Heinrich-Böll-Gesamtschule Aylin Weiß Sozialpädagogische Familienhilfe Facharbeit im Leistungskurs Pädagogik 12. Jahrgang Schuljahr 2001/ 2002 Fachlehrerin: Frau Nowack 2 Inhaltsverzeichnis 1. Voraussetzungen der Hilfestellungen der Sozialpädagogischen Familienhilfe (SPFH) ..................................................................... 3 1.1. rechtliche Hintergründe ................................................................. 3 1.2. Ziele und Methoden der Hilfestellung ............................................ 3 1.3. Hilfeempfänger .............................................................................. 4 1.4. Problematik Prävention ................................................................. 5 2. Fallbeispiel Frau L. ........................................................................ 5 2.1. Hintergrund des Fallbeispiels ........................................................ 5 2.2. Interview mit Frau L. ...................................................................... 6 3. Ergebnisse und Schlussfolgerungen ............................................. 9 4. Literaturverzeichnis ..................................................................... 11 5. Anhang ........................................................................................ 12 3 1. Voraussetzungen der Hilfestellung der SPFH 1.1 rechtlicher Hintergrund Die Sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH) ist eine Einrichtung der Arbeiterwohlfahrt, deren Ziel es ist, eine ambulante Hilfe für in soziale Not geratene Familien zu leisten. Diese Hilfe ist nach einem ganzheitlichen Ansatz konzipiert, der sich auf den familiären, sozialen und kulturellen Lebensraum der gesamten Familie bezieht. Die SPFH bietet eine „...Hilfe zur Selbsthilfe in (...) verschiedenen Bereichen des Alltags.“ (BMFSFJ, 1999, S.52) Die grundgesetzlich verankerten elterlichen Erziehungsrechte und Erziehungspflichten zu unterstützen ist im §31 Kinderjugendhilfegesetz (KJHG) als kommunale Pflichtaufgabe festgelegt. Diese Aufgabe hat im Auftrag des Jugendamtes Bochum die SPFH übernommen. 1.2. Ziele und Methoden der Hilfestellung Die SPFH will darauf hinwirken, dass sich die Familien ihrer eigenen Fähigkeiten, Stärken und Möglichkeiten bewusst werden, sie nutzen und erweitern. Die Familien werden durch intensive Betreuung in ihren Erziehungsaufgaben, bei der Bewältigung von Alltagsproblemen, bei der Lösung von Konflikten und Krisen und im Kontakt mit Ämtern und Institutionen unterstützt. Sie sollen lernen, mit gesellschaftlichen Normen umzugehen, Konfliktsituationen zu verarbeiten, Interessen zu vertreten und alternative Fähigkeiten bezüglich der Alltagsbewältigung sowie Problemlösungsstrategien zu entwickeln. Die Zielsetzungen und Lösungen werden jeweils individuell mit den Familien gemeinsam definiert. Diese orientieren sich an den spezifischen Ressourcen, Fähigkeiten und Neigungen der Familie. Die Hilfe vor Ort kann vielfältig erfolgen. Sie setzt sich aus Gesprächen in der Familie, 4 Begleitungen bei Amtsgängen, praktischer Unterstützung bei der Haushaltsplanung und deren Durchführung, Schulaufgabenhilfe für die Kinder, Spiel und Freizeitangebote und gemeinsamer Gruppenarbeit zusammen. 1.3. Hilfeempfänger Die meisten Familien, die die Hilfe der SPFH annehmen, leiden an vielfältiger sozialer Not. Etwa 10 der 80 Millionen Menschen in Deutschland leben nach Schätzung von Experten in Armut. Leisering spricht von einer „70-20-10-Gesellschaft, mit 70% Nie-Armen, 20% gelegentlich Armen und 10% häufiger Armen.