Betrachtung der Versuche von B.F. Skinner 21. Juni 2004 Pädagogisches Seminar Proseminar: Zur geschichtlichen Entwicklung des Programmierten Unterrichts Dozent: Prof. Dr. Hans-Dieter Haller Referenten: Thorsten Steinfadt Christopher Krug Michael Pfeil Martin Klein Gliederung: 1. Biographie B.F.Skinner Seite 3 2. Skinner und die Verhaltensanalyse Seite 5 2.1 Definition: Behaviourismus Seite 5 2.2 Das Forschungsgebiet Skinners Seite 5 2.3 TEAB, the experimental analysis of behaviour Seite 6 2.3.1 Klassisches Kondizionieren (Pawlov 1849-1936 ) Seite 6 2.3.2 Instrumentales Konditionieren Seite 6 2.4. Weltansicht Seite 8 3. Skinners praktische Versuche mit Tieren Seite 9 3.1 Der Aufbau einer „Skinner-Box“ Seite 9 3.2 1. Versuch Seite 10 3.3 2. Versuch Seite 11 4. Walden Two Seite 12 4.1 Los Horcones: Eine Walden Two Gemeinde Seite 13 4.2 Die Beziehung zwischen B.F.Skinner und Los Horcones Seite 15 Quellenverzeichnis Seite 16 1. Biographie B. F. Skinner Burrhus Frederic Skinner wurde am 20. März 1904 in Susquehanna, Pennsylvania geboren. Er verbrachte dort seine Kindheit und Jugend zusammen mit seinem Vater, der ein Rechtsanwalt war, seiner Mutter, einer Hausfrau und seinem jüngeren Bruder. Schon in seiner Jugend konstruierte Skinner allerlei Maschinen und Gerätschaften, welche in ihrer Funktion jedoch nicht unbedingt von Erfolg gekrönt waren. Skinner besuchte die ansässige High School und ging später auf das Hamilton College. Nach Ende der Schulzeit schrieb Skinner einige Zeitungsartikel, er hatte vor, Schriftsteller zu werden. Er ging für einige Monate nach New York, wo er in einem Buchladen arbeitete. In dem Buchladen kam er mit Büchern von Pawlov und Watson in Kontakt und so wurde sein Interesse geweckt. Von ihnen beeindruckt, ging Skinner mit 24 Jahren nach Harvard, wo er auf Wiliam Crozier traf. Dieser hatte den Lehrstuhl des neuen physiologischen Institutes übernommen. Crozier beschäftigte sich mit dem Thema „das Verhalten des Tieres als Ganzes“. Er schenkte dabei jedoch den inneren Prozessen keine Achtung. Skinner experimentierte mit Ratten, baute mehrere Versuchsmaschinen und entwickelte schließlich den „cumulative recorder“. Dieses Gerät konnte die Häufigkeit der Reaktionen von Ratten aufzeichnen. Daraus entwickelte Skinner dann seine Theorien zum operanten Verhalten und der operanten Konditionierung. 1936 heiratete Skinner mit 32 Jahren Yvonne Blue. Sie zogen nach Minnesota, wo Skinner einen Job als Lehrer annahm und sich von der Forschung zurückzog. 1938 wurde seine Tochter Julie geboren. 1943 war Yvonne erneut schwanger. In dieser Zeit erfand Skinner auch eine Kindergrippe, die sicherer sein sollte, als die herkömmlichen Modelle. Die Grippe hatte eine Glasscheibe und kam den Versuchsapparaturen Skinners im Aussehen teilweise nahe. Skinner war stolz auf seine Grippe und schickte einen Artikel an das „Ladie`s Home Journal“, welches den Titel aus Marketingzwecken in „Baby in a box“ umänderten und abdruckten. Dadurch, dass die Grippe nun an die „Skinner-Box“ erinnerte, kam es zum Aufkommen von Gerüchten, welche aber aus der Luft gegriffen waren. 