Die Bundespressekonferenz Ihre Entwicklung seit dem Umzug nach Berlin und ihr Einfluss auf die Regierungsgeschäfte der Bundesregierung Magisterarbeit im Fach Politikwissenschaft an der Universität Potsdam vorgelegt von Philipp Vohrer eingereicht bei Prof. Dr. Jürgen Dittberner Potsdam, im Juli 2002 1 Inhalt: 1. Einleitung 1.1 Thema und Eingrenzung.................................................................................... 3 1.2 Literatur und Forschungsstand .......................................................................... 5 2. Rahmenbedingungen politischer Berichterstattung 2.1 Die Aufgaben der Massenmedien in der Demokratie ........................................ 9 2.2 Rechtliche Grundlagen der politischen Berichterstattung ................................ 12 2.3 Das Verhältnis zwischen Politik und Medien .................................................... 13 2.3.1 Von der klassischen Zweiteilung zur "Mediatisierung" der Politik .............. 13 2.3.2 Das Fernsehen als Leitmedium ................................................................. 16 2.3.3 Politiker im Anpassungsprozess ............................................................... 18 2.4 Neue Herausforderungen an den politischen Journalismus............................. 20 2.5 Journalistische Gegeninitiativen ...................................................................... 21 3. Die Bundespressekonferenz – eine Charakterisierung 3.1 Allgemeine Fakten – und verbreitete Irrtümer .................................................. 23 3.2 Merkmale der Bundespressekonferenz ........................................................... 26 3.2.1 Organisationsform ..................................................................................... 26 3.2.2 Staatliche Unabhängigkeit mit Tradition .................................................... 28 3.3 Aufgaben und Arbeitsweise ............................................................................. 30 3.3.1 Veranstaltung von Pressekonferenzen ...................................................... 30 3.3.2 Themenauswahl und Ablauf der Pressekonferenzen ................................ 32 3.3.4 Der Stellenwert des Fragerechts ............................................................... 35 3.3.5 Das spezifische Regelwerk der Bundespressekonferenz.......................... 37 3.4 Kosten und Nutzen der Mitgliedschaft ............................................................. 39 2 4. Die Entwicklung der Bundespressekonferenz in Berlin 4.1 Veränderte Rahmenbedingungen des politischen Journalismus ..................... 43 4.1.1 Das Ende des "rheinischen Journalismus" ................................................ 43 4.1.2 Konkurrenzkampf um Exklusivität und Aktualität ....................................... 46 4.1.3 Medienvielfalt und "Boulevardisierung" ..................................................... 48 4.1.4 Politische Inszenierungen vor der Berliner Kulisse ................................... 50 4.2 Die Bundespressekonferenz im neu definierten Aktionsraum .......................... 51 4.2.1 Diskussion um die "Spielregeln" ................................................................ 51 4.2.2 Aktivitäten nach außen .............................................................................. 53 4.3 Interne Veränderungen .................................................................................... 56 4.3.1 Startschwierigkeiten in Berlin .................................................................... 56 4.3.2 Zugeständnisse an das Leitmedium Fernsehen ........................................ 57 4.3.2 Die Anzahl der Pressekonferenzen steigt ................................................. 60 4.3.3 Die journalistische Anwesenheit sinkt ....................................................... 63 4.3.4 Mitgliederschub in Berlin ........................................................................... 67 4.3.5 Strukturwandel der Mitgliedschaft ............................................................. 71 5. Beeinflusst die Bundespressekonferenz die Bundesregierung? 5.1 Eine Regel mit Ausnahmen ............................................................................. 73 5.2.1 Politische Pannen: Die BSE-Krise ............................................................. 75 5.2.2 Ministerielles Fehlverhalten: Klimmt und Scharping .................................. 77 5.3 Macht und Ohnmacht der Bundespressekonferenz ......................................... 79 5.4 Indirekter politischer Einfluss? ......................................................................... 82 6. Fazit ................................................................................................................... 86 Abkürzungsverzeichnis .......................................................................................... 86 Literatur .................................................................................................................... 87 Anhang 3 1. Einleitung 1.1 Thema und Eingrenzung Leuchtend blau ist der Hintergrund im Berliner Saal der Bundespressekonferenz, vor dem seit Mai 2000 mehr oder minder bedeutende bundespolitische Botschaften artikuliert und mit aktivem Zutun der anwesenden Journalisten anschließend im ganzen Land verbreitet werden. – Leuchtend blau sind allerdings auch die meisten anderen Hintergründe bei Presseterminen in der deutschen Hauptstadt, dem Fernsehzuschauer erschließt sich deshalb oftmals nicht, ob der Kanzler nun in der nach ihm benannten Behörde vor die Kameras tritt, oder in der SPD-Parteizentrale, oder eben in der Bundespressekonferenz. Vor dem Regierungsumzug war das anders, denn in Bonn gab es die berühmte Wand. Die Wand bestand aus quadratischen Palisander-Paneelen und wirkte reichlich altbacken, aber sie war unverwechselbar. Und vor allem: Sie war prominent. Alle hatten sie vor ihr gesessen, von Brandt bis Kohl, von Wehner bis Strauß, annähernd 10.000 Pressekonferenzen hat sie in gut dreißig Jahren erlebt, jedem Fernsehzuschauer war sie bestens vertraut. Sie war zum Markenzeichen der alten Bundeshauptstadt geworden, wie es ein Politikjournalist formulierte: "Die Wand war Bonn, Bonn war die Wand."1 Weitgehend unbekannt war und ist hingegen die Institution, zu der einst die hölzerne, heute die blaue Wand gehört: Die Bundespressekonferenz. Zwar steht sie fast täglich im Blickpunkt des Nachrichtenkonsumenten, doch kaum jemand weiß, was sich hinter dieser Einrichtung verbirgt. Sie ist eine wichtige Schnittstelle zwischen Politik und Medien und hat als Plattform für bundespolitische Mitteilungen einen hohen Stellenwert, soviel ist erkennbar. Denn regelmäßig finden sich bedeutende Politiker in der Bundespressekonferenz ein, um die Vertreter der Medien über aktuelle politische Fragen zu informieren. Doch was genau ist die Funktion der Bundespressekonferenz? Wie ist sie organisiert, welche Aufgaben hat sie und wie nimmt sie diese wahr? Welche Bedeutung hat sie im politischen Kommunikationssystem der Bundesrepublik? – Die vorliegende Arbeit soll versuchen, das Portrait zu zeichnen von einer Institution, die zwar oft zu sehen, doch nur selten wahrnehmbar ist. 1 Siehe: Kister, Kurt: Das Haus ist Geschichte. In: Süddeutsche Zeitung, 06.08.1999. 4 Die Bundespressekonferenz: Ihre Entwicklung seit dem Umzug nach Berlin und ihr Einfluss auf die Regierungsgeschäfte der Bundesregierung. – Dieser Titel enthält zugleich die Thesen und die Grobgliederung der folgenden Untersuchung: - Die Bundespressekonferenz: Angesichts der verbreiteten Unbekanntheit der Institution sollen in diesem Teil der Arbeit die Organisationsform und Funktionsweise sowie die charakteristischen Eigenarten der Bundespressekonferenz vorgestellt werden. - Ihre Entwicklung seit dem Umzug nach Berlin: Diesem Teilaspekt ist die These implizit, dass sich durch den Ortswechsel mehr verändert hat, als lediglich die Farbe der Rückwand. Es wird zu untersuchen sein, inwiefern und wohin sich die Bundespressekonferenz entwickelt hat. - Ihr Einfluss auf die Bundesregierung: Anhand der gewonnenen Erkenntnisse aus der Institutionsbeschreibung soll schließlich der Frage nachgegangen werden, ob in der oder durch die Bundespressekonferenz eine Einflussnahme auf die Regierungsgeschäfte stattfindet oder zumindest möglich ist. Es erscheint zweckmäßig und notwendig, in einer theoretischen Hinführung zunächst das politisch-mediale Rahmensystem in Deutschland zu skizzieren, innerhalb dessen die Bundespressekonferenz ihre Tätigkeit wahrnimmt. Dabei sollen schlaglichtartig die Aufgaben und Funktionen der Medien in der Demokratie, ebenso wie das dynamischen Wandlungen unterliegende Verhältnis zwischen Politik und Medien betrachtet werden. Dieser Abschnitt soll helfen, Begriffe zu klären und Hintergründe zu erläutern, die zum besseren Verständnis der anschließenden "Fallstudie" Bundespressekonferenz dienlich sind. Er kann und soll jedoch keine umfassenden medientheoretischen Erkenntnisse liefern, sondern beschränkt sich auf die knappe Darstellung der für die vorliegende Untersuchung wesentlichen Aspekte. Nach einer sich daran anschließenden, weitgehend deskriptiven Studie über die Institution Bundespressekonferenz soll die Frage im Mittelpunkt stehen, wie sich diese Einrichtung nach ihrem Umzug von Bonn nach Berlin weiterentwickelt hat. Dieser Betrachtung soll in einem kurzen Abriss die allgemeine Entwicklung der politischen Berichterstattung in Berlin vorangestellt werden. Aus Platzgründen kann indes die 50jährige Geschichte der Bundespressekonferenz in Bonn ebensowenig erschöpfend behandelt werden wie die signifikanten und vielschichtigen allgemeinen Änderungen im politischen Journalismus nach dem Regierungsumzug. 5 Schließlich soll versucht werden, die Stellung der Bundespressekonferenz im politischen Kommunikationssystem der Bundesrepublik zu definieren, um anhand dieser Einordnung möglicherweise eine Antwort auf die Frage nach einem potentiellen politischen Einfluss der Institution zu finden. Ziel der Arbeit soll sein, dem Leser einen hinreichenden Eindruck über die Bundespressekonferenz, ihre Tätigkeit und Wesensmerkmale in der Gegenwart zu vermitteln und ihre informative und politische Bedeutung zu charakterisieren. 1.2 Literatur und Forschungsstand Die Literaturlage zu den unterschiedlichen Teilaspekten dieser Arbeit stellt sich extrem uneinheitlich dar: Während über Medientheorien und das Verhältnis von Politik und Medien eine breite Debatte geführt wird und ein beinahe unüberschaubares Angebot an wissenschaftlicher Literatur zur Verfügung steht2, wurde der eigentliche Gegenstand der vorliegenden Arbeit von der Forschung meist nur peripher behandelt: Genau eine Monographie wurde bislang über die Bundespressekonferenz verfasst, eine politikwissenschaftliche Institutionsbeschreibung aus dem Jahr 1989.3 Darin werden sehr detailreich alle Aspekte und Entwicklungen der Institution behandelt, von denen etliche jedoch mittlerweile einer Aktualisierung bedürfen. Aus dem selben Jahr stammt ein Aufsatz von Sten Martenson, ehemals Vorsitzender der Bundespressekonferenz (1990-1995), der ein knappes, aber anschauliches Bild der Institution im Kontext des bundesdeutschen Parlamentarismus vermittelt. 4 Ein weiterer Aufsatz von Martenson aus dem Jahr 1995 schildert die Vorbereitungsphase des Umzugs der Bundespressekonferenz von Bonn nach Berlin.5 Es fällt auf, dass die meisten Publikationen, die die Bundespressekonferenz zum Gegenstand haben, von deren Mitgliedern selbst verfasst wurden6. Dennoch ist auch 2 Einen Überblick vermitteln: Sarcinelli, Ulrich (Hrsg.): Politikvermittlung und Demokratie in der Medien-gesellschaft. Bonn 1998, sowie: Schulz, Winfried: Politische Kommunikation. Theoretische Ansätze und Ergebnisse empirischer Forschung zur Rolle der Massenmedien in der Politik. Opladen 1997. 3 Köhler, Bernd F.: Die Bundes-Pressekonferenz. Annäherung an eine bekannte Unbekannte. Diss. Univ. Mannheim 1989. 4 Martenson, Sten: Parlament, Öffentlichkeit und Medien. In: Schneider / Zeh (Hrsg.): Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland. Berlin / New York 1989. S. 261-288. 5 Martenson, Sten: Die Bundes-Pressekonferenz: Von Bonn nach Berlin. In: Süß, Werner (Hrsg.): Hauptstadt Berlin. Band 2: Berlin im vereinten Deutschland. Berlin 1995. 6 So z.B.: Grunenberg, Nina: Eine halbe Stunde Bonner Routine: Die Bundes-Pressekonferenz e.V. In: Dies.: Die Journalisten. Bilder aus der deutschen Presse. Hamburg 1967. S. 116-125; Viefhaus, Hans: 25 Jahre Bundespressekonferenz. In: Der Journalist, Nr. 6/1974, S. 40-41; Ney, Ernst: Die BundesPressekonferenz – Resonanzboden der Bonner Politik. In: Fischer, Heinz-Dietrich (Hrsg.): 6 die nicht-wissenschaftliche Literaturlage zur Bundespressekonferenz ziemlich dünn und weist erhebliche zeitliche Lücken auf, besonders in den 90er Jahren.7 Erst mit dem Abschied aus Bonn und während der ersten "heißen Phase" in Berlin steigerte sich der Ausstoß an Artikeln, die mehr oder minder explizit die Bundespressekonferenz zum Thema haben, wieder erheblich.8 Bei den spärlich gesäten wissenschaftlich-analytischen Forschungsarbeiten über die Bundespressekonferenz handelt es sich meist um Untersuchungen eines bestimmten Aspekts, etwa eine Studie über die Rezeption von Informationen aus einer ausgewählten Pressekonferenz in den Medien9, eine Input-Output-Analyse aus den Jahren 1972 / 73, von einem ihrer Autoren 1975 zusammengefasst, welche die Beurteilung der Bundespressekonferenz aus Sicht der Journalisten untersucht10, oder eine quantitative Analyse über das Aussage- und Frageverhalten der Teilnehmer an den Pressekonferenzen11. Über die Entwicklung der Bundespressekonferenz liegen seit 1995 (Aufsatz von Martenson, vgl. Anm. 5) keine neuen Untersuchungen vor. Für die nachfolgende Darstellung wurde daher auf zahlreiche unveröffentlichte Quellen aus Archiv und Datenverarbeitung der Bundespressekonferenz zurückgegriffen: Protokolle von Pressekonferenzen, Rechenschaftsberichte des Vorstands, statistische Materialien u.v.m. wurden dem Verfasser dankenswerterweise bereitwillig zur Verfügung gestellt. Andere, möglicherweise aufschlussreiche Materialien, wie Protokolle der Mitgliederversammlungen oder Vorstandssitzungen, waren hingegen nicht zugänglich, da sie vertraulich behandelt werden. Vier Experteninterviews mit ehemaligen oder amtierenden Vorstandsmitgliedern der Bundespressekonferenz sowie mündliche Informationen Regierungssprecher – Zwischen Information und Geheimhaltung. Köln 1981. S. 89-95; Schopen, Die Politiker sind nur zu Gast, in: Das Parlament 19/1985. 7 Dabei stellte Köhler schon 1989 fest: "Angesichts der Tatsache, dass die in der Bundespressekonferenz zusammengeschlossenen Journalisten im Umgang mit Stift und Wort geübt sein dürften, erscheint die im Vergleich zu deren sonstiger Produktion an Artikeln doch sehr geringe Quantität der über die Bundespressekonferenz geschriebenen Artikel (...) etwas befremdlich." Siehe: Köhler, Die Bundes-Pressekonferenz, S. 297. 8 So z.B.: Kister, Kurt: Das Haus ist Geschichte, in: Süddeutsche Zeitung, 06.08.1999; Schlötzer, Christiane: Bildwuchs im Berliner Treibhaus, in: Süddeutsche Zeitung, 09.05.2000; Niendorf, Jörg: Zu diesem Verein kam noch jeder Kanzler, in: F.A.Z., 14.08.2000; Fichtner, Ullrich: "Ich klär das bilateral", in: Der Spiegel 14/2002, S. 182. 9 Koch, Manfred / Hausmann, Waltraud: "Auf ewig". Inhaltsanalytische Untersuchung über den Kommunikationsfluss nach der Bundespressekonferenz vom 9.5.1969. In: Publizistik 4/1971, S. 369378. 10 Roloff, Eckart Klaus: Die Bundespressekonferenz – ein Klüngel? In: Der Journalist 3/1975, S. 25-27. 11 Walker, Horst O.: Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. Frankfurt 1982. S. 180ff. 7 der Büroleiterin der Bundespressekonferenz erbrachten weitere wertvolle Erkenntnisse.12 Die wissenschaftliche Untersuchung allgemeiner Veränderungen im politischen Journalismus, die seit dem Umzug nach Berlin auftraten, steht derzeit erst am Anfang. Eine journalistische Diplomarbeit aus dem Jahr 2001 geht mittels zwölf leitfadengestützer Experteninterviews erstmals der Frage nach: "Wie hat der Regierungsumzug die Arbeitsbedingungen des durchschnittlichen bundespolitischen Korrespondenten verändert?"13 Bundespressekonferenz zwar In nur dieser materialreiche am Rande Studie Erwähnung, findet die die allgemeinen Erkenntnisse über den Hauptstadtjournalismus sind jedoch richtungsweisend. Ergänzend dazu wurden für die Darstellung der journalistischen Rahmenbedingungen, mit denen die Bundespressekonferenz in Berlin konfrontiert wurde, eine Vielzahl von Zeitungsartikeln herangezogen, in denen Politikjournalisten in einer breiten nicht-wissenschaftlichen Debatte die Veränderungen zwischen Bonn und Berlin und die sie persönlich betreffenden Auswirkungen bilanzierten. Ein anschauliches Bild dieser Veränderungen ergeben auch die 58 Interviews mit Berliner Medienschaffenden, welche die Fotografin und Publizistin Herlinde Koelbl Anfang 2001 für ihre TV-Dokumentation "Die Meute – Macht und Ohnmacht der Medien" geführt und unter gleichem Titel in Buchform veröffentlicht hat.14 Abschließend noch ein Hinweis zu in der Arbeit verwendeten Begriffen: Die Sammelbezeichnungen "Parlamentskorrespondent" oder "Parlamentsberichterstatter" stehen allgemein für am Sitz der Regierungsorgane tätige Politikjournalisten. In dieser Arbeit sind damit die mit der Bundespolitik insgesamt (nicht nur mit dem Parlament) befassten Journalisten in Berlin gemeint. Begriffe wie "Regierung", "Regierungspolitik", "Parlament" etc. meinen, wenn nicht anders vermerkt, immer die Bundesebene. Im Jahr 2000 änderte die Bundespressekonferenz die Schreibweise ihres Namens: Vordem schrieb sie sich "Bundes-Pressekonferenz". In den verwendeten Publikationen ist die alte Schreibart vorherrschend. Zur Verbesserung des 12 Experten: Tissy Bruns, Korrespondentin der Tageszeitung "Die Welt", Vorsitzende der Bundespressekonferenz seit 1999; Werner Gößling, ZDF-Korrespondent, Vorstand seit 1998; Sten Martenson, freier Journalist, ehem. Vorsitzender 1990-95; Thomas Wittke, Korrespondent des Bonner "General-Anzeiger", Vorstand seit 1997. BPK-Büroleiterin: Roswitha Kreutzmann. 13 Plöchinger, Stefan: Hauptstadt-Journalismus, Diplomarbeit Univ. München, 2001. Hier: S. 18. 14 Koelbl, Herlinde: Die Meute. Macht und Ohnmacht der Medien. München 2001. 8 Leseflusses wurde in der vorliegenden Arbeit bei direkten Zitaten die neue Schreibweise verwendet. 9 2. Rahmenbedingungen politischer Berichterstattung 2.1 Die Aufgaben der Massenmedien in der Demokratie In der Demokratie soll alle Staatsgewalt vom Volke ausgehen. Damit dieses Prinzip in einer modernen Massengesellschaft wie der Bundesrepublik Deutschland funktionieren kann, wählt sich das Volk Repräsentanten, die es mit der Ausübung der Staatsgewalt beauftragt und in regelmäßigen Abständen durch erneute Wahl legitimiert. Um jedoch seine Wahlentscheidung verantwortlich und kompetent treffen zu können, muss jedem Bürger die Möglichkeit gegeben sein, sich laufend über die Tätigkeit seiner Repräsentanten zu informieren, ihre Entscheidungen mit- und nachzuvollziehen und sie in der Ausübung der Staatsgewalt zu kontrollieren. Aufgrund der schieren Größe unserer Gesellschaft reicht indes der individuelle Erfahrungshorizont des Einzelnen und die unmittelbare, persönliche Kommunikation nicht mehr aus, um diese Kontrolle auszuüben. Die unerlässliche Voraussetzung für das Funktionieren der repräsentativen Demokratie bildet daher eine jedem Bürger zugängliche Berichterstattung über alle politischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge und Entscheidungen, die dem Einzelnen seine individuelle politische Partizipation und Urteilsbildung erst ermöglicht. Diese verantwortungsvolle Aufgabe wird von den Massenmedien15 wahrgenommen, deren demokratischer Hauptauftrag es ist, jedem Bürger die Handlungsabläufe in Staat und Gesellschaft zur Kenntnis zu bringen und transparent zu machen.16 In der politikwissenschaftlichen Literatur werden drei – einander zum Teil überschneidende – "politische Primärfunktionen" der Massenmedien unterschieden, die sie zu einem obligaten Bestandteil des demokratischen Systems werden lassen.17 a) Informationsfunktion Die demokratische Hauptaufgabe der Massenmedien besteht in der Verbreitung von allgemein verständlichen Informationen über soziale und politische Sachverhalte und Prozesse sowie über die Auseinandersetzungen und Entscheidungen der politischen 15 Mit "Massenmedien" sind Presse, Rundfunk und Fernsehen gemeint sowie mittlerweile auch das Internet. Ihr gemeinsames Merkmal ist, "dass sie sich vorwiegend mit aktuellen Inhalten indirekt über ein technisches Mittel (zum Beispiel Funkfrequenzen) einseitig an ein unbegrenztes anonymes Publikum wenden, das aus einigen Tausend, aber auch aus Millionen Einzelpersonen bestehen kann." Siehe: Chill / Meyn, Funktionen der Massenmedien in der Demokratie, S. 3. – In dieser Arbeit werden die Begriffe "Massenmedien" und "Medien" synonym verwendet. 16 Vgl.: Altmeppen / Löffelholz, Zwischen Verlautbarungsorgan und "vierter Gewalt", S. 101. 17 Vgl.: Schulz, Politische Kommunikation, S. 46ff. und: Meyn, Massenmedien in Deutschland, S. 31ff. 10 Akteure. Die Informationen müssen möglichst vollständig, ausgewogen und objektiv sein, um den einzelnen Bürger in die Lage zu versetzen, das gesamte Spektrum des politischen Geschehens kritisch zu verfolgen, die Absichten und Handlungen der am politischen Prozess beteiligten Akteure zu durchschauen und seine eigene individuelle Interessenlage zu erkennen. Erst dadurch wird er befähigt, aus den Informationen Schlüsse für sein eigenes politisches Verhalten zu ziehen – etwa für Wahlen, Parteimitgliedschaft oder Bürgerinitiativen. Die Wichtigkeit der medialen Informationsfunktion steigt mit der Entfernung der politischen Handlungsebene vom individuellen Erfahrungshorizont des einzelnen Bürgers: Auf lokaler Ebene lässt sich Politik teilweise noch ohne die Vermittlung der Medien beobachten. Es besteht die Gelegenheit des direkten Kontaktes zwischen Bürgern und politischen Akteuren, lokalpolitische Probleme und tatsächlich ergriffene Lösungsmaßnahmen sowie deren Ergebnisse sind individuell erlebbar. Auf übergeordneten politischen Ebenen hingegen, der Landes-, Bundes- oder gar internationalen Politik, ist die unmittelbare Wahrnehmung und Kontrolle durch die betroffenen Bürger so gut wie ausgeschlossen. Hier ist Politikvermittlung nur noch durch die Massenmedien möglich.18 Besondere Bedeutung kommt daher der Berichterstattung vom Sitz der obersten Regierungsorgane eines Staates zu, wo die Massenmedien stellvertretend für die ganze Bevölkerung gesamtgesellschaftlich wirksame politische Entscheidungsprozesse un-mittelbar verfolgen und die breite Öffentlichkeit darüber informieren können. b) Meinungsbildungsfunktion Für die Partizipation des Einzelnen am politischen Geschehen sind indes nicht nur umfassende Informationen erforderlich, sondern auch die Möglichkeit, in Fragen von allgemeinem Interesse unterschiedliche Meinungen kennenzulernen und gegeneinander abzuwägen. Durch die Veröffentlichung der politischen Debatten in Parlamenten, Parteien und Interessensgruppen, aber auch durch eigene Kommentierung derselben, sollen die Medien zur Meinungsbildung der Bürger beitragen. Denn nur solche Themen, die in den Massenmedien diskutiert werden, können in einer breiten Öffentlichkeit wirksam werden und im Idealfall – so die 18 Vgl.: Meyer, Politik in der Mediendemokratie, S. 191f. 11 urdemokratische Grundidee der Pressefreiheit – der vernünftigsten Meinung zum Durchbruch verhelfen.19 Problematisch ist dabei jedoch, dass der Mediennutzer nicht mehr in der Lage ist, die Masse der medialen Informationen mit seiner eigenen Wirklichkeitserfahrung abzugleichen. Ihm wird das unüberschaubare Weltgeschehen durch die Medien vorsortiert und übermittelt. So kommen Meinungen nicht aufgrund erlebter Erfahrungen sondern vielfach nur noch aufgrund einer Wirklichkeitsvermittlung durch die Medien zustande. Anders ausgedrückt: Die von den Medien vorselektierte, veröffentlichte Meinung bestimmt weitgehend die öffentliche Meinung. In einer möglichst ausgewogenen Auswahl und Darstellung der Informationen liegt daher die größte Verantwortung der Massenmedien – welches gleichzeitig die meistkritisierte ist, da die Selektion den Medien selbst überlassen ist und daher leicht missbraucht werden kann. Im Idealfall sollte es den Medien gelingen, die in einer pluralistischen Gesellschaft herrschende Meinungsvielfalt in einem ausgewogenen Verhältnis widerzuspiegeln.20 Im Hinblick auf die Berichterstattung über die Regierungspolitik gilt: Je größer die Zahl und die Unabhängigkeit der Medien am Regierungssitz ist, desto thematisch und politisch vielfältiger ist ihre Berichterstattung, so dass die Massenmedien in ihrer Gesamtheit eine weitgehende Vollständigkeit und Objektivität der Informationen über die Tätigkeit der Regierungsorgane gewährleisten können. c) Kontrollfunktion Mit ihrer Kompetenz zur Herstellung von Öffentlichkeit durch Informationsvermittlung und Meinungsbildung verfügen die Medien auch über ein geeignetes Instrumentarium zur Herstellung öffentlichen Drucks auf die politisch Handelnden.21 Deshalb obliegt ihnen letztlich auch die Aufgabe, diese zu kontrollieren und Mißstände wie Fehlentscheidungen, Machtmissbrauch oder Bestechlichkeit aufzuspüren und öffentlich anzuprangern. Ohne diese Kontrollfunktion der Medien "liefe die Demokratie Gefahr, der Korruption oder der bürokratischen Willkür zu erliegen".22 19 Vgl.: Meyn, Massenmedien in Deutschland, S. 33. Vgl.: Chill / Meyn, Funktionen der Massenmedien in der Demokratie, S. 3. 21 Vgl.: Schulz, Politische Kommunikation, S. 86ff. und S. 235ff. 22 Siehe: Meyn, Massenmedien in Deutschland, S. 35. – Oftmals bilden die Medien die "letzte Instanz" bei politischen Fehlentwicklungen: Sie treten auf den Plan, wenn alle zuständigen Kontrollinstitutionen versagen. Vgl.: Altmeppen / Löffelholz, Zwischen Verlautbarungsorgan und "vierter Gewalt", S. 121. 20 12 Auch diese Funktion ist nicht unumstritten, da zum einen die demokratische Gewaltenteilung neben der gesetzgebenden, der ausführenden und der richterlichen Gewalt keine "vierte Gewalt" in Form kontrollierender Medien vorsieht, und zum anderen die "Macht der Medien" nicht demokratisch legitimiert ist – schließlich haben sich Journalisten keiner Wahl zu stellen. Auch der für ein politisches Kontrollorgan unentbehrlichen Objektivität können die Medien nur eingeschränkt entsprechen: Es ist beinahe unvermeidbar, dass Journalisten selbst in sachlicher Berichterstattung ihre eigene, parteiische Meinung einfließen lassen. Die Macht der Medien, öffentlichen Druck auf die Politik zu erzeugen, und die Art und Weise, wie sie zeitweilig mit dieser Macht umgehen, stößt deshalb nicht selten auf Kritik. 23 2.2 Rechtliche Grundlagen der politischen Berichterstattung Dennoch besteht in freiheitlich-demokratischen Gesellschaften ein allgemeiner Konsens, dass im Interesse einer funktionsfähigen und wehrhaften Demokratie die freie, nicht von staatlicher Gewalt gelenkte Wahrnehmung der oben genannten Funktionen durch die Medien unbedingt schützenswert ist. Dem wird durch die verfassungsrechtliche Absicherung des Grundrechts auf Meinungs-, Informationsund Pressefreiheit Rechnung getragen. Auch das deutsche Grundgesetz garantiert diese Freiheiten (Art. 5 Abs. 1 GG) und schafft damit die rechtliche Grundlage für eine umfassende Informations- und Meinungsvielfalt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommt der freien Presse als einem "Wesenselement des freiheitlichen Staates" 24 konstitutive Bedeutung für die Demokratie zu. Allgemeine Gesetze, der Schutz der Jugend und die Persönlichkeitsrechte des Einzelnen setzen der Freiheit der Informationsbeschaffung, Berichterstattung und Meinungsäußerung allerdings Grenzen (Art. 5 Abs. 2 GG). Unter diesen Vorbehalt fällt auch die Weitergabe und Veröffentlichung von Informationen und Meinungen, die geeignet sind, vorrangige Gemeinschaftsgüter wie die öffentliche Sicherheit zu gefährden oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen.25 Da die Medien zur Wahrnehmung ihrer demokratischen Funktionen primär auf den prinzipiell ungehinderten Zugang zu Informationen angewiesen sind, stehen ihr 23 Vgl.: Chill / Meyn, Funktionen der Massenmedien in der Demokratie, S. 4. BVerfG, zit. in: Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, S. 14. 