Burnout Hand Out WS 2008

Werbung
Burnout
Dr. Thomas Harrer
Einführung
Definition
Der Begriff des BO wurde vom Psychoanalytiker Freudenberger 1974 in die wissenschaftliche Literatur
eingeführt, entsprechende Syndrome wurden aber bereits früher beschrieben .
Die Definition ist allerdings nicht einheitlich.
Prinzipiell wird unter BO ein 'Ausbrennen' bzw. 'Ausgebranntsein' im Berufsleben verstanden.
Das Symptombild stellt ein psychovegetatives Erschöpfungssyndrom dar.
Der Begriff und seine Beschreibungen weisen darauf hin, dass es sich bei den Betroffenen öfter um
ursprünglich besonders engagierte und idealistische Menschen mit möglicherweise etwas
unrealistischen bewussten oder unbewussten Erwartungen handeln kann.
Beim Ausbrennen kommt es schließlich zu psychovegetativer Erschöpfung, zu distanzierten, ,
ärgerlichen oder ängstlichen oder paranoiden Empfindungen, Haltungen und Verhaltensweisen und
Desengagement sowie zum Auftreten von Unlust, Leistungseinbußen, 'Verflachung' sowie (anderen)
Symptomen von Depression und psychosomatischen Beschwerden mit schweren Auswirkungen auf
Berufsleben und Privatleben.
Burisch beschreibt den Begriff folgendermaßen:
" Was dagegen psychologisch-metaphorisch mit BO gemeint ist, ist eine langdauernd zu hohe
Energieabgabe für zu geringe Wirkung bei ungenügendem Energienachschub – etwa so, wie wenn
eine Autobatterie nicht mehr über die Lichtmaschine nachgeladen wird, dennoch aber
Höchstleistungen abgeben soll. "
Aus meiner Sicht ähnelt BO insofern eher
Fehlbeanspruchung und unterbliebener Wartung.
einem
Motorschaden
bei
länger
dauernder
In bestimmten Aspekten gleicht das BO chronifizierter, vom Betroffenen nicht zu bewältigender (bzw.
nicht gut bewältigter) Stressbelastung und einem daraus resultierenden maladaptiven ‚GAS‘1.
Burnout und Bewältigung – ein Prozess
Übereinstimmung besteht darin, dass es sich bei dem Weg zum möglichen Endpunkt der Erschöpfung
und eventuell des krankheitsbedingten Ausstiegs aus dem Berufsleben um einen prozesshaften
Verlauf handelt.
1
General Adaption Syndrome - - 'generelles Anpassungssyndrom'
Seite -
2
Dieser wird von verschiedenen Autoren unterschiedlich gesehen, verläuft aber jedenfalls in mehreren
Phasen mit unterschiedlicher Symptomatik bzw. Verhaltensweisen der Betroffenen.
Ein Stillstand des Verlaufs, ein Hin- und Herpendeln zwischen verschieden schweren
Ausprägungsformen oder auch eine Erholung sind auf allen Stufen möglich, bei fortgeschrittenem BO
allerdings nur mehr mit externer Hilfe.
Im schlechtesten Fall – Bestehenbleiben der Belastungen des Berufsumfeldes und Fortsetzung
ungünstiger Bewältigungsstrategien des Betroffenen – setzt eine Abwärtsspirale ein.
Bei besseren Bedingungen erfolgt eine Art von Stabilisierung auf einem bestimmten Niveau des BOProzesses.
Bei noch günstigeren Möglichkeiten kann es auch wieder zu einem Aufschwung und zu einer
Stabilisierung auf einem höherem Leistungsniveau und besserer Befindlichkeit kommen.
In deutlich fortgeschrittenen Stadien ist es notwendig eine längere Belastungspause zu machen und
professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Auswege aus der Erschöpfung und Gegenstrategien aus dem BO- Prozess sollten ebenfalls
prozesshaft gesehen werden wie die BO- Entwicklung selbst.
Es handelt sich um den einen mehr oder weniger gelingenden Prozess der Bewältigung
berufsbedingter Belastungen - unter mehr oder weniger günstigen Rahmenbedingungen.
Bedeutung des BO
Für den Betroffenen selbst bedeutet BO Beeinträchtigung der Lebensqualität oder hat bereits eine
psychische oder somatische Erkrankung zur Folge.
Weitere Folgen sind ein mögliches Scheitern beruflicher Pläne (dies ist ebenso wie auch andere BoFolgen selber aber auch wieder ein Bedingungsfaktor, was die Gefahr eines Circulus vitiosus
beinhaltet) und schwere Beeinträchtigungen des Privatlebens und Familienlebens. Dies wieder kann
andere Menschen schädigen.
Vom Standort des Unternehmens oder der Institution, in der die Mitarbeiter ausbrennen, handelt es
sich beim BO um ein ernstes Problem auf der ethischen Ebene ebenso wie auf der wirtschaftlichen.
So erbringen Mitarbeiter im fortgeschrittenen BO schlechtere Leistungen und sind öfter krank.
Es stellt sich also dem Unternehmen die Frage, welche Organisations-Faktoren BO begünstigen und
wie man gegensteuern kann. Dies betrifft auch Fragen der Personalentwicklung
und der
Organisationsentwicklung.
Aufbau, Verlauf u. Phasenmodell(e)des Burn-Out
Die gestörte Handlungsepisode (Burisch)
Burisch beschreibt als einen Hauptfaktor und zugleich Kernelement des BO Prozesses die 'gestörte
Handlungsepisode'. Diese sieht er als eine 'Analyseeinheit' variabler, sozusagen vom Betrachter
wählbarer Größe zur Beschreibung des BO- Prozesses an.
In einer Handlungsepisode will ein Individuum auf der Basis seiner 'Anreizlandschaft' von A nach B
gelangen.
In der ‚ungestörten Handlungsepisode‘ gelingt dies eben ungestört, aufgrund des ‚Motivprofils‘ kommt
es zur ‚Motivanregung und Zielbindung‘, danach zur Handlungsplanung mit ‚Handlungsentwürfen‘ und
‚Erwartungsbildung‘, die Handlung wird ausgeführt, das Ziel wird erreicht, es folgt die Belohnung,
danach eine rückblickende Bewertung, es tritt ‚Motivsättigung‘ ein oder aber die Handlung wird
wiederholt, worauf das ‚Weltmodell‘ bestätigt oder in positiver Richtung korrigiert wird, was wiederum
der ‚Motivanregung‘ dient. (soweit Burisch)
 T. H. VERSION 2008
Seite -
3
Störfälle der gestörten Handlungsepisode bestehen nun in
1.
2.
3.
4.
Zielvereitelung
Zielerschwerung
Ausbleiben der Belohnung
Negativen Nebenwirkungen
Ad 1: Das Ziel ist nicht oder nur unter unverhältnismäßigen Opfern zu erreichen.
"Autonomieeinbußen und schmerzhafte Korrekturen des Weltmodells sind die Folge".
Dies gilt im Wesentlichen allerdings bei allen Punkten.
Ad 2: Das Hindernis wird zwar durch vermehrte Anstrengungen in der ' Reaktanzphase' (zunächst
eintretende Motivverstärkung bei Frustration)
überwunden und das Ziel erreicht, doch die
nachträgliche Bewertung ist unbefriedigend, aufgrund des Missverhältnisses zwischen Aufwand und
Erreichtem.
Ad 3: Das Ziel wird erreicht, die erwartete Belohnung bleibt jedoch aus.
Ad 4: Es kommt zwar zu einer Belohnung, doch treten unerwartete und bedeutete negative Folgen
auf.
Verlauf und Phasen des Burnout [nach Blüml]
Burisch und andere Autoren haben auf den phasenhaften Verlauf des BO hingewiesen und ausgehend
von entsprechende Modelle entwickelt.
„ Die Symptome von Burnout können in sieben Gruppen beschrieben werden, die auch meistens in
dieser Reihenfolge auftreten. Bei einem Burnout - Fall müssen selbstverständlich nicht alle hier
genannten Symptome vorkommen, auch können sie in einer anderen Zeitfolge auftreten und müssen
nicht bis zu den terminalen Stadien fortschreite.“ [Blüml]
Aus meiner Sicht sind solche Einteilungen zur Orientierung sinnvoll, aber nicht in jedem Fall stimmig.
Ich würde auch nicht unbedingt von ausgerechnet sieben Gruppen von Symptomen ausgehen, stelle
diese Einteilung aber wegen ihres doch vorhandenen Informationsgehalts vor.
1 ‘Warnsymptome der Anfangsphase‘„
Am Anfang des Burnoutprozesses zeigen die betroffenen Helfer ein vermehrtes Engagement für die
Klienten
- Hyperaktivität
- Gefühl der Unentbehrlichkeit
- Verleugnung eigener Bedürfnisse
Aronson et al. beschreiben diesen Sachverhalt damit, daß ein Mensch einmal entflammt gewesen sein
muss, um ausbrennen zu können.
Dieses gesteigerte Engagement kann bereits von Erschöpfungssymptomen wie chronische Müdigkeit
oder Energiemangel begleitet werden.
2 ‚Reduziertes Engagement‘
Der Phase des Überengagements folgt ein emotionaler, geistiger und verhaltensmäßiger Rückzug vom
Klienten, von der Arbeit und von der sozialen Umwelt allgemein.
- Verlust positiver Gefühlen gegenüber dem Klienten, emotionelle Distanzierung vom
Klienten (Die Türklinke bleibt in der Hand)
- Stereotypisierung der Klienten (Die sind doch alle gleich)
- Schuldzuweisung für Probleme an die Klienten (Der könnte doch, wenn er nur wollte)
- Dehumanisierung der Klienten (Der Dekubitus auf Zimmer sechs)
 T. H. VERSION 2008
Seite -
- Allgemeines Gefühl, abzustumpfen und härter zu werden
- Höhere Akzeptanz von Kontrollmitteln, wie z.B. von Tranquilizern
- Kontaktverlust (Flucht ins Kurvenschreiben)
- Verlust von Idealismus
- Negative Einstellung zur Arbeit (täglicher Widerwillen, in die Arbeit zu gehen, längere Pausen,
häufigere Fehlzeiten, mehr Krankheitstage, Beruf wird nur noch als Job betrachtet, gesteigerte
Bedeutung der Freizeit)
- Erhöhte Ansprüche, als Folge der "inneren Kündigung" (höheres Gewicht der Bezahlung für die
Arbeitszufriedenheit, Gefühl, ausgebeutet zu werden, Gefühl mangelnder Anerkennung)
- Allgemeiner Verlust an Einfühlungsvermögen und menschlicher Wärme (auch im Privatleben)
3 ‚Emotionelle Reaktionen‘
Als emotionelle Reaktion ist ein eher depressiv-ängstlich, aber auch ein aggressiv-gereizt-paranoider
Verhaltensstil möglich.
Die folgenden Emotionen stellen sich meist bereits mit Beginn des Burnoutprozesses ein:
- Gefühle der Hilflosigkeit - Insuffizienzgefühle (Das Gefühl, die Arbeit nicht zu schaffen,
Selbsteinschätzung als schlechte Krankenschwester/-pfleger)
- Verringertes Selbstwertgefühl
- Schuldgefühl aufgrund des emotionalen Rückzuges
- Starke Stimmungsschwankungen, häufige Depressivität
- Pessimismus, Fatalismus
- Verringerte emotionelle Belastbarkeit (auch im privaten Bereich)
- Gefühl von innerer Leere, Apathie - Bitterkeit, Ärger und Aggressivität
- Ungeduld, Reizbarkeit und Nervosität (Daraus entwickeln sich häufig Konflikte mit den Kollegen)
4 ‚Abbau‘
Es kommt zu einem Abbau der geistigen Leistungsfähigkeit, der Motivation und der Kreativität.
-
Konzentrationsschwäche bei der Arbeit
Desorganisation (Unsystematische Arbeitsplanung und Arbeitseinteilung)
Entscheidungsunfähigkeit
Verringerte Initiative, Fehlen von Erneuerungsvorschlägen
Verringerte Flexibilität, Rigides Schwarz-Weiß-Denken
Dienst nach Vorschrift: psychische und soziale Belange der Patienten werden als Luxus betrachtet
Widerstand gegen Veränderungen aller Art, Negativismus
5 ‚Verflachung‘
Diese Abbauerscheinungen können sich auch auf den privaten Bereich ausdehnen.