„( Leisering, 1995, S. 58 ff.) Es sind Obdachlose, Sozialhilfeempfänger, Alleinerziehende und Arbeitslose. Die Lebenslage vieler Menschen, vor allem aus den unteren Einkommensschichten, hat sich in den letzten Jahren noch verschlechtert. Extrem hohe Mietbelastungen, Räumungen wegen Mietschulden, Obdachlosigkeit und Nichtsesshaftigkeit nehmen zu. Gestörte Familien sind an verschiedenen Faktoren erkennbar: Kriminalität, auffälliges ( oft aggressives ) Sozialverhalten, Kindesmisshandlung, Alkohol und Drogenmissbrauch und ungewollte Schwangerschaften. Es lassen sich zwei verschiedene Arten von Krisen beschreiben: Familien mit Einzelkrisen sind infolge einschneidender Ereignisse, wie Krankheit, Tod, Behinderung, Arbeitslosigkeit und Straffälligkeit vom sozialen Abstieg bedroht. Aus Angst werden die Probleme allerdings zu lange verdrängt, sodass es gerade durch diese Flucht und Vermeidungstendenzen oft zu einer Verschlimmerung der Krise kommt. Demgegenüber sind Strukturkrisen definiert, wenn Familien schon lange, manchmal seit Generationen unter Bedingungen sozialer Unterprivilegierung leben ( vgl. Konzept der SPFH ). Diese Familien gehören in der Regel bestimmten Subgruppen an, in denen sich die Probleme oft gleichen. Zur Bewältigung dieser Schwierigkeiten werden zumeist auch ähnlich problematische Strategien eingesetzt.( 5 Verschuldung bis illegale Geldbeschaffung, aggressives Verhalten, Alkohol und Drogenmissbrauch etc. ) Die SPFH kann bei Familien in Krisen jedoch nur dann helfen, wenn grundsätzliche Voraussetzungen, wie Ansprechbarkeit, Kooperationsbereitschaft, Problemeinsicht, Selbsthilfepotential und Motivation zur Veränderung vorhanden sind. 1.4. Problematik Prävention Die SPFH möchte präventive Hilfe leisten, d.h. die Hilfe sollte so früh wie möglich einsetzen, um die schwerwiegendsten Konsequenzen einer Krisensituation zu vermeiden. Diesem Anliegen sind jedoch oft praktische Grenzen gesetzt: Hilfe setzt erst dann ein, wenn das Jugendamt von den Problemen einer Familie erfährt. Dies bedeutet, dass es in vielen Fällen bereits zu erheblichem Leid gekommen ist. ( z.B. Thema Kindesmisshandlung, vgl. Kinderschutz – Zentrum Berlin, Kindesmisshandlung. Erkennen und Helfen. 2000) Die Frage, die sich hieraus ergibt: Wie effektiv kann die Hilfe der SPFH eingeschätzt werden und langfristig gesehen, gibt es Möglichkeiten der psychosozialen Verelendung früher zu begegnen? 2. Fallbeispiel Frau L. Diese Arbeit versucht mit Hilfe von Interviews einige Aspekte der SPFH sowohl aus Sicht der Sozialarbeiter ( vgl. Anhang) als auch aus der Sicht des Hilfeempfängers darzustellen. 2.1. Hintergrund der Hilfesuchenden Frau L. war mit der Erziehung ihrer Kinder ( 9 und 7 Jahre) überfordert. Ihr Sohn zeigte unangemessen aggressives Verhalten und überschritt ständig 6 gesetzte Grenzen. Bei der Tochter konnten leichte Entwicklungsverzögerungen bezüglich der kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten festgestellt werden. Die massiven Eheprobleme führten dazu, dass Frau L. sich während der Betreuung von ihrem Mann trennte. 