1 Linguistik – Ausgearbeitete Themenkreise zur germanistischen MgrSZZk Semiotik ..................................................................................................................................... 1 Klassische Bereiche der Grammatikbeschreibung ............................................................... 6 Pragmatik ................................................................................................................................ 15 Textlinguistik (TL) ................................................................................................................. 22 Gesprächsanalyse (GA) .......................................................................................................... 33 Soziolinguistik (SL) ................................................................................................................ 40 Psycholinguistik (PL) ............................................................................................................. 53 Semiotik - vom griech. semeion abgeleitet = die allgemeine Wissenschaft von Zeichen - Was ein Zeichen ausmacht? - beschreibt Zeichenarten und Zeichensysteme - das menschliche Zeichenverhalten = der Sprachgebrauch - Zeichen (Wörter) → Bedingungen dafür, die Produkte des Denkens nach außen bringen - Semiotik gehört in die Nähe zur Erkenntnistheorie und Logik - Frage: Was ist es, das den Zeichencharakter ausmacht? → damit ist die Frage verbunden, ob dem Begriff eine Realität entspricht (Mittelalter: Diskussion zwischen Nominalisten und Realisten) - semiotische Fragestellungen tauchten auch in anderen Bereichen auf: philosophische Ästhetik, Lehre vom Kunstschönen, Musik, Malerei, bildende Kunst → eine allgemeine Wissenschaft von Zeichen und ihren Eigenschaften hat sich damals jedoch daraus nicht entwickelt - entscheidende Beiträge von: CH. S. PEIRCE (1839 – 1914) CH. W. MORRIS (1901 – 1979) FERDINAND DE SAUSSURE (1857 – 1913) - mit seinem Werk löst PEIRCE die Zeichenlehre aus ihrer Bindung an die philosophische Tradition → er hat die Charakteristika verschiedener Zeichenarten herausgearbeitet - er macht auf die Funktion des Zeichens im Zeichenverkehr (=Kommunikation) aufmerksam - DE SAUSSURE: sein Interesse galt allein dem sprachlichen Zeichen 2 - eine klare Abgrenzung des Zeichengebrauchs vom Zeichen selbst - Zeichen stehen nicht nur im Verhältnis zum Bezeichneten, zur Realität, sondern auch in einer Beziehung zu anderen Zeichen - Semiotik als eigenständige Disziplin konnte sich etablieren: Grund → Kommunikation gewinnt an Wichtigkeit in dem 20Jh. (Telekommunikation, Datenverarbeitung) Zeichen - Wörter, Verkehrstafel, die hohe Temperatur einer kranken Person, ... - Stellvertreter-Funktion: aliquid stat pro aliquo (etwas steht für etwas, ein Zeichen steht für ein Bezeichnetes) - Es gibt aber auch Zeichen, die auf keinen konkreten Gegenstand verweisen, aber trotzdem etwas bezeichnen (e.g. das rote Licht einer Verkehrsampel – der Fahrer muss halten). So können auch Vorstellungen, Abstrakta, Handlungen ... bezeichnet werden. Drei Typen von Zeichen (nach CH. S. PEIRCE): 1. r Index (Pl. Indices; oder Symptom) – Zeichen steht in einem Folge-Verhältnis zum Bezeichneten (e.g. ein Rauch als Anzeichen für ein Feuer) 2. Ikon (griech. Bild) – Zeichen im Abbildverhältnis (e.g. Piktogramme, onomatopoetische Ausdrücke) 3. Symbol – bezeichnende Funktion (e.g. Musiknoten) ad 1. Indexikalische Zeichen - Voraussetzung fürs Verstehen: Erfahrungswissen von der Welt (Weltwissen) - Wenn-Dann-Verhältnisse - die Folgeverhältnisse, auf denen Indexe beruhen, sind sehr verschiedener Art und unterschiedlicher Zuverlässigkeit bezüglich ihres Schlusses - Indices werden häufig nicht als Zeichen anerkannt, sondern als Anzeichen von anderen Zeichentypen abgegrenzt – der Grund dafür ist, dass sie sich aus den Zusammenhängen der Situation ohne Intention, d.h. ohne Absicht ergeben 2. Ikone - Voraussetzung: wir müssen wissen, wie die Dinge aussehen oder tönen und dass wir uns in den Techniken der Abbildung auskennen - Piktogramme = standardisierte Hinweissignale - der Zusammenhang von Ikonischem und Symbolischem zeigt sich auch schön in der Entwicklung der Schriftsysteme, e.g. Hieroglyphenschrift, chinesische Schrift → die 3 meisten dieser Schriftzeichen haben aber im Laufe der Entwicklung ihre Form (manchmal auch ihre Bedeutung) geändert und so ihren Abbildcharakter verloren 3. Symbole - deren Bedeutung wird Symbolen mittels Konvention zugesprochen - der Zusammenhang zwischen dem Symbol und dessen Bedeutung ist unmotiviert - Voraussetzung für das Verstehen: die Kenntnis der Konvention Ergänzungen: - die sog. lautmalerischen Wörter scheinen Ikone zu sein, Abbilder, nicht Symbole x trotzdem sind als symbolische Zeichen zu charakterisieren: der Grund dafür ist, dass diese Wörter nicht einfach Abbildungen sind, sondern sie müssen sich der Lautstruktur der jeweiligen Sprache anpassen. Die Laute werden nicht abgebildet sondern nachgebildet (vgl. die unterschiedlichen Fassungen der Lautäußerungen in verschiedenen Sprachen) - es entstehen manchmal Zuordnungsprobleme Verbale und nonverbale Zeichen - paraverbal – jene Informationen, die nicht selbst sprachlicher Natur sind, sich aber im sprachlichen Ausdruck manifestieren: v.a. Stimmenqualitäten (Mann x Frau, Stimmung usw. jm verraten können), mehrheitlich indexikalischer Art - nonverbal – existieren unabhängig von der Sprache (Gestik, Mimik, Blickkontakt, Körperhaltung, ... Kleidung), indexikalischer, ikonischer oder symbolischer Art Das semiotische Dreieck - der aktuelle Bezug auf ein Bezeichnetes, ein Referenzbezug, kann immer erst nur durch einen Zeichenbenutzer zustande kommen (Referenz kann nicht unabhängig von Subjekten gedacht werden) - CH. MORRIS hat diesen Sachverhalt im sog. Semiotischen Dreieck festgehalten (=ein Schema, das auch den Zeichenbenutzer mit einbezieht) 4 - die durchbrochene Linie soll anzeigen, dass diese Beziehung durch die Aktivität des Zeichenbenutzers bedingt ist Zeichentheoretische Grundunterscheidungen a/ Zeichen: Virtualität und Aktualität - e.g. das deutsche Wort Baum ist ein Muster (ein type), das in beliebig vielen Verwendungen als aktuelles Zeichen (als token) realisiert werden kann - Zeichen als Muster (type) – virtuell x realisiertes Zeichen (token) – aktuell - das virtuelle Zeichen verweist nicht auf ein bestimmtes Bezeichnetes; der Bezug darauf wird erst im Gebrauch des virtuellen Zeichens durch die Zeichenbenützer hergestellt; nur aktualisierte Zeichen haben eine Referenz b/ Zeichen: Situation, Kontext, System - Zeichen = Abstraktion - Zeichen – und insbesondere Sprachzeichen – sind eingebettet in weitere Kontexte 1. Zeichen werden in einem physischen, sozialen und psychischen Kontext aktualisiert, in einer Situation → wichtig für die Interpretation (!!! der Rahmen einer Gesamtsituation) 2. aus aktualisierten Einzelzeichen werden komplexe Zeichen aufgebaut (e.g. Wortkombinationen, Sätze, Texte) 3. die virtuellen Zeichen bilden eine Reihe von Systemen (e.g. die dt. Sprache) Zu unterscheiden sind zwei Systemaspekte: paradigmatische Beziehungen (= Beziehungen zwischen Zeichen gleicher Art bzw. gleicher Funktion) und syntagmatische Beziehungen (= Beziehungen zwischen Zeichen unterschiedlicher Art bzw. unterschiedlicher Funktion). c/ Zeichen und Kommunikation - die auffälligste Form des Zeichengebrauchs ist die Kommunikation, d.h. die Mitteilung von Gedanken an andere, die Regelung der Beziehungen zu anderen, die Koordination von Handlungen mit anderen 5 Das sprachliche Zeichen Die Struktur des sprachlichen Zeichens - Symbole besitzen eine Bedeutung → bilaterales Zeichen → d.h. einen gedanklichen Inhalt; die Fähigkeit einen Begriff mit einer Zeichenform zu verbinden - DE SAUSSURE: Zeichenmodell Zeichenform: signifiant (Zeichenausdruck) x signifié (Bedeutung) - 2 Realisationsformen der Sprache: die mündliche und die schriftliche Sprachform - signifiant – Lautbild x Schriftbild - DE SAUSSURE vergleicht signifiant und signifié mit der Vorder- und Rückseite eines Blattes Papier (Vorsicht! → wir können uns auch Zeichenformen ohne Bedeutung und gedankliche Konzepte ohne Zeichenform vorstellen) Der Charakter der Zuordnung von signifiant und signifié Die Zuordnung von Zeicheninhalt und Zeichenform ist: arbiträr, konventionell und assoziativ. a/ Arbitrarität - Ausnahme: onomatopoetische Ausdrücke, zusammengesetzte Wörter und Ableitungen b/ Konventionalität - sprachliche Regeln oder gesellschaftliche Norm c/ Assoziativität - Zeichen sind im Gedächtnis niedergelegt 6 - assoziiert werden können nur unterschiedliche, aber miteinander verbundene Gedächtnisinhalte Das sprachliche Zeichen im System - DE SAUSSURE: langue (=die Sprache, das Sprachsystem) x parole (=Bereich des Sprachgebrauchs, der Äußerungen und der Texte) Der sprachliche Wert - ein System können wir generell definieren als eine Menge Elementen, die in geordneten Beziehungen zueinander stehen = Struktur - ein sprachliches Element ist durch seine Position im Text, durch seinen Wert bestimmt Syntagma und Paradigma Syntagma (griech. für Zusammengesetztes) – e.g. ein Satz - ein sprachliches Element ist durch die Beziehungen zu anderen Elementen innerhalb des Syntagmas charakterisiert: 1. semantische Beziehung 2. grammatische Beziehung Paradigma (griech. für Beispiel) - Austauschklasse, die Elemente sind substituierbar 1. semantisches Paradigma 2. morphosyntaktisches Paradigma e.g. 3.Pers. Sg. x einwertiges (intransitives) Verb Grundlegende linguistische Betrachtungsweisen Die Untersuchung der Regularitäten der Kombination sprachlicher Einheiten nennt man Grammatik. Zeichen = Wort Wort = Zusammensetzung von Lauten, Morphemen Wörter werden zu Wortgruppen, Sätzen und Texten verbunden Zbytek viz Linke strany 40-42 Klassische Bereiche der Grammatikbeschreibung Grammatik (griech.) bedeutete ursprünglich die Lehre von Buchstaben, sehr früh verstand man jedoch unter diesem Begriff die Lehre von den Regeln des Sprachbaus. 7 Unter dem Aspekt der systematischen Regelhaftigkeit nennt man die Grammatik auch Systemlinguistik. Der Terminus „Grammatik“ ist mehrdeutig: 1. Lehre vom Sprachbau 2. Regeln für diesen Sprachbau (Gegenstand dieser Lehre) 3. menschliches Vermögen, Ausdrücke gemäß den Regeln einer Sprache zu bilden und zu verstehen 4. ein Buch, als das Produkt einer wissenschaftlichen Arbeit Gegenstände der Grammatik: a) Lehre vom Wort – innerer formaler Aufbau der Wörter (Morphologie) und die Wortarten b) Lehre vom Satz (Syntax) – die Lehre von den Regeln, nach denen man aus Wörtern Sätze bildet Die Grammatikschreibung betrieb man erst im 19. Jh. an historisch vergangenen Sprachstufen (Grammatik des Althochdeutschen); die Beschreibung von Gegenwartsprachen wurde erst im 20. Jh. als wissenschaftliche Disziplin anerkannt. Bestimmung der Grammatik: 1. extensional – Auflisten der Gegenstände, die dazu gehören 2. intensional – Definition der Grammatik und Erfassung der Merkmale, die den grammatischen Gegenständen gemeinsam sind ad 1. Extensionale Bestimmung: 1. Lehre vom Wort Hierher gehören: A) Wortklassen (Wortarten), - die nach grammatischen Kriterien gebildet werden - die sich aufgrund der formalen Eigenschaften der Wörter ergeben (z.B. Eigenschaft der Konjugierbarkeit) - die sich aufgrund der syntaktischen Verwendung ergeben B) Morphologie - Lehre vom Bau der Wörter, die Grundeinheit morphologischer Prozesse ist das Morphem C) Wortbildung - reguläre Bildung neuer Wörter aus vorhandenem Material D) Morphosyntax - die Lehre von syntaktischen Verwendungsmöglichkeiten bestimmter Wortformen 2. Lehre vom Satz 8 - sie betrifft Regeln, wonach aus Wörtern zusammengehörige Wortgruppen (Phrasen oder Satzglieder), einfache und zusammengesetzte (komplexe) Sätze gebildet werden - zur Lehre vom Satz gehört auch die Satztypologie: - Satzbaupläne (z.B. Subjekt + Prädikat +Akkusativobjekt) - Satzarten (Aussage-, Aufforderungs-, Fragesatz) 3. Laut und Buchstabe a) Phonologie/ Lautlehre – beschreibt Laute oder Phoneme b) Laukombinatorik/ Phonotaktik – welche Lautreihen sind in einer Sprache möglich Zur Phonologie gehören noch: Wort und Satzakzent, Intonation, Rhythmus, Pausen – suprasegmentale und prosodische Phänomene. c) Graphematik/ Schreibung – beschäftigt sich mit einzelnen Schriftzeichen oder Graphemen; Zwischen Buchstaben und Lauten bestehen Graphem-Phonem Korrespondenzen (das Grundprinzip lautet: jedem Laut seinen Buchstaben); Weitere Schriftzeichen: - Punkt, Komma (Grenzsignale für syntaktische Einheiten) – werden Satzzeichen/ Interpunktionszeichen genannt - Ideogramme – graphische Zeichen, die für ganze Wörter oder Begriffe stehen (Zahlzeichen wie 1, 2, 3... und Spezialzeichen wie §, %) d) Orthographie (Rechtschreibung) – ein Komplex von Schreibregeln einer Sprache d) Orthoepie – Regeln der lautlichen Realisierung einer Sprache 4. Text Den Ausgangpunkt bilden Phänomene innerhalb eines Satzes, die mit bloßem Blick auf den Einzelsatz nicht erfasst werden können (Verweiselemente – Pronomen; Verknüpfungselemente – deshalb, Wortstellung, Satzakzent...). Es lassen sich textsyntaktische und textgrammatische Regeln formulieren, wonach aus Texten Sätze gebildet werden. 