Verbraucher vor der Wahl: Positionen zur Bundestagswahl 2005 Verbraucherschutz ist mehr als Service. Die Frage, in welcher Welt wir Verbraucher leben wollen, hat eine politische Dimension. Verbraucher können auch gestalten, nicht nur verbrauchen. Der Tagesspiegel Unser Land braucht Bewegung. Die Verbraucherpolitik kann dazu einen Beitrag leisten: indem sie das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher stärkt – und damit Schubkraft gibt für die Belebung der Binnenkonjunktur. Verbraucherpolitik ist keine Politik für Schönwetter-Perioden. Sie ist Teil der Reformagenda für Deutschland, denn: Die Interessen der Verbraucher sind nicht gegen wirtschaftliche Entwicklung und Wachstum gerichtet. Eine Politik, die sich an den Interessen der Konsumenten orientiert, stärkt die Wirtschaftskraft unseres Landes: Sie schafft Anreize für Investitionen. Sie belohnt Unternehmen, die bei Qualität, Service und Nachhaltigkeit die Maßstäbe setzen. Sie stärkt das Vertrauen der Verbraucher in den Markt und verbessert das Konsumklima. Wir wissen: Verbraucherschutz bei Waren und Dienstleistungen macht sich wirtschaftlich bezahlt. Das gilt gerade für die deutsche Wirtschaft, die auf Spitzenstandards bei Qualität und Service setzt. Die Verbraucherzentralen machen sich stark – für die Rechte und Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher. Deshalb haben wir eine klare Botschaft an die Adresse der Politik. Verbraucher vor der Wahl: Positionen zur Bundestagswahl Gestärkte Verbraucher, starke Wirtschaft – so bringt Verbraucherschutz unser Land voran: Verbraucherschutz ist schlecht für die Wirtschaft? Ein Märchen. Wir nennen zehn Punkte, bei denen Wirtschaft und Verbraucher gemeinsam gewinnen: 1. Impuls für die Binnenkonjunktur: Verbraucherinformation bewahrt vor teuren Fehlentscheidungen Verbraucherinnen und Verbraucher stehen vor immer komplexeren Konsumentscheidungen. Die Sozialreformen bedeuten mehr Eigenverantwortung für jeden Einzelnen – etwa bei der Krankenversicherung oder bei der Altersvorsorge. Die unabhängige Beratung der Verbraucherzentralen trägt in Millionen Fällen dazu bei, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Sie hilft folgenschwere Fehlentscheidungen zu vermeiden – damit die Verbraucher ihr Geld an der richtigen Stelle ausgeben können. Die Arbeit der Verbraucherzentralen muss deshalb auf langfristig gesicherte finanzielle Grundlage gestellt werden. 2. Reform des Versicherungsrechts: Damit Verbraucher für die Versicherungen zahlen, die sie wirklich brauchen Die meisten Deutschen sind falsch versichert: Sie haben Versicherungen, die sie nicht brauchen oder die bei existenzbedrohenden Schäden nicht zahlen. Der Volkswirtschaft entstehen hierdurch Milliardenschäden. Ursache sind falsche Anreize für Versicherungsvermittler und eine Benachteiligung der Verbraucher im geltenden Versicherungsrecht. Die Beratungspraxis der Verbraucherzentralen zeigt: Eine Reform des Versicherungsrechts und bei der Versicherungsvermittlung setzt die richtigen ökonomischen Anreize – damit Verbraucher den Versicherungsschutz haben, den sie auch wirklich brauchen. 3. Betriebliche Altersvorsorge: Eigenverantwortung attraktiver gestalten Durch private Vorsorge übernehmen Verbraucherinnen und Verbraucher Eigenverantwortung fürs Alter. Damit tragen sie zur Stabilisierung der gesetzlichen Rente bei – und haben auch im Alter noch Geld für den Konsum. Die betriebliche Altersvorsorge muss reformiert werden. Sie behindert die Flexibilität am Arbeitsmarkt. Die Attraktivität der betrieblichen Altersvorsorge muss erhöht werden, damit Verbraucher beim Wechsel des Arbeitsplatzes nicht draufzahlen. 2 Verbraucher vor der Wahl: Positionen zur Bundestagswahl 4. Überschuldete Haushalte können nicht konsumieren Mehr als drei Millionen Haushalte sind überschuldet, so viele wie noch nie. Doch überschuldete Haushalte können nicht konsumieren – für die Belebung der Kaufkraft fallen sie aus. Überbordende Bürokratie beim Insolvenzrecht und ein fehlender Zugang zu Girokonten verschlimmern die Lage überschuldeter Haushalte zusätzlich. Reformen an diesen Punkten tragen dazu bei, Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden und die dringend notwendige Kaufkraft wiederherzustellen. Die Aufklärungsarbeit zur Schuldenvermeidung und die Beratung der Verbraucherzentralen bei drohender und bestehender Überschuldung müssen stärker öffentlich gefördert werden. 