25 Vgl.: Hesselberger, Das Grundgesetz (Kommentar), S. 99f. 24 13 hierfür besondere Rechte zu: Über das für jeden Bürger geltende Grundrecht hinaus, sich "aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten" (Art. 5 Abs. 1 GG), genießen sie einen gesetzlich garantierten Informationsanspruch gegenüber staatlichen Behörden. Die Landespressegesetze verpflichten die Behörden, den Medien "die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben dienenden Auskünfte zu erteilen", sofern dem keine gesetzlichen Verweigerungstatbestände entgegenstehen.26 Die Möglichkeiten der Medien, sich über die Arbeit der Regierungsorgane zu informieren, sind unterschiedlich geregelt: Während die Plenarverhandlungen der Legislative, also Bundestag und Bundesrat, grundsätzlich öffentlich stattfinden müssen bzw. können (Art. 42 Abs. 1 GG und Art. 52 Abs. 3 GG), tagt die Exekutive, der Kanzler und sein Kabinett, hinter verschlossenen Türen. Entsprechend der Informationspflicht für Behörden müssen indes auch Bundeskanzleramt und Bundesministerien die Medien über Ergebnisse der Kabinettssitzungen und die fortlaufenden Regierungsgeschäfte unterrichten. Dies geschieht in erster Linie in der Bundespressekonferenz, wo die Sprecher der Bundesregierung in regelmäßigen sog. "Regierungspressekonferenzen" den Journalisten Rede und Antwort stehen (vgl. Kap. 3.3.1). 2.3 Das Verhältnis zwischen Politik und Medien 2.3.1 Von der klassischen Zweiteilung zur "Mediatisierung" der Politik Prinzipiell tragen die rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland in hohem Maße dafür Sorge, dass die Massenmedien als eigenständiges, staatlich unabhängiges System ihre politischen und demokratischen Grundfunktionen erfüllen können. Zum Allgemeingut gewordenes Leitbild hierfür war – spätestens seit der "Spiegel-Affäre"27 – ein Dualismus von politischem und medialem System, d.h. von zwei klar voneinander getrennten Handlungsbereichen mit jeweils eigener Funktionslogik und klar umrissenen Aufgabengebieten, wenn auch in enger Koexistenz: 26 Meist § 4 der Landespressegesetze. Der Bund hat von seiner Rahmengesetzgebungskompetenz über die "allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse" (Art. 75 Abs. 1 Ziff. 2 GG) keinen Gebrauch gemacht. Daher gelten die Landespressegesetze auch für die im jeweiligen Bundesland befindlichen Bundesbehörden. Vgl.: Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, S. 146ff., sowie: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hrsg.), Medienbericht 1998, S. 170ff. 27 Vgl.: Hoffmann / Sarcinelli, Politische Wirkungen der Medien, S. 724. 14 - die Politik fällt unbeirrt gesamtgesellschaftlich verbindliche Entscheidungen in Verantwortung gegenüber dem Gemeinwohl und der Verfassung, - die Medien veröffentlichen ausgewogene, sachlich zutreffende und angemessene Informationen über die politischen Entscheidungen und kommentieren bzw. kontrollieren die Politik aus kritischer Distanz.28 Beide Seiten sind zwar aufeinander angewiesen, handeln aber unabhängig voneinander: Die Medien benötigen die Politik und deren Akteure als Informationsund Themenquelle, die Politiker wiederum sind aus Legitimationsgründen auf die Massenmedien angewiesen, um ihre Ideen und Handlungen in der unüberschaubar gewordenen Gesellschaft einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.29 Das Idealbild einer derartigen Zweiteilung ist in der Realität indes schon längst nicht mehr existent, wie jeder Mediennutzer täglich feststellen kann: Das politische und das mediale System haben sich sukzessive zu einer "Mediendemokratie" überlagert, in der die Politik auf die Logik und Funktionsweise der Massenmedien Rücksicht nehmen muss, um öffentlich wahrnehmbar zu bleiben. Infolgedessen unterwarf sich die Politik zunehmend den Gesetzmäßigkeiten ihrer medialen Vermittlung, ein schleichender Prozess, dem Heinrich Oberreuter 1989 mit dem Begriff "Mediatisierung der Politik" einen Namen gab.30 Die Mediatisierung lasse die Ebene der politischen Sach- und Programmarbeit gegenüber der medienwirksamen Inszenierung von Politik mehr und mehr in den Hintergrund treten: Da personalisierbare und visualisierbare politische Handlungen von den Medien bevorzugt werden, passe sich die Politik diesen Forderungen an und wandle sich zum "unterhaltsamen Schauspiel", in dem nicht mehr politische Argumente und Handlungen zählen, sondern nur noch, ob ein politischer Akteur beim Publikum gut oder schlecht ankommt. "Die Seriosität der Politik und ein präziser Politikbegriff überhaupt beginnen sich partiell aufzulösen."31 Ähnlich konstatiert Fritz Plasser eine "Elektronisierung" (gemeint ist die gestiegene Rolle des Fernsehens) und Personalisierung der Politik, welche die Fähigkeit und das Geschick des Spitzenkandidaten hinsichtlich seiner "massenmedialen Selbstpräsentation" zum wahlentscheidenden Faktor werden lasse.32 Infolgedessen habe die "funktionale Verschränkung" von Politik und Medien bereits zu einer 28 Vgl.: Altmeppen / Löffelholz, Zwischen Verlautbarungsorgan und "vierter Gewalt", S. 97ff. Vgl.: Meyer et al., Die Inszenierung des Politischen, S. 31ff. 30 Vgl.: Oberreuter, Mediatisierte Politik und politischer Wertwandel, S. 36. 31 Siehe: Ebd., S. 37f. 29 15 Verschmelzung beider Systeme zur einheitlichen, politisch-medialen "Superstruktur" geführt.33 Dem widerspricht indes Thomas Meyer, der zwar ebenfalls eine "weitgehende Überlagerung der beiden Systeme" feststellt, jedoch gleichzeitig die nach wie vor vorhandenen Kompetenzunterschiede zwischen beiden Seiten aufzeigt: "Tatsächlich verändert sich auch das Politische selbst unter dem Einfluss des Mediensystems beträchtlich, aber es löst sich nicht im Mediensystem auf."34 Meyer unterscheidet vielmehr in seinem beachtenswerten "Drei-Ebenen-Modell" zwischen der - Herstellung von Politik (Ebene I), d.h. der Erzeugung gesamtgesellschaftlich verbindlicher Entscheidungen durch die poltischen Akteure – eine Kompetenz, die nur dem politischen System, nicht dem medialen zukommt – und der - Darstellung von Politik (Ebene II), unterteilt in Selbstdarstellung der Politik (Inszenierung hergestellter und nicht-hergestellter Politik) und Fremddarstellung durch die Medien (Vereinfachung, Bewertung, Kommentar) die letztlich zur - Vorstellung von Politik (Ebene III) beim Publikum führt.35 Winfried Schulz registriert ein Verhältnis wechselseitiger Dominanz und Abhängigkeit zwischen Medien und Politik, das dazu geführt habe, "dass die Medien wichtige politische Funktionen übernehmen und dass politisches Handeln durch kommunikatives Ersatzhandeln – durch 'symbolische Politik' – substituiert wird, und zwar nicht selten im Einvernehmen beider Seiten."36 Auch Gerd Langguth erkennt zwischen den Medien und der Politik "keine klaren Grenzen" mehr, sondern "eine massive Interdependenz", da zunehmend die Medien über die politische Tagesordnung bestimmten und "vieles in der Politik ausschließlich wegen der Berichterstattung stattfindet".37 Trotz unterschiedlicher Sichtweisen ist die Tendenz in der Forschungsdebatte klar erkennbar: In der modernen Mediendemokratie ist das klassische Modell der Unterteilung des politischen und des medialen Systems in zwei eindeutig voneinander getrennte Handlungsbereiche "offenkundig radikal überholt", weshalb es von Politik- wie Medienwissenschaftlern "seit längerem kommentarlos zur Seite 32 Vgl.: Plasser, Medienlogik und Parteienwettbewerb, S. 213f. Siehe: Ebd., S. 217. 34 Siehe: Meyer, Politik in der Mediendemokratie, S. 177 und S. 183. Zur Antwort auf Plassers These vgl. auch: Ders. et al., Die Inszenierung des Politischen, S. 39ff. 35 Vgl.: Meyer, Politik in der Mediendemokratie, S. 184ff. 36 Siehe: Schulz, Politische Kommunikation, S. 235. 37 Siehe: Langguth, Zum Verhältnis zwischen Medien und Politik, in: Frankf. Rundschau, 18.09.2000. 33 16 gelegt worden" ist.38 Statt dessen wird allgemein von einer mehr oder weniger beträchtlichen Schnittfläche beider Ebenen ausgegangen. Durch diese "Symbiose" haben die Medien letztlich nicht nur die Politik, sondern die ganze Gesellschaft durchdringen können, die sich dadurch – Otfried Jarren zufolge – zur "Mediengesellschaft" gewandelt hat.39 2.3.2 Das Fernsehen als Leitmedium Für das Phänomen der Mediatisierung von Politik wird einhellig in erster Linie die "beherrschende Stellung des Fernsehens"40 innerhalb des Mediensystems verantwortlich gemacht: Es hat sich wegen seiner Schnelligkeit und hohen Reichweite innerhalb weniger Jahrzehnte zum "Leitmedium" entwickelt, das durch "Agenda-setting" die Themenauswahl anderer Medien, aber auch der Politik selbst, ganz entscheidend beeinflusst.41 In der Tat spielt das Fernsehen heute die dominierende Rolle, um Politik für die Bürger wahrnehmbar zu machen, da politische Nachrichten die meisten Bürger zuerst in Form von Fernsehbildern erreichen.42 Grund dafür sind seine spezifischen "politischen Wirkungsqualitäten"43: Es wird extensiv genutzt, erreicht auch politisch weniger Interessierte und suggeriert durch die authentische Wirkung seiner Bilder hohe Glaubwürdigkeit. Dadurch ist es prädestiniert, Themen zu setzen und Personen einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen: Das Fernsehen stellt die Bilder eines Ereignisses, die beteiligten Personen in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses, wohingegen Themen und Personen, die nicht im Fernsehen vorkommen, in der Öffentlichkeit keine wirkliche Resonanz haben.44 Auf diese Weise fördert das Fernsehen die Personalisierung von Politik, denn "Konflikt- und Personenorientierung und die Möglichkeit zur Visualisierung haben wesentlichen Einfluss darauf, ob überhaupt über (Entscheidungs-) Politik berichtet 38 Vgl.: Meyer et al., Die Inszenierung des Politischen, S. 36f. Vgl.: Jarren, Medien, Mediensystem und politische Öffentlichkeit im Wandel, S. 74ff. 40 Siehe: Meyer et al., Die Inszenierung des Politischen, S. 13ff. – Jarren spricht gar von einer "überragenden soziokulturellen Position" des Fernsehens, siehe: Jarren, Medien, Mediensystem und politische Öffentlichkeit im Wandel, S. 84. 41 Vgl.: Oberreuter, Mediatisierte Politik und politischer Wertwandel, S. 37ff., sowie: Schulz, Politische Kommunikation, S. 181ff. und: Tenscher, Politik für das Fernsehen, 184ff. 42 Das Fernsehen liegt mit einer Reichweite von 83% der Gesamtbevölkerung deutlich vor den anderen tagesaktuellen Medien (Hörfunk: 75%, Tageszeitung: 65%). Vgl.: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hrsg.), Medienbericht 1998, S. 199. 43 Vgl.: Schulz, Politische Kommunikation, S. 184. 44 Vgl.: Langguth, Zum Verhältnis zwischen Medien und Politik, in: Frankf. Rundschau, 18.09.2000. 39 17 wird."45 So kann etwa der Machtkampf zwischen Personen um einen politischen Sachverhalt weitaus besser bebildert werden, als der abstrakte Sachverhalt selbst. Die ”Fernsehtauglichkeit" von Politikern ist dadurch zu einem ausschlaggebenden Machtfaktor geworden, sowohl nach innen (beim Wettbewerb um Führungspositionen in Partei und Regierung), als auch nach außen (Sympathiewerte in der Bevölkerung, Wiederwahl). So erstaunt es kaum, dass Personalfragen und medial wirkungsvolle Selbstinszenierungen einzelner Akteure in zunehmendem Maße Sachthemen, Hintergründe und Zusammenhänge verdrängen.46 Das Fernsehen diktiert außer den Themen mittlerweile auch die Geschwindigkeit der Informationsvermittlung, der sich alle anderen Medien unterordnen müssen. Seit der Einführung privater Rundfunk- und Fernsehkanäle Mitte der 80er Jahre hat sich das Tempo, aber auch der Umfang des Nachrichtenumsatzes permanent erhöht. 47 Dies hat zu einem enormen Konkurrenzkampf unter den elektronischen Medien geführt, der sich seit dem Regierungsumzug nach Berlin sogar noch verschärft hat (vgl. Kap. 4.1.2). Jeder Sender ist bestrebt, eine neue Nachricht zuerst zu senden (Konkurrenz um Aktualität) und in den exklusiven Besitz von Bildern und "O-Tönen" zu kommen (Konkurrenz um Exklusivität), um letztendlich höhere Einschaltquoten und Marktanteile zu erzielen (wirtschaftliche Konkurrenz). Die Folge des Konkurrenzdrucks für die politische Berichterstattung: Argumente werden zu Schlagwörtern verkürzt, Sachthemen von Skandalen verdrängt und Hintergrundinformationen durch Bilder und Statements von Politikern ersetzt. Immer öfter werden Themen für kurze Zeit aufgebauscht, um anschließend unvermittelt wieder völlig fallengelassen zu werden.48 Angesichts der Beschleunigung und Diversifizierung der Berichterstattung bleibt auch den Printmedien immer weniger Zeit, sich mit politischen Prozessen und Entscheidungen inhaltlich kritisch auseinanderzusetzen. Ein Journalist der schreibenden Zunft beklagt: "Das Privatfernsehen hat die Standards zerstört, es geht nur noch um Bilder, um Wortschnipsel."49 45 Siehe: Jarren, Medien, Mediensystem und politische Öffentlichkeit im Wandel, S. 87. Vgl.: Bruns, Die Bilder entscheiden, S. 3, sowie: Dies.: Der Politiker ist die Message, in: Der Tagesspiegel, 03.02.2001, und: Oberreuter, Mediatisierte Politik und politischer Wertwandel, S. 39. 47 Vgl.: Tenscher, Politik für das Fernsehen, S. 192ff. 48 Hermann Meyn findet für diese Entwicklung bildhafte Worte: "Gepaart mit großsprecherischen Ankündigungen ist ein Stichflammenjournalismus in Mode gekommen, bei dem nicht wie früher jeden Tag, sondern offenbar jede Stunde eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird, und zwar mit viel Getöse." Siehe: Meyn, Massenmedien in Deutschland, S. 344. 49 Siehe: Kurbjuweit, "Wie die ersten Menschen", in: Der Spiegel, Nr. 51/1999, S. 96. 46 18 2.3.3 Politiker im Anpassungsprozess Für die politischen Akteure selbst brachte die Mediatisierung ihres Handlungsbereiches indes durchaus nicht nur Nachteile: Recht bald begannen sie, die Selektionslogik der Massenmedien und die "dramaturgischen Notwendigkeiten" des Fernsehens – Personalisierung, Visualisierung und Simplifizierung50 – dezidiert für ihre eigenen Zwecke zu instrumentalisieren. Oberreuter beobachtete schon 1989: "Die Politik eignete sich inzwischen durchaus die Souveränität an, die publizistischen Bühnen selbst zu wählen, auf denen sie aufzutreten gewillt ist."51 Meyer registriert nach der "Kolonisierung" der Politik durch das Mediensystem nun zunehmende Anstrengungen von Seiten der Politiker, "ein Höchstmaß an Kontrolle über die Darstellung der Politik im Mediensystem zurückzugewinnen". Dies geschehe mittels einer "möglichst perfekten Übernahme der medialen Logik in die Selbstdarstellung der Politik."52 Aufgrund seiner direkten Darstellungsform wird das Fernsehen von den politischen Akteuren besonders geschätzt: Es eignet sich in hervorragender Weise, ein gewünschtes Thema, ein Ereignis oder ein bestimmtes Image quasi "ungefiltert" einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Dabei profitieren die Politiker gleichermaßen vom gestiegenen Tempo der Informationsvermittlung, wie von der Konkurrenz unter den elektronischen Medien um exklusive O-Töne: Von früh bis spät "illustrieren" Rundfunk und Fernsehen abstrakte – und deshalb schwierig kommunizierbare – politische Handlungen durch Stellungnahmen der Akteure, welche ihrerseits neue Stellungnahmen weiterer Politiker nach sich ziehen. Die öffentlich wahrnehmbare politische Diskussion hat sich vom Parlament in TVTalkshows verlagert, der Sekundenauftritt in der "Tagesschau" ist wichtiger geworden als eine anspruchsvolle Rede vor dem Bundestag. Alles Gesagte wird ohne Abstufung und Verarbeitung sofort öffentlich, "Kanzler und Parteichef sprechen ihre Wahrheiten und Platitüden mittlerweile direkt in die Wohnzimmer."53 Gleichzeitig wurde die politische Öffentlichkeitsarbeit professionalisiert und ganz auf die spezifischen Bedürfnisse der Medien ausgerichtet: Das politische Geschehen wird bereits druck- und sendefertig "geliefert" und kann von den Multiplikatoren direkt 50 Vgl.: Oberreuter, Mediatisierte Politik und politischer Wertwandel, S. 37ff. Siehe: Oberreuter, Mediatisierte Politik und politischer Wertwandel, S. 40. 52 Siehe: Meyer, Politik in der Mediendemokratie, S. 179. An anderer Stelle führt Meyer diese These noch weiter aus und resümiert: "Statt die Welt zu beobachten, beobachten Politiker, wie sie von den Massenmedien beobachtet werden, und richten ihr Handeln danach aus." Siehe: Ders. et al., Die Inszenierung des Politischen, S. 15. Vgl. auch: Ebd., S. 170f. 53 Siehe: Bruns, Politik und Medien, S. 47. 51 19 übernommen werden. Durch eigens für die Medien inszenierte symbolische Politik, Pseudo-Ereignisse und "Infotainment" verstehen es die politischen Akteure, ein bestimmtes, gewünschtes Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit herbeizuführen und von unangenehmen Wahrheiten oder politischen Misserfolgen abzulenken.54 Bei wenig Zeit für journalistische Recherchen und redaktionelle Überarbeitung lässt sich auf diese Weise die Themensetzung in den Medien trefflich beeinflussen. So nimmt es kaum Wunder, "dass Politiker an diesem Beschleunigungskarussell für Informationen und solchen, die sich dafür ausgeben, kräftig mitdrehen (...)" 55, eine Entwicklung, die sich seit 1998 unter der rot-grünen Regierung forciert hat (vgl. Kap. 4.1.4). Dadurch ist eine "Doppelbödigkeit" von Politik entstanden "mit dem öffentlich kaum sichtbaren Teil des politischen Handelns einerseits und der auf der Bühne der Medien inszenierten Politikdarstellung andererseits."56 Denn für den Mediennutzer ist es nahezu unmöglich geworden, etwa hinter der medienwirksam in Szene gesetzten Fabrikeröffnung durch den Ministerpräsidenten noch den tatsächlichen Anteil politischen Handelns zu quantifizieren, der für Ansiedlung der Fabrik ursächlich war. Vor den Fernsehkameras verweist der Politiker stolz auf die Schaffung hunderter neuer Arbeitsplätze, während in der gleichen Region eventuell tausende Beschäftigungsverhältnisse durch politisches Unvermögen verloren gegangen sind. Mittlerweile beklagt sogar das deutsche Staatsoberhaupt, dass die "Show-Regie" in der Politik die langfristige Arbeit an Ideen und Konzepten verdränge: "Man denkt weniger an die Sache selbst als an das Bild der Sache in der Öffentlichkeit. Das Bild von der Sache tritt schließlich an die Stelle der Sache selbst."57 Unter dem Eindruck ständiger, kalkuliert eingesetzter Inszenierungen von politischen Images, Symbolhandlungen und Scheinerfolgen einzelner Spitzenpolitiker geraten politische Entscheidungen in Parlament und Kabinett ebenso wie Parteiprogramme in den Hintergrund und verlieren an Bedeutung. Der Spitzenpolitiker selbst wird zur Botschaft, er personifiziert Entscheidung, Partei und Programm.58 Eine Symbolfigur für die dargestellte Entwicklung repräsentiert der "Medienkanzler" Gerhard Schröder, von dem das Wort kolportiert wird, regiert werde mit "Bild, BamS 54 Vgl.: Tenscher, Politik für das Fernsehen, S. 185ff. Siehe: Meyn, Massenmedien in Deutschland, S. 344. 56 Siehe: Schulz, Politische Kommunikation, S. 12. 57 Siehe: Rau, Gesprächsforum "Die Republik und ihre Journalisten" am 23.10.2001, in: Bulletin der Bundesregierung vom 23.10.2001. 58 Vgl.: Bruns, Politik und Medien, S. 45f. 55 20 und Glotze".59 Er ist der erste deutsche Regierungschef, der seinen Aufstieg vor allem einer gelungenen Selbstinszenierung in den Medien verdankt, wie selbst Journalisten feststellen: "Niemand hat sich so auf die Medien eingelassen wie Schröder, hat sie benutzt und sich von ihnen benutzen lassen, um gegen seine Partei Kanzler zu werden."60 Stets von Kamerateams begleitet, bald staatsmännisch, bald volkstümlich auftretend, gilt er als "Protagonist der medialisierten Demokratie".61 2.4 Neue Herausforderungen an den politischen Journalismus Für die Medien ist die Gefahr gewachsen, von der Politik als Bühne zur Selbstinszenierung instrumentalisiert zu werden und dadurch ihre vielbeschworene Macht als "vierte Gewalt" zu verlieren. Bei permanent steigender Quantität politischer (Schein-) Ereignisse wird die Differenzierung von tatsächlichem politischen Handeln und medienwirksamer Pseudo-Politik immer schwieriger und zeitaufwendiger. Die Qualität der Berichterstattung droht daher nachzulassen, denn um hinter den wohlfeilen Inszenierungen den sachlich-inhaltlichen Kern zu identifizieren, bedarf es einer präzisen Kenntnis der Materie, eines fundierten Hintergrundwissens und nicht selten auch umfangreicher Recherchen. Angesichts der Vielzahl von Themen und des steigenden Konkurrenzdrucks unter den verschiedenen Medien fehlt es dafür in den Redaktionen jedoch immer öfter an Zeit und Personal.62 Besonders die elektronischen Medien neigen dazu, sich von einer professionell inszenierten "Polit-Show" blenden zu lassen und sie weitgehend unreflektiert an das Publikum weiterzuleiten. Für den einzelnen Staatsbürger, der zu seiner politischen Information und Meinungsbildung auf Medienberichte angewiesen ist, reduziert sich dadurch die Möglichkeit, Überblick und Urteilsvermögen hinsichtlich Inhalt und Tragfähigkeit politischer Handlungen zu bewahren.63 Wie aber können unter diesen Umständen die Medien noch ihren demokratischen Aufgaben gerecht werden? Es ist mit Meyer anzunehmen, dass Politik als "Produktionsprozess verbindlicher Entscheidungen nach einer eigensinnigen Logik" nach wie vor stattfindet, allerdings nur noch hinter den Medienbühnen. Die Medien können jedoch das "Spiegelkabinett" 59 Zit. in: Dies., Der Politiker ist die Message, in: Der Tagesspiegel, 03.02.2001. Siehe: Kurbjuweit, "Wie die ersten Menschen", in: Der Spiegel, Nr. 51/1999, S. 98. – Vgl. auch: Meyer, Politik in der Mediendemokratie, S. 185f. 61 Siehe: Leyendecker, "Eins in die Presse", in: Süddeutsche Zeitung, 08.09.2001. – Vgl. auch: Plöchinger, Hauptstadt-Journalismus, S. 103f. 62 Vgl.: Altmeppen / Löffelholz, Zwischen Verlautbarungsorgan und "vierter Gewalt", S. 122, sowie: Sartorius, An den Wühltischen der Macht, in: Süddeutsche Zeitung, 18.03.2000. 60 21 verlassen, indem sie "die ihnen von Seiten der Politik angebotenen Repräsentationsbühnen umgehen und den Blick wieder auf die Logik der politischen Prozesse richten (...)".64 Hierfür sollte im Interesse einer möglichst zerrfreien und kritischen Berichterstattung dem Übergang der Informationen von der Ebene der Selbstdarstellung der Politik zur Fremddarstellung in den Medien höchste Aufmerksamkeit zuteil werden, damit in angemessener Weise sichtbar bleibt, was auf der politischen Herstellungsebene tatsächlich geschieht. Dieser Übergang von der Selbst- zur Fremddarstellung, wie er z.B. in der Bundespressekonferenz stattfindet, ist der Filter, wo politische Informationen und Ereignisse auf ihren konkreten Inhalt überprüft, auf wesentliche Elemente reduziert und für die Öffentlichkeit aufbereitet werden müssen. Ansonsten erliegt der Betrachter der Illusion, Zeuge politischen Herstellungshandelns zu sein, und ist im Endeffekt doch nur Zuschauer wohl kalkulierter Selbstdarstellungen.65 2.5 Journalistische Gegeninitiativen Seriöse und umfassende politische Berichterstattung ist deshalb mehr denn je auf journalistische "Gegeninitiativen" angewiesen, die dazu dienen, das von der Politik initiierte Informationsgut auf Widersprüche und Unvollständigkeiten hin zu untersuchen und gegebenenfalls zu vervollständigen.66 Traditionell gehört eine Vielzahl solcher Gegeninitiativen zum Aufgabenfeld eines jeden Journalisten, die unter dem Sammelbegriff "Recherche" subsumiert werden: "Wer recherchiert, der gehört zu den Wächtern der Demokratie (...). Nur so erfahren die Menschen von Ereignissen, die ohne die Mühe des Journalisten niemals ans Licht gekommen wären."67 Die Recherche dient dem Ziel, über das zu behandelnde Thema möglichst viele Details und Ansichten zu sammeln, diese zu sortieren, zu gewichten und übersichtlich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Dazu zählt die Beschaffung von Zusatzinformationen aus dem Archiv, das Einholen von Expertenmeinungen, das Führen von Interviews und nicht zuletzt auch das grundlegende und zentrale Element jeder journalistischen Gegeninitiative, die direkte Frage an den Informanten. 63 Vgl.: Tenscher, Politik für das Fernsehen, S. 188ff. Siehe: Meyer et al., Die Inszenierung des Politischen, S. 44. 65 Vgl.: Meyer, Politik in der Mediendemokratie, S. 197. 66 Vgl.: Martenson, Parlament, Öffentlichkeit und Medien, S. 273. 67 Siehe: Schneider / Raue, Handbuch des Journalismus, S. 44f. 64 22 Gerade die zunehmende Inszenierung politischer Ereignisse und Mitteilungen erfordert teilweise hartnäckige Rück- und Nachfragen an die Akteure, um der Wahrheitsfindung dienliche Informationen schließlich zu erhalten. Besteht von Seiten der Medien ein kollektives Interesse, einen Politiker zu einem bestimmten Sachverhalt zu befragen, so bietet sich die Veranstaltung einer Pressekonferenz an. Diese für beide Seiten rationellste Form der Kommunikation ist vor allem durch folgende Vorzüge gekennzeichnet:68 - Sie versorgt alle anwesenden Journalisten zur gleichen Zeit mit den gleichen Informationen und macht dadurch eine Fülle von Einzelgesprächen entbehrlich. - Sie ist jedoch nicht bloße "Ausgabestelle" von Informationen, sondern ermöglicht allen Medienvertretern, die Mitteilungen der Informanten zu hinterfragen. - Sie erlaubt die rationelle Vermittlung umfangreicher Basisinformationen, die den teilnehmenden Journalisten ggf. als Ausgangspunkt für weitergehende Recherchen dienen können. - Sie beugt der Bevorzugung bestimmter Medien durch die Politiker vor. Die auf bundespolitischer Ebene zweifellos bedeutendste Institution, die einer solchen journalistischen Gegeninitiative einen organisatorischen Rahmen verleiht, ist die Bundespressekonferenz. In diesem traditionsreichen Informationsforum stehen Repräsentanten der Bundesregierung sowie andere Informanten den Journalisten zu allen Themen der Bundespolitik Rede und Antwort. 68 Vgl.: Köhler, Die Bundes-Pressekonferenz, S. 43ff. 23 3. Die Bundespressekonferenz – eine Charakterisierung 3.1 Allgemeine Fakten – und verbreitete Irrtümer Obgleich als "Deutschlands berühmteste Pressekonferenz"69 bezeichnet, ist die Bundespressekonferenz – trotz ihrer häufigen Präsenz im Fernsehen – für den größten Teil der Bevölkerung bis heute bestenfalls "eine bekannte Unbekannte" 70. Selbst manche Journalisten, Bundespolitiker und Mitarbeiter oberster Bundesbehörden verbinden mit der Institution nur vage Vorstellungen.71 Neben dieser verbreiteten Unkenntnis, die eine Quelle zahlreicher Irrtümer über das Informationsforum, seine Tätigkeit und Eigenarten darstellt, sind aber auch eine Reihe weiterer Ursachen geeignet, falsche Assoziationen zu wecken: a) Die Bundespressekonferenz – eine nicht-staatliche Organisation Schon der Name "Bundespressekonferenz" verleitet immer wieder zu Fehlschlüssen: Es handelt sich dabei nicht um eine staatliche Institution, wie das Präfix "Bundes-" nahelegen könnte, sondern vielmehr um einen privatrechtlichen eingetragenen Verein (e.V.), einen von der Regierung gänzlich unabhängigen "(...) Zusammenschluss deutscher Parlamentskorrespondenten, die aus Berlin und / oder Bonn ständig über die Bundespolitik berichten", wie § 2 der Satzung der Bundespressekonferenz e.V. 72 definiert. Der ausschließliche Zweck dieses Vereins ist es, "Pressekonferenzen zu veranstalten und seinen Mitgliedern Möglichkeiten einer umfassenden Unterrichtung der Öffentlichkeit zu verschaffen." (§ 3) Am 11. Oktober 1949, wenige Monate nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland, von rund 100 Parlamentskorrespondenten am neuen Regierungssitz Bonn ins Leben gerufen, trägt die Bundespressekonferenz bereits in ihrem Namen der Tatsache Rechnung, dass sie sich – in Abgrenzung etwa zu den ab 1947 nach und nach gegründeten Landespressekonferenzen73 – ausschließlich als Forum für bundespolitische Themen versteht. 69 Siehe: Schneider / Raue, Handbuch des Journalismus, S. 38. So der Untertitel der bislang einzigen Monographie über die Bundespressekonferenz: Köhler, Die Bundes-Pressekonferenz – Annäherung an eine bekannte Unbekannte. (Vgl. Anm. 3.) 71 Mündliche Information der BPK-Büroleiterin Roswitha Kreutzmann. 72 Siehe: Satzung der Bundespressekonferenz e.V., Berlin. Aktuell gültige Fassung vom 15. März 2000, Vereinsregister-Nr.: 95 VR 19737 Nz. Abdruck in: Bundespressekonferenz e.V., Mitgliederverzeichnis 2001/2002, S. 174ff. sowie im Anhang dieser Arbeit. Die im Haupttext folgenden Paragraphen in Klammern beziehen sich auf diese Satzung. 