Facharbeit - Heinrich-Böll

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Heinrich-Böll-Gesamtschule
Aylin Weiß
Sozialpädagogische Familienhilfe
Facharbeit im Leistungskurs Pädagogik
12. Jahrgang
Schuljahr 2001/ 2002
Fachlehrerin: Frau Nowack
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Inhaltsverzeichnis
1.
Voraussetzungen der Hilfestellungen der Sozialpädagogischen
Familienhilfe (SPFH) ..................................................................... 3
1.1.
rechtliche Hintergründe ................................................................. 3
1.2.
Ziele und Methoden der Hilfestellung ............................................ 3
1.3.
Hilfeempfänger .............................................................................. 4
1.4.
Problematik Prävention ................................................................. 5
2.
Fallbeispiel Frau L. ........................................................................ 5
2.1.
Hintergrund des Fallbeispiels ........................................................ 5
2.2.
Interview mit Frau L. ...................................................................... 6
3.
Ergebnisse und Schlussfolgerungen ............................................. 9
4.
Literaturverzeichnis ..................................................................... 11
5.
Anhang ........................................................................................ 12
3
1. Voraussetzungen der Hilfestellung der SPFH
1.1 rechtlicher Hintergrund
Die Sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH) ist eine Einrichtung der
Arbeiterwohlfahrt, deren Ziel es ist, eine ambulante Hilfe für in soziale Not
geratene Familien zu leisten. Diese Hilfe ist nach einem ganzheitlichen
Ansatz konzipiert, der sich auf den familiären, sozialen und kulturellen
Lebensraum der gesamten Familie bezieht. Die SPFH bietet eine „...Hilfe
zur Selbsthilfe in (...) verschiedenen Bereichen des Alltags.“ (BMFSFJ,
1999, S.52) Die grundgesetzlich verankerten elterlichen Erziehungsrechte
und Erziehungspflichten zu unterstützen ist im §31
Kinderjugendhilfegesetz (KJHG) als kommunale Pflichtaufgabe festgelegt.
Diese Aufgabe hat im Auftrag des Jugendamtes Bochum die SPFH
übernommen.
1.2. Ziele und Methoden der Hilfestellung
Die SPFH will darauf hinwirken, dass sich die Familien ihrer eigenen
Fähigkeiten, Stärken und Möglichkeiten bewusst werden, sie nutzen und
erweitern. Die Familien werden durch intensive Betreuung in ihren Erziehungsaufgaben, bei der Bewältigung von Alltagsproblemen, bei der
Lösung von Konflikten und Krisen und im Kontakt mit Ämtern und
Institutionen unterstützt. Sie sollen lernen, mit gesellschaftlichen Normen
umzugehen, Konfliktsituationen zu verarbeiten, Interessen zu vertreten
und alternative Fähigkeiten bezüglich der Alltagsbewältigung sowie
Problemlösungsstrategien zu entwickeln.
Die Zielsetzungen und Lösungen werden jeweils individuell mit den
Familien gemeinsam definiert. Diese orientieren sich an den spezifischen
Ressourcen, Fähigkeiten und Neigungen der Familie. Die Hilfe vor Ort
kann vielfältig erfolgen. Sie setzt sich aus Gesprächen in der Familie,
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Begleitungen bei Amtsgängen, praktischer Unterstützung bei der
Haushaltsplanung und deren Durchführung, Schulaufgabenhilfe für die
Kinder, Spiel und Freizeitangebote und gemeinsamer Gruppenarbeit
zusammen.
1.3. Hilfeempfänger
Die meisten Familien, die die Hilfe der SPFH annehmen, leiden an
vielfältiger sozialer Not. Etwa 10 der 80 Millionen Menschen in
Deutschland leben nach Schätzung von Experten in Armut. Leisering
spricht von einer „70-20-10-Gesellschaft, mit 70% Nie-Armen, 20%
gelegentlich Armen und 10% häufiger Armen.„( Leisering, 1995, S. 58 ff.)
Es sind Obdachlose, Sozialhilfeempfänger, Alleinerziehende und
Arbeitslose. Die Lebenslage vieler Menschen, vor allem aus den unteren
Einkommensschichten, hat sich in den letzten Jahren noch verschlechtert.
Extrem hohe Mietbelastungen, Räumungen wegen Mietschulden,
Obdachlosigkeit und Nichtsesshaftigkeit nehmen zu.
Gestörte Familien sind an verschiedenen Faktoren erkennbar:
Kriminalität, auffälliges ( oft aggressives ) Sozialverhalten,
Kindesmisshandlung, Alkohol und Drogenmissbrauch und ungewollte
Schwangerschaften.
Es lassen sich zwei verschiedene Arten von Krisen beschreiben:
Familien mit Einzelkrisen sind infolge einschneidender Ereignisse, wie
Krankheit, Tod, Behinderung, Arbeitslosigkeit und Straffälligkeit vom
sozialen Abstieg bedroht. Aus Angst werden die Probleme allerdings zu
lange verdrängt, sodass es gerade durch diese Flucht und
Vermeidungstendenzen oft zu einer Verschlimmerung der Krise kommt.
Demgegenüber sind Strukturkrisen definiert, wenn Familien schon lange,
manchmal seit Generationen unter Bedingungen sozialer
Unterprivilegierung leben ( vgl. Konzept der SPFH ). Diese Familien
gehören in der Regel bestimmten Subgruppen an, in denen sich die
Probleme oft gleichen. Zur Bewältigung dieser Schwierigkeiten werden
zumeist auch ähnlich problematische Strategien eingesetzt.(
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Verschuldung bis illegale Geldbeschaffung, aggressives Verhalten,
Alkohol und Drogenmissbrauch etc. ) Die SPFH kann bei Familien in
Krisen jedoch nur dann helfen, wenn grundsätzliche Voraussetzungen,
wie Ansprechbarkeit, Kooperationsbereitschaft, Problemeinsicht,
Selbsthilfepotential und Motivation zur Veränderung vorhanden sind.
1.4. Problematik Prävention
Die SPFH möchte präventive Hilfe leisten, d.h. die Hilfe sollte so früh wie
möglich einsetzen, um die schwerwiegendsten Konsequenzen einer
Krisensituation zu vermeiden. Diesem Anliegen sind jedoch oft praktische
Grenzen gesetzt: Hilfe setzt erst dann ein, wenn das Jugendamt von den
Problemen einer Familie erfährt. Dies bedeutet, dass es in vielen Fällen
bereits zu erheblichem Leid gekommen ist. ( z.B. Thema
Kindesmisshandlung, vgl. Kinderschutz – Zentrum Berlin,
Kindesmisshandlung. Erkennen und Helfen. 2000)
Die Frage, die sich hieraus ergibt: Wie effektiv kann die Hilfe der SPFH
eingeschätzt werden und langfristig gesehen, gibt es Möglichkeiten der
psychosozialen Verelendung früher zu begegnen?
2. Fallbeispiel Frau L.
Diese Arbeit versucht mit Hilfe von Interviews einige Aspekte der SPFH
sowohl aus Sicht der Sozialarbeiter ( vgl. Anhang) als auch aus der Sicht
des Hilfeempfängers darzustellen.
2.1. Hintergrund der Hilfesuchenden
Frau L. war mit der Erziehung ihrer Kinder ( 9 und 7 Jahre) überfordert. Ihr
Sohn zeigte unangemessen aggressives Verhalten und überschritt ständig
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gesetzte Grenzen. Bei der Tochter konnten leichte
Entwicklungsverzögerungen bezüglich der kognitiven und sprachlichen
Fähigkeiten festgestellt werden. Die massiven Eheprobleme führten dazu,
dass Frau L. sich während der Betreuung von ihrem Mann trennte.
2.2. Interview mit Frau L.
1. Wie kamen sie dazu sich an die SPFH zu wenden?
Mein Sohn Sebastian (9 Jahre) war wegen aggressivem Verhalten
gegenüber seiner Schwester (7 Jahre) und mir ein Jahr lang in der
Psychiatrie. Er hat mit Gegenständen geschmissen, ist auf andere
Menschen losgegangen und wusste meist nicht was er tat. Nachdem er
aus der Psychiatrie entlassen wurde, kam er in eine pädagogische
Tagesgruppe. Hier wird Kindern, die starke Probleme in ihrem Verhalten
aufweisen, geholfen, Regeln zu beachten, Rücksicht auf andere
Menschen zu nehmen und Pflichten zu erfüllen. Die Kinder sollen lernen,
sich in die Gesellschaft einzugliedern. Nach einem Jahr kam Sebastian
wieder nach Hause.
Doch so ganz ohne fremde Hilfe habe ich es mit ihm nicht geschafft. Das
Jugendamt hat mir den Vorschlag gemacht, die Hilfe der SPFH in
Anspruch zu nehmen. Sie sagten, das sie gute Erfahrungen mit der SPFH
haben. Wir haben einen Antrag gestellt und einen ersten Termin
vereinbart. Ich bin mit meinem Mann ins Haus der SPFH gegangen und
wurde gleich sympathisch empfangen. Dann haben wir uns
zusammengesetzt und die Hauptprobleme, die zu lösen waren,
besprochen.
2. Welche Probleme in der Familie wollten sie mit Hilfe der SPFH lösen?
Die Hauptprobleme, die gelöst werden mussten, waren die Erziehung der
Kinder, der gesamte Haushalt, eine neue Wohnung zu suchen und die
Scheidung von meinem ehemaligen Mann. Außerdem wohnte zu dieser
Zeit noch meine Mutter unter uns in einer Wohnung, und ich musste mich
Tag und Nacht um sie kümmern. Ich habe eine sehr problematische
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Beziehung zu ihr. Der Stress, den ich jeden Tag hatte, erzeugte bei mir
starke Unzufriedenheit und Unruhe. Ich habe die Kinder bei jeder
Kleinigkeit angeschrieen, bis es irgendwann für mich zu viel war. Ich
konnte nicht mehr, habe alles stehen und liegen lassen. Mir war alles
egal, was die Kinder anziehen oder essen. Ich habe den Haushalt und die
Kinder total vernachlässigt.
3. Gab es zu Beginn Widerstände gegen die Hilfe?
Zu Beginn habe ich die Sozialarbeiterin als fremde Person und als Feind,
der sich bei mir einmischen wollte, gesehen. Diese Person will mir was
vorschreiben und wird mich für mein Handeln beurteilen. Ich habe sie am
Anfang nicht in mein Haus gelassen und habe Ausreden gesucht, um die
problematische Situation so weit wie möglich wegzuschieben. Später
habe ich gemerkt, das die Sozialarbeiterin nicht mein Feind war, sondern
mein Freund. Ich habe sie an mich rangelassen und mich der Situation
gestellt.
4. Wie lange arbeiten sie schon mit der SPFH zusammen?
Ich arbeite seit einem Jahr mit der SPFH zusammen.
5. Empfinden sie die Hilfe als Belastung oder Entlastung?
Ich empfinde die Hilfe eindeutig als Entlastung. Da Frau Tilner sich öfters
um die Kinder kümmert, habe ich viel mehr Zeit für mich und komme auch
mal zur Ruhe.
6. Welche Ziele konnten schon verwirklicht werden?
Die Kinder sind viel ruhiger geworden. Sebastian kommt richtig aus sich
heraus und ist viel offener. Außerdem bin ich selbst auch viel gelassener
geworden. Seit meine Mutter im Altersheim ist und Frau Tilner mir bei der
Erziehung der Kinder hilft, ist unser Haushalt viel geregelter. Die
Scheidung von meinem ehemaligen Mann habe ich mit Hilfe der SPFH
auch sehr gut überstanden. Jetzt sind wir gerade damit beschäftigt, eine
neue Wohnung zu suchen. Die Wohnung in der wir jetzt noch wohnen ist
viel zu klein für meine Kinder und mich. Wir haben nur ein Kinderzimmer,
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ein Schlafzimmer für mich und eine große Küche. Sebastian braucht sein
eigenes Zimmer.
7. Was schätzen sie besonders an der Unterstützung?
Frau Tilner steht immer hinter mir und hilft mir bei allen Situationen. Zum
Beispiel bei meiner Scheidung war sie die ganze Zeit dabei und hat mir
geholfen das durchzustehen. Sie ist fast wie eine gute Freundin, der man
alles erzählen kann und die einem mit Rat und Tat zur Seite steht.
Außerdem kann ich immer bei der SPFH anrufen, egal wann ,die sind für
mich da. Ich habe das Gefühl, dass die Hilfe für sie nicht nur ein Job ist,
und sie nur nach dem Terminkalender gehen, sondern das sie immer für
mich da sind. Ich finde es auch sehr schön , dass sie sich so viel Mühe
mit den Kindern geben. Frau Tilner hat sich zum Beispiel darum
gekümmert, dass die Kinder in den Sommerferien mal für einen Tag
wegfahren können. Außerdem bringt sie Sebastian öfter ins Internet-Café.
Sie beschäftigt sich mit den Kindern, hört ihnen zu, sie hilft mir bei
Erziehungsfragen und zeigt mir wie ich in problematischen Situationen
reagieren soll.
8. Was hat sich seit dem Einsatz an ihrem Alltag geändert?
Mein Alltag verläuft viel geregelter. Ich habe mehr Zeit für mich und kann
auch mal was mit meinen Freunden unternehmen. Ich komme langsam
zur Ruhe und schreie die Kinder nicht mehr so oft an. Außerdem habe ich
gelernt, auch mal „nein„ zu sagen. Wenn mich früher Bekannte oder
Freunde um einen Gefallen baten, ( zum Beispiel auf ihre Kinder
aufzupassen) habe ich immer ja gesagt. Jetzt habe ich gelernt, auch mal
an mich zu denken.
9. Welche Erwartungen haben sie in Zukunft an sich selbst und an die
SPFH?
Ich möchte in Zukunft mein Leben im Griff haben. Jetzt zeigt mir die SPFH
wie es geht, und wenn die Hilfe beendet ist, möchte ich es selbst
schaffen. Schade finde ich, dass man die Hilfe der AWO nur maximal 2 ½
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Jahre in Anspruch nehmen darf. Für mich sind es nur noch circa 1 ½
Jahre, und dann muss ich auf eignen Füßen stehen.
10. Würden sie die Hilfe weiter empfehlen ? Und warum?
Ja, ich würde die Hilfe auf jeden Fall weiter empfehlen. Ich habe den
Erfolg dieser Hilfe bei mir selbst gemerkt. Früher habe ich immer gedacht,
dass in meiner Familie alles in Ordnung ist, und ich keine Probleme habe.
Ich wollte es nicht wahr haben! Ich habe mir selbst gesagt,..„meine Kinder
haben doch alles, sie haben was zum Anziehen und haben genug zu
Essen„. Doch jetzt habe ich gemerkt, dass es damit nicht getan ist, es
reicht nicht. Die Kinder brauchen auch noch was anderes , das ich ihnen
in dieser Zeit nicht geben konnte. Sie brauchen nämlich mehr Zuneigung
und Aufmerksamkeit. Auch ich wollte so nicht weiterleben. Das Leben ist
an mir vorbei gerauscht, und ich habe nichts von meinen Kindern
mitbekommen. Jetzt habe ich mehr Zeit, mich mit ihnen zu beschäftigen
und ihnen zuzuhören.
3. Ergebnisse, Schlussfolgerungen
Wie in der Einführung schon erwähnt, kommen die Hilfesuchenden in der
Regel über Vermittlung des Jugendamtes zur SPFH, wie auch in dem hier
vorliegenden Fallbeispiel. Frau L. zeigte während des gesamten
Interviews ein offenes und mitteilsames Verhalten. Aufgrund der
Informationen aus den Gesprächen mit den Mitarbeitern ( siehe Anhang)
und dem Interview mit Frau L. lässt sich folgendes zusammenfassen:
Frau L. war durch die starken Belastungen, wie die Pflege ihrer Mutter, die
Haushaltsführung und Kindererziehung, sowie die ständigen Eheprobleme
völlig überlastet. Obwohl sie dringend Hilfe benötigte, musste Frau L.
zunächst ihre Bedenken überwinden und sich dem Helfer gegenüber
öffnen. Besonders dieser anfänglichen Skepsis entgegenzuwirken ist die
Aufgabe des Sozialarbeiters. Minuchin hat mit dem „ joining„, ein
professionelles Verhalten des Kontaktherstellers beschrieben.
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Der Grundgedanke des Joining ist, dass die helfende Person nur Einfluss
nehmen kann, wenn sie von dem Hilfesuchenden akzeptiert und nicht als
fremd erlebt wird. (vgl. Minuchin, 1977)
Dieses Engagement kann dazu führen, dass wie im vorliegenden Fall, die
Mitarbeiterin der SPFH fast als eine Freundin gesehen wird, die mehr tut
als nur ihren Job zu erledigen. ( siehe Antwort zu Frage 7 ) Trotz dieser
Vertrautheit muss der Mitarbeiter auch auf Distanzen achten, durch seine
Hilfestellung vorhandene Potentiale aktivieren, um somit letztlich den
Prozess der Verselbständigung voranzutreiben. ( Zu den verschiedenen
Formen und Stufen der Hilfe und Selbsthilfe vgl. May, 1996, S.31 ff )
Unter Berücksichtigung der erheblichen Probleme im hier geschilderten
Fall kann die bisherige Arbeit der SPFH als erfolgreich eingestuft werden.
Über diesen konkreten Fall hinaus stellt sich allerdings die Frage, ob es in
einer Gesellschaft wie der unserigen so viel soziale Not geben muss? Die
SPFH betont den Aspekt der präventiven Hilfe. ( vgl. BMJFFG, 1990, S.85
ff) Ist Prävention nicht aber im idealen Fall etwas, das so früh ansetzen
sollte, dass es erst gar nicht zu solch sozialem Notstand kommen kann?
Die Frage ist also, ob eine Gesellschaft durch andere Strukturen und
andere Werte Bedingungen schaffen kann, die zu weniger sozialer Not
führen?
Solange unsere allgemeinen gesellschaftlichen Werte dem Menschen das
Gefühl vermitteln über Konsum , Besitz und sozialem Ansehen
Lebensglück zu erreichen, wird auch Konkurrenz und Leistungsdruck das
Leben entscheidend mitbestimmen. Zuwenig Zeit und zuwenig Geduld
auch innerhalb der Familien und besonders im Umgang mit den Kindern
führen zu psychischem Elend. Konflikte, Trennungen und soziale Not bei
den Schwächeren der Gesellschaft sind die Konsequenzen.
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4. Literaturverzeichnis
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.):
Kinder- und Jugendhilfegesetz (Achtes Buch Sozialgesetzbuch). – Berlin:
BMFSFJ 1999
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.):
Kinderschutz-Zentrum Berlin: Kindesmisshandlung Erkennen und Helfen.
– Berlin: BMFSFJ 2000
Bundesministerium für Jugend, Frauen, Familie und Gesundheit (Hrsg.):
Achter Jugendbericht. – Stuttgart/Berlin/Köln: Kohlhammer 1990
Leisering, Lutz: Zweidrittelgesellschaft oder Risikogesellschaft? Zur
gesellschaftlichen Verortung der „neuen Armut“ in der BRD. – in Bieback,
Karl-Jürgen, Milz, Helga (Hrsg.): Neue Armut – Frankfurt/New York:
Campus Verlag 1995
May, Gerd-Rüdiger: Sozialpädagogische Familienhilfe: Aus der
praktischen Arbeit – Kommunikation und Sprache, Lösung und Kontext.
Überlegungen, Erfahrungen und Beispiele. Expertise. DJI – Arbeitspapier
Nr. 5 – 123, 1996
Minuchin, Salvador: Familien und Familientherapie. Theorie und Praxis
Struktureller Familientherapie – Freiburg: 1977
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5. Anhang
Interview mit Yasemin Oturanlar und Jutta Tilner:
1. Wie erfahren die Familien über das Angebot der SPFH?
Das Kind fällt zum Beispiel im Kindergarten auf und das Jugendamt wird
benachrichtigt . Das Jugendamt hat Beratungspflicht und nimmt, wenn
erforderlich, Kontakt mit der SPFH auf. Es wird nachgeprüft ob, die SPFH
noch Kapazitäten hat und die Problemsituation der Familie wird
dargestellt. Wenn alles erwartungsgemäß verläuft , stellt die Familie sich
vor und die Hilfe kann beginnen.
2. Wie verläuft der erste Kontakt mit der Familie?
Die gesamte Familie und ein Arbeiter vom Jugendamt wird in das Haus
der SPFH eingeladen. Circa eine Stunde werden die Einsatzgründe, der
Einsatzbereich und die Probleme besprochen und schriftlich festgehalten.
Danach wird ein Termin für den ersten Hausbesuch gemacht.
3. Wie motiviert sind die Familien?
Sie sind sehr unterschiedlich motiviert. Viele Familien haben den Druck
des Jugendamtes im Rücken. Sie können die Hilfe der SPFH nicht
ablehnen, da sie sonst mit Fremdunterbringung ihrer Kinder rechnen
müssen. (Pflegefamilien, Heim) Der Druck wird normalerweise mit der Zeit
abgebaut und gegenseitiges Vertrauen und eine tragfähige
Arbeitsbeziehung entwickelt sich.
4. Wie sieht die Arbeit vor Ort praktisch aus?
Die Arbeit in den Familien ist je nach Problemlage unterschiedlich. Analog
zum Protokoll des ersten Gesprächs werden die Eltern und die Kinder im
Umgang miteinander beobachtet. Die Sozialarbeiter verbringen viel Zeit
mit den Familien und sind im Haushalt dabei. Sie spielen mit den Kindern,
helfen beim Haushalt und bei Behördenangelegenheiten, gehen mit
einkaufen, beraten die Familien und helfen bei
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Erziehungsentscheidungen. Sie versuchen ein gutes Beispiel zu sein,
indem sie alternative Verhaltensmöglichkeiten aufzeigen, und somit
können die Eltern durch das Modell der Sozialarbeiter lernen, wie man
Erziehung auch anders gestalten kann. Verhaltensmethoden und
Verhaltensmuster werden zusammen mit der Familie geübt. Durch
operante Konditionierung ( Lob, Zuwendung und Bestätigung) werden
Verhaltensweisen gefestigt. Die SPFH bietet somit eine Hilfe zur
Selbsthilfe.
5. Wie lange dauert die Betreuung in einer Familie durchschnittlich?
Die Betreuung dauert circa zwei Jahre.
6. Wie oft in der Woche sind sie bei den Familien?
In der Woche sind wir ungefähr zwei mal, zwei bis drei Stunden da.
7. Wie verhält sich das Jugendamt während des Einsatzes?
In der Regel zieht sich das Jugendamt zurück. Es gibt aber ein Gesetz,
das alle Beteiligten (Familie, Jugendamt, SPFH, sonstige Institutionen)
dazu verpflichtet, in regelmäßigen Abständen Gespräche zu führen, um
Ziele zu reflektieren und neue Absprachen zu treffen.
8. Welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit die Hilfe beendet ist?
Die Hilfe ist beendet, wenn die Ziele, die zu Beginn festgelegt wurden,
erreicht sind, und die Lebenssituation der Kinder verbessert ist. Oder
aber, wenn die Ressourcen der Familie erschöpft sind und keine weiteren
Veränderungen möglich sind.
9. Wie schätzen sie persönlich den Erfolg ihrer Arbeit ein?
Wenn die Familie sich öffnet, motiviert und kooperativ ist, können
Veränderungen im positiven Sinne erreicht werden. Man sollte mit der
Familie kleine Schritte der Veränderung machen und nicht zu viel zu
schnell erwarten. Die Sozialarbeiter dürfen ihre eigenen Normen und
Werte nicht auf die Familie projizieren, sie müssen private und berufliche
Situationen trennen können.
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10. Welche beruflichen und menschlichen Qualitäten sollte ein Mitarbeiter
haben?
Die Mitarbeiter der Einrichtung müssen über die Qualifikation eines
Sozialarbeiters, eines Sozialpädagogen oder eines Erziehers mit
Zusatzausbildung verfügen. Der Sozialarbeiter sollte versuchen die
Familien wertzuschätzen und sie zu akzeptieren. Es ist sehr wichtig,
Distanz zu bewahren und die eigenen Ansprüche nicht auf die Familie zu
übertragen. Andere Fähigkeiten, wie Problembewusstsein,
Frustrationstoleranz, Beobachtungsgabe und Sensibilität sind Qualitäten,
die für diesen Beruf benötigt werden. Die Mitarbeiter sollten
gesellschaftliches und politisches Interesse zeigen und außerdem eine
fachlich kompetente Gesprächsführung beherrschen.
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Ich erkläre hiermit, dass ich die Facharbeit ohne fremde Hilfe angefertigt
habe und nur die im Literaturverzeichnis aufgeführten Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.
Vollständige Anschrift:
Aylin Weiß
Krockhausstr.30
44797 Bochum
Datum: 1. März 2002
Unterschrift des Schülers / der Schülerin
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