5. Wortschatz und Lexikon Um sämtliche möglichen Ausdrücke einer Sprache umfassend beschreiben zu können, enthält die Grammatik ein so genanntes Lexikon – das Inventar sämtlicher Wörter einer Sprache mit all ihren Eigenschaften. Lexikologie – eine Lehre vom Wort, Form- und Bedeutungsseite und Eigenschaften der syntaktischen Verwendbarkeit. Mit der Schreibung von Wörterbüchern beschäftigt sich die Lexikographie. 9 ad 2. Intensionale Bestimmung: - erfasst Merkmale, die grammatischen Gegenständen gemeinsam sind Grammatikschreibung beschreibt die formale Seite sprachlicher Ausdrücke (signifiant). Semantik (sie beschreibt die Bedeutung sprachlicher Einheiten) und Pragmatik (beschäftigt sich mit Bedingungen ihrer Verwendung in der sprachlichen Kommunikation) sind traditionellerweise nicht Gegenstand der Grammatikbeschreibung. Typologie moderner Grammatiken 1. Typologie nach dem inneren Aufbau – von Kleinem zu Großem (von Lauten zu Texten) – aszendente x deszendente Grammatik 2. Typologie nach dem Vollständigkeitsanspruch – umfassender Überblick über das grammatische System x exemplarische Ausschnitten 3. Typologie nach der Zweckbestimmung: – wissenschaftliche Grammatiken (führen wissenschaftliche Diskussionen) x Resultatsgrammatiken (für Laien oder Schulen) 4. Typologie nach der Einstellung zum Gegenstand: - deskriptive Grammatik (zeigt Möglichkeiten und Grenzen eines Sprachsystems) x normativpräskriptive Grammatik (zeigt mögliche Alternativen in Bezug auf deren passende, v.a. stilistische Distribution) 5. Typologie nach dem Gegenstand: vergleichende/kontrastive x allgemeine/universale Grammatik Überblick über wichtige Grammatiken a) Traditionelle Grammatik: arbeitet auf Resultatsgrammatiken, wurzelt deutlich in der Tradition, wirkt in die Praxis (Schulgrammatik), ist präskriptiv und am Bau der Ausdrücke orientiert, z.B. DUDEN, HELBIG/BUSCHA, ERBEN, EICHLER b) Valenz-/ Dependenzgrammatik: geht auf LUCIEN TESNIERE zurück, z.B. ENGEL, HERINGER c) Funktionelle Grammatik: versucht die Regeln aus semantischen und praktischen Verhältnissen zu begründen d) Konstituenten-/Phrasenstrukturgrammatik: entwickelte sich in den 50er Jahren in den USA, beeinflusste die Generative Grammatik e) Generative Grammatik: reflektiert eingehend die Abgrenzung zw. Grammatik, Semantik und Pragmatik, ist eine wissenschaftliche Grammatik ohne einen direkten Praxisbezug f) Generative Semantik: versucht eine semantische Grundlegung der Syntax 10 g) Kasusgrammatik: versucht syntaktische Strukturen aus semantischen Strukturen abzuleiten (z.B. Agens, Patiens) f) Formale Semantik: expliziert auch die Bedeutung der Sätze Morphologie (Morphematik, Pleremik) - ist die Lehre von Formen Man unterscheidet folgende Termini: 1. syntaktisches Wort – ist spezifische grammatische Ausprägung eines Wortes (Fliege, Fliegen, fliegt zählt man je einmal, d.h. zusammengezählt in diesem Falle sind es 3 syntaktische Wörter) 2. Lexem – Zusammenfassung verschiedener syntaktischer Wörter, die gewisse wesentliche Dinge gemeinsam haben, z.B. Fliege und Fliegen sind Substantiv, Nomen, fliegt gehört nicht dazu, denn es ist eine Verbform; Gewisse Merkmale sind neutral gesetzt (Numerus, Person, Tempus) 3. Lexemverband – das Merkmal der Wortart ist neutral, relevant ist nur der gemeinsame Bestandteil flieg-, d.h. Fliege, Fliegen, fliegt aber auch Flug, Abflüge zählt man zusammen, d.h. als einen einzigen Lexemverband Syntaktische Wörter sind Bündel von Merkmalen – sie werden als signifié der syntaktischen Wörter verstanden. Es gibt semantische Merkmale (Bedeutung) und morphosemantische Merkmale (Numerus, Kasus, Person.). Morphologie untersucht: - die Signifiant-Seite der syntaktische Wörter (Wortformen) und ihre Signifié-Seite - die Methoden, mit denen man diese Wortformen aufdeckt - stellt Kategorien zur Klassifikation - Regeln, nach denen Wortformen gebildet werden Morphem – die kleinste bedeutungstragende Einheit, hat eine Bedeutung oder grammatische Funktion, z.B. Un-frucht-bar-keit-s-gött-in-en Morphemtypen: - freie Morpheme können als eigenständige Wortform auftreten (frucht) - gebundene Morpheme treten nie als selbständige Wortform auf, sondern immer zusammen mit anderen Morphemen in einer Wortform (un-, -bar, -keit...) 11 - lexikalische Morpheme (Grund-, Wurzel-, Basis-, Kernmorpheme) tragen eine Bedeutung im engeren Sinne (gott, frucht) - grammatische Morpheme: tragen eine grammatische Bedeutung (Flexionsmorpheme, Derivationsmorpheme wie z.B. -lich, - haft) - lexikalische Morpheme sind meistens freie Morpheme (gott), ausnahmsweise auch gebundene (zu) - Affixe (=gebundene grammatische Morpheme): - Präfixe (vorn) - Suffixe (hinten) – Endungen - Infixe (binnen) – in ein Morphem hinein - Zirkumfixe – um ein anderes Morphem herum: ge-VERBSTAMM-en (z.B. geflog-en) Man affigiert an Stamm - ein einzelnes freies Morpem (gott-es) - einen morphologischen Komplex (gott-heit-en) - leere Morpheme (Fugen) – tragen keine Bedeutung, z.B. r Landmann (venkovan) – Landsmann (krajan) - unikale Morpheme – treten in einer einzigen Verbindung auf (z.B. Him-beere) - Halbaffixe – ursprünglich selbständige Wörter, haben dieselbe Funktion wie ein Suffix (Werk – Schulwerk) - Allomorph – phonemische Variante, mit keiner semantischen Veränderung verbunden (Hof-Höf-e) Flexion - zur Flexion verwendet man im Deutschen v.a. Suffixe - man unterscheidet 2 große Kategorien: Deklination (+Komparation) und Konjugation. Morpheme sind wichtig für die Wortbildung: 1. Komposition (Zusammensetzung) - bestehen minimal aus 2 lexikalischen Morphemen - 3 Möglichkeiten: a) freie Grundmorpheme (z.B. Lesebuch) b) ein gebundenes + ein Grundmorphem (z.B. Biogas) c) Kombination von Konfixen (z.B. Diskothek) Determinativkomposita – ein Grundwort + ein Bestimmungswort (z.B. Großstadt) x Kopulativkomposita – sind manchmal vertauschbar (z.B. Hosenrock-Rockhose) 12 2. Derivation - das Ergebnis ist ein Derivat und besteht aus einer Derivationsbasis (freiem Grundmorphem) und einem Derivationsaffix (Präfixe und Suffixe); fürs Adjektiv typisch (z.B. -bar, -lich), fürs Substantiv typisch (z.B. -keit, -heit, Ge-) 3. Wortkreuzung – z.B. Motor + Pedal = Moped 4. Verdoppelung - einfache Verdoppelung, z.B. Mama, Papa, Bonbon - Reimbildung – z.B. Larifari - Ablautbildungen – z.B. piffpaff 5. Konversion – syntaktische Transformation ohne Stammvokalveränderung und ohne Affigierung, z.B. hoch – s Hoch 6. Implizite Derivation – hängt mit dem Wechsel des Stammvokals zusammen, wird durch die Stammderivation impliziert, z.B. werfen – Wurf 7. Rückbildung – Derivation durch Tilgung oder Austausch eines Wortbildungssuffixes mit gleichzeitiger Konversion, z.B. Notlandung – notlanden; elastisch – Elast 8. Kurzwortbildung: a) Reduktion zu Kurzwörter – Weglassung des Grundmorphems (Oberkellner – Ober) b) Univerbierung bei Wortgruppen (Zoo – Zoogarten) c) Codawörter – man lässt das Bestimmungswort weg (Fahrrad – Rad) d) Klammerformen (Sanitärzelle – Sannizelle) Abkürzungen: Silbenwörter (Kriminalpolizei – Kripo) oder Buchstaben – (Lastkraftwagen – LKW) Flexivische Veränderungen am Stamm- Morphem: Umlaut (Mutter – Mütter) oder Ablaut (find – fand – fund) Wortartenlehre - Lexeme haben ihre semantischen Merkmale, nach denen man unterscheidet: Autosemantika – Lexeme mit einem lexikalischen Morphem, mit einer referentiellen Bedeutung Synstemantika – Funktionswörter, Lexeme nur mit grammatischen Morphemen Konkreta – bezeichnen Gegenstände oder etwas sinnlich Wahrnehmbares a) Apellativa – Gattungsbezeichnungen (Stadt) 1. Kollektiva – benannt im Singular eine Mehrzahl von Lebewesen oder Elementen (z.B. Familie, Obst) 13 2. Stoffbezeichnungen – kaum b) Eigennamen( Propria), z.B. Prag Abstrakta – bezeichnen keine Gegenstände, sondern Vorstellungen und Handlungen Klassifikation von Lexemen: - nach semantischen Kriterien - nach morphosyntaktischen Kriterien: flektierbar (deklinierbar, konjugierbar, komparierbar) Probleme der Klassifizierung von Lexemen in der klassischen 10 Wortartenlehre: - eine Mischklassifizierung, deren Folgen sind: 1. NICHT-DISTINKTIVITÄT der Klassen – ein konkretes Wort kann mehreren Klassen zugeordnet werden (sie ist schön – Adj; sie singt schön –Adv.) 2. NICHT-EXHAUSTIVITÄT der Klassen – ein Wort kann keiner Klasse zugewiesen werden Die 10 Wortarten der Traditionellen Grammatik sind: Substantiv, Adjektiv, Pronomen, Numerale, Verb, Adverb, Präposition, Konjunktion, Artikel (!) und Interjektion. Die Lehre vom Satz (Syntax) - die Lehre von der Anordnung der Wörter zu Sätzen - der Satz wird aus syntaktischen Wörtern durch eine bestimmte Ordnung gebildet - diese Ordnung wird von den Regeln der Wortfolge bestimmt - man unterscheidet zwischen: 1. einfachem Satz 2. komplexem Satz (zusammengesetzter Satz) - besteht aus mehreren Teilsätzen, diese bilden einen Ganzsatz - Teilsätze werden traditionell in Haupt- und Nebensätzen unterscheidet - entscheidend sind verschiedene Kriterien wie Stellung des Verbs oder die syntaktische Selbständigkeit A) Parataxe – Nebenordnung gleichrangiger Teilsätze B) Hypotaxe – Unterordnung ungleichrangiger Teilsätze Ein Satz besteht aus Satzteilen. Satzteil – selbständige sowie unselbständige Teile des Satzes 14 Satzglied – selbständige Teile des Satzes (Subjekt, Objekt, Adverbialbestimmung, Prädikat) x nach EISENBERG ist allerdings das Prädikat den anderen Satzgliedern übergeordnet Satzgliedteil – Teile von Satzgliedern (Attribute) Die Phrasenstrukturgrammatik spricht von Phrasen oder unmittelbaren Konstituenten Die Valenz-/Dependenzgrammatik spricht von Ergänzungen oder Aktanten. Valenz – die Fähigkeit, andere Elemente an sich zu binden x Rektion – die Fähigkeit, den Kasus anderer Wörter zu bestimmen Die ältere Satzgliedlehre unterscheidet: - Subjekt (Ich schlafe.) - Prädikat - einfaches (Ich schlafe.) - Kopula + Prädikativ (Die Erde ist rund.) - Kopula + Prädikativsnomen (Das ist eine Kugel.) (grammatische Prädikative – Das Haus ist verkauft worden // lexikalische Prädikative – Sie schreibt Maschine. Ich gehe aus Köln weg. Er freut sich.) - Subjektprädikativum – nach sein, werden, bleiben, heißen, auch Adjektiv möglich (Sie ist Lehrerin. Sie ist optimistisch.) - Objektprädikativum – nach finden, halten, nennen, heißen (Er fand das Buch.) - Objekt - Genitivobjekt (Ich gedenke deiner.) - Dativobjekt (Ich helfe dir.) - Akkusativobjekt (Ich liebe dich.) - Präpositionalobjekt (Ich denke an dich.) - Adverbialbestimmung des Ortes, der Zeit, des Grundes (vor Angst), der Art und Weise - Attribut – Teil des Satzglieds Mängel dieser Theorie: - bietet keine allgemeine Definition von Satzglied - Attribute sind keine Satzglieder - Objekte werden nach der Form klassifiziert, Adverbialen nach der Semantik - Unterscheidung von Objekt und Adverbialbestimmung ist problematisch Die neuere Satzgliedlehre unterscheidet im Satz: a) verbale Teile – finite Verbformen + übrige Verbformen (Infinitiv, Partizip II, Verbzusatz – trennbare Vorsilbe); Prädikat gibt es in dieser Theorie nicht mehr b) Satzglieder, die der Definition genügen: Kleinste Wortgruppe, die gesamthaft ersetzt und verschoben und vor das finite Verb in einfachen Aussagesätzen gestellt werden kann. 15 Kausalsätze (příčiny) – weil, da, weshalb, weswegen,... Konsekutivsätze (účinku) – so dass, dermaßen ...., dass; derart....., dass Konditionalsätze – (podmínky) – wenn, falls, angenommen, dass .... Konzessiv – (přípustky) – obwohl, auch wenn Finalsätze – (účelové) – damit, dass Pragmatik - griech. pragma = Sache, Ding; Tun, Handeln = Lehre vom Sprachhandeln, Lehre vom Zeichengebrauch, Sprachgebrauch - Begriff von den Zeichentheorien von PEIRCE u. MORRIS - Sprachgebrauch wurde schon früher zum Objekt des Interesses – Rhetorik - in einigen Ansätzen der heutigen Pragmatik ist wieder zum zentralen Thema die Frage geworden, wie durch Sprachgebrauch etwas bewirkt werden kann? 70er – wächst das Interesse an pragmatischen Fragen, es zeigte sich, dass bestimmte Phänomene nur unter Einbezug nichtsprachlicher, situationsbezogener Kategorien erklärt werden können Große Bewegung der „pragmatischen Wende“ – Forderung von Studierenden u. jüngeren DozentenInnen der 68er Generation, die Linguistik aus einer Spielerei im Elfenbeinturm zu einer sozial nützlichen Wissenschaft zu machen. Pragmatik – Bereich der parole, Performanz, tokens, aber auch Themen wie: 1) Regeln des kommunikativen Umgangs / Sprachgebrauchs 2) Wahl der bestimmten Aussageweisen (gesteuert vom Sprechenden) – Intention 3) Muster des Gebrauchs von Sprache in best. Situationen was ich sagen will, drücke ich jeweils anders aus, je nachdem, ob ich mit einer befreundeten, fremden, vorgesetzten usw. Person spreche, und sehr oft kann ich verschiedenen Adressaten gegenüber gar nicht über dasselbe sprechen – wirksame soziale Regulation der Kommunikation 3 Perspektiven der Pragmatik: 1) das Verhältnis von sprachlich Geäußertem u. dem, was damit über die Welt ausgesagt wird 2) das Verhältnis von sprachlich Geäußertem u. dem, was ein Sprecher oder eine Sprecherin damit der angesprochenen Person gegenüber bezwecken will 16 3) die Art u. Weise, wie Kommunizierende ihren sprachlichen Austausch gestalten Der Gegenstand der Pragmatik lässt sich mit Hilfe der Kommunikation beschreiben. Kommunikation = jede Lebensäußerung von Mensch oder Tier. Zum Kommunikationsmodell siehe Linke S. 174-5. Arten der Kommunikation: mündliche x schriftliche monologische x dialogische face to face x ohne raum-zeitliche Verbindung der Kommunikationspartner private x öffentliche persönliche x offizielle/geschäftliche symmetrische x komplementäre Pragmatik beschäftigt sich