Das Dilemma in der Paartherapie

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Das Dilemma in der Paartherapie
mit Texten von Eugen Drewermann
In der Paartherapie ist regelmäßig zu beobachten, dass das, was die
Paare einstmals für einander interessiert hat Gegenpole sind. Gegenpol
zum Vorbild Vater oder Mutter oder Gegensatz zu den eigenen Muster
und Charakterstrukturen.
Er ruhig sie quirlig, er Narzisst Besserwisser Selbstgerecht mit Neigung
zur Selbstüberschätzung und Größenwahn, sie Opfer masochistisch,
depressiv zu Vernichtungsgefühlen neigend. Dies macht die Faszination
aus im Sinne der Bindungs- und Beziehungsenergien.
Diese hier beschriebenen Pole sind nur zwei Paare. Es lassen sich aber
unendlich viele Paare formulieren, die entweder ganz oder als Anteile in
der Partnerschaft vorkommen. Das heißt, die Partnerschaft dominieren
oder nur ein Teil der Partnerschaft sind.
Natürlich regeln sich die Polpaare die nur Teilaspekte der Partnerschaft
sind unter der Dominanz des Verstehens oft leichter, wie wenn diese
Polarisierung, wie es oft der Fall ist, der wichtigste Aspekt der
Partnerschaft ist, oder wird.
Dabei können die Herkunftsfamilien mit ihren Dynamiken und
Lernschulen und die Loyalität und Verstrickung mit diesen, die
Problematik noch verstärken. „Ich habe dir gleich gesagt mein Junge, die
passt nicht zu dir und auch nicht in unsere Familie“. Dieser Satz gilt
natürlich auch umgekehrt.
Das verstärkt und verfestigt natürlich die Polarisierung, wie leicht
verständlich ist, aber nicht gewusst wird, weil das systemische Denken in
der Paartherapie noch nicht sehr bekannt ist.
Die natürliche Aufgabe scheint darin zu bestehen, sich zu spiegeln und
damit aus den Polen, die beide nicht lebendig sind, zu erlösen und an
diesen Polarisierungen zu reifen. Du kannst ich retten. Du bist anders als
meine Mutter oder mein Vater. Gerade deswegen habe ich dich
geheiratet. Mein Vater, um beim Beispiel zu bleiben, war ein “Weichei“.
Der hat nie was gesagt und hat sich nicht entscheiden können. Aber Du!!
Da weiß ich, wo ich dran bin. Du führst mich.
Aber es geschieht was anderes.
Die Pole verstärken sich.
Der Narzisst wird immer Größenwahnsinniger, sie immer mehr Opfer.
In diesem Zustand kommen sie zur Therapie, weil die Spannungen
unerträglich geworden sind, es droht die Scheidung.
Natürlich wird die erste Phase der Therapie darin bestehen in einem
Einzelgespräch, den Einen und den Anderen kennen zu lernen.
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Es kommt manchmal der Mächtige, die/der sich im Recht fühlende,
die/der bestätigt bekommen möchte, dass er Recht hat, dass der andere
sich zu ändern hat, aber nichts tut. „Ich habe Therapie gemacht, das hat
sei/er ja nicht nötig, er/sie hat ja keine Probleme“.“ Es hat gar keinen
Sinn mit meinem Mann/Frau zu reden, der /die versteht nicht.“
Aber manchmal auch das Opfer, das Angst hat, dass die Beziehung
auseinander gehen könnte und er wieder verlassen wird.
Therapeutischer Auftrag, helfe mir das zu verhindern.
Leider kommt der Andere oft nicht. Es sind nicht nur die Männer die
keine Probleme haben, sagen wir lieber kein Problembewusstsein, die
nicht kommen. Nein es kommen auch die Frauen nicht, die um ihre
Machtposition fürchten. Das ist allerdings seltener.
Wenn beide kommen, wird man ein Paargespräch bewirken um die
Dynamik des Wir als Resonanz, als Wechselwirkung beider zu spüren.
Dies ist nur möglich, wenn beide kommen. Dazu gibt es auch noch
nonverbale Stellungsübungen, die beide erleben lässt, wie sie
zueinander stehen.
Dann wird man beide zum Familienaufstellen einladen, damit sie erleben
können, warum der eine so und der andere so geworden ist.
Am besten lässt man den Einen und die Anderen in diese andere Familie
hineinstellen, um zu spüren, wie es sich in der Familie der Partner/rin
jeweils angefühlt hat.