1944 arbeitete Skinner an einem Projekt, welches mit dem zweiten Weltkrieg zusammenhing. Dabei sollten Tauben dazu konditioniert werden, Bomben zu leiten. Das Projekt wurde jedoch aufgrund eines anderen Projekts eingestellt (Radar). Skinner zog jedoch wichtige Erkenntnisse aus dem Projekt. Ab dieser Zeit benutzte er nur noch Tauben, anstatt Ratten für seine Experimente, weil diese sich viel leichter konditionieren lassen. Im Jahre 1945 ging Skinner nach Bloomington, Indiana, wo er einen Lehrstuhl am dortigen psychologischen Institut der Universität bekam. Zwei Jahre später, 1947 ging er nach Harvard und wurde 1948 Mitglied des psychologischen Instituts. Aus einer Vorlesung, die er hier hielt, wurde eines seiner wichtigsten Bücher „Science and Human Behaviour“ zusammengestellt. Im gleichen Jahr wurde auch sein Roman „Walden Two“ veröffentlicht. Als Skinner 1953 anlässlich des Vatertages, eine Mathestunde seiner Tochter besuchte, fiel ihm die mangelnde Qualität der Unterrichsmethoden auf, die dem Wissen der Forschung nicht angemessen waren. Daraufhin begann er mit der Konstruktion einer Lehrmaschine. In drei Jahren Arbeit entstand „Programmed instruction“. Was einen großen Einfluss auf die Entwicklung des programmierten Unterrichts hatte. Die Maschine teilte den Stoff in kleine Sequenzen auf, die behandelt werden mussten. Das Problem, das Skinner im Unterricht aufgefallen war, war dass die Kinder zu wenig Feedback bekamen, ob ihre Schritte richtig waren. Außerdem war das Feedback in zu großen Abständen gewählt. Bei Skinners Maschine war es so, dass je mehr richtige Antworten von den Kindern gegeben wurden, desto weniger Hilfe wurde angeboten. Die Industrie wollte die Maschine nicht herstellen, allerdings gab es Bücher nach diesem Prinzip (programierter Unterricht). Ab 1968 wurde die Produktion jedoch eingestellt. Heute kommen diese Unterrichtsmethoden durch den Einsatz von Computern wieder vermehrt auf, somit hatte Skinner also einen großen Einfluss auf die Pädagogik. Skinner veröffentlichte noch zahlreiche Bücher bis zu seinem Tod am 18. August 1990. Er war 1989 an Leukämie erkrankt.1 1 http://www.bfskinner.org 2. B.F. Skinner und die Verhaltensanalyse 2.1 Definition: Behaviourismus Der Behaviourismus (B.) ist eine in den USA positivistisch geprägte Richtung der Psychologie (Beginn 1900; Watson, Hull, Thorndike), die vornehmlich das Verhalten(Reaktion) von Mensch und Tier auf Einflüsse(Reize) der Umwelt untersucht (ReizReaktions-Psychologie), und das Verhalten als ausschließlich exogen bedingt erklärt. Der B. ist im Grundsatz mechanisch: Mensch und Tier werden als eine Art von Maschine gesehen, die als passiver Mechanismus auf Einwirkungen reagiert. Methodisch ist der B. streng empirisch ausgerichtet, lehnt Introspektion als unwissenschaftlich ab und bestreitet die wissenschaftliche Gültigkeit von Aussagen über solche Tatbestände wie Bewusstsein, Denken, Fühlen und Empfinden. Im radikalen B. wird sogar das seelische Eigenleben des Menschen als nicht existent abgelehnt. Erst im Neo- B. (Skinner) werden auch zur Erklärung von Verhalten sog. innere Variablen, soweit sie aus den äußeren Verhalten geschlossen werden können, berücksichtigt, und das einseitige Reiz-Reaktionsmodell abgelöst von einem komplexen Modell der Wechselwirkung von Organismus und Umwelt. Aber auch Skinner glaubt, dass bei entsprechender Umweltkontrolle Verhalten beliebig planbar ist (Verhaltenstechnologie). Der B. ist von besonderer Bedeutung für die Ethologie und die Erforschung des Denkens.2 2.2 Das Forschungsgebiet Skinners Skinner ist der berühmteste Repräsentant der wissenschaftlichen Psychologie ( Untersuchung des menschlichen Verhaltens, eigene Wissenschaft ab 1879, Begründer: Wilhelm Wundt). Er war 1975 der bekannteste Wissenschaftler in der USA. Seine akademische Karriere basierte auf der Erforschung von