73 Vgl. hierzu: Köhler, Die Bundes-Pressekonferenz, S. 150ff. 70 24 Für Verwirrung sorgt bisweilen, dass die Bezeichnung "Bundespressekonferenz" sowohl für die Institution steht, als auch für deren Veranstaltungen, die Pressekonferenzen.74 – Die erste Bundespressekonferenz fand bereits am 17. Oktober 1949 statt, Gäste waren Bundeskanzler Konrad Adenauer und Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard.75 Seither versucht die Bundespressekonferenz als "der zentrale Umschlagplatz von Informationen"76 am Übergang von der Selbst- zur Fremddarstellung von Politik ihren Mitgliedern eine qualitativ hochwertige Berichterstattung über bundespolitische Themen zu ermöglichen. Dies geschieht mittels Informationsbeschaffung aus "erster Hand": Die Bundespressekonferenz ist – trotz ihrer staatlichen und politischen Unabhängigkeit – traditionell das erste öffentliche Forum der Bundesregierung für wichtige Mitteilungen und Stellungnahmen. Regelmäßig dreimal in der Woche findet dort die sogenannte Regierungspressekonferenz statt, eine Routineveranstaltung mit dem Regierungssprecher und den Sprechern sämtlicher Bundesministerien. Weitere, anlassbezogene Pressekonferenzen zu bundespolitischen Themen ergänzen das Infor-mationsangebot (vgl. Kap. 3.3.1). b) Verwechslungsgefahr mit Bundespresseamt Neben der Tatsache, dass die offizielle Regierungspressekonferenz im Haus der Bundespressekonferenz stattfindet, führt vor allem eine unüberhörbare Konsonanz der Namen dazu, dass der eingetragene Verein Bundespressekonferenz häufig mit dem staatlichen "Bundespresseamt" gleichgesetzt oder verwechselt wird. Hinter dieser offiziell gebräuchlichen Kurzform verbirgt sich das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, eine unmittelbar dem Bundeskanzler unterstehende Oberste Bundesbehörde mit rund 850 Mitarbeitern, deren Leitung der Regierungssprecher inne hat, ein Beamter im Rang eines Staatssekretärs.77 74 Im nachfolgenden Text wird zwischen der (bestimmter Artikel) Bundespressekonferenz ( = die Institution) und einer (unbestimmter Artikel) Bundespressekonferenz ( = die Veranstaltung) unterschieden. Zur Verbesserung des Leseflusses werden an geeigneter Stelle die Abkürzungen "BPK" für Bundespressekonferenz sowie "PK" für Pressekonferenz bzw. "PKen" für Pressekonferenzen verwendet. 75 Vgl.: Köhler, Die Bundes-Pressekonferenz, S. 94. – Zur Geschichte der BPK vgl.: Ebd., S. 88ff., ferner: Martenson, Parlament, Öffentlichkeit und Medien, S. 274ff., sowie: Ders., Die Bundes-Pressekonferenz: Von Bonn nach Berlin, S. 234ff. 76 So BPK-Vorstandsmitglied Thomas Wittke im Interview mit dem Verfasser am 30.04.2002. 77 Aktueller Regierungssprecher ist seit 1998 StS Uwe-Karsten Heye (SPD), stellvertretende Regierungssprecher(in) sind Charima Reinhard (B'90/Grüne) und Bela Anda (SPD). – Zu Aufgaben, Organisation und Geschichte des Bundespresseamtes vgl.: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hrsg.), Jahresbericht der Bundesregierung 1998, S. 47ff.; Walker, Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, S. 30ff., sowie: Fischer, Regierungssprecher, S. 26ff. 25 Das Bundespresseamt (BPA) wurde am 12. Oktober 1949 gegründet, also fast zeitgleich mit der Bundespressekonferenz. Ihm obliegt die Aufgabe, die Öffentlichkeit im In- und Ausland über die Ziele, Inhalte und Ergebnisse der Politik der Bundesregierung zu informieren. Zu diesem Zweck pflegt es die Verbindung zu den Medien und gibt neben Pressediensten und -mitteilungen sowie diversen Informationsschriften das "Bulletin der Bundesregierung" heraus, in dem Reden und Erklärungen des Bundespräsidenten, des Bundeskanzlers oder anderen Mitgliedern der Bundesregierung Informationsbedürfnisse werden.78 veröffentlicht der Parlamentskorrespondenten Medien regelmäßig steht in der der Für weitergehende Regierungssprecher Bundes-pressekonferenz den zur Verfügung. Darüber hinaus kooperieren die beiden Institutionen mit den ähnlich klingenden Namen noch in weiteren Punkten: So kündigt beispielsweise das BPA in seiner wöchentlichen Terminvorschau auch die Veranstaltungen der BPK an, stellt die amtlichen Protokolle der Regierungspressekonferenzen der BPK-Geschäftsstelle zur Verfügung, wo sie von den Vereinsmitgliedern eingesehen werden können, und betreibt zusammen mit der BPK einen internen Fernsehkanal für Pressekonferenzen. Für Verwirrung sorgte außerdem, dass die Bundespressekonferenz nach ihrem Umzug in die neue Hauptstadt Berlin im August 1999 ihre Veranstaltungen übergangsweise in den Räumlichkeiten des Bundespresseamtes durchführen musste, bis ihr eigenes neues Domizil am Schiffbauerdamm fertiggestellt war. c) Das Pressehaus Selbst das neue Gebäude unweit des Reichstags, das die Geschäftsstelle und den Konferenzsaal der Bundespressekonferenz seit Mai 2000 beherbergt, ist Quelle manchen Irrtums über die Institution: Das imposante, nach Plänen der Architekten Johanne und Gernot Nalbach unmittelbar auf dem ehemaligen Mauerstreifen errichtete "Haus der Bundespressekonferenz" (siehe Abb. im Anhang), wird umgangssprachlich fälschlich-verkürzend oft generell als "die Bundespressekonferenz" bezeichnet. So wird suggeriert, die Institution allein nutze den gesamten großzügigen und extravaganten Bürokomplex am Spreeufer.79 78 Umgekehrt hat das BPA außerdem die Aufgabe, die Bundesregierung über die weltweite Nachrichtenlage und die öffentliche Meinung im In- und Ausland zu unterrichten. Vgl.: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hrsg.), Jahresbericht der Bundesregierung 1998, S. 47. 79 Dieses Klischee wird sogar von seriösen Medien kolportiert: So findet sich z.B. in der F.A.Z. unter einem Foto des Gebäudes die Bildunterschrift: "Für ein Vereinsheim nicht ganz schlecht: Das Haus 26 Tatsächlich ist die Bundespressekonferenz jedoch lediglich Mieterin des Saals, in dem die Pressekonferenzen stattfinden, sowie zweier Büroräume, welche die Geschäftsstelle des Vereins beherbergen.80 Eigentümerin des Gebäudes ist hingegen die Allianz-Immobilien GmbH. Dieses privatrechtliche Mietverhältnis – das sich schon in Bonn bewährt hat – stellt sicher, dass die BPK hinsichtlich der für ihre Tätigkeit benötigten Räumlichkeiten vom Wohlwollen der Regierung unabhängig bleibt.81 Die weiteren Büroflächen sind an rund 150 Medienunternehmen (darunter 45 ausländische) vermietet, die dort ihre Hauptstadtredaktionen oder Korrespondentenbüros unterhalten. Wie seinerzeit in Bonn, profitieren die Mieter des Pressehauses sowohl von kurzen Wegen – der Konferenzsaal liegt gewissermaßen "Tür an Tür", wichtige Regierungsinstitutionen wie Bundestag und Kanzleramt sind mit wenigen Schritten erreichbar –, als auch vom "Flurfunk", dem informellen Informationsaustausch unter Kollegen auf den Gängen oder im zentralen Atrium des Pressehauses. 3.2 Merkmale der Bundespressekonferenz Nachdem das vorangegangene Kapitel vorrangig geklärt hat, was die Bundespressekonferenz nicht ist, soll das folgende den Versuch unternehmen, sich der "bekannten Unbekannten" mittels einer Darstellung ihrer Organisationsform, ihrer Eigenarten und Traditionen positiv zu nähern. 3.2.1 Organisationsform Als Organe des Vereins nennt die Satzung der Bundespressekonferenz (siehe Anhang) Mitgliederversammlung, Vorstand und zwei ständige Ausschüsse (§ 4). - Die Mitgliederversammlung (MV) als höchstrangiges Gremium des Vereins bestimmt einmal jährlich in geheimer Wahl die Zusammensetzung der anderen Organe (§ 7) und kann diese auch jederzeit abberufen (§ 5). Sie wird vom der Bundespressekonferenz". Siehe: Niendorf, "Zu diesem Verein kam noch jeder Kanzler", in: F.A.Z., 14.08.2000. 80 Mit Pressesaal (269m²) und Geschäftsstelle (55m²) belegt der Verein nur knapp 4 Prozent der rund 8400m² Bürofläche des Hauses. Mündliche Information der BPK-Büroleiterin Roswitha Kreutzmann. 81 Vgl.: Köhler, Die Bundes-Pressekonferenz, S. 114. – Auch das in den 60er-Jahren errichtete Pressehaus im Bonner Tulpenfeld war Eigentum der Allianz und wurde von der Bundespressekonferenz sowie verschiedenen Medien lediglich angemietet. Bevor 1968 jener Pressesaal mit der berühmten Palisander-Wand bezogen werden konnte, genoss die BPK Gastrecht 27 Vereinsvorstand einberufen oder – als außerordentliche MV – auf Verlangen von mindestens einem Viertel der Mitglieder anberaumt (§ 6). Ihre Beschlüsse fasst sie mit einfacher Mehrheit der anwesenden Mitglieder. Lediglich Änderungen der Satzung oder die Auflösung des Vereins (§ 7) sowie der Ausschluss von Mitgliedern, die "Ansehen oder Zweck des Vereins gröblich gefährdet" haben (§ 14), bedürfen einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder. Für die Beschlussfähigkeit der MV ist kein Quorum festgelegt. - Den achtköpfigen Vorstand wählt die MV in geheimer Wahl aus ihrer Mitte (§ 7 und 8). Er setzt sich zusammen aus dem Vorsitzenden (wird separat mit absoluter Mehrheit gewählt) und sechs weiteren, gleichberechtigten Vorstandsmitgliedern (werden mit relativer Mehrheit gewählt) sowie dem Vorsitzenden des Arbeitsausschusses Bonn (wird vom nämlichen Ausschuss in Bonn gewählt). Der Vorstand nimmt alle Aufgaben wahr, die mit der Erfüllung des Vereinszwecks (Veranstaltung von Pressekonferenzen, § 3) zusammenhängen (vgl. Kap. 3.3.2) und vertritt die Interessen des Vereins nach außen. Die beiden ständigen Ausschüsse der Bundespressekonferenz sind: - Der Mitgliedsausschuss: Er prüft die Anträge auf Mitgliedschaft in der Bundespressekonferenz und beschließt die Aufnahme neuer Mitglieder, sofern die dafür notwendigen Voraussetzungen (§ 2) erfüllt sind (vgl. Kap. 3.4). Er stellt außerdem ggf. den Wegfall einer oder mehrerer dieser Voraussetzungen fest, womit die Vereinsmitgliedschaft des Betroffenen endet (§ 12). Ist ein Mitglied mit seinen Beitragszahlungen mehr als sechs Monate im Rückstand, oder hat es sich durch falsche Angaben die Mitgliedschaft in der BPK erschlichen, so kann es vom Mitgliedsausschuss aus dem Verein ausgeschlossen werden (§ 14). Über Einsprüche gegen diese Maßnahmen entscheidet der Vorstand (§ 12 und 14). - Der 1999 neu eingerichtete Arbeitsausschuss Bonn: Er kümmert sich um die Belange der nach dem Regierungsumzug in Bonn verbliebenen Mitglieder. In diesen Ausschuss können nur in Bonn ansässige Mitglieder gewählt werden (§ 9). Sein – vom Ausschuss selbst gewählter – Vorsitzender ist automatisch Mitglied des Vorstands der Bundespressekonferenz (§ 8). Beide ständigen Ausschüsse bestehen aus jeweils fünf Mitgliedern, die von der MV gewählt werden. Darüber hinaus kann die MV im Bedarfsfall für besondere Aufgaben in den Fraktionssitzungssälen des Bundeshauses. Vgl.: Martenson, Parlament, Öffentlichkeit und Medien, S. 276. 28 weitere Ausschüsse bestellen (§ 9). Sowohl die Mitglieder des Vorstandes als auch diejenigen der Ausschüsse üben ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus (§ 10).82 Um alle organisatorischen Aufgaben gewährleisten zu können, die mit der Veranstaltung von Pressekonferenzen und der laufenden Vereinsverwaltung verbunden sind, beschäftigt die Bundespressekonferenz in ihrer Berliner Geschäftsstelle zwei festangestellte Bürokräfte, denen Terminkoordination und Vorbereitung der Pressekonferenzen, Betreuung der Mitglieder, Buchhaltung und alle weiteren Verwaltungsangelegenheiten obliegen. Eine Honorarkraft nimmt die noch in Bonn anfallenden Aufgaben wahr und betreut die dortigen Mitglieder. 3.2.2 Staatliche Unabhängigkeit mit Tradition Herausragendes Charakteristikum der Bundespressekonferenz als Plattform für Mitteilungen der Bundesregierung ist ihre vollkommene staatliche Unabhängigkeit, die sie zu einer weltweit einzigartigen Institution83 macht: Die Bundesregierung besitzt keinerlei Handhabe, die Einberufung von Bundespressekonferenzen zu verfügen, die Arbeitsweise und Organisationsform des Vereins zu beeinflussen oder die Zusammensetzung seiner Mitgliedschaft zu kontrollieren. Nicht einmal der Ablauf der Pressekonferenzen kann von Seiten der Regierung gesteuert werden. Die Satzung der Bundespressekonferenz legt fest: "Die Pressekonferenzen werden vom Vorstand einberufen. Sie werden von einem Vorstandsmitglied geleitet, das für die Dauer der Pressekonferenz das Hausrecht ausübt." (§ 16) Das bedeutet in der Praxis: Ausnahmslos alle ihre Veranstaltungen führt die Bundespressekonferenz als Gastgeber in eigener Regie durch, über die behandelten Themen bestimmt sie ebenso autonom wie über die Zusammensetzung des Podiums (Informanten) und des Auditoriums (Vereinsmitglieder). Die Informanten werden formal als "Gäste" in die Bundespressekonferenz eingeladen und haben sich den Regeln des Hauses unterzuordnen. Wer sich diesen Vorgaben nicht anpassen will, muss sich eine andere Bühne suchen, um vor die Öffentlichkeit zu treten. 82 In der Unentgeltlichkeit und im zusätzlichen Arbeitsaufwand dürften wohl die Hauptgründe zu suchen sein, warum sich die Bewerberzahl für die prestigeträchtigen Ehrenämter stets in einem relativ überschaubaren Rahmen hält und Vorstand sowie Ausschüsse durch langjährige personelle Kontinuitäten gekennzeichnet sind. Denn: "Vorsitzender der Bundespressekonferenz zu sein, ist kein reines Vergnügen." Siehe: Schopen, Die Politiker sind nur zu Gast, in: Das Parlament, 11.05.1985. Vgl. auch: Köhler, Die Bundes-Pressekonferenz, S. 143ff. – Die derzeitige Vorsitzende Tissy Bruns (seit 1999) bestätigt diese These mit deutlichen Worten: Dem Verein vorzustehen "bedeutet verdammt viel Arbeit". Bruns, Interview am 26.06.2002. 83 Vgl.: Köhler, Die Bundes-Pressekonferenz, S. 170ff. 29 Durch diese strikten Grundsätzen, die eine "allzu enge Tuchfühlung oder gar eine Gängelung der Presse durch die Regierung" nachhaltig vermeiden sollen84, verwahrt sich die Bundespressekonferenz gegen ihre Instrumentalisierung durch die Politik. Auch wirtschaftlich bewahrt die Bundespressekonferenz völlige Unabhängigkeit: Der Verein, der gemäß Satzung "keine eigenwirtschaftlichen Interessen" verfolgt (§ 3), bezieht keinerlei staatliche Unterstützung, sondern finanziert sich ausschließlich durch Mitgliedsbeiträge. Die Gründer der Bundespressekonferenz knüpften mit diesen Prinzipien an die Tradition der Reichspressekonferenz vor 1933 an, die bereits während der Weimarer Republik eine selbständige, regierungsunabhängige Institution gewesen war. Hinter der Reaktivierung dieses Modells anno 1945 stand der Wunsch der damaligen Bonner Korrespondenten, sich von der journalistischen Unfreiheit und Unterdrückung während der NS-Zeit abzusetzen und eine staatlich gelenkte, gleichgeschaltete Presse wie in jener Epoche künftig nie wieder zuzulassen.85 Mit ausschlaggebend für die Regierungsunabhängigkeit der Bundespressekonferenz war indes wohl auch die Weigerung der Alliierten, einen Zusammenschluss von Journalisten zu bewilligen, der unter der Regie der Bundesregierung agiert. 86 Zum anfänglichen Leidwesen der Bundesregierung setzten die Alliierten zudem durch, dass auch ausländische Korrespondenten an den Bundespressekonferenzen teilnehmen durften. Adenauers langjähriger Regierungssprecher Felix von Eckardt bedauerte, dass aus Gründen der diplomatischen Rücksichtnahme dadurch der Informationsverkündung "engere Grenzen gesetzt" seien.87 – Ob sich die ausländische Beteiligung tatsächlich auf den Informationswert der Pressekonferenzen auswirkte, ist nicht belegt. Die bis heute immer wieder beklagte mangelnde Auskunftsfreude der Sprecher dürfte jedenfalls andere Gründe haben (vgl. Kap. 4.3.3). Die ausländischen Korrespondenten in der Bundesrepublik (re-)organisierten sich ab 1951 in einem eigenständigen "Verein der Ausländischen Presse in Deutschland 84 Siehe: Schopen, Die Politiker sind nur zu Gast, in: Das Parlament, 11.05.1985. Vgl.: Martenson, Parlament, Öffentlichkeit und Medien, S. 274, sowie: Fischer, Regierungssprecher, S. 21 und S. 33. – Zur "Pressekonferenz der Reichsregierung" in der NS-Zeit vgl.: Ebd., S. 23ff. sowie: Köhler, Die Bundes-Pressekonferenz, S. 72ff. 86 Vgl.: Martenson, Parlament, Öffentlichkeit und Medien, S. 274. Über die Frage, ob die Bundesregierung überhaupt bestrebt war, eine von ihr kontrollierte Pressekonferenz aufzubauen, gehen die Schilderungen der Zeitzeugen allerdings auseinander. Vgl. Köhler, Die BundesPressekonferenz, S. 89. 87 Vgl.: Eckardt, Ein unordentliches Leben, S. 176. 85 30 e.V." (VAP). Dessen Mitglieder, die "seit Jahrzehnten weitgehend das Bild, das sich das Ausland von Deutschland macht, prägen"88, sind bis heute zur gleichberechtigten Teilnahme an allen Bundespressekonferenzen zugelassen. 3.3 Aufgaben und Arbeitsweise 3.3.1 Veranstaltung von Pressekonferenzen Wie bereits gezeigt, bildet die Veranstaltung von Pressekonferenzen zu bundespolitischen Themen, um den Vereinsmitgliedern die Möglichkeit einer "umfassenden Unterrichtung der Öffentlichkeit" zu verschaffen (§ 3 der Satzung), den alleinigen Vereinszweck der Bundespressekonferenz. Das Kernelement dieser Leistung bildet die Durchführung der regelmäßigen Regierungspressekonferenz, traditionelle Hauptaufgabe der Bundespressekonferenz seit ihrer Gründung und gleichsam das "Grundgerüst" ihrer Tätigkeit. Diese Veranstaltung – im journalistischen Jargon als "Regierungs-PK" abgekürzt – schließt eine wesentliche Lücke im Angebot bundespolitischer Informationen: Während die Parlamentskorrespondenten an den Entscheidungen von Bundestag und Bundesrat persönlich oder per live-Übertragung im Fernsehen teilhaben können, erfahren sie über die Beschlüsse der nicht öffentlich stattfindenden Kabinettssitzungen nur das, was die Kabinettsmitglieder selbst oder ihre Sprecher anschließend bekanntgeben. Für diese Informationen, aber auch für andere Mitteilungen des Bundeskanzlers und seiner Minister, stellt die Regierungs-PK die maßgebliche Plattform dar: Jeden Montag, Mittwoch und Freitag89 finden sich der Regierungssprecher und alle Sprecher der gegenwärtig Bundespressekonferenz ein, 14 um Bundesministerien den Journalisten im über Saal die der laufenden Regierungsgeschäfte Bericht zu erstatten, die Sichtweise der Bundesregierung zu (welt-) politischen Ereignissen darzustellen und Termine des Kanzler oder der Minister zu verkünden. Für die Bundesregierung ist diese Form der Informationsvermittlung die rationellste Methode, ihrer nachzukommen 88 gesetzlichen (vgl. Kap. Informationspflicht 2.2). Den gegenüber den Parlamentskorrespondenten Medien hingegen Siehe: Verein der Auslandspresse in Deutschland e.V., Mitgliederverzeichnis 2001/2002, S. 4. Zur Geschichte des VAP, dessen Wurzeln bis 1906 zurückreichen, vgl.: Ebd., S. 138f., sowie: Ders. (Hrsg.), Im Strom der Zeit, S. 4ff. – Ein Portrait der Aufgaben und Aktivitäten des VAP sowie zahlreiche Erfahrungsberichte von Korrespondenten ausländischer Medien in Deutschland finden sich bei: Fischer, Auslandskorrespondenten in der Bundesrepublik Deutschland, S. 55ff. und S. 65ff. 89 Vgl.: Zwei exemplarische BPK-Wochenpläne im Anhang dieser Arbeit. 31 vermitteln die Regierungs-PKen das, "was man eine Grundinformation über Tätigkeit, Vorhaben und Meinungen der Regierung nennen kann".90 Dass die Regierungs-PKen nicht lediglich zum einseitigen "Verlautbarungsforum" der Bundesregierung geraten, dafür sorgt das zeitlich und thematisch uneingeschränkte Fragerecht der Journalisten, dem in allen Veranstaltungen der Bundespressekonferenz ein herausragender Stellenwert eingeräumt wird (vgl. Kap 3.3.4). Dennoch dehnen die Journalisten ihre Fragerunden schon aus eigenem Interesse (Redaktionsschluss!) nicht zu sehr aus: Die durchschnittliche Gesamtdauer der Regierungs-PKen beträgt rund 20 Minuten.91 Da die Veranstaltungen auch ohne aktuellen Anlass routinemäßig dreimal wöchentlich zu festgesetzten Zeiten stattfinden92, kann es allerdings auch vorkommen, dass die Sprecher nichts zu vermelden haben und auch von den Journalisten kein Fragebedürfnis besteht. In solchen – selten auftretenden – Fällen ist die offizielle Regierungs-PK der Bundesregierung schon nach wenigen Minuten wieder zu Ende. Neben den Regierungs-PKen veranstaltet die Bundespressekonferenz je nach thematischer Aktualität Pressekonferenzen zu und Informationsbedarf bundespolitisch relevanten der Mitglieder Sachthemen, zu weitere denen anlassbezogen Podiumsgäste eingeladen werden. Dies können Vertreter aller Regierungsorgane im weitesten Sinne sein (d.h. Mitglieder der Regierung, Staatssekretäre oder Fachreferenten aus den Ministerien) aber auch Oppositionspolitiker, Parlamentarier sämtlicher Fraktionen oder Parteifunktionäre. Die Wahrung parteipolitischer Neutralität ist dabei ein wichtiges Leitprinzip der Bundespressekonferenz.93 Ob diese vom Vorstand, der die Pressekonferenzen einberuft, ausreichend eingehalten wird, kontrolliert die Gesamtmitgliedschaft (vgl. Kap. 5.4). Siehe: Ney, Die Bundes-Pressekonferenz – Resonanzboden der Bonner Politik, S. 89f. – Vgl. auch: Walker, Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, S. 180. 91 Quelle: EDV-Statistik der BPK e.V. Untersuchungszeitraum: Mai 1999 bis November 2000. Diese Zahl ist jedoch wenig aussagekräftig, da die individuelle Dauer der Regierungs-PKen stark schwankt: Bei besonderen Vorkommnissen dauert die Regierungs-PK bis zu einer Stunde. Vgl. Kap. 5.3. 92 Lediglich in den Parlamentsferien finden die Regierungs-PKen seltener statt. Im Durchschnitt treten die Regierungssprecher im Verlauf eines Jahres 137 mal vor die Bundespressekonferenz. Quelle: EDV-Statistik der BPK e.V. 93 Vgl.: Ney, Die Bundes-Pressekonferenz – Resonanzboden der Bonner Politik, S. 90, sowie: Viefhaus, 25 Jahre Bundespressekonferenz, S. 25. 90 32 Je nach Themenschwerpunkt der Pressekonferenz werden auch Vertreter von Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften, Kirchen oder anderer bundesweiter Interessengruppen sowie anerkannte Experten zum jeweiligen Thema eingeladen.94 Auch ausländische Staatsgäste nehmen gern die Gelegenheit wahr, sich vor der renommierten Bundespressekonferenz der deutschen Öffentlichkeit zu präsentieren. Solche Auftritte sind allerdings eher selten, da selbst bei "hochkarätigen" Besuchern das Informationsbedürfnis der auf bundespolitische Berichterstattung spezialisierten Vereinsmitglieder als oberster Maßstab für eine Einladung in die BPK gilt. 3.3.2 Themenauswahl und Ablauf der Pressekonferenzen Damit ist bereits das Bundespressekonferenzen wichtigste Kriterium für die Einberufung angedeutet: Thema und Gäste müssen von "von ausreichender informationeller Attraktivität" für die Vereinsmitglieder sein.95 Da die Bundespressekonferenz als Informationsforum eine hohe Reputation genießt, muss sie nur noch selten selbst aktiv werden, um für aktuelle Themen Informanten zu finden: Die meisten Veranstaltungen finden auf Initiative der an einer Pressekonferenz interessierten "Gäste" statt. In der Praxis hat sich die Methode eingespielt hat, dass Politiker oder Verbände in der BPK-Geschäftsstelle um eine Einladung zur Pressekonferenz über ein bestimmtes Sachthema bitten. Jede dieser Anfragen am Maßstab der informationellen Attraktivität zu überprüfen, ist Aufgabe des BPK-Vorstandes. Er achtet darauf, dass alle Themen einen eindeutigen bundespolitischen Bezug haben, sich erkennbar auf aktuelle politische Sachverhalte beziehen und nicht etwa nur der Public Relations-Arbeit von Parteien, Verbänden oder Unternehmen dienen. Anfragen, die den Eindruck erwecken, der Termin könnte zur PR-Veranstaltung mit bundespolitischer Verbrämung missbraucht werden, oder den hohen Anforderungen hinsichtlich Relevanz und Aktualität nicht genügen, werden vom Vorstand abgelehnt.96 Ebenfalls nicht genehmigt werden Präsentationsformen, die von der traditionellen "minimalistischen" Durchführungspraxis der Bundespressekonferenzen, bestehend 94 Siehe: BPK-Wochenpläne im Anhang dieser Arbeit. Siehe: Martenson, Parlament, Öffentlichkeit und Medien, S. 276. 96 So durfte etwa der ADAC im Rahmen einer Kampagne gegen die Belastung der Autofahrer seine Protest-Broschüre "Jetzt reicht's" nicht in der BPK vorstellen (29.02.2000), auch dem Lions-Club wurde ein Auftritt anlässlich seines 50jährigen Jubiläums verwehrt (09.10.2001). Die "Grauen Panther" stießen ebenso auf Ablehnung (01.03.2001) wie die Jahrespressekonferenz der Bundesarbeitsgemeinschaft "Hospiz", trotz angekündigter Teilnahme von deren prominenter Schirmherrin Herta Däubler-Gmelin 13.08.2001) – um nur einige willkürlich gewählte Beispiele zu nennen. Quelle: Dokumentation Abgelehnte Pressekonferenzen. Archiv BPK e.V., Berlin. 95 33 aus "Information – Frage – Antwort"97, abweichen, wie etwa Podiumsdiskussionen, Beamer-Präsentationen, Buchvorstellungen und ähnliches. Dadurch soll eine Selbstinszenierung der Gäste und die Ablenkung vom sachlichen Inhalt der Mitteilungen zumindest erschwert werden. Ablauf und Form der Bundespressekonferenzen bilden ein eingespieltes Ritual, das sich seit der Gründung der Institution bis heute unverändert erhalten hat98: Die Ausübung des Hausrechts während der Pressekonferenzen (§ 16 Satzung) wird von einem Vorstandsmitglied wahrgenommen, das in der Mitte des Podiums Platz nimmt, die Pressekonferenz eröffnet und schließt, Rede- und Fragerecht erteilt, die Mikrofonanlage bedient und auf die Einhaltung der Saalordnung achtet. 99 Zu seiner Rechten sitzt in der Regel der jeweilige Hauptgast – in den Regierungs-PKen der Regierungssprecher. Zu Beginn begrüßt der leitende Vorstand die Gäste, stellt sie dem Auditorium vor, und erteilt dann dem Hauptgast das Wort. Dieser gibt ein Statement ab, etwa über die Ergebnisse der Kabinettssitzung (Regierungs-PK), oder eine Einleitung zum aktuellen Thema (thematische PK). Der Reihe nach können nun alle weiteren Podiumsgäste ergänzend Stellung beziehen, bevor der leitende Vorstand die versammelten Korrespondenten zu Fragen auffordert und nach der Reihenfolge der Meldungen das Fragerecht erteilt. Zunächst können Fragen zu den einzelnen Statements der Gäste gestellt werden, um die einseitig ausgewählten und aufbereiteten Informationen zu vervollständigen. Der ehemalige Vorsitzende der Bundespressekonferenz Sten Martenson beschreibt die Vorgehensweise der Journalisten am Beispiel der Regierungs-PK: "Der Regierungssprecher oder einer der Ministeriensprecher rückt eine Information heraus, die sodann auf ihren Wert und die noch zurückgehaltenen Nuancen oder Hintergründe abgeklopft wird."100 Anschließend kann frei zu weiteren Themen gefragt werden. Dabei werden von Seiten der Journalisten häufig auch solche Themen angesprochen, die den Gästen 97 So umreißt die BPK-Vorsitzende Tissy Bruns den Ablauf der Veranstaltungen und fügt hinzu: "So soll es auch bleiben." Bruns, Interview am 26.06.2002. 98 Vgl.: Grunenberg, Eine halbe Stunde Bonner Routine, S. 117f. 99 In der Saalordnung ist vor allem festgelegt, dass grundsätzlich nur Mitglieder der BPK und des VAP an den Bundespressekonferenzen teilnehmen dürfen. Darüber hinaus regelt sie das Fragerecht, enthält Verhaltensregeln für Kamerateams und untersagt z.B. die Benutzung von Mobiltelefonen. Beim Überwachen der Einhaltung dieser Regeln während der PK wird das leitende Vorstandsmitglied von einer Mitarbeiterin der BPK-Geschäftsstelle im Saal unterstützt. 100 Siehe: Martenson, Parlament, Öffentlichkeit und Medien, S. 279. 34 unangenehm sind, auf die sie nicht vorbereitet sind, oder die sie bei ihren vorausgegangenen Mitteilungen absichtlich zurückgehalten haben. Über die Dauer der Pressekonferenzen entscheiden die Korrespondenten selbst: Erst wenn das Informationsbedürfnis des Auditoriums erschöpfend befriedigt ist, die letzte Frage aus dem journalistischen Publikum gestellt und von den Gästen auf dem Podium beantwortet ist, schließt das leitende Vorstandsmitglied die Veranstaltung. 35 Die charakteristischen Eigenarten der Bundespressekonferenz, das Hausrecht des Vereins und das Fragerecht der Mitglieder, sind für den Mediennutzer meist nicht wahrnehmbar: In den Medien werden in aller Regel nur die Aussagen der Politiker vermittelt ohne Hinweis darauf, dass diese auf journalistische Initiative in der Bundespressekonferenz zustande gekommen sind. – Auch darin dürfte ein Grund für die verbreitete Unbekanntheit der Institution zu suchen sein. 3.3.4 Der Stellenwert des Fragerechts Das uneingeschränkte Fragerecht in der Bundespressekonferenz hat sich vielfach als wirksames Instrument gegen die von den Podiumsgästen nicht selten geübte Beschönigung oder Unterschlagung von Informationen erwiesen: Besonders die Regierungs-PKen, wo die Auskunftgebenden stets auf eine positive Darstellung der Bundesregierung bedacht sind und deshalb Misserfolge oftmals "vernebeln" oder gänzlich unterschlagen, werden häufig erst mit der freien Fragerunde richtig interessant, weil nun jeder der anwesenden Journalisten den Sprecher eines jeden Ressorts "zu allem Erdenklichen löchern darf".101 Durch das Fragerecht werden die Regierungs-PKen für die Sprecher zur Gratwanderung, die schon von Eckardt in heute noch zutreffenden Worten beschrieb: "Der Journalist muss versuchen, aus dem Regierungssprecher ein Höchstmaß an Informationen herauszuholen. Der Sprecher der Regierung ist zwar ebenfalls daran interessiert, dass die Presse richtig informiert ist, er muss aber immer versuchen, die Grenze zwischen Information und Indiskretion einzuhalten."102 Für die Bewältigung dieser Anforderung benötige der Regierungssprecher "zwei Gesichter", um sowohl den Interessen der Regierung als auch dem Informationsbedürfnis der Medien gerecht werden zu können: "Er braucht das Vertrauen der beiden Seiten, (...) sonst ist sein Untergang besiegelt."103 Die einzelnen Regierungssprecher der Bundesrepublik hatten unterschiedliche Stile, ihr "Amt mit institutionalisiertem Konflikt" wahrzunehmen und den erforderlichen Kompromiss "zwischen Sprecherfunktion und staatlicher Propagandaambition" herzustellen.104 101 Dass sie dabei seit jeher bemüht sind, durch eine Siehe: Niendorf, "Zu diesem Verein kam noch jeder Kanzler", in: F.A.Z., 14.08.2000. Vgl.: Eckardt, Ein unordentliches Leben, S. 175. 