Seminar: Entwicklungspsychologie für Lehrer WS 05/06 – Di. 14h – MD 028 – V 2std. Dozentin: Prof. Dr. Elisabeth Sander 3.Sitzung: Lernprozesse in der Entwicklung FORTSETZUNG SKRIPT-AUSZUG SANDER 1. Die Bedeutung von Lernprozessen für die Entwicklung des Kindes Im Folgenden sind Lernprozesse dargestellt, die für die Entwicklung von Erlebensund Verhaltensweisen von besonderer Bedeutung sind: 1.1. Klassisches Konditionieren Pawlow stellte fest, dass nicht nur der natürliche Reiz Futter eine Speichelreaktion auslöst, sondern auch ein neutraler Reiz, der in räumlicher oder zeitlicher Nähe mit diesem auftrat, (z.B. das Erscheinen des Versuchsleiters, ein Klingelzeichen). Dieser Vorgang wird als Konditionierung bezeichnet: Ein vorher neutraler Reiz (konditionierter Stimulus = CS) wird durch die Stiftung einer Assoziation mit einem natürlichen Reiz (unkonditionierter Stimulus = US) zum Auslöser einer Reaktion, die zuvor nur auf den natürlichen Reiz erfolgte. Wird wiederholt nur der bedingte Reiz ohne natürlichen Reiz geboten, erlischt die gelernte (konditionierte) Reaktion. Der Prozess der Konditionierung liegt auch der Entwicklung vieler emotionaler Reaktionen zugrunde; z.B. Angstreaktion eines Babys auf den Vater im weißen Hemd, nachdem es vom Arzt im weißen Kittel geimpft worden ist: weiße Kleidung Einstich (CS, bedingter Stimulus)-> BR Bedingte Reaktion (Furcht) (US, natürlicher Stimulus)-> UR Unbedingte Reaktion (Furcht) 1.2. Operantes Konditionieren oder Lernen am Erfolg - Wie kommt es zum Erwerb neuer Verhaltensweisen? - Die am stärksten in die Praxis wirkende Theorie zur Beantwortung dieser Frage wurde von Skinner entwickelt. Grundlegend für diese Theorie ist das von Thorndike (1911) formulierte "Gesetz des Effektes". Es besagt, dass jene Verhaltensweisen mit größerer Wahrscheinlichkeit wiederholt werden, die zu positiven Konsequenzen für das Individuum führen. Voraussetzung dafür, dass Lernen stattfindet, ist das Vorhandensein eines Bedürfnisses (z.B. Hunger) im Individuum. Skinner selbst verzichtet auf die Analyse von Bedürfnissen und ihre ursächliche Beziehung zum Verhalten bzw. zu Verhaltensfolgen (Behaviorismus): - In einer komplexen Situation steht dem Lebewesen ein bestimmtes Repertoire an Verhaltensweisen zur Verfügung. Einer dieser Operants (Verhaltensweisen) führt zu Konsequenzen, welche die Wahrscheinlichkeit für das Wiederauftreten der einzelnen Operants verändern. Folgende Verhaltenskonsequenzen können unterschieden werden: positiver Verstärker neg. Verstärker (angenehmer Reiz) (unangenehm. Reiz) Belohnung der Situation hinzufügen aus der Situation entfernen Bestrafung aus der Situation entfernen der Situation hinzufügen Entgegen landläufiger Meinung verschwindet ein unerwünschtes Verhalten in Folge von Bestrafung nicht aus dem Verhaltensrepertoire. (Es sei denn, die negative Konsequenz ist extrem massiv; z.B. schweres Verbrennen an einem Ofen) Solange dem unerwünschten Verhalten aversive (unangenehme) Strafreize folgen, ist die Wahrscheinlichkeit für das Wiederauftreten dieses Verhaltens deutlich vermindert. Sobald die Strafe ausbleibt, nimmt die Häufigkeit des Verhaltens wieder zu. Ein Verhalten gerät dagegen in Vergessenheit, wenn es konsequent nicht mehr verstärkt wird. (Löschung) 1.3. Modellernen Kognitive Lerntheoretiker versuchen im Gegensatz zu den Behavioristen aufzuklären, welche inneren subjektiven Bedingungen gegeben sein müssen, damit ein Individuum in einer Situation sein Verhalten in bestimmter Weise verändert. Es zeigt sich nämlich, dass Lernen sich einerseits ereignet, obwohl (den genannten Lerntheorien zufolge) notwendige Bedingungen nicht gegeben sind, andererseits findet Lernen nicht statt, obwohl die Lernsituation alle theoretisch für erforderlich gehaltenen Elemente enthält. Z.B. lernten Vpn in einem Experiment von Bandura und Walters durch Ansehen eines Films sich aggressiv zu verhalten, obwohl sie selbst sich nicht aggressiv verhielten und dafür nicht verstärkt wurden. Bandura u.a. meinen, dass die Kinder durch das im Film gezeigte Modell ein Verhalten lernten, das sie imitierten. Modellernen gewinnt ab dem 1. Lebensjahr große Bedeutung für die Entwicklung des Kindes. Ob ein Modell nachgeahmt wird, hängt von folgenden Merkmalen ab: - Die Beziehung zwischen Kind und Modell muss positiv sein - Die Modellperson muss Prestige besitzen - Die Konsequenz des Verhaltens der Modellperson muss positiv sein.