operantem Konditionieren, d.h. Verhaltensänderung eines Organismus durch positiven oder negativen Einfluss, und seiner Arbeit an Verstärkungsmöglichkeiten, genannt: Die Experimentelle Analyse des Verhalten 2 Udo von der Burg und Heinrich Kreis (Hg) , Pädagogik-Seminar. Lexikon zur Pädagogik, Düsseldorf, 1982, S. 27- 28. bzw. natürliche Wissenschaft des Verhalten ( engl. The experimental analysis of behaviour = TEAB). Verhaltensforscher glauben, dass sie mit TEAB jedes menschliche Verhalten erklären können und dass die Probleme zwischen Psychologie und Gesellschaft gelöst werden können. Skinner und Freuds Theorien bestimmen stark das Bild der Psychologie in der Öffentlichkeit. Stanovich nennt dies 1989 das „ Skinner- Freud- Problem“, denn Skinners TEAB hatte relativ wenig Einfluss innerhalb der wissenschaftlichen Psychologie. 2.3 TEAB, the experimental analysis of behaviour In der Psychologie gibt es zwei Arten von assoziativem Lernen: 2.3.1 Klassisches Konditionieren (Pawlov 1849-1936 ) Klassisches Kondizionieren behandelt die Entwicklung von reflektierten Antworten/ Reaktionen zu Stimuli. Pawlov z. B. fand heraus, dass eine unkonditionierte reflexive Speichelbildung des Hundes auf Fleischpulver so konditioniert werden kann, dass sie dann auftritt, wenn der Hund ein bestimmtes Geräusch hört. Die Konditionierung passiert dann, wenn das Geräusch direkt vor der Erscheinung des Fleischpulvers eingespielt wird. Nach regelmäßiger Kombination dieser beiden Reize (Geräusch, Fleisch), genügte schließlich nur das Geräusch, um Speichelbildung hervorzurufen. Stärkster Befürworter des klassischen Konditionierens war John B. Watson (1878-1958) Er behauptete, dass das gesamte menschliche Verhalten durch klassisches Konditionieren erklärt werden kann und dass auch emotionale Reaktionen konditioniert werden können (Watson zeigte dies 1920 am Beispiel eines Kindes, welches durch ein Geräusch Angst bekommt. Wird das Geräusch mit einer weißen Ratte kombiniert, so genügt schließlich nur die Ratte, um Angst zu erzeugen.). 2.3.2 Instrumentales Konditionieren 3 2. Lerntyp: Das Eigenverhalten des Organismus ist bedeutend für eine Verhaltensreaktion. Edward L. Thorndike (1874-1949) dokumentierte die Rolle des Verhaltens beim Lernen. Er formulierte das Gesetz der Wirkung: Die Wirkung einer Reaktion auf die Umwelt bestimmt, 3 B.F. Skinner, Wissenschaft und menschliches Verhalten, Kindl Verlag, München 1973 ob eine Stimulus- Reaktion-Verbindung geschaffen werden kann und ob ein Verhalten unter gleichen Umständen wahrscheinlich wieder auftritt. Skinner folgte Thorndike. Er nennt instrumentelles Konditionieren operantes Konditionieren4. Skinners operantes Konditionieren: Ein Operant ist eine identifizierbare Einheit des Verhaltens, für welche kein entsprechender Stimulus ermittelt werden kann. Ein Verstärker ist zudem bedeutsam. Wenn Operant und Verstärker nun zusammen auftreten, so kann das darausfolgende Ergebnis die Wahrscheinlichkeit näher bestimmen, ob genau dieses operante Verhalten wieder auftritt. Die Kombination aus Reaktion des Operanten und Verstärkung wird „Zwei- Bedingungen- Eventualität“ gennant. Das Verhalten ist nicht direkt bestimmt von dem „provozierenden“ Stimulus. Der discriminative Stimulus (Umweltstimulus, welcher der Reaktion voraus geht, also: Hungergefühl) dient als Indikator, welcher anzeigt, wann das Verhalten verstärkt wird und wann das Verhalten auftritt. Eckstein der Theorie Skinners ist also die „ Drei- BedingungenEventualität“ ( mit dem discriminativen Stimulus). Der Versuch der TEAB ist am besten charakterisiert mit den methodischen Anweisungen von Skinner: 1. Ergebnisse sollten sich ausschließlich auf direkt beobachtbare Phänomene berufen. 