103 Siehe: Ebd., S. 172f. 104 Siehe: Fischer, Regierungssprecher, S. 42. – Vgl. auch: Köhler, Die Bundes-Pressekonferenz, S. 36ff., sowie Walter Henkels' quellenreiches und humorvolles Portrait der deutschen Regierungssprecher bis 1985: Henkels, Die leisen Diener ihrer Herren, Düsseldorf / Wien 1985. 102 36 regierungsfreundliche Berichterstattung gegenüber den Medien zum Machterhalt der Bundesregierung beizutragen, ist nachvollziehbar.105 Aus diesem Grund Bundespressekonferenz besitzt der traditionell "interrogative einen Journalismus"106 herausragenden in der Stellenwert. Die Mitglieder sind sich des einzigartigen Informations-Privilegs bewusst, das darin besteht, "dreimal in der Woche die Regierungssprecher zu jedem Thema fragen zu können"107, und nutzen es entsprechend ausgiebig: In einer quantitativen Analyse bewies Horst Walker 1982, dass über 80 Prozent der Auskünfte in den Bundespressekonferenzen aufgrund von Fragen der Journalisten zustande kommen. Er widerlegte damit ein – seinerzeit von Bonner Journalisten ohne BPK-Mitgliedschaft kolportiertes – Vorurteil, die Bundespressekonferenz bestehe aus einer Ansammlung von "Frage- und Sagenichtsen" und fungiere nur als Verlautbarungsorgan der Bundesregierung. Walker charakterisierte die Institution hingegen als "ständiges Frageforum, das sich nicht selten in eine journalistische Inquisitionsinstanz verwandelt."108 – Diese Einschätzung kann heute noch als prinzipiell zutreffend bezeichnet werden, obgleich von langjährigen BPK-Mitgliedern bemängelt wird, die Anzahl und Qualität der Fragen habe nachgelassen (vgl. Kap. 4.3.3). Die hohe Zahl der Fragen erschwert es den Sprechern nachhaltig, auf den Verlauf der PK lenkend einzuwirken: Zwar kommen Ablenkungsversuche von brisanten Themen ebenso wie bei befreundeten Journalisten "bestellte" Fragen seit Adenauers Zeiten vor, "aber die Reichweite dieser dirigistischen Möglichkeiten ist durch die Sensibilität, den Spürsinn, das Engagement der Journalisten begrenzt".109 Dennoch kann auch die engagierteste Anwendung des Fragerechts bisweilen nicht verhindern, dass die Regierungssprecher bei heiklen Themen schlicht "zugeknöpft" 105 Klaus Bölling, Regierungssprecher unter Helmut Schmidt (1974-80 und 1982), ließ keinen Zweifel an den Prioritäten: "Der Regierungssprecher steht auf der Seite der Regierung. Er ist der Mittler zwischen der Regierung und den Journalisten, aber seine Loyalität gehört zuallererst der Regierung." Auszug aus einer ARD-Fernsehdiskussion vom 28. September 1984, zit. in: Henkels, Die leisen Diener ihrer Herren, S. 192. – Spiegel-Korrespondent Ullrich Fichtner bringt die Aufgabe der Regierungssprecher aus aktueller Sicht auf den Punkt: "Gut informiert sollen sich die Medien fühlen. Aber hinterher von blühenden Landschaften schreiben. Und dass Scharping ein klasse Typ ist. Ein hartes Brot." Siehe: Fichtner, "Ich klär das bilateral", in: Der Spiegel, Nr. 14/2002, S. 182. 106 Vgl.: Fischer, Regierungssprecher, S. 31. 107 Siehe: BPK-Vorstand, Rechenschaftsbericht 2000. Archiv BPK e.V., Berlin 108 Siehe: Walker, Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, S. 191f. Das "merkwürdige Negativ-Image", es handle sich bei der BPK nicht um ein Frageforum, führt Walker auf die Tatsache zurück, dass in den Medien meist nur die Antworten der Politiker, nicht jedoch die vorausgegangenen Fragen übermittelt werden. Vgl.: Ebd. 109 Siehe: Walker, Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, S. 192. 37 bleiben und der "Informationsstrom auf den Pressekonferenzen zum Rinnsal wird." 110 In Bonn wie in Berlin wurde und wird deshalb wiederholt die zeitweilige Informationsarmut der Veranstaltungen beklagt.111 Nicht nur aufgrund dieses Mißstands ist indes der Besuch der Bundespressekonferenzen allein unzureichend, um über die Regierungstätigkeit und ihre politischen Hintergründe umfassend informiert zu werden: Die BPK besitzt kein Monopol auf politische Informationen, sondern bildet lediglich auf dem Gebiet der offiziellen bundespolitischen Basisinformationen eine wesentliche, wenn nicht gar "die hauptsächliche" Quelle.112 Zusätzliche individuelle Hintergrundrecherchen der Parlamentskorrespondenten kann sie auch durch das Fragerecht nicht ersetzen. 3.3.5 Das spezifische Regelwerk der Bundespressekonferenz Die Podiumsgäste sind dem "institutionalisierten Inquisitions-Forum der Journalisten"113 indes nicht schutzlos ausgeliefert, auch sie verfügen über in der Vereinssatzung verankerte Rechte. So können sie selbst festlegen, in welcher Weise ihre Äußerungen verwendet werden dürfen. Dazu heißt es in der Satzung: "Die Mitteilungen auf den Pressekonferenzen erfolgen: unter 1. zu beliebiger Verwendung oder unter 2. zur Verwertung ohne Quelle und ohne Nennung des Auskunftgebenden oder unter 3. vertraulich. Die Auskunftgebenden können erklären, wie ihre Mitteilungen behandelt werden sollen. Die Mitglieder des Vereins und die Teilnehmer der Konferenz sind an diese Erklärung über die Verwertung dieser Mitteilungen gebunden. Wird keine Erklärung abgegeben, so gilt das Material als beliebig verwendbar." (§ 17, Abs. 1 und 2) Auf dieses einzigartige Regelwerk, das ebenfalls an Vorbilder aus der Weimarer Republik anknüpft, können sich die Informanten jederzeit – auch während laufender Pressekonferenzen – berufen, seine Nichtbeachtung kann empfindliche Sanktionen nach sich ziehen: "Eine Verletzung dieser Regeln über die Verwertung der Mitteilungen kann den Ausschluss aus dem Verein oder die Rücknahme der Zulassung als Ständiger Gast zur Folge haben." (§ 17, Abs. 2)114 Siehe: Ney, Die Bundes-Pressekonferenz – Resonanzboden der Bonner Politik, S. 93. Vgl. z.B.: Martenson, Parlament, Öffentlichkeit und Medien, S. 278f., sowie: Fichtner, "Ich klär das bilateral", in: Der Spiegel, Nr. 14/2002, S. 182. – Vgl. Kap. 4.3.3. 112 Vgl.: Köhler, Die Bundes-Pressekonferenz, S. 50 und S. 183f. 113 Siehe: Fischer, Regierungssprecher, S. 32. 114 Um diesen Passus wurde die Satzung erst im März 2000 ergänzt, also nach dem Umzug nach Berlin. (Vgl. Kap. 4.3.1.) 110 111 38 Kündigt ein Podiumsgast eine Information "unter zwei" oder gar "unter drei" an, so müssen umgehend alle Fernsehkameras und Tonaufzeichnungsgeräte abgeschaltet werden. An der im Pressesaal fest installierten Kamera des hausinternen TV-Kanals, der die Veranstaltungen der Bundespressekonferenz in Wort und Bild in alle angeschlossenen Redaktionen überträgt, wird vom leitenden Vorstand der Ton abgeschaltet. So ist gewährleistet, dass die Information "im Raum" bleibt. Dennoch wird von der satzungsgemäßen Möglichkeit, Informationsquellen zu verschleiern, nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht, da sie trotz der Sanktionsdrohungen des § 17 ein hohes Risiko bergen – vor allem für den Informanten, der durch eine "undichte Stelle" seinen Posten verlieren könnte, aber auch für den guten Ruf der Bundespressekonferenz. Im Regelfall sind in den Bundespressekonferenzen daher "nahezu hundert Prozent der Mitteilungen (...) beliebig verwendbar".115 Als Service für seine Mitglieder bietet der Verein seit Oktober 2000 jedoch spezielle Informationsveranstaltungen zu aktuellen politischen Themen an, die von vornherein "unter zwei" angekündigt werden. Hierfür werden ausgewiesene Experten aus den jeweiligen Ministerien (zumeist die für das behandelte Thema zuständigen Abteilungsleiter) eingeladen, die Fachjournalisten wertvolles Hintergrundwissen für ihr Spezialgebiet vermitteln können. Diese vertraulichen Gespräche sollen die politische Kompetenz der Vereinsmitglieder fördern und der Tendenz entgegenwirken, dass komplexe politische Themen in den Medien mangels Zeit und Wissen immer oberflächlicher behandelt werden (vgl. Kap. 2.4). Informationen, die "unter zwei" weitergegeben wurden, erkennt der Mediennutzer an bestimmten "Verschleierungsformeln", die von den Journalisten oft benutzt werden, um ihre Informanten nicht identifizierbar zu machen. Gängige Floskeln wie: "aus Regierungskreisen verlautete..." oder: "aus der Umgebung des Kanzlers war zu erfahren..." deuten auf diesen Vorbehalt hin. Mitteilungen "unter drei" dienen ausschließlich der Hintergrundinformation der Journalisten und entziehen sich streng genommen jeglicher medialen Verwertung. Solche rein vertraulichen Informationen fließen daher fast nie in die Bundespressekonferenzen ein, sie spielen eher in den informellen "Zirkeln" und "Kreisen" eine Rolle, welche Journalisten zur Beschaffung und Politiker zur gezielten Streuung von Informationen unterhalten.116 115 Vgl.: Martenson, Parlament, Öffentlichkeit und Medien, S. 278. Bereits seit den "Teegesprächen" Konrad Adenauers hat sich die Verbreitung politischer Informationen durch solche verdeckten Kanäle neben den offenen Foren wie der Bundespressekonferenz etabliert. Vgl.: Morsey / Schwarz (Hrsg.), Adenauer, Teegespräche 1950116 39 3.4 Kosten und Nutzen der Mitgliedschaft Die Bundespressekonferenz legt nicht nur Wert auf politische und thematische Relevanz sowie äußere Form und geordneten Ablauf ihrer Veranstaltungen, auch der Professionalität ihrer Mitgliedschaft widmet sie besondere Aufmerksamkeit. Mitglieder der Bundespressekonferenz können laut Vereinssatzung nur "deutsche Parlamentskorrespondenten"117 werden, die "aus Berlin und / oder Bonn ständig über die Bundespolitik berichten" (§ 2 Abs.1). Die Berichterstattung muss hauptberuflich ausgeübt werden als "angestellte(r) Redakteur(in) oder freie(r) Journalist(in) für Tageszeitungen, Wochenzeitungen, Wochen- und Monatszeitschriften, Nachrichtenagenturen, Presse- und Informationsdienste oder elektronische Medien (...), die ausschließlich gegen Entgelt verbreitet werden." (§ 2 Abs.1)118 Die Erfüllung dieser Kriterien kontrolliert der Mitgliedsausschuss des Vereins (§ 11). Zu diesem Zweck muss ein Bewerber neben einem formlosen Antrag auf Mitgliedschaft dem Ausschuss folgende Dokumente vorlegen: - einen beruflichen Lebenslauf, aus dem seine journalistische Qualifikation hervorgeht, sowie - einen Nachweis über seine Tätigkeit als bundespolitischer Korrespondent, entweder in Form einer entsprechenden Bestätigung seines Chefredakteurs (bei festangestellten Redakteuren) oder in Form von veröffentlichten eigenen Berichten (bei freien Journalisten). Anhand dieser Unterlagen überprüft der Ausschuss, ob Tätigkeit und Professionalität des Antragstellers eine Aufnahme in die Bundespressekonferenz rechtfertigen. Ist dies der Fall, so wird anschließend der Name des Bewerbers zehn Tage lang per Aushang bekannt gegeben. Werden während dieser Zeit keine Einwände von Seiten der Mitglieder erhoben, wird die Aufnahme in den Verein wirksam (§ 11 Abs. 1). Bei begründeten Einwänden kann ein Bewerber abgelehnt werden, selbst wenn er alle formalen Vorgaben erfüllt. Ein Rechtsanspruch auf Mitgliedschaft in der Bundespressekonferenz besteht nicht. Im Streitfall entscheidet der Vorstand, in letzter Instanz ggf. die nächste ordentliche Mitgliederversammlung (§ 11 Abs. 2). Auch während der laufenden Mitgliedschaft müssen die in § 2 der Satzung 1954. – Ausführlicher zu Kreisen und Zirkeln bei: Martenson, Parlament, Öffentlichkeit und Medien, S. 277f. und S. 282ff., sowie: Walker, Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, S. 198ff. 117 Ausnahme: Ausländische Staatsbürger, die "ausschließlich für deutsche Medien tätig sind" (§ 2 Abs. 2). Darin liegt indes keine Diskriminierung der Korrespondenten ausländischer Medien, da diese als Mitglieder des VAP an allen Veranstaltungen in der BPK gleichberechtigt teilnehmen können. 40 genannten Voraussetzungen stets erfüllt werden. Darüber ist jedes Mitglied auf Verlangen des Mitgliedsauschusses einmal jährlich nachweispflichtig (§ 12 Abs. 2). Genügt ein Antragsteller oder ein Mitglied nicht (mehr) sämtlichen Voraussetzungen, kann er / es vom Mitgliedsausschuss auch als "Ständiger Gast" zur Teilnahme an den Bundespressekonferenzen zugelassen werden: Maßgebliche Voraussetzung für jedwede Aufnahme in die Bundespressekonferenz ist die journalistische Betätigung auf dem Gebiet der Bundespolitik. Arbeitet der Antragsteller aber beispielsweise nicht ausschließlich als Parlamentsberichterstatter oder schreibt er nicht für eine der in § 2 der Satzung aufgeführten Medienarten, sondern etwa für eine Verbandszeitschrift, so kann ihm der Status "Ständiger Gast" angeboten werden. Ständige Gäste besitzen kein Stimmrecht in der Mitgliederversammlung und können von bestimmten Veranstaltungen (z.B. solchen "unter zwei") ausgeschlossen werden. Der Status kann vom Vorstand mit weiteren Einschränkungen – etwa beim Fragerecht – versehen und außerdem jederzeit widerrufen werden (§ 2 Abs.3). Der Mitgliedsbeitrag für festangestellte Korrespondenten beträgt (für Vollmitglieder ebenso wie für Ständige Gäste119) monatlich 30 Euro, freie Journalisten bezahlen nur 20 Euro im Monat. Die genau definierten und streng überprüften Aufnahmekriterien für Vollmitglieder und Ständige Gäste sorgen für eine – im positiven Sinne – elitäre Mitgliederstruktur der Bundespressekonferenz: Sie gewährleisten, dass nur solche Journalisten in den Verein aufgenommen werden, die ein berechtigtes Interesse an dessen Leistungen nachweisen können. Dadurch versichert sich der Verein der journalistischen Qualifikation und des fundierten bundespolitischen Sachverstandes aller an den Bundespressekonferenzen teilnehmenden Korrespondenten und kann somit den auskunftgebenden Gästen ebenso wie dem journalistischen Kollegium einen seriösen und professionellen Ablauf der Veranstaltungen gewährleisten. Förderlich für den kollektiven politischen Sachverstand der BPK-Mitglieder ist zweifellos auch die Regelung, dass nicht Medien oder Redaktionen geschlossen dem Verein beitreten können, sondern nur natürliche Personen individuell Mitglied werden: Da sich viele BPK-Mitglieder über Jahre hinweg auf ein bestimmtes 118 Die etwas seltsam anmutende Forderung nach Entgeltlichkeit des Mediums soll helfen, unberechtigte Mitgliedschaften auszuschließen – etwa von Lobbyisten, die einen kostenlosen Informationsdienst für ihre Klienten publizieren. Vgl.: Köhler, Die Bundes-Pressekonferenz, S. 106. 119 Anm. d. Verf.: Wenn in dieser Arbeit von "Mitgliedern" der Bundespressekonferenz die Rede ist, so sind damit – falls nicht ausdrücklich anders vermerkt – alle in der Bundespressekonferenz organisierten Journalisten gemeint, d.h. sowohl Vollmitglieder als auch Ständige Gäste. 41 Politikfeld (z.B. Wirtschaftspolitik, Rentenpolitik, Gesundheitspolitik o.ä.) spezialisiert haben, verfügen sie nicht selten über ein größeres Fachwissen als die – je nach politischer Großwetterlage wechselnden – zuständigen Ressortminister oder deren Sprecher. Strenge Aufnahmekriterien und elitäre Mitgliedschaft führen gleichwohl nicht zu einer Einschränkung der Medienvielfalt in der Bundespressekonferenz: Aktuell berichten rund 940 Mitglieder – knapp ein Zehntel davon als Ständige Gäste – für über 250 deutsche Medien (Printmedien, Nachrichtenagenturen, Rundfunk- und Fernsehsender und Online-Medien). Dazu kommen rund 450 Mitglieder aus mehr als 60 Staaten, die im Verein der Ausländischen Presse (VAP) organisiert sind.120 Damit erfüllt die Bundespressekonferenz eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine demokratische Berichterstattung: Eine Medienvielfalt, die in ihrer Gesamtheit geeignet ist, eine vollständige und annähernd objektive Information über die Tätigkeit der Regierung zu gewährleisten (vgl. Kap. 2.1). Gleichzeitig sind Professionalität und Medienvielfalt auch Garant dafür, dass ein Thema, das in der Bundespressekonferenz vorgestellt wird, größtmögliche mediale Beachtung und Resonanz findet. Den meisten "Gästen" ist sehr wohl bewusst, dass sie durch einen Auftritt in der BPK den Stellenwert und die Reichweite ihrer Mitteilungen deutlich steigern können. Trotz der vergleichsweise schwachen Position, die sie als Gäste der Parlamentskorrespondenten innehaben, ziehen sie den Besuch in der "Höhle des Löwen" einer im eigenen Hause organisierten Pressekonferenz vor, da sie davon ausgehen können, dadurch "die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass ihre Aussagen und Standpunkte in den Fernsehnachrichten, aber auch im Hörfunk und an gut plazierter Stelle in den Printmedien Erwähnung finden".121 Durch die qualitative Selektion der Themen und Informanten sowie der eigenen Vereinsmitgliedschaft, trägt der BPK-Vorstand kontinuierlich dafür Sorge, der Bundespressekonferenz ihren Nimbus von Seriosität und Professionalität auf hohem Niveau zu erhalten: Aktuelle und sachliche Relevanz der Themen und ein disziplinierter Ablauf der Veranstaltungen nach allgemein respektierten Regeln sind Vorzüge der Bundespressekonferenz, von denen beide Seiten, Informanten wie Mitglieder, gleichermaßen profitieren. 120 Quelle der Mitgliedszahlen: EDV-Mitgliederstatistik der BPK e.V., sowie: Verein der Ausländischen Presse in Deutschland e.V., Mitgliederverzeichnis 2001/2002, S. 4. 121 Siehe: Köhler, Die Bundes-Pressekonferenz, S. 245. 42 Neben der Möglichkeit zur Teilnahme an allen Informationsveranstaltungen der Bundespressekonferenz bietet eine BPK-Mitgliedschaft den bundespolitischen Korrespondenten noch eine Reihe weiterer, rein praktischer Vorteile. Zunächst sind in diesem Zusammenhang die Synergieeffekte zu nennen, die der Verein mit sich bringt: Das einzelne Mitglied ist Teil einer Interessensgemeinschaft, es kann die gemeinsame Infrastruktur nutzen (Pressesaal, Geschäftsstelle, interner TV-Kanal etc.), es hat die Option, im Haus der Bundespressekonferenz Büroräume zu mieten und es profitiert von unmittelbaren persönlichen Kontakten, sowohl zu den Kollegen "über den Flur", als auch zu Politikern und deren Sprechern.122 Zudem signalisiert die Zugehörigkeit zur Bundespressekonferenz journalistische Seriosität, was vor allem für freiberufliche Journalisten sehr hilfreich sein kann.123 Die Namen aller Vollmitglieder und Ständigen Gäste der Bundespressekonferenz werden im zahlreichen jährlich erscheinenden Pressestellen von Mitgliederverzeichnis Parteien, Verbänden und veröffentlicht, Unternehmen das als Verteilerliste für Presseerklärungen und Terminankündigungen dient. In diesem Verzeichnis zu erscheinen, ist daher für die Parlamentskorrespondenten von erheblicher Wichtigkeit, um mit Informationen versorgt zu werden: So nimmt beispielsweise das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung sämtliche Mitglieder der Bundespressekonferenz unbesehen in seinen Pressedienst auf, wodurch sie automatisch alle Ankündigungen und Presseerklärungen der Regierung erhalten. Eine Mitgliedschaft im Verein der Parlamentsberichterstatter kann also die journalistische Arbeit am Regierungssitz spürbar erleichtern. So gilt wohl auch in Berlin, was Nina Grunenberg schon 1967 feststellte: "Wer nicht Mitglied ist, brauchte Monate, wenn nicht Jahre, um sich in Bonn einzuarbeiten."124 Ein weiterer, attraktiver Vorteil für die Vereinsmitglieder ist die Möglichkeit, am renommierten Bundespresseball teilzunehmen, der einzigen traditionellen Veranstaltung der BPK, bei der es sich nicht um eine Pressekonferenz handelt. Er 122 Wittke, Interview am 30.04.2002 Sten Martenson spricht von einem "Seriositätsbonus", Thomas Wittke beobachtete: "Wer Mitglied ist, dem traut man". Interviews am 05.06.2002 bzw. 30.04.2002. 124 Siehe: Grunenberg, Die Journalisten, S. 124. 123 43 soll den Journalisten und ihren Informanten die Gelegenheit bieten, einmal "außerdienstlich" und ungezwungen miteinander zu kommunizieren.125 4. Die Entwicklung der Bundespressekonferenz in Berlin 4.1 Veränderte Rahmenbedingungen des politischen Journalismus Mit dem Regierungswechsel von der konservativ-liberalen Ära Kohl zur rot-grünen Regierung Schröder und dem Regierungsumzug von Bonn nach Berlin ereigneten sich 1998 / 99 zwei einschneidende Umbrüche, die sowohl auf das Verhältnis zwischen Politik und Medien als auch auf die Arbeit der Parlamentskorrespondenten – und damit zumindest mittelbar ebenfalls auf die Bundespressekonferenz – gravierende Auswirkungen hatten. Dabei ist bisweilen nur schwerlich feststellbar, welcher der beiden Faktoren die eine oder andere Entwicklung mehr beeinflusst hat, oder ob beide gleichermaßen für den Wandlungsprozess verantwortlich sind. In einer Vielzahl von Zeitungsartikeln, Interviews und Stellungnahmen äußerten sich Journalisten wie Politiker zu den Veränderungen und Spannungen, die ihre Tätigkeit und ihr Verhältnis zueinander seit dem Umzug geprägt haben und zum Teil bis heute prägen. Der Grundtenor der Bilanzierungen ist stets der gleiche: "Es stimmt etwas nicht mehr im Verhältnis von Bundespolitikern und Korrespondenten, einem der wichtigen Scharniere der Demokratie. In Bonn tat es über Jahrzehnte geschmeidig seinen Dienst, in Berlin quietscht und hakelt es."126 Die Entwicklungslinien dieses Umbruchs und die Hauptthesen zu dessen Erklärung sollen im folgenden in gebotener Kürze zusammengefasst werden.127 4.1.1 Das Ende des "rheinischen Journalismus" Die Bonner Politikkorrespondenten sahen dem Umzug in die neue, alte Hauptstadt Berlin mit gemischten Gefühlen und unterschiedlichen Erwartungen entgegen: Während die einen zuversichtlich waren, dass es "binnen kurzer Zeit gelingen wird, 125 Vgl.: Schopen, Die Politiker sind nur zu Gast, in: Das Parlament, 11.05.1985. Zur Geschichte des traditionsreichen gesellschaftlichen Ereignisses, das seit 1951 jährlich von der Bundespressekonferenz organisiert wird, vgl.: BPK-Vorstand, Keine Chronique Scandaleuse, Festschrift zum 50. Bundespresseball, Berlin 2001. Vgl. auch: Köhler, Die Bundes-Pressekonferenz, S. 118ff. 126 Siehe: Kurbjuweit, "Wie die ersten Menschen", in: Der Spiegel, Nr. 51/1999, S. 96. 127 Die Darstellung stützt sich im Wesentlichen auf ausgewählte Zeitungsartikel, die im Laufe des ersten Jahres nach dem Regierungsumzug veröffentlicht wurden, sowie auf die vier Experteninterviews, die der Verfasser mit BPK-Mitgliedern geführt hat, und auf die 58 Interviews mit Berliner Medienschaffenden in: Koelbl, Die Meute, München 2001. 44 auch in Berlin-Mitte Bonner Verhältnisse herzustellen", stellten sich andere auf ein "hartes Pflaster" ein und prognostizierten: "Nichts wird sein wie vorher."128 Berlin "regt an und auf, inspiriert Gespräche, Auseinandersetzungen", beobachtete der Berliner Zeithistoriker Arnulf Baring kurz vor dem Regierungsumzug, nirgendwo in Deutschland sehe man derzeit "so viel Neugier und Wandel". 129 Neugier und Wandel in einem ganz speziellen Sinn charakterisierten die Beziehung zwischen den Medien und den Bundespolitikern nach deren Ankunft an der Spree: Letztere sahen sich plötzlich von einer umtriebigen (Boulevard-) Medienlandschaft konfrontiert, welche "die Bonner" mit großer Neugier und geringer Rücksichtnahme auf Schritt und Tritt beobachtete. Gewandelt hat sich infolgedessen die Einstellung der politischen Akteure gegenüber den Journalisten insgesamt: Die vormals "traute Bruderschaft" zerbrach und machte einem "kühlen Misstrauen" Platz.130 Der Auftakt in Berlin wurde von den Hauptstadtkorrespondenten, die ihren Arbeitsplatz vom Rhein an die Spree verlegten, als "heftig" empfunden, ja sogar als "unerträglich", die Veränderungen gegenüber Bonn fielen zur Überraschung vieler "fundamental" aus – darin stimmen die zahlreichen Stellungnahmen aus der ersten Zeit nach dem Umzug weitgehend überein.131 Mit einer Mischung aus Wehmut und Kritik wurde in vielen Berichten auf die räumliche und menschliche Nähe zurückgeblickt, die in Bonn zwischen Politik und Medien geherrscht hatte: "Bonner Beschaulichkeit", "Raumschiff Bonn" und "Bonner Käseglocke" sind nur einige der vielfältigen Ausdrücke, mit denen die enge und latent realitätsferne Koexistenz von Politikern und Journalisten in der alten Bundeshauptstadt charakterisiert wurde. Am Rhein sei man "unter sich" gewesen, und es habe ein symbiotisches Einvernehmen zwischen beiden Seiten geherrscht: "Man lebte in trautem Mit- und Gegeneinander."132 – Allerdings hatte sich aus dieser Symbiose im Laufe der Jahre ein "Kumpanei-Journalismus" entwickelt, der zu aus demokratietheoretischer Sicht nicht ungefährlichen "Beißhemmungen" führte.133 128 Siehe: Kister, Von Transeisenbahnien nach Ciseisenbahnien, in: Süddt. Zeitung, 24.07.1999, sowie: Busche, Hartes Pflaster, S. 24f. 129 Siehe: Baring, Die Berliner Republik, S. 10. 130 Siehe: Kurbjuweit, "Wie die ersten Menschen", in: Der Spiegel, Nr. 51/1999, S. 96, sowie: Beste, Der unkollegiale Lauschangriff, in: Berliner Zeitung, 02.03.2000. 131 Vgl. exemplarisch die Interviews mit Tissy Bruns und Volker Jacobs in: Koelbl, Die Meute, S. 15ff. und S. 104ff., sowie: Kister, Krawall in der Mediendemokratie, in: Süddeutsche Zeitung, 28.10.1999. 132 Siehe: Bruns, Heftiges Gerangel ums "Goldene Kalb", S. 16. – Vgl.: Plöchinger, HauptstadtJournalismus, S. 3ff. 133 Vgl.: Meyn, Massenmedien in Deutschland, S. 340. – Köhler spricht schon 1989 von einem "kommunikativen Klima" in Bonn, das es zwar einfach mache, "an alle Informationen zu gelangen", gleichzeitig aber die Gefahr berge, "dass eine Kritik und Kontrolle gewährleistende Distanz der Medienvertreter zu den politischen Handlungsträgern nicht durchweg gegeben ist". Siehe: Köhler, Die 45 "Misstrauen", "Streit", "gereiztes Klima" und "aggressive, aufgeheizte Stimmung" sind dagegen Stichworte, mit denen das Verhältnis zwischen Politik und Medien unmittelbar nach dem Umzug an die Spree beschrieben wurde. Ruppigkeit und Nervosität bestimmten im "Haifischbecken" Berlin allenthalben das Bild, alle Beteiligten schilderten eine rasch wachsende Distanz zwischen politischen Akteuren und Medienvertretern. Die rot-grüne Regierung reagierte verärgert, dass ihrer zu Oppositionszeiten wohlgesonnene Journalisten nun über die mannigfachen Startschwierigkeiten und Konflikte des Kabinetts Schröder ausführlich berichteten, anschließend standen durch die CDU-Spendenaffäre die Unions-Politiker im Mittelpunkt der Medienkritik.134 Ein Beobachter fasste zusammen: "Die bleierne Zeit der gemütlichen rheinischen Hinterzimmergesellschaften jedenfalls ist mit dem Ende der Ära Kohl, dem Umzug nach Berlin und der Parteispendenaffäre endgültig vorbei. Dem jahrelang vorauseilenden Gehorsam des Bonner Pressekorps folgt jetzt eine Art von nachholender journalistischer Aufmüpfigkeit und Aggressivität."135 Für Kenner der Bonner Verhältnisse kam diese Entwicklung indes nicht überraschend, etliche waren der Meinung, dass sich der Abschied vom "rheinischen Journalismus"136, die Distanzierung von Politikern und Journalisten, schon seit längerem angedeutet hätte und nach der gegenseitigen "Mund-zu-Mund- Beatmung"137 in Bonn längst überfällig gewesen sei: "Berlin rückt mit einem Schlag die Veränderungen ins Licht, die sich seit Jahren angebahnt haben, in Bonn aber nur gedämpft wirkten", resümiert etwa Tissy Bruns, die Vorsitzende der BPK.138 Auch Langguth ist der Meinung, die "dramatischen Änderungen" im Verhältnis zwischen Medien und Politik hätten zwar "ursächlich nichts mit dem Parlaments- und Regierungsumzug nach Berlin zu tun. (...) Sie wurden durch ihn aber beschleunigt."139 Ähnlich äußert sich Bundespräsident Johannes Rau in seiner Rede anlässlich der Einweihung des Neubaus der Bundespressekonferenz: Bundes-Presse-konferenz, S. 179 und S. 182. Vgl. dazu auch: Martenson, Die BundesPressekonferenz: Von Bonn nach Berlin, S. 233. – Ein anschauliches Stimmungsbild der "Bonner Kumpanei" zeichnet: Leinemann, Ritchie und Rita und ich, in: Der Spiegel special, Nr. 1/1995. S. 76ff. 134 Vgl.: Kister, Krawall in der Mediendemokratie, in: Süddt. Zeitung, 28.10.1999, und: Martenstein, Der Kanzler und die Medien. Das abrupte Ende der Männerfreundschaften. In: Der Tagesspiegel, 06.11.1999, sowie: Kurbjuweit, "Wie die ersten Menschen", in: Der Spiegel, Nr. 51/1999, S. 96ff., 135 Siehe: Mönninger, Ende der Gemütlichkeit, in: Berliner Zeitung, 18.04.2000. 136 Siehe: Kornelius, Der Markt wird's richten, in: Süddeutsche Zeitung, 02.03.2000. 