2.2. Interview mit Frau L. 1. Wie kamen sie dazu sich an die SPFH zu wenden? Mein Sohn Sebastian (9 Jahre) war wegen aggressivem Verhalten gegenüber seiner Schwester (7 Jahre) und mir ein Jahr lang in der Psychiatrie. Er hat mit Gegenständen geschmissen, ist auf andere Menschen losgegangen und wusste meist nicht was er tat. Nachdem er aus der Psychiatrie entlassen wurde, kam er in eine pädagogische Tagesgruppe. Hier wird Kindern, die starke Probleme in ihrem Verhalten aufweisen, geholfen, Regeln zu beachten, Rücksicht auf andere Menschen zu nehmen und Pflichten zu erfüllen. Die Kinder sollen lernen, sich in die Gesellschaft einzugliedern. Nach einem Jahr kam Sebastian wieder nach Hause. Doch so ganz ohne fremde Hilfe habe ich es mit ihm nicht geschafft. Das Jugendamt hat mir den Vorschlag gemacht, die Hilfe der SPFH in Anspruch zu nehmen. Sie sagten, das sie gute Erfahrungen mit der SPFH haben. Wir haben einen Antrag gestellt und einen ersten Termin vereinbart. Ich bin mit meinem Mann ins Haus der SPFH gegangen und wurde gleich sympathisch empfangen. Dann haben wir uns zusammengesetzt und die Hauptprobleme, die zu lösen waren, besprochen. 2. Welche Probleme in der Familie wollten sie mit Hilfe der SPFH lösen? Die Hauptprobleme, die gelöst werden mussten, waren die Erziehung der Kinder, der gesamte Haushalt, eine neue Wohnung zu suchen und die Scheidung von meinem ehemaligen Mann. Außerdem wohnte zu dieser Zeit noch meine Mutter unter uns in einer Wohnung, und ich musste mich Tag und Nacht um sie kümmern. Ich habe eine sehr problematische 7 Beziehung zu ihr. Der Stress, den ich jeden Tag hatte, erzeugte bei mir starke Unzufriedenheit und Unruhe. Ich habe die Kinder bei jeder Kleinigkeit angeschrieen, bis es irgendwann für mich zu viel war. Ich konnte nicht mehr, habe alles stehen und liegen lassen. Mir war alles egal, was die Kinder anziehen oder essen. Ich habe den Haushalt und die Kinder total vernachlässigt. 3. Gab es zu Beginn Widerstände gegen die Hilfe? Zu Beginn habe ich die Sozialarbeiterin als fremde Person und als Feind, der sich bei mir einmischen wollte, gesehen. Diese Person will mir was vorschreiben und wird mich für mein Handeln beurteilen. Ich habe sie am Anfang nicht in mein Haus gelassen und habe Ausreden gesucht, um die problematische Situation so weit wie möglich wegzuschieben. Später habe ich gemerkt, das die Sozialarbeiterin nicht mein Feind war, sondern mein Freund. Ich habe sie an mich rangelassen und mich der Situation gestellt. 4. Wie lange arbeiten sie schon mit der SPFH zusammen? Ich arbeite seit einem Jahr mit der SPFH zusammen. 5. Empfinden sie die Hilfe als Belastung oder Entlastung? Ich empfinde die Hilfe eindeutig als Entlastung. Da Frau Tilner sich öfters um die Kinder kümmert, habe ich viel mehr Zeit für mich und komme auch mal zur Ruhe. 6. Welche Ziele konnten schon verwirklicht werden? Die Kinder sind viel ruhiger geworden. Sebastian kommt richtig aus sich heraus und ist viel offener. Außerdem bin ich selbst auch viel gelassener geworden. Seit meine Mutter im Altersheim ist und Frau Tilner mir bei der Erziehung der Kinder hilft, ist unser Haushalt viel geregelter. Die Scheidung von meinem ehemaligen Mann habe ich mit Hilfe der SPFH auch sehr gut überstanden. Jetzt sind wir gerade damit beschäftigt, eine neue Wohnung zu suchen. Die Wohnung in der wir jetzt noch wohnen ist viel zu klein für meine Kinder und mich. Wir haben nur ein Kinderzimmer, 8 ein Schlafzimmer für mich und eine große Küche. Sebastian braucht sein eigenes Zimmer. 7. Was schätzen sie besonders an der Unterstützung? Frau Tilner steht immer hinter mir und hilft mir bei allen Situationen. Zum Beispiel bei meiner Scheidung war sie die ganze Zeit dabei und hat mir geholfen das durchzustehen. Sie ist fast wie eine gute Freundin, der man alles erzählen kann und die einem mit Rat und Tat zur Seite steht. Außerdem kann ich immer bei der SPFH anrufen, egal wann ,die sind für mich da. Ich habe das Gefühl, dass die Hilfe für sie nicht nur ein Job ist, und sie nur nach dem Terminkalender gehen, sondern das sie immer für mich da sind. Ich finde es auch sehr schön , dass sie sich so viel Mühe mit den Kindern geben. Frau Tilner hat sich zum Beispiel darum gekümmert, dass die Kinder in den Sommerferien mal für einen Tag wegfahren können. Außerdem bringt sie Sebastian öfter ins Internet-Café. Sie beschäftigt sich mit den Kindern, hört ihnen zu, sie hilft mir bei Erziehungsfragen und zeigt mir wie ich in problematischen Situationen reagieren soll. 8. Was hat sich seit dem Einsatz an ihrem Alltag geändert? Mein Alltag verläuft viel geregelter. Ich habe mehr Zeit für mich und kann auch mal was mit meinen Freunden unternehmen. Ich komme langsam zur Ruhe und schreie die Kinder nicht mehr so oft an. Außerdem habe ich gelernt, auch mal „nein„ zu sagen. Wenn mich früher Bekannte oder Freunde um einen Gefallen baten, ( zum Beispiel auf ihre Kinder aufzupassen) habe ich immer ja gesagt. Jetzt habe ich gelernt, auch mal an mich zu denken. 9. Welche Erwartungen haben sie in Zukunft an sich selbst und an die SPFH? Ich möchte in Zukunft mein Leben im Griff haben. Jetzt zeigt mir die SPFH wie es geht, und wenn die Hilfe beendet ist, möchte ich es selbst schaffen. Schade finde ich, dass man die Hilfe der AWO nur maximal 2 ½ 9 Jahre in Anspruch nehmen darf. Für mich sind es nur noch circa 1 ½ Jahre, und dann muss ich auf eignen Füßen stehen. 10. Würden sie die Hilfe weiter empfehlen ? Und warum? Ja, ich würde die Hilfe auf jeden Fall weiter empfehlen. Ich habe den Erfolg dieser Hilfe bei mir selbst gemerkt. Früher habe ich immer gedacht, dass in meiner Familie alles in Ordnung ist, und ich keine Probleme habe. Ich wollte es nicht wahr haben! Ich habe mir selbst gesagt,..„meine Kinder haben doch alles, sie haben was zum Anziehen und haben genug zu Essen„. Doch jetzt habe ich gemerkt, dass es damit nicht getan ist, es reicht nicht. Die Kinder brauchen auch noch was anderes , das ich ihnen in dieser Zeit nicht geben konnte. Sie brauchen nämlich mehr Zuneigung und Aufmerksamkeit. Auch ich wollte so nicht weiterleben. Das Leben ist an mir vorbei gerauscht, und ich habe nichts von meinen Kindern mitbekommen. Jetzt habe ich mehr Zeit, mich mit ihnen zu beschäftigen und ihnen zuzuhören. 3. Ergebnisse, Schlussfolgerungen Wie in der Einführung schon erwähnt, kommen die Hilfesuchenden in der Regel über Vermittlung des Jugendamtes zur SPFH, wie auch in dem hier vorliegenden Fallbeispiel. Frau L. zeigte während des gesamten Interviews ein offenes und mitteilsames Verhalten. Aufgrund der Informationen aus den Gesprächen mit den Mitarbeitern ( siehe Anhang) und dem Interview mit Frau L. lässt sich folgendes zusammenfassen: Frau L. war durch die starken Belastungen, wie die Pflege ihrer Mutter, die Haushaltsführung und Kindererziehung, sowie die ständigen Eheprobleme völlig überlastet. Obwohl sie dringend Hilfe benötigte, musste Frau L. zunächst ihre Bedenken überwinden und sich dem Helfer gegenüber öffnen. Besonders dieser anfänglichen Skepsis entgegenzuwirken ist die Aufgabe des Sozialarbeiters. Minuchin hat mit dem „ joining„, ein professionelles Verhalten des Kontaktherstellers beschrieben. 