2. Psychologie ist eine unabhängige Wissenschaft des Verhaltens, die sich weder auf subjektiv-mentale Vorgänge noch auf spekulative- psychologische Mechanismen beruft. 3. Das ursprüngliche Datum soll Maßstab sein: Die Entwicklung der TEAB muss immer in Bezug dazu gesetzt werden. Um das operante Konditonieren zu erforschen, erfand Skinner die „Skinner Box“. Diese ist eine schalldichte Box mit einer Apparatur der Futteranforderung für eine Ratte bzw . Taube. Komplexe Varianten der Futteranforderung sind möglich ( z.B. nach bestimmter Zeit kommt Nahrung oder nach häufigem Drücken ). Die Versuche wurden mit Ratten und Tauben im Labor durchgeführt, nicht mit Menschen. Erfolge: 1. Die Umwelt bestimmt das Verhalten (Knopf drücken - Futter erhalten). 2. Zusätzliche Verhaltensmuster wurden beobachtet (Stimulus-Equivalenz). 4 Robert W. Proctor und Daniel J. Weeks (Hg.), The goal of B.F. Skinner and Behaviour Analysis, New York, 1990, S. 3-17. 3. Die Tiere werden von Menschen kontrolliert. 4. Die Ergebnisse lassen sich auch in anderen Bereichen verwenden ( Erziehung, Verbesserungsmaschinen…). Probleme gibt es bei der Forschung mit Menschen. 2.4 Weltansicht Skinner und div. Verhaltensforscher schlagen eine Weltansicht vor, in welcher Skinners behavioristische Prinzipien für das gesamte menschliche Verhalten gültig sind. Methoden sollten in der Technologie angewendet werden, um die Gesellschaft zu kontrollieren und um Verhaltensweisen der Menschen vorherzusagen.5 5 Robert W. Proctor und Daniel J. Weeks (Hg.), The goal of B.F. Skinner and Behaviour Analysis, New York, 1990, S. 3-17. 3. Skinners praktische Versuche mit Tieren: 3.1 Der Aufbau einer „Skinner-Box“: Vom Grundaufbau her ähneln sich alle Boxen Skinners, einzelne Bestandteile sind jedoch von Versuch zu Versuch verschieden. Es handelt sich immer um einen abgegrenzten Raum für das jeweilige Versuchstier, der entweder zur Seite hin Einblick gewährt, z.B. durch Glaswände, oder mit Hilfe einer Kamera eine Beobachtung des Versuchtieres möglich macht. Es gibt meistens ein Futtermagazin, das benutzt wird, um dem Versuchstier die Belohnung zukommen zu lassen. (positive Verstärkung) Ausserdem sind für gewöhnlich Schalter, Signallampen oder Lautsprecher an der Innenseite des Raumes angebracht, um dem Versuchstier Reize jeglicher Art zukommen zu lassen. Bei einigen Versuchen stehen die Tiere auf einem Drahtgitter, das es ermöglicht Reize in Form leichter Stromstöße zu verabreichen. (negative Verstärkung) Die Apparaturen sind derartig gebaut, dass der Versuchsleiter, wenn er die entsprechenden Einstellungen vorgenommen hat, nicht mehr weiter in den Versuch eingreifen muss. D.h. ein Eingreifen des Versuchsleiters wird von dem Versuchstier nicht wahrgenommen, was ansonsten das Ergebnis des Versuches verfälschen könnte. 3.2 Versuch 1 Eine Taube befindet sich in einem Standart-Experimentierraum, einer geschlossenen rechteckigen Kammer oder Box. Die Taube pickt gelegentlich gegen eine kleine runde Scheibe. Das Futtermagazin arbeitet automatisch; es macht unmittelbar im Anschluß an ein Picken gegen die Scheibe (die Reaktion) Futter zugänglich. Es ist festzustellen, dass die Taube, wenn sie gegen die Scheibe gepickt und Futter erhalten hat, bald wieder pickt (und Futter erhält und wieder pickt u.s.w.), das heißt, die Rate oder Frequenz des Picken hat sich erhöht. Da die Rate sich erhöht, wenn Futter auf die Reaktion erfolgt, sagt man, dass das Futter die Reaktion verstärkt. Das Futter wird als Verstärker bezeichnet und das Ergebnis als Verstärkung. Da die Reaktion nicht durch einen auslösenden Stimulus erzeugt wird, sagt man, dass sie emittiert wird. Solch eine Art des Verhaltens, das auf die Umwelt einwirkt, bezeichnet man als operandes Verhalten. Wenn die Taube, nachdem der Operant (Picken gegen die Scheibe) konditioniert worden ist, kein Futter mehr für das Picken erhält, dann nimmt die Rate, mit der die Reaktionen emittiert werden, ab, bis sie schließlich der niedrigen Rate entspricht, die vor der Konditionierung bestand. Diesen Prozeß bezeichnet man als Löschung.6 James G. Holland, B.F. Skinner, „Analyse des Verhaltens“ Urban &Schwarzenberg, München-Berlin-Wien, 1974 6 3.2 2. Versuch Wie man einen Hund dressiert, einen Türknopf mit der Schnauze zu berühren: Nötig ist ein Verstärker, der sehr schnell dargeboten werden kann wenn das Verhalten emittiert wird. Ein konditionierter Verstärker ist dazu am geeignetsten, z.B. ein hörbarer Stimulus, wie das Klicken eines „Blechfrosches“. Der Hund wird konditioniert indem unmittelbar bevor er einen kleinen Bissen mit Futter in die Schale bekommt ein Klickgeräusch mit dem Blechfrosch erzeugt wird. Dies wird so lange wiederholt, bis der Hund sich zur Schüssel bewegt, wenn er den Blechfrosch hört. Nun wird jede Bewegung des Hundes mit dem Blechfrosch verstärkt, wenn er sich in Richtung Tür bewegt. Er bekommt keine Verstärkungen für Bewegungen, die von der Tür wegführen. Es wird langsam das Verhalten des „sich der Tür Näherns“ und danach das Verhalten des „sich an den Türgriff heranbewegens“ geformt. Schließlich wird nur noch dann eine Verstärkung gegeben, wenn der Hund die Tür mit der Schnauze berührt. Diese allmähliche Verschiebung des Kriteriums für die differentielle Verstärkung bezeichnet man als sukzessive Annäherung. Der gesammte Vorgang nimmt nur wenige Minuten in Anspruch. Wenn eine neue Reaktion konditioniert werden soll, kann eine erste Reaktion eine Hilfe ,oder ein Erschwernis sein, je nachdem ob die beiden Reaktionen gemeinsame Elemente enthalten oder nicht.7 James G. Holland, B.F. Skinner, „Analyse des Verhaltens“ Urban &Schwarzenberg, München-Berlin-Wien, 1974 7 4. Walden Two Walden Two ist der Name eines Romans von Burrhus Frederic Skinner. Skinner schrieb Walden Two 1945, bevor der Roman drei Jahre später veröffentlicht wurde. Walden Two fasst die Erkenntnisse des amerikanischen Psychologen über die Möglichkeiten menschlichen Zusammenlebens zusammen. Er erschafft eine Gemeinde von circa 1000 Personen, die ihr tägliches Leben nach den neuesten Erkenntnissen der Verhaltenspsychologie gestalten. Skinner beschreibt die Grundlagen für ein menschenwürdiges Leben, die zum einen das Überleben der Gemeinde, zum anderen das der gesamten Weltbevölkerung sichern sollen. Die Gemeinschaft zeichnet sich dadurch aus, dass sie das Bestreben hat, so wenig wie möglich Müll zu verursachen und den täglichen Konsum ebenfalls gering zu halten. Die Einwohner teilen sich jegliche Form von Arbeit. In der gemeinschaftlichen Erziehung der Kinder versucht man, die Heranwachsenden Tugenden, wie beispielsweise Geduld, zu lehren. Sie sollen lernen, mit zerstörerischen Emotionen, wie Eifersucht, umgehen zu können. Der Name des Romans entstammt der Vorlage des 1854 erschienenen Buchs „Walden“ von Henry David Thoreau. Thoreau, amerikanischer Philosoph, schildert seine Erlebnisse am Walden-See nahe Boston. Zwei Jahre lebte er dort isoliert von der Zivilisation in einer Hütte aus Holz, die er sich selbst gebaut hatte. Er versorgte sich selbst und schrieb seine Erfahrungen in „Walden“ nieder. Im Gegensatz zu Thoreaus Buch beschreibt Skinner die Suche mehrerer Menschen nach einem freien, unabhängigen Dasein. Skinner wählt den Ich-Erzähler Burris als Protagonisten. Er ist Professor der Psychologie und bekommt Besuch von seinem früheren Studenten Rogers. Dieser hat aus Zeitungsberichten erfahren, dass T.E. Frazier, ebenfalls Psychologe, Gründer der Gemeinde Walden Two ist. Die Mitglieder von Walden Two sollten nach eigenen Regeln leben. Durch Rogers inspiriert, bewirbt Burris beide bei Frazier und wird vom Gründer für einige Tage nach Walden Two eingeladen. Burris, Rogers und vier weitere Personen folgen der Einladung. Frazier erklärt den Besuchern, dass das Areal, auf dem sich Walden Two befindet, von den Gründern aufgekauft wurde. Die Häuser sind aus gepresstem Lehm gebaut worden. Die etwa 1000 Einwohner von Walden Two haben alle einen gleichberechtigten Anteil an jeglichem Besitz in der Gemeinde. Eine Währung gibt es nicht. Je nach Schwierigkeit der Arbeit bekommen die Einwohner Arbeitspunkte. Auch die Erziehung der Kinder wird auf alle Gemeindemitglieder gleichsam verteilt. So haben auch kinderlose Einwohner Verantwortung für die Nachkommen von Walden Two zu übernehmen und müssen sich in einer Mutter- bzw. Vaterrolle zurechtfinden. Man verzichtet nach den Skinnerschen Erkenntnissen bei der Kindererziehung auf Strafen und Androhungen. Stattdessen zieht man die von Skinner experimentell erforschte Positive Verhaltensverstärkung heran.8 4.1 Los Horcones: Eine Walden Two Gemeinde Los Horcones ist eine Walden Two Gemeinde.9 Sie wurde 1973 von sieben Mitgliedern geplant, darunter ehemalige Lehrer und Psychologen des Zentrums für Kinder mit Verhaltensstörungen. Los Horcones befindet sich im Norden von Mexico in Hermosillo. Der Name Los Horcones bedeutet auf deutsch: die Säulen. Im Oktober 1974 zogen die ersten Menschen in die Gemeinde ein. Eine sehr enge Verbindung zu den Lehren von Skinner ist bei den Gründungsmitgliedern vorhanden gewesen. Aus drei verschiedenen Gründen wurde die Comunidad de Los Horcones ins Leben gerufen. Zum einen wollten die Einwohner aus akademischem Hintergrund eine neue Gesellschaftsform errichten, jenseits der „mainstream culture“10. Des Weiteren verfolgte man persönliche Gründe, wie die Nähe zur Natur, die stärkere Einbeziehung bei der Erziehung der Kinder sowie die Chance; sich selbst besser kennen zu lernen. Schliesslich gab es noch soziale Gründe für die Errichtung von Los Horcones. Unglücklich mit den Erfahrungen im Alltag suchten die Gründer nach Möglichkeiten; soziale Probleme, wie Armut, Hunger, Krankheit, Diskriminierung, Gewalt etc. zu lösen, selbst wenn diese sie nicht direkt betrafen. Ähnlichkeiten mit Skinner werden bei dessen folgendem Zitat deutlich. 