137 Siehe: Uwe-Karsten Heye im Tagesspiegel-Interview, "Verhaltenskodex könnte Amtszeit begrenzen", Der Tagesspiegel, 07.02.2000. 138 Siehe: Bruns, Heftiges Gerangel ums "Goldene Kalb", S. 16. – Vgl. dazu auch: Siefert, Brennglas Berlin, S. 13. 139 Siehe: Langguth, Zum Verhältnis zwischen Medien und Politik, in: Frankf. Rundschau, 18.09.2000. 46 "Umbrüche und Aufbrüche, Neubestimmungen und Verschiebungen haben sich (...) seit längerem angebahnt und abgezeichnet – und nun treten sie plötzlich deutlich zu Tage."140 Als die zwei – sich gegenseitig bedingenden und verstärkenden – Hauptfaktoren dieser Entwicklung identifizierten die Journalisten übereinstimmend den in Berlin weiter gewachsenen Konkurrenzdruck unter den Medien und die zunehmende Mediati-sierung von Politik unter der Regierung Schröder (vgl. Kap. 2.3). 4.1.2 Konkurrenzkampf um Exklusivität und Aktualität Als auffälligsten Unterschied zur "Bonner Gemütlichkeit" werden in fast allen ausgewerteten Stellungnahmen "rauhe Sitten" und wachsende Unkollegialität unter den Medienvertretern beklagt, ausgelöst durch einen regelrechten Kampf der elektronischen Medien um exklusive Bilder und Statements ("O-Töne") von den politischen Akteuren, sowie eine massive Beschleunigung des Nachrichtenumsatzes. Sichtbares Zeichen dafür war eine gewaltig gestiegene Zahl von TV-Kameras, die bei Presseterminen die Politiker bedrängten und den Print-Journalisten die Sicht nahmen. Der Kampf um die besten Standorte und "Schussmöglichkeiten" wurde mit harten Bandagen und körperlichem Einsatz geführt. Verstärkt wurde das Dilemma noch durch einen akuten Mangel an für größere Pressetermine geeigneten Räumlichkeiten: Die meisten Regierungsgebäude und Parteizentralen waren noch nicht fertiggestellt, die Provisorien in Hotels oder ehemaligen DDR- Regierungsgebäuden erwiesen sich vielfach als zu klein oder als für Pressetermine technisch ungeeignet. Die großen Fernsehsender schickten deshalb zu wichtigen Terminen gleich zwei oder drei Teams in der Hoffnung, wenigstens von einem brauchbares Bildmaterial geliefert zu bekommen; das Gedränge und Geschiebe nahm dadurch noch weiter zu. Bei den Dreharbeiten – so wurde von Politiker-Seite beklagt – ließen die "Landsknechtsscharen" des Fernsehens sowohl Abstand als auch Anstand vermissen.141 140 Siehe: Rau, Rede am 08.05.2000, in: Bulletin der Bundesregierung vom 22.05.2000. Siehe: Germis, "Handfestes bei den Presseterminen", in: Die Welt, 02.03.2000. Weitere bildhafte Ausdrücke wie "Horden" (Germis), "Hunnen" (Schlötzer) oder "Meute" (Koelbl, Kurbjuweit) lassen erahnen, welche Assoziationen die Fernsehteams bei ihrem Tun wecken: "Die Meute ist in Berlin so groß wie nie, mitunter hundert Köpfe stark. Sie lauert vor dem Reichstag, vor dem Kanzleramt, vor den Parteizentralen. Die Stangen der Mikrofone sind gereckt wie Lanzen. Taucht ein Gesicht auf, das eine Nachricht verspricht, stürmt die Meute los. Wer in der Meute überleben will, muss brüllen, muss schubsen, muss boxen." Siehe: Kurbjuweit, "Wie die ersten Menschen", in: Der Spiegel, Nr. 51/1999, S. 96. – "Journalismus als Nahkampf" lautete folgerichtig die Überschrift der BILD-Zeitung zum gleichen Thema. Siehe: Nayhauß, in: Bild, 02.03.2000. 141 47 Besonders während der CDU-Spendenaffäre spitzte sich die Situation dramatisch zu und kulminierte Ende November 1999 schließlich in einem Vorfall, dem seither Symbolcharakter für das erbarmungslose Verhalten der "Medienmeute" beigemessen wird: Der damalige CDU-Parteivorsitzende Wolfgang Schäuble hatte während einer Pressekonferenz eine Gallenkolik erlitten und saß vom Schmerz gezeichnet auf seinem Stuhl. Statt nun diskret von ihm abzulassen, nahmen ihn zahlreiche Fernsehkameras daraufhin umso fester ins Visier und rückten in der Erwartung sensationeller Bilder vom Kollaps des Parteichefs bis auf dreißig Zentimeter an ihn heran.142 Ausgelöst wurde die Hysterie durch den Wettlauf der Medien um Individualität und Aktualität: Übereinstimmend berichten die Korrespondenten von einer Vervielfältigung der politischen Themen und Termine in Berlin, bedingt durch zahlreichere (inszenierte) politische Ereignisse einerseits, und die wachsende Konzentration von Verbands- und Unternehmenszentralen in der Hauptstadt andererseits.143 (Ersteres hängt sicherlich weniger mit dem Umzug nach Berlin zusammen, als vielmehr mit den Gepflogenheiten der rot-grünen Regierung, letzteres ist jedoch zweifellos eine Folge des Regierungsumzugs.) Die stundenaktuellen elektronischen Medien, allen voran die zahlreichen Fernsehsender, sind bestrebt, Bilder und Informationen, Köpfe und Stimmen zu möglichst vielen Themen mit geringstem Zeitverlust zu senden, und sich obendrein durch exklusives Material von der Konkurrenz abzusetzen. Dadurch hat sich der Takt der Nachrichten beträchtlich erhöht, auch wenn eigentlich nichts Neues zu vermelden ist. Andere aktuelle Medien müssen das Tempo mitgehen: Internet-Dienste informieren ihre Leser mittlerweile in einem zeitlichen Rhythmus, der jenem der Nachrichtenagenturen nahekommt. Die Agenturen selbst müssen wegen der kürzeren "Halbwertzeit" der Neuigkeiten quasi "in Realzeit" arbeiten.144 Die tages- oder wochenaktuellen Printmedien sind für einen derartigen Wettlauf um Aktualität verständlicherweise ungeeignet. Um dieses Defizit zu kompensieren versuchten sie, durch exklusive Berichte und Informationen Marktvorteile zu erzielen. 142 Vgl.: Kornelius, Da, die Kolik! in: Süddeutsche Zeitung, 02.12.1999, sowie: Kurbjuweit, "Wie die ersten Menschen", in: Der Spiegel, Nr. 51/1999, S. 96ff. 143Vgl.: Plöchinger, Hauptstadt-Journalismus, S. 69. Diese Entwicklung schilderten auch Bruns, Gößling und Wittke im Interview. 48 Im Bestreben, sich gegenüber der vielfältigen Konkurrenz zu profilieren, schreckten manche Zeitungen dabei auch nicht vor fragwürdiger "journalistischer Kreativität" zurück: Die grassierende "Exklusiveritis und Lust am Krakeelen" machte auch aus Nichtigkeiten Nachrichten und nahm sogar Falschmeldungen in Kauf. 145 Diese Entwicklung spiegelte sich auch in der Statistik des Deutschen Presserates wider: Das Selbstkontrollorgan der Printmedien, das in seinem Pressekodex146 Grundsätze und Richtlinien für die publizistische und redaktionelle Arbeit aufgestellt hat, hatte im Jahr 2000 mit 534 Beschwerden die höchste Zahl von Eingaben seit Beginn seines Bestehens zu bearbeiten. Dabei lagen Verstöße gegen die Wahrheitsund Sorgfaltspflicht der Medien (Ziffern 1-4 des Pressekodex') an erster Stelle.147 Zudem wurden in Berlin vermehrt traditionelle Regeln journalistischer Diskretion gebrochen: Politiker beklagten, dass Absprachen nicht mehr eingehalten würden und selbst vertrauliche Informationen aus Hintergrundgesprächen im kleinen Kreis umgehend an die Öffentlichkeit drängen.148 4.1.3 Medienvielfalt und "Boulevardisierung" Als Verursacher des Konkurrenzkampfs wird von den Korrespondenten einhellig der vielfältige und heiß umkämpfte Berliner Medienmarkt verantwortlich gemacht: Während sich in Bonn zwei Tageszeitungen von bestenfalls regionaler Bedeutung den Markt vor Ort teilten, rauscht in Berlin ein Blätterwald von einem knappen Dutzend Boulevardblättern und Qualitätszeitungen, die sich einen verbissenen Wettlauf um Neuigkeiten und Marktanteile liefern. Zudem ist Berlin Sitz von über 20 Rundfunk- und Fernsehanstalten, die alle über bundespolitische Themen berichten, wenn auch mit starken Unterschieden in Umfang und Akzentsetzung.149 Gleichzeitig ist für die mit dem Regierungsumzug neu hinzu gekommenen, auswärtigen Medien, deren journalistischer Fokus in Bonn ausschließlich auf die 144 Vgl.: Interview mit Frank Rafalski, Leiter des dpa-Hauptstadtbüros, in: Koelbl, Die Meute, S. 42f. Siehe: Kister, Krawall in der Mediendemokratie, in: Süddeutsche Zeitung, 28.10.1999. – Ähnlich äußert sich Helmut Lölhöffel, Korrespondent der Frankfurter Rundschau: "Hier in Berlin ist ein äußerst rücksichtsloser Konkurrenzkampf um Exklusivnachrichten ausgebrochen. Alle wollen an diesem Ort wahrgenommen werden, zur Not mit irgendwelchen Schnulli-Meldungen." Zit. in: Kurbjuweit, "Wie die ersten Menschen", in: Der Spiegel, Nr. 51/1999, S. 96. 146 Siehe: Deutscher Presserat, Publizistische Grundsätze (Pressekodex). In: Ders., Jahrbuch 2001. S. 373ff. – Vgl.: Weyand, Der Deutsche Pesserat, in: Ebd., S. 365ff. 147 Vgl.: Weyand, Beschwerden erreichen Rekordzahl, S. 82. 148 Vgl. z.B.: Kurbjuweit, "Wie die ersten Menschen", in: Der Spiegel, Nr. 51/1999, S. 96ff., sowie: Bannas, "Wie Innenminister Schily es mit einem Mord in Neukölln zu tun bekam", in: F.A.Z., 29.02.2000. – Vgl. auch: Plöchinger, Hauptstadt-Journalismus, S. 93. 149 Vgl.: Busche, Hartes Pflaster, S. 24ff., sowie: Siefert, Brennglas Berlin, S. 13. und: Plöchinger, Hauptstadt-Journalismus, S. 112. 145 49 Bundespolitik gerichtet war, zusätzlich die Metropole Berlin an sich zum Objekt der Berichterstattung geworden: Der Um- und Ausbau zur Hauptstadt, die vielfältigen Kultur- und Sportveranstaltungen, die Landespolitik – all das sind Themen, welche Leser und Zuschauer in der ganzen Republik interessieren. Aus diesem Grund haben die meisten externen Medien ihre Hauptstadtredaktionen und -studios im Vergleich zu Bonn großzügiger dimensioniert und personell erheblich aufgestockt, was in vielen Fällen mit einem Generationswechsel verbunden war, da etliche ältere Korrespondenten es bevorzugten, am Rhein zu bleiben. 150 Beide Faktoren zusammen führten zu einer erheblichen Zunahme und Heterogenisierung des Journalistenkorps, welches in Berlin im Allgemeinen, aber eben auch auf bundespolitischem Parkett im Besonderen nach berichtenswerten Neuigkeiten sucht. Ablesbar ist dies etwa an der Zahl der beim Bundestag akkreditierten Journalisten, die von rund 1.000 in Bonn (1998) auf etwa 2.500 in Berlin (2002) angestiegen ist.151 Dadurch wird das Bild der Medien bei den politischen Akteuren in Berlin nicht mehr nur von einer relativ überschaubaren Gruppe erfahrener Parlamentskorrespondenten – größtenteils Mitglieder der Bundespressekonferenz – geprägt, was für letztere die spürbare Auswirkung mit sich brachte, dass sie ihren "fast exklusiven Anspruch auf Nähe und Beziehungen zur Politik" aus Bonner Zeiten aufgeben mussten.152 Geändert hat sich durch diesen "Strukturwandel" auch der politische Journalismus an sich, der nach Meinung verschiedener Korrespondenten in Berlin an Seriosität eingebüßt hat und "sehr viel wilder, bilderreicher und skandalträchtiger geworden" ist.153 Diese Entwicklung wird auf den Einfluss der Berliner Boulevardmedien zurückgeführt, welche "die Bonner" in erster Linie als Attraktion betrachteten und sich nach dem Regierungsumzug "vergnügt mit ins Getümmel"154 stürzten, um ihrerseits auch über Politik, vor allem aber über Politiker zu berichten. Durch ihre Schwerpunktsetzung auf Prominenz und Unterhaltung riefen Boulevardblätter und kommerzielle Fernsehsender ein Interesse der Öffentlichkeit am Privatleben der Spitzenpolitiker hervor, das mittlerweile auch von seriösen Medien immer häufiger befriedigt wird. 150 Diese Entwicklung schildern die befragten BPK-Mitglieder Bruns, Gößling, Martenson und Wittke. Ein Abgleich der BPK-Mitgliederverzeichnisse von 1971/72 und 2001/02 bestätigte diesen Eindruck. 151 Information der Pressestelle des Deutschen Bundestages. 152 Siehe: BPK-Vorstand, Rechenschaftsbericht 2001, S. 3. Archiv BPK e.V., Berlin. 153 Siehe: Interview mit Jürgen Leinemann in: Koelbl, Die Meute, S. 35. – Vgl. auch: Plöchinger, Hauptstadt-Journalismus, S. 85. 154 Siehe: Sartorius, An den Wühltischen der Macht, in: Süddeutsche Zeitung, 18.03.2000. 50 Diese "Boulevardisierung" der politischen Berichterstattung wird, zusammen mit dem Generationswechsel in den Redaktionen, für die Spannungen zwischen Politikern und Journalisten verantwortlich gemacht: Erfahrene Politikjournalisten werfen den neuen Kollegen vor, sich durch spektakuläre Enthüllungen profilieren zu wollen, dafür jedoch über zu wenig Berufserfahrung und -ethos zu verfügen und durch ungestümes, indiskretes und unseriöses Vorgehen die Politiker zu verprellen. 155 4.1.4 Politische Inszenierungen vor der Berliner Kulisse Der Verfall journalistischer Standards und Werte veranlasste die politischen Akteure, gegenüber den Medienvertretern mehr und mehr auf Distanz zu gehen. Gleichzeitig intensivierten sie ihre Anstrengungen, die öffentliche Darstellung ihres Handelns selbst zu bestimmen, indem sie Konkurrenzdruck und Beschleunigung des Nachrichtenumsatzes geschickt für ihre Zwecke nutzten und sich der Omnipräsenz von Kameras und Mikrofonen kurzerhand für den Transport ihrer Botschaften bedienten. Es zeigte sich, dass Aussage und Inhalt von Seiten der elektronischen Medien aus Zeitmangel kaum noch hinterfragt wurden, sofern die Auftritte der Politiker nur gute Bilder und möglichst exklusive O-Töne abgaben.156 Konsterniert stellten daraufhin die Hauptstadtjournalisten fest, dass die Medien "häufiger als früher instrumentalisiert" werden: Die Politiker "nutzen die schöne Kulisse zu gefälligen Inszenierungen vor den Kameras und entziehen sich kritischen Fragen"157, gleichzeitig würden ihre Aussagen aufgrund der Inflation von Exklusivität zusehends flacher, austauschbarer und inhaltsleerer. Nach übereinstimmender Ansicht der Korrespondenten haben Personalisierung und Inszenierung von Politik deutlich zugenommen, nachdem die rot-grüne Koalition aus ihren öffentlich ausgetragenen Konflikten des ersten Jahres kommunikative Konsequenzen gezogen Regierungsmannschaft hatte: Mittlerweile harmonisiert und ist die Außendarstellung hochprofessionell. Kaum der ein Spitzenpolitiker verzichtet noch auf die Beratung durch PR-Strategen und ImageBerater, den sogenannten "Spin-Doctors". Durch vorgegebene Sprachregelungen, einstudierte Gesten und fernsehgerechten Hintergrund wird bei öffentlichen Auftritten nichts mehr dem Zufall überlassen, zur optimalen "Themensteuerung" in den Medien 155 Vgl. z.B.: Ebd., sowie: Kurbjuweit, "Wie die ersten Menschen", in: Der Spiegel, Nr. 51/1999, S. 99 und: Bannas, "Wie Innenminister Schily es mit einem Mord in Neukölln zu tun bekam", in: F.A.Z., 29.02.2000. – Vgl. auch: Plöchinger, Hauptstadt-Journalismus, S. 50f. und S. 61. Vergleichbar äußerten sich auch die BPK-Mitglieder Bruns, Gößling, Martenson und Wittke im Interview. 156 Vgl.: Plöchinger, Hauptstadt-Journalismus, S. 123. 157 Erstes Zitat siehe: Kister, Krawall in der Mediendemokratie, in: Süddeutsche Zeitung, 28.10.1999, zweites siehe: Bruns, Heftiges Gerangel ums "Goldene Kalb", S. 16. 51 liefert die Pressestelle Informationsmaterial und Hintergrunderklärungen zu den meist knappen Statements der politischen Akteure gleich mit.158 Die Auswertung der diversen Einschätzungen von Beteiligten und Betroffenen legt nahe, dass sich die von der Forschung beschriebenen Aspekte der Mediatisierung von Politik (vgl. Kap. 2.3) in Berlin fortgesetzt, anfangs sogar deutlich forciert haben. Paradoxerweise scheint jedoch die zunehmende Überlagerung des politischen und des medialen Systems zu einer wachsenden Distanz zwischen den jeweiligen Akteuren geführt zu haben. Ob diese Distanz, die momentan vor allem auf gegenseitigem Misstrauen beruht, sich zu einer neuen Unabhängigkeit der Medien entwickelt, oder nach einem gewissen "Eingewöhnungsprozess" wieder in die alte Kumpanei mündet, muss die Zukunft zeigen. Ebenso ungewiss ist, ob die größere Vielfalt der Berliner Medienlandschaft, die medientheoretisch zu mehr Meinungspluralismus und einer besseren Wahrnehmung der demokratischen Funktionen der Medien führen sollte, langfristig nicht eher zu einer stärkeren Verflachung des politischen Journalismus beiträgt, da dem Politainment mehr Platz eingeräumt wird als der seriösen Berichterstattung über politische Inhalte und Hintergründe. 4.2 Die Bundespressekonferenz im neu definierten Aktionsraum 4.2.1 Diskussion um die "Spielregeln" Konkurrenzdruck, Beschleunigung, Boulevardisierung und politische Inszenierung wirkten sich auf die Veranstaltungen der Bundespressekonferenz nur in abgeschwächter Form aus, wie weiter unten zu zeigen sein wird. Dennoch konnte dem Verein die rapide Verschlechterung der allgemeinen journalistischen Arbeitsbedingungen ebenso wenig gleichgültig sein, wie die gespannte Beziehung zwischen Politikern und Medienvertretern, da alle seine Mitglieder in ihrem beruflichen Alltag unmittelbar von diesen Negativentwicklungen betroffen waren. Auch innerhalb des Journalistenkorps herrschte Unfrieden: Vertreter unterschiedlicher Medien beschuldigten sich gegenseitig schlechter werdender Arbeitsbedingungen. Die Korrespondenten der Printmedien fühlten sich hinter die Kollegen der elektronischen Medien zurückgesetzt, unter den letztgenannten 158 Vgl. z.B.: Kornelius, Der Markt wird's richten, in: Süddeutsche Zeitung, 02.03.2000, sowie: Plöchinger, Hauptstadt-Journalismus, S. 86ff. 52 wiederum wähnten sich die Mitarbeiter des Hörfunks besonders benachteiligt. Den Fotografen schließlich war durch das Gedränge bei den Terminen ihre Arbeit fast unmöglich geworden. Spätestens nach dem Vorfall mit Schäuble war allen Beteiligten deutlich geworden, dass ein Umdenken bei den Medienvertretern wie auch bei den politischen Pressestellen als den Veranstaltern der Pressetermine überfällig war. Nachdem frühere Appelle zur Einhaltung der Bonner "Spielregeln"159 offenkundig ihre Wirkung verfehlt hatten, ergriff der Vorstand der BPK nun erneut die Initiative, um im Interesse der Vereinsmitglieder eine weitere Zuspitzung der Situation zu verhindern. Obgleich – oder gerade weil – tumultartige Szenen und Meuteverhalten in ihren Veranstaltungen bislang keinen Einzug gehalten hatten, war der Bundespressekonferenz daran gelegen, eine Debatte über journalistische und organisatorische Standards für alle Veranstaltungen mit Pressebeteiligung in Gang zu bringen. Sowohl Hauptstadtkorrespondenten wie Pressesprechern sollte damit eine neue Orientierung im Umgang miteinander gegeben werden. Deshalb lud der Vorstand erstmals die Mitglieder der Bundespressekonferenz und alle Sprecher von Ministerien und Parteien zu einer gemeinsamen Diskussionsveranstaltung ein. Alleiniges Thema: Das Verhältnis von Politik und Medien.160 In seinem Einladungsschreiben appellierte der BPK-Vorstand an die Parlamentskorrespondenten, sich neu zu verständigen. Gleichzeitig rief er die Pressestellen der Parteien und Ministerien dazu auf, bei der Organisation von Pressetermine ihren Beitrag zu leisten, um das vielbeklagte "Gedränge und Geschiebe" der Medienvertreter zu vermeiden, denn: "Die politische Seite lässt Pressekonferenzen und öffentliche Veranstaltungen oft einfach in das Chaos stolpern, das dann als Übergriff der Presse wahrgenommen wird."161 Um gegen die herrschenden Mißstände anzugehen, werde nun im Dialog nach Wegen gesucht, wie durch "einfache organisatorische Änderungen" die Zusammenarbeit zwischen Politik und Medien verbessert werden könne. Die in der Bundespressekonferenz organisierten 159 Fotojournalisten legten den politischen Bereits im Vorfeld des Umzugs hatte der Vorstand in einem Rundschreiben die Fernsehsender, die aus der BPK berichten, zu Fairness und gegenseitiger Rücksichtnahme aufgerufen und gemahnt, im Interesse eines reibungslosen Ablaufs aller Veranstaltungen auch in Berlin die etablierten "Spielregeln" einzuhalten. Vgl.: Bundespressekonferenz e.V., Der Vorstand, Schreiben vom 27.04.1999. Archiv BPK e.V., Berlin. 160 Die Diskussion fand am 29.02.2000 in Berlin statt. Die anschließende Debatte über den Umgang zwischen Politik und Medien schlug sich v.a. zwischen dem 29.02. und dem 03.03.2000 in zahlreichen Zeitungsartikeln nieder. Eine Auswahl davon ist im Literaturverzeichnis aufgeführt. 53 Sprechern einen Leitfaden für "Foto- und TV-gerechte Veranstaltungen" vor, in dem sie ihre spezifischen Bedürfnisse und Wünsche für die Durchführung von Pressekonferenzen artikulierten und um Verständnis für ihre Arbeitssituation warben.162 Tatsächlich scheint die Aussprache selbst und die anschließende Debatte in den Medien ein langsames Umdenken eingeleitet zu haben, zumindest vermochte sie das weitere "Hochschaukeln" der Situation zu verhindern. Ein Jahr später konstatierte der Vorstand der Bundespressekonferenz: "Im großen und Ganzen hat sich vieles auf ein vernünftiges Maß eingependelt (...). Das, was Politiker mit dem schmeichelhaften Begriff des Meuteverhaltens beschreiben, hat sich gelegt."163 Der Wettbewerb um Nachrichten und Bilder werde seither wieder gelassener und mit weniger körperlichem Einsatz geführt, die Behinderung von schreibenden Journalisten oder Fotografen durch Kamerateams habe nachgelassen. – Sicherlich hat auch die zunehmende Fertigstellung von für Pressetermine geeigneten Räumen zu der Entspannung beigetragen. Am grundsätzlichen Verhältnis zwischen Politik und Medien hat die Diskussion jedoch offenbar bislang nicht viel verändert: Trotz gewisser "Selbstregulierungskräfte", welche die Debatte freigesetzt habe, sei die Situation noch lange nicht zufriedenstellend, da die "Misstrauenskultur" zwischen Politik und Medien anhalte.164 4.2.2 Aktivitäten nach außen Die Bundespressekonferenz sah sich indessen weiterhin veranlasst, die Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder in Berlin deutlich weiter zu fassen, als das zu Bonner Zeiten erforderlich war: Die Arbeitsbedingungen der Parlamentskorrespondenten auch außerhalb des Pressehauses zu verbessern, wurde für den Vereinsvorstand vorübergehend zum "wichtigsten Thema".165 Anlass dazu gab vor allem die wiederholt auftretende Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit für Journalisten in Regierungsgebäuden. Zugangsbeschränkungen und Sicherheitsmaßnahmen waren im Vergleich zu Bonn drastisch verschärft 161 Siehe: BPK-Vorstand, Einladungsschreiben vom 18.01.2000. Archiv BPK e.V., Berlin. Vgl.: BPK, Die Fotojournalisten: Kurzinformation für Foto- und TV-gerechte Veranstaltungen. Archiv BPK e.V., Berlin. 163 Siehe: BPK-Vorstand, Rechenschaftsbericht 2001, S. 1. Archiv BPK e.V., Berlin. – Vgl. auch: Plöchinger, Hauptstadt-Journalismus, S. 66. 164 Wittke, Interview am 30.04.2002. 165 Vgl.: BPK-Vorstand, Rechenschaftsbericht 2000. Archiv BPK e.V., Berlin. 162 54 worden, besonders im Reichstag wurde den Korrespondenten ein "schroffer Empfang" beschert: "Unnötige Kontrollen, ein rauher Ton, undurchsichtige Einlassund Zugangsregelungen waren (...) an der Tagesordnung".166 Mehrere Unterredungen des BPK-Vorstands mit dem Bundestagspräsidenten führten schließlich zu einer spürbaren Verbesserung der Situation167, wenn auch nur vorübergehend: Nach dem 11. September 2001 stieg die Nervosität des Sicherheitspersonals wieder erheblich an, so dass sich die Parlamentsberichterstatter abermals in der Ausübung ihrer Tätigkeit empfindlich eingeschränkt sahen. Schließlich sah sich der BPK-Vorstand genötigt, erneut beim Bundestagspräsidenten zu intervenieren.168 Mittlerweile ist die Zugangssituation zu Parlaments- und Regierungsgebäuden zufriedenstellend, wenn auch längst nicht mehr so entspannt wie in Bonn.169 Neben den äußeren Bedingungen für eine unbehinderte politische Berichterstattung sieht es die Bundespressekonferenz in Berlin zudem für erforderlich an, die Wahrung einer gewissen journalistischen Kultur in der Politikberichterstattung durchzusetzen und eine Vorbildfunktion über den Kreis ihrer eigenen Mitglieder hinaus auszuüben. Seit der chaotischen Anfangsphase nach dem Umzug "fühlen wir uns auch dafür zuständig, dass in der politischen Berichterstattung die Qualität gewahrt wird. Wir setzen bestimmte Standards und versuchen, dass diese auch eingehalten werden."170 Exemplarisch für dieses Engagement sei der Skandal um die angeblichen Kokainfunde im Reichstag erwähnt: Nachdem im November 2000 ein Fernsehreporter unter Verwendung wissenschaftlich zweifelhafter Methoden Spuren von Kokain im Reichstagsgebäude festgestellt haben wollte, entbrannte eine heftige öffentliche Diskussion, die sich jedoch weniger um den möglichen Drogenkonsum von Abgeordneten drehte, als vielmehr um die respektlose Sensationsgier des Reporters. In einer Presseerklärung betonte der Vorstand der Bundespressekonferenz daraufhin Vgl.: Ebd. – In Bonn habe es diesbezügl. "nie Störfälle gegeben". Bruns, Interview am 26.06.2002. Auf der nächsten Mitgliederversammlung berichtete der Vorstand: "Der Zugang zum Reichstag, zu Bundestags- und Regierungsgebäuden ist mindestens berechenbar geworden." Siehe: BPK-Vorstand, Rechenschaftsbericht 2001, S. 2. Archiv BPK e.V., Berlin. 168 Auslöser für die neuerliche Beschwerde war ein Vorfall am Tag der Abstimmung über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr, die Bundeskanzler Schröder mit der Vertrauensfrage verknüpft hatte: Da die Pressetribüne des Plenarsaals überfüllt war, hatten sich mehrere Parlamentsberichterstatter – darunter auch die BPK-Vorsitzende – auf die Besuchertribüne gesetzt, die an diesem Tag für den Publikumsverkehr geschlossen war. Von dort jedoch wurden sie "aus Sicherheitsgründen" während der laufenden Parlamentsdebatte durch die Bundestags-Polizei abgeführt. Vgl.: Reker, Bundestag: Preußische Jagdszenen, in: Rheinische Post, 22.11.2001. 169 Bruns, Interview am 26.06.2002. 170 Siehe: Interview mit Tissy Bruns in: Koelbl, Die Meute, S. 15. 166 167 55 nachdrücklich, dass es sich bei dem betreffenden Journalisten nicht um ein Vereinsmitglied handele, und verurteilte gleichzeitig die unseriöse Arbeitsweise des Reporters, die "unserer Auffassung von sorgfältiger Recherche in keiner Weise entspricht".171 Diese Ausweitungen der Zuständigkeiten über den reinen Vereinszweck hinaus, die in der Mitgliedschaft der BPK durchaus nicht auf ungeteilte Zustimmung stieß172, sind bislang nur von mäßigem Erfolg gekrönt: Zwar hat die Diskussion um das Verhältnis zwischen Politik und Medien einige Verbesserungen im Ablauf von Presseterminen bewirkt, doch das Misstrauen zwischen beiden Seiten besteht weiter. Zwar haben die Interventionen beim Bundestag Zugangserleichterungen gebracht, doch diese stehen noch immer auf wackligen Beinen. Und auch die Vorbildfunktion der BPK für seriösen Journalismus reicht offenbar nicht aus, um der "Boulevardisierung" der politischen Berichterstattung Einhalt zu gebieten, wie neuerliche Beispiele von Sensationsjournalismus im Reichstag173 befürchten lassen. Dennoch verteidigt der Vorstand sein Vorgehen als notwendig und mit der Vereinsaufgabe der Interessenvertretung (§ 3) in Einklang, da sich die Negativentwicklungen auf dem "ureigenen Terrain" der Parlamentsberichterstatter abspielten, welche dann ihrerseits unter den Folgen (Zugangsbeschränkungen etc.) zu leiden hatten.174 Um gegen die in Berlin stattfindende "Entprofessionalisierung der journalistischen Standards"175 Zeichen zu setzen, sind die Bemühungen der Bundespressekonferenz sicherlich sinnvoll. Eine völlige Wiederherstellung des Vertrauens zwischen Politik und Medien scheint indes kurzfristig nicht möglich zu sein – und ist im Interesse einer unabhängigen Berichterstattung auch gar nicht unbedingt erstrebenswert. 171 Siehe: Bundespressekonferenz e.V., Pressemitteilung vom 09.11.2000. Archiv BPK e.V., Berlin. Dabei habe es sich um die erste Presseerklärung des Vereins seit seinem Bestehen gehandelt. (Mündl. Information der BPK-Büroleiterin Roswitha Kreutzmann.) – Als der Bundestagspräsident jedoch ein Hausverbot gegen den Journalisten verhängte, wandte sich der BPK-Vorstand in einer erneuten Presseerklärung am 17.11.2000 entschieden gegen dieses Verbot, das sich mit der grundgesetzlich garantierten Pressefreiheit nicht vertrage. 172 Bruns, Interview am 26.06.2002. 173 Im März 2002 "testeten" Reporter einer Illustrierten die Sicherheitsvorkehrungen im Reichstag, in dem sie Chemikalien in das Gebäude schmuggelten. 174 Vgl.: BPK-Vorstand, Rechenschaftsbericht 2001, S. 3. Archiv BPK e.V., Berlin, sowie: Bruns, Interview am 26.06.2002. 175 Siehe: Langguth, Zum Verhältnis zwischen Medien und Politik, in: Frankf. Rundschau, 18.09.2000. 56 4.3 Interne Veränderungen Die gewandelten journalistischen Rahmenbedingungen in der neuen Hauptstadt blieben nicht ohne unmittelbaren Einfluss auf die Bundespressekonferenz, obgleich es dem Vereinsvorstand gelang, die Institution mit all ihren Spezifika weitgehend unbeschadet an der Spree zu implementieren: Auch am neuen Standort blieben die Bundespressekonferenzen klassische Wortveranstaltungen, die mittels der bewährten Triade "Information – Frage – Antwort" journalistische Qualitätsarbeit gewährleisten und politische Inszenierungen erschweren sollten. Doch die Berliner Medienlandschaft und andere Faktoren bewirkten prägende Veränderungen für den Verein und seine Veranstaltungen. 4.3.1 Startschwierigkeiten in Berlin Die Bundespressekonferenz war zwar nach dem "problemlosen" Umzug ihrer Geschäftsstelle Anfang August 1999 umgehend wieder arbeitsfähig, ihre neuen Räumlichkeiten waren jedoch noch in Bau.176 Für ihre Pressekonferenzen dienten ihr daher die Konferenzsäle des bereits fertiggestellten Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung (BPA) als Übergangsquartier. Hierin lag allerdings bereits ein erstes Problem: Wegen des anfänglichen Mangels an für PKen geeigneten Räumlichkeiten in Berlin fanden unmittelbar nach dem Regierungsumzug fast alle Pressekonferenzen der Bundesregierung im BPA statt. Der Unterschied zwischen einer "normalen" Minister-PK, die beispielsweise vom Bundeswirtschaftsministerium veranstaltet wurde, und einer Bundespressekonferenz, zu der der Wirtschaftsminister als Gast kam und nur Vereinsmitglieder Zutritt hatten, war deshalb nur schwer ersichtlich. Zahlreichen Vertretern der Berliner (Boulevard-) Medien, die sich eine Akkreditierung beim BPA verschafft hatten, um anschließend mit großem Interesse am für sie ungewohnten Polit-Zirkus teilzunehmen, war anfangs nicht nachvollziehbar, warum sie zu den Bundespressekonferenzen keinen Zutritt haben sollten. Sie ignorierten entsprechende Hinweise kurzerhand. Der Ansturm nicht autorisierter Journalisten zu den Bundespressekonferenzen, aber auch die Teilnahme zahlreicher unerfahrener Neumitglieder ließen disziplinarische Mündliche Information der BPK-Büroleiterin Roswitha Kreutzmann. – Bereits seit 1990 unterhielt die BPK eine Außenstelle in Berlin, die Pressekonferenzen zu bundespolitischen Themen veranstaltete – sehr zum Ärger der "Berliner Pressekonferenz", die sich als legitime Nachfolgerin der Reichs-pressekonferenz vor 1933 betrachtete und die Etablierung der Bonner "Konkurrenz" mit unverhohlener Ablehnung zur Kenntnis nahm. Vgl.: Maier, Berliner Pressekonferenz, S. 215ff. Die Sicht der BPK auf diesen Zwist schildert: Martenson, Die Bundes-Pressekonferenz: Von Bonn nach Berlin, S. 236ff. 176 57 Vorkehrungen erforderlich werden: Am Eingang wurden die Mitgliedsausweise kontrolliert – eine Maßnahme, die in Bonn nie nötig gewesen war –, und die Einhaltung der Saalordnung wurde besonders streng überwacht. Um Verstößen gegen das spezifische Regelwerk der Bundespressekonferenz ("unter eins", "unter zwei", "unter drei") vorzubeugen, wurde auf der ordentlichen Mitgliederversammlung im März 2000 die Satzung um drastische Sanktionen erweitert (vgl. Kap. 3.3.5). Nach Bezug des neuen "Pressehauses" haben sich die dargestellten Probleme entschärft: ausreichend Regelwerk und Saalordnung sind bekannt, die Mitgliedsausweise mittlerweile werden allen heute nur Mitgliedern noch in Ausnahmefällen kontrolliert, etwa bei stark frequentierten PKen mit Spitzenpolitikern, für die erhöhte Sicherheitsbestimmungen gelten. – Eine "Gesichtskontrolle" am Eingang zum Geschäftsstelle, Pressesaal, findet wahrgenommen indes weiterhin durch vor eine jeder Mitarbeiterin Veranstaltung der der Bundespressekonferenz statt. 4.3.2 Zugeständnisse an das Leitmedium Fernsehen Im Laufe ihres Bestehens hat sich die "Wortveranstaltung" Bundespressekonferenz dem unaufhaltsamen Aufstieg des Fernsehens zum Leitmedium (vgl. Kap. 2.3.2) teilweise widerwillig, aber doch kontinuierlich anpassen müssen: Erst Ende der 60erJahre wurden Fernsehkameras in der Bundespressekonferenz grundsätzlich zugelassen. Bis dahin durften Fernsehjournalisten im Regelfalle nur mit Papier und Stift den Veranstaltungen beiwohnen, da sich die Kollegen der Presse "durch die Kameras gestört fühlten".177 Weitere 25 Jahre vergingen, bis der Verein nach kontroverser Debatte beschloss, in Ausnahmefällen auch live-Übertragungen aus der Bundespressekonferenz zuzulassen, "wenn es sich um Pressekonferenzen handelt, die auf ein außerordentliches öffentliches Interesse stoßen könnten".178 Mittlerweile hat sich die dominierende Rolle der elektronischen Medien auch in der BPK-Mitgliedschaft niedergeschlagen: 1950 arbeiteten erst 9 Prozent der BPKMitglieder für Hörfunk und Fernsehen, bis 1985 stieg deren Anteil auf 21 Prozent. Im gleichen Zeitraum hatte sich dagegen der Anteil der Berichterstatter für Tageszeitungen von 54 Prozent der Mitgliedschaft auf 26 Prozent mehr als halbiert.179 Bis 2001 ist diese Quote weiter gesunken: Nur noch 24 Prozent der 177 Siehe: Grunenberg, Eine halbe Stunde Bonner Routine, S. 124. Aus einem Schreiben des BPK-Vorstands an die im Verein vertretenen Rundfunk- und Fernsehsender, Juni 1993. Archiv BPK e.V., Berlin. 179 Vgl.: Köhler, Die Bundes-Pressekonferenz, S. 124f. 178 58 Vollmitglieder arbeiten für Tageszeitungen, die elektronischen Medien hingegen stellen mit 27,3 Prozent der BPK-Mitglieder mittlerweile die größte Gruppe.180 Doch diese Strukturverschiebung innerhalb der Mitgliedschaft ist nicht die einzige Ursache für Konzessionen, welche die Bundespressekonferenz gegenüber dem Fernsehen machen musste: Auch manche Gäste, namentlich Spitzenpolitiker, wollen in der heutigen Mediendemokratie auf eine direkte TV-Übertragung ihrer BPKAuftritte nicht mehr verzichten. Um nicht eine Abwanderung öffentlichkeitswirksamer PKen ins Kanzleramt oder in die Ministerien zu riskieren, erteilt der BPK-Vorstand die Erlaubnis für live-Sendungen mittlerweile schnell und unbürokratisch. Der Nutzen, den solche PKen für die Mitglieder und das Prestige des Vereins bringen, scheint die "Kosten" zu überwiegen, dass sich die Bundespressekonferenz dadurch in gewissem Umfang als Inszenierungsplattform instrumentalisieren lässt. Lediglich die Regierungs-PKen, die existenzielle Substanz der BPK, sind für Direktübertragungen im Fernsehen weiterhin tabu. Zum einen, um den eigenen Mitgliedern einen Informationsvorsprung zu sichern, der z.B. für die Redakteure von Nachrichtenagenturen unverzichtbar ist, zum anderen, um die satzungsgemäße, vertrauliche Weitergabe von Informationen jederzeit zu ermöglichen. Die sukzessiven Zugeständnisse gegenüber dem Fernsehen manifestieren sich auch unübersehbar im neuen Pressesaal in Berlin, der an die spezifischen Bedürfnisse des Leitmediums angepasst wurde: - Die prägnante blaue Rückwand des Saals hat ihre Farbe und den hellhölzernen Schriftzug "Bundespressekonferenz" nicht nur aus ästhetischen Gründen erhalten, sondern vor allem, weil dieser Hintergrund besonders "fernsehgerecht" ist.181 - Das Deckenlicht im Saal musste schon kurz nach seiner Inbetriebnahme erneuert werden, da es den hohen Ansprüchen der TV-Kameras zunächst nicht genügte. - Den Panoramablick durch die raumhohen Fensterscheiben über die Spree auf Reichstagskuppel, Bundestagsgebäude und Kanzleramt kann während der Pressekonferenzen keiner der Anwesenden genießen: Spezielle Rollos sorgen 180 Eigene Berechnungen auf Grundlage des BPK-Mitgliederverzeichnisses 2001/2002. Weitere Ergebnisse: 15,5 Prozent der Mitglieder schreiben für sonstige Printmedien (Nachrichtenmagazine, Wochenzeitungen, Illustrierte), 13,1 Prozent sind Mitarbeiter von Nachrichtenagenturen, 11,6 Prozent arbeiten als Freie Journalisten, deren genaues Tätigkeitsfeld (Print oder e-Medium) nicht genannt ist. Die Fotografen stellen 5,5 Prozent der Mitglieder, 3 Prozent schließlich arbeiten für Special-InterestZeitschriften (z.B. Ärzteblatt) oder Online-Redaktionen. 181 Der Schriftzug sowie kaum merkliche Abstufungen in der Wandfarbe verhindern aber gleichzeitig, dass Fernsehsender sich den "Blue-Box-Effekt" zunutze machen und die Bundespressekonferenzen mit einem anderen (Sender-eigenen) Hintergrund versehen. 59 durch eine gleichmäßige Tageslichtstreuung für kameragerechte, blendfreie Lichtverhältnisse – und versperren komplett die Sicht nach außen. Zwei im Pressesaal fest installierte Kameras gewährleisten, dass alle dazu berechtigten Medien (d.h. solche, deren Politikkorrespondenten Mitglied der Bundespressekonferenz sind) brauchbares Bild- und Tonmaterial von den Veranstaltungen bekommen. Ein starker Andrang von Kamerateams und das Gerangel um die besten Standplätze kann durch diese "Pool-Lösung" weitgehend vermieden werden. Dennoch schicken die TV-Sender zusätzlich eigene Kamerateams in unterschiedlicher Anzahl zu den Veranstaltungen, um sogenannte "Schnittbilder" zu produzieren: Der Kanzler auf der Freitreppe, die aus dem Atrium hinauf zum Pressesaal führt, die Nahaufnahme des Ministers auf dem Podium oder der "Schwenk" über die schreibenden Journalisten im Saal sind beliebte Motive, um der Berichterstattung ein individuelles Gepräge zu geben. Eine Bevorzugung des Fernsehens findet dennoch nicht statt, auch das Leitmedium muss in der Bundespressekonferenz auf die Vertreter der anderen Medien Rücksicht nehmen: Im Pressesaal haben Fernsehkameras mit Stativ genau vorgeschriebene Standorte auf einem seitlichen Podest, lediglich geschultert dürfen Kameras auch an anderen Stellen des Saales benutzt werden, niemals jedoch die Sicht der schreibenden Kollegen auf das Podium versperren. Gemäß einer stillen Übereinkunft ist zudem die gesamte erste Sitzreihe ausschließlich den Fotojournalisten vorbehalten. Auch dem in Berlin gestiegenen Aktualitätsdruck der elektronischen Medien musste die Bundespressekonferenz Rechnung tragen: Der Beginn der Regierungs-PKen Montags und Mittwochs – in der "Bonner Beschaulichkeit" noch auf 14:30 Uhr terminiert – wurde seit dem Umzug an die Spree schon zweimal vorverlegt: Mittlerweile versammeln sich die Sprecher der Bundesregierung Montags bereits um 11:30 Uhr, Mittwochs eilen sie nach der Kabinettssitzung schon um 13:30 Uhr in die Bundespressekonferenz, nur der Freitagstermin blieb unverändert bei 11:30 Uhr. Die Vorverlegungen ermöglichen Mittagsnachrichten über die Rundfunk aktuelle und Fernsehen, Regierungspolitik bereits zu in berichten. ihren Die Tageszeitungen profitieren allerdings ebenfalls von einem vergrößerten Zeitabstand zwischen Regierungs-PK und Redaktionsschluss. 60 4.3.2 Die Anzahl der Pressekonferenzen steigt Nachdem die Bundespressekonferenz – abgesehen von den dargestellten Zugeständnissen an die neue Berliner Medien-Umwelt – im Kern an ihrer traditionellen, nüchternen und wort-dominierten Informationsvermittlung unbeirrt festgehalten hat, ist es doch etwas überraschend festzustellen, dass sie seit ihrem Umzug nach Berlin, besonders aber seit dem Einzug in ihr neues Domizil, eine signifikante Zunahme der Anzahl ihrer Veranstaltungen verzeichnen kann: Hatte sich in Bonn die Summe der Pressekonferenzen über viele Jahre bei 250 bis 290 per annum eingependelt182, so schnellte diese Zahl in Berlin deutlich in die Höhe auf zuletzt 365 Pressekonferenzen im Jahr 2001 (siehe Tab. 1). Dazu kommen noch 24 PKen (Jahr 2000: 12), die in der BPK-Außenstelle in Bonn stattfanden, womit die Gesamtzahl der Bundespressekonferenzen im Jahr 2001 bei 389 liegt (Jahr 2000: 379).183 Aktuell veranstaltet die Bundespressekonferenz demnach durchschnittlich 1,5 Pressekonferenzen pro Werktag. Jahr: 1996 1997 1998 1999 2000 2001 Anzahl PKen: 269 289 302 330 367 365 Tabelle 1: Anzahl der Pressekonferenzen (Quelle: EDV-Statistik der BPK e.V.) Um nach möglichen Gründe für diesen Anstieg zu suchen, müssen die PKen nach Gästen aufgeschlüsselt werden. Für das Jahr 2001 ergibt sich dabei folgendes Bild: Art der PK: Regierungs-PK Anzahl: Anteil an PKen: 134 36,7 Prozent PK mit Bundesministern 92 25,2 Prozent Info-Gespräch "unter zwei" 10 2,7 Prozent 4 1,1 Prozent Sonstige PK 125 34,3 Prozent Gesamt 365 100 Prozent PK mit Bundeskanzler Tabelle 2: Pressekonferenzen 2001(Quelle: EDV-Statistik der BPK e.V.) Den größten Anteil an der Gesamtzahl der Bundespressekonferenzen haben die Regierungs-PKen inne, von denen im Jahr 2001 genau 134 durchgeführt wurden Vgl.: Ney, Die Bundes-Pressekonferenz – Resonanzboden der Bonner Politik, S. 90, sowie: Köhler, Die Bundes-Pressekonferenz, S. 250. – Möglicherweise hängt die leichte Zunahme auf 302 Pressekonferenzen in 1998, dem letzten vollen Jahr der BPK in Bonn, damit zusammen, dass es sich um ein Wahljahr mit Regierungswechsel handelte. 183 Quelle: EDV-Statistik der BPK e.V. 182 61 (das entspricht einem guten Drittel aller BPK-Veranstaltungen, siehe Tab. 2). Damit "dominiert die Gruppe der Pressesprecher" – wie Walker es bereits 1980 in einer quantitativen Analyse festgestellt hatte184 – weiterhin gegenüber anderen "Gästen", wenn auch nur noch knapp. Da es sich bei den Regierungs-PKen um Routineveranstaltungen nach einem regelmäßigen Rhythmus handelt, unterliegt ihre Anzahl seit Jahrzehnten keinen wesentlichen Schwankungen. Deutlich gestiegen ist dagegen die Zahl der Bundespressekonferenzen mit ministerieller Beteiligung: Folgte die Gruppe der Bundesminister den Pressesprechern 1980 noch "mit erheblichem Abstand" (Walker) und verdoppelte (!) ihre BPK-Auftritte unter der Regierung Kohl auf gut 60 pro Jahr, so steigerte sich die Anzahl der Bundespressekonferenzen mit Mitgliedern des Kabinetts Schröder eklatant auf zuletzt 92 im Jahr 2001 (Jahr 2000: 87).185 – Es ist daher anzunehmen, dass dieser Anstieg weniger mit dem Umzug nach Berlin zusammenhängt, als vielmehr mit einer unter der rot-grünen Bundesregierung gestiegenen Personalisierung der Politik. Zu den Hintergrundgesprächen "unter zwei" lädt die BPK im Regelfalle nicht die Ressortchefs selbst als Informanten ein, sondern deren für das jeweilige Thema zuständige Abteilungsleiter (vgl. Kap. 3.3.5). Da diese Art von Veranstaltungen im Jahr 2000 neu eingeführt wurde, trägt sie unmittelbar, wenn auch in geringem Maße (2001 fanden nur 10 Informationsgespräche "unter zwei" statt), zum Anstieg der PKGesamtzahl bei. Der Bundeskanzler lässt seine Positionen traditionell in erster Linie durch den Regierungssprecher vertreten. Die Vorgänger des aktuellen Amtsinhabers traten nur zwei- bis dreimal jährlich vor die Bundespressekonferenz, der "Medienkanzler" Schröder erschien bisher vier- bis fünfmal pro Jahr.186 Ob dies einen neuen, "berlintypischen" Trend darstellt oder mit persönlichen Vorlieben des Amtsinhabers zusammenhängt, muss die Zukunft zeigen. In den verhältnismäßig seltenen Besuchen des Regierungschefs vor der Bundespressekonferenz, der sich dadurch jedenfalls ein hervorgehobenes Interesse an seinen Auftritten bewahrt, ist indes wohl noch immer "eher eine Reverenz vor dieser Institution [zu] sehen, als die Nutzung eines informationspolitischen Instrumentes".187 184 Vgl.: Walker, Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, S. 183f. Vgl.: Köhler, Die Bundes-Pressekonferenz, S. 248, sowie: EDV-Statistik der BPK e.V. 186 Vgl.: Walker, Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, S. 185, sowie: Köhler, Die Bundes-Pressekonferenz, S. 248. Aktuelle Zahlen: EDV-Statitistik der BPK e.V. 187 Vgl.: Walker, Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, S. 185. 185 62 Besonders bei Parteien, Verbänden und Interessensgruppen erfreut sich die BPK als Plattform für Mitteilungen einer wachsenden Beliebtheit: Anfang der 80er-Jahre war die Zahl der Pressekonferenzen ohne Regierungsbeteiligung noch "recht gering" (Walker), stieg aber anschließend bereits in Bonn kontinuierlich auf über 80 pro Jahr an188, und belegt in Berlin mit über 120 BPK-Auftritten jährlich mittlerweile den zweiten Platz, dicht hinter den Regierungs-PKen (siehe Tab. 2). Mehrere Faktoren könnten für diese Entwicklung eine Rolle spielen: Zum einen konzentrieren sich immer mehr Verbandszentralen in der neuen Hauptstadt, die früher über die gesamte Bundesrepublik verteilt waren.189 Zum anderen scheinen sich die betreffenden Organisationen von einem Auftritt vor der renommierten Bundespressekonferenz eine seriösere Wirkung und größere Reichweite ihrer Mitteilungen zu versprechen. – Auch ein finanzielles Argument dürfte nicht zu gering zu bewerten sein: Bundespressekonferenzen, die stets auf Einladung der Parlamentskorrespondenten stattfinden, sind für die "Gäste" kostenlos.190 Die anfängliche Sorge des BPK-Vorstands, mit der fortschreitenden Fertigstellung von Regierungsgebäuden und Verbandszentralen könnte die Bedeutung des Informationsforums Bundespressekonferenz schwinden191, erwies sich als unbegründet: Zwar verfügen die meisten der neuen Gebäude nun auch über die notwendige Infrastruktur für Pressekonferenzen, dennoch scheint die BPK bei ihren Informanten eher noch an Wertschätzung gewonnen zu haben, wie eine Flut von Anfragen und die hohe Zahl tatsächlich veranstalteter Pressekonferenzen belegen. Erleichtert stellte der Vorstand im Frühjahr 2001 fest: "Mit 374 Pressekonferenzen im Jahr 2000 haben wir nach der uns zugänglichen Statistik die Vorjahre übertroffen. Es finden hier nicht nur viele, sondern auch wichtige Pressekonferenzen statt (...)."192 Die Tatsache, dass sich die Bundespressekonferenz nach ihrem Umzug erstaunlich schnell wieder als Ort für die wichtigsten bundespolitischen Pressekonferenzen durchsetzen konnte, erklärte der Vorstand – sicherlich nicht unzutreffend – 188 Vgl.: Walker, Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, S. 181, sowie: Köhler, Die Bundes-Pressekonferenz, S. 250f. 189 Vgl.: Plöchinger, Hauptstadt-Journalismus, S. 108. Ebenso: Gößling, Interview am 26.04.2002. 190 Wittke, Interview am 30.04.2002. – Angesichts der Zunahme von Anfragen aus dem Nichtregierungsbereich wird eine genaue Prüfung des Themas und der Gäste hinsichtlich informationeller Attraktivität und bundespolitischer Relevanz immer wichtiger: "Es wird stärker gesiebt." (Wittke) 191 Tissy Bruns befürchtete gar eine "Fluchtbewegung" der Politiker weg von der "klassischen Wortveranstaltung" BPK, da diese politische Inszenierungen erschwere. Bruns, Interview am 26.06.2002. 192 Siehe: BPK-Vorstand, Rechenschaftsbericht 2001, S. 1. Archiv BPK e.V., Berlin. 63 "zum Teil damit, dass wir die ersten in Berlin waren, die dafür einstehen konnten, dass Pressekonferenzen nicht als allgemeines Gerangel stattfinden. Schwerer wiegt aber die journalistische Qualität, die Tatsache, dass man hier einem professionell qualifizierten Kreis Rede und Antwort steht. Anders gesagt: Die Bundespressekonferenzen sind attraktiv – und vor allem für Spitzenpolitiker attraktiv, weil als seriös gilt, was vor dieser Wand verkündet wird."193 Ein Jahr später, angesichts einer gleichbleibend hohen Zahl von Pressekonferenzen, konstatierte der Vorstand in einer Pressemitteilung schließlich nicht ohne Stolz: "Die Bundespressekonferenz hat sich in Berlin behauptet."194 4.3.3 Die journalistische Anwesenheit sinkt Während der Stellenwert der Bundespressekonferenz als Forum für Mitteilungen und Informationen auf seiten der Gäste an Bedeutung gewonnen hat, wird von den befragten Vorstandsmitgliedern indessen die durchschnittliche Anwesenheit der Korres-pondenten bei den Veranstaltungen als tendenziell rückläufig wahrgenommen. Dieses Phänomen ist umso erstaunlicher, als die Mitgliederzahl seit dem Umzug nach Berlin erheblich gestiegen ist (vgl. Kap. 4.3.4): In Bundespressekonferenz und Verein der Ausländischen Presse (VAP) sind mittlerweile insgesamt knapp 1.500 Journalisten organisiert. Dennoch kommt es im neuen Pressesaal, der nur 210 Korrespondenten einen Sitzplatz bietet195, lediglich in Ausnahmesituationen – etwa bei Ministerrücktritten oder bei Pressekonferenzen des Bundeskanzlers – zu Engpässen im Platzangebot.196 Dafür scheinen mehrere Faktoren eine Rolle zu spielen: a) Informationsarmut der Pressekonferenzen Die bereits in Bonn beklagte Informationsarmut der Pressekonferenzen hat sich nach dem Eindruck der BPK-Mitglieder in Berlin nochmals vergrößert: Insbesondere nach den Regierungs-PKen müssten die anwesenden Korrespondenten immer häufiger feststellen, "dass die Sprecher eigentlich nichts gesagt haben". Deshalb lasse die 193 Siehe: Ebd. Siehe: Bundespressekonferenz e.V., Pressemitteilung vom 19.03.2002. Archiv BPK e.V., Berlin. 195 Damit verfügt der Saal am Berliner Schiffbauerdamm sogar über 40 Plätze weniger als sein Vorgängerbau, das "Aquarium" im Bonner Tulpenfeld. Auch die Freiflächen für Fotografen und Kamerateams waren in Bonn größer dimensioniert. Mündl. Inform., BPK-Büroleiterin Roswitha Kreutzmann. 196 Spiegel-Korrespondent Ullrich Fichtner schildert anschaulich die schwankenden Teilnehmerzahlen: "Manchmal ist die Hölle los. Wenn es um Geldkoffer geht oder wenn einer seinen Hut nehmen muss, dann stehen die Journalisten zu hunderten hier wie in einen Pferch gesteckt (...) Manchmal verlieren 194 64 journalistische Beteiligung entsprechend nach – "das hat sich in Berlin forciert."197 Ein BPK-Mitglied beschreibt die Regierungssprecher als "Sprachverwirrer", die mit den Journalisten "Katz und Maus" spielen und deren Pflichten lauten: "1. Schweigen. 2. Mauern. 3. Abstreiten. 4. Themen setzen."198 Auch der BPK-Vorstand kritisiert, dass die rot-grünen Akteure bereits im ersten Regierungsjahr gelernt hätten, "wortreich wenig zu sagen, und das sehr ausdauernd". Selbst mehrmalige Appelle des Vorstands an die Sprecher, in den Regierungs-PKen mit Informationen nicht so "geizig" zu sein, brachten jeweils nur kurzfristige Verbesserungen. Daraus habe sich mittlerweile ein problematischer Kreislauf entwickelt: "Weil wenig gesagt wird, sinkt das Interesse und die Erwartungen der Kollegen, folglich wird noch weniger gesagt."199 Möglicherweise hängt diese Negativ-Spirale mit den neuen Realitäten der politischen Kommunikation zusammen, an die die Regierungssprecher ihr Informationsverhalten lediglich angepasst haben: Zu brisanten Themen wagt kaum ein Sprecher, ergiebige Aussagen – womöglich gar "unter zwei" – zu machen. Statt dessen werden "die Informationen gern flach gehalten. Das Vertrauen auf die Einhaltung vereinbarter Regeln hat in Berlin gelitten (...)."200 Und das, zumindest anfangs, nicht zu Unrecht: Auch die Vorsitzende räumte ein, dass vertrauliche Informationen wegen der die Konkurrenzsituation zwischen den Medien fast undenkbar geworden seien: "Das wäre raus, bevor überhaupt die Tür wieder aufgeht".201 Zudem macht die fortschreitende Inszenierung von Politik auch vor den RegierungsPKen nicht halt, wie die befragten Vorstandsmitglieder einhellig beobachten: Thomas Wittke beschreibt die Pressekonferenzen gar als reine "e-Medien-Veranstaltungen", in denen man kaum noch offene Antworten bekomme, solange die Fernsehkameras sich drei Leute im Ballsaal der Vierten Gewalt." Siehe: Fichtner, "Ich klär das bilateral", in: Der Spiegel, Nr. 14/2002, S. 182. 197 Siehe: Niendorf, "Zu diesem Verein kam noch jeder Kanzler", in: F.A.Z., 14.08.2000, sowie: Bannas, "Wie Innenminister Schily es mit einem Mord in Neukölln zu tun bekam", in: F.A.Z., 29.02.2000. 198 Siehe: Fichtner, "Ich klär das bilateral", in: Der Spiegel, Nr. 14/2002, S. 182. 199 Siehe: BPK-Vorstand, Rechenschaftsbericht 2001, S. 2. Archiv BPK e.V., Berlin. Zusätzlich: Bruns, Interview am 26.06.2002. – Vgl. auch: Kister, Das Haus ist Geschichte, in: Süddt. Ztg., 06.08.1999. 200 Siehe: BPK-Vorstand, Rechenschaftsbericht 2001, S. 2. Archiv BPK e.V., Berlin. 201 Tissy Bruns, zit. in: Niendorf, "Zu diesem Verein kam noch jeder Kanzler", in: F.A.Z., 14.08.2000. Mittlerweile habe sich die Diskretion der Journalisten wieder deutlich gebessert, das Vertrauen der Regierungssprecher sei aber noch nicht zurückgewonnen. Bruns, Interview am 26.06.2002. 65 laufen. Tissy Bruns sieht darin jedoch keine bedrohliche Entwicklung, da es dank der "Klugheit der Kollegen" gelinge, "Show und Substanz zu differenzieren".202 b) Tendenz zur Exklusivität Andere vertreten die These, der Informationswert der PKen habe nachgelassen, weil von Seiten des Auditoriums weniger gefragt werde: Ebenfalls aus Konkurrenzgründen würden Informationen immer seltener im offenen Plenum eingeholt, wo sie ihre tatsächliche oder vermeintliche Exklusivität einbüßen würden. Ein langjähriger Parlamentskorrespondent erinnert sich besserer Zeiten: "Früher wurde die Kultur des Fragens viel mehr gepflegt. Heute gibt es kaum noch Kreuzverhöre der Politiker, weil die Journalisten Angst haben, sich ihre exklusive Geschichte kaputtzumachen, wenn die Kollegen davon erfahren."203 Statt dessen habe sich unter den Korrespondenten die Praxis verbreitet, individuelle Informationen im vertraulichen Vier-Augen-Gespräch mit dem Informanten einzuholen, bevorzugt unmittelbar nach der PK, noch im Atrium des Pressehauses. Tatsächlich bestätigen alle Befragten, sich "gehaltvollere" Informationen häufig auf diesem Wege zu beschaffen. – Bei genauerer Betrachtung stellt diese Entwicklung jedoch kein ausgesprochen aktuelles, berlintypisches Phänomen dar: Nina Grunenberg schilderte bereits 1967 das exklusive Befragen von Pressesprechern nach den Pressekonferenzen und fügte hinzu: "Das ist einer der Gründe, warum in der Konferenz so wenig gefragt (...) wird: Wer einer Geschichte auf der Spur ist, wird clever genug sein, die Kollegen nicht auch noch auf diese Spur zu setzen. Das 'etwas mehr' an Information, das seinen Bericht auszeichnen wird, ist schwer genug zu bekommen."204 Und Ernst Ney beklagte 1981 mit ähnlichen Argumenten, "dass die Bundespressekonferenz heute nicht mehr jenen Informationswert hat, den sie vor fünfzehn, zwanzig Jahren besaß."205 Zwar ist offensichtlich, dass der Kampf um exklusive Neuigkeiten in der vielfältigeren Medienlandschaft Berlins verstärkt entbrannt ist und dass er mit rauheren Methoden geführt wird als in Bonn (vgl. Kap. 4.1.2). Auch mögen dadurch individuelle Kontakte und verdeckte Kanäle für die Informationsgewinnung an Bedeutung gewonnen Wittke, Interview am 30.04.2002, sowie: Bruns, Interview am 26.06.2002. – Vgl. auch: Martenson, Die Bundes-Pressekonferenz: Von Bonn nach Berlin, S. 244. 203 So der ehemalige NDR-Redakteur Günther Henrich, zit. in: Törne, Gelandet auf dem Flugzeugträger, in: Der Tagesspiegel, 10.08.1999. 204 Siehe: Grunenberg, Eine halbe Stunde Bonner Routine, S. 120. – Ähnlich: Viefhaus (1975), 25 Jahre Bundespressekonferenz, S. 41, sowie: Walker (1980), Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, S. 193. 202 66 haben.206 Dass diese Entwicklung, verglichen mit der Zeit vor dem Umzug, zu einem de facto-Rückgang der Fragehäufigkeit oder -qualität in den Bundespressekonferenzen geführt hat, lässt sich indes nicht belegen.207 Vielmehr scheint das Frageverhalten der Korrespondenten "natürlichen" Schwankungen zu unterliegen, welche unmittelbar mit der aktuellen politischen Lage und der Brisanz der behandelten Themen zusammenhängen: Zeitweilige, politisch ereignisarme Phasen, in denen die Pressekonferenzen mit geringer Beteiligung und unterdurchschnittlichem Frageaufkommen ihrem raschen Ende entgegen dümpeln, wechseln sich ab mit Zeiten besonderer Vorkommnisse, in denen das Fragerecht überdurchschnittlich hartnäckig wahrgenommen wird. In solchen Fällen hilft den Sprechern auch das "Mauern" nicht weiter: "Dann ergeben sogar ausweichende und verweigerte Antworten ein Bild."208 c) "Virtueller Journalismus" Als Hauptursache für den Rückgang der durchschnittlichen Teilnehmerzahlen bei Bundespressekonferenzen wird von den Korrespondenten übereinstimmend der interne Fernsehkanal genannt, der seit Inbetriebnahme des neuen Pressesaals alle dort stattfindenden Veranstaltungen in Bild und Ton live in die Büros der Vereinsmitglieder überträgt.209 Dieser von Bundespressekonferenz und BPA unterhaltene "Pressekonferenzkanal" steht exklusiv den Vereinsmitgliedern zu Verfügung. Für Redaktionen, die sich im Haus der Bundespressekonferenz eingemietet haben, ist der Empfang kostenlos, externe Mitglieder können den Sender gegen Bezahlung abonnieren. Die physische Anwesenheit der Parlamentsberichterstatter im Pressesaal ist durch diese technische Innovation nicht mehr zwingend erforderlich: Von der Redaktion aus lassen sich alle Pressekonferenzen in bester Bild- und Tonqualität verfolgen, das erspart Zeit und lange Wege. – Lediglich um den Podiumsgästen Fragen stellen zu Siehe: Ney, Die Bundes-Pressekonferenz – Resonanzboden der Bonner Politik, S. 95. So sei etwa die Zahl der Hintergrundzirkel und -kreise, die in Bonn auf etwa 30 geschätzt wurde, in Berlin gestiegen. Vgl.: Köhler, Die Bundes-Pressekonferenz, S. 203ff., sowie: Plöchinger, HauptstadtJournalismus, S. 105ff. – Dementsprechend äußerte sich auch: Wittke, Interview am 30.04.2002. 207 Nach den Beobachtungen der für diese Untersuchung befragten BPK-Mitglieder lasse sich jedenfalls keine generelle Veränderung im Frageverhalten feststellen. 208 Siehe: BPK-Vorstand, Rechenschaftsbericht 2001, S. 2. Archiv BPK e.V., Berlin. – Ebenso Martenson bereits 1989: "Schon das Verhalten eines durch Fragen zusehends verunsicherten Regierungssprechers [hat] einen nicht zu unterschätzenden Informationswert." Siehe: Martenson, Parlament, Öffentlichkeit und Medien, S. 279. 