Feedback Keine Einbahnstraße Anerkennung, Kritik und Ansporn: Mit fachmännischem Feedback punkten Vorgesetzte bei ihren Mitarbeitern und pushen den Erfolg ihrer Abteilung. Doch wie gibt man konstruktive Rückmeldungen? Und wie steckt man selber die Kritik seiner Mannschaft weg? Feedback: sperriges Thema Bei BASF können die Mitarbeiter Blumen sprechen lassen — und zwar als Feedback für ihren Vorgesetzten. Dafür legte der Konzern im Juni dieses Jahres extra ein Gartenbeet vor dem Gesellschaftshaus in Ludwigshafen an. Wer mit seinem Entwicklungsgespräch zufrieden war, pflanzte eine gelbe Blume, wer es neutral bewerten wollte, nahm eine weiße, und wer enttäuscht war, griff zu einer blauen Sorte. Parallel stimmten rund 3.200 Mitarbeiter online ab. Die Farbverteilung zwischen gelb, weiß und blau hielt sich in etwa die Waage. „Feedback ist ein sperriges Thema“, sagt Anke Schmidt, Senior Vice President Employee Development bei BASF und Mitinitiatorin der Aktion. „Damit wollten wir Feedback zum Gesprächsthema machen und etwas Leichtigkeit in die ernste Materie bringen.“ Dafür ist es höchste Zeit. Denn Feedbackgesprächen eilt oft ein schlechter Ruf voraus. Zugleich aber gewinnt das Thema an Bedeutung. „Mitarbeiter sind heutzutage permanenten Veränderungen ausgesetzt — durch sich ändernde Ziele, neue Teams, wechselnde Vorgesetzte“, erklärt Anja Beenen, Geschäftsführerin der Profil M Beratung für Human Resources Management im rheinischen Wermelskirchen. „Feedback gibt Mitarbeitern die Sicherheit zu wissen, ob sie auch unter neuen Bedingungen den Erwartungen entsprechen.“ In der Tat eine wichtige Frage für Teammitglieder — die aber leider oft unbeantwortet bleibt. „Im Tagesgeschäft geht Feedback häufig unter“, so Beenen. Zugleich schießen in vielen Unternehmen Jahresgespräche und Leistungsgespräche wie Pilze aus dem Boden. Reines Pflichtprogramm für Vorgesetzte? Keine gute Entwicklung, findet die Mehrheit der deutschen Arbeitnehmer. Dies zeigt eine repräsentative Studie, für die die Metaberatung in Düsseldorf 1.100 Arbeitnehmer hierzulande interviewt hat. 61 Prozent der Befragten bezeichnen diese Feedbackrunden als reines Pflichtprogramm der Führungskräfte, 55 Prozent empfinden die Bewertungen gar als unzutreffend oder willkürlich. Kein gutes Feedback, das die Mitarbeiter Deutschlands Vorgesetzten da ausstellen. Für Dr. Konrad Schoppel, Head Skills & Leadership Development bei Novartis Pharma in Nürnberg, ist das freilich keine Überraschung: „Gutes Feedback sollte wie ein maßgeschneiderter Mantel sitzen. Das lernen Führungskräfte bereits in Basis-Seminaren.“ Im Berufsalltag hat Schoppel es jedoch erlebt, „dass Feedback wie ein nasses Handtuch dargereicht wird“. Missverständnisse seien die Normalität, nicht die Ausnahme. „Führungskräfte müssen lernen, dass Auf-den-Tisch-hau-Tiraden in keiner Weise zielführend sind“, fordert er. Gutes Feedback erfordert Menschenkenntnis Die Mehrheit der Personalchefs hierzulande teilt Schoppels kritischen Blick. Dies zeigt eine Untersuchung der ifp Personalberatung Managementdiagnostik in Köln unter mehr als 100 Personalmanagern aller Branchen. 70 Prozent von ihnen sehen Diskrepanzen zwischen der gelebten und der festgeschriebenen Feedbackkultur in ihrer eigenen Firma. Schuld daran sei unter anderem das schlechte Vorbild, das die Führungsriege in Sachen Rückmeldungen abgibt. „Bataillone von Vorgesetzten haben gelernt, dass man loben soll“, so Schoppel. Aber das gängige Lob mit der Gießkanne „Das war super!