10 Der Grundgedanke des Joining ist, dass die helfende Person nur Einfluss nehmen kann, wenn sie von dem Hilfesuchenden akzeptiert und nicht als fremd erlebt wird. (vgl. Minuchin, 1977) Dieses Engagement kann dazu führen, dass wie im vorliegenden Fall, die Mitarbeiterin der SPFH fast als eine Freundin gesehen wird, die mehr tut als nur ihren Job zu erledigen. ( siehe Antwort zu Frage 7 ) Trotz dieser Vertrautheit muss der Mitarbeiter auch auf Distanzen achten, durch seine Hilfestellung vorhandene Potentiale aktivieren, um somit letztlich den Prozess der Verselbständigung voranzutreiben. ( Zu den verschiedenen Formen und Stufen der Hilfe und Selbsthilfe vgl. May, 1996, S.31 ff ) Unter Berücksichtigung der erheblichen Probleme im hier geschilderten Fall kann die bisherige Arbeit der SPFH als erfolgreich eingestuft werden. Über diesen konkreten Fall hinaus stellt sich allerdings die Frage, ob es in einer Gesellschaft wie der unserigen so viel soziale Not geben muss? Die SPFH betont den Aspekt der präventiven Hilfe. ( vgl. BMJFFG, 1990, S.85 ff) Ist Prävention nicht aber im idealen Fall etwas, das so früh ansetzen sollte, dass es erst gar nicht zu solch sozialem Notstand kommen kann? Die Frage ist also, ob eine Gesellschaft durch andere Strukturen und andere Werte Bedingungen schaffen kann, die zu weniger sozialer Not führen? Solange unsere allgemeinen gesellschaftlichen Werte dem Menschen das Gefühl vermitteln über Konsum , Besitz und sozialem Ansehen Lebensglück zu erreichen, wird auch Konkurrenz und Leistungsdruck das Leben entscheidend mitbestimmen. Zuwenig Zeit und zuwenig Geduld auch innerhalb der Familien und besonders im Umgang mit den Kindern führen zu psychischem Elend. Konflikte, Trennungen und soziale Not bei den Schwächeren der Gesellschaft sind die Konsequenzen. 11 4. Literaturverzeichnis Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.): Kinder- und Jugendhilfegesetz (Achtes Buch Sozialgesetzbuch). – Berlin: BMFSFJ 1999 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.): Kinderschutz-Zentrum Berlin: Kindesmisshandlung Erkennen und Helfen. – Berlin: BMFSFJ 2000 Bundesministerium für Jugend, Frauen, Familie und Gesundheit (Hrsg.): Achter Jugendbericht. – Stuttgart/Berlin/Köln: Kohlhammer 1990 Leisering, Lutz: Zweidrittelgesellschaft oder Risikogesellschaft? Zur gesellschaftlichen Verortung der „neuen Armut“ in der BRD. – in Bieback, Karl-Jürgen, Milz, Helga (Hrsg.): Neue Armut – Frankfurt/New York: Campus Verlag 1995 May, Gerd-Rüdiger: Sozialpädagogische Familienhilfe: Aus der praktischen Arbeit – Kommunikation und Sprache, Lösung und Kontext. Überlegungen, Erfahrungen und Beispiele. Expertise. DJI – Arbeitspapier Nr. 5 – 123, 1996 Minuchin, Salvador: Familien und Familientherapie. Theorie und Praxis Struktureller Familientherapie – Freiburg: 1977 12 5. Anhang Interview mit Yasemin Oturanlar und Jutta Tilner: 1. Wie erfahren die Familien über das Angebot der SPFH? Das Kind fällt zum Beispiel im Kindergarten auf und das Jugendamt wird benachrichtigt . Das Jugendamt hat Beratungspflicht und nimmt, wenn erforderlich, Kontakt mit der SPFH auf. Es wird nachgeprüft ob, die SPFH noch Kapazitäten hat und die Problemsituation der Familie wird dargestellt. Wenn alles erwartungsgemäß verläuft , stellt die Familie sich vor und die Hilfe kann beginnen. 2. Wie verläuft der erste Kontakt mit der Familie? Die gesamte Familie und ein Arbeiter vom Jugendamt wird in das Haus der SPFH eingeladen. Circa eine Stunde werden die Einsatzgründe, der Einsatzbereich und die Probleme besprochen und schriftlich festgehalten. Danach wird ein Termin für den ersten Hausbesuch gemacht. 3. Wie motiviert sind die Familien? Sie sind sehr unterschiedlich motiviert. Viele Familien haben den Druck des Jugendamtes im Rücken. Sie können die Hilfe der SPFH nicht ablehnen, da sie sonst mit Fremdunterbringung ihrer Kinder rechnen müssen. (Pflegefamilien, Heim) Der Druck wird normalerweise mit der Zeit abgebaut und gegenseitiges Vertrauen und eine tragfähige Arbeitsbeziehung entwickelt sich. 4. Wie sieht die Arbeit vor Ort praktisch aus? Die Arbeit in den Familien ist je nach Problemlage unterschiedlich. Analog zum Protokoll des ersten Gesprächs werden die Eltern und die Kinder im Umgang miteinander beobachtet. Die Sozialarbeiter verbringen viel Zeit mit den Familien und sind im Haushalt dabei. Sie spielen mit den Kindern, helfen beim Haushalt und bei Behördenangelegenheiten, gehen mit einkaufen, beraten die Familien und helfen bei 13 Erziehungsentscheidungen. Sie versuchen ein gutes Beispiel zu sein, indem sie alternative Verhaltensmöglichkeiten aufzeigen, und somit können die Eltern durch das Modell der Sozialarbeiter lernen, wie man Erziehung auch anders gestalten kann. Verhaltensmethoden und Verhaltensmuster werden zusammen mit der Familie geübt. Durch operante Konditionierung ( Lob, Zuwendung und Bestätigung) werden Verhaltensweisen gefestigt. Die SPFH bietet somit eine Hilfe zur Selbsthilfe. 5. Wie lange dauert die Betreuung in einer Familie durchschnittlich? Die Betreuung dauert circa zwei Jahre. 6. Wie oft in der Woche sind sie bei den Familien? In der Woche sind wir ungefähr zwei mal, zwei bis drei Stunden da. 7. Wie verhält sich das Jugendamt während des Einsatzes? In der Regel zieht sich das Jugendamt zurück. Es gibt aber ein Gesetz, das alle Beteiligten (Familie, Jugendamt, SPFH, sonstige Institutionen) dazu verpflichtet, in regelmäßigen Abständen Gespräche zu führen, um Ziele zu reflektieren und neue Absprachen zu treffen. 8. Welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit die Hilfe beendet ist? Die Hilfe ist beendet, wenn die Ziele, die zu Beginn festgelegt wurden, erreicht sind, und die Lebenssituation der Kinder verbessert ist. Oder aber, wenn die Ressourcen der Familie erschöpft sind und keine weiteren Veränderungen möglich sind. 9. Wie schätzen sie persönlich den Erfolg ihrer Arbeit ein? Wenn die Familie sich öffnet, motiviert und kooperativ ist, können Veränderungen im positiven Sinne erreicht werden. Man sollte mit der Familie kleine Schritte der Veränderung machen und nicht zu viel zu schnell erwarten. Die Sozialarbeiter dürfen ihre eigenen Normen und Werte nicht auf die Familie projizieren, sie müssen private und berufliche Situationen trennen können. 14 10. Welche beruflichen und menschlichen Qualitäten sollte ein Mitarbeiter haben? Die Mitarbeiter der Einrichtung müssen über die Qualifikation eines Sozialarbeiters, eines Sozialpädagogen oder eines Erziehers mit Zusatzausbildung verfügen. Der Sozialarbeiter sollte versuchen die Familien wertzuschätzen und sie zu akzeptieren. Es ist sehr wichtig, Distanz zu bewahren und die eigenen Ansprüche nicht auf die Familie zu übertragen. Andere Fähigkeiten, wie Problembewusstsein, Frustrationstoleranz, Beobachtungsgabe und Sensibilität sind Qualitäten, die für diesen Beruf benötigt werden. Die Mitarbeiter sollten gesellschaftliches und politisches Interesse zeigen und außerdem eine fachlich kompetente Gesprächsführung beherrschen. 15 Ich erkläre hiermit, dass ich die Facharbeit ohne fremde Hilfe angefertigt habe und nur die im Literaturverzeichnis aufgeführten Quellen und Hilfsmittel benutzt habe. Vollständige Anschrift: Aylin Weiß Krockhausstr.30 44797 Bochum Datum: 1. März 2002 Unterschrift des Schülers / der Schülerin