- Verflachung gefühlsmäßiger Reaktionen, Gleichgültigkeit
- Rückzug aus dem sozialen Leben
- Aufgeben von Hobbys, allgemeines Desinteresse
6 ‚Psychosomatische Reaktionen‘
Diese können auch bereits zu Anfang des Burnoutprozesses auftreten.
- Unfähigkeit zur Entspannung in der Freizeit
- Schlafstörungen, Alpträume
- Muskelverspannungen, Kopfschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden
- Vegetative Folgen (Herzklopfen, beschleunigter Puls, erhöhter RR)
- Engegefühl in der Brust
- Reduzierte Immunabwehr (häufigere Erkrankungen)
7 Verzweiflung
Die Hilflosigkeitsgefühle werden generalisiert, es kommt zu einer existentiellen Verzweiflung, die von
Gefühlen der allgemeinen Hoffnungslosigkeit und der Sinnlosigkeit des Lebens gekennzeichnet ist.
Dieser Zustand gleicht einer Depression. [Blüml]
 T. H. VERSION 2008
4
Seite -
5
Kausale und protektive Faktoren – Belastungen und Auswege
Stellenwert belastender Faktoren
Verschiedene Autoren legen den Schwerpunkt ihrer Darstellung jeweils unterschiedlich:
Die einen betonen Faktoren der Persönlichkeit des Betroffenen. W. Schmidbauer hat in seinem
Buch 'Die hilflosen Helfer' plakativ die Situation der einzelnen unter dem Aspekt der
'Helferpersönlichkeit' bzw. des 'Helfersyndroms' beschrieben.
Andere betonen die Rolle institutioneller und gesellschaftlicher Faktoren und sehen den
einzelnen eher als Opfer sozialer Verhältnisse, soziopolitischer Strömungen und wirtschaftlicher
Interessen oder verfehlter Unternehmensstrategien und Führungsmängel.
Natürlich schließen die verschiedenen Faktorengruppen einander aber keineswegs aus.
In einem mehrdimensionalen Bedingungsgefüge nehmen die Faktorengruppen einen im Einzelfall
jeweils unterschiedlichen Stellenwert ein.
Die Faktoren des Betroffenen (und seines Umfeldes) einerseits und jene der Institution (und ihres
Umfeldes) andererseits sind jedenfalls in ihrer gegenseitigen Beeinflussung und ihrem
Zusammenwirken zu sehen.
Individuelle Analyse
Bei der Analyse der individuellen Faktoren differenziere ich in der Arbeit mit BO- Betroffenen – wie
auch sonst in der psychosomatischen und psychotherapeutischen Arbeit– solche der Persönlichkeit,
der aktuellen psychischen Situation und Konfliktkonstellation (z.B. in Bezug auf Beruf und
Arbeitsplatz), der gesundheitlichen Situation (Krankheit wird immer noch stark tabuisiert!), der
Ressourcen und des Umfeldes.
Auf die BO- Thematik bezogen ergeben sich Fragen nach der Persönlichkeitsstruktur in Bezug auf ihr
Wertsystem, die strukturellen Auswirkungen früher Erfahrungen mit den Folgen besonders
ausgeprägter Strategien (Anpassungs- und Abwehrmechanismen) mit ihren Stärken und Schwächen,
auch im Sinne von 'Bindungsstellen' für Anforderungen, Motivationen, Frustrationen und
Beziehungsmuster.
Ein Beispiel eines beeinflussenden Faktors der Kindheit sind z.B. unbewusste 'elterliche Aufträge', die
lebensgeschichtlich umgesetzt werden sollen.
Was zum Beispiel den einen erst recht herausfordert und zur Leistung motiviert, wird vom anderen als
entmutigende Frustration erlebt.
Zu den angesprochenen Dispositionen des einzelnen gehört in helfenden Berufen die Entwicklung der
Persönlichkeit in der Richtung einer Helferrolle, die den eigenen Bedürfnissen nicht mehr entspricht.