“ bringe wenig. Seine Forderung: Für ein gutes Feedback braucht es Menschenkenntnis — und es sollte auf den Persönlichkeitstyp des jeweiligen Mitarbeiters ausge- richtet sein. Empathische Menschen etwa freuen sich über das Lob „Toll, Sie im Team zu haben“. Analytikern aber sagt das gar nichts. Sie kann man nur mit einer detaillierten Aufzählung ihrer Leistungen loben. Fokussierung auf Mitarbeiterentwicklung Auch BASF setzt daher auf das Feintuning in Sachen Feedback. So lernen die Führungskräfte des Chemie-Konzerns zum Beispiel, dass ein Vier-Augen-Gespräch allein für die Mitarbeiterentwicklung nicht ausreicht. Sie sollen das Gehörte auch mal sacken lassen und im zweiten Schritt mit Kollegen beraten. „Nach diesen Personalklausuren ist ihr Feedback fundierter, weil es nicht nur ihre persönliche, spontane Einschätzung widerspiegelt, sondern auch die Urteile anderer Führungskräfte berücksichtigt“, sagt Personalerin Schmidt. Einfach wird die Mitarbeiterbeurteilung durch das Sechs-und-mehr-Ohren-Prinzip natürlich nicht — im Gegenteil. „Eine stärkere Fokussierung auf die Mitarbeiterentwicklung verlangt allen Beteiligten mehr Engagement ab“, räumt Schmidt ein. Einerseits müssen die Mitarbeiter ihre Fähigkeiten und Ziele gut einschätzen und kommunizieren; andererseits müssen die Vorgesetzten gut zuhören, um gezielte Rückmeldungen geben zu können. Damit die Bewertungen künftig professioneller ablaufen, investiert BASF einen zweistelligen Millionenbetrag in das Mitarbeiterentwicklungsprogramm. Arbeitgeberbewertung im Internet Gut investiertes Geld. Denn wenn sich Mitarbeiter unverstanden fühlen, kann ihre Unzufriedenheit schnell aus dem Ruder laufen — und ihrem Arbeitgeber erheblich schaden. Soziale Netzwerke stellen hier eine ernstzunehmende Gefahr dar. Besonders U30-Mitarbeiter sind mit der Kommentarkultur von Facebook & Co. aufgewachsen. Was ihnen stinkt, wird nicht nur auf den Firmenfluren weitergetratscht, sondern auch im Internet. Auf Arbeitgeberbewertungsportalen wie kununu.com, Jobvoting.de oder meinchef.de machen sich Angestellte aller Branchen Luft — und zwar völlig undiplomatisch und unkontrolliert von ihren Arbeitgebern. Klare Worte wählen So weit sollten es Vorgesetzte gar nicht erst kommen lassen — zumal sich professionelle Rückmeldungen auch für sie selbst auszahlen. Feedback kann schlechte Leistungen korrigieren, künftige Fehler vermeiden, die Teammitglieder weiterentwickeln und so auch den gesamten Abteilungserfolg ankurbeln. Eine wichtige Regel lautet: bloß nicht zu zögerlich! „Vielen Vorgesetzten fehlt der Mut zum offenen Wort“, warnt Beenen. Um ihre Leute nicht zu ver­letzen, bleibe ihre Kritik zu vage. „Damit schneiden sie sich aber ins eigene Fleisch“, so die Beraterin. „Denn ein Larifari-Feedback wiegt die Betroffenen in Sicherheit und führt so zu weiteren Problemen.“ Ein Beispiel: Einem Mitarbeiter „penibles Arbeiten“ zu attestieren, wird von diesem womöglich als Lob auf-gefasst, selbst wenn der Chef damit eigentlich dessen kleinkarierte und schleppende Aufgabenerfüllung kritisieren wollte. Für klare Worte ist auch Daniela Hein, Leiterin Personalentwicklung bei Clariant in Frankfurt am Main. Ihre Leitlinie: „Klar und präzise eine Situation schildern und dem Gegenüber die Konsequenzen des Verhaltens verdeutlichen.“ Und das alles möglichst sofort. Alle Rückmeldungsgespräche notiert sich Hein in einem Feedback-Tagebuch. So fließen Leistung und Verhalten ihrer Mitarbeiter auch im Jahresgespräch mit ein. Das ideale Feedback Ein ideales Feedbackgespräch im Arbeitsalltag läuft so ab: Gut vorbereitet bittet der Vorgesetzte den Mitarbeiter um ein Gespräch. Nach einer freundlichen Eröffnung schildert er den speziellen Sachverhalt mit neutralen Worten und bittet sein Gegenüber um eine Stellungnahme. Daraufhin folgt eine Diskussion über Ursachen und Folgen des