Im Nachgespräch sollte dann das Wichtigste nachgesprochen werden.
I. Das Dilemma der stark polarisierten Paare
Durch die Kenntnisse der Verhältnisse des anderen und seine
Sippengeschichte, wird der Rechthaber behaupten, dass er es ja schon
immer gewusst und gesagt hat. Er wird es als narzisstische Zufuhr
erleben und sich noch mehr über den Anderen erheben.
Der Andere aber wird sich in seiner Kleinheit und seinem Drama noch
kleiner machen, weil er nun gesehen hat, das er auch schon in der
Ursprungsfamilie diese Position hatte und das es nun doch, wie der
Partner es ja auch schon immer behauptet hat, wirklich nichts Wert ist.
Als Therapeut musst man aber bei dem bleiben, was man wahrnimmst.
In diesem Dilemma muss ein Punkt ein Platz eingebaut werden, der das
Lügengebäude und Wahrnehmungsverzerrung beider heilt.
Nur in dem sie in ihrem „Entweder - Oder“ ein, „Sowohl als Auch“
erfahren
entweder
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sowohl
als
auch
oder
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kann ein neues Bewusstsein entstehen, von dem aus beide immer
wieder das Eigene erkennen können und sich in den eigenen Rollen
sehen und nicht mehr als von den Rollen dominiert.
Dabei wird nun von außen, der eigentliche Sinn der Polarisierung, so wie
sie von Anfang an gemeint war, sich zu spiegeln und zu erlösen,
möglich.
Das Dilemma aber ist meist, dass der „Sowohl als Auch“ Therapeut, das
heißt derjenige, der den Einen und den Anderen versteht und ihn in
seiner Wahrnehmung natürlich bestätigt, zum Spielball beider wird.
Jeder der Partner nimmt nun auch beim Therapeuten den Part des
anderen wahr, sieht den Therapeuten als Mitläufer und parteiisch im
Sinne des Anderen oder benutzt den Therapeuten und seine Aussagen
als Waffe gegen den Anderen.
Der Therapeut hat auch gesagt…………..ich weiß, der steht auf deiner
Seite………… Beide ziehen sich wieder zurück und lassen die Therapie
und den Therapeuten scheitern oder verbünden sich wieder und machen
den Therapeuten zum gemeinsamen Feind.
Solche Systeme brauchen immer ein Feindbild oder in einer Dreiecks
Beziehung immer einen, der den Ausgleich schafft, der Geliebte oder die
Geliebte, die nur eine Entlassung der Spannung ist, aber nicht die
Lösung. Auch diese Partner, und der Paartherapeut ist als Liebender in
einer ähnlichen Rolle als Geliebter und Gehasster, kommen in das Opfer
,Helfer Täterdrama. Der mich Besserversteher oder der Gehasste der
sich mit dem anderen gegen mich verbündet hat.
In dieses Dilemma, dass muss man wissen gerät man als Therapeut
oder Therapeutin immer, auch wenn man noch so professionell damit
umgeht.
Dabei hat sich durch den systemischen Ansatz und das Einbeziehen des
Familienstellen die Situation schon etwas entschärft.
Jeder der in der Paartherapie tätig ist sollte deswegen auch diese
Instrumente zur eigenen Entlastung benutzen und dabei die jeweiligen
gleichgeschlechtlichen Mittherapeuten ein laden.
Dennoch scheint dieses Dilemma manchmal unauflösbar.
II. Das Dilemma der Sehnsuchtsfalle
BEGEHREN
Es wird Zeit für dich, nicht mehr außen nach dem zu suchen, was dich
glücklich machen könnte. Schau nach innen.
Es gibt eine berühmte Sufi-Geschichte:
Ein König trat zu einem Morgenspaziergang aus seinem Palast und
begegnete einem Bettler. Er fragte den Bettler:
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„Was begehrst du?“
Der Bettler lachte und sagte: „Du fragst so, als könntest du mir meinen
Wunsch erfüllen!“ Da fühlte sich der König beleidigt. Er sagte:
„Natürlich kann ich deinen Wunsch erfüllen. Welchen Wunsch hast du?
