Leben mit Vision 4 - Wie werde ich zu einer Persönlichkeit

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Text: Psalm 42
Einheitsübersetzung
Pfrn. Barbara Keller
Thema: Wie werde ich zu einer Persönlichkeit
Organistin: Christoph Wartenweiler
Lieder: 55, 30, 22, 195, 233
Mesmerin: Hildy Etter
Kollekte: Fürsorge der Gemeinde
Sonntag
16. Februar 2014
09.15 Uhr
Oberkirch
Meine Sorgen und meine Freuden-beides ich
1 [Für den Chormeister. Ein Weisheitslied der Korachiter.]
2 Wie der Hirsch lechzt nach frischem
Wasser,
so lechzt meine Seele, Gott, nach dir.
3 Meine Seele dürstet nach Gott,
nach dem lebendigen Gott.
Wann darf ich kommen
und Gottes Antlitz schauen?
4 Tränen waren mein Brot bei Tag und bei
Nacht;
denn man sagt zu mir den ganzen Tag:
«Wo ist nun dein Gott?»
5 Das Herz geht mir über, wenn ich daran denke:
wie ich zum Haus Gottes zog in festlicher Schar,
mit Jubel und Dank in feiernder Menge.
6 Meine Seele, warum bist du betrübt
und bist so unruhig in mir?
Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken,
meinem Gott und Retter, auf den ich schaue.
7 Betrübt ist meine Seele in mir, darum denke ich an dich
im Jordanland, am Hermon, am Mizar-Berg.
8 Flut ruft der Flut zu beim Tosen deiner Wasser,
all deine Wellen und Wogen gehen über mich hin.
9 Bei Tag schenke der Herr seine Huld;
ich singe ihm nachts
und flehe zum Gott meines Lebens.
10 Ich sage zu Gott, meinem Fels:
«Warum hast du mich vergessen?
Warum muss ich trauernd umhergehen,
von meinem Feind bedrängt?»
11 Wie ein Stechen in meinen Gliedern
ist für mich der Hohn der Bedränger;
denn sie rufen mir ständig zu:
«Wo ist nun dein Gott?»
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PRE-Psalm 42/43
Predigt: Pfarrerin Barbara Keller
Text: Psalm 42
Einheitsübersetzung
12 Meine Seele, warum bist du betrübt
und bist so unruhig in mir?
Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken,
meinem Gott und Retter, auf den ich schaue.
Ja, meine Seele, warum bist du so betrübt und bist so unruhig in mir? Eigentlich könnte
man bei diesem Predigttext an jene denken, die oft alleine sind und darum Sorgen
haben, an jene so oft vom Schicksal Benachteiligten, an jene, die immer den Kürzeren
ziehen. Der Psalmbeter spricht mit sich, mit seiner Seele. Kennen Sie diese Situation
des Psalmbeters auch? Können Sie sein Gefühl nachempfinden? Die Verlassenheit, die
Tränen, die Einsamkeit eines Menschen in dieser Welt; - das Angefochten-sein, das
Infragegestellt-, das Kritisiert-werden eines gläubigen Menschen innerhalb der Kirche?
– Die Feinde des Psalmbeters fragen ihn nämlich höhnisch: ‚Wo ist er nun, dein Gott?
Warum weinst du, wenn du einen so mächtigen Gott über dir weisst?
Kurz: Kennen Sie die recht menschliche Situation, von allen Seiten bedrängt zu werden;
sei es im Beruf, in der Familie, sei es im Freundeskreis, sei es im Wissen, Wollen oder
Haben, sei es in Ihrem Sein oder Tun?
Man gibt es ja nicht gerne zu, dass man auf einem Berg von Sorgen sitzt, weil dies in
unserer Welt, die auf Leistung und Erfolg jeglicher Art ausgerichtet ist, als ein Zeichen
der Schwäche interpretiert wird. Man ist wer, hat genug und weiss, wohin das Leben
gehen soll. – Also, würden wir gerne aus tiefstem Herzen sagen: ‚Danke, es geht mir
gut!’, ‚Wie soll es so anders sein?’, ‚Alles okidoki’. – Aber trotzdem passiert es dann: Wir
sitzen doch auf einem Sorgenberg, der mit rasender Geschwindigkeit anwächst:
Spannungen in der Familie, Geldsorgen, keine Arbeit, Unstimmigkeiten mit den
Nachbarn, Probleme in der Partnerschaft, Liebeskummer, sich allein fühlen,
Schwierigkeiten in der Schule, schlechte Noten, Zoff mit den Lehrern, Streitigkeiten auf
dem Pausenplatz, Disharmonien mit Andersgesinnten, Krankheiten ..... und vieles
mehr. Und wir wissen nicht mehr aus und ein.
------------------------------„Meine Seele, warum bist du betrübt
und bist so unruhig in mir.”
Einverstanden; das kann ja vorkommen. Aber: Wie sind solche Sorgenknoten, solche
Engpässe, solche Durststrecken in unserem Leben zu bewältigen? – Da gibt es
verschiedene Lösungen: Eine ist die, dass man auf seinem Sorgenberg sitzen bleibt
und die Zeit, die Wunden heilen lässt. Den Kopf in den Sand strecken ist die Devise.
Einen Blick in den Spiegel: Das Lachen sitzt wieder, die Maske hält! – Und schon geht
es weiter, munter auf dem Lebensweg. – Danke, es geht gut! Wie immer! Doch, doch
recht gut! Ob das auf die Länge gut geht, uns näher zu uns, näher zu Gott führt? Oder
ob unser Leben so nur eitel Schein wird?
----------------------Einen anderen Weg beschreitet unser Psalmbeter. Auf einem Bild aus dem Stuttgarter
Psalter von 820 bewältigt er seine Sorgen ganz anders. Als Kithara-Sänger steht der
Psalmbeter da und singt seine traurige Melodie. Er spricht zu seiner Seele. – Er schaut
sie direkt an, verdrängt nicht all die Kümmernisse und Sorgen, die er in der Seele
lokalisiert weiss. Auf der anderen Seite des Bildes sitzt quasi als Gegenpart, als
Ansprechpartner diese Seele; erbarmungswürdig auf ihrem Sorgenberg, die Knie
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PRE-Psalm 42/43
Predigt: Pfarrerin Barbara Keller
Text: Psalm 42
Einheitsübersetzung
angezogen, den Kopf eingestützt, mit Kummerfalten auf der Stirne und hört bekümmert
dem Sänger zu. – Es wird nur verständlich und einsichtig, dass ein solcher Sorgenberg
schwächt. – Sie kennen die Fragen: Woher kommt nur die Hilfe. Woher wieder die
Kraft? Ein Freund von mir hat einmal über dieses Bild folgendes gesagt: „... Unsere
Überlegungen in jedem Lebensalter sind eigentlich Gespräche mit uns selbst, meist
stumm geführt, zuweilen jedoch laut. Wer hätte nicht schon in einer schwierigen
Situation laut vor sich hin, nein, zu sich selbst gesagt, gefragt: ‚Was soll ich nur
machen?’ So meint es das Psalmwort. Wir Menschen sind gespaltenen Wesen: in uns
stecken eigentlich zwei Menschen. Da ist der ‚Mensch von Fleisch und Blut’, der
‚natürliche Leib’, wie der Apostel Paulus ihn nennt, ‚der alte Adam’ (1. Kor 15,22 u. 44),
der isst und trinkt, arbeitet und schläft, krank wird und stirbt, - der Mensch schlechthin.
Und dann – so sagt uns der Psalmbeter, und der Maler macht es in seinem Bild
anschaulich – ist da‚ der andere Mensch’ die ANIMA, die Seele, das Herz, das
Gewissen. Da liegt die Kontaktstelle für Gott. Hier ist die Antenne, die auf des
lebendigen Gottes Stimme reagiert. Wohl uns, wenn dieses ‚Empfangsorgan’, das der
Schöpfer uns mit auf den Lebensweg gegeben hat, guten Empfang dessen überträgt,
was Gott uns sagt, auch seine Antworten auf unsere verzweifelten Fragen und Klagen!“
Ja, mein Freund hat recht: Wohl uns ... Dann verstehen wir nämlich auch, wie die
Antwort auf all unsere Fragen, auf unsere Tränen, auf unser Hoffen und Bangen
heissen soll. Wir finden sie im Psalm selber: „Harre auf Gott!“ Das heisst: Warte, und
zwar geduldig, auf die Antworten, die Gott dir immer wieder in deine Seele legt; manchmal, ohne dass du es merkst.
Vor 2000 Jahren wollte Jesus uns dies auch mitteilen. Wir haben nicht begriffen, dass
er uns damit unsere Seelen zurückbringen wollte. Und ich denke, es wird langsam Zeit,
das göttliche Geschenk schätzen zu lernen, indem wir es annehmen und uns dadurch
als beseelte Menschen erfahren lernen und nicht nur als aufgeklärte Geister, mit einem
Glauben, der sich lediglich in Dogmen zu ergiessen vermag. –
-----------------------Wie kann ich zu einer Persönlichkeit werden, heisst im Moment der Untertitel der
Gesprächsabende. Eigentlich könnte man meinen, dass dies die gestellte Frage
innerhalb einer Selbsterfahrungsgruppe ist. Sicher das könnte es auch sein. Aber ich
denke, die Suche nach der eigenen Persönlichkeit ist nur möglich, wenn ich Gott immer
auf der Suche nach Gott bin und bleibe. So hat das Nachdenken über mich keinen Sinn
ohne das Nachdenken über Gott. Es ist schlicht nicht möglich, da ich mich als in Gott
beheimatet empfinde.
------------------------Woher nehmen wir jedoch die Kraft uns immer wieder neu dem Licht entgegen zu
stellen, aufzustehen, wenn wir fallen, vor allem aber die traurigen Tage unseres Lebens
immer wieder mit Hoffnung zu füllen?
Ich bin überzeugt, wenn wir uns immer wieder mutig auf Gott einlassen, ihm unsere
Seelen vertrauensvoll öffnen, mit ihm sprechen, dann werden wir auch gehört werden.
Und befreit von den Spuren der Angst und der Verstörtheit, frei auch von Hass und
Niedertracht, frei von Unsicherheiten durch menschlichen Einfluss können wir uns Gott
zeigen, mit geöffneten Seelen. – Und wir werden lachen, weil wir wissen: Unser Gott ist
allein auch mein Gott; immer bereit zu hören, immer bereit zu sprechen. – Ich werde
nicht mehr allein sein. Jemand hört mich. – Um Gott zu erfahren, sollen wir uns
vermehrt in die Stille zurückziehen, um ihn mit all unseren Sinnen unsere Seele auch
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PRE-Psalm 42/43
Predigt: Pfarrerin Barbara Keller
Text: Psalm 42
Einheitsübersetzung
wirklich zu erfahren. – Ja, gönnen wir uns doch Augenblicke in dieser Welt, Augenblicke
in fröhlichen, aber auch Augenblicke in trüben Zeiten; Augenblicke nur; - der Stille, der
Ruhe, der Einkehr. - Augenblicke für eine kurze Weile lang, wie sie Martin Gutl
beschreibt:
Für einen Augenblick lang
mit Leib und Seele
mit mir und den andern
mit Freunden und Feinden
Für einen Augenblick lang
in einer Kirche stehn.
Für einen Augenblick lang
eins sein.
Mit Gott
in mir
mit Gott
ausser mir.
Mit den Steinen des Bodens
mit den Mauern
mit den Fenstern
mit den Bögen,
den spitzen und runden.
Für einen Augenblick lang:
nichts als sein
ewig sein
Mensch sein
Martin Gutl
Mit Himmel und Erde
mit gestern und heute
So können wir dann mit dem Psalmbeter zu Gott sprechen:
3 Sende dein Licht und deine Wahrheit,
damit sie mich leiten;
sie sollen mich führen zu deinem heiligen Berg
und zu deiner Wohnung.
4 So will ich zum Altar Gottes treten, zum Gott meiner Freude.
Jauchzend will ich dich auf der Harfe loben,
Gott, mein Gott.
Wenn wir Gott so loben und preisen können, sind wir bei ihm, er mit uns. Wir wissen,
wer wir sind. Denn wir sind durch Gott, was wir sind.
AMEN
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PRE-Psalm 42/43
Predigt: Pfarrerin Barbara Keller
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