Verhaltens. Abschließend vereinbaren beide das künftige Ver- halten in ähnlichen Situationen, und der Vorgesetzte schließt die Zusammenkunft mit verbindlichen Worten. Ein Beispiel: Möchten Sie einem Mitarbeiter mitteilen, dass er von den Kollegen als arrogant wahrgenommen wird, schildern Sie ihm eine ganz konkrete Situation — etwa aus einer Teamsitzung, in der er Kollegen schroff abkanzelte — und erklären ihm dann, wie dieses Verhalten auf die anderen Teilnehmer wirkt. Anschließend überlegen Sie gemeinsam, was der Mitarbeiter bei der nächsten Sitzung tun könnte, um just diese Signale künftig nicht mehr zu senden, beispielsweise die Kollegen explizit um ihre Meinungen zu bitten, geduldig zuzuhören und sie ausreden zu lassen. Nach dieser Vereinbarung sollte der Mitarbeiter das Gefühl haben, wichtige Hinweise zu seiner weiteren Entwicklung bekommen zu haben, die er selber mit vorantreiben kann. OSCAR-Methode Hein geht sogar noch ein Stück weiter: „Gutes Feedback muss wie der Oscar sein“, sagt die ClariantPersonalerin. „Man sollte dankbar sein, es zu erhalten, und es soll zu noch besseren Leistungen anspornen.“ In den Entwicklungsseminaren der Spezialchemiefirma lernen daher alle Teilnehmer, wie sie Feedback nach der Oscar-Methode verteilen. OSCAR steht hier als Kürzel für die richtige Methode, Rückmeldungen zu verteilen: Observieren, Situation (schildern), Consequences/Konsequenzen (aufzeigen), Alternativen (vorschlagen), Resultate (erläutern). Doch damit nicht genug: Auch Mitarbeiter sollen sich bei Clariant gegenseitig Oscars verteilen, und selbst Chefs sollen nach diesen Prinzipien bewertet werden. Ein geschickter Schachzug: Denn die Möglichkeit, auch den eigenen Vorgesetzten zu bewerten, wünschen sich die meisten Arbeitnehmer. Gemäß der Metaberatung-Repräsentativstudie fordern satte 79 Prozent der Angestellten hierzulande, dass Feedback keine Einbahnstraße sein darf. Wichtige Voraussetzung: Offenheit Kritik anzunehmen und einzustecken wird so zu einer neuen Kompetenz für Führungskräfte. Bei einem 360-Grad-Feedback etwa werden Vorgesetzte von ihrem gesamten Umfeld bewertet — neben ihren Mitarbeitern auch vom eigenen Vorgesetzten, von Kollegen und von Kunden. Beurteilt werden kann alles vom Informations-, Gesprächs- und Konfliktverhalten der Führungskraft bis hin zu ihren Fähigkeiten zur Delega-tion von Aufgaben und zur Förderung der Teammitglieder. Voraussetzung für solch eine Panorama-Röntgenaufnahme: Vorgesetzte müssen dafür bereit sein. Pro forma um die Meinung seines Umfelds zu bitten, bringt gar nichts. „Wer seine Mitarbeiter mit verschränkten Armen um Feedback bittet, kommt unglaubwürdig rüber“, warnt Schoppel von Novartis. Dasselbe gilt, wenn man bei der leisesten Kritik sofort eine Rechtfertigungsrede beginnt. Offenheit ist also oberste Vorgesetztenpflicht. Keine leichte Forderung, wie Schoppel aus eigener Erfahrung weiß. Bei Novartis bekommen Vorgesetzte in Workshops gleich ein geballtes Feedback von ihrer versammelten Mannschaft und erarbeiten dann gemeinsam mit ihr eine Feedbackkultur für die Zukunft. Das Prozedere hat es allerdings in sich. Während sich das Team berät, wird die Führungskraft selber vor die Tür geschickt. Die erste Viertelstunde beschäftigen sie sich meist noch mit ihren Blackberrys, nach einer halben Stunde aber machen sie sich Gedanken, was denn da so lange dauern kann. Genau diese Selbstreflexion ist Teil des Programms. Wenn der Chef dann wieder hereingebeten wird, ist er wesentlich offener für Kritik als ohne Bedenkzeit. Mutige Vorgesetzte also vor! Wer seine Führung wirklich verbessern will, hat jede Menge Chancen dazu. Er muss sich nur trauen, sie auch wahrzunehmen. JMG