Autoren wie Schmidbauer haben darauf hingewiesen, dass bei Helfern, die für andere da sind und
dabei aber auf sich selbst keine Rücksicht nehmen, etwas nicht stimmig ist und die neurotische
Helferhaltung auf frühe Prägungen und ungelöste Konflikte der Kindheit bzw. persistierende kindliche
Vorstellungen zurückgeführt werden kann.
Etwas davon ist bei vielen BO PatientInnen als ein ‚persönlicher Beitrag‘ des Betroffenen zur
Problematik zu sehen.
Derartige Faktoren sollten allerdings nicht generell überbetont werden und erst recht nicht zu einer
Schuldzuweisung an den Betroffenen führen.
Doch lohnt sich die Auseinandersetzung mit der eigenen Helferhaltung und ihren sogenannt
neurotischen Anteilen (dies ist auch oft quantitativer Aspekt) für jeden, der in helfenden Berufen tätig
ist, mit Sicherheit.
 T. H. VERSION 2008
Seite -
6
Positiv formuliert: Die Arbeit an der eigenen Helfer- oder Berufshaltung ist ein berufslebenslanger
Entwicklungsprozess.
Institutionelle und gesellschaftliche Faktoren
[nach Blüml]
Soziale, und organisationspsychologische Ursachen
Organisationspsychologisch steht Burnout in Zusammenhang mit den Arbeitsbedingungen der Helfer
unter anderem.
-
Unklare Erfolgskriterien
Fehlendes Feedback
Mangel an Autonomie/Handlungsspielraum
Überforderung und Zeitdruck
Große Verantwortung
Allgemeine Arbeitszufriedenheit
Kontrolliertheitserleben
Diskrepanz zwischen humanitären Werten und Arbeitsalltag
Rollenstruktur: Rollenkonflikte, Rollenambiguität (ungenaues Berufsbild, unklares Arbeitsziel),
Rollenarmut (wenig motivierendes Potential, gleichförmige Routine, wenig Möglichkeiten zur
Selbstentfaltung)
- Fehlende Rückzugsmöglichkeiten
- Schlechtes Image des Berufs
- Fehlende soziale Unterstützung
Gesellschaftliche Ursachen
-
Fehlen einer ideologischen Unterstützung
Fehlende Anerkennung durch eine Gemeinschaft/die Gesellschaft
Hohe humanistische Ansprüche, die unter der restriktiven Sozialpolitik nicht mehr erfüllbar sind.
Geänderte Einstellung gegenüber dem Beruf
Beiträge der Stressforschung
Unter dem Begriff der Stressreaktion werden alle Prozesse zusammengefasst, die seitens der
betroffenen Person als Antwort auf einen Stressor in Gang gesetzt werden.
Ein gewisses zeitweiliges Stressniveau ist an sich günstig für den Organismus (‚Eustress‘),
problematisch ist der schädliche Stress (‚Distress‘) der die Verarbeitungskapazität überfordert (zu
heftig, zu lange …)
Man kennt physikalische Stressoren, Leistungsstressoren, soziale Stressoren (Konkurrenz, Isolation,
zwischenmenschliche Konflikte, Trennung), körperliche Stressoren (Verletzung, Schmerz, Hunger,
Behinderung).
Inwieweit einer Situation Stressorqualität zukommt, hängt von folgenden Merkmalen ab:




Grad der Bekanntheit
Kontrollierbarkeit
Vorhersehbarkeit
Transparenz
Neben kritischen Lebensereignissen spielen auch die sogenannten 'daily hassles' eine Rolle.
 T. H. VERSION 2008
Seite -
7
Stressreaktionen können auf 3 Ebenen beschrieben werden:



Körperliche Stressreaktionen
‚Behaviorale‘ (verhaltensmäßige) Stressreaktionen
Kognitiv-emotionale Stressreaktionen
- Körperliche Stressreaktionen
Über 2 Achsen erfolgt die
1. Aktivierung des sympathischen Systems – NNM- Adrenalin, Noradrenalin
2. Aktivierung der NNR (Hypothalamus CRF – Hypophyse ACTH – NNR Cortisol)
Die Folgen sind einerseits Aktivierung des Herz-Kreislaufsystems etc. andererseits Immunsuppression
und Stoffwechseleffekte etc. .
Es kann dabei zwischen verschiedenen individuellen Reaktionsspezifitäten unterschieden werden, und
es besteht auch eine gewisse Situationsspezifität von Stressreaktionen2. (Kaluza)
- ‚Behaviorale‘ Stressreaktionen
Ungeduldiges Verhalten, Hast (hastig essen, andere unterbrechen, Pausen ausfallen lassen)
Betäubungsverhalten
Unkoordiniertes Arbeitsverhalten, vergessen, verlegen, Chaos, keine Planung
Konfliktreicher Umgang mit anderen Menschen
- Kognitiv – emotionale Stressreaktionen
Gefühle der Unruhe, Nervosität, Gehetztsein
Ärger, Unzufriedenheit
Angst
Hilflosigkeit
Selbstvorwürfe
Grübeln
Leere im Kopf, Black out, Denkblockaden
Die Stressreaktionen beeinflussen einander im Sinn eines Circulus vitiosus.
Stress als interaktionelles Geschehen (Lazarus u.a.)
"Stress ist jedenfalls als ein transaktionales Geschehen zu verstehen, aus dem potentiellen Stressor
muss nicht unbedingt ein manifester Stressor werden".(n. Kaluza)
Dass potentielle Stressoren zu tatsächlich aktuell wirkenden Stressoren werden ist eine Frage der
Interaktion.
"Nach Lazarus ist von Stress immer dann zu sprechen, wenn Umgebungsanforderungen oder/und
innere Anforderungen die adaptiven Mittel einer Person beanspruchen oder übersteigen."
"Stress wird hier definiert als Verhältnis zwischen Anforderungen (Stressoren)... und
Reaktionskapazitäten der Person ...."
"Dabei spielen kognitive Prozesse [Wohl nicht nur kognitive, sondern v.a. auch emotionale Prozesse!
T.H.]
in Form von bewertenden Wahrnehmungen, Gedanken und Schlussfolgerungen die
entscheidende Rolle. Erst durch entsprechende Bewertungsprozesse auf Seiten der betroffenen Person
werden aus potentiellen aktuell wirksame Stressoren."
Das Konzept der Bewertung oder Einschätzung (appraisal) steht im Mittelpunkt der Stresstheorie von
Lazarus. Es erfolgen die ‚primär‘ Einschätzung der Situation und des Stressors als irrelevant,
angenehm oder stressbezogen in Richtung Bedrohung (threat), Schaden - Verlust (harm – loss) oder
2
im Gegensatz zu früheren Theorien
 T. H. VERSION 2008
Seite -
8
als Herausforderung (challenge), sog. 'sekundäre Bewertungen' betreffen die Einschätzung der
eigenen Bewältigungsmöglichkeiten. Die Bewertungsprozesse beeinflussen und überlagern einander.
'Neubewertungen' (Änderungen der ursprünglichen Bewertung) erfolgen im Sinn eines
Rückkopplungssystems.
Protektive Faktoren bei Stressbelastung, günstige und ungünstige
Bewältigungsstrategien
Welche Bewältigungsstrategien erweisen sich verhaltenspsychologisch als günstig und welche sich als
ungünstig? Was unterscheidet Menschen, die unter einer bestimmten Belastung nicht ins BO geraten
in ihren Verhaltensweisen und Einstellungen von denen, die ausbrennen?
Protektive Faktoren ('Salutogenese'- Antonovsky)
Sozialer Rückhalt
Sozialer Rückhalt umfasst verschiedene Dimensionen:
emotionale Unterstützung, instrumentelle Unterstützung, praktische und materielle Unterstützung,
geistige Unterstützung.
Bedeutsam ist auch, von wem die Unterstützung kommt, wie sie qualitativ vom Betroffenen erlebt
wird, dass sie vom Betroffenen überhaupt erkannt, mobilisiert und in Anspruch genommen wird und
dass sie richtig (und auch nicht übertrieben oder Autonomie beeinträchtigend) geleistet wird.
Optimismus und Selbstwirksamkeit
Ein gewisser angemessener Optimismus, der auf ‚Kompetenzerwartung‘ gründet (sich selbst und
andere betreffend) hat sich als günstig erwiesen, was die Situationserwartungen, die
Konsequenzerwartungen und (v. a. auch) die Selbstwirksamkeitserwartungen betrifft - dies im Sinn
eines funktionalen, adaptiven Optimismus, nicht aber eines defensiven (naiven) Optimismus, der
ungünstig ist.
Widerstandsfähigkeit ('Hardiness’)
Ist ein Begriff, der für Faktoren der Einstellung stressresistenter ‚Manager‘ geprägt wurde. Solche
Faktoren sind: Engagement und Selbstverpflichtung (vs. Entfremdung), Kontrollüberzeugung (vs.
Hilflosigkeit) und das Erleben von 'Challenge'.
(Kritisch anzumerken wäre, dass es sich dabei zum Teil um eine umgekehrte Kausalitätsrichtung
handeln kann.)
Kohärenzsinn (Antonovsky)
"..Eine Orientierung, die ausdrückt, in welchem Umfang jemand ein generalisiertes, überdauerndes,
jedoch dynamisches Gefühl des Vertrauens besitzt, dass die Ereignisse in der inneren Welt und in der
äußeren Umgebung im Lebenslauf strukturiert, vorhersehbar und erklärbar sind; dass Ressourcen
verfügbar sind, um den aus diesen Ereignissen stammenden Anforderungen zu begegnen, und dass
diese Anforderungen Herausforderungen darstellen, für die es sich lohnt, sich zu engagieren und zu
investieren"
d.h. ein Gefühl der Verstehbarkeit, ein Gefühl der Machbarkeit, ein Gefühl der Sinnhaftigkeit (n.
Kaluza).
Was ist effektives Bewältigungsverhalten ?
Eine generell erfolgreiche Standardstrategie der Bewältigung gibt es nicht!
Prinzipiell unterscheidet man bei den Strategien
bzgl. Ziel
Problemorientiert - instrumentelle
 T. H. VERSION 2008
Seite -
9
Reaktionsorientierte - palliative Strategien,
wobei die Zuordnungen nicht starr sind, eine Maßnahme kann u. U. so oder so wirken.
- Problemorientierte Bewältigung kann bestehen in:
Veränderung der Umweltbedingungen
Veränderung eigener Merkmale
z.B.: Arbeitsaufgaben delegieren, Arbeitsplatz verändern, persönliche Zeitplanung verändern,
Fortbildungen besuchen, nein sagen, eigene Ansprüche relativieren, Unterstützung suchen, Klärungen
herbeiführen, Arbeitsaufgaben strukturieren, Prioritäten definieren
- Reaktionsorientierte Bewältigung hat zum Ziel
‚Regulierung und Kontrolle der aus der stressbezogenen Transaktion resultierenden physiologischen
und emotionalen Reaktion‘, es handelt sich um Strategien, die eigenen Emotionen positiv zu
beeinflussen.
Dabei sind palliative von regenerativen Bewältigungsstrategien zu differenzieren.:
z.B. Einnahme von Psychopharmaka, Entspannungsübungen, Ablenkungsversuche, Bagatellisierung,
schreien, schimpfen, weinen, joggen, Selbstvorwürfe, Hobby, Freundschaften.
Bezüglich der Reaktionsebene unterscheidet man
Aktionale und
Intrapsychische (--Abwehrmechanismen): Wahrnehmungs-, Denk-, Vorstellungs-, Interpretationsprozesse (z.B. ‚defensiv‘, ‚erasive‘, ‚positive‘, ‚selbstzentrierte‘...)
Copingstrategien.
Was die Effektivität betrifft, lässt sich sagen:
Ineffektiv sind:
Eskapistische Strategien: Wunschphantasien, Alkohol
Spannung aggressiv rauslassen
Intrapsychisch: Selbstabwertung, Selbstbeschuldigung, Selbstmitleid, Grübeln, Resignation
Effektiv sind meist:
Positive Neubewertungen der Situation (im zeitlichen und sozialen Vergleich)
Aktives problemlösungsorientiertes Vorgehen (aber nicht übertrieben wie beim sog. A-Typ - Verhalten)
In nicht veränderbaren Situationen abfinden, akzeptieren – nicht resignieren.
Beim Resignieren werden dann tatsächlich vorhandene Möglichkeiten nicht mehr erkannt! – 'gelernte
Hilflosigkeit' – vgl. Depressionskonzepte !
Bei den ‚regenerativen‘ Mitteln stehen dem Interessierten viele Möglichkeiten offen, und tatsächlich
mag es entscheidend sein, dass jede(r) seine / ihre persönliche Methode oder Methoden findet, um zu
entspannen, zu regenerieren und sich dabei einem ‚Flow‘-Erleben hinzugeben.
Defensive Strategien (Vermeidung etc.) sind differenziert zu sehen, kurzfristig sind sie eventuell
hilfreich; zu lange eingesetzt erhöhen Sie eher die Problematik, weil die Belastungsquellen nicht
verändert werden.
Expressive Strategien: Problematisch ist es, Gefühle nicht zu zeigen (auch bezüglich sozialer
Veränderung oder Unterstützung), aber auch unkontrollierte Äußerungen sind problematisch.
Die Flexibilität der Strategien hat sich als wichtiges Kriterium erwiesen.
Weder generalisierte Vermeidung noch generalisierte Kontrolle sind hilfreich.
"Auf der Basis einer realistischen Einschätzung eigener Kontrollmöglichkeiten und eines breiten
Repertoires an verfügbaren Bewältigungsstrategien zeichnen sich gesunde Personen durch die
Fähigkeit aus, in belastenden Situationen eine große Anzahl von Lösungsalternativen generieren zu
können und die – im Hinblick auf die jeweilige Situation – jeweils optimale Alternative auszuwählen.
Das mag in dem einen Fall eine direkte Aktion zur Beseitigung eines äußeren Stressors sein, während
 T. H. VERSION 2008
Seite -
10
in einem anderen Fall die optimale Bewältigung in der Selbstberuhigung durch Bagatellisierung oder
im Umbewerten oder Akzeptieren der Situation bestehen mag...
Flexibilität ermöglicht es dem einzelnen, eine ausgewogene Balance zwischen instrumentellen und
palliativen Bewältigungsformen herzustellen, sodass Phasen der Aktivierung während direkter
Problemlösung immer wieder von Phasen der Erholung, Entspannung und Ablenkung abgelöst
werden."(Kaluza,)
Anti – Burnout- Instrumente
Ziele:
Bewältigung - v.a. fortgeschrittener Stadien - des BO
Verhinderung und
Früherkennung
Es bedarf eines differenzierten Instrumentariums, auf der individuellen wie auf der
Organisationsebene, um Strategien zum Erkennen, Verhindern und Bewältigen von BO – Prozessen
umsetzen zu können.
Auf Organisationsebene sollen BO - gefährdete Arbeiten (z.B. den Umgang mit Patienten) optimiert
werden und möglichst günstige Arbeitsbedingungen geschaffen werden.
Betriebsmedizinisch und – psychologisch geht es um Prophylaxe, Früherkennung die
Behandlungseinleitung bei BO – assoziierter Störungen.
Instrumente sind z.B.:
Auf individueller Ebene und Gruppenebene:
Spezifisch:
Supervision (Team, Gruppe, Einzelsetting)
Coaching
Psychotherapie (mit entsprechender Indikation u. Fokussierung)
Trainingsprogramme: Stresstraining, Mentaltraining, spezifische Programme...
Eher unspezifisch:
Psychotherapie (allgemein)
Bewegungs- und körperorientierte Verfahren
Kunsttherapie
Angebote zur spirituellen Entwicklung
Kulturelle Aktivitäten
Auf Organisationsebene:
Organisationsentwicklung
Organisationsberatung
Personalentwicklung
Trainingsprogramme
Fortbildungsprogramme
Gesundheitsprogramme
etc.
 T. H. VERSION 2008
Herunterladen