mit Regeln des Sprachgebrauchs, nicht mit Regeln der Sprache. Sprachgebrauch hat auch Handlungscharakter – wenn wir sprechen, handeln wir. Das lässt sich auch ausdrücken mit dem Begriff der Funktion: Was in kommunikativer Absicht gesagt wird, erfüllt eine Funktion, hat einen Zweck. Pragmatik ist der Bereich, wo sich die Interessen von Sprachwissenschaft (sprachliche Phänomene) u. Kommunikationstheorie (Phänomen des Handelns, des Tuns) überschneiden. Also Pragmatik ist Sprach-HandlungsTheorie. Themenbereich: Thema der Pragmatik ist das, was im Sprachgebrauch die Form und/oder die Interpretation sprachlicher Äußerungen regelhaft beeinflusst kraft der Tatsache, dass Sprache in einer Situation zur Kommunikation, zum sprachlichen Handeln mit anderen, gebraucht wird. Die Pragmatik fragt danach, welche Eigenschaften der Situation dafür bestimmend sind, dass gewisse sprachliche Ausdrücke gewählt werden und andere wiederum nicht? Was bedeuten die sprachlichen Ausdrücke in diesem Typ von Situation? Fragestellungen der Pragmatik (=ad 3 Perspektiven der Pragmatik): 1) Gesagtes u. Mitgeteiltes - was gesagt wird u. wie es verstanden wird steht im Bezug zur Situation - das sprachlich ausgedrückte ist ärmer als die Information über die Welt (=s Mitgeteilte) - Äußerungen enthalten Deiktika, sind fragmentarisch u. beinhalten Präsuppositionen 17 - Deiktika sind z.B. Wo bist du gestern abend gewesen? Na, hier → du, hier, gestern – verweisen auf sprachlich nicht explizierte Orts-, Zeit- u. Personenangaben - was über die Welt sprachlich mitgeteilt wird, kann wahr oder falsch sein, Äußerung über die Welt = Proposition (=mitgeteilte Information) - ein Gruß hat aber keinen propositionellen Gehalt (teilt nichts über die Welt mit und er ist weder wahr noch falsch) - die Diskrepanz zw. dem sprachlich Formulierten u. der mitgeteilten Information (Proposition) ist eine der grundlegenden Eigenschaften der sprachlichen Kommunikation 2) Mitgeteiltes und Gemeintes Wie drücken Sprecher ihre Intentionen aus, was bezwecken (Sinn der Äußerung) sie mit dem Gesagten? - Mitteilungen haben ein Ziel, erfüllen eine Funktion - Wie u. unter welchen Bedingungen können Sprecher etw. bezwecken? - Wie u. unter welchen Bedingungen können Hörer die Funktion des Gesagten erschließen? die Punkte 1) + 2) = Pragmatik im engeren Sinne 3) Die Gestaltung des kommunikativen Wechsels - im Mittelpunkt der Frage steht nicht mehr die sprachliche Äußerungen, sondern die Kommunizierenden und ihr wechselseitiges Verhältnis - Inhalte des Gesagten sind uns fast immer sofort klar (die Vermittlungsschritte unter 1) u. 2) sind uns kaum je bewusst) - in die Untersuchung des kommunikativen Wechsels gehen zusätzliche Faktoren mit ein: kulturspezifische Formen des Umgangs, sozialer Status, usw. - hiermit beschäftigt sich die Gesprächsanalyse u. die Textlinguistik Pragmatik ist keine einheitliche Disziplin – es ist noch nicht gelungen, das gesamte Feld der Pragmatik in eine einheitliche Theorie zu fassen. SPRECHAKTTHEORIE - gab Anstoß zur Entwicklung der Pragmatik (Pragmalinguistik) - stammt aus der Sprachphilosophie/Logik – beschäftigt sich mit Sätzen, die Aussagen über die Welt sind u. können befragt werden, ob sie wahr oder falsch sind - im 20. Jh.: Philosophie der normalen Sprache – GEORGE MOORE, L. WITTGENSTEIN - 1955 Sprechakttheorie von AUSTIN entwickelt (sein Buch How to do things with words; in deutscher Übersetzung unterm Titel Zur Theorie der Sprechakte erschienen) 18 AUSTINS Schüler SEARLE hat die pragmatische Wende forciert. - Beförderer der Sprechakttheorie in Deutschland: DIETRICH WUNDERLICH und JÜRGEN HABERMAS Der Ausgangspunkt der Sprechakttheorie: 1. Performative u. konstative Sätze: a) konstativ – Behauptungen über die Welt, die wahr oder falsch ist, z.B. Ich habe heute viel getan. b) performativ – Sätze, mit denen eine Handlung vollzogen wird, z.B. Ich taufe dich auf den Namen Joseph., aber nur unter bestimmten Bedingungen (hierzu muss ich nämlich ein Pfarrer sein und den Akt der Taufe vollziehen) performative Verben - 1.P.Präs.Ind.Aktiv – taufen, kündigen, danken - in anderen Verbformen bezeichnen sie nur einen Vorgang: Ich habe dich am ... getauft. (mit dem Aussprechen dieses Satzes wird keine Taufe vollzogen) - oft mit „hiermit“ begleitet (ich eröffne, protestiere, gelobe hiermit...) - explizit performative Sätze: feierlich – Ich verspreche dir ganz fest, dass ich morgen komme. - primär performative Sätze: im Alltag – Ich komme morgen ganz bestimmt. Illokutionäre Verben – benennen eine Handlung, aber man kann diese Handlung nicht dadurch vollziehen, dass man das Verb sagt: Ich verleumde Sie. Nicht Sätze können Handlungen ausführen, sondern nur Sprachbenützer –> Äußerungsakte sind performativ, konstativ dagegen sind die Propositionen (Mitteilungen). 2. Kern der Sprechakttheorie: Dass ich mit einer Äußerung eine Handlung vollziehe, steht nicht im Gegensatz dazu, dass ich mit einer Äußerung etw. über die Welt aussage, was wahr oder falsch ist. Äußerung kann zugleich konstativ u. performativ sein: Sie sind ein Nazi. Durch jede Äußerung handeln wir kommunikativ, mit bestimmter Absicht. 3. Grundbegriffe der Sprechakttheorie. Sprechakt u. seine Teilakte: 1) LOKUTION – lokutionärer Akt 19 a) man bewegt Stimmwerkzeuge a)+b) Äußerungsakt (nach SEARLE) b) man realisiert Phoneme, Morpheme/Wörter, Sätze, Texte c) man sagt etw. über die Welt aus – Proposition äußern – propositionaler Akt 2) ILLOKUTION – illokutionärer Akt d) man spricht j-n an, wendet sich an j-n e) mit best. Intention (informieren, grüßen, warnen, überzeugen...) d)+e) sind für AUSTIN u. SEARLE das Zentrale 3) PERLOKUTION – perlokutonärer Akt f) man möchte j-n zu einer gewünschten Reaktion bringen (froh machen, von etw. abhalten, einschüchtern) → beabsichtigte Reaktion der angesprochenen Person Alles zusammen ist der Sprechakt. Ein Sprechakt ist demnach im Normalfall eine Gleichzeitigkeit von 4 Akten: einem Äußerungsakt, einem propositionellen Akt, einer Illokution u. einer Perlokution. Performative Sätze von AUSTIN sind eigentlich Sprechakte und das Unterscheidende, was er daran entdeckt hatte, waren verschiedene Typen von Illokution. 4. Sprechaktregeln - fürs Glücken einer Illokution müssen spezifische Bedingungen erfüllt werden: 1) Sprecher macht Aussage über etw. Zukünftiges 2) Sprecher verspricht etwas, was zu realisieren in seiner Macht steht und was sich wahrscheinlich der Hörer wünscht 5. Wie werden Illokutionen signalisiert? Äußerungen werden zur Bitte, Aufforderung erst in einem KontextVerhältnis zw. sprachl. Ausdrücken u. Illokutionen/Perlokutionen sind mehr-mehr-deutig, z.B. Der Hund ist bissig kann je nach Situation mit diversen Illokutionen/Perlokutionen verbunden sein (Warnung, Info, Drohung...). Illokutionen/Perlokutionen können in bestimmten Situationen Äußerungen realisiert werden. Illokutionsindikatoren – weisen in eine bestimmte Illokutionsrichtung: ▪ performative Verben, in explizit performativer Verwendung ▪ Modus (Wenn ich in Holland wäre...) durch verschiedene 20 ▪ Partikeln (bitte, hoffentlich, gefälligst, wenn...doch, z.B. Wenn Anna doch schon da wäre ▪ Satzarten ▪ paraverbale Faktoren – Prosodie 6. Indirekte Sprechakte (heikles Konzept innerhalb der Sprechakttheorie) a) Fragesatz (ja-nein-Frage): Können Sie mir sagen, wie spät ist es? b) Fragesatz-Form + Partikel bitte, z.B. Hältst du dich da bitte raus! → Aufforderung, keine Bitte c) performativ gebrauchtes Verb: Ich rate dir, das nicht zu tun. → Drohung, kein Ratschlag Indirekte Sprechakte liegen dann vor, wenn eine andere Illokution als die durch Indikatoren angezeigte vorliegt oder eine zusätzliche Illokution vorliegt. 7. Sprechaktklassifikation – Typen der Illokutionen: 1) repräsentative Sprechakte: eine wahre Darstellung der Welt (aussagen, behaupten, erzählen) 2) direktive: Forderungen an den Hörer (bitten, auffordern, fragen) 3) kommissive: Verpflichtungen des Sprechers (versprechen, verpflichten) 4) expressive: soziale Kontakte etablieren/aufrechterhalten (danken, grüßen, entschuldigen) 5) deklarative: institutionell gebunden, offiziell, ritualisiert (taufen, verurteilen) 8. Schwächen der Sprechakttheorie: 1) sprecherorientiert 2) bezieht sich nur auf den Satz – schwierig, die kommunikative Funktion von längeren Äußerungen zu bezeichnen 3) mündlich – dialogisch Theorien der Konversationsmaximen und der konversationellen Implikaturen Sprechakttheorie beantwortet nicht alle Fragen: Wie funktioniert das Verstehensprozess? Wie erkennen Hörer die Illokution? Illokutionsindikatoren sind manchmal wörtlich „direkt“ zu verstehen, manchmal nicht. Warum können Sprecher/innen darauf zählen, dass sie verstanden werden? 21 Ein Versuch dies zu erklären, unternimmt GRICE mit seiner Theorie der konvesationellen Implikatur: GRICE formuliert ein Rahmenkonzept, wie die Einzelregeln im Kontext einer Situation eingesetzt werden: ▪ Kommunikation ist Interaktion = kooperatives Handeln; man möchte Verständigung erreichen ▪ Beteiligten müssen ein gemeinsames Interesse haben Dieses Prinzip steuert die Art u. Weise, wie Kommunizierende ihre Kenntnisse der Sprache, der Sprechaktregeln u. der Sprachgebrauchsregeln zum Tragen bringen. Das Prinzip ist sehr abstrakt, GRICE entfaltet es darum in vier sog. Konversationsmaximen, nach denen Äußerungen sein müssen: ▪ informativ; ▪ klar formuliert; ▪ relevant – funktioniert nicht immer (ein Beweis dafür sind ab und zu vernehmbare Fragen wie Wie meinte er das? Was wollte er sagen? → Aha-Effekt); ▪ wahr. Konversationelle Implikatur ist das Resultat eines Interpretationsverfahrens: ▪ der Sinn der Äußerung, der nicht direkt ausgedrückt ist, den aber der Rezipient erschließen muss Ihr müsst morgen früh raus? → umgedeutet bedeutet Ich will, dass ihr weggeht. ▪ ist hypothetisch ▪ können aus dem Gesagten erschlossen werden ▪ das Gemeinte wird nicht gesagt, sondern im sprachlichen Ausdruck verschleiert Konversationsmaximen Kooperationsprinzip Sei kooperativ! Maxime der Quantität – informativ: „Sag so viel wie nötig, nicht zu viel!“ Maxime der Qualität – wahr: „Sag nichts, was du nicht für wahr hältst; signalisiere Grad der Wahrscheinlichkeit Maxime der Relation – sei relevant, rede zur Sache Maxime der Modalität – formuliere klar + sage deine Sache in angemessener Art u. Weise 22 Textlinguistik (TL) = Texttheorie, Textologie, Translinguistik; textorientierte Disziplin - Gegenstand – Texte = sprachliche Einheiten, die mehr als einen Satz umfassen - bezieht sich auf mündliche (Gesprächsanalyse) wie auf (v. a.) schriftliche Texte Themen: wie lässt sich ein Text linguistisch genau bestimmen/abgrenzen Klassifizierung – welche Typen von Texten gibt es Bau und Struktur von Texten (wie einzelne Elemente systematisch zusammenhängen u. wie sie zu Texten verbunden werden) Wir besitzen das Wissen über Textbaumuster u. Textstrukturen, wir erkennen ganz automatisch Textsortenbestimmungen (Lesebrief, Kochrezept...). Heutige Textlinguistik – 2 Wellen: - syntaktisch-systemlinguistische - pragmatische/sprachverwendungsorientierte Betrachtungsweise (jüngere). Je nach dem zugrunde liegenden Textbegriff lassen sich 2 größere Forschungsrichtungen unterscheiden: 1) wird der Text als abstrakte Größe angesehen, auf das Sprachsystem im Sinne von langue bezogen, dann erweist sich die TL als direkte Weiterfüllung der Wort- u. Satzgrammatik; wir sprechen dann von Textgrammatik (WEINRICH) 2) wird der Text als Teil einer kommunikativen Handlung, als Element der Rede (parole) verstanden, dann ist die TL ein Teil der Pragmatik (Theorie der sprachlichen Kommunikation) Entwicklung der TL: Vorläufer der TL: - die Rhetoriklehre – alte Griechen, die Kunst der öffentlichen Rede - die Stilistik – beschäftigt sich primär mit der Wohlbeformtheit von Texten Andere interdisziplinäre Verbindungen: Literaturwissenschaft, Semiotik (Zeichenlehre), Psychologie, Soziologie. Erst in den 60er Jahren als eigenständige Forschungsdisziplin etabliert. Uneinheitlichkeit in den theoretischen Ansätzen spiegelt sich in der Uneinigkeit über die Definition des Begriffs Text wider. 23 Vom Satz zum Text: 1952 formulierte HARRIS in Discourse analysis das sog. Erweiterungspostulat, die Erweiterung der Satzlinguistik zur TL. Die Notwendigkeit, den Text als Einheit zu analysieren, nennt man heute unter dem Sammelbegriff kommunikativpragmatische Wende, man versteht den Wechsel von der systemorientierten (von DE SAUSSURE bis CHOMSKY) zu einer betont kommunikativ u. funktional orientierten Linguistik. Der Grund dafür: grammatisch korrekte Sätze könnten nicht immer als kommunikativ abgeschlossene Einheit interpretiert werden. Das zweite grundlegende Postulat wurde als das Pragmapostulat (Fundierungspostulat) thematisiert – die Einbeziehung extralinguistischer pragmatisch-kommunikativer Faktoren (situative Phänomene, psycholinguistische Fragestellungen, Textrezeption). In dieser Hinsicht wirkten v.a. die Thesen von PETER HARTMANN Texte als linguistisches Objekt 1971. Entwicklung der TL – Vertreter: 1. Ausgangsituation – Satzlinguistik 2. 60er Jahre – textgrammatische Ansätze ROLAND HARWEG erklärt die sog. Kohärenz = der inhaltliche Zusammenhang des Textes durch die Erscheinung der Pronominalisierung; er hat sich mit den Oberflächen u. Tiefenstruktur der Texte befasst. HARALD WEINRICH: Die Textgrammatik des Deutschen 1993; Funktion des bestimmten und unbestimmten Artikels; Funktion von Tempusmorphemen (Tempora) als Mittel der Kommunikationssteuerung von Texten: - Präsens, Perf., Fut. I u. II → Gespanntheit - Prät., Plsqp., Kond. I. U. II. → erzählende Tempusformen, rufen Entspanntheit hervor. KARL ERICH HEIDOLPH: Akzent, Intonation, Wortstellung, führt das Merkmal vorerwähnt bzw. nicht vorerwähnt ein; Kohäsionsmittel = verbindende Elemente an der Oberfläche. 3. Ende 60er / Anfang 70er Jahre – semantische Ansätze: FR. DANEŠ: 1. Ansatz: Thema-Rhema-Theorie Wichtig war die Sprechakttheorie von AUSTIN u. SEARLE entwickelt, befasst sich mit dem Kommunikationsakt; Begriff der Illokution – bezeichnet die Funktion der sprachlichen Äußerung. 4. Anfang / Mitte 70er Jahre – kommunikativ-pragmatische Ansätze: SIEGFRIED SCHMIDT 24 ELISABETH GÜLICH + RAIBLE – textlinguistische Modelle, unterscheiden textinterne Merkmale, die auf das Sprachsystem bezogen sind, von den textexternen Merkmalen, die die Faktoren wie Sprecher, Hörer, Kommunikationssituation umfassen 5. Ende 70er Jhre – kognitiv-prozedurale Ansätze: VAN DIJK, DRESSLER, DE BEAUGRANDE → Textverarbeitungsmodell mit 7 Kriterien der Textualität Text als Objekt der Forschung: Definition von Text – vielfältig: die älteren Konzeptionen – beschränken den Textbegriff auf schriftlich fixierte Reden neuere Konzept. Begreifen den Text und auch Discourse (=Gespräch) als strukturierte thematisch abgeschlossene Grundeinheit der sprachlichen Kommunikation, die der → TEXT = Spracheinheit in Durchsetzung kommunikativer Intentionen dient. Funktion 3 Merkmale des Textes: 1. Thema 2. Kohärenz – die Sätze hängen inhaltlich zusammen 3. Funktion KOHÄRENZ – der innere Zusammenhang zw. einzelnen Textelementen. Von dem inneren Zusammenhang sprechen wir darum, weil die Kohärenz nicht notwendig auf der Oberfläche sichtbar ist. Es kommt darauf an, ob wir eine zusammenhängende kohärente Textstruktur erschließen können. Wir können die Zusammenhänge zw. den Sätzen auf der Oberfläche durch die kohäsiven Mittel ausdrücken. KOHÄSION – Textoberflächenstruktur; Beziehung zw. einzelnen Sätzen eines Textes durch sprachliche Elemente, die in syntaktischem oder semantischem Bezug stehen. Kohäsionsmittel – verbindende sprachliche Elemente an der Textoberfläche. KOHÄRENZ X KOHÄSION - Texttiefenstruktur - Textoberflächenstruktur - Informationseinheiten sind in komplexer - semantisch-syntaktische Verknüpfungen Weise miteinander verbunden - zusammenhängende Tiefenstruktur - Übereinstimmung der Elemente in best. semantischen Merkmalen - allgemeines Wissen von Texten aktivieren - allgemeines außersprachliches Wissen: Hans kommt nicht. Er ist krank. (Begründung – Alltagserfahrung). 25 - erschlossener Zusammenhang Textarbeit → um einen Text als kohärent zu verstehen, müssen wir unser Wissen einbeziehen. Die kohäsiven Mittel: A. WIEDERAUFNAHME – ein Element der Sprache wird gänzlich oder teilweise wiederholt: 1) REKURRENZ – einfache Wiederholung: Ich habe einen Ball. Der Ball ist neu. (als stilistisch unbefriedigend empfunden) partielle Rekurrenz – nicht mehr dasselbe Lexem, sondern Lexem desselben Lexemverbandes; Fall der Nominalisierung: Kinder spielen. Ihr Spiel gefällt mir sehr. 2) SUBSTITUTION = Ersetzung: ein Wort / Wortgruppe wird durch inhaltlich verbundenes Textelement wieder aufgenommen; beide Textelemente haben dieselbe Referenz – Referenzidentität (Elemente beziehen sich auf das gleiche Denotat): Synonymen Hyponymen (Unterbegriff) Hyperonymen (Oberbegriff) Metaphern Kohyponymie – Nebenordnung (Rose – Nelke = karafiát, hřebíček, hvozdík zahradní) 3) PROFORMEN – inhaltsleere sprachliche Elemente, die ein Textelement (Wörter, Wortgruppen, Sätze) des Kontextes vertreten o. auf es verweisen. Pronomina Adverbien (dort, der, deshalb) Pronominaladverbien (wobei, darauf, darum, damit) Demonstrativpronomina (dieser, der) Man sucht auf welches Element verwiesen wird - anaphorisch – Rückverweis (Anna → sie) - kataphorisch – Vorverweis (sie → Anna) 4) BESTIMMTER / UNBESTIMMTER ARTIKEL 26 Bestimmter Artikel Unbestimmter Artikel - Textdeixis - Vor-/Wissensdeixis - anaphorischer Artikel - kataphorische Artikel - zeigt auf Vorinformation - verweist vorwärts - semantisches Merkmal ist bekannt, - zeigt auf Unbekanntes, noch nicht erwähntes, wurde schon erwähnt erweckt Erwartung - als bekannt vorausgesetzt (geographische Bezeichnungen, etw. was nur einmal vorkommt) Frequenz des Gebrauchs: 7:1 für den bestimmten Artikel 5) (SITUATIONS-) DEIXIS (Proformen + best. Artikel) -verweisen aus dem Text hinaus auf eine außersprachliche Realität - gilt in aktueller, konkreter Kommunikationssituation Wo ist der Schlüssel? - Dort [deutet auf den Tisch] - lokal (dort), temporal (jetzt) - z.B. in Gebrauchsanleitungen verwendet 6) ELLIPSE - Textverweis durch Leerstellen Ich gehe in die Stadt. Sie auch. (den elliptischen Ausdruck ergänzen wir aus dem 1.Satz) 7) EXPLIZITE TEXTVERKNÜPFUNG (metakommunikative) - ein Textautor bezieht sich auf seinen eigenen Text - stereotype Formeln: unter Punkt 3 wie oben bereits angedeutet im folgenden wie bereits im Kapitel 3 erwähnt 8) IMPLIZITE WIEDERAUFNAHME Ich war auf einer Hochzeit. Der Bräutigam… 27 B. KONNEKTOREN – KONNEKTION / KONJUNKTION - Bindeglieder unterstützen die Kohärenz – verbinden 2 Sätze / Textelemente miteinander Konjunktionen (auch Verhältnis der Sätze gegeben – kausal, temporal…) Pronominaladverbien: Sie gehen ins Kino. Darum hat Oma ihnen Geld gegeben. C. WORTFOLGE 1) PARALELLISMUS – formalgleiche Wiederholung von beliebigen syntaktischen Formen, wobei der Inhalt variiert. Ich habe Frankreich gesehen. Ich habe Italien besucht. Nichts hat mich so beeindruckt wie Kreta. 2) CHIASMUS – system. Überkreuzung von syntaktischen / semantischen Einheiten a b b a Der Weg war lang, kurz war die Rast. 3) THEMA-RHEMA-GLIEDERUNG Thema – etw. Bekanntes; das, worüber etw. mitgeteilt wird (Präsupositionen) Rhema – neue Information; was über das Thema mitgeteilt wird D. TEMPUS, AKZENT Außersprachliche Wissensbestände: 1) Weltwissen - Alltagswissen (was zur Stadt gehört, wo man Briefmarken kauft etc.) - individuelles Erfahrungswissen - spezielles Fachwissen - eng mit der Kulturgemeinschaft u. sozialer Gruppe verbunden, in der man aufgewachsen ist = Inventar / Objekt – Wissen / enzyklopädisches Wissen 2) Handlungswissen – man weiß, wie man in bestimmten Kommunikationssituation handeln soll u. was man vom Gesprächspartner erwarten kann + Handlungen bewerten Handlungskomplexe – wir wissen, welche Handlungen in best. Situation normalerweise aufeinander folgen (Verhalten im Restaurant); kulturell geprägt 3) konzeptuelle Deutungsmuster - Interpretationsmuster - alles, was wir wahrnehmen, verstehen wir als aufeinander bezogen – koordinative Beziehung (versch. Dinge + Ereignisse werden als zusammengehörig wahrgenommen): 28 - temporale Anordnung (vorher, nachher, gleichzeitig) - kausale Anordnung – Ursache- Wirkung / Grund-Folge-Beziehungen Linguistische Konzepte der Textkohärenz: 1) ISOTOPIE - als Hauptform der semantischen Kohärenz betrachtet - Zwischenstufe zw. der kohäsionsorientierten u. kohärenzorientierten Textanalyse - beruht auf semantischen Übereinstimmung u. Differenz zw. lexikalischen Elementen eines Textes - durch semantische Äquivalenz verbundene Elemente werden Isotopieketten = Topikketten genannt; das sind alle Beispiele der Wiederaufnahme (Rekurrenz) – Antonymen, Paraphrasen, Proformen Isotopienetz = das Gesamt aller Isotopieketten Als eine der grundlegenden Bedingungen der Kohärenz wird das Phänomen der Pronominalisierung angesehen. Nach einigen Sprachwissenschaftlern ist die Pronominalisierung das entscheidende Mittel der Textkonstruktion. 2) PRÄSUPPOSITIONEN - gemeinsames Wissen u. Kommunikationsvoraussetzungen der Partner (- damit versucht man die Funktion von außersprachlichen Wissensbeständen bei der Konstitution von Textkohärenz zu erfassen u. zu erklären) a) gebrauchsgebundene P. – Wissensbestände, Alltagserfahrungen; die Sprecher setzen voraus, dass man das gleiche Wissen besitzt. 2 Sätze – man sieht einen sinnvollen Zusammenhang: Mach mal eben rasch die Küchentür zu. Die Milch ist übergelaufen. b) zeichengebundene P. - referentielle (Existenzpräsupposition): Verwendung des best. Artikels – der König von Frankreich (man weiß, dass es einen König in Frankreich gibt) - semantische P. – nicht ausgesprochen, aber mitgemeinte semantische Bedeutung: Er hat es geschafft. → man setzt voraus, dass er sich davor darum bemüht haben musste - gewisse Sachverhalte werden mitbehauptet 29 - verdeckte Rekurrenz (Wiederholung) Inferenzen – Schlussverfahren, die dazu dienen, Präsuppositionen zu (re-)konstruieren 3) FRAME – SCRIPT: - semantische Äquivalenz frames (Rahmen) - statisch - Wissensbestände über Personen, Einrichtungen - oft durch ein Stichwort zusammenzufassen (Krankenhaus → Krankenschwester, Doktoren, …) scripts (Szenen) - prozessual - Wissen über Prozesse, die z.B. in einem Krankenhaus normal vorkommen (untersuchen, warten, injizieren…) - Verknüpfung von Weltwissen u. Handlungswissen - deren Verstehen erfolgt aus dem sachlichen Zusammenhang 4) THEMA - Kerngedanken – bei der Kürzung des Textes gehen sie nicht verloren; Subthemen - bezieht sich auf Referenz - Thema-Rhema → thematische Progression (aus der Aufeinanderfolge der Themen eines Textes lässt sich der Textfortschritt, die thematische Progression erkennen) 5) VERNETZUNGSMUSTER - ergeben sich aus konzeptuellen Deutungsmustern + Wissen - ein Netz von Verknüpfungen, das dazu beiträgt, dass wir einen Text als kohärente sprachliche Einheit verstehen. 3 Vernetzungsmuster: - Koordinierung - Chronologisierung (temporale Ordnung); dominiert in erzählenden Texten - Kausalbeziehung TEXTFUNKTION - die Rolle von Texte in der Interaktion + Situationstypen Def.: Text ist eine komplex strukturierte, thematisch wie konzeptuell zusammenhängende sprachliche Einheit, mit der ein Sprecher eine sprachliche Handlung mit erkennbarem kommunikativem Sinn vollzieht. 30 Struktur Thema - Inhalt Konzept - kommunikative Funktion Zusammenhang kommunikative Funktion Kohärenz Erkenntnis der Pragmatik - Form Klassifikation der Textfunktionen - der Ausgangspunkt ist sog. Organon – semiotisches Modell von KARL BÜHLER, das Funktionen von Sprachzeichen beschreibt: 1) Darstellung von Gegenständen, Sachverhalten 2) Ausdruck – Emotionen des Sprechers 3) Appell – Sprecher wendet sich an Rezipienten u. will ihn zu bestimmten Reaktionen veranlassen Eine Ähnlichkeit mit bühlerschem Modell weisen die 5 Illokutionstypen von SEARLE auf. - große Anzahl von Klein-Klassen (Wetterbericht, Liebesbrief, Glückwunschskarte,...) TYPOLOGIE DER TEXTE: Textsorten = sind Gruppen gleichartiger Texte, die sich durch bestimmte Bündel von Merkmalen/Eigenschaften auszeichnen - es gibt eine Unzahl Textsortenbezeichnungen – z.B. Wetterbericht, Rezept, Brief, Protokoll, Gebrauchsanleitung, Witz...; keine einheitliche Textsortenklassifikation Mögliche Kriterien einer Textsortenklassifizierung: - Wortwahl - Thema + Themenverlauf - Satzbaumuster (Art) - lautlich-paraverbale Ebene 1) textinterne Kriterien - an die Textoberfläche gebunden (Wortschatz, Satzbaumuster) - an die Textteifenstruktur gebunden (Thema, Themenverlauf) 2) textexterne Kriterien - an den Kommunikationszusammenhang gebunden (Textfunktion, Trägermedium –Brief, Telefonanruf) Großgruppe – Untergruppe grobere u. feinere Unterscheidungen 31 Texttyp – Textklasse – Textsorte (z.B. Anleitungstext – Rezept – Kochrezept) Textsorte u. –klasse referieren auf Alltagsklassifikationen, die das Wissen über eine bestimmte Textsorte kondensieren. Texttyp hingegen wird als eine theoriebezogene Kategorie zu wissenschaftlichen Klassen von Texten verstanden, die auf eine Erscheinungsform bezogen wird. Die Sprecher haben ein Textsortenwissen über best. Konventionalisierte wieder erkennbare u. auch erwartbare Muster des Sprachgebrauchs. Das betrifft die Auswahl u. die Häufigkeit bestimmter Textbausteine, Struktur, Floskel. Es ist nicht möglich, eine Texttypologie auf der Basis eines einzigen Kriteriums zu entwickeln. Die Textklassifikation muss also auf mehreren Ebenen beurteilt werden: 1. Funktionstypen: - elementare Grundfunktionen der Texte sind: kognitiv, ästhetisch, emotiv, sozial, klärend, selbstdarstellend, gruppenindizierend, bewertend, kontaktierend, informativ, auffordernd - 4 primäre Funktionen des Kommunizierens: sich ausdrücken, kontaktieren, informieren, steuern; stehen untereinander im Inklusionsverhältnis (Unterordnungsverhältnis) 2. Situationstypen: Die kommunikative Funktion z.B. einer Bitte kann auf unterschiedlicher Weise repräsentiert sein; eine Bitte an einen gleichgestellten Partner wird in anderer Weise vorgebracht als die Bitte an einen Vorgesetzten gerichtet ist. Unterschiede in der Textgestaltung ergeben sich ferner daraus, ob die Bitte mündlich geäußert o. schriftlich formuliert wird, ob es sich dabei um alltägliche o. institutionelle Kommunikation handelt. Daraus ergibt sich notwendig die Konsequens, die situativen Faktoren in die Textklassifikation einzubringen. 3. Verfahrenstypen: Die Textproduzenten u. Rezipienten müssen spezifische Verfahren einsetzen, wenn sie erfolgreich kommunizieren wollen. Unter Verfahren könnte man die Handlung zur effektiven Lösung der Ziele verstehen. Man geht davon aus, dass der Textproduzent über ein spezielles Strategienwissen verfügt, d.h. er hat Erfahrungen darüber, welche Verfahren sich in bestimmten Situationen als erfolgreich erwiesen haben. Strategische Prozesse beginnen im Grunde schon mit der Entscheidung für ein Textthema, zur Strategie gehören auch Entscheidungen für bestimmte Intentionsvarianten, es geht also darum, über was u. wie informiert wird. 32 TEXTMUSTERWISSEN = Wissen über bestimmte konventionalisierte, wieder erkennbare Muster des Sprachgebrauches - wir schaffen uns Prototypen v. Textsorten durch Erfahrung (praktischen Umgang) - Prototypen ermöglichen Zuordnung von Texten zu Textsorten, z.B. Zeitungstexte – wir können uns grob über Nachrichten informieren, ohne die jeweiligen Zeitungsartikel gründlich zu lesen TEXTDEFINITION Eine Reihe von Sätzen ist ein Text, wenn ich darin ein Exemplar einer Textsorte erkennen kann. TEXTGRENZEN - nicht immer klar: ja – z.B. bei Kochrezept, Gedicht nein – z.B. in Zeitungen, Gesprächen beim Frühstück - wichtig – kommunikative Funktion erfüllen - Frage ob man nicht Vertextung (kohärent) als Kriterium auffordern soll - Problemfälle – Gesprächstexte DEIKTIKA (Sg. e Deixis) =Zeigewort - sind Ausdrücke, die in spezifischer Weise auf die Äußerungssituation bezogen - sind von der Sprechsituation abhängig; sie gewinnen ihre Bedeutung erst durch den Bezug auf die Sprechsituation, in der sie geäußert werden - mit Hilfe von deiktischen Ausdrücken bewirkt ein Sprecher eine Fokussierung (Rhemat.) der Aufmerksamkeit des Hörers auf einzelne Aspekte des Verweisraumes - es wird auf einzelne Dimensionen des Wahrnehmungsraums verwiesen: auf die kommunikationsbeteiligte Personen = Personaldeiktika (ich) auf den Sprechort = Lokaldeiktika (hier, da, dahin) auf die Sprechzeit = Temporaldeiktika (jetzt, nun, damals) Objekte im Verweisraum = Objektdeiktika (…das da gegeben…) - Deiktika werden mit Hilfe des Begriffs Origo geordnet. Origo ist das Zentrum der in Raum u. Zeit situierten Äußerungssituation. Die Origo ist gegeben durch den Sprecher (ICH), der an einem bestimmten Ort (HIER) und zu einer bestimmten Zeit (JETZT) spricht: 33 ICH – HIER – JETZT = urdeiktische Ausdrücke (sie geben die klassische DeixisDimension an: personal, lokal, temporal) Gesprächsanalyse (GA) In diesem Bereich verwendet man diese Termini: Gesprächsanalyse, oder auch (weniger) Dialoganalyse Diskursanalyse – bezieht sich speziell auf argumentative Gespräche Konversationsanalyse – eher vermieden, weil dieser Termin mit Belanglosigkeit des Gespräches konnotiert wird (Gespräch dagegen klingt seriös) Der Gegenstandsbereich der Gesprächsanalyse ist praktisch ausschließlich die gesprochene Sprache. Die GA konnte sich erst etablieren, seit es möglich ist, das flüchtige gesprochen Wort durch entsprechende Apparaturen festzuhalten und die Transkription durchzuführen. Die Videotechnik ermöglicht dann auch die nonverbalen Verhaltensweisen von Gesprächspartnern festzuhalten. Nachbardisziplinen: Textlinguistik – beschäftigt sich mit der schriftlich realisierten Sprache Spechakttheorie (Pragmatik) – erforscht, welche Handlungen unsere Äußerungen begleiten Rhetorik Ethnomethodologie – erforscht jene Techniken und Methoden, mit denen man in einer sozialen Gesellschaft die alltäglichen Aktivitäten organisiert Zielsetzung der GA: * Gesprächstypologien * Phrasengliederungen (Anfang, Mitte, Ende) * Regeln des Sprecherwechsels * Rolle der Sprecher und Hörer Ein Gespräch ist mündlicher Gedankenaustausch zweier oder mehrerer Personen in Rede und Gegenrede (Sprecherwechsel) über ein bestimmtes Thema. 2 Untersuchungsperspektiven: 1. Organisationsform – wer spricht wann, wie lange, wie oft, wer kommt auf welche Weise zu Wort 34 - 3 Ebenen: - Makroebene: Gesprächseröffnung, Gesprächsmitte, Gesprächsbeendigung - Mittlere Ebene: - Gesprächsschritt = Gesprächsbeitrag - Sprecherwechsel - Gesprächsequenz – Gesprächschritte mehrerer Sprecher zu funktionalen Einheiten zusammengefasst - Mikroebene – syntaktische, lexikalische, phonologisch / prosodische Strukturen 2. Thematisch – inhaltliche Hinsicht: - Bearbeitung des Themas - Koordination der Beiträge unter inhaltlichen Gesichtspunkten - Formen und Möglichkeiten des Themenwechsels Sprecher vs. Hörer: Die Rolle des Hörers wurde sehr lange als passive Rolle angesehen. Hörerverhalten kann aber stark das Sprecherverhalten beeinflussen. Hörer ist von der Seite des Sprechers aktiviert. Sprecherwechsel ist Rollenwechsel; in einem Zweiergespräch ist regelmäßiger und einfacher als in einem Gruppengespräch, wo eine intensive Kooperation nötig ist Es gibt zwei Arten des ZU-WORT-KOMMEN: 1. Fremdwahl - explizit: durch den namentlichen Aufruf des Diskussionsleiters, durch eine direkte Anrede - implizit: nonverbal, durch eine Geste oder einen entsprechenden Blick 2. Selbstwahl: wenn ein Sprecher seinen Beitrag beendet hat, sind Anwesende die potentionellen nächsten Sprecher. Sie müssen sich untereinander koordinieren, damit nicht alle gleichzeitig zu sprechen anfangen und sie müssen auf folgende Merkmale aufpassen, ob: - der Sprecher wirklich den Beitrag beendet hat, oder ob es sich nur um eine kurze Formulierungspause handelt; - ein Signal für Fremdwahl erfolgt ist; - jemand ein Sprechvorrecht hat. FORMEN des Sprechwechsels: 1. Sprechwechsel mit oder ohne Sprechpause – der Wechsel verläuft glatt, mit einer kurzen Pause oder ohne sie 35 2. Sprechwechsel mit overlap (Überlappen) – die letzten Silben der Worte, eventuell ein ganzer Satz, überlappen sich mit ersten Worten eines neuen Beitrags, d.h. werden gleichzeitig gesprochen 3. Sprechwechsel mit längerer Pause bzw. mit Schweigen – diese Pausen sind länger als Sprechpausen; deren Länge ist kulturabhängig. Sie werden als unangenehmen empfunden, z.B. als mangelndes Interesse am Thema interpretiert. 4. Sprechwechsel durch Unterbrechung – als aggressive und unangenehme Form der Selbstwahl empfunden. Sprecher hat seinen Gesprächbeitrag noch nicht beendet, wesentliche Teile des Beitrags können nicht realisiert werden. An übergangsrelevanten Orten geht es nicht um Unterbrechung, sondern es wird eher als eine überraschende Selbstwahl empfunden. Sprecherrolle und Sprecheraktivitäten: Wie lange man spricht, hängt von diesen Faktoren ab: Zeit, Ort, Öffentlichkeitscharakter, Thema, Beziehung zum Partner. Wie man erkennt, dass jemand noch weiter sprechen will? - Formulierungspausen sind mit äh, hmm, öh gefüllt - Intonationskurve bleibt erhöht X Signale für Übergabe des Wortes: - man spricht langsamer, leiser - Sätze enden mit gell? oder? nicht? eh? Hörerrolle und Höreraktivitäten: Bloßes Zuhören führt zur Verunsicherung des Sprechers und zu dessen Nachfragen wie Hörst du mir noch eigentlich zu? Gute Hörer können den Gesprächverlauf (durch bestimmte Signale) beeinflussen, ohne das Wort zu ergreifen, z.B. zweifelnde Kommentarsignale führen zur Präzisierung und Argumenten. Die Hörerrolle erfordert auch eigene Gesprächs-Aktivitäten – Rückmeldeverhalten (sind automatisiert) lassen sich unterteilen in: a) aufmerksamkeitbezeugende – Signale, dass der Hörer noch da, wach und aufmerksam ist b) kommentierende – signalisiert die Einstellung des Hörers zum Gesagten (Zustimmung, Zweifel, Spannung) Man verwendet dabei diese Mittel: - Blickkontakt - Körperhaltung 36 - Mimik, Gestik - Kopfbewegungen - Lachen oder Lächeln - Rückmeldesignale mm, hm, ja, jaja - kommentierende Bemerkungen wie ach ja, wirklich? genau, eben, soso Organisationspannen und Reparaturmechanismen - falls eine Pause als Schweigen empfunden wird, dann kann folgendes unternommen werden: Eine Reparatur durch den Sprecher: 1. den Beitrag verlängern (durch: also, eben, ich meinte); 2. wählt einen neuen Gesichtspunkt des alten Themas; 3. wählt einen neuen Themenkreis. Das Schweigen ist damit überspielt und kann zur Pause uminterpretiert werden. Eine Reparatur durch den/die Gesprächspartner: 1. Pausenfüller 2. Kommentarfloskeln (tja, ja ja, so ist das halt) Reparatur beim Unterbrechen: 1. Der Unterbrecher (Hörer) kann sich selbst unterbrechen und mit Entschuldigung das Wort zurückgeben. 2. Der Unterbrochene (Sprecher) tut so, als ob er sowieso aufhören wollte und beendet den Satz – Überlappen. Partikeln - haben im Gespräch eine bedeutende Rolle, sie gehören zu den sog. Füllwörtern. Man unterscheidet: a) redeleitende Partikeln: - Pausenfüller (alsoo, ehm, tja) – Sprecher signalisiert, dass er das Wort noch nicht abgeben will - Knautschzonen beim Sprecherwechsel – halten den Informationsverlust möglichst klein - Redeeinleitung – man beginnt zu reden, ohne genau zu wissen, was man sagen will (ja, also, ich meine halt) 37 - Überbrückung von Gesprächsflauten (stagnace) – wo sich die Partikel häufen, zeigt sich die Ermüdung eines Themas, gleichzeitig wird der Übergang zum neuen Thema signalisiert (jaja, soso). - Sprechersignale – verpflichten den Hörer zur Aufmerksamkeit - Hörersignale – sprachliche Mittel des Rückmeldeverhaltens b) modal bzw. Abtönungspartikel: - haben metakommunikative Funktion - sie modifizieren und kommentieren das Gesagte und drücken die Einstellung des Sprechers aus, z.B. Unsicherheit (Irgendwie leuchtet mir das schon ein), Gefühle, Ungeduld (Was soll das eigentlich?) Funktionen des nonverbalen Verhaltens: - unterstützen, verdeutlichen, vorbereiten, oder gar verbales Verhalten ersetzen (z.B. mit Kopfnicken) Zum nonverbalen Verhalten gehören: Gestik – Hand- und Armbewegungen Mimik – Spiel der Gesichtsmuskeln, besonders die Bewegungen der Mund- Nasenpartie und der Stirnpartie Blickkontakt – Sympathie, Antipathie, Zuneigung, Misstrauen Körperhaltung –– Spannung, Aufmerksamkeit, Müdigkeit, Proxemik Raumverhalten – es zeigt sich die Distanz in der Beziehung zueinander Benachbarte Gesprächbeiträge Gesprächsbeiträge sind in einer funktional-kommunikativen Art aufeinander bezogen. Man unterscheidet zw. initiierenden und respondierenden Akten. Initiierende Akten verpflichten Gesprächsteilnehmer zu einer Reaktion (wenn man eine Frage stellt, erwartet man eine Reaktion darauf. HENNE und REHBOCK sprechen statt von Initiierung von Determinierung. Respondierung ist die Reaktion auf Initiierung, oft mit Initiierung verbunden (wenn ich zweifle) Paare der Initiierung und Respondierung: Frage – Antwort Kompliment – Reaktion Gruß – Gegengruß Vorwurf – Reaktion darauf 38 Diese Paare sind stark konventionalisiert, wenn man anders reagiert, kommt es zur Verletzung der Konversationsmaximen. Inhaltlich Verknüpfung der Gesprächsbeiträge: Responsivität – man berücksichtigt die Intention und die inhaltliche Anknüpfung Teilresponsivität – nur ein Teil des Inhalts ist berücksichtigt Nonpresponsivität – weder Inhalt noch die Intetion werden berücksichtigt Die Grenzen zw. benachbarten Gesprächsbeiträgen - sie können durch Kohäsionsmittel überbrückt werden: - ein nachfolgender Sprecher beendet die angefangene Konstruktion des Vorredners - er verwendet zentrale Wörter oder Wendungen aus dem vorhergehenden Beitrag - er erweitert den endeten Beitrag durch einen konjunktionalen Anschluss Gesprächsteile: 1. Anfangsphase: nonverbal vom Blickkontakt vorbereitet, verbal durch einen Gruß eröffnet. In dieser Phase löst man organisatorische Fragen, Rückversicherungen sozialer Beziehungen werden konstituiert. Die Länge dieser Phase hängt ab von: Bekanntheitsgrad, Anzahl der Teilnehmer, Öffentlichkeit oder Privatheit. Für diese Phase sind bestimmte Themen oder Themenbereiche typisch: Wetter, Gesundheit, Kaffee- oder Zigarettenangebot. 2. die Gesprächsmitte: - bei Gesprächstypen mit einer sehr schwachen thematischen Orientierung (Alltagsgespräche) ist diese Phase durch starke Floskelhaftigkeit geprägt Gesprächsthemen: a) festgelegtes Thema (bei Tagungen, Diskussionen) – man behandelt ein zentrales Thema, das man in Subthemen aufgliedert b) freies Thema – das Thema ist durch situativen Zufall gewählt, man behandelt mehrere Themen 3. Beendigungsphase: die Partner kommen zum Abschluss des Gesprächs. Beendigungsangebote sind durch nonverbales Verhalten unterstützt (Brille aufsetzen, Papier einpacken, Zigarette ausdrücken). Typische Handlungen für diese Phase sind: Zusammenfassungen dessen, was gesprochen wurde, Terminabsprachen, Austausch von guten Wünschen, Grußaufträge an Bekannte. 