Anästhesie bei Kindern mit Verhaltensstörungen Andreas Machotta Sophia Children's Hospital Erasmus University, Medical Center Rotterdam, Netherlands Kein Interessenskonflikt Verhaltensstörung ICD 10 Maladaptive sozial-emotionale Reaktionen und Handlungsweisen Normabhängig Ausdruck gesellschaftlicher Erwartungen Definition Grobe Abweichung Zeit-, oder gruppenspezifischen Erwartungsnormen Kultur,- Längerer Zeitraum mit großer Häufigkeit und hoher Intensität Mindestens zwei Lebensbereichen Beeinträchtigung der Entwicklungs-, Lern,- und Arbeitsfähigkeit sowie die Interaktionsfähigkeit Linderkamp F, Grünke M. Lern- und Verhaltensstörungen. GeneseDiagnostik-Intervention. ISBN 978-3-621-27635-1, 2007 Einteilung der Verhaltensstörungen Externalisierend (unterkontrolliertes Verhalten) - Störungen des Sozialverhaltens - ADHS - Oppositionelles Trotzverhalten Internalisierend (überkontrolliertes Verhalten) - Angststörung - Juvenile Depression Prävalenz der Verhaltensstörungen Externalisierende Störungen (w / m) - Oppositionelles Trotzverhalten 2,5 / 4,5 % - Störungen des Sozialverhaltens 1,3 / 3,9 % - ADHS 3 – 6 % Internalisierende Störungen - Ängste 10 – 15 % (3 - 4 % mit Funktionseinschränkungen) - Depressionen 6 % (mehr Mädchen als Jungen) Linderkamp F, Grünke M. Lern- und Verhaltensstörungen. GeneseDiagnostik-Intervention. ISBN 978-3-621-27635-1, 2007 Komplexes biopsychosoziales Entwicklungsmodell Biologisches Risiko - Z.B.Gendefekt Umweltbedingungen entscheidend für die Ausprägung - Wechselwirkung von biologischen, psychischen und sozialen Faktoren - Risikofaktoren - Schutzfaktoren Biopsychosoziales Modell Raine A. Journal of abnormal child psychology 2002;30(4):311-26 Neurobiologisches Modell Dysfunktionale Transmittersysteme - Ausprägung der Störung durch soziale Interaktion und Reaktionsmuster des Kindes Verhaltensstörung als psychiatrische Erkrankung - Prävalenz 1 -4 % - Juvenile Depression - Bipolar disorder „Disruptive behavioiur“ Goldstein BI et al. The Israel journal of psychiatry and related sciences 2012;49(1):3-14. Diagnose „Bipolar disorder“ Papolos DF, Bronsteen A. Current opinion in pediatrics 2013;25(3):419-26.. Psychotherapeutische Verfahren Verstärkung der Schutzfaktoren und Minderung der Risikofaktoren Kind zentrierte Interventionen - Kognitive Verhaltenstherapie - Operante Methoden - Entspannungstechniken Familien- und Kontext-zentrierte Verfahren - Elternberatung und -training Pharmakologische Therapie ADHS - Methylphenidat Bipolar disorder - Litium - Carbamazepine - Atypischen Antipsychotika Risperidone, Olanzapine u.ä. Juvenile Depression - Selektive Serotonin Reuptake Inhibitoren (SSRI) Citalopram, Fluoxetine u.ä. Thomas T, Stansifer L, Findling RL.. Pediatric clinics of North America 2011;58(1):173-87. Medikamentenassoziiert - SSRI, Fentanyl, Tramadol Symptome - Tremor, Tachycardie, Rhabdomyolyse, Hyperthermie Boyer EW, Shannon M. The serotonin syndrome. The New England journal of medicine 2005;352(11):1112-20. Atypische Antipsychotika Risperidone, Clozapin Hypotension durch Blockade des Alpha-2-Rezeptors - Neuraxialer Blockade - Allgemeinanästhesie Williams JH, Hepner DL. Anesth Analg 2004;98(1):240-1. Doherty J, Bell PF, King DJ. International journal of obstetric anesthesia 2006;15(1):59-62. Auswirkungen auf die Praxis Verhaltensauffällig, verhaltensgestört oder psychisch krank? - Häufig Kinder mit auffälligem Verhalten Exakte Bewertung oder Diagnosestellung als Anästhesist nicht möglich - Manchmal Kinder mit eindeutiger Diagnose Z.B ADHS - Wenige Kinder und Jugendliche mit Psychopharmaka Vorbereitung Altersgerechte Information - Was passiert, wann - Was spüre ich - Was ist ein Anästhesist Einsatz von Spieltherapeuten - Vermitteln von Bewältigungsstrategien - Erlernen von Entspannungstechniken Yip P et al.Cochrane Database Syst Rev 2009(3):CD006447. Psychiatrische Erkrankungen Genaue Medikamentenanamnese - Medikamente am OP-Tag einnehmen - Interaktionen mit Anästhetika und Analgetika beachten - Ggf. Plasmaspiegel präoperativ Bei Angststörungen Anxiolyse erwägen - Midazolam 0,5 mg p.os Wünsche des Patienten und der Bezugsperson (Eltern) beachten Anwesenheit Bezugsperson bei der Einleitung Zusätzlicher materieller und personeller Aufwand - Umkleidemöglichkeiten - Begleit-Service - Psychische Betreuung Eindeutige Datenlage - Kein Effekt - „Endpoint problem“ Elternanwesenheit Die Anwesenheit der Eltern vermindert nicht die Angst des Kindes – gemessen am mYPA-Score - Scores sind Momentaufnahmen - Krankenhausperspektive Keine Information - Einfluss Eltern-Kind-Beziehung - Wirkung von Transparenz - Wirkung auf das eigene Handeln Kain ZN et al. Paediatric anaesthesia 2006;16(6):627-34. Kain ZN. Curr Opin Anaesthesiol 2001;14:331-7. Entspannung und Ablenkung Einfache Enspannungstechniken - Cartoon zählen Venenpunktion - Kind nach Anlegen der Staubinde auffordern, die Hand auf den Kopf zu legen Machotta A. Anasthesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2010;45(6):378-82. Einsatz von Smart-Phone Ablenkung - Videos während der Einleitung - Einsatz von interaktiven Apps Low DK, Pittaway AP Pediatr Anesth 2008; 18: 573-574 Postoperative Schmerztherapie Verhaltensauffällige Kinder werden sich auch postoperativ anders verhalten Sie haben ein Recht auf eine effektive Schmerztherapie Mögliche Interaktionen von Psychopharmaka und Analgetika beachten - Ketamin und Methylphenidat Ririe DG et al. Paediatric anaesthesia 1997;7(1):69-72. Zusammenfassung Die Prävalenz von Verhaltensstörungen beträgt ca. 5% Verhaltensstörungen entstehen aufgrund eines biologischen Risikos im Zusammenwirkung mit modulierenden Umweltfaktoren Verhaltensauffälligkeiten können der erste Hinweis auf eine schwere neurologische, metabolische oder psychiatrische Erkrankung sein Bei der medikamentösen Therapie mit Psychopharmaka können Wechselwirkungen mit Anästhetika und Analgetika auftreten Kinder mit auffälligem Verhalten verlangen eine gute präoperative Vorbereitung und eine intensive Betreuung Mehr Fragen als Antworten www.machotta.com