209 Im Bonner Pressesaal war nur die Übertragung des Original-Tons der Podiumsgäste in die angeschlossenen Redaktionen möglich, die Fragen waren nicht zu verstehen. Eine live-Sendung der Bilder fand nicht statt. Vgl.: Martenson, Parlament, Öffentlichkeit und Medien, S. 277. 205 206 67 können, müssen sich die Journalisten nach wie vor persönlich in die Pressekonferenzen begeben. Wenn allerdings ein Sprecher während der PK Informationen vertraulich weiterzugeben verlangt, geraten die Nutznießer der komfortablen TV-Übertragung unvermittelt ins Hintertreffen: In diesen Fällen können sie nur noch stumme Bilder empfangen, ihre Kollegen im Saal genießen einen wesentlichen Informationsvorsprung.210 Dennoch schätzen zahlreiche BPK-Mitglieder den PK-Kanal als signifikante Arbeitserleichterung und nutzen ihn intensiv, ebenso wie andere Fernsehsender (v.a. "Phoenix"), die weitere politische Ereignisse live übertragen, etwa Bundestagsdebatten. Der "virtuelle Journalismus" ist in Berlin zur alltäglichen Praxis geworden, die Besucherzahlen bei den betreffenden Veranstaltungen sind entsprechend gesunken.211 Verallgemeinernd lässt sich feststellen, dass alle genannten Faktoren – in unterschiedlichen, nicht genau quantifizierbaren Ausmaßen – nur in politisch "ruhigen" Zeiten die Teilnehmerzahl, die Fragehäufigkeit und damit auch die informationelle Ergiebigkeit der Regierungs-PKen merklich schwächen. Hingegen erfahren die Pressekonferenzen vor allem in Phasen krisenhafter Entwicklungen stets einen bedeutenden Zuwachs an journalistischem Interesse: Bei Themen wie "BSE", "11. Septem-ber" oder "Afghanistan-Einsatz" stieg die Zahl der Anwesenden wie auch der Fragen regelmäßig sprunghaft an, überdurchschnittlich informative Regierungs-PKen von bis zu einer Stunde Länge waren in diesen Phasen keine Seltenheit.212 4.3.4 Mitgliederschub in Berlin Obgleich die generelle Kritik am Informationsgehalt der Bundespressekonferenzen in Berlin eher zunahm und die direkte Teilnahme an den Veranstaltungen rückläufig ist, hat sich die Zahl der Mitglieder der Bundespressekonferenz seit dem Umzug rasant erhöht. Damit verstärkte sich ein Trend, der bereits in Bonn begonnen hatte: 210 Dieser Fall trat in Regierungs-PKen im untersuchten Zeitraum seit dem Umzug indes nur zweimal ein: Während der Flugaffäre von Bundesverteidigungsminister Scharping erteilte der zuständige Ministeriumssprecher Informationen "unter drei". Vgl.: Protokoll der Regierungs-PK 94/2001, 07.09.2001, S. 4 und 6. Archiv BPK e.V., Berlin. – Der Sprecher des Bundesarbeitsministeriums informierte "unter zwei" über geschönte Statistiken der Bundesanstalt für Arbeit. Vgl.: Protokoll der Regierungs-PK 15/2002, 08.02.2002, S. 4. Archiv BPK e.V., Berlin. 211 Vgl.: Siefert, Brennglas Berlin, S. 11, sowie: Plöchinger, Hauptstadt-Journalismus, S. 63f. 212 Vgl.: Protokolle der Regierungs-PKen 2000-2001. Archiv BPK e.V., Berlin. 68 Seit ihrer Gründung verzeichnete die BPK stets ein mehr oder weniger dynamisches Wachstum ihrer Mitgliedschaft, das sich erst in den 80er-Jahren über eine längere Phase bei einpendelte.213 etwa 450 Mitgliedern Ausdifferenzierung der Medienlandschaft (privates Mit der zunehmenden Fernsehen) und der Vervielfältigung politischer Themen durch die deutsche Wiedervereinigung erfuhr der Verein in den 90er-Jahren erneut einen deutlichen Mitgliederzustrom, so dass er zum Zeitpunkt des Umzugs an die Spree rund 740 Mitglieder zählte.214 In Berlin setzte nun ein beispielloser Schub von Mitgliedsanträgen ein, der den Verein binnen kurzem um mehr als ein Viertel anwachsen ließ. Allein im Umzugsjahr 1999 traten 213 Parlamentskorrespondenten der BPK bei (siehe Tab. 3).215 1996 1997 1998 1999 2000 2001 Aufnahmen 70 49 88 213 173 144 Austritte 38 22 64 108 112 124 + 32 + 27 + 24 + 105 + 61 + 20 Saldo Tabelle 3: Veränderung der Mitgliedszahl der Bundespressekonferenz Damit hatte sich die Zahl der jährlichen Neuzugänge innerhalb von zehn Jahren etwa verzehnfacht. (Zum Vergleich: 1990 wurden nur 19 Neumitglieder in den Verein aufgenommen.) Gleichzeitig wuchs aber auch die Zahl der Austritte überdurchschnittlich – hier macht sich ein vermehrtes Ausscheiden der in Bonn verbliebenen Mitglieder bemerkbar, von denen viele das Pensionsalter erreicht haben216 –, so dass die Mitgliederzahl per Saldo mittlerweile langsamer ansteigt als vor dem Umzug. Aktuell beträgt die Zahl der in der Bundespressekonferenz organisierten Parlamentsberichterstatter rund 940, zusammengesetzt aus 850 Vollmitgliedern und 90 Ständigen Gästen. Von ihnen arbeiten mittlerweile rund 760 in Berlin, noch knapp 180 Mitglieder sind in Bonn geblieben.217 Die Anzahl der Medienunternehmen, deren Mitarbeiter als Vollmitglieder oder Ständige Gäste in der Bundespressekonferenz 213 Vgl.: Köhler, Die Bundes-Pressekonferenz, S. 124ff., sowie: Martenson, Parlament, Öffentlichkeit und Medien, S. 275. 214 Quelle: EDV-Mitgliederstatistik der BPK e.V. – Mit Einrichtung der Berliner BPK-Außenstelle 1990 (vgl. Anm 176) konnten auch bundespolitische Korrespondenten mit Wohnsitz in Berlin BPK-Mitglied werden, was ebenfalls zur steigenden Mitgliederzahl beitrug: Schon nach einem Jahr zählte die BPK 77 Berliner Mitglieder. Vgl.: Martenson, Die Bundes-Pressekonferenz: Von Bonn nach Berlin, S. 242. 215 Quelle: EDV-Mitgliederstatistik der BPK e.V. 216 Mündliche Information der BPK-Büroleiterin Roswitha Kreutzmann. 217 Quelle: EDV-Mitgliederstatistik der BPK e.V., Stand: April 2002. 69 vertreten sind, hat sich seit 1990 von knapp 180 um mehr als ein Viertel auf mittlerweile rund 250 erhöht.218 Der gewaltige Ansturm führte zu einer höheren Aufmerksamkeit bei der Neuaufnahme von Mitgliedern: Insbesondere die Anträge von frei arbeitenden Journalisten werden inzwischen sehr genau geprüft, da sich in Berlin zunehmend auch Lobbyisten oder Mitarbeiter von PR-Agenturen um Aufnahme in die BPK bewerben, um sich mit der Mitgliedschaft in dem prestigeträchtigen Verein schmücken zu können. Wie lässt sich jedoch die Diskrepanz zwischen dem Mitgliederschub im Verein und dem Teilnehmerschwund in den Pressekonferenzen erklären? Die befragten Vorstandsmitglieder führen den Ansturm von Neumitgliedern vor allem auf die in Berlin deutlich gestiegene Zahl von Parlamentskorrespondenten zurück. Angesichts der sinkenden Inanspruchnahme der "Primärleistungen" des Vereins – nämlich der Pressekonferenzen – ist dessen rasantes Wachstum indes schwer nachvollziehbar. Schließlich ist die Mitgliedschaft in der Bundespressekonferenz keine zwingende Voraussetzung, um Parlamentsberichterstattung zu betreiben: Ein Journalist kann sich bei allen Regierungsinstitutionen akkreditieren lassen und sämtliche sonstigen formellen und informellen Informationskanäle nutzen (Pressestellen, Termine, "Kreise"), ohne dem Verein der Parlamentskorrespondenten anzugehören. Über die Mitteilungen in den Regierungs-PKen berichten umgehend auch die Nachrichtenagenturen, ausgewählte Bundespressekonferenzen können sogar live auf "Phoenix" verfolgt werden. Allein das Privileg, an den so oft als "informationsarm" geschmähten Veranstaltungen des Vereins teilnehmen zu dürfen, reicht deshalb wohl kaum aus, um den signifikanten Anstieg der Mitgliedschaft zu erklären. Vielmehr scheinen es die "Sekundärelemente"219 zu sein, welche für die hohe Anziehungskraft der Bundespressekonferenz sorgen, allen voran die regelmäßige Gelegenheit zum persönlichen Kontakt mit Sprechern und Politikern, aber auch der 218 Eigene Brechnungen auf Grundlage der BPK-Mitgliederverzeichnisse von 1990 und 2001/2002. Aus diesen Zahlen eine durchschnittliche Mitgliederzahl pro Medium abzuleiten wäre jedoch unrealistisch, da einerseits einzelne Medien z.T. eine Vielzahl von Korrespondenten in die Bundespressekonferenz entsenden (der Spiegel etwa allein 25), andererseits mancher freie Journalist eine ganze Reihe von Medien bedient (zwei freie Journalisten schreiben beispielsweise für insgesamt 16 Tageszeitungen zwischen Bremen und Bodensee). 219 Wittke, Interview am 30.04.2002. – Vgl. Kap. 3.4. 70 "Seriositätsbonus" des BPK-Mitglieds. – Offenbar kann noch immer kaum ein Parlamentskorrespondent "ohne diese segensreiche Einrichtung auskommen".220 Die Vorsitzende des Vereins beschreibt das bundespolitische Informationssystem als einen "Organismus", bei dem die BPK-Mitgliedschaft "einfach irgendwie dazugehört": Auch wenn viele Mitglieder in den PKen selten persönlich anwesend sind, symbolisiere der Verein für alle das "ideelle Dach" der politischen Berichterstattung.221 Damit ließe sich auch erklären, weshalb in der Input-Output-Analyse von Eckart Klaus Roloff222 94 Prozent der befragten BPK-Mitglieder die Bundespressekonferenz als "sinnvolle Einrichtung" bezeichneten, obgleich 77 Prozent aussagten, dass ihnen das "inoffizielle Nachrichtenmaterial" gegenüber den offiziellen, in der Bundespressekonferenz getätigten Verlautbarungen wichtiger sei. Und obwohl die Befragten zur Hälfte der Ansicht waren, in der BPK würden ihnen durch die Gäste wichtige Informationen vorenthalten, sagten drei Viertel von ihnen aus, mindestens einmal wöchentlich eine der angebotenen Pressekonferenzen zu besuchen. Immerhin noch 55 Prozent gaben an, die Informationen aus der BPK direkt für ihre Berichterstattung zu verwenden. Diese Ergebnisse ließen den Autor der Studie zu dem Fazit gelangen, "dass die Bundespressekonferenz bei der Vermittlung politischer Informationen aus Bonn eine überragende Stellung einnimmt".223 Auch wenn nach den vorliegenden Erkenntnissen davon auszugehen ist, dass sich einige dieser Werte mittlerweile negativ entwickelt haben dürften (weniger persönliche Teilnahme, "gefühlte" Informationsarmut der PKen gestiegen, inoffizielle Informationen wichtiger geworden – vgl. Kap. 4.3.3), scheint das Fazit auch in Berlin noch prinzipiell zuzutreffen, wie aus dem zahlenmäßigen Anstieg von Pressekonferenzen und Mitgliedschaft gefolgert werden kann. Zunächst scheint die Nachfrage jedoch befriedigt zu sein: Die Mitgliedszahlen beginnen sich zu stabilisieren. Angesichts der wirtschaftlichen Krise der Printmedien, die sich durch Personalabbau und Büroschließungen mittlerweile auch im Berliner 220 Dies galt schon 1967, siehe: Grunenberg, Eine halbe Stunde Bonner Routine, S. 119. Dass zudem sicherlich auch Prestigegründe für den Mitgliederzuwachs eine Rolle spielen, empfindet sie als "Kompliment" gegenüber dem Verein: "Offenbar ist es nicht gerade ehrenrührig, Mitglied der Bundespressekonferenz zu sein." Bruns, Interview am 26.06.2002. 222 Vgl.: Roloff, Die Bundespressekonferenz – ein Klüngel? S. 25ff. – Für die Analyse wurden 1972/73 mit 189 Korrespondenten etwa 60 Prozent der damaligen BPK-Mitgliedschaft befragt. 223 Siehe: Ebd., S. 26. 221 71 Pressehaus bemerkbar macht, kann sogar ein mittelfristiger Rückgang der Mitgliedszahlen nicht ausgeschlossen werden.224 4.3.5 Strukturwandel der Mitgliedschaft Auf der Mitgliederversammlung 2001 wartete der BPK-Vorstand mit erstaunlichen Zahlen über gravierende Änderungen des Durchschnittsalters der Vereinsmitglieder auf: Im Jahre 1990 seien die neu aufgenommenen Mitglieder im Schnitt 49 Jahre alt gewesen, im Jahr 2000 dagegen sei der Altersdurchschnitt beim Vereinseintritt auf 38 Jahre gesunken.225 Zwar ist das Beispiel nicht repräsentativ – verglichen mit dem langjährigen Mittel scheint es sich 1990 wohl eher um einen besonders "reifen" Jahrgang gehandelt zu haben226 –, doch lässt sich aus dieser Mitteilung ein verbreitetes Gefühl ablesen, das viele der langjährigen Mitglieder teilen: Das Durchschnittsalter der Mitgliedschaft ist in Berlin spürbar niedriger geworden, der Anteil der "jungen", der unerfahrenen und unbekannten Kollegen hat zugenommen.227 Zum aktuellen Altersdurchschnitt der Mitgliedschaft liegen zwar keine statistischen Daten vor228, doch lässt sich zumindest belegen, dass die mittlere Dauer der Vereinszugehörigkeit signifikant gesunken ist: 1987 gehörte knapp die Hälfte der Vereinsmitglieder der Bundespressekonferenz schon länger als 10 Jahre an, heute beträgt der Anteil der Korrespondenten, die seit mehr als zehn Jahren Mitglied sind, gerade noch ein Viertel.229 Das verwundert kaum, wenn man sich vor Augen führt, dass seit dem Umzug nach Berlin rund 530 Neumitgliedern 340 Abgänge gegenüberstehen, d.h. deutlich über die Hälfte der Teilnehmerschaft wurde in den vergangenen drei Jahren "erneuert". 224 Jüngste Beispiele: "Die Woche" wurde eingestellt, zwei ihrer Redakteure waren Vereinsmitglied, die "Badische Zeitung" hat ihre Hauptstadtredaktion im Pressehaus aufgelöst, von drei Parlamentskorrespondenten bleibt nur noch einer an der Spree. Auch die "Berliner Morgenpost" hat ihre Büros gekündigt, ihre Parlamentsberichte werden künftig von den Kollegen der "Welt" mitverfasst. 225 Siehe: Bundespressekonferenz e.V., Pressemitteilung vom 16.03.2001. Archiv BPK e.V., Berlin. 226 Köhler ermittelte für alle der BPK e.V. im März 1987 angehörenden Mitglieder ein durchschnittliches Eintrittsalter von lediglich 36 Jahren. Vgl.: Köhler, Die Bundes-Pressekonferenz, S. 135. 227 Tissy Bruns: "Vom optischen Eindruck her ist die Mitgliedschaft eindeutig jünger als in Bonn." Interview am 26.06.2002. – Vgl. auch: Plöchinger, Hauptstadt-Journalismus, S. 129. 228 Die Geburtsdaten vieler langjähriger Mitglieder sind in der EDV-Statistik der Bundespressekonferenz nicht erfasst, daher ließe sich der Altersdurchschnitt nur durch eine Auswertung der vertraulichen (da dem Datenschutz unterliegenden) Mitgliederkartei errechnen. 229 1987: 220 von 460 Mitgliedern; 2002: 230 von 940 Mitgliedern. Vgl.: Köhler, Die Bundes-Pressekonferenz, S. 133f. – Quelle der aktuellen Zahlen (Mai 2002): EDV-Mitgliederstatistik der BPK e.V. 72 Der "harte Kern" von Mitgliedern mit über 30jähriger Vereinszugehörigkeit ist dagegen mit einem 6 Prozent-Anteil stabil geblieben.230 Dieser "Auffrischungseffekt"231 hat sich auch auf den Vereinszusammenhalt ausgewirkt: Im Unterschied zu Bonn sind Kontinuitäten wie langjährige Zusammenarbeit und persönliche Bekanntschaften zur Ausnahme geworden. Das Personalkarussell dreht sich in Berlin schneller: Unerfahrene Journalisten verändern das Klima, persönliche Kontakte werden seltener, das gegenseitige Verständnis und Einvernehmen nimmt ab. All dies hat dazu geführt, dass sich viele ältere Kollegen nicht mehr richtig heimisch fühlen im Verein der Parlamentskorrespondenten. Die Mitgliedschaft der Bundespressekonferenz ist in Berlin also eventuell durchschnittlich jünger, auf jeden Fall aber durch die hohe Zahl von Neueintritten und die starke Fluktuation wesentlich anonymer geworden. Möglicherweise bringt dieser "Umschichtungsprozess" (Wittke) aber auch positive Effekte mit sich: Die geringere Nähe der Journalisten zu Kollegen wie Politikern könnte zu mehr Unabhängigkeit und Meinungsvielfalt in der politischen Berichterstattung führen – vorausgesetzt, das Tempo der Nachrichtenübermittlung lässt solche Vorteile überhaupt zur Entfaltung kommen. 230 1987: 28 von 460 Mitgliedern; vgl.: Köhler, Die Bundes-Pressekonferenz, S. 134. 2002: 57 von 940 Mitgliedern; eigene Auszählung anhand der BPK-Mitgliederverzeichnisse von 1971/72 und 2001/02. 231 Wittke, Interview am 30.04.2002 73 5. Beeinflusst die Bundespressekonferenz die Bundesregierung? 5.1 Eine Regel mit Ausnahmen Wenn mit Schulz angenommen werden kann, dass die Medien im Allgemeinen "eine aktive Rolle bei der Herstellung von Öffentlichkeit" spielen und dadurch "weitgehend in politische Prozesse eingreifen"232, so stellt sich fast zwangsläufig die Frage, inwiefern die Bundespressekonferenz im Speziellen als "ein zentraler Knotenpunkt des kommunikativen Verkehrs zwischen politischen Handlungsträgern und den Massenmedien"233 in der Lage ist, einen wie auch immer gearteten Einfluss auf die Regierungspolitik auszuüben. Nach den vorliegenden Erkenntnissen kann davon ausgegangen werden, dass der Anteil, den die Bundespressekonferenz bei der Herstellung von Öffentlichkeit hinsichtlich der Gesamtheit der Regierungsgeschäfte für sich beanspruchen kann, in den meisten Fällen gering ist. Zwar ist sie zweifellos eine wesentliche Quelle für bundespolitische Basisinformationen, doch kann kein Parlamentskorrespondent seine Berichterstattung ausschließlich anhand in Bundespressekonferenzen gewonnener Erkenntnisse bestreiten. Daher bilden die Informationen aus der BPK stets nur einen variablen Bruchteil des Nachrichtenflusses, der das Medienpublikum erreicht.234 Angesichts der häufigen Informationsarmut und mangelnden journalistischen Teilnahme in den Pressekonferenzen erreicht dieser Bruchteil im Regelfall wohl nicht die erforderliche Größe, um bei der Erzeugung öffentlichen Drucks auf die Regierung eine signifikante Rolle zu spielen. Doch darf bei der Untersuchung des potentiellen politischen Einflusses der Bundespressekonferenz nicht nur von deren routinemäßigem Tagesgeschäft ausgegangen werden, da sich immer wieder gezeigt hat, welch starken Schwankungen die informationelle Ergiebigkeit ihrer Veranstaltungen bisweilen unterliegt (vgl. Kap. 4.3.3). "Das Schwierigste an Pressekonferenzen ist zweifellos, dass ihr Verlauf fast niemals vorauszubestimmen ist."235 – Wenn auch die Regierungs-PKen für die Informanten meist glimpflich verlaufen (d. h. aus Sicht der Journalisten oft inhaltsarm), ist die Möglichkeit, dass sie zum "Verhör" geraten doch stets gegeben. Denn "längst nicht 232 Siehe: Schulz, Politische Kommunikation, S. 236. (Vgl. auch Kap. 2.1.) Siehe: Köhler, Die Bundes-Pressekonferenz, S. 51. 234 Vgl.: Walker, Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, S. 198. 233 74 immer wird der Informationsfluss von oben kanalisiert, sondern von unten provoziert".236 Und auch in umgekehrter Richtung findet ein Informationsfluss statt: Die Bundesregierung erhält aus der Reaktion der Korrespondenten auf ihre Mitteilungen ein direktes Feedback auf ihre Tätigkeit: Die stellvertretende Regierungssprecherin Charima Reinhardt bezeichnet die Bundespressekonferenz aus diesem Grund als "Seismografen", wo bereits die Art der gestellten Fragen erkennen lasse, "welches Thema wir noch stärker fahren, noch besser erklären müssen".237 Durch ihre spezifischen Besonderheiten – Gastgeberfunktion, uneingeschränktes Fragerecht, Professionaltität und Vielfalt der Mitgliedschaft – verfügt die Bundespressekonferenz über geeignete Instrumente, Nachrichtensperren der Podiumsgäste zu überwinden: Immer wieder zeigt sich in Regierungs-PKen, dass den Ministeriensprechern durch kompetente Fragen und ausdauerndes "Nachbohren" auch substantielle Informationen entlockt werden können, die sie eigentlich lieber zurückgehalten hätten. Vor allem, wenn politische Versäumnisse oder ein gravierendes Fehlverhalten von Regierungsmitgliedern ruchbar werden, herrscht in der Bundespressekonferenz "Hochkonjunktur" (Bruns): Dann füllt sich der sonst oft spärlich besuchte Pressesaal, und "kollektive, sehr kampfeslustige Fragerunden" lassen bisweilen die von den Sprechern aufgebauten "Informationswälle" (Wittke) zusammenbrechen.238 In entsprechenden Ausnahmesituationen könnten in der Bundespressekonferenz komplexe Prozesse der Herstellung öffentlichen Drucks in Gang gesetzt werden, die sich de facto auf die Regierungsgeschäfte der Bundesregierung auswirken. Um der Frage nach einem möglichen politischen Einfluss der Institution nachzugehen, müssen daher solche Einzelfälle betrachtet werden, da im Regelfall von keiner nennenswerten Beeinflussung der Regierungspolitik ausgegangen werden kann. Anhand dreier Beispiele, die von den befragten BPK-Mitgliedern übereinstimmend als besondere informationelle und investigative Höhepunkte charakterisiert werden, soll mit Hilfe der amtlichen Protokolle der Regierungs-PKen der Versuch unternommen werden, solche Prozesse gegebenenfalls sichtbar zu machen. 235 Dieser Satz Felix von Eckardts hat bis heute nichts von seiner Aktualität eingebüßt. Siehe: Eckardt, Ein unordentliches Leben, S. 177. 236 Siehe: Roloff, Die Bundespressekonferenz – ein Klüngel?, S. 26. 237 Zit. in: Kister, Das Haus ist Geschichte, in: Süddeutsche Zeitung, 06.08.1999. – Ähnlich äußert sich auch der Regierungsberater Klaus Peter Schmidt-Deguelle: "In dem Moment, in dem die Phalanx der Bundespressekonferenz unisono eine politische Entscheidung kritisiert, wird ein Politiker nicht umhin können, sich zu fragen, ob er was falsch gemacht hat." Siehe: Interview in: Koelbl, Die Meute, S. 116 75 5.2.1 Politische Pannen: Die BSE-Krise Bereits ab Ende Oktober 2000, als sich die BSE-Fälle in Großbritannien, später auch auf dem europäischen Festland zu häufen begannen, wurde die Tierseuche zum Dauerthema in den Regierungs-PKen. Regelmäßig versuchten Korrespondenten, von den Sprechern des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BML) und des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) in Erfahrung zu bringen, welche Schritte die Ministerien zu unternehmen gedächten, um die Verbraucher in Deutschland vor betroffenem Rindfleisch zu schützen. Die Sprecher hingegen mühten sich, das Thema möglichst flach zu halten: "Es ist zu früh, jetzt darüber zu spekulieren, welche Maßnahmen aufgrund welcher Fakten, die zurzeit eruiert werden, möglich wären."239 Noch gingen die Ministerien davon aus, dass deutsche Tierbestände vom "Rinderwahn" nicht betroffen seien. Die von Regierungsseite geplanten Maßnahmen (z.B. eine Ausweitung des Tiermehlverfütterungsverbots) kamen entsprechend schleppend voran, die Widerstände aus der konventionellen Landwirtschaft gegen neue Auflagen und Verbote waren groß. Im Laufe des November 2000 ernteten die Fragen der Journalisten nach Aktivitäten der zuständigen Minister daher nur ausweichende und abwiegelnde Antworten.240 Erst beim Ausbruch von BSE in Deutschland (27. November 2000) erwachten die Ministerien aus ihrer Lethargie. Spekulationen über mögliche "personelle Veränderungen am Kabinettstisch" wies Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye jedoch umgehend zurück.241 Schleunigst wurde nun eine "Dringlichkeitsverordnung" zur Durchführung von flächendeckenden "BSE-Schnelltests" auf den Weg gebracht und eine Reihe weiterer, eher symbolischer Maßnahmen getroffen.242 238 Bruns, Interview am 26.06.2002; Wittke, Interview am 30.04.2002. So der Pressereferent des BMG am 30.10.2000. Siehe: Protokoll der Regierungs-PK 113/2000, 30.10.2000, S. 4. Archiv BPK e.V., Berlin. 240 Beispiel: Auf die Frage, ab wann das neue Tiermehlverfütterungsverbot gelte, antwortete die Pressesprecherin des BML: "Wir können zunächst einmal nur die Verordnung auf den Weg geben. Diese geht dann an den Bundesrat. Daraus ergibt sich dann alles Weitere." Siehe: Protokoll der Regierungs-PK 124/2000, 24.11.2000, S. 3. Archiv BPK e.V., Berlin. 241 Frage: "Herr Heye, denkt der Kanzler nach den bekannt gewordenen BSE-Fällen und dem offensichtlichen Versagen der Politiker in diesem Fall in den vergangenen Jahren über personelle Veränderungen an seinem Kabinettstisch nach?" Antwort Heye: "Nein, dazu gibt es keinen Anlass." Siehe: Protokoll der Regierungs-PK 125/2000, 27.11.2000, S. 2. Archiv BPK e.V., Berlin. 242 Vgl.: Protokoll der Regierungs-PK 127/2000, 01.12.2000. – Die Bundesregierung sprach sich für ein EU-weites, unbefristetes Verbot der Tiermehlverfütterung aus (129/2000, 06.12.2000) und appellierte an alle Kontrollinstanzen, die Überwachung des Viehfutters "auf das Schärfste durchzuführen" (134/2000, 18.12.2000), das BMG gründete einen "Arbeitskreis BSE", der künftig "kontinuierlich neue Erkenntnisse aus dem gesamten Themenfeld BSE austauschen und sie bewerten" sollte (135/2000, 20.12.2000). Archiv BPK e.V., Berlin. 239 76 Trotz dieses plötzlichen Aktionismus' blieb das Thema BSE auf der Agenda der Regierungs-PKen. Immer neue Pannen und Kompetenzstreitigkeiten der Ministerien wurden bekannt, so etwa am 22. Dezember 2000, als die Korrespondenten in einem knapp einstündigen Kreuzverhör mit den Sprecherinnen von BML und BMG gewissermaßen "scheibchenweise" herausfanden, dass eine Warnung vor risikoreichem Separatorenfleisch in Wurstwaren, die erst am Vortag erging, wochenlang in den Ministerien verbummelt worden war.243 Über all diese Mißstände informierten die – in diesen Wochen stets zahlreichen – Teilnehmer der RegierungsPKen kontinuierlich die Öffentlichkeit. Die tiefe Verunsicherung der Verbraucher, die offensichtlich fehlende Bereitschaft des Landwirtschaftsministers, eine "Agrarwende" einzuleiten, und die fortgesetzte Pannenserie in den Ministerien waren auch Anfang Januar noch einmal Hauptthema der Bundespressekonferenzen.244 Schließlich hielten die Ressortchefs dem öffentlichen Druck nicht mehr stand: Am Abend des 9. Januar 2001 trat Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer vor die Bundespressekonferenz und gab ihren Rücktritt bekannt. Bundeslandwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke schloss sich, mehr oder minder freiwillig, diesem Schritt an. Am Tag darauf verkündete der Bundeskanzler – wiederum vor der Bundespressekonferenz –, dass die Regierung nun "mit allem Nachdruck Fehlentwicklungen korrigieren" müsse, die es in Landwirtschaft und Verbraucherschutz gegeben habe.245 Er erwähnte zwar nicht explizit, dass es in erster Linie die Parlamentskorrespondenten waren, die diese Fehlentwicklungen aufgedeckt hatten, doch er fuhr fort: "Sie haben in vielen Artikeln und Kommentaren gesagt, wegen der aufgetretenen Reibungsverluste in den beiden Häusern, offenbar auch in der Zusammenarbeit beider Häuser, seien Reaktionen fällig. Nun haben Sie sie (...)."246 Mittels monatelanger, gemeinschaftlicher Hartnäckigkeit war es den Journalisten gelungen, gravierende politische Versäumnisse zu enthüllen und durch ihre Berichterstattung zur Erzeugung öffentlichen Drucks beizutragen, der einen politischen und personellen Neuanfang unumgänglich machte. Nach Ansicht der befragten BPK-Mitglieder haben in diesem Fall Informationen, die in der 243 Vgl.: Protokoll der Regierungs-PK 136/2000, 22.12.2000. Archiv BPK e.V., Berlin. Vgl. beispielsweise: Protokoll der Regierungs-PK 3/2001 am 08.01.2000, S. 4. Archiv BPK e.V., Berlin. In dieser PK wurde deutlich, dass Minister Funke nicht gewillt war, die von Regierung und Gesellschaft mehrheitlich geforderte "Abkehr von den Agrarfabriken" mitzutragen. 245 Siehe: Protokoll der PK mit dem Bundeskanzler am 10.01.2001, S. 1. Archiv BPK e.V., Berlin. 244 77 Bundespressekonferenz geflossen sind, eine den Verlauf der Entwicklung "prägende Rolle" gespielt.247 5.2.2 Ministerielles Fehlverhalten: Klimmt und Scharping Die Affäre um den Strafbefehl gegen Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt248 dauerte dagegen nur wenige Tage. Hierbei war weniger die Informationsgewinnung durch die Korrespondenten ausschlaggebend, als vielmehr der Verlust öffentlichen Ansehens des Ministers, der Klimmt erst in der Bundespressekonferenz bewusst zu werden schien. Als der Minister am 8. November 2000 vor der BPK seinen Verkehrsbericht vorstellte, wurde er bereits zum drohenden Strafbefehl befragt, den er zunächst anzunehmen gedachte, um die Affäre möglichst schnell abzuschließen. In der Regierungs-PK am 13. November betonte Regierungssprecher Heye noch das "sehr gute sachliche und freundschaftliche Verhältnis" des Bundeskanzlers zu seinem Verkehrsminister.249 Am Tag darauf wurde Klimmts Entschluss bekannt, den Strafbefehl doch nicht anzunehmen, sondern in ein Gerichtsverfahren zu gehen in der Zuversicht, "dass sich in diesem Verfahren seine Unschuld herausstellen wird".250 Von Seiten der Journalisten wurde – wohl nicht zu Unrecht – gemutmaßt, dass der Minister von seinem Regierungschef zu diesem Kurswechsel gedrängt wurde, da die Akzeptanz des Strafbefehls zu sehr nach einem Schuldeingeständnis ausgesehen hätte.251 Anlässlich einer Pressekonferenz zum Thema: "Bestandsaufnahme und Situation der Deutschen Bahn AG"252 erschien der Verkehrsminister am 15. November persönlich vor der Bundespressekonferenz. Als in der freien Fragerunde von Seiten der Korrespondenten umgehend die Unvereinbarkeit des Ministeramtes mit einem Gerichtsverfahren zur Sprache kam, zeigte sich Klimmt zunächst demonstrativ selbstsicher: "Ich sehe nicht ein, dass ich in dieser Frage irgendwelche Konsequenzen zu ziehen hätte."253 Während acht weiterer Fragen zum selben Gegenstand stieg jedoch seine Nervosität sichtbar an, bis er schließlich abrupt 246 Siehe: Ebd., S. 4. Bruns, Interview am 26.06.2002. Auch Gößling und Wittke bestätigen, dass während der BSEKrise in der BPK Informationen "über das normale Maß hinaus" (Wittke) geflossen seien. 248 Klimmt wurden illegale Finanztransfers zugunsten seines heimischen Fußballvereins vorgeworfen. 249 Siehe: Protokoll der Regierungs-PK 119/2000, 13.11.2000, S. 4. Archiv BPK e.V., Berlin. 