtigsten Fertigkeiten des Sondierens gehören unserer Ansicht nach 1) 2) 3) 4) 5) 6) Offene Fragen, Hypothetische Fragen, Gezielte Fragen, Statements, Akzentuierung und Bitte um Erklärung. Diese werden wir im weiteren Verlauf näher erläutern. 1) Offene Fragen Sie werden von der Beraterin gestellt, um sowohl Informationen zu erhalten als auch, um die Klientin in den Prozess des gemeinsamen Suchens mit einzubeziehen. Die offenen Fragen fordern eine ausführlichere Antwort heraus als „geschlossene Fragen“ (Ja/Nein oder Vorgabe mehrerer Möglichkeiten). Sie werden in der Regel durch was, wo, wann oder wie eingeleitet. 12 ff. Soweit nicht anders angegeben, beziehen wir uns in diesem Kapitel auf Culley, 1996, 86 Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 31 Eine Klientin, die z. B. in der Beratungssitzung erzählt, dass sie sich mit ihrem Ehemann sehr oft streitet, könnte von der Beraterin folgende Fragen gestellt bekommen: „Was geschieht normalerweise, wenn Sie sich streiten?“ „Wann streiten Sie sich in der Regel?“ „Wo passiert dies gewöhnlich?“ „Wer ist normalerweise der erste, der einlenken möchte?“ 2) Hypothetische Fragen Hypothetische Fragen sind offene Fragen, die sich darauf beziehen, was in der Zukunft geschehen könnte. Sie können die Klientin dazu anregen, über ihre eigenen Gedanken und die Gedanken anderer, aber auch über Gefühle und Verhaltensweisen nachzudenken. Des Weiteren sind die hypothetischen Fragen wichtig, um der Klientin zu helfen, sich positive Ergebnisse vorzustellen oder alternative Verhaltensweisen zu überlegen. Eine Klientin, die beispielsweise ihre Angst ausdrückt, auf eine Anforderung „nein“ zu sagen, könnte wie folgt von der Beraterin gefragt werden: „Was meinen Sie, würde wohl geschehen, wenn Sie zu ihm ‚nein’ sagen würden?“ oder „Was wäre ihrer Ansicht nach das Schlimmste, das passieren könnte, wenn Sie zu ihm ‚nein’ sagen würden?“ 3) Gezielte Fragen Die Beraterin stellt gezielte Fragen, wenn sie von der Klientin ganz bestimmte Informationen bekommen möchte. Dazu ein paar Beispiele: „Wie viele Geschwister haben Sie?“ „Was machen sie beruflich?“ „Wie alt waren Sie, als sie ihr Kind bekommen haben?“ Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 32 „Haben Sie schon Vorerfahrungen mit anderen Beratungsstellen?“ (vgl. Hackney et al., 1998, 64). Im Folgenden möchten wir noch einmal kurz darstellen worauf die Beraterin achten sollte, wenn Sie ihre Fragen an die Klientin richtet, und welche Wirkung diese Fragen haben können: Wie die Beraterin fragen sollte Die Beraterin sollte der Klientin direkt, kurz und klar, ohne Umschweife und Erläuterungen sagen, was sie wissen möchte. Sie sollte, wann immer es möglich ist, der Klientin mitteilen, warum sie fragt, wie z. B.: „Ich möchte mir Klarheit verschaffen: Was ist vor einer Woche wirklich zwischen Ihnen und Ihrem Freund vorgefallen?“. Wenn die Beraterin die Antwort der Klientin paraphrasiert, besteht für sie die Möglichkeit noch einmal zu überprüfen, ob sie die Botschaft verstanden hat. Die Beraterin sollte, wann immer es möglich ist, ihre Frage mit dem, was die Klientin vorher mitgeteilt hat, durch ein Statement13 verbinden. Zum Beispiel: „Sie haben erwähnt, dass Sie sich von Ihrer Freundin angegriffen fühlten. Was haben Sie denn wirklich vorher zu Ihr gesagt?“. Die Wirkung von Fragen Die Fragen, die die Beraterin an Ihre Klientin stellt, können sowohl positive als auch negative Effekte haben. Im Großen und Ganzen haben Fragen, die zum richtigen Zeitpunkt gestellt, klar und offen formuliert werden, vorwiegend positive Effekte. 13 Auf die Bedeutung des Statements werden wir in diesem Kapitel noch näher eingehen. Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 33 Positive Effekte: Zum einen sollen die Fragen der Klientin beim Fokussieren helfen und zum anderen dabei konkret zu werden. Ein Bespiel: Klientin: „Mein Ehemann hat an allem was ich mache etwas auszusetzen. Das geht mir total auf die Nerven.“ Beraterin: „Sie scheinen sich darüber zu ärgern, da alles, was sie machen, falsch zu sein scheint.“ Klientin: „Na ja, so ist es auch wieder nicht. Nicht alles.“ Beraterin: „Wobei kritisiert er Sie dann meistens?“ Die Beraterin stellt der Klientin in diesem Beispiel zum Schluss eine offene Frage, um die Klientin anzuregen, ihre Äußerung („…an allem etwas auszusetzen…“) eindeutiger zu beschreiben. Mit Hilfe der Fragen können weitere Informationen gesammelt werden. In oben genannten Beispiel antwortet die Klientin darauf: Klientin: „Na ja, gewöhnlich kritisiert er mich, dass es viel zu unordentlich in unserem Haus wäre. Ich sollte doch mehr aufräumen. Aber da wir ja noch zwei kleinere Kinder haben, und ich auch noch halbtags arbeiten gehe, habe ich auch nicht immer Zeit, die Wohnung so sauber zuhalten, wie mein Mann sich das vorstellt.“ Die Fragen können ein neues Feld für das Beratungsgespräch eröffnen. Zum Beispiel äußert eine Klientin, dass sie sich depressiv fühlt: Beraterin: „Was sagen Sie zu sich selbst, wenn Sie deprimiert und traurig sind?“ Klientin: „Ich sage zu mir, dass mich niemand richtig versteht und dass ich mich niemals mehr anders fühlen werde als jetzt. Manchmal sage ich mir auch, dass alles so aussichtslos ist und dass das Leben für mich keinen Sinn mehr hat.“ Es ist uns wichtig, an dieser Stelle zu bemerken, dass die Beraterin den übermäßigen Gebrauch von Fragen vermeiden sollte, da sonst die Gefahr besteht, dass eine Beratungssitzung sozusagen zu einem Frage- und Antwortspiel wird, in dem wenig wechselseitiges Verstehen zwischen Beraterin Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 34 und Klientin entwickelt werden kann. Die Klientin wird in einer solchen Situation nicht die Möglichkeit und die Ermutigung finden zu sagen, was für sie wichtig ist, und wird sich schließlich zurückziehen. 4) Statements Die Statements sind oft eine mildere Form als Fragen. Insbesondere in der Anfangsphase der Beratung werden Fragen oftmals als aufdringlich erlebt. Anstatt beispielsweise zu fragen „Wie steht Ihr Ehemann eigentlich zu Ihrer Ansicht?“, könnte die Beraterin eher sagen: „Es würde mich interessieren, wie Ihr Ehemann dazu steht“. Ein Statement ist, wie die Frage auch, eine gute Methode, um Informationen zu bekommen, um den Fokus zu wechseln und um der Klientin zu helfen, konkreter zu werden. Folgende Beispiele sollen verdeutlichen, wie die Beraterin Statements verwenden kann, um einen Wechsel von Gesprächsgegenständen und Gesprächsrichtungen einzuleiten. Die Beraterin fasst zuerst kurz zusammen, was bisher gesagt worden ist, und ermutigt die Klientin dazu, fortzufahren, indem sie ein Statement benutzt. Den Fokus von Anderen auf sich selbst richten Die Klientin hat der Beraterin viel über ihre Beziehung zu Ihrem Partner mitgeteilt und wie er sie behandelt: Beraterin: „Sie haben mir eine Menge über Ihren Partner und sein Verhalten Ihnen gegenüber berichtet. Ich denke, ich habe ein klares Bild von dem, wie er sich verhält. Was ich gerne wissen würde ist, wie Sie sich daraufhin verhalten.“ Bewegung vom Vagen zum Konkreten Die Klientin hat in der Beratungssitzung von bevorstehenden Umstrukturierungsmaßnahmen in dem Unternehmen, in dem sie arbeitet, berichtet: Beraterin: „Sie haben über verschiedene Probleme, die im Zusammenhang mit der Umstrukturierung des Unternehmens, in dem Sie arbeiten, stehen, gesprochen und dabei verschiedene Personen genannt, die davon besonders betroffen wären. Ich interessiere mich dafür, um welche Probleme es sich konkret handelt.“ Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 35 Bewegung vom Diffusen zum Zentrierten Die Klientin hat im Beratungsgespräch von ihrer Beziehung erzählt und dabei mehrmals Geldprobleme angesprochen: Beraterin: „Wir haben uns darüber unterhalten, dass Sie Ihre Beziehung zu Ihrem Ehemann verbessern wollen. Sie haben dabei mehrere Dinge kurz angeschnitten. Dabei haben Sie auch Geldfragen erwähnt, und ich wüsste gerne, ob Geld für Sie einen hohen Stellenwert hat.“ Bewegung vom Inhalt zu den damit verbundenen Gefühlen Die Klientin hat der Beraterin mitgeteilt, dass sie nicht die Unterstützung in der Familie erhält, die sie sich momentan aufgrund einer Krankheit wünscht. Jedoch zeigt sie dabei kaum Gefühle: Beraterin: „Sie haben mehrfach angesprochen, wie viel Ihnen an der Unterstützung Ihrer Familie liegt. Ich denke mir, dass damit auch Gefühle verbunden sind, über die wir bislang noch nicht gesprochen haben.“ 5) Akzentuierung Mit Hilfe der Akzentuierung, d. h. eine aus ein oder zwei Wörtern bestehende Wiederholung, lenkt die Beraterin die Aufmerksamkeit auf bestimmte Inhalte der vorherigen Äußerung der Klientin. Sie wird in einem Tonfall ausgedrückt, der die Klientin darauf hinweist, dass die Beraterin etwas Bestimmtes näher erläutert haben möchte. Ein Beispiel: Klientin: „Nach dem Treffen mit meinem Ex-Freund habe ich mich total beschissen gefühlt.“ Beraterin: „Beschissen?“ (vgl. Hackney et al., 1998, 64). 6) Bitte um Erklärung Die Beraterin möchte mit der Bitte um Erklärung die Klientin zur Selbstexploration anregen. Sie sollte darauf achten, dass sie diese Bitte nicht zu selten, aber auch nicht zu oft äußert. Kann die Beraterin der Klientin nicht folgen, ist es sinnvoller, um Erklärung zu bitten, als die Klientin einfach fortfahren zu lassen. Dazu zwei Beispiele: Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 36 „Könnten Sie mir das noch einmal etwas genauer darstellen?“ „Könnten Sie mir Ihr Gefühl noch irgendwie anders beschreiben?“ (vgl. Hackney et al., 1998, 64). Neben den reflektierenden und sondieren Fertigkeiten ist auch die Fertigkeit des Konkretisierens von großer Bedeutung. Im nächsten Kapitel wollen wir deshalb näher darauf eingehen, in wieweit das Konkretisieren für den Beratungsprozess eine Rolle spielt. Konkretisieren14 3.4 Eine wichtige Aufgabe der Beraterin ist es, im Beratungsgespräch selbst konkret zu sein und der Klientin zu helfen, über ihre Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen konkret zu sprechen. Dies setzt voraus, dass die Beraterin aktiv zuhört, d. h. die verbalen und nichtverbalen Äußerungen der Klientin zu registrieren und festzustellen, auf welcher Ebene die Klientin spricht. Dadurch ist sie in der Lage, der Klientin zu helfen, auf eine spezielle Weise zu beschreiben, was sie denkt, fühlt und tut. Der einfachste Weg, die Klientin dabei zu unterstützen, konkret zu werden, besteht darin, als Beraterin selbst konkrete Beispiele anzubieten. Beispielsweise spricht eine Klientin in der Beratungssitzung darüber, dass ihr Freund ihr gesagt habe, dass sie ihre guten Leistungen im Studium oft herabsetzen würde: Beraterin: 14Soweit „Was wäre ein Beispiel dafür, wie sie Ihre Leistungen im Studium herabsetzen?“ nicht anders angegeben, beziehen wir uns in diesem Kapitel auf Culley, 1996, 101f. Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 37 Dabei handelt es sich um eine offene Frage, die bewirken soll, dass die Klientin ein konkretes Beispiel gibt. Die Beraterin könnte aber auch der Klientin ein konkretes Beispiel geben, in dem sie fragt: Beraterin: „Wenn sie sich selber sagen, dass Sie bei einer Arbeit, in der sie erfolgreich abgeschnitten haben, ein besseres Ergebnis hätten erzielen müssen, ist das dann ein Beispiel dafür, wie Sie Ihre Leistungen herabsetzen?“ Hier stellt die Beraterin der Klientin eine geschlossene Frage mit einem konkreten Beispiel. Die Beraterin sollte bei der Fertigkeit zu konkretisieren jedoch beachten, dass Klientinnen oft ängstlich werden, wenn sie aufgefordert werden, etwas genauer über sich zu reden. Klientinnen reden häufig nur vage über ihre eigenen Probleme, um sich davor zu schützen, sich zu intensiv mit diesen auseinanderzusetzen. Insgesamt wird in unseren Ausführungen zu den Fertigkeiten der Beraterin folgendes deutlich: Die Beherrschung der reflektierenden Fertigkeiten ist wichtig, um ein Verständnis dafür zu erreichen, wie die Klientinnen ihre Probleme sehen. Die sondierenden Fertigkeiten beinhalten Fragen und Feststellungen und sind hilfreich, um zusätzliche Informationen zu sammeln und den Fokus des Gesprächs zu verändern. Im Folgenden wollen wir nun auf die lösungsorientierte Kurzzeittherapie näher eingehen, die uns, wie schon in der Einleitung erwähnt, vor allem deshalb sehr interessiert, da sie sich schwerpunktmäßig auf die Lösung anstatt auf die Analyse von Problemen konzentriert. Zunächst werden wir auf das grundlegende Konzept der lösungsorientierten Kurzzeittherapie eingehen und im Anschluss daran uns mit der Vorgehensweise dieses Ansatzes ausführlicher beschäftigen. Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 4. 38 Die lösungsorientierte Kurzzeittherapie Der Weg ist das Ziel (kurztherapeutische – vormals asiatische – Weisheit) (Walter/Peller, 1996, 7). Die lösungsorientierte Kurzzeittherapie ist ein Modell, das von de Shazer, Berg und ihren KollegInnen am Brief Family Therapie Center (BFTC) in Milwaukee entwickelt und beschrieben wurde. Es handelt sich dabei um einen neueren Behandlungsansatz, der sich deutlich von anderen unterscheidet (vgl. Berg, 1992, 25). Er basiert auf einigen Vorstellungen der Familientherapie, die das Individuum im interaktionalen Kontext ihres sozialen Umfeldes betrachtet. Allerdings schlägt dieser Ansatz, von dieser Position ausgehend, eine Reihe anderer Richtungen ein. Der Hauptunterschied besteht in der Auffassung von Änderung. In der Familientherapie wird davon ausgegangen, dass die Familie alles versucht, ihre homöostatische15 Balance und ihre Grenzen zu bewahren, während die lösungsorientierte Kurzzeittherapie davon ausgeht, dass Veränderungsprozesse unvermeidlich sind und kontinuierlich stattfinden (vgl. Berg, 1992, 25). Dieses Modell betrachtet das menschliche Leben als einen Prozess ständigen Wandels, dass mit der buddhistischen Auffassung vergleichbar ist, wonach „die Stabilität nur eine Illusion ist, die aus Augenblicken besteht, die im Gedächtnis festgehalten werden“ (Berg, 1992, 26). Die lösungsorientierte Kurzzeittherapie setzt mit dieser Sichtweise den Fokus auf die Ausnahmen eines Problems. Dabei handelt es sich um jene Momente, in denen kleine Veränderungen in der Stabilität des Problemzustands auftreten. 15 Homöostase: Aufrechterhaltung eines Systemgleichgewichts (Kybernetik) (vgl. Duden, 1997, 328). Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 39 Diese Ausnahmen stellen den Schlüssel zu Problemlösungen dar. Dabei ist es einfacher, eine schon vorhandene kleine Veränderung zu vergrößern, anstatt etwas herzustellen, was noch nicht existiert (vgl. Berg, 1992, 26). Zusammenfassend lässt sich zur Vorgehensweise der lösungsorientierten Kurzzeittherapie sagen, dass das verwendet wird, was die Klientinnen mitbringen, „um ihnen zu helfen, ihre Bedürfnisse so kennen zu lernen, dass sie in der Lage sind, selbständig ein befriedigendes Leben zu führen“ (de Shazer in: Sickendiek et al., 2002, 84). 4.1 Die Grundannahmen der lösungsorientierten Kurzzeittherapie16 In diesem Kapitel möchten wir die Grundlagen des lösungsorientierten Ansatzes in Form von Hypothesen näher darstellen. Diese bilden die Handlungsgrundlage eines jeden Vorgehens und den Grundstock des lösungsorientierten Kurzzeittherapie-Modells. Hypothesen als Grundlage des lösungsorientierten Ansatzes 1) „Menschen haben alles, was sie brauchen, um ihr Problem zu lösen“ (Walter/Peller, 1996, 41). Im Gegensatz zu den Modellen, die von der Annahme ausgehen, dass Probleme sich aus Fehlern oder Dysfunktionen in der Struktur des Individuums oder der Familie herleiten lassen, betont die spezifische ERICKSONsche Annahme die Fähigkeit eines jeden Individuums oder jeder Familie, das Problem selbst zu lösen und einen Handlungsablauf zu verändern. Diese Annahme beinhaltet den Glauben, dass 16 Soweit nicht anders angegeben, beziehen wir uns in diesem Kapitel auf Walter/Peller, 1996, 27 ff. Auch die Zweitzitationen stammen aus der angegebenen Quelle. Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 40 „jedE fähig ist, das zu tun, was sie tun muß, um das zu bekommen, was sie möchte (Walter/Peller, 1996, 42). Nach dem Verständnis dieses Ansatzes bestehen Probleme in der Art und Weise, „wie Menschen ihre Situation definieren und wie sie an fehlgeleiteten Handlungen festhalten (Walter/Peller, 1996, 42). 2) „Therapie ist ein ziel- oder lösungs-orientiertes Vorhaben – mit der Klientin als Expertin“ (Walter/Peller, 1996, 46). Bei den Modellen der Beurteilung (assessment) oder Diagnose, in denen der Therapeutin die Rolle der Expertin zugeordnet ist, beobachtet diese vorhandene Symptome bei der Klientin, führt Untersuchungen im Hinblick auf diese durch, stellt eine Diagnose und verschreibt darauf schließlich einen Behandlungsplan. Im Gegensatz dazu, liegt beim lösungsorientierten Ansatz die Expertenrolle und die Verantwortung auf der Seite der Klientin. Der Schwerpunkt besteht darin, als Therapeutin der Klientin dabei zu helfen, die von ihr bestimmten Ziele so genau wie möglich zu definieren. Die Klientinnen sind demnach „Expertinnen für das, was sie ändern und zu bestimmen, woran sie arbeiten wollen“ (Walter/Peller, 1996, 47). Wenn die Therapeutin andere Probleme entdeckt oder meint, die Klientin sollte ein anderes Ziel anstreben, kann sie das der Klientin vorschlagen, allerdings liegt die Entscheidung, ob die Ziele in Richtung der Erkenntnis der Therapeutin verändert werden, letzten Endes bei der Klientin. Demzufolge sollte sich die Therapeutin weiterhin auf die Ziele konzentrieren, die die Klientin bestimmt hat. Im Rahmen dieses Ansatzes, mit der Klientin als Expertin, ist die Unterscheidung von freiwilliger und unfreiwilliger Klientin von zentraler Bedeutung. Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 41 Kommt eine Klientin beispielsweise unfreiwillig in die Therapie, erkundet die Therapeutin, ob es trotz dieser erzwungenen Umstände möglich ist, Ziele zu definieren. 3) „Eine Ausrichtung auf das Positive, auf die Lösung und auf die Zukunft erleichtert eine Veränderung in die gewünschte Richtung. Deshalb soll man sich auf lösungs-orientiertes und nicht auf problem-orientiertes Sprechen konzentrieren“ (Walter/Peller, 1996, 27). Diese Grundannahmen lassen sich mit folgendem Beispiel noch einmal verdeutlichen: Angenommen, man beobachtet Hürdenläuferinnen, wie sie sich auf ihren Lauf vorbereiten. Es ist in der Regel so, dass die Athletinnen auf der Bahn stehen und sich mental auf ihr Rennen einzustimmen, indem sie z. B. mit geschlossenen Augen ihren späteren Lauf visualisieren. Dabei schaffen sie ein Bild von sich selbst, wo sie genau das tun, was sie im nächsten Moment (im Wettkampf) tun wollen, gehen dann selbst in dieses Bild hinein, um zu fühlen und zu erleben, wie es ist, ein erfolgreiches Rennen zu machen. Im lösungsorientierten Gespräch laufen dieselben Prozesse ab. Die Therapeutin lässt sich im Gespräch mit der Klientin auf das ein, was die Klientin tut, was sie tun wird, was sie tun will und was gegebenenfalls schon funktioniert. Die Klientin formt dabei mentale Repräsentationen von sich selbst, wie sie das Problem löst. 4) „Ausnahmen zu jedem Problem können von TherapeutIn und KlientIn erschaffen und zur Konstruktion von Lösungen benutzt werden“ (Walter/Peller, 1996, 29). Häufig stecken Klientinnen in einer ganz bestimmten Erwartung fest, wie eine Lösung aussehen soll. Lösungsalternativen werden nicht erkannt oder als nicht relevant angesehen. „Ausnahme“-Zeiten, in denen ein Problem nicht besteht oder dessen Auswirkungen nicht spürbar sind, werden als irrelevant hinsichtlich der Problemlösung angesehen, da solche Zeiten nicht lange ge- Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 42 nug andauern, oder ihrer Ansicht nach keine „wirklichen“ Lösungen darstellen. Die Aufgabe der Therapeutin besteht darin, gemeinsam mit der Klientin solche „Ausnahme“-Zeiten aufzuspüren und zu konstruieren. Auf diese Weise hilft die Therapeutin der Klientin, ein Gefühl von Kontrolle über das zu entwickeln, was ein unlösbares Problem zu sein schien. 5) „Änderung tritt immer auf“ (Walter/Peller, 1996, 32). Nach dem Philosoph Heraklit kann man nicht zweimal in denselben Fluss steigen. Dieser Satz macht deutlich, dass Ereignisse und Sachen sich ständig ändern. Die Therapeutin sollte, wenn sie Äußerungen über die Probleme der Klientin macht, sich diese Erkenntnis immer wieder vor Augen halten. Macht beispielsweise die Therapeutin die Aussage „Die Klientin ist alkoholabhängig“ beinhaltet dies immer etwas Unveränderliches und die Therapeutin versetzt die Klientin damit in die Lage des Ausgeliefertseins und einer gewissen Endgültigkeit. Zugleich zwingt eine solche Aussage die Therapeutin dazu, Erklärungen zu finden, wie diese Klientin wieder „alkohol-unabhängig“ wird. Es ist wesentlich hilfreicher und sinnvoller, davon auszugehen, dass Änderung immer stattfinden kann. Demnach besteht die Aufgabe der Therapeutin darin, der Klientin beim Aufspüren und Auswählen solcher Änderungen und Entwicklungswege zu helfen. Die Therapeutin sollte im Gespräch mit der Klientin darauf achten, die Verbformen „zeigen“, „werden“, „scheinen“ oder „handeln“ anstatt die Verben „sein“ oder „ist“ zu verwenden. Die Aussage „die Klientin zeigt süchtiges Verhalten“ impliziert die Möglichkeit zur Veränderung dieses Verhaltens und verdeutlicht, dass es sich dabei nicht um etwas Endgültiges handelt. Durch die Grundannahme, dass es „Ausnahme“-Zeiten gibt und diese konstruierbar sind, wird eine solche Veränderbarkeit und Nicht-Endgültigkeit noch einmal hervorgehoben. Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 43 6) „Kleine Änderungen führen zu größeren Änderungen“ (Walter/Peller, 1996, 35). Mit dieser Grundannahme wird darauf hingewiesen, dass eine Klientin, die einen (kleinen) Erfolg erlebt hat, indem sie etwas bewältigen konnte, sich in einem Zustand befindet, der leichteren Zugang zu ihren Ressourcen ermöglicht, um Lösungsmöglichkeiten für weitere, schwierigere bzw. größere Probleme zu finden. Danach erscheinen der Klientin die größeren Probleme nicht mehr so unlösbar, als wenn sie der Annahme ist, dass die großen und schwierigen Probleme nur durch entsprechend groß angelegte Lösungen bewältigt werden können. Das Vertrauen auf die Wirkung der kleinen Veränderungen bedeutet auch, „dass Probleme nur genau so groß sind, wie unsere Definitionen von ihnen“ (Walter/Peller, 1996, 37). Jedes Problem, groß wie klein, kann Schritt für Schritt mittels kleiner Veränderungen gelöst werden. 7) „KlientInnen sind immer kooperativ. Sie zeigen uns ihre Überzeugung, wie Änderung eintreten kann. Wenn wir ihr Denken und Handeln zutreffend verstehen, ist Kooperieren unvermeidlich“ (de Shazer, Gilligan in: Walter/ Peller, 1996, 38). Bandler und Grinder (1979) sind der Ansicht, es gäbe keine widerspenstigen Klientinnen, sondern nur unflexible Therapeutinnen. Handelt eine Klientin nicht nach den Vorstellungen der Therapeutin, wird nicht davon ausgegangen, dass die Klientin nicht oder noch nicht zur Problemlösung bereit sei. Die Klientin zeigt dadurch vielmehr, dass ihr Verhalten aus ihrer Sicht, das Beste darstellt, was sie zum momentanen Zeitpunkt tun kann. Eine weitere Annahme des lösungsorientierten Ansatzes ist, dass Klientinnen immer bereit sind ihre Probleme, vorausgesetzt sie haben ein Verhalten als problematisch definiert, zu lösen. Kooperation bedeutet demnach, dass Therapeutinnen flexibel genug sein Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 44 müssen, sich auf das verschiedene Problemlösungsverhalten der Klientinnen einzulassen und es in dieser Weise zu nutzen. 8) „Bedeutung und Erfahrung sind interaktional konstruiert. Bedeutung ist die Welt (bzw. das Medium), in der wir leben. Wir verleihen unserer Erfahrung eine Bedeutung, und im selben Moment ist Bedeutung auch Teil unserer Erfahrung. Bedeutung wird uns nicht von außen aufgezwungen oder bestimmt. Wir informieren unsere Welt durch Interaktion“ (Walter/Peller, 1996, 42). Mit dem Wort „informieren“ ist gemeint, dass „wir unserer Erfahrung und unserer Existenz sozial und individuell eine Form geben, dass Bedeutung relativ ist in Hinblick auf die teilnehmende Beobachterin“ (Walter/Peller, 1996, 43). Verhaltensweisen werden individuelle Bedeutungen zugeschrieben, die sehr unterschiedlich ausfallen können. Beispielsweise kann eine erhobene Hand für verschiedene Personen unterschiedliche Bedeutungen haben: Im Unterricht in der Schule ist sie für die Lehrerin ein Zeichen für eine gewünschte Wortmeldung, eine Taxifahrerin nimmt an, dass eine Person am Straßenrand ein Taxi benötigt und sie anhalten soll, usw. Obwohl es physisch immer die gleiche Geste ist, kann „die rechte Hand erheben“ viele unterschiedliche Bedeutungen haben. Diese Geste hat in unterschiedlichen Kontexten verschiedene Bedeutungen, die neben der Beobachterin auch von der handelnden Person „in-formiert“ werden. Demzufolge gibt es keine richtige oder falsche Bedeutung bzw. eine Fehlwahrnehmung ist nicht möglich: „Bedeutung lässt sich nicht von der Erfahrung oder von der Person, die Bedeutung zuschreibt, trennen“ (Walter/Peller, 1996, 43). Im Beratungsprozess treten alle Probleme, Ziele, Lösungen im Bereich der Bedeutung auf und sind zugleich auch selber Bedeutungen. Das Ändern der Bedeutung ist eine Änderung der Erfahrung. Für die Klientin kann eine Ände- Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 45 rung bedeuten, dass ein Problem nicht länger besteht, dass die Möglichkeit gegeben ist, etwas anderes zu tun oder das zu tun, was sie will. 9) „Handlungen und Beschreibungen sind zirkulär“ (Walter/Peller, 1996, 44). Zwischen Problem- oder Zielbeschreibung, dem Ergreifen einer bestimmten Handlung, der Beschreibung dieser Handlung und der Ergebnisse, der weiteren Wahl von anschließenden Handlungen, usw. besteht eine zirkuläre Beziehung. Ein bestimmtes Verhalten wird beschrieben, gedeutet oder gewertet und die reaktive Handlung, die man anschließt, auf diese Beschreibung abgestimmt. Daraufhin erhält man eine Rückmeldung auf diese gewählte Handlung, die, verglichen mit der zuvor getroffenen Beschreibung, als Erfolg oder Misserfolg gewertet werden kann. Bei unterschiedlicher Beschreibung des gleichen Verhaltens werden wahrscheinlich andere Handlungen und daraufhin vermutlich andere Rückmeldungen und Wertungen der Rückmeldung erfolgen. 10) „Die Bedeutung einer Botschaft ist die Antwort, die Sie erhalten“ (Bandler & Grinder, Dilts et al. in: Walter/Peller, 1996, 45). Das vorherige Beispiel mit der erhobenen Hand lässt erkennen, dass es keine absolute Bedeutung einer Geste gibt. Man kann von einem Missverständnis reden, wenn einer Geste oder Handlung eine vom Handelnden abweichende Bedeutung zugeschrieben wird. Die Verantwortung wird nun bei der deutenden Therapeutin gesehen, die Geste oder Handlung richtig zu verstehen. In der lösungsorientierten Beratung liegt die Verantwortung über eine klare Kommunikation (verbale und nonverbale) bei der Therapeutin. Ihre Aufgabe besteht darin, bei Bedeutungen der Klientin, die von ihren Absichten abweichen, „etwas anders zu machen“. Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 46 11) „Jede Äußerung, wie KlientInnen ein Ziel (eine Lösung) beschreiben und / oder was sie tun, beeinflusst zukünftige Interaktionen aller Beteiligten“ (Walter/Peller, 1996, 48). Die Therapeutin ist bei der lösungsorientierten Kurzzeitherapie stets bemüht, eine prozess-orientierte, zirkuläre Sichtweise von Lösungen zu erlangen und aufrecht zu erhalten: „[…] wir (richten) unser Augenmerk auf den rekursiven Prozess, wie man eine Situation definiert, was man tut, wie man das dann definiert, was man dann tut usw.“ (Walter/Peller, 1996, 49). Davon ausgehend lässt sich feststellen, dass jede Änderung an irgendeinem Punkt des Interaktionsprozesses, alle folgenden Interaktionen verändert. Im weiteren Verlauf unserer Arbeit möchten wir die genaue Vorgehensweise der lösungsorientierten Kurzzeittherapie noch näher beleuchten. Wichtig sind uns diesbezüglich folgende Aspekte: Die Dauer der Kurzzeittherapie, der formale Ablauf einer Sitzung, die Haltung der Therapeutin und das Interview und die dafür typischen Fragen. Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 4.2 47 Zur Vorgehensweise der lösungsorientierten Kurzzeittherapie17 4.2.1 Die Dauer der Kurzzeittherapie Der lösungsorientierte Ansatz stellt eine typische Form der Kurzzeittherapie dar. De Shazer hat aber wiederholt hervorgehoben, dass es den lösungsorientierten Therapeutinnen nie um die Kürze an sich gehe. Therapien, die auf dem lösungsorientierten Ansatz aufbauen, nehmen zwangsläufig meist nur einen kürzeren Zeitraum in Anspruch, jedoch wird die Kürze nicht zwanghaft angestrebt. Im Gegenteil: Vor allem de Shazer mahnte stets auch zu einer nötigen Langsamkeit. Die Kürze der lösungsorientierten Therapie hängt u. a. mit der Annahme der Therapeutinnen zusammen, dass ein Wandel der Situation ihrer Klientinnen relativ schnell erfolgen kann, d. h. sie trauen ihnen eine rasche und signifikante Änderung zu. Allerdings sind Kurzzeittherapeutinnen auch durchaus bescheidener hinsichtlich dieser Veränderungen. Ihnen reichen kleine Änderungen, die aber für die Klientinnen oft harte Arbeit bedeuten, aus, da sie der Ansicht sind, dass diese Veränderungen in der Form eines Schneeballeffekts weitere Veränderungen auslösen können. Zudem sind Kurzeittherapeutinnen auch dazu bereit, ihre Klientinnen früher zu einer Beendigung der Therapie zu ermutigen, da ihrer Meinung nach nicht alles innerhalb des Therapieprozesses erreicht werden muss. Sobald die Klientinnen einen Lösungsweg gefunden haben, können sie den Rest dieses Weges durchaus auch alleine weiterverfolgen. Kurzzeittherapeutinnen sind üblicherweise eher lokal orientiert, d. h. es geht ihnen bereits in der Zielkonstruktion eher um Veränderungen im aktuellen Handeln und Bewältigen der Klientin. 17 Soweit nicht anders angegeben, beziehen wir uns in diesem Kapitel auf Kaimer, Internetartikel, 1998. Auch die Zweitzitationen stammen aus der angegebenen Quelle. Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 48 Im Gegensatz dazu stehen im Rahmen mancher Langzeittherapien oftmals recht generelle Ziele der Persönlichkeitsveränderung im Vordergrund. In einigen Fällen werden relativ bald größere Abstände zwischen den einzelnen Therapiesitzungen vereinbart, was dann unter Umständen auch zu langen Kurzzeittherapien führen kann. 4.2.2 Der formale Ablauf einer Sitzung Der typische Ablauf einer Sitzung der lösungsorientierten Therapie gliedert sich in drei Teile. Der erste Teil besteht aus einem ca. 40–minütigen Interview18 mit allen Personen, die zu der Sitzung gekommen sind (z. B. Klientin mit ihrem Partner). Die Therapeutin klärt am Ende dieses Interviews ab, dass auch wirklich alles Wichtige gesagt werden konnte. Danach zieht sie sich für etwa 10-15 Minuten zu einer Besprechung mit dem Team zurück. Nach ihrer Rückkehr teilt sie der Klientin mit, was das Team bezüglich ihrer Schilderungen erarbeitet hat. Diese Rückmeldung ist als Botschaft des Teams verfasst und wird üblicherweise nicht noch mal näher besprochen oder diskutiert, außer es handelt sich dabei um Verständnisfragen. Sollte die Klientin noch etwas zu den einzelnen Punkten bemerken oder auch etwas kritisieren, so wird dies respektiert. Die Rückmeldung des Teams wird als derzeitige Sichtweise im Therapieprozess verstanden, die aber durchaus nicht auf Dauer die „richtige“ sein muss. 4.2.3 Die Haltung der Therapeutin Wer eine Sitzung der lösungsorientierten Therapie beobachtet, dem fällt als erstes die freundliche aber äußerst hartnäckige Art der Therapeutin auf, Fragen zu stellen. Dabei handelt es sich um Fragen, 18 Auf das „Interview“ werden wir im Abschnitt 4.2.4 noch ausführlich eingehen. Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 49 „die auf Ressourcen zielen, auf Bewältigungen, auf Schritte, die in die erwünschte Richtung gemacht wurden“ (Kaimer, Internetartikel, 1998). Beginnen die Klientinnen dann, ihre Erfahrungen und bisherigen Bemühungen zu schildern, reagiert die Therapeutin auf diese manchmal mit anerkennenden Äußerungen, jedoch geschieht dies eher auf nonverbale als auf verbale Weise. Genaues Nachfragen seitens der Therapeutin hinsichtlich der Stärken, guter Ideen und der Selbstmotivation der Klientin führen dazu, dass Klientinnen anfangen, sich selbst anzunehmen und eigene Fähigkeiten oder erste Fortschritte konkreter wahrzunehmen. Folgendes Beispiel von Kaimer veranschaulicht dies unserer Ansicht nach sehr deutlich: „Auf die Schilderung einer Klientin bezüglich der Bewältigung einer schwierigen Begegnung in der letzten Woche, reagiert die Therapeutin nicht mit Lob und Anerkennung, sondern mit Nachfragen bezüglich der aktivierten Ressourcen, so dass das Besondere dieser Sache betont und die Aufmerksamkeit der Klientin erhöht wird. Dies führt nahezu zwangsläufig dazu, dass die Klientin die Schilderung eigener Kompetenzen und Ressourcen ausweitet“ (Kaimer, Internetartikel, 1998). Auffallen würde der Beobachterin wahrscheinlich auch, wie konzentriert die Therapeutin sich in einer neugierigen und interessierten Haltung diesen Prozessen der Klientin, die mit Änderungen und Wandel zu tun haben, zuwendet. Außerdem würde sie bemerken, dass die Therapeutin Klagen oder Beschwerden der Klientin anerkennend und respektvoll Raum bietet, diese jedoch weder herausfordert noch verstärkt. Sie geht einfach nicht darauf ein, es sei denn die Klientin betont, dass die Notwendigkeit über ihr Problem zu reden, Teil ihrer Lösung sein werde. Daraus resultiert auch eine gewisse Unbeschwertheit die oftmals erst am Ende einer Sitzung auffällt. Alle aktiven Angebote der Therapeutin beziehen sich auf neue Handlungsmöglichkeiten für die Klientin. Hervorstechen müsste für die Beobachterin auch die Genauigkeit, mit der die Therapeutin die Klientin befragt, so dass Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 50 „im Idealfall ein lebhaftes Bild konkreter Zukunft vor ihren Augen entstehen müsste“ (Kaimer, Internetartikel, 1998). Schließlich müsste der Beobachterin auffallen, dass nie versucht wird, der Klientin etwas im Sinne von „aber da müssen sie doch“ oder „da gibt es jetzt die Strategie“ etc. vorzuschreiben. Die Klientinnen werden in ihrer Sichtweise äußerst ernst genommen: „Es wird nie eine Aussage angezweifelt, es sei denn verschiedene Aussagen oder nonverbale Botschaften widersprechen sich. Und auch dann ist es weniger Zweifel, der angemeldet wird, sondern eher eine Haltung der Neugierde, des Wunsches nach Erklärung für diesen (scheinbaren) Widerspruch, der gezeigt wird“ (Kaimer, Internetartikel, 1998). Hinsichtlich der Beziehungsgestaltung orientieren sich die Therapeutinnen an einer relativ einfachen Beziehungsmusterunterscheidung: „Sie loten einfach aus, welche Art von Aktivität zur Änderung der präsentierten Beschwerde momentan anschlussfähig ist, wo Entwicklungspotential besteht, wer wie mit einbezogen werden müsste, welche Sichtweisen dafür hinderlich welche eher förderlich sind“ (Kaimer, Internetartikel, 1998). Besonders wichtig erscheint uns diesbezüglich Kaimers Verweis darauf, dass diese Unterscheidung durchaus zeit- und personenabhängig ist und keinesfalls „als Zuschreibung an die Klienten im Sinne einer Typologie verstanden werden darf“ (Kaimer, Internetartikel, 1998). Im Folgenden möchten wir uns näher mit dem Interview und den laut Kaimer dafür „typischen Werkzeugen“, den fünf Fragetypen (im englischen Original als „five useful questions“ bezeichnet) auseinandersetzen. Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 4.2.4 51 Die „Werkzeuge“ im Interview Zu den „five useful questions“ zählen die 1) Einladungsfragen, 2) Wunderfragen, 3) Ausnahmefragen, 4) Skalierungsfragen und 5) Bewältigungsfragen, auf die wir im Folgenden näher eingehen werden. 1) Einladungsfragen Klientinnen kommen aus den verschiedensten Gründen und mit den unterschiedlichsten Anliegen in die Therapie. Dabei kann es für die Therapeutin sehr schwierig sein, heraus zu finden, warum die Klientin kommt, was sie sich davon verspricht und ob sie vielleicht von jemand anderem „geschickt“ wurde (z. B. der Partner, Eltern etc.). Um ihre Arbeit gut machen zu können, müssen lösungsorientierte Therapeutinnen genau wissen, welche Erwartungen ihre Klientinnen haben, mit welchem Anliegen („Auftrag“) sie beispielsweise von ihrem Partner geschickt worden sind. Bevor die Therapeutin nun weiter aktiv wird, sollte sie sehr sorgfältig klären, unter welchen Bedingungen die Sitzung für die Klientin nützlich sein wird und was passieren müsste, damit sie am Ende zufrieden sein kann. Falls eine andere Person sozusagen als „Auftraggeber“ die Klientin „geschickt“ hat, sollte die Therapeutin versuchen, die Ziele des „Auftraggebers“ mit denen der Klientin zu verknüpfen. Dies geschieht häufig mittels zirkulärer Fragen. Eine solche Frage könnte z. B. folgendermaßen aufgebaut sein: „Da nun ihr Partner die Idee hatte, dass Sie hierher kommen sollen, was denken Sie müsste geschehen, damit ihr Partner keine Notwendigkeit mehr sieht, dass sie diese Therapie machen?“. Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 52 Es erscheint uns wichtig zu betonen, dass für die Therapeutin vor allem das Anliegen der Klientin im Mittelpunkt der Sitzung stehen sollte. 