39 Gesprächssorten, Gesprächstypen. - verschiedene Kriterien der Gesprächsklassifizierung: - Medium: z.B. Fernsehdiskussion, Radiointerview - außersprachliche Situation: z.B. Freizeit (z.B. Stammtischgespräch) - Anzahl der Gesprächspartner: z.B. Gespräch unter 4 Augen - kommunikative Funktion: z.B. Beratungsgespräch Redekonstellation - bezieht sich auf eine Kombination von außersprachlichen Faktoren (wie Anzahl der Partner, Grad der Vorbereitetheit, zeitliche Begrenztheit des Gesprächs, Öffentlichkeitsgrad...) Rollen der Gesprächspartner Es gibt zwei Rollenkonstellationen: a) Gespräche gleichberechtigter Gesprächspartner – alle haben dieselben Rechte und Pflichten b) Gespräche mit einer Rollentrennung - Rechte und Pflichten sind unterschiedlich - im Rahmen einer bestimmten Gesprächorganisation übernimmt ein Sprecher eine institutionelle Rolle; prototypische Paarungen sind z.B. Dozent – Student, Richter – Angeklagter Rechte des bevorrechtigen Gesprächspartners: - das Gespräch eröffnen und beenden - Themen wechseln - Fragen stellen - Länge bestimmen Feste soziale Rollen - sind unabhängig von einer Gesprächsituation, beziehen sich auf eine bestimmte Gruppe von Gesprächspartnern – gegensätzliche Rollen (Eltern – Kind, Lehrer – Schüler) und Rollen des sozialen, gesellschaftlich – kulturellen Status 40 Soziolinguistik (SL) - Wissenschaftsdisziplin im Überschneidungsbereich von Linguistik u. Soziologie, die sich mit wechselseitigen Beziehungen zw. Sprache u. Sozialstrukturen beschäftigt SL untersucht die Beziehungen zw. Sprache u. gesellschaftlicher Gruppenzugehörigkeit von Sprechern/Hörern, man sagt auch zw. Sprachstruktur u. Sozialstruktur. Starke Bezüge zur Soziologie: - inhaltlich: Sprache ist als soziales Phänomen zu betrachten u. lässt sich nur im Bezug auf gesellschaftliche u. soziale Lebensbedingungen beschreiben - methodisch: Sprachakten werden mit Hilfe spezieller Interviewtechniken oder Feldforschungen u. Beobachtungen gewonnen Forschungen: - quantitativ – große Korpora mit best. Sprachdaten - qualitativ – intensive u. detailbezogene Analyse einzelner Sprachereignisse; starker Einbezug der untersuchten Personen Frage: Welche Sprachformen von Sprachhandeln sind für welche soziale Gruppen einer Sprachgemeinschaft typisch? Veränderung – neben Schicht auch andere außersprachliche Faktoren untersucht, die Einfluss auf die Sprache haben: Alter . Geschlecht Berufszugehörigkeit religiöse/polit. Zugehörigkeit SL wird auch als Varietätenlinguistik genannt (Soziolekt, Code-, früher Gruppensprache) K = Kommunikationsereignis S = Sender E = Empfänger - zu Informationsübertragung wird ein Code (=Varietät einer Sprache) verwendet - je nach der Situation kommt es zum Code-Wechsel - die Forschungen betreffen die Fähigkeit einzelner Sprecher zw. versch. Sprachen zu wechseln (je nach den außersprachlichen Faktoren) 41 Sprachgebrauch ist bedingt: regional sozial geschlechtlich situativ stilistisch WER spricht WAS WIE u. MIT WEM in WELCHER SPRACHE u. unter welchen Bedingungen / UMSTÄNDEN mit welchen ABSICHTEN? Zusammenhang von Sprache u. Gesellschaft Entwicklung der SL: Anfänge der SL – der Terminus als Bezeichnung für die Disziplin hatte sich in den 60ern durchgesetzt. 3 Phasen der SL: 1) Vorsoziolinguistik - viele Fragen behandelt, aber es entstand damals noch keine SL - damals behandelte Fragen: Erscheinungsformen/Varietäten des Deutschen, Dialektographie, Sprachatlas des Deutschen Reiches, Unterschiede zw. Männer- und Frauensprache - die SL in Deutschland wurde in den 60er Jahren ignoriert, sie war an amerikanische Vorbilder orientiert 2) e mittlere Phase - Grundlagen der germ. SL legte LÖFFLER, bis dahin wurde SL historisch/literarisch orientiert - Umbruch 1966 – Zuwendung zur Gegenwartssprache: Vorbild – generative Grammatik, Konzentration auf sprachliche Formen (Inhalt interresierte sie nicht); diese Strukturlinguistik war zu abstrakt bis → pragmatische Wende (Konzentration auf Sprachgebrauch) - Handlungscharakter der Sprache – für welche sozialen Gruppen typisch sind → Impuls für die Entw. der SL. - 60-70er Jahre: Politisierung des Wissenschaftsbetriebes: konkretes, gegenwärtiges Sprachleben – soziale u. politische Dimensionen einbezogen - Mangel an ausgebildeten Kräften → Förderung der Chancegleichheit im Bildungswesen 42 - Probleme mit Integration ausländischer Arbeitskräfte → Förderung v. Kindern aus Unterschichtskreisen → beschleunigte Integration der Gastarbeiter - darauf gehofft, dass die Linguistik Sprachbarrieren überwinden kann - Aktion „Student aufs Land“ – Zahl der Studierenden aus Unterschichtskreisen sollte erhöht werden; - Studenten – Unterschiede im Sprachgebrauch zw. Kindern aus höheren u. niederen Schichten – SL sollte die Sprachbarriere beseitigen => SPRACHBARIERENFORSCHUNG → Sprache als Produkt u. Ausdruck spezifischer Lebensbedingungen gesehen - der Sprache der Ober- u. Mittelschicht wird die Sprache der Unterschicht (Arbeitsschicht) gegenüberstellt → klassische Phase (BERNSTEIN, LABOV) Gesellschaft ist nach Bernstein zweigeteilt: 1) elaborierter (rozvinutý) Code – Sprachgebrauch der Ober-/Mittelschicht 2) restringierter (omezený) Code – Sprachgebrauch der Unterschicht restringierter Code (RK) X elaborierter Code (EK) - kurze, einfache Sätze - längere, verständlichere Sätze - Parataxe - Hypotaxe - wenige Konjunktion u. Präpositionen - Syntax komplexer (diverse Präp., Konj.) - geringer Wortschatz - größerer Wortschatz - seltene Verwendung von Ich - häufigere Verwendung - viele Klischees - weniger Klischees - konkrete Beschreibungen - abstrakte Beschreibungen - mehr Implizitheit - Explizitheit - Emotionalität - weniger emotionell - wenige Sprechpausen - Rücksicht auf Sprechpartner - kollektive Meinungen - rhetorische Fragen, Sprechweise mehr individuell - statusorientiertes Kommunikationsverhalten -personorientiertes Kommunikationsverhalten (Argumentation spielt keine Rolle, Verbote (Meinungen, Argumentation, Verbote werden auch ohne Begründung erteilt werden) nur mit einer Begründung erteilt) 43 Unterschiede: Explizitheit grammatische Korrektheit logische/argumentative Strukturiertheit BERNSTEIN bezeichnet die Problematik des restringierten Codes als Defizithypothese → sprachliche Defizite, der Mangel kann durch Sprachtraining verbessert werden → kompensatorische Spracherziehung – Beherrschung des elaborierten Codes soll den sozialen Aufstieg ermöglichen → psychologische Probleme der Unterschichtskinder, die ihre Sprache als defizitär, als mangelhaft erleben Differenzhypothese (von LABOV) - Kritik der Defizithypothese – die Sprache der Unterschicht ist nicht unterlegen, die „niedere Schicht“ drückt sich einfach nur anders aus (nicht Mangelhaftigkeit, sondern lediglich Andersartigkeit) - Lehrer müssen wissen, dass es andere Sprachgebrauchsformen gibt, die aber nicht defizitär sind - man muss nur wissen, wann der EK und wann der RK zu benutzen ist - Ziel – alle Kinder sollen mindestens passiv den elaborierten Code beherrschen → emanzipatorischer Sprachunterricht 3) e spätere Phase der SL - empirische Untersuchungen von deutschen Wissenschaftlern - 4 Richtungen: 1. Verifizierung x Falsifizierung von Bernstein 2. Dialekt als Sprachbarriere 3. kommunikativ-pragmatische Richtung 4. seit 80er Varietäten-Linguistik, Kontaktlinguistik Schritte SL Untersuchung: 1. Vorbereitung u. Planung der Forschung (Festlegung des Ziels, Organisation der Untersuchung, Forschungsplan, Voruntersuchung) 2. Durchführung der Untersuchung: Datenerhebung (Befragung, schriftliche Protokolle – Notation der Äußerungen, Speicherung – schriftlich, Tonband); Techniken (indirekte / direkte Befragung, kombinierte Methode – Interview, nach Leitfaden, teilnehmende Beobachtung) Datenbearbeitung – Erklärung 44 3. Resümee – Auswertung Die Heutige SL ist v.a. VARIETÄTENLINGUISTIK - Sprache = eine Summe von Varietäten 3 Variationsdimensionen: 1) räumliche/diatopische – Verschiedenheit im Raum 2) soziale/diastratische – soziokulturelle Unterschiede 3) situative/diaphasische Linguistisches Repertoire – alle Varietäten, die ein einzelner Mensch beherrscht Bestimmte Situationen bedürfen bestimmter Varietät: Dialekte Idiolekte Soziolekte Mediolekte Sexolekte Funktiolekte Alterssprachen Situolekte Problem der Definition von Varietät (Uneinheitlichkeit): - Ist nur ein linguistisches Merkmal genug o. müssen es 100 sein? - Auf einer Ebene o. auf allen Sprachebenen? - Kleine Gruppe Sprecher o. größere? Deutsche Sprache = plurizentrische Sprache: - e National-/Landes-/Volkssprache - Randgebiete, wo dt. gesprochen wird = sog. RANDDEUTSCH (Ostbelgien, Südtirol, Luxemburg, Tschechien, Schlesien, Nordschleswig...) – in einigen Randgebieten ist Deutsch eine der Amtssprachen, in anderen dagegen nur als Dialekt - Orte, wo Deutsch als Volkssprache gilt = SPRACHINSELN (Rumänien, Siebenbürgersachsen...) Subklassifizieren der dt. Sprache: 1. Standardsprache – einheitlich normiert 2. Standard-Sprechsprache (LÖFFLER) / hochdeutsche Umgangssprache – auch genormte Grundregeln, regionale Varianten; man unterscheidet groß- u. kleinlandschaftliche 3. Substandardsprache – regionale Dialekte 45 STANDARDVARIETÄT / STANDARDSPRACHE / SCHRIFTSPRACHE - schriftlich kodifiziert - gilt für die ganze Sprachgemeinschaft - in institutionellen Kontexten benutzt - deren Gebrauch verleiht einem Menschen an Prestige → somit ist sie mit einer Art sozialem Privilegium verbunden - in Schulen gelernt - in der Alltagssprache erscheint niemals als ideale kodifizierte Form Prozess der Standardisierung: 1) Selektion: aus allen Varietäten muss eine gewählt werden 2) Kodifizieren: sie muss durch Institutionen (Grammatiken, Wörterbücher) normiert werden 3) Ausbau der Funktionen (überregional...) 4) positive Übernahme von einem relevanten Anteil der Bevölkerung Beim Festlegen spielen ULRICH AMMON soziale Kräfte mit (sind an der Standardisierung beteiligt): 1) Normautoritäten – Korrekturen 2) Sprachkodex (Kodifizieren) 3) Modellsprecher und Modellschreiber: Modelltexte, professionelle Benutzer (Journalisten, Theater, in Medien), Sprachexperten UMGANGSSPRACHE - regional begrenzte Ausdehnung = Alltagssprache – in alltäglicher Kommunikationssituationen gebraucht DIALEKT Merkmale: - regionale Gebundenheit (Kleinräumlichkeit) - mündlich (situativ bedingt) - natürlich (spontan) - nicht öffentliche Varietät (fehlende Normiertheit/Standardisierung) - weniger distanziert - linguistische Ähnlichkeit zum Standard 46 Arten von Dialekten: A) nach der Größe des Raumes: 1) lokale Dialekte – Dialekte eines Dorfes 2) Stadtdialekte – mittlere Größe 3) regionale Dialekte B) nach der Art der Überdachung: 1) Binnendialekte – Dialekte, die von einer Standardsprache überdacht sind (z.B. in der Schweiz) 2) Außendialekte – sind von der Standardsprache isoliert (z.B. Alemannen in Elsass – es gibt Elsässer, die in der BRD nur arbeiten, die binden sich an die deutschsprachige Standardgemeinschaft C) nach der Geltung (Veränderungen im Laufe der Zeit): 1) Relikt – nur von älteren Leuten gesprochen 2) kommt als soziales Symbol vor – korreliert mit bestimmten sozialen Faktoren 3) als Hauptvarietät – mit positiven Konnotationen im Alltagsgebrauch Die Dialektforschung wird als Sozialforschung angesehen. SL – untersucht: soziale Verbreitung der Dialekte regionale u. nationale Besonderheiten der Dialekt- u. Standardsprache wer spricht wo welchen Dialekt in welcher Häufigkeit an welche Sprechergruppen (Geschlechts-, Altersgruppe) verteilen sich bestimmte dialektale Merkmale an einem Ort Ergebnisse: mehr als 35% Dialekte in der Schweiz; hohe Dialektalität im Süden – 60% Die Dialektalität kann mit sozialen Faktoren korrelieren: Sprachalter (hohe Dialektalität im primären Spracherwerb- in der Familie + in der Zeit der Rente; Annäherung an die örtlich geltende Varietät in der Zeit der Schulerziehung, Berufs, Eheschließung, Kindererziehung) Geschlecht – Frauen nähern sich eher der Standardsprache als Männer, Zusammenhänge mit der Kindererziehung, dem Beruf Weitere Faktoren: berufliche Stellung; Bildung; Einkommensklasse; häusliche Umgebung... Gesamtes dt. Sprachgebiet kann in 3 große Regionen eingeteilt werden: 1) Niederdeutschland – Norden, Dialektschwund (Dialekt kommt dort nur noch als Relikt vor) 47 2) Mitteldeutschland – Mitte + Südosten, Dialekt des Standard-Kontinuums; der Gebrauch der Dialekte sozial bedingt (untere Schicht = Dialekt, höhere Schicht = Standardsprache 3) Oberdeutschland – Südwesten, v.a. Schweiz – Diglossie Region (=Standardvarietät ist klar getrennt), alemannisches Gebiet Varietäten X Standardsprache (gilt für D. u. Ö.) - niedere Schichten - höhere Schichten - alte Generation - junge Generation - Männer - Frauen - Land - Stadt Diglossie - der Begriff wird auf CHARLES FERGUSON zurückgeführt - eine stabile Sprachsituation, man spricht von: L-Varietät (Low-Varietät) X H-Varietät (High-Varietät) - niedere Varietät - gehobene Varietät - informelles Konversationsmedium - formelle Situationen - keine institutionelle Kontrolle, keine Kodifizierung - wird in Schule erlernt - Verständigungsmittel, in der Familie - Predigt in der Kirche, Rundfunk, Nachrichten - Anweisungen - Briefe - andere Programme im Fernsehen - politische Rede - Mundartliteratur - Uni-Vorlesung Diglossie X Billingualismus: Diglossie – funktionale Zweisprachigkeit, die Varietät Bilingualismus – Zweisprachigkeit als Fähigkeit des Sprechers (beherrscht 2 Sprachen) mediale Diglossiesituation - Dialekt immer in gesprochener Sprache (in der Schweiz) - Standardsprache – für die Schreibung, institutioneller Charakter Sprachgemeinschaft = bestimmte Gruppe von Sprechern mit typischen sprachlichen Charakteristika 48 - der Begriff ursprünglich von der Dialektologie geprägt - größere Sprachgemeinschaften zerfallen in kleinere (Deutsch → D, A, CH; D → Norddeutschland und Süddeutschland usw.) - geographisch bestimmte Gruppe - zum Teil eine Gruppe, die ein spezifisches soziales Netz bilden = Interaktionsgemeinschaft (z.B. Angehörigen einer Jugendgruppe) SOZIOLEKT - Synonym zur Varietät oder gruppenspezifische Varietät - das Sprachverhalten einer gesellschaftlich abgrenzbaren Gruppe - Unterschiede zur Standardvarietät liegen im Wortschatz – nach Bedürfnissen jeder Gruppe - Status der Sondersprachlichkeit – transitorisch, temporär, habitual: 1) transitorische Soziolekte: Lebensaltervarietät Kindersprache Schüler u. Jugendsprache Erwachsenensprache (bei Frau Zeit der Kindererziehung, Zeit des Berufslebens) Seniorensprache Studentensprache 2) temporäre Soziolekte: für eine gewisse Zeit im Tages-, Jahresablauf gelten (Hobby, Sport, Freizeitgemeinschaften, Lebensart) → Jargon – Gefühl der Zugehörigkeit u. Absonderung von der Gesellschaft 3) habituelle Soziolekte: geschlechtspezifische Varietät – Männer/Frauensprache Sondersprachen – dauernde Sondergemeinschaften → stehen in gewisser Opposition zu normalen Bürgern oder deutliche Außenseitergruppierungen (selten): Subkulturen – Sprache der Drogenszene, Prostitution, Faschos, Gefängnis, Obdachlosen; typisch: Expressivität, Originalität, unklare Bedeutung, Funktion der Geheimhaltung Sondersprache = Argot (Gaunersprache), z.B. Rotwelsch (rot=Bettler) IDIOLEKT - individuelle Varietät, unverwechselbare Sprache eines Individuums - Sprachverhaltensweise - situationsbedingte (zu kleinen Kindern, Freunden) 49 - rollenspezifische/themenspezifische - SL untersucht: individuelle Größe → Ausgangspunkt zur Untersuchung kollektiver Verhaltensweisen, Summe aller Idiolekte = Sprache der Gemeinschaft - Idiolekt kann andere Hörer beeinflussen – Sprachwandelprozess, Gruppenbildung AREALE VARIETÄT Stadtdialekt x Landdialekt - sog. URBANOLEKTE (große Städte – z.B. Unterrheingebiet, Chemnitz, Dresden) - Stadt beeinflusst die Standardisierung der Dialekte - Stadtdialekte = ein Konglomerat von verschiedenen Sprachringen, Übergänge von einer Varietät zur anderen sind stufig (nicht scharf) → Mischsprachen, die sozial stratifiziert sind - Betriebssoziolekte SITUOLEKTE - situationsspezifische Varietäten - Varietäten, die unterschiedlichen situativen Konstellationen (Domänen) entsprechen - Domänen bestehen aus sozialen Situationen, in denen Gesprächspartner miteinander interagieren (soziale, private, geschäftliche Rollen) - wer mit wem wie in welchem sozialen Kontext über was redet wer mit wem – lokale Identität, soz. Status; wie – schriftlich, mündlich; Wechsel der sozialen Rollen REGISTER - situationsspezifische Varietäten - durch eine Kommunikationssituation vorgegebener und zu erwartender Sprachhandel - je nach dem Ort, Zeit, Partner – andere sprachliche Register FUNKTIOLEKTE - Alltagssprache (regional unterschieden, Ökonomie des Ausdrucks, Emotionalität, Humor, Satire, Spott) - Literatursprache (höchste Form der Sprache, gehobene, ästhetische Wirkung) - Wissenschafts- u. Fachsprache (Theoriensprache, fachliche Umgangssprache, Lehrbuchsprache, Unterrichtssprache, Außensprache, populäre Erklärungsssprache in Medien) - Amtssprache (Politiker, Juristen...) 50 - Pressesprache (Massenmedien) MEDIOLEKTE - gesprochene x geschriebene Sprache - gesprochene Sprache – direktes / vermitteltes Gespräch, Normalfall = „face-to-face“ Situation Situationale Einteilung der gesprochenen Sprache – Kriterien: Ort, Zeit, Zahl / Bekanntheitsgrad der Teilnehmer...→ Monologe, asymmetrische / symmetrische Dialoge, Handlungsdialoge Vermittelte gesprochene Sprache: telefonische Übermittlung, Radio-Fernsehübermittlung KONTAKTVARIETÄTEN = Sprach- u. Varietätsmischungen, die durch den Sprachkontakt entstehen - Pidgin + Kreolo – das wichtigste Merkmal, das sie bestimmt, ist die MACHT - Pidgin wird nur in speziellen Situationen gesprochen, nicht in der Schule erlernt – unter dem sozialen Druck, sich rasch zu verständigen - Kreolische Sprache – Ausbausprache, 2. Generation aus Pidgin, Pidgin zur Muttersprache; Entpidginisierung, Kreolisierung→K., Entkreolisierung→Standardsprache - s Pidgin-Deutsch: Gastarbeiter, untersucht in den 70er Jahren, Fossilienstufen des Deutschen - Xenolekte: muttersprachliche Varietät gegenüber den ausländischen → Vereinfachung der Sprache weist zugleich auf den niedrigeren Rang der Ausländer hin – symbolische Macht der Einheimischen - Lernervarietät: Zwischensysteme – ausgebaute Systeme der Sprache = Interiolekte = die Varietät, die bei Erlernung der Zielsprache zur Verfügung steht - je nach Kontaktmöglichkeiten entwickeln sich: Basilekt Mesolekt – ausgebaute Varietät, ist mit Kreolsprache vergleichbar Akrolekt – Kunstweise der Ausländersprache (zielsprachenahe Varietät) SPRACHNORMEN = Festsetzungen zur Regulierung menschlichen Handelns 51 Sprachnormen sind: 1) eine Teilmenge sozialer Normen: - Situativ- / Kommunikationsnormen: Norm – Erwartungshaltung gegenüber bestimmten Sprachverhalten, die in einer gegebenen Kommunikationssituation als angemessen gilt (konventionalisiert). Anderes Sprachverhalten – normwidrig → Sanktionen (=soziale Funktion der Normen) - beziehen sich auf eine Adäquatheit des Sprechers - Sprachnormen im weiteren Sinne (Konversationsmaximen) 2) Sprachnormen im engeren Sinne: - sind linguistische Sprachnormen/Regeln - grammatisch-semantische Normen – in Grammatiken, Wörterbüchern kodifiziert - Normen sollten nicht nur institutionalisiert sondern auch sozial legitimiert (anerkannt) sein positive Auswirkung der Normen – wirken stabilisierend, Komplexität, Koordination der Handlungen negative Auswirkung der Normen – Zwang zur Konformität Normen sind mit Wertungen verbunden - zu laut lachen; Wörter wie geil, ätzend ohne Rücksicht auf den jeweiligen Gesprächspartner (z.B. alte Menschen) - Gefahr sozial abgewertet zu werden - Sprachverhalten unterliegt einer Sozialkontrolle AUSSERSPRACHLICHE PARAMETER - beeinflussen das Sprachverhalten 1) Schicht/Klasse - schichtspezifisches Sprachverhalten - wenig untersucht sind die sozialen Unterschichten (wegen schwierigem Zugang), d.h. die Untersuchenden kommen meist aus höheren Schichten - möglich ist die sog. teilnehmende Beobachtung – langer Prozess der Integration in die Gruppe, man wird einer von ihnen 2) Alter - untersucht v.a. Einfluss des Alters auf das Sprachverhalten im Bereich der Jugendsprache - es gibt altersspezifische Sprachwelten (Schultag, jugendliche Freizeit, Beruf, Kleinkinder...) 52 - Jugendvarietäten - nach Freizeitinteressen, Religion... - v.a. Wortschatz: Ausdrücke für Emotionen (total, echt), Popmusik, Begrüßungen, Beschimpfungen, metaphorische Wendungen, Anglizismen, Partikel (irgendwie, total) - identitätsstiftende Funktion – Imagebildung 3) Geschlecht - nicht nur biologischer, sondern auch sozialer Parameter - eine wichtige Rolle spielt die Diskussion um die gesellschaftliche Gleichstellung von Mann u. Frau - erforscht, ob bzw. wann u. wie es Unterschiede gibt Frauen: - tendentielle Unterschiede – Stimme, Aussprache, Intonation - Frauen passen sich besser einer dialektal/Standardsprache an als Männer - Wortwahl: vermeiden sie Kraftausdrücke, und benützen dagegen abgeschwächte Formen; unterschiedliche Fachwortschätze - Satzbau: neigen in gesprochener Sprache zu kürzeren Sätzen, verbal orientiertem Satzbau - Interaktionsverhalten: sprechen weniger als Männer, werden öfter unterbrochen, bestimmen weniger oft das Gesprächsthema, verwenden oft Ich-Aussagen und Tag-questions (nicht wahr, find ich halt) - Sprachverhalten: nehmen den Sprechpartner als Individuum wahr, kooperatives Sprachverhalte (x Männer – leistungs- u. konfliktorientiertes Verhalten, sachorientiert) Diese Unterschiede sind jedoch nicht biologisch sondern sozial determiniert!!! 4) Gruppe - aufgrund mehrerer sozialer Faktoren kann man spezifische Gruppen unterscheiden - diverser Sprachgebrauch bezieht sich außersprachliche Gemeinsamkeiten – Sport, Religion, Drogen - Funktion der Gruppensprache – Integration in eine spezielle Wunschgruppe oder Abgrenzung von anderen – Gruppenidentität - Sondersprachen – Argot, Rotwelsch, Obdachlosensprache, Slang... 5) Rolle 53 - soziale Rolle – eine Menge Erwartungen bezüglich des Verhaltens einer Person in bestimmten Interaktionssituation - bestimmtes Rollenhandeln – Mutter tröstet ihr Kind - anderes Handeln – Normverstoß – als peinliche Stimmung sanktioniert oder manchmal auch als Souverenität interpretiert - Rollendistanzsignalisierung – durch Ironie, Überhöhung des adäquaten Verhaltens - man erwartet bestimmtes Sprachverhalten auch im paraverbalen Bereich - Rollenwechsel -schichspezifisches Sprachverhalten (ein Automechaniker redet anders als ein Bankdirektor) 6) Situation - bildet die Schnittstelle verschiedenster außersprachlicher Parameter - unser Sprachverhalten ist von der Situation abhängig (Zeit, Ort, Kommunikationspartner), z.B. familiärer Bereich, Freizeit, Schule, Beruf - 2 Interaktionspartner können dieselbe Situation unterschiedlich interpretieren - code-switching – Wechsel von einer Varietät zur anderen – meist automatisch - außersprachliche Parameter überlagern sich → schwierig für Interpretation der Untersuchungsergebnisse Heutige SL – Parameter Schicht nicht mehr im Zentrum, sondern: Stadtsprachen Sprachgebrauch an Institutionen – Beamter/Bürger; Beratungsgespräche Verhältnis zw. Dialekt und Hochsprache: wichtig Stadt/Land, Alter, Mobilität Historische SL - Geschichte der deutschen Sprache unter soziolinguistischer Perspektive untersucht - sprachliche Entwicklung in Abhängigkeit von sozialer u. gesellschaftlicher Entwicklung - möglich für 19.-20. Jh. – Sprachwandelprozesse Soziolinguisierung – Dialektologie, Sondersprachforschung Psycholinguistik (PL) -Verbindung von Sprache u. Psyche (Geist) und damit Verbindung der Sprachwissenschaft mit der Psychologie 54 - Sprache wird durch psychische Mechanismen beschrieben CHOMSKY – Wie ist unser sprachliches Wissen im Gehirn repräsentiert und wie kommt es da hinein? Ziel – Sprachkompetenz (kognitive Fähigkeit) zu beschreiben Kognitive Psychologie – Problem der Informationsverarbeitung Entwicklung. Struktur und Gliederung 1) Psychologie der Sprache – bis 1957 – WILHELM WUNDT, KARL BÜHLER 2) Entstehung der PL – 1957 veröffentlicht CHOMSKY Syntaktische Strukturen - PL gehört zu den jüngeren Disziplinen der Psychologie oder der Linguistik - Psychologen beschäftigen sich mit der Sprache und dem Sprachverhalten - nur in wenigen Ausnahmen beeinflusste die Linguistik die Entwicklung der Psychologie u. umgekehrt. Ausnahmen: WILHELM WUNDT (1832-1920) - Schweizer Psychologe, - an der Züricher Uni tätig - 1875 in Leipzig gründete das erste psychologische Laboratorium – experimentelle Psychologie - Vorläufer der PL - knüpfte an die Ideen von WILHELM VON HUMBOLDT – Was ist Sprache? Sprache ist kein Werk (ergon), sondern eine Tätigkeit (energeia) des Geistes (Volksgeistes) KARL BÜHLER - einer der Begründer des Prager Linguistenkreises - 1934 Sprachtheorie – Die Hauptfunktionen der Sprache sind: 1) Darstellung – mittels Sprache wird etwas mitgeteilt 2) Ausdruck – Emotionen, sprachliche Mittel charakterisieren die Persönlichkeit des Sprechers 3) Appell – konative Funktion – an den Hörer Organonmodell = Rolle des sprachlichen Zeichens LINGUIST FERDINAND DE SAUSSURE - aus Genf stammend - 2 Erscheinungsformen der Sprache signifiant (Lautbild) X signifié (Bedeutung) 55 - bezeichnender Ausdruck - bezeichnetes Objekt → Theorie der Arbitrarität: es gibt keine innere Beziehung zw. dem Lautbild u. der Bedeutung des Zeichens (Ausnahme – onomatopoetische Wörter) langue (Sprache) X - abstraktes System von Regeln parole (Rede - promluva) - konkrete authentische Mitteilung des Sprechers - SAUSSURES Interesse galt nur der langue ASSOZIATIONSTHEORIE - Terminus aus Griechischem - aktuell in der 1. Hälfte 20.Jhs. - bezieht sich auf den Sachverhalt, dass Begriffe einander bedingen - 1. Versuche: 1880 GELTON – diktierte den Versuchspersonen u. untersuchte ihre Reaktion darauf – Psychologie des Wortes (Wort spielt eine bedeutende Rolle) KONDITIONIERUNGSTHEORIE - beruht auf der Basis des Behaviorismus - entwickelte sich in den 20er Jahren - WATSON, WEISS – ließen sich von der Lehre I.P.PAVLOVS beeinflussen - Behaviorismus versucht das Sprachverhalten auf der Basis der sog. Reiz- Reaktionsschemata zu erklären; Sprechen ist ein „Sich-Verhalten“ NOAM CHOMSKY - 1957 Syntaktische Strukturen – Theorie der generativen Grammatik - im Zentrum stand nicht das Wort, sondern die Sprache (in Deutschland – HANS HÖRMANN – Generative PL) - Ende 60er: Chomskys generatives Modell kritisiert, seine Theorie berücksichtigt nicht die kommunikative Funktion der Sprache - → 70er: Entstehung der Pragmalinguistik – steht an der Grenze der PL u. der Soziolinguistik letzte Etappe – Entstehung der KOGNITIVEN PSYCHOLOGIE: - Verarbeitung der Informationen, Gedächtnisspeicherung - Erforschung des Spracherwerbs als logischen Denkprozess 3 HAUPTBEREICHE DER PL: 1) Spracherwerbforschung – wie Sprache erworben wird 2) Sprachwissensforschung – wie Sprachwissen im Gedächtnis gespeichert ist 56 3) Sprachprozessforschung – untersucht psychische Prozesse, die mit Hören, Sprechen zusammenhängen KARL BÜHLER – 1934 Sprachtheorie - stellt für indogermanische Sprachen fest, dass Verb im Zentrum der Aussage steht u. die Struktur des Satzes bestimmt - Theorie des sprachlichen Zeichens – Organonmodell: Sprache hat Zeichencharakter Sprache ist ein Werkzeug (organon), mit dem man j-m etw. über Dinge mitteilt; das Kommunikationsmodell definiert 3 Funktionen der Sprache: Darstellung Ausdruck Appell Das Dreieck deckt sich nicht immer mit dem Kreis; nicht alles am Schallphänomen ist für den Empfänger wichtig. Er verwertet nur die semiotischmäßig relevante R.= abstraktive Relevanz. Das Schallphänomen kann definiert werden, dass ich nicht alles höre, nicht alle Laute, mangelhafte Information, trotzdem kann ich die Aussage verstehen = apperzeptive Ergänzung. Frühere Auffassungen des Zeichens: 1) DE SAUSSURE – bilaterale Auffassung, Zeichenmodell ist statisch; 2 Komponenten: signifiant (Ausdruck) + signifié (Inhalt), Appell spielt in diesem Modell gar keine Rolle 2) ODGEN/RICHARD – das semiotische Dreieck – berücksichtigt den Zeichenbenutzer Aber nur BÜHLERS Organonmodell ist das komplexeste Zeichenmodell, das dem Zeichen 3 Funktionen zuspricht; einbezogen sind auch psychische Prozesse des Sprechers (abstraktive Relevanz und apperzeptive Ergänzung). Weitere Kommunikationsmodelle: 1) Behaviorismus – BLOOMFIELD: beruht auf Reiz- u. Reaktionsschema; erklärt die Kommunikation mit Stimulus u. Respons (R-S Psychologie); Stimulus führt zu nichtsprachlicher Reaktion (z.B. nach Apfel greifen); Reaktion beim Hörer auf eine Bitte 2) DE SAUSSURE – Kommunikationsmodell – 5 Phasen: 57 ▪ rein-psychisch: 2 Personen wollen miteinander kommunizieren, A hat Mitteilungsabsicht; aus den Sprechzentren im Gehirn wurden automatisch Lautbilde evoziert ▪ psycho-physisch: Lautbilder gehen an die Artikulationsorgane über als Befehl zu entsprechenden Artikulationsbewegungen ▪ rein-physisch: Person A produziert Laute, sendet Schallwellen aus; sie kommen an das Ohr von B an ▪ psycho-physisch: Schallwellen von Gehörorganen der Person B im Gehirn mitgeteilt ▪ rein-psychisch: das Sprachzentrum im Gehirn registriert Lautbild u. evoziert automatisch die damit verbundene Inhaltvorstellung → dieses Modell ist mangelhaft, zu statisch. Pragmalinguistik – pragmatische Universalien (Komponente): 1) Person des Sprechers 2) Person des Hörers 3) gesamter Kommunikationskontext 4) Zeit u. Ort der Äußerung 5) Präsuppositionen – Voraussetzungen der Partner Eigenschaften des sprachlichen Zeichens – abstrakter Charakter, arbiträre Zuordnung; neben Grundeigenschaften auch zusätzliche Eigenschaften: 1) Linearität – man kann 2 oder mehrere visuelle Zeichen auf einmal aufnehmen, nicht aber mehrere sprachliche Zeichen; ich kann nur 1 Laut nach dem anderen artikulieren 2) Unveränderlichkeit – es gibt keine schnellen Veränderungen sprachlicher Zeichen, z.B. wegen der psychologischen Trägheit (lenost) der Benutzer einer Sprache; resultiert in Neuerungsunwilligkeit 3) Veränderlichkeit – Angehörige einer Sprachgemeinschaft können im Laufe der Zeit Änderungen in der Sprache bewirken Sprachliche Assoziationen u. das Problem der Bedeutung: Auswahl der Zeichen ist eingeschränkt: 1) syntaktische (sequentielle) Beziehungen – ein Wort hat Elemente vor sich und nach sich; die Sequentielle PL sucht nach Strukturen, die einzelne sprachliche Zeichen verbinden 58 2) assoziative Beziehungen – Elemente neben sich – man verbindet das Wort mit anderen Vorstellungen; Assoziative PL fragt nach Beziehungen zw. sichtbaren u. latenten Einheiten Im Redefluss sind alle Elemente linear angeordnet, Kommunikation mittels solcher linear angeordneten Elemente nennt Saussure Syntagma (=Zusammengestelltes). Syntagmatische Beziehungen sind Relationen in Presentia. Außerhalb des Redeflusses bestehen Verbindungen assoziativer Art = Paradigma (Beispiel). Paradigmatische Beziehungen sind Relationen in Absentia. Assoziationen entstehen aus 2 Gründen/Quellen: 1) Qualität der Vorstellungen – ähnlich, gegensätzlich (groß entwickelt sich in die ähnliche Vorstellung riesig, oder in die gegensätzliche klein) 2) Erfahrung – was erlebt wird → Assoziation Experimente: - 1901 THUMB U. MARBE: Stimulus bestimmt eine Kategorie, ein bestimmtes Reizwort löst bei verschiedenen Versuchspersonen in hohem Prozentansatz gleiche Antwort aus - KENT, ROSENZWEIG – häufigste Antwort als Primärantwort bezeichnet. - RUSELL – Franzosen, Amerikaner, Deutsche assoziieren gleich (Tisch in allen Sprachen mit Stuhl assoziiert) - PATERMO, JENKINS (1965) - verglichen männliche u. weibliche Assoziationen: - Frauen assoziieren anders (verwenden selten Hyperonyme, geben auf einen und denselben Stimulus weniger verschiedene Antworten) - Erwachsene: assoziieren gleiche grammatische Kategorie (z.B. Stuhl assoziiert einen Tisch, also auch ein Substantiv) = paradigmatische Assoziation (Ähnlichkeit der Bedeutung der Wortpaare), Selektion - Kinder: dagegen machen syntagmatische Assoziationen (aus dem Alltag), z.B. Stuhl-sitzen, Tisch-essen, arbeiten usw., d.h. Kombination; die Veränderung kommt zw.7-9 Lebensjahr Selektion u. Kombination werden in der Sprachpathologie zur Gliederung verschiedener Formen von Aphasie (Sprachlosigkeit) verwendet. Wortfeld = Bedeutungsfeld – Gruppe von Wörtern, die zusammen eine Bedeutungseinheit bilden, semantische Relationen 59 LINGUISTISCHE EINHEITEN UND DIE REGELN IHRER VERKNÜPFUNG ANDRE MARTINET – die Sprache ist ein Zeichensystem; das sprachliche Zeichensystem bezeichnet als einziges zweifach gegliedertes Zeichensystem, dessen Ausgangspunkt das Schema des Sprachereignisses darstellt 2 Komponente: 1) Sprechereignis – etw. mitteilen, die Tätigkeit ist Encodieren (von der Artikulation o. Akustik her beschrieben) 2) Hörereignis – betrifft den Hörer, er muss die Mitteilung dekodieren u. interpretieren (von der Akustik her, von dem, was der Empfänger hört = auditive Beschreibung) Sprachereignis – 3 Phasen: 1) artikulatorisch 2) akustisch 3) auditiv Hörer sucht nach linguistischen Einheiten – Morphemen (kleinste bedeutungstragende Einheiten, z.B. Sie hab en Kopf weh – 5 Morpheme) – Phonemen (Einheiten ohne Bedeutung, die jedoch eine Bedeutung signalisieren können; Bündel distinktiver Schallmerkmale) GENERATIVE GRAMMATIK (GG) (heute als generative Transformationsgrammatik {GTG} bezeichnet) NOAM CHOMSKY - GG geht davon aus, dass jeder Muttersprachler ein intuitive Kenntnis von Regeln der Sprache besitzt - GTG: ▪ Fähigkeit grammatisch richtige Sätze zu bilden = Kompetenz (langue) ▪ Anwenden der Kompetenz – Performanz (parole) ▪ neu – Mensch - Ziel der GTG: formale Beschreibung von grammatischen Regeln, die eine unmögliche Menge von richtigen Sätzen erzeugen/generieren können Entwicklung der GG: 1) Prinzip der Generativität - Ersetzungsregel 60 - jeder Satz (S) in Nominalphrase (NP, z.B. Der Besucher) u. Verbalphrase (VP, z.B. betrachtet das Bild) zerlegt; VP → Verb + NP atd. - Schema – Struktur – Stammbau/Stemma : Konstituentenstruktur ist gleich - nach Regeln bildet man grammatisch korrekte Sätze 2) Phrasenstrukturgrammatik = Basisteil, der durch Transformationsteil ergänzt werden muss → GTG Kritik: - getrennte Teile können nicht gut beschrieben werden - strukturelle Mehrdeutigkeiten – syntaktische Konstruktionen können nicht beschrieben werden, z.B. Der Verlust des Studenten schmerzte sie. ist zweideutig, der Satz kann bedeuten entweder, das der Student gestorben ist o. nur etwas verloren hat → 1 Struktur – 2 Bedeutungen x 1 Bedeutung – 2 Strukturen: Er liest dieses Buch. Dieses Buch wird von ihm gelesen. - semantische Ebene blieb unberücksichtigt im Punkt 1) oder sie spielte nur eine geringfügige Rolle im Punkt 2) 3) Generative Semantik - sie entstand Ende 60er - KATZ, FODOR, HJELMSLEV = Wortsemantik, arbeitet mit der Wortbedeutung als Konfiguration von verschiedenen Bedeutungselementen – distinktive Bedeutungsmerkmale (Seme) Semantem = Komplex v. Bedeutungen Semem = Bedeutung des Worts Sem = die kleinsten distinktiven Merkmale einer Wortbedeutung - aufgrund des Komplexes von Semen kann man die Komponentenanalyse / Komponentialanalyse KA vornehmen – Merkmalsmatrizen (Matrix) →tragen die meisten Merkmale zusammen, die die Bedeutung eines Wortes konstituieren; KA führt zur Präzisierung der Beschreibung von Wortbedeutung u. Bedeutungsdifferenzierung - Verwendung der KA: 1) Bedeutungsrelationen (Eltern, Vater, Kind, Sohn...) – Wortfelder 2) pragmatische Relationen (Synonymen, Antonymen, Homonymen) 3) Bedeutungswandel 4) Verwendung auch bei Denotation u. Konnotation 61 SPRACHE-DENKEN-VERHÄLTNIS - Sprache – 2 Funktionen: Ausdruck von Gedanken + Kommunikation - Sprache spielt bereits beim Denken eine wichtige Rolle - 3 Theorien des Verhältnisses Sprache + Denken: 1) JEAN PIAGET - Unabhängigkeit von Entwicklung des Sprechens u. Denkens - Spracherwerb – aktive Auseinandersetzung des Kindes mit der Umwelt 2) J.B. WATSON - Denken = lautloses Sprechen (Behaviorist) 3) WYGOTSKI - hebt die Autonomie des inneren Sprechens hervor – die innere Sprache muss in grammatische Sätze umgeformt werden RELATIVITÄTSTHEORIE (SAPIR-WHORF-THEORIE) - 30er Jahre - unsere geistigen Leistungen sind determiniert von der Sprache, in der wir denken - besteht aus 2 Teilen: 1) These des linguistischen Determinismus: - ohne Sprache kannst du keinen Gegenstand sehen (z.B. Indianer kennen keinen sprachlichen Unterschied zw. blau u. grün → können visuell keinen Unterschied zw. diesen Farben registrieren) - Sprache – Gegenstandskonstruierende Funktion 2) These der linguistischen Relativität: - Sprache teilt die außersprachliche Realität nicht in der gleichen Weise auf - lexikalische Inkongruenz (Deckungsungleichheit im Wortschatz), z.B. Eskymos haben viele unterschiedliche Ausdrücke für Schnee, Japaner viele Begriffe für Reis - Sprache schreibt uns vor, wie wir zu denken haben 3 Arten v. Denken: - bildliches - technisches - begriffliches Denken verläuft schneller als Sprechen. SPRACHERWERB (SE) 62 - der Besitz der Sprache unterscheidet Menschen von Tieren - Phylogenese = Entwicklung eines Lebewesens von einfachen zu höheren Stufen - Ontogenese = Entwicklung eines Individuums (Eizelle → Reifzustand) - jeder Organismus wird durch 2 Gruppenfaktoren gekennzeichnet: Spontaneität – Lebensprozess, Umwelt – Anpassungsfähigkeit - die alleinige Existenz ist noch keine menschliche Existenz; es fehlt die Möglichkeit, aus diesem Raum herauszutreten; um dies möglich zu machen, bedarf es einer Lockerung; erst wenn die Lockerung da ist, kann Bewusstsein, Sprache u. Wissen entstehen Spracherwerbstypen: 1) wie viel Sprachen werden gelernt – einsprachiger SE, zweisprachiger SE (bilingual), mehrsprachiger SE 2) in welcher zeitlichen Reihenfolge werden die Sprachen erworben: Erstspracherwerb L1, L2... 3) wie oft wird dieselbe Sprache gelernt: Ersterwerb, Wiedererwerb 4) werden Lernverfahren eingesetzt: vermittelt, natürlich 5) sind pathologische Bedingungen vorhanden: normaler SE, pathologischer SE Untersuchungen: - monolingualer L1-Erwerb - bilingualer L1 - Fremdsprachenunterricht L2 - natürlicher L2 (70er) - Wiedererwerb Theorien des Spracherwerbs: 1) voluntaristische Theorie – Rolle der Umwelt, Kind bleibt passiv 2) intellektualistische Theorie – Kinder lernen aktiv die Sprache, indem sie versuchen, ihre Welt zu verstehen u. zu denken (nicht bloße Imitation) 60er – Interesse für Kindersprache (CHOMSKY – angeborene Fähigkeit) Fremdsprachenunterricht Kontrastive Linguistik – nach 2. WK Audiolinguistische Methode Kommunikative Methode – erst in den 70er Jahren Natürlicher L2-Erwerb: 70er – Problem der Gastarbeiter (Spanien, Italien, Kinder) Erklärung von Sprachenlernen: 1) Behavioristischer Ansatz Reiz-Reaktion (R+R; Stimulus-Respons) 63 Konditionierung – je häufiger R+R wiederholt werden, desto schneller lernt man gewisse Gewohnheiten Assoziationslernen Lerner ist passiv – Drill, mechanisch lernen 2) kognitiver Ansatz aktive Auseinandersetzung des Kindes mit seiner Umwelt (PIAGET) Lehrvorgang wird bewusst gemacht im Einklang mit seiner biologischen u. sonstigen Entwicklung Rolle der Umwelt + Aktivität des Kindes 2) interaktionistischer Ansatz Sprache erlernen in konkreten Situationen je nach SE-Typ sind verschiedene Interaktionen wichtig: L1-Erwerb (=Mutter-KindVerhältnis), natürlicher L2 (=Kontakt mit Muttersprachlern), Fremdspracheunterricht (Schüler-Lehrer) 4) nativistischer Ansatz als Entfaltung des genetischen Programms 2 Theorien: - Universalgrammatik: Chomsky – angeborene Fähigkeiten - Bioprogramm: DERECK BICKERBON – jeder Mensch ist genetisch mit einem Bioprogramm ausgerüstet - Pidgin (ohne grammatische Regeln) → Kreolsprache (vollausgebildete Grammatik; Pidgin ist Muttersprache geworden) 5) Verarbeitungsansätze befassen sich mit Gedanken, wie die sprachliche Eingabe vom Lehrer zum Schüler verarbeitet werden soll Biologische Grundlagen der Sprachlernfähigkeit: 1) zentrale Steuerungsinstanz: Gehirn + Gedächtnis 2) schallerzeugende Organe: Lungen, Mund, Nasenhöhle 3) Schallregistration: Ohre 4) Artikulationsorgane: Kehlkopf 2 Hirnhemisphären: a) linke: verarbeitet Informationen nacheinander, denkt logisch, analysiert, erklärt, redet, speichert Regeln; Dominante – Sprachzentrum b) rechte: verarbeitet gleichzeitig, registriert ganze Bilder, denkt in Bildern, Emotionen 64 Lateralisierung – eine Gehirnhälfte wird auf die Ausübung bestimmter Funktionen spezialisiert, Reifungsprozess, genetisch vorprogrammiert Spracherwerb beim Kind: - vorsprachliche Entwicklung – Fähigkeit des Hörens + Artikulierens 1) Vorstadium des SE – Geburtsschrei, Laute + Schrei 2) Lallphase ▪ 3.-8. Monat – Reduplikation, Lallwörter (žvatlání; lexikalischsemantische Ebene fehlt) ▪ 1.Wort mit 1 Jahr, manche erst im 18 Monate ▪ entwickeln sich kategorielle Schallwahrnehmung – Abfolge von abgesonderten Elementen, z.B. MAMA ▪ pränatal – Schallunterschiede wahrnehmen ▪ postnatal – Verbindung Schall + Bedeutung ▪ Funktionen bei Kind - personale - informative - imaginative - konative - neuristische – erkläre mir das PIAGET – sensomotorisches Entwicklungsstadium – betont das Lernen in der Auseinandersetzung mit Gegenständen der Welt 3) Einwortstadium – 9.-14. Monat 4) Zweiwortstadium – 17./24. Monat – primitive Satzketten 5) weitere Entwicklung – Bildung komplexer Sätze, Fragesätze, Negation, beim Vorschulkind überwiegt Parataxe (Hauptsätze) SE umfasst 3 Teile: Wortschatz (Lexikon = Konkreta + Abstrakta) + Wortbedeutung Lauterwerb (Produktion der Laute) Syntax + Konstrosyntax (Semantik syntaktischer Konstruktionen)