Ursachen von Verhaltensstörungen - - - rungen, wahrscheinlich muss man aber von einem Zu- In aller Regel wirken mehrere Ursachen in einem sammenwirken aller Erklärungsansätze ausgehen. längeren Prozess zusammen. 1) Die Ursachen liegen in den individuellen Anla- Im Sinne Freuds und seiner Nachfolger sind Verhaltens- gen, den Selbstbestimmungstendenzen u. Um- störungen das Ergebnis unangepasster psychischer weltgegebenheiten (wobei der Einfluss der Fami- Prozesse. Sie entstehen, wenn Kinder ein Selbstkonzept lie i.d.R. am größten ist) entwickeln, dass Gefühle wie Schuld, Angst, Unzuläng- Es gibt keine Gesetzmäßigkeiten: versch. Ursa- lichkeit usw. internalisiert. chen können zu gleichen Ergebnissen führen Freud entwickelte ein Modell, nach dem Menschen von und gleiche Ursachen zu untersch. Ergebnissen. Trieben beherrscht sind u. im Laufe der sog. psycho- Die psychoanalytische Schule sexuellen Entwicklung lernen, diese zu beherrschen. Die Erklärungsansätze für Verhaltensstörungen psycho-sexuelle Entwicklung verläuft in drei Phasen bis Der medizinische Ansatz zum 6. Lebensjahr. Werden die Entwicklungsaufgaben Hier stehen organische Schädigungen als Ursache dieser Phasen nicht bewältigt, kann das Auswirkungen von Verhaltensstörungen im Fokus der Wissenschaft- auf das gesamte Leben haben. Diese Menschen ha- ler. Solche Schäden können vor der Geburt, wäh- ben eine labile Grundstruktur und in Versuchungs- oder rend der Geburt bzw. während des gesamten Le- Versagungssituationen können sich best. Symptome bens (Unfälle, Virusinfektionen) auftreten und sich zeigen: Neurosen, Perversionen, Kriminalität, Sucht usw. negativ auf Gehirn und Nervensystem auswirken, auf Als Voraussetzung für eine gesunde Entwicklung beto- die Erbanlagen oder das Hormonsystem. Besonders nen Psychoanalytiker ein kindgerechtes Verhalten der verletzlich sind Kinder zwischen 0 und 4 Jahren, da Bezugspersonen, sich hier das Gehirn sehr schnell entwickelt und recht Grundbedürfnisse nach Liebe u. Zuwendung, Sicherheit anfällig ist. u. Beachtung. Um Verhaltensstörungen zu behandeln greifen Medi- Zur Bewältigung belastender Umstände entwickeln ziner (u.a.) zu Medikamenten. Menschen best. Abwehrmechanismen. Die bekanntes- die Befriedigung der kindlichen ten sind Verdrängung, Verleugnung, Sublimierung, ProDer humanethologische Ansatz jektion (Übertragung auf andere), Regression, aber Er beschäftigt sich mit der Entstehung und Entwick- auch Humor zählt dazu. Abwehrmechanismen verlau- lung menschlichen Verhaltens im Zuge der Evolution. fen unbewusst und haben eine Schutzfunktion. In über- Das Verhalten heutiger Menschen wird als Anpas- steigerter Form sind sie allerdings krankhaft. sung an frühere Lebensbedingungen gesehen. Dies Um Verhaltens- u.a. psych. Störungen zu behandeln ist ist nicht immer adäquat für die heutige Welt, so dass bei Freudianern die Psychoanalyse erste Wahl. manche Menschen, die sich gemäß ihres biologischen Erbes verhalten heute als abnormal angese- 2) der Individualpsychologische Ansatz hen werden. Verhaltenssteuernd wirken laut etholo- Begründer dieses Ansatzes ist Alfred Adler. Er ging da- gischer Forscher auch heute noch das Rangstreben, von aus, dass Kinder mit einem Minderwertigkeitsgefühl die Familialität, die Bereitschaft, anderen zu folgen ihre Welt erleben. Dies ist organisch bedingt (sie können und zu gehorchen, die Neigung geschlossene Grup- sich noch nicht selbst versorgen, brauchen Hilfe) und pen zu bilden und die Territorialität. Allerdings wirken wirkt zugleich belastend, als auch stimulierend für die diese Verhaltensprogramme nicht vollkommen be- weitere Entwicklung. Im Laufe der Zeit gehen die Min- stimmend über Menschen, sondern sind durch Erzie- derwertigkeitsgefühle zurück und es bildet sich ein posi- hung modifizierbar. tives Gemeinschaftsgefühl. Individualpsychologen legen ihren Fokus auf die Familie, Psychologische Ansätze Die versch. psych. Schulen stellvertuend für die menschliche Gemeinschaft. Erfährt haben je andere das Kind in diesem Rahmen Ablehnung, Härte oder aber Schwerpunkte bei der Erklärung von Verhaltensstö- auch unrealistische Anforderungen verkümmert das 1 Gemeinschaftsgefühl. Diese Kinder können nicht ver- Ein neuerer Ansatz (1970er) ist der des „labeling- trauen und wenden sich mit Aggressionen, Lügen, approach“ (u.a. GOFFMANN 975) der zur Erklärung von Stehlen, Faulheit usw. gegen die Gemeinschaft. Verhaltensstörungen Psych. Therapien sollen helfen, diese Verhaltensstö- zieht. Demnach