2) Wunderfragen Ein Weg das Therapiegespräch lösungs- und nicht problemorientiert zu gestalten, bietet sich durch das Annehmen hypothetischer Lösungen, den so genannten Wunderfragen. Diese Vorgehensweise erhält vor allem dann besondere Bedeutung, wenn es den Klientinnen schwer fällt, ihre Ziele in einem positiven Rahmen darzustellen und sie ihre Situation nur auf dem Hintergrund ihres Problems sehen. Mittels dieser Wunderfragen soll es den Klientinnen leichter gemacht werden, sich von ihrem eingeengten Problemverständnis zu lösen. Die Grenzen ihrer Problemdefinition beschränken oft die Möglichkeiten der Klientin, Lösungswege zu erkennen und einzuschlagen. Die Wunderfrage gilt als Universalwerkzeug zur Konstruktion von Wunschbildern und hat sich innerhalb der lösungsorientierten Kurzzeittherapie sehr bewährt. Einerseits hilft sie, das anfangs dargestellte Problem von einer erwünschten Lösung loszulösen, um eine Einengung möglicher Lösungsräume zu verhindern. Andererseits können mit Hilfe dieser Technik neue Verhaltens- und Interaktionsbereiche bestimmt und in einem anschließenden Prozess ein anschauliches Bild einer erwünschten und oft auch schon realisierbaren Zukunft entwickelt werden. Durch die Wunderfrage wird versucht, die Klientin automatisch in eine Situation zu versetzen, in der ihr Problem gelöst ist bzw. gelöst werden kann. Die Fragestellung muss dabei der Weltansicht der Klientin entsprechend angepasst werden. Die Wunderfrage sollte zunächst als offene Frage gestellt werden und danach kontinuierlich spezifiziert werden (vgl. Mücke, 2003, 299). Akzeptiert die Klientin die Vorstellung eines Wunders, kann die Wunderfrage beispielsweise wie folgt gestellt werden: „Ich habe eine schwierige Frage, sie braucht zu ihrer Beantwortung Phantasie...(Pause)...Stellen Sie sich vor,...(Pause)...Sie verrichten nach diesem Gespräch wie gewohnt Ihre Alltagsgeschäfte...(Pause)...und legen sich heute Abend zu Ihrer üblichen Zeit Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 53 ins Bett, schlafen ein, und über Nacht passiert ein Wunder...(kurze Pause)...und das Problem (die Probleme), wegen dessen (derer) Sie hierher in die Therapie gekommen sind, ist (sind) verschwunden. ...(Pause)...Das passiert, während Sie schlafen. Sie haben also nicht bemerkt, dass dieses Wunder eingetreten ist. Woran werden Sie es bemerken, nachdem Sie aufgewacht sind?...(Pause)...“ (de Shazer in: Mücke, 2003, 299). Mücke weist diesbezüglich darauf hin, dass es wichtig ist der Klientin nicht zu suggerieren, dass alle ihre Probleme verschwunden sind, da die Therapeutin ansonsten vollkommen unbrauchbare Antworten auf die Wunderfrage erhalten würde (vgl. Mücke, 2003, 299). Nach der allgemeinen, offenen Formulierung der Wunderfrage kann die Therapeutin die weiteren Fragen spezifischer formulieren. Einige solcher Fragestellungen könnten beispielsweise wie folgt lauten: Was würde Ihnen durch den Kopf gehen? Was würden Sie zu sich selber sagen? Was würden Sie dann als erstes tun? Wer würde es zuerst in Ihrer Umgebung bemerken? Woran würde er/sie es merken? Wie würde er/sie darauf reagieren? (vgl. Mücke, 2003, 299). Die Therapeutin sollte darauf achten, dass die Antworten der Klientin prozessorientiert ausfallen, d. h. dass die Klientin Handlungsmöglichkeiten beschreibt und nicht vollendete Tatsachen als Antworten formuliert. Dabei ist Kaimer der Ansicht, dass „die Art, wie die Wunderfrage gestellt wird, viel von der Haltung des Therapeuten verrät, die bezüglich der präsentierten Probleme eingenommen wird, wie veränderbar bestehende Konstellationen eingeschätzt werden, welche Ressourcen man den KlientInnen zutraut etc. Je weniger der Therapeut zu wissen glaubt, desto leichter ist es, optimistisch zu sein, hinsichtlich irgendeiner Lösung“ (Kaimer, Internetartikel, 1998). Wunderfragen sind auf jeden Fall die bedeutendste Form, die zugrunde liegende Zielperspektive des lösungsorientierten Ansatzes auszudrücken. Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 54 Dabei ist es uns wichtig zu erwähnen, dass diese hypothetischen Lösungen nicht nur am Anfang einer Therapie eingesetzt werden, sondern die Wunderfrage durchaus öfter im Laufe einer Therapie auftauchen oder wieder aufgegriffen werden kann. 3) Ausnahmefragen Ausnahmefragen richten sich nach Zeiten oder Situationen, in denen unerklärlicherweise das Problem nicht auftrat oder lediglich abgeschwächt zum Vorschein kam. Es geht darum, dieses Ereignis zu erklären und die Tatsache, dass es auftreten konnte, zu etwas Wiederholbarem zu machen. Mücke definiert Ausnahmefragen folgendermaßen: „Fragen nach den Ausnahmen vom Problem fokussieren sofort auf die bereits erfahrene Lösung und die Kompetenzen, die zur Erreichung einer Lösung bereits gezeigt wurden“(Mücke, 2003, 299). Die Therapeutin stellt dann meist Fragen, die beispielsweise wie folgt lauten: Wie kam denn das? Wem ist das denn noch aufgefallen? Was haben Sie denn da gemacht, dass das möglich war? Laut Kaimer geht es bei diesen Fragen „um eine Haltung der gemeinsamen Neugier und des Interesses für diese Phänomene, die sonst untergehen oder übersehen werden“ (Kaimer, Internetartikel, 1998). Zur Verdeutlichung führt Mücke dafür folgendes Fragebeispiel an: „Wann war Ihr Alkoholproblem gar nicht, weniger häufig, weniger intensiv etc. vorhanden? Was zeigte sich da? Was haben Sie gemacht? Wie haben Sie es damals geschafft, nüchtern(er) zu sein? Wie haben die für Sie relevanten Personen reagiert?“ (Mücke, 2003, 299). Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 55 Kommen die Therapeutin und die Klientin auf keine Ausnahme gibt es immer noch die Möglichkeit, eine hypothetische Ausnahme zu konstruieren, d. h. sich zu fragen, unter welchen Bedingungen ein kleiner Schritt in die richtige Richtung möglich und vorstellbar ist, bzw. wäre. Allerdings weist Kaimer in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es sich empfiehlt, „den Weg der hypothetischen Ausnahmen erst nach Konstruktion von Skalen als Bezugspunkte zu gehen, um auf diese Weise gut dosierte Angebote machen zu können“ (Kaimer, Internetartikel, 1998). Auf Skalen und Skalierungsfragen werden wir nun im folgenden Abschnitt näher eingehen. 4) Skalierungsfragen Skalierungsfragen sind nach der Ansicht von Mücke Fragen, „mit denen minimale Unterschiede in der Bewertung des Erlebens eines Menschen verdeutlicht werden können“ (Mücke, 2003, 302). Es geht dabei um die Konstruktion einer zentralen Zielskala, deren Enden einerseits durch das Wunder (üblicherweise die 10) andererseits durch den Entschluss, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen (die 1) oder alternativ den schlechtesten Stand (die 0) bestimmt sind. Hieran wird dann auch der aktuelle Stand geschätzt, was die Möglichkeit eröffnet, erste Fortschritte oder Änderungen wahrzunehmen, auch, wenn sie nur minimal sind. Typische Skalierungsfragen können beispielweise wie folgt lauten: Angenommen, Sie würden Ihr momentanes Wohlbefinden/die Annäherung an Ihr Ziel auf einer Skala von 0 bis 10 einordnen, wo wären Sie jetzt, und wo auf dieser Skala befanden Sie sich bei unserem ersten Gespräch? Angenommen, Sie würden Ihr Wohlbefinden um 1 Punkt auf dieser Skala steigern wollen, was müssten Sie dann tun? Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 56 Was müsste passieren, damit Sie sich auf dieser Skala um 2 Punkte verschlechtern? (vgl. Mücke, 2003, 303). Skalierungsfragen erleichtern es den Klientinnen, ihre Aufmerksamkeit auf bisher erreichte Fortschritte zu richten. Zudem sind sie ein sehr geeignetes Mittel, um die Therapie bezüglich ihrer Wirksamkeit und ihres Erfolges einzuschätzen, da Fortschritte aber auch eine Stagnation oder Verschlechterungen schnell erfasst werden können (vgl. Mücke, 2003, 303). In der Regel hat sich zwischen dem Anruf bei der Therapeutin und dem tatsächlichen ersten Gesprächstermin bereits schon eine Verbesserung des Problems der Klientin eingestellt, da die meisten Klientinnen in einer Situation um Hilfe bitten, in der das Problem als besonders belastend erlebt wird. Durch ihr Aktivwerden und die Aussicht auf professionelle Hilfe wird die Hoffnung auf eine positive Veränderung geweckt, so dass sich das erlebte Befinden auf der Zentralskala um 2 bis 3 Punkte steigert. Diese Verbesserung des Wohlbefindens sollte die Therapeutin dann sofort im Erstgespräch nutzen (vgl. Mücke, 2003, 303). Die Zentralskala erlaubt es auch, gleich zu Beginn der Beratung ein Ende zu markieren, an dem keine Hilfe durch die Therapeutin mehr nötig sein wird, da ein Erreichen der 10 innerhalb der Therapie weder notwendig noch sinnvoll ist. Neben der Zentralskala können auch noch eine Vielzahl anderer zweckmäßiger Skalen gestaltet werden, die beispielsweise mit Energie und Investitionsbereitschaft, mit Zuversicht oder Hoffnung, aber auch mit diversen anderen für die Problemlösung relevanten Themen und Zielen zu tun haben können. Da es immer wieder Klientinnen gibt, die Schwierigkeiten mit dem Verständnis dieser Skalen haben bzw. diese im Sinne einer fixierenden Messung und Bewertung missverstehen, empfiehlt Kaimer die Verdeutlichung anhand alternativer Orientierungsmöglichkeiten wie z. B. die Farben des Regenbogens oder die Tonleiter. Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 57 5) Bewältigungsfragen Manchmal sind Klientinnen aufgrund äußerst schwerer Belastungen noch nicht in der Lage, lösungsorientierte Perspektiven mitzugestalten. Für diese schlechten Phasen bieten sich dann Fragen an, die sich mit dem offensichtlichen nicht zu leugnenden Alltag der Klientin, mit der Tatsache, dass sie in die Therapie kommen und dass sie den Kampf gegen ihre Probleme nicht aufgegeben haben, beschäftigen. Laut Kaimer bezieht sich das von der Therapeutin geforderte Fingerspitzengefühl hier auf „die Balance zwischen Bestätigung der ausgedrückten Klage und beharrlicher Wahrnehmung von Bewältigung innerhalb dieses Leids“ (Kaimer, Internetartikel, 1998). Die Therapeutin kann kaum erwarten, dass Klientinnen in einer solchen Phase mit Begeisterung auf Konstruktionsangebote einsteigen werden, aber es wird damit eine Basis der Ermutigung und der Selbstbestimmung im eigenen Leben geschaffen. Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 4.3 58 Der lösungsorientierte Ansatz in der Sozialarbeit In diesem Kapitel möchten wir darstellen, wie das lösungsorientierte Konzept in der Sozialarbeit angewendet werden könnte. Klientinnen mit Lebensschwierigkeiten wenden sich oft erst an Sozialarbeiterinnen/-pädagoginnen, wenn sie selbst nicht in der Lage sind, diese zu lösen. Häufig bestehen diese Probleme schon länger und eigene Lösungsversuche haben nicht zum gewünschten Erfolg geführt. Diese negativen Erfahrungen bezüglich der eigenen Problemlösekompetenz können auf Seiten der Klientin dazu führen, dass sie glaubt, selbst nichts an ihrer Lebenslage verändern zu können. Sozialarbeiterinnen/-pädagoginnen werden in ihrer Arbeit häufig mit solchen Problemlagen konfrontiert. Nachdem die Klientin ihre Problemsituation im Gespräch beschrieben hat, wird in der Regel eine genaue Problemanalyse durchgeführt. Dadurch wird der Fokus vor allem auf die Probleme der Klientin gerichtet, wodurch wiederum Gefühle des Versagens hervorgerufen werden. Die Interventionen der Sozialarbeiterin/-pädagogin schließen an diese Problemanalyse an. Wir sind der Ansicht, wie es den Grundannahmen des lösungsorientierten Ansatzes entspricht, in der Sozialarbeit den Fokus von Problemen auf mögliche Lösungen zu wechseln. Im Gespräch mit der Klientin sollten die positiven Aspekte der Vergangenheit betont und über wünschenswerte Zustände in der Zukunft gesprochen werden. Es ist von zentraler Bedeutung, dass eigene Ressourcen und Zukunftsvorstellungen der Klientin die Basis für die Interventionen der Sozialarbeiterin/-pädagogin bilden. Der Schwerpunkt des lösungsorientierten Ansatzes in der Sozialarbeit liegt auf der Methode der Beratung. Lüssi beschreibt den Stellenwert von Beratung wie folgt: „Dass es gerade sie (Beratung) ist, welche das Ganze des Berufes im Begriff der „Sozialberatung“ repräsentiert, hat insofern eine gewisse Berechtigung, als der Sozialarbeiter praktisch in jedem Problemfall, gleichgültig welche Handlungsart darin dominiert, auch eine beraterische Funktion ausübt. Beratung ist sozusagen allgegenwärtig in der Sozialarbeit […] (Lüssi, 2001, 393). Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 59 Ein großer Teil der sozialen Arbeit findet nach dieser Definition im Gespräch statt. Neben der materiellen Grundversorgung ist das zentrale Anliegen der Sozialarbeit die Hilfe zur Selbsthilfe. Daraus folgt, dass primär das Gespräch der Selbständigkeitsförderung der Klientin dient. Dabei erscheint es uns als besonders wichtig, dass nach dem lösungsorientierten Ansatz keine Änderung der Persönlichkeit an sich beabsichtigt wird, wie es beispielsweise in der Psychoanalyse in der Regel der Fall ist, sondern, mit Fokus auf die Ressourcen der Klientin, eine Förderung ihrer Selbständigkeit im Sinne einer Autonomieentwicklung angestrebt wird. Im gemeinsamen Gespräch mit der Sozialarbeiterin/-pädagogin wird der Klientin ausreichend Raum gegeben, ihr Problem darzustellen, jedoch nicht mit dem Anspruch nach dem „Warum“, d. h. nach der Ursache des Problems zu suchen. Vielmehr ergeben sich aus den Beschreibungen der Klientin Anhaltspunkte dafür, woran sie feststellen kann, dass sich etwas verändert hat. In diesem Zusammenhang ist eine spezifische Lebensphilosophie kennzeichnend, nach der Probleme als etwas völlig Normales in jedem Lebenslauf eines Menschen angesehen werden. Diese stellen sogar notwendige Impulse für Entwicklung und persönliches Wachstum dar (vgl. Bamberger, 1999, 23). Im weiteren Verlauf möchten wir darstellen, wie der lösungsorientierte Ansatz in verschiedenen Feldern der Sozialarbeit angewendet werden könnte. In der Einzelfallarbeit spielt die Sicherung der Grundversorgung der Klientin, d. h. die materielle Sicherung, eine große Rolle. Jedoch stellt diese nur einen Teil des ganzen Hilfeprozesses dar. Auch ist es von zentraler Bedeutung, dass der Kontakt der Klientin mit ihren persönlichen Ressourcen ermöglicht wird, so dass sie in ihrer Selbstbestimmung gefördert und gemeinsam eine realistische, positive Perspektive entworfen werden kann. Dies kann mit Hilfe des lösungsorientierten Ansatzes geschehen. Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 60 In diesem Zusammenhang möchten wir darauf hinzuweisen, dass Sozialarbeiterinnen/-pädagoginnen Grenzen gesetzt sein müssen, damit sie ihre Klientinnen nicht in eine bestimmte Richtung manipulieren und somit deren individuellen Freiheitsraum einschränken können (vgl. Brem-Gräser, Bd. 1, 1993, 17). Daher sollten das Festlegen der Ziele und die Auswahl der Wege, um diese Ziele zu erreichen, in die Hände der Klientin gelegt werden. Berg beschreibt dies unserer Ansicht nach sehr treffend: „Wir halten es für außerordentlich bedeutsam, dass KlientInnen das Gefühl haben, dass sie über ihr Leben soweit wie möglich selbst entscheiden. Indem sie bei der Zielbestimmung und Erarbeitung der Lösung mitwirken, können sie über den weiteren Verlauf ihres Lebens mitentscheiden. In dieser Haltung drückt sich der Respekt für unsere KlientInnnen aus, und wir arbeiten mit ihnen, statt für sie“ (Berg, 1992, 68). Dieses Konzept, das auf der Autonomie der Klientin aufbaut, kann auch innerhalb der gesetzlichen Sozialarbeit angewendet werden. Für die Sozialarbeiterin/-pädagogin, die sich mit einer Klientin aufgrund gesetzlicher Maßnahmen befasst, ist es wichtig, sie in ihrer Persönlichkeit und Situation anzuerkennen und zu verstehen. Weiterhin ist es in diesem Rahmen von großer Bedeutung, eine Vertrauensbasis als Grundlage für den Lösungsprozess zu schaffen, auch, wenn das durch die geltenden Bedingungen erschwert sein kann. Gesetzliche Maßnahmen, wie z. B. die Bewährungshilfe, haben letztendlich das Ziel, die Klientin auf das spätere selbständige Leben vorzubereiten. Die Autonomieförderung der Klientin hat demnach einen großen Stellenwert. Dies erfolgt am besten, indem die Klientin mögliche Lösungen fokussiert und so weit wie möglich auf eigenen Ressourcen und Zukunftsvorstellungen aufbauen kann. Unsere Ausführungen lassen erkennen, dass der lösungsorientierte Ansatz sowohl eine Beratungsmethode als auch eine Grundhaltung für die Arbeit mit Menschen ist. An erster Stelle dieser Grundhaltung steht die Förderung der Selbständigkeit des Individuums durch die Stärkung der vorhandenen Ressourcen, was heute in der Sozialarbeit unserer Ansicht nach nicht mehr wegzudenken ist. Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 61 Der Unterschied zu herkömmlichen Beratungsansätzen besteht in der Zukunftsorientierung und der ausschließlichen Orientierung an den Ressourcen der Klientin. Allerdings ist uns durchaus bewusst, dass schnelles, zielgerichtetes und lösungsorientiertes Vorgehen nicht mit allen Klientinnen problemlos möglich ist. Die Klientinnen müssen bereit sein, sich darauf einzulassen. Kooperation als Basis kann jedoch die Bereitschaft zur Mitarbeit der Klientin erhöhen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass beim lösungsorientierten Ansatz das positive Menschenbild und die Grundhaltung, die von vorhandenen Kompetenzen der Klientinnen ausgeht, von grundlegender Bedeutung sind. Diese Haltung kann der Sozialarbeit einen wichtigen Impuls geben, den Klientinnen in ihren schwierigen Situationen auf andere Weise zu begegnen. Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 5. 62 Schlusswort Die Ausführungen unserer Arbeit machen deutlich, dass der Beratungsprozess ein komplexes Gefüge ist, in dem die Beraterin eine Vielzahl von Fertigkeiten mitbringen muss, um professionelle Hilfe leisten zu können. Die drei Basisvariablen Empathie, Kongruenz und positive Wertschätzung nehmen in dieser Hinsicht einen großen Stellenwert ein und sind unserer Ansicht nach wesentlich für jede Art der Gesprächsführung. In diesem Zusammenhang sind zahlreiche Untersuchungen durchgeführt worden, deren Ergebnisse zeigen, dass gerade das Ausmaß, in dem die Beraterin diese drei Grundhaltungen zum Ausdruck bringt, die Wirkung ihrer Beratertätigkeit sehr stark mitbestimmt (vgl. Rogers, Tausch/Tausch in Mutzeck, 1996, 82). Wichtig erscheint uns zu erwähnen, dass die reflektierenden Fertigkeiten der Beraterin bedeutsam sind, um Klientinnen auf ihrer „Spur zu halten“. Ihre Verwendung ermöglicht es der Beraterin, sowohl ihr Verstehen mitzuteilen als auch dieses Verstehen zu überprüfen und Korrekturen der Klientin zu akzeptieren. So gesehen sind sie hervorragende Fertigkeiten zum Aufbau jeder zwischenmenschlichen Beziehung und zum Sammeln von Informationen. Bei den sondierenden Fertigkeiten liegt der Schwerpunkt darin, dass die Beraterin die Probleme der Klientin in ihrem jeweiligen Bezugsrahmen wahrnimmt. Stellt die Beraterin eine Frage, konzentriert sie sich mehr auf das, was sie hören will, und nicht notwendigerweise auf das, was die Klientin in diesem Augenblick mitteilen möchte. Die Beraterin ist auf Informationen der Klientin angewiesen und manchmal muss sie die Richtung beeinflussen, um wichtige Informationen von der Klientin zu erhalten. Im Allgemeinen sind sondierende Fertigkeiten Interventionen, die die Kontrollmacht von Beraterinnen erhöhen und daher, vor allem auch in den frühen Phasen des Beratungsprozesses, sparsam eingesetzt werden sollten. Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 63 Bei all dem Einsatz dieser Fertigkeiten ist es unserer Meinung nach von zentraler Bedeutung, eine offene, vertrauensvolle und sichere Atmosphäre im Beratungsgespräch herzustellen. Die Beraterin kann über eine noch so differenzierte Methodenauswahl und einen noch so gekonnten Methodeneinsatz verfügen, ein Beratungserfolg kann jedoch nur dann möglich sein, wenn eine positive und von Vertrauen getragene Beratungsbeziehung geschaffen wird. Im Vordergrund der lösungsorientierten Arbeit stehen die Ressourcen, die dem einzelnen Menschen zur Verfügung stehen, damit sich dieser den Herausforderungen des Lebens besser stellen kann. Auf der Suche nach Lösungen wird das genutzt, was sich auf die Klientin positiv auswirkt. Es wird anerkannt, dass es eine Vielzahl unterschiedlicher Wege gibt, die zum Ziel führen. Das Anliegen der Beraterin soll sein, die Klientin ein Stück auf ihrem Weg zu begleiten und dabei ihre Bedürfnisse zu berücksichtigen, damit die Klientin nach dem Beratungsprozess gestärkt und mit veränderten Perspektiven ein selbständigeres Leben führen kann. Auf diesem Hintergrund erscheint uns die Umsetzung des lösungsorientierten Ansatzes in der Sozialarbeit besonders wichtig. Die Wirksamkeit dieses Konzeptes wird durch neuere Untersuchungen (1992) von de Shazer bestätigt. Diese haben ergeben, dass eine Erfolgsrate von 80 % bei durchschnittlich fünf Sitzungen erzielt werden kann. Eine weitere Untersuchung zeigte, dass Klientinnen selbst Verbesserungen in solchen Problembereichen erlebt hätten, die im Beratungsprozess selber nicht im Vordergrund standen. Dies lässt erkennen, dass durch das lösungsorientierte Konzept offensichtlich systemische Prozesse in Gang kommen, die eine positive Entwicklung der Persönlichkeit insgesamt unterstützen (vgl. Bamberger, 1999, 142). Interessant fanden wir bezüglich der Auseinandersetzung mit den grundlegenden Fertigkeiten der Beraterin noch insbesondere das Präsent sein, das Beobachten und das Zuhören. Hinsichtlich des lösungsorientierten Ansatzes wären wir gerne noch näher auf die einzelnen Phasen des Beratungs- bzw. Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 64 Therapieprozesses eingegangen, jedoch hätte dies den Rahmen unserer Arbeit gesprengt. Aspekte der Beratung – unter besonderer Berücksichtigung des lösungsorientierten Ansatzes 65 Literaturverzeichnis Alterhoff, Gernot (1983). Grundlagen klientenzentrierter Beratung: Eine Einführung für Sozialarbeiter/Sozialpädagogen und andere in sozialen Berufen Tätige. Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz: Verlag W. Kohlhammer. Bamberger, Günther G. (1999). Lösungsorientierte Beratung. Weinheim: Psychologie Verlags Union. Belardi, Nando / Akgün, Lale / Gregor, Brigitte / Neef, Reinhold / Pütz, Thomas / Sonnen, Fritz Rolf (2001). Beratung. Eine sozialpädagogische Einführung. Weinheim, Basel: Beltz Verlag. Berg, Insoo Kim (1992). Familien-Zusammenhalt(en). 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