8 Vgl.: http://www.urbia.de/service/homepages/walden2 http://www.loshorcones.org.mx.introduction.html 10 http://www.loshorcones.og.mx/briefhistory.html 9 „Not only can we not face the rest of the world while consuming and polluting as we do, we cannot for long face ourselves while acknowledging the violence and chaos in which we live. The choice is clear: either we do nothing and allow a miserable and probably catastrophic future to overtake us, or we use our knowledge about human behavior to create a social environment in which we shall live productive and creative lives and do so without jeopardizing the chances that those who follow us will be able to do the same. Something like Walden Two would not be a bad start.” (B.F. Skinner, 1978, S.66).11 In Los Horcones wird kooperativ gelebt. Oberstes Ziel ist das Gemeinschaftsgefühl. Nahrungsmittel, Verantwortungen und Pflichten werden, wie alle anderen Dinge, in einer ruhigen, wettbewerbsfreien Gemeinschaft aufgeteilt. Mit dieser Grundlage soll Unterschieden, die zu aggressivem Verhalten führen, entgegengewirkt werden. Los Horcones versteht sich als eine experimentelle Kultur, die es als nötig erachtet; den Lebensstil zu ändern, um soziale Probleme zu lösen. Stellvertretend für eine dieser Änderungen sei an dieser Stelle die Erziehung der Kinder in Los Horcones genannt. Nach der Meinung der Einwohner kann man ein besseres Familienleben nur dadurch erwirken, indem man soziale Bedingungen schafft, die es den Eltern ermöglichen; viel Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Aus diesem Grunde herrschen in Los Horcones Arbeitsstrukturen, die dem Einzelnen genug Zeit für Privates lassen. Die Gemeinde sieht sich aber nicht als die perfekte Gesellschaftsform. Man soll nicht schließen, dass alle Mitglieder den idealen Gemeinschaftssinn entwickelt haben. Los Horcones sieht sich als Versuch einer besseren Gesellschaft für alle Menschen.12 11 12 http://www.loshorcones.og.mx/briefhistory.html http://www.loshorcones.org.mx.introduction.html 4.2 Die Beziehung zwischen B.F. Skinner und Los Horcones Seit Beginn von Los Horcones bestand zwischen der Gemeinde und Skinner ein enges Verhältnis, das bis zu seinem Tode 1990 andauerte. Per Briefverkehr erkundigte sich der amerikanische Psychologe regelmäßig über Fortschritte und Probleme in der mexikanischen Gemeinde und berichtete ausführlich über seine neuen Projekte. Jedes Jahr traf er auf Mitglieder der Gemeinde bei Versammlungen der Association for Behavior Analysis (ABA) und der American Psychological Association (APA).13 In einem Bericht der New York Times äußerte er sich über die Erziehung der Kinder in Los Horcones wie folgt: „They do a wonderful job with their children. They make an effort not to punish children, and it shows, I` ve never seen a group of kids who so genuinely loved each other and were so cooperative with each other. Nobody is quite as systematic about it as they are. They are intelligent and dedicated…” (The New York Times, Science section. Nov.7,1989.) In einem Brief an die Gemeinde erklärt Skinner: “What you have done have been one of the nicest things in my life to reflect on and I thank you all.” (20.11.1989). 13 http://www.loshorcones.org.mx/BFSkinner.html Quellenverzeichnis: B.F. Skinner, „Wissenschaft und menschliches Verhalten“, Kindl Verlag, München, 1973 James G. Holland, B.F. Skinner, „Analyse des Verhaltens“ Urban &Schwarzenberg, München-Berlin-Wien, 1974 Robert W. Proctor und Daniel J. Weeks (Hg.), The goal of B.F. Skinner and Behaviour Analysis, New York, 1990, S. 3-17. Udo von der Brug und Heinrich Kreis (Hg), Pädagogik-Seminar. Lexikon zur Pädagogik, Düsseldorf, 1982 Benutzte Internetadressen (Stand Mai/Juni 2004): http://www.bfskinner.org http://www.urbia.de/service/homepages/walden2 http://www.loshorcones.org.mx.introduction.html http://www.loshorcones.og.mx/briefhistory.html