5. Energieeffizienz: Damit sich sparen richtig lohnt Unser Land ist weltweit führend bei intelligenten Technologien. Ob bei Autos, Kühlschränken oder der Heizung – Energieeffizienz schont die Umwelt, entlastet Verbraucher und gibt Impulse für Investitionen. Energieeffizienz setzt auf die Stärken unserer Wirtschaft: Eine konsequente Kennzeichnung des Energieverbrauchs von Autos, Haushaltsgeräten und Wohngebäuden setzt Anreize für eine gezielte Nachfrage – und belohnt innovative Unternehmen. 6. Abfallgebühren: Effiziente Systeme lassen Geld fürs Einkaufen Deutschland hat ein Spitzensystem der Müllverwertung. Doch die Kostenbelastung der Verbraucher durch die Abfallentsorgung steigt immer weiter. Gleichzeitig bestehen von Kommune zu Kommune erhebliche Kostenunterschiede. Die Unterschiede deuten auf erhebliche Effizienzreserven hin - die Gebühren müssen also runter und dürfen nicht noch weiter steigen. Schließlich gilt auch für den Müll: Jeder Euro, den die Verbraucher für ineffiziente Systeme zahlen müssen, fehlt der Binnennachfrage. 7. Bauvertragsrecht: Neue Impulse für die Bauwirtschaft Private Bauherren werden als Investoren umworben. Wie jeder Investor wollen sie darauf vertrauen können, dass ihre Investitionen sicher sind. Doch undurchsichtige Bauangebote, Zahlungspläne, mit denen Geld ohne Gegenleistung verlangt wird, Baumängel, rechtliche Unsicherheiten und das Risiko, Opfer eines Baukonkurses zu werden, verunsichern private Bauherren. Die Beratungspraxis der Verbraucherzentralen zeigt: Private Bauherren brauchen einen besseren rechtlichen Schutz. Ein privates Bauvertragsrecht schafft Investitionssicherheit und stellt das Vertrauen privater Bauherren in die Leistungsfähigkeit von Bauwirtschaft und Handwerk wieder her. 3 Verbraucher vor der Wahl: Positionen zur Bundestagswahl 8. Digitaler Verbraucherschutz: Vertrauen für einen Wachstumsmarkt Internet und E-Commerce zählen zu den Wachstumsbranchen. Doch der digitale Verbraucherschutz funktioniert nicht: Werbemüll per E-Mail, Betrügereien beim Online-Banking und Online-Shopping sowie die ungehemmte Datensammelei im Internet untergraben das Vertrauen der User. Der digitale Verbraucherschutz muss Vorrang bekommen: Entschiedene Maßnahmen gegen Spamming, Phishing und Datenklau müssen das Internet wieder zu einem Marktplatz machen, auf dem sich Verbraucher sicher bewegen können – und Geld ausgeben. Die Signale, die die Verbraucherzentralen in ihrer Sensorfunktion zu diesen Problemen an die Politik weitergeben, müssen ernstgenommen werden. 9. Lebensmittel aus Deutschland: Chancen für Landwirtschaft und Handwerk Die Landwirtschaft und das Lebensmittelhandwerk sind in der Krise. Hochwertige Lebensmittel wie Milch werden in Discountern verramscht, handwerklich arbeitende Bäckereien und Fleischereien schließen reihenweise. Hühnereier aus Freilandhaltung, Lebensmittel aus der Region, Bäcker, die auf Handwerk statt auf billig importierte Fertigware setzen – die Nachfrage der Verbraucher nach Spitzenqualität ist da. Doch damit Verbraucher auch gezielt nachfragen können, brauchen sie zum Beispiel eine klare Herkunftskennzeichnung. So haben auch Arbeitsplätze in Deutschland eine Chance. 10. Verbraucherbildung: Nur kluge Kunden kaufen innovative Produkte Das PISA-Debakel gilt nicht nur für die Fächer Deutsch und Mathematik, sondern auch für die Verbraucherbildung. Auf dem Weg in die Wissensgesellschaft ist Deutschland aber auf kluge Köpfe angewiesen. Um im globalen Wettbewerb bestehen zu können, brauchen die qualitätsund innovationsorientierten deutschen Unternehmen kluge Konsumenten, die in der Lage sind, Qualität, seriöses Geschäftsgebaren und eine nachhaltige Produktion zu honorieren. Eine bessere Verbraucherbildung in Schulen und Kindergärten und eine Stärkung der Informationsarbeit der Verbraucherzentralen schaffen dafür die Voraussetzung. Wenn Sie mehr wissen wollen – unser „Plädoyer für eine nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik für die Legislaturperiode 2005 bis 2009“ (verbraucherpolitische Wahlprüfsteine) finden Sie unter www.verbraucherzentrale.de und unter www.vzbv.de/wahlpruefsteine 4