250 Dies teilte Regierungssprecher Heye in der Regierungs-PK am 15.11.2000 mit. Siehe: Protokoll der Regierungs-PK 120/2000, 15.11.2000, S. 4. Archiv BPK e.V., Berlin. 251 Vgl.: Ebd., S. 2f. 252 Vgl.: Dokumentation Pressekonferenzen 01.10.-31.12.2000, Archiv BPK e.V., Berlin. Da es sich nicht um eine Regierungs-PK handelte, existiert kein Protokoll dieser Veranstaltung. Die PK wurde aber im Fernsehen übertragen ("Phoenix"), ein Video-Mitschnitt liegt in der BPK-Geschäftsstelle vor. 253 Vgl.: BPK Klimmt und Mehdorn, Bestandsaufnahme und Situation der Deutschen Bahn AG. VHSKassette. Archiv BPK e.V., Berlin. 247 78 aufstand und die Pressekonferenz eigenmächtig beendete. – Damit handelte er sich umgehend eine Ermahnung des leitenden BPK-Vorstands ein, der den Minister belehrte: "Es bestimmen immer noch die Kollegen, wann das Ende kommt."254 Tags darauf, am 16. November 2000, trat Klimmt zurück. Bundeskanzler Schröder bezeichnete am selben Tag die Frage, warum der Rücktritt nicht eher erfolgte, als "berechtigte Frage". Er habe seinem Minister aus Rücksichtnahme Zeit geben wollen, um "das Ende einer beachtlichen politischen Karriere zu verarbeiten, bevor eine Entscheidung getroffen wird".255 Es mag etwas überhöht dargestellt sein, wenn der BPK-Vorstand feststellt: "Reinhard Klimmt hat in diesem Saal begriffen, dass er nicht Minister bleiben konnte." 256 Doch das Feedback der Parlamentskorrespondenten verunsicherte ihn sichtlich. Auch die kurzfristige Entscheidung des Regierungschefs, seinem Minister die Unterstützung zu versagen, könnte vom Druck der Korrespondenten auf Klimmt bei dessen letztem Auftritt vor der BPK beeinflusst worden sein. Im Fall Scharping indes hat dieser Druck nicht zu personellen Konsequenzen geführt. Dem Bundesverteidigungsminister kamen in seiner Flug-Affäre zwei Umstände "zu Hilfe": Zum einen, dass ihm sein Kabinettschef aus politischen Gründen den Rücken stärkte, zum anderen die Terroranschläge des 11. September 2001. Dabei hatte sich nach den Bade-Fotos des Ministers in der Zeitschrift "Bunte"257 – ohne Zutun der Bundespressekonferenz – bereits eine regelrechte Medienkampagne entwickelt, die nicht nur das öffentliche Ansehen von "Rudolf dem Eroberer" (Der Spiegel) völlig demontierte, sondern auch belastende Sachverhalte zutage treten ließ, die Anfang September in der BPK thematisiert wurden: In mehreren Regierungs-PKen erhärtete sich der Verdacht, dass der Verteidigungsminister die Flugbereitschaft der Bundeswehr für private Flüge zu seiner Lebensgefährtin benutzt hatte. Die ganze erste Septemberwoche blieben Scharpings Flüge Hauptthema der Regierungs-PKen. (Persönlich "stellte" sich der Minister der BPK in dieser Angelegenheit zu keinem Zeitpunkt.) Am 5. September 2001 wurden die Sprecher 254 Diesen Eklat zeigte die ARD im Rahmen eines Berichts über Klimmt sogar in den "Tagesthemen" am 15.11.2000. 255 Siehe: Bundeskanzler Schröder, Rede auf der Jahresversammlung 2000 des Verbandes der Deutschen Zeitungsverleger vom 16.11.2000, in: Bulletin der Bundesregierung vom 17.11.2000. 256 Siehe: BPK-Vorstand, Rechenschaftsbericht 2001, S. 1. Archiv BPK e.V., Berlin. 257 Bunte, Nr. 35/2001, 23.08.2001. 79 mehrerer Ministerien fast eine Stunde zu einem Mallorca-Flug Scharpings gelöchert. Dabei verdichteten sich die Anhaltspunkte für eine regelwidrige Inanspruchnahme der Flugbereitschaft durch den Minister.258 Ähnlich lang dauerte das "Verhör" über zahlreiche Inlandsflüge mit Zielort Frankfurt/Main am 7. September, in dessen Verlauf sich der Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums sogar "unter drei" zu den Vorwürfen äußerte.259 Widersprüche und Unzulänglichkeiten im Verhalten des Ministers wurden immer offensichtlicher, der Druck der Medien auf Scharping wuchs stetig. Vier Tage später ereigneten sich die Terroranschläge in den USA – und das Thema Scharping war abrupt beendet. In der Regierungs-PK am 12. September 2001 war der Verteidigungsminister neben anderen Bundesministern (Schily, Eichel) persönlich anwesend, um über mögliche Konsequenzen aus den Terroranschlägen für Deutschland zu informieren. Von seiner Flug-Affäre war keine Rede mehr.260 Es kann nur spekuliert werden, wie lange sich der Verteidigungsminister noch im Amt hätte halten können ohne die plötzliche Änderung der weltweiten Sicherheitslage, die einerseits seine Auswechslung als zum gegenwärtigen Zeitpunkt politisch nicht opportun erscheinen ließ, und die andererseits die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit für Wochen auf andere Themen lenkte. Die Rolle der Bundespressekonferenz muss im "Fall Scharping" differenzierter betrachtet werden: Sie war nicht Auslöser der Kampagne und bewirkte schließlich auch keine politischen Konsequenzen. Lediglich in der ersten Septemberwoche konnte sie wesentliche informationelle Impulse geben, die zum Anwachsen des (letztlich "verpufften") allgemeinen Drucks der Medien auf den Minister beitrugen. Insgesamt ist in diesem Fall jedoch kein Einfluss der BPK auf die Regierungspolitik zu identifizieren. 5.3 Macht und Ohnmacht der Bundespressekonferenz Diese drei Beispiele sollen mitnichten den Eindruck erwecken, der mögliche politische Einfluss der Bundespressekonferenz lasse sich nur in Ministerrücktritten messen. Sie stehen aber fraglos für besondere Höhepunkte, in denen die Institution ihre Qualitäten voll zur Geltung brachte: Die journalistische Beteiligung, vor allem aber das Frageaufkommen waren überdurchschnittlich, entsprechend ergiebig war 258 Vgl.: Protokoll der Regierungs-PK 93/2001, 05.09.2001, S. 4-20. Archiv BPK e.V. Berlin. Vgl.: Protokoll der Regierungs-PK 94/2001, 07.09.2001, S. 2-20. Archiv BPK e.V., Berlin. 260 Vgl.: Protokoll der Regierungs-PK 96/2001, 12.09.2001. Archiv BPK e.V., Berlin. 259 80 die Informationsgewinnung. Dass sie dabei in drei Fällen zur Demission von Regierungsmitgliedern beitrugen, war von den Korrespondenten vielleicht nicht einmal beabsichtigt, ist aber symptomatisch für den Effekt öffentlichen Drucks, der die politischen Akteure zur persönlichen Verantwortungsübernahme drängt. Die Beispiele stehen außerdem für Begebenheiten, in denen (zumindest zeitweise) in den Bundespressekonferenzen entscheidende, die Berichterstattung in den Medien prägende Informationen flossen. – Dies bestätigen die befragten BPK-Mitglieder, die als Korrespondenten ihrer jeweiligen Medien auch andere Informationskanäle kennen und nutzen, welche sie zum Vergleich heranziehen können. Ganz ohne Zweifel müssen die genannten Fälle jedoch als seltene Ausnahmen vom ansonsten nüchternen Alltag der Regierungs-PKen angesehen werden, die den Korrespondenten meist nur zur allgemeinen Orientierung über aktuelle bundespolitische Themen dienen.261 Dem Informationsforum Bundespressekonferenz bringt die Seltenheit solcher Höhepunkte indes offenbar keinen Image-Verlust unter den Parlamentskorrespondenten, wie die wachsende Mitgliedschaft und die immer wieder wellenartig ansteigende Teilnehmerzahl in den PKen belegen. 262 Vielmehr scheinen sich die Mitglieder mit der vorherrschenden Ereignislosigkeit in den Veranstaltungen notgedrungen abgefunden zu haben: "Wenn nur in einer von zehn Pressekonferenzen etwas in Gang gebracht wird, ist das die Sache wert." 263 Was und wieviel in der Bundespressekonferenz "in Gang" gebracht wird, ist jedoch schwer zu quantifizieren: Die Menge der Informationen, die in den Pressekonferenzen fließen, ist nicht nur extrem variabel, sondern auch schlichtweg nicht objektiv messbar. Ebenso wenig lässt sich feststellen, welche Meldungen in der unüberschaubaren Masse von gedruckten und gesendenten Medienberichten tatsächlich auf Informationen aus der Bundespressekonferenz zurückzuführen sind.264 261 Entsprechend äußern sich alle vier für diese Untersuchung befragten BPK-Mitglieder. Dabei sind durchaus auch Veranstaltungen überdurchschnittlich gut besucht, bei denen die Zeichen zwischen Politik und Medien nicht auf Konfrontation stehen, sondern lediglich ein erhöhtes Informationsbedürfnis der Medien besteht, wie etwa nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 oder während der Sorge vor Milzbrand-Anschlägen. 263 Martenson, Interview am 05.06.2002. – Vgl. auch: Fichtner, "Ich klär das bilateral", in: Der Spiegel 14/2002, S. 182; Niendorf, Zu diesem Verein kam noch jeder Kanzler, in: F.A.Z., 14.08.2000, sowie: Schopen, Die Politiker sind nur zu Gast, in: Das Parlament 19/1985. 264 Den Versuch einer Analyse des Informationsflusses aus der Bundespressekonferenz in die Medien unternahmen bislang nur Manfred Koch und Waltraud Hausmann 1969. Ihre Ausgangsfrage war jedoch qualitativer Art, nämlich "die Veränderungen zu erfassen, die der Inhalt einer Pressekonferenz auf dem Weg zum Konsumenten erfährt". Bei der Untersuchung von 44 Tageszeitungen auf Zitate aus oder Bezugnahmen auf eine ausgewählte Regierungs-PK gelangten sie zu dem Ergebnis, dass die 262 81 Dennoch kann mit Köhler festgestellt werden, dass die Bundespressekonferenz als Umschlagplatz für grundlegende Informationen einen wesentlichen Bestandteil des bundespolitischen Kommunikationssystems darstellt: "Die auf dem Forum der Bundespressekonferenz erhältlichen Informationen sind als einer der Ursprünge anzusehen, die den Massenmedien die Ausübung ihrer politischen Funktionen im demokratischen Staat erst ermöglichen."265 Damit leistet die Bundespressekonferenz zumindest einen mittelbaren Beitrag zum politischen Einfluss der Medien in ihrer Gesamtheit (vgl. Kap. 2.1). Einen unmittelbaren, politische Entscheidungen provozierenden Einfluss hingegen sprechen ihr sogar die befragten BPK-Mitglieder ab: Die einzige Möglichkeit der Beeinflussung bestehe dadurch, "dass die Vereinsmitglieder ihren Beruf gut ausüben" (Bruns). Die Medien könnten in Wahrnehmung ihrer Kontrollfunktion dazu beitragen, dass etwa das Fehlverhalten eines Ministers öffentlich bekannt wird. Ob dies aber letztlich zu politischen Konsequenzen oder gar zum Rücktritt des Ministers führt, hänge von internen Macht-mechanismen ab: "Es stürzt einer nur, wenn seine eigene Partei dies zulässt."266 Nach Ansicht von Werner Gößling kann die Bundespressekonferenz bestenfalls den Zeitpunkt einer politischen Entscheidung beeinflussen, nicht jedoch die Entscheidung selbst. Die o.g. Ministerrücktritte seien durch die Pressekonferenzen höchstens etwas beschleunigt worden, denn ihre "Zeit war reif".267 Zweifellos spielt – wie die Beispiele Klimmt und Scharping zeigen – der Rückhalt in Partei und / oder Kabinett eine entscheidende, hier nicht näher untersuchte Rolle für die Entlassung von Ministern. Doch kann nicht gerade die Bundespressekonferenz als Quelle und Umschlagplatz von Informationen mit enormer Multiplikationswirkung Medienkampagnen auslösen, die politisches Handeln bis hin zu personellen Konsequenzen geradezu erzwingen? Schließlich kann sich die Bundesregierung der BPK für ihre routinemäßigen Mitteilungen nicht entziehen und muss ständig damit rechnen, dass dabei auch unangenehme – womöglich folgenreiche – politische Entwicklungen und Sachverhalte durch die Journalisten aufgedeckt werden. Berichte eine "nicht grob verzerrte Wiedergabe der Realität" darstellen. Vgl.: Koch, Manfred / Hausmann, Waltraud: "Auf ewig". Inhaltsanalytische Untersuchung über den Kommunikationsfluss nach der Bundespressekonferenz vom 9. Mai 1969. In: Publizistik, Nr. 4/1971, S. 369-378. 265 Siehe: Köhler, Die Bundes-Pressekonferenz, S. 50. 266 Bruns, Interview am 26.06.2002. 267 Gößling, Interview am 26.04.2002. 82 Anhand der genannten Beispielfälle wird deutlich, dass die Bundespressekonferenz aufgrund ihrer Eigenarten und ihres Stellenwertes als einziger offiziellen, aber staatlich unabhängigen Plattform für Regierungsmitteilungen in Ausnahmefällen sehr wohl in der Lage sein kann, politische Entscheidungen zu beeinflussen – letztlich ist auch die Beschleunigung von Prozessen eine Form der Beeinflussung. Das Beispiel Scharping zeigt aber auch, dass das Gewicht der Parlamentskorrespondenten als "Mitpolitiker"268 letztendlich gering ist: Es ist ihnen eindeutig nicht möglich, als "vierte Gewalt" Regierungsentscheidungen nach eigenem Gutdünken zu provozieren – sonst hätte der Verteidigungsminister längst zurücktreten müssen.269 Letztlich lässt sich nicht generell postulieren, wie groß der Einfluss der Bundespressekonferenz auf die Regierungsgeschäfte der Bundesregierung ist oder sein kann. Viele Faktoren spielen bei der Herstellung politischen Entscheidungshandelns eine Rolle: Der Druck der Öffentlichkeit, ausgelöst durch Medienberichte, gehört sicherlich dazu.270 Mannigfach sind die Informationsquellen der Parlamentskorrespondenten, welche diese Berichte verfassen: Die Bundespressekonferenz bildet meist eine grundlegende, hin und wieder sogar die wesentliche Quelle. Inwiefern die in der Bundespressekonferenz erzielten Informationen in dem komplexen Beziehungsgeflecht von Politik, Medien und Öffentlichkeit im Endeffekt faktisch zu Regierungsentscheidungen beitragen, ist jedoch nicht quantifizierbar. Dass sie aber als "Hebamme"271 vieler bundespolitischer Nachrichten in seltenen Fällen – wie in der BSE-Krise geschehen – einen Einfluss auf politische Entscheidungen auszuüben in der Lage ist, kann wohl dennoch kaum bestritten werden. 5.4 Indirekter politischer Einfluss? Schließlich bleibt noch die Frage, inwiefern der Vorstand der Bundespressekonferenz mit Hilfe seiner weitreichenden Vollmachten indirekten politischen Einfluss ausüben kann, etwa indem er kraft seiner Kompetenz zur Auswahl der Themen und Gäste politisch missliebige Anfragen "aussortiert" und 268 Vgl.: Köhler, Die Bundes-Pressekonferenz, S. 263. Dies stützt die These Meyers, nach der die Herstellung von Politik auch in der Mediendemokratie allein den politischen Akteuren obliegt. Vgl. Kap. 2.3.1. 270 Vgl.: Schulz, Politische Kommunikation, S. 236. 269 83 dadurch vor dem bedeutendsten bundespolitischen Informationsforum nicht zu Wort kommen lässt. Die Vereinssatzung scheint bei näherer Analyse solchen Vorhaben vorzubeugen: - Um den Mitgliedern "Möglichkeiten einer umfassenden Unterrichtung der Öffentlichkeit zu verschaffen" (Vereinszweck, § 3), sollte sich die Auswahl der Themen und Gäste von Pressekonferenzen am Informationsbedürfnis aller Mitglieder orientieren und die gesamte Bandbreite bundespolitisch relevanter Themen berücksichtigen. Der Vorstand übernimmt damit quasi die Rolle eines Dienstleisters für die Gesamtheit seiner Mitgliedschaft. - Da die Kriterien für eine Mitgliedschaft in der Bundespressekonferenz lediglich aus der beruflichen Tätigkeit, dem Wohnort und der Nationalität des Antragstellers bestehen (vgl. Kap. 3.4), seine politische Einstellung hingegen keine Rolle spielt, kann die Mitgliederversammlung (MV) als oberstes Entscheidungsgremium des Vereins ein breites politisches Spektrum repräsentieren. Da die MV den Vorstand jährlich neu in geheimer Wahl legitimiert, ist die Gefahr eines deutlichen politischen Ungleichgewichts in der Vereinsspitze begrenzt (vgl. Kap. 3.2.1). - Sind die Mitglieder mehrheitlich mit den Leistungen des Vorstands unzufrieden, so können sie diesen auf einer außerordentlichen MV, deren Einberufung ein Viertel der Mitglieder durchsetzen kann (§ 6), jederzeit neu bestimmen. Der Verein ist also nicht gezwungen, eventuellen Machtmissbrauch des Vorstands bis zur nächsten ordentlichen MV hinzunehmen. - Auch die einzelnen BPK-Mitglieder sind nicht vom Wohlwollen des Vorstands abhängig: Antragsteller, die von Mitgliedsausschuss und Vorstand abgelehnt wurden, können eine Berufung an die nächste ordentliche MV richten, genauso Mitglieder, deren Vereinszugehörigkeit wegen Wegfall eines der Mitgliedschaftskriterien oder wegen Ausschluss vereinsseitig beendet wurde. Die Satzung stellt also den Vorstand unter die ständige Kontrolle der Mitgliedschaft. Gleichwohl besteht aufgrund der relativ überschaubaren Größe und homogenen Struktur der Vereinsmitgliedschaft die potentielle Gefahr, dass sich im gesamten Verein eine politische "Schlagseite" bildet, die sich bis in den Vorstand fortsetzt und so der parteipolitischen Neutralität oder der informationspolitischen Objektivität der 271 Siehe: Grunenberg, Eine halbe Stunde Bonner Routine, S. 116. 84 Bundespressekonferenz entgegenwirkt. Dies könnte sich – angesichts der Bedeutung des Forums für die demokratische Informations- und Kontrollfunktionen der Medien – negativ auf die Vielfalt bundespolitischer Berichterstattung auswirken. Dass diese Möglichkeit nicht nur theoretisch besteht, wissen langjährige BPKMitglieder zu berichten272: Nach dem Regierungswechsel 1969 gab es dezidierte Bestrebungen von Seiten linksliberal orientierter Teile der Mitgliedschaft, die Bundespressekonferenz stärker politisch zu instrumentalisieren. Ziel war es, unter dem Einfluss der gesellschaftlichen Veränderungen seit 1968 "verkrustete Strukturen" (Martenson) aufzubrechen und das Themenspektrum der Bundespressekonferenz gewissermaßen "nach links" zu erweitern: Bislang wenig berücksichtigte politische und gesellschaftliche Akteure – wie etwa die Gewerkschaften – sollten künftig stärker berücksichtigt, der Einfluss der "Springerknechte" (Kister) in Verein und Vorstand zurückgedrängt werden. Für diese "Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln" wurde der Vorstand, der sich seinerzeit noch aus überwiegend konservativen Mitgliedern der "ersten Garde" zusammensetzte, mit Hilfe von Wahlabsprachen innerhalb der Mitgliedschaft nach und nach durch linksorientierte "junge Wilde" besetzt. Ein Steuerungsinstrument politischer Themen und Trends ist die BPK dennoch nie geworden: Dass der Versuch ihrer Instrumentalisierung schließlich keine nennenswerten Auswirkungen auf die Bundespolitik mit sich brachte, ist durch das Scheitern der sozial-liberalen Regierungskoalition 1982 trotz eines inzwischen überwiegend "linken" BPK-Vorstands hinreichend bewiesen. Anschließend konnte sich die schwarz-gelbe Koalition unter Helmut Kohl immerhin 16 Jahre lang gegen die "Schmierfinken"273 der Medien behaupten. Mittlerweile hat sich das Links-Rechts-Schema nicht nur auf politischer Ebene, sondern auch unter den Parlamentskorrespondenten deutlich abgeschwächt: KlausDieter Altmeppen und Martin Löffelholz kamen bei einer Befragung nach der parteipolitischen Einstellung der politischen Journalisten in Deutschland 1994 zu dem Ergebnis, dass diejenigen, die sich nicht in die Nähe einer Partei einordnen, mit knapp 30% inzwischen die größte Gruppe bilden. Auch die Wahl des Mediums, für Martenson, Interview am 05.06.2002; Gößling, Interview am 26.04.2002. – Vgl. auch: Kister, Das Haus ist Geschichte, in: Süddeutsche Zeitung, 06.08.1999. 273 So Kohl 1999 vor dem Parteispenden-Untersuchungsaussuss, zit. in: Koelbl, Die Meute, S. 51. 272 85 das ein Journalist arbeitet, wird eher nach pragmatischen Gründen getroffen denn als politische Richtungsentscheidung betrachtet.274 Entsprechend gilt auch für die Bundespressekonferenz: "Die parteiische Polarisierung des Pressekorps gibt es so nicht mehr."275 Für die Vorstandswahlen spielt die politische Einstellung der Kandidaten deshalb keine Rolle mehr, 276 eine Themen-selektion nach politischen Aspekten ist ebenfalls nicht feststellbar. Zwar ist nicht grundsätzlich auszuschließen, dass sich Versuche zur politischen Instrumentalisierung der Bundespressekonferenz wiederholen könnten. Mit abnehmen-der parteipolitischer Orientierung des Journalistenkorps und gleichzeitig wachsender Mitgliedschaft – und damit zunehmender Heterogenität des Vereins – werden sie aber immer unwahrscheinlicher. Siehe: Altmeppen / Löffelholz, Zwischen Verlautbarungsorgan und "vierter Gewalt", S. 111f. – Besonders exemplarisch ist diese Entwicklung bei der Vorsitzenden der Bundespressekonferenz zu sehen: Ihr journalistischer Werdegang führte von der "taz" über den "Tagesspiegel" zur "Welt". 275 Siehe: Kister, Das Haus ist Geschichte, in: Süddeutsche Zeitung, 06.08.1999. 276 Dies bestätigten Bruns, Gößling, Wittke und Martenson gleichermaßen. – Als Auswahlkriterium bei der Kür der Vorstandskandidaten wird lediglich darauf geachtet, dass die verschiedenen Medienarten (Print- und elektronische Medien) im Vorstand repräsentiert sind. Bruns, Interview am 26.06.2002. 274 86 6. Fazit Die vorangegangene Darstellung hat gezeigt, dass die Bundespressekonferenz nicht nur traditionell den bedeutendsten medialen "Resonanzboden" 277 für Bundespolitik bildet, sondern diesen Stellenwert auch unter den veränderten Rahmenbedingungen am neuen Standort Berlin erfolgreich behaupten konnte. Nichtsdestotrotz war die Bundespressekonferenz nach ihrem Umzug an die Spree mannigfachen äußeren Einflüssen unterworfen, denen sie sich teils anpassen musste, oder denen sie dezidiert entgegentrat. Unter die erste Kategorie fällt vor allem die Berliner Medienvielfalt: Sie führte nicht nur zu einer signifikanten Vergrößerung der BPK-Mitgliedschaft, sondern zugleich zu deren struktureller Umwälzung und Anonymisierung. Der Charakter des Vereins hat sich dadurch verändert, viel kollegiale Vertrautheit ist verloren gegangen. Gleichzeitig wurde jedoch ein lobenswertes Primat der Vereinssatzung deutlich: Die Mitgliedschaft steht allen Korrespondenten offen, die den definierten Kriterien entsprechen, selbst wenn mit deren Neuaufnahme in großem Stil eine Preisgabe etablierter Vereinsstrukturen verbunden ist. Nicht untergeordnet Begleitumständen hat der sich die Berliner Bundespressekonferenz Medienlandschaft: dagegen den "Meuteverhalten", Konkurrenzkampf und Verfall journalistischer Werte hielt sie aus ihrem Saal erfolgreich fern. Durch in Gang setzen eines Diskussionsprozesses über das von Spannungen und Misstrauen geprägte Verhältnis von Politik und Medien trug sie darüber hinaus zur Wiederherstellung einer erträglichen Atmosphäre "zwischen den Fronten" bei. Ihre Bemühungen, auch jenseits der eigenen Mitgliedschaft seriöse journalistische Standards durchzusetzen, waren bislang jedoch weniger effizient. Völlig unverändert blieben derweil die "essentials" der Bundespressekonferenz: Ihre Unabhängigkeit, ihre Organisationsform und der rituelle Ablauf ihrer Pressekonferenzen. Wie in den fünfzig Jahren zuvor sind Bundespressekonferenzen auch in Berlin reine Wortveranstaltungen geblieben, in denen die "Gäste" Mitteilungen machen und anschließend von den "Gastgebern" befragt werden. Die Mischung aus Beibehaltung traditioneller Werte und Anpassung an die neuen Gegebenheiten erwies sich für die Bundespressekonferenz als Schlüssel zum Erfolg: Entgegen anfänglicher Befürchtungen des Vorstands vor einem Bedeutungsverlust 277 Siehe: Ney, Die Bundes-Pressekonferenz – Resonanzboden der Bonner Politik, S. 95. 87 der Informationsplattform BPK wird in Berlin der Vereinszweck, die Veranstaltung von Pressekonferenzen, in einem zeitlich dichten Takt erfüllt wie nie zuvor. Dieses Phänomen lässt sich vor allem durch das seriöse Image der BPK und die Vielfalt ihrer Mitgliedschaft erklären: Kaum ein Politiker kann sich erlauben, bei der Darstellung seiner Politik auf die enorme Multiplikationswirkung des Forums Bundespressekonferenz zu verzichten. – Dass er dabei nicht nur auf ihm wohlgesonnene "Hofberichterstatter" trifft, sondern dem Meinungspluralismus und kollektiven Sachverstand des gesamten Journalistenkorps ausgesetzt ist, muss er im Interesse der Öffentlichkeitswirksamkeit seiner Mitteilungen in Kauf nehmen. Wie der deutliche Anstieg von PK-Anfragen und Mitgliederzahl zeigt, ist die Bundespressekonferenz für beide Seiten gleichermaßen unverzichtbar: "Ohne BPKZutritt läuft nichts auf der Berliner Bühne, das gilt für Journalisten ebenso wie für Politiker, die etwas vermelden wollen."278 Selbst der Bundeskanzler kommt zu dem Schluss: "Wer etwas mitzuteilen hat, wird sich um eine Einladung bei der Bundespressekonferenz bemühen."279 Es drängt sich allerdings der Verdacht auf, dass für die Korrespondenten die "Sekundärelemente" der Mitgliedschaft – der erleichterte Zugang zu weiteren Informationsquellen – häufig wichtiger sind, als die Teilnahme an den vielfach als informa-tionsarm gescholtenen Pressekonferenzen. Denn trotz ihrer zahlreichen Veranstaltungen wurde erkennbar, dass in der Bundespressekonferenz nur ein Bruchteil der Informationen zur Sprache kommt, die die Korrespondenten für ihre Berichterstattung benötigen. Zu häufig werden die von Seiten der Politiker auf "offener Bühne" gehandelten Informationen einseitig positiv dargestellt oder "vernebelt". Um hinter den Inszenierungen die eigentlichen politischen Prozesse und Inhalte erkennen zu können, muss ein Parlamentsberichterstatter daher stets unterschiedliche Informationsmöglichkeiten nutzen, die sich schließlich in ihrer Gesamtheit im Endprodukt, dem Zeitungsartikel oder Nachrichtenbeitrag, niederschlagen. Die Bundespressekonferenz ist an diesem Endprodukt möglicherweise als grundlegende, aber eben doch nur als "eine von mehreren Bezugsquellen des Rohstoffes Information"280 beteiligt. 278 Siehe: Niendorf, "Zu diesem Verein kam noch jeder Kanzler", in: F.A.Z., 14.08.2000. Bundeskanzler Schröder in einem Grußwort anlässlich des 50. Gründungstags der Bundespressekonferenz, Schreiben vom 11.10.1999. Archiv BPK e.V., Berlin. – Der Kanzler selbst lässt seine Mitteilungen in der BPK allerdings vorwiegend durch den Regierungssprecher vortragen. 280 Siehe: Köhler, Die Bundes-Pressekonferenz, S. 266. (Hervorhebung: Ph.V.) 279 88 In seltenen Ausnahmefällen hat diese Quelle indes einen derart signifikanten Anteil am bundespolitischen Informationsfluss, dass sie sogar in der Lage ist, Druck auf politische Entscheidungsprozesse auszuüben. Dies gelang den Mitgliedern der Bundespressekonferenz etwa, als sie während der BSE-Krise durch gemeinschaftliches Engagement in mehreren Regierungs-PKen Informationen erzielten, aus denen eindeutig politisches Versagen einzelner Akteure erkennbar wurde. Zwei Mitglieder der Bundesregierung mussten dafür schließlich die Verantwortung übernehmen. Im Regelfalle jedoch besitzt die BPK lediglich einen indirekten Anteil an der "Macht der Medien", indem bundespolitische sie als Informationen staatlich einen unabhängiger Beitrag leistet Umschlagplatz zur Erfüllung für der demokratischen Primärfunktionen der Medien insgesamt: - Sie ist die institutionalisierte Hauptanlaufstelle für Mitteilungen der Regierung und bildet damit die Basis für die Informationsfunktion der Medien am Regierungssitz. - Die Vielfalt und sachliche Kompetenz ihrer Mitgliedschaft gewährleisten einen Meinungspluralismus in der politischen Berichterstattung. - Aufgrund der regelmäßigen Präsenz von Regierungsvertretern bietet sie den Medien schließlich eine Möglichkeit, ihre Kontrollfunktion auszuüben. Unentbehrliches Instrument für die Wahrnehmung aller drei Funktionen ist das uneingeschränkte Fragerecht der Parlamentskorrespondenten in der BPK. Nur mit seiner Hilfe kann es gelingen, am Übergang von der politischen Selbstdarstellung zur medialen Fremddarstellung essentielle Inhalte aus den häufig inszenierten Mitteilungen herauszufiltern, oder gar politisches Fehlverhalten aufzudecken. Als "Brennpunkt" des bundespolitischen Kommunikationssystems, in dem sich offizielle Mitteilungen und (Basis-) Informationen bündeln, um danach mit Hilfe der Medien ins ganze Land auszustrahlen, bildet die Bundespressekonferenz einen nicht unwesentlichen Bestandteil der repräsentativen Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland: Ihren Mitgliedern obliegt die ausgewogene und umfassende Berichterstattung über die Tätigkeit jener Akteure, die vom Volk mit der Ausübung der Staatsgewalt beauftragt wurden. Die Bundespressekonferenz als Forum und Verein schafft die Grundvoraussetzungen für diese Berichterstattung. Dieser Stellenwert blieb der Bundespressekonferenz aufgrund der Persistenz ihrer Organisationsform und Prinzipien in Berlin erhalten: Ungeachtet der "Mediatisierung" der Politik und der Dominanz der Bilder sind ihre "minimalistischen" Wortveran- 89 staltungen für die rationelle Vermittlung bundespolitischer Basisinformationen auch weiterhin unverzichtbar. Abkürzungsverzeichnis 90 Literatur Quellen: Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Gerhard Schröder: Rede auf der Jahresversammlung Zeitungsverleger am 16. 2000 des November 2000 Verbandes in Berlin. der In: Deutschen Bulletin der Bundesregierung vom 17.11.2000, Dok.-Nr. 2000-77-2. Ders.: Grußwort zum 50. Gründungstag der Bundespressekonferenz. Berlin, 11.10.1999. Archiv Bundespressekonferenz e.V., Berlin. Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, Johannes Rau: Rede auf dem Gesprächsforum "Die Republik und ihre Journalisten" am 23. Oktober 2001 in Berlin. 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