nähern sich Menschen immer mehr der rungen wieder rückgängig zu machen. ihnen aufgesetzten Etikette an. Allerdings kann dieser Stigmatisierungsprozesse heran- Ansatz nur erklären wie sich eine negative Entwicklung 3) der lerntheoretische Ansatz steigern kann, nicht aber die eigentliche Ursache. Trotz Nach Lerntheoretikern ist alles Verhalten – in Verbin- allem ist das Wissen um diesen Prozess wichtig, da ge- dung mit Anlagen und Selbstbestimmung – gelernt. rade Kinder und Jugendliche durch Typisierung u. Stig- Das klassische Konditionieren ist wesentlich an der matisierung in ihrem Verhalten wesentlich zu beeinflus- Übernahme von Normen bzw. der Gewissenbildung sen sind. beteiligt. So werden best. Hemmungen aufgebaut (sozial unangepasstes Verhalten vermeiden) u. sozial Die pädagogische Sicht angepasstes Verhalten gefördert. Allerdings ist „an- Verhalten wird hier als Interaktion von Mensch u. Um- gepasst“ immer im sozialen Kontext des Kindes zu welt verstanden was seine ganz eigene Dynamik hat. verstehen. In best. Milieus ist Kriminalität u. drgl. Beeinflusst wird es sowohl durch Persönlichkeitsvariablen durchaus angepasst und wird früh gelernt. als auch durch Umweltbedingungen. Unter pädag. Operantes Konditionieren trifft man überall im Alltag. Aspekt hat das Erziehungsverhaltender Eltern wahr- Menschen sind immer auf der Suche nach der Ursa- scheinlich die größte Bedeutung. Nachweislich negativ che von Konsequenzen. So werden z.B. aggressive wirken sich Erziehungsweisen aus, die das Kind beherr- Verhaltensweisen gelernt, wenn man damit Erfolge schen (autoritäre Erziehung) und so aggressive Tenden- verbuchen kann oder einfach nur ein gutes Gefühl zen nach einer aggressiven Handlung verspürte. grundlegt, Erziehung die das Kind gewähren lässt und Große Bedeutung hat auch das Modelllernen. Mo- ihm keine Grenzen zeigt (kann u.a. zu Egoismus, delle können Verwandet, Freunde usw. sein, aber Herrschsucht u. unrealistischen Selbstbild führen) oder auch Filmhelden. (Lebendige Modelle sind allerdings auch inegale Erziehung die Unsicherheit u. Angst beför- wirkungsvoller.) dert, aber auch dazu führen kann, dass die Kinder Er- Nicht außer Acht lassen sollte man auch den Prozess zieher gegeneinander ausspielen. der Gewöhnung als einen der primitivsten Lernprozesse. Aus der pädagogischen Forschung kommen auch Er- Um Verhaltensstörungen zu therapieren ist hier die kenntnisse zu Kindesmisshandlung als Ursache von Ver- Verhaltenstherapie das Mittel der Wahl. haltensstörungen. wecken oder resignativ-ängstliches Gemeint sind damit Verhalten körperliche (Schlagen, Fesseln usw., sexuelle Misshandlung) und seeDie soziologische Sicht Soziologen untersuchen lische Verletzungen (Liebesentzug, Ablehnung, Drohundas Zusammenleben gen u. Einschüchterungen, ungerechtfertigte Schuldzu- menschlicher Gemeinschaften. Verhaltensauffällig- weisungen usw.) des Kindes, die bewusst herbeigeführt keiten betrachten sie vor dem Hintergrund von aus- sind oder aus Vernachlässigung resultieren. gesprochene oder unausgesprochenen Regeln. Von Kindesmisshandlung sind alle Altersgruppen betrof- Auf Emil Durkheim zurückgehend ist der Ansatz der fen, bes. aber Kinder bis zum 6. Lebensjahr. Opfer von Wert-Mittel-Diskrepanz. Es gibt best. gesellschaftl. Misshandlungen können viele versch. Symptome von Werte u. institutionalisierte Mittel, diese zu erreichen. Verhaltenstörungen zeigen. Bei Säuglingen sind Ent- (z.B. den Wert schulischen Erfolg) Nun kann es sein, wicklungsverzögerungen u. Ess-Störungen typisch, bei dass Einzelne diese Werte nicht teilen oder aber die Kleinkindern Mittel zur Erreichung nicht einsetzen können/ wollen Stimmungsschwankungen. Schulkinder zeigen oft Lern- und sich abweichend verhalten (z.B. lügen, betrü- störungen u. Symptome von ADHS. Bei Jugendlichen gen, stehlen usw.). kommt es zu kriminellen Verhalten oder Selbsttötungs- Spielbeeinträchtigungen u. auffällige versuchen. 2 Weitere Belastungsfaktoren für die kindliche Entwicklung. Schwere Belastungen sind bspw.: Scheidung der Eltern, Tod eines Familienmitglieds, schlimme Erkrankungen, Sucht (selbst oder der Eltern), unerwünschte Schwangerschaft, Gefängnisaufenthalt. In Belastungssituationen schlucken Kinder vieles herunter. Mitunter fehlen ihnen einfach die Worte oder sie trauen sich nicht, etwas auszusprechen, aus Angst die Eltern traurig zu stimmen oder zu verärgern. Sie wirken überangepasst oder sind aggressiv gegen sich selbst, provozieren oder entwickeln Essstörungen. 3