Du brauchst ihn nur zu sagen.“
Und der Bettler sagte: „Überleg es dir lieber noch ein mal, bevor du
irgend etwas versprichst.“
Der Bettler war kein gewöhnlicher Bettler; er war im vorigen Leben der
Meister des Königs gewesen. Und er hatte ihm in jenem Leben
versprochen: „Ich werde wiederkommen und versuchen, dich in deinem
nächsten Leben aufzuwecken. In diesem Leben hast du es nicht
geschafft, aber ich werde wiederkommen.“ Aber der König hatte das
völlig vergessen — wer erinnert sich schon an frühere Leben? Also ließ
er nicht locker: „Ich werde dir alles erfüllen, worum du mich bittest. Ich
bin ein sehr mächtiger Herrscher; was könntest du dir schon wünschen,
das ich dir nicht erfüllen könnte?“
Der Bettler sagte: „Mein Wunsch ist sehr einfach. Siehst du diese
Bettelschale? Kannst du sie mir mit irgendetwas füllen?“
Der König sagte: „Natürlich!“ Und so rief er einen seiner Wesire herbei
und befahl ihm: „Fülle die Bettelschale dieses Mannes mit Geld.“ Der
Wesir ging davon, holte etwas Geld und schüttete es in die Schale... und
das Geld verschwand darin. Also schüttete der Wesir immer mehr Geld
nach, aber sobald es hineinfiel, verschwand es auch schon. Und die
Bettelschale blieb ständig leer.
Der ganze Hof versammelte sich. Schließlich verbreitete sich das
Gerücht in der ganzen Hauptstadt, und eine riesige Menge strömte
zusammen. Das Ansehen des Herrschers stand auf dem Spiel. Es sagte
zu seinen Wesiren: „Und wenn das ganze Königreich draufgeht, ich bin
bereit, es zu verlieren, aber ich lass mich nicht von diesem Bettler
schlagen.“
Diamanten und Perlen und Smaragde... seine Schatzkammern leerten
sich schon. Diese Bettelschale schien bodenlos. Alles, was man in sie
hineinschüttete — alles! — verschwand augenblicklich, hörte auf zu
existieren.
Schließlich war es Abend geworden, und die Leute standen in völligem
Schweigen da. Der König fiel zu Füßen des Bettlers nieder und gestand
seine Niederlage ein. Er sagte:
„Bitte sage mir nur eines. Du bist der Sieger — aber bevor du gehst,
befriedige bitte meine Neugierde. Woraus ist die Bettelschale gemacht?“
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Der Bettler lachte und antwortete: „Sie ist aus menschlichem Geist
gemacht. Da gibt es kein Geheimnis... sie ist ganz einfach aus
menschlichem Begehren gemacht.“
Diese Einsicht verwandelt dein Leben. Untersuche einmal einen deiner
Wünsche — was ist sein Mechanismus? Zunächst ist großer Reiz, große
Erregung, Abenteuerlust da. Es macht dir großen Spaß. Etwas wird
geschehen, du st unmittelbar davor. Und dann hast du das Auto, du hast
die Yacht, du hast das Haus, du hast die Frau... und dann ist dies alles
plötzlich wieder sinnlos geworden.
Was ist passiert? Dein Geist hat es entmaterialisiert. Das Auto steht in
der Ausfahrt, aber es hat keinen Reiz mehr.
Der Reiz bestand nur darin, es zu bekommen... du hast dich so
berauscht an diesem Wunsch, dass du dein inneres Nichtsein vergessen
hast. Jetzt — der Wunsch ist erfüllt, das Auto in der Ausfahrt, die Frau im
Bett, das Geld auf dem Konto —‚ jetzt ist der Reiz wieder weg.
Und wieder ist die Leere da, bereit, dich zu verschlingen. Und wieder
musst du einen neuen Wunsch erfinden, um diesem gähnenden
Abgrund zu entfliehen.
So geht es in einem fort, von einem Wunsch zum nächsten Wunsch.
Und so bleibt man ein Bettler. Dein ganzes Leben beweist es immer
wieder aufs neue — jeder Wunsch frustriert. Und wenn das Ziel erreicht
ist, brauchst du wie der einen neuen Wunsch.
An dem Tag, an dem du verstehst, dass alles Wünschen als solches
scheitern wird, kommt der Wendepunkt in deinem Leben.
Die andere Reise geht nach innen. Geh nach innen. Komm zurück nach
Hause.
Der Urgrund der Sehsuchtsfalle ist das Begehren des Kindes nach der
Mutter oder dem Vater, der entweder nicht da war und oder das nicht
hatte, was dem kindlichen Begehren zu einer bestimmten Zeitpunkt,
zugestanden wäre. Dieser Mangel führt zu einer Überhöhung dieses
Begehren oder zur Vernichtung. Das heißt es wird abgeschaltet um es
nicht mehr so quälend zu spüren.
Es kommt zur Ersatzbefriedigung oder Ersatzobjekten, ein Teddybär
oder Tiere, die aber das wahre Begehren nicht befriedigen konnten.
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Befriedigung
Ersatz
Begehren-Trieb
So entsteht eine Spannung die als Sehnsucht gefühlt wird und mit Liebe
verwechselt wird.
Diese Sehnsucht wird dann zunächst durch innere (Traumfiguren und
Illusionen) oder äußere Ersatzobjekte ersetzt. Damit wird die
Triebspannung gemindert, aber nicht aufgehoben. Das Muster ist, dass
Objekte gesucht werden, die nur scheinbar das Begehren befriedigen
aber nicht wirklich. So geschieht es dann auch in den Partnerschaften.
Im Partner wird der sehnsüchtig (aber unbewusst begehrte Vater oder
die nachnährende Mutter) gesehen. Meist aber werden Partner gesucht,
die genau das nicht können oder die Selbst innerlich verarmt im anderen
ebenfalls den vermissten (Vater oder Mutter) suchen. Das tun sie
deswegen, weil sie einen Partner der ihr Begehren erfüllen würde, nicht
sehen, denn das Sehnsuchtsprogramm ist ja so orientiert, dass Erfüllung
nicht geschehen kann und darf. Bis die Sehnsucht als solche
durchschaut wird.
Da hilft dem Therapeuten die Aufstellungsarbeit.
Er wird regelmäßig als das begehrte Subjekt (Objekt) gesehen und muss
das als Übertragungsenergie in sich spüren. Es muss dies erst
annehmen und bestätigen. Er darf die Verwechslung nicht ablehnen,
sonst hat er gleich verspielt. Es gehört aber anderseits auch, wenn man
den Prozess mit einer Aufstellungsarbeit begleitet, sehr viel
Fingerspitzengefühl dazu diese Übertragung zurück zu geben und
wieder in die Partnerschaft zurück zu integrieren.
Das gelingt nur sehr schwer. Eher wird auch der Therapeut/tin als
Sehnsuchtssubjekt (Objekt) fallen gelassen und der Klient oder die
Klientin zieht sich zurück und kommt nie wieder, wenn sie mit der
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„Wahrheit“ und dem Schmerz der in dem Abschied von ersehnten
Primärsubjekt (oder Objekt) steckt, konfrontiert wird. Sie oder er werden
sich wieder ein neues Opfer suchen und dann triumphierend anrufen,
dass man falsch lag.
Aber es kommt wieder so. Auch beim nächsten Therapeuten.
Wenn der Therapeut das alles auch weiß, es tut dennoch weh.
III. Das Dilemma des Tragischen und der Kompensation durch
Illusionen
WIE ERSCHEINT DAS TRAGISCHE UND WORIN BESTEHT ES?
Aus Zeiten, die für heidnisch gelten, stammt ein Lebensgefühl bzw. eine
Welterfahrung, die zutiefst tragisch ist. Die Menschen innerhalb dieses
Weltbildes treten als Figuren eines Spiels auf, das die unsterblichen
Götter oder Gewalten, mächtiger als sie, nach unbegreiflichem
Ratschluss auf dem Schauplatz der Erde zur Aufführung bringen, und
niemand kann ihnen wehren, wenn er auch wollte. Teile des Spieles
enthüllen mitunter einen verborgenen Sinn: Vergangener Frevel der
Väter findet seine unfehlbare Rache an späteren Geschlechtern oder
Fluch lastet auf Sippen und Stämmen wegen dunkler Überhebungen der
Vorzeit. Eine Art von Gerechtigkeit scheint hier am Werk: Uralte Schuld
zeugt sich fort und vernichtet sich selbst zugleich mit ihren unseligen
Erben. Aber nicht nur, dass in spät geborenen Zeiten persönlich
Unschuldige wie zur ausgleichenden Sühne in den Bann eines fremden
Vergehens eintreten müssen und selber trotz aller Gegenwehr sich
neuerlich mit Schuld beladen oft auch zieht sich schon am Anfang des
Unheils schicksalhaft der Fallstrick der Schuld um einen einzelnen
zusammen, und die Frage nach der Gerechtigkeit im Walten der
Überirdischen muss vollends Verstummen vor dem Eindruck der Willkür
und der Unberechenbarkeit derartiger Fügung.
Drei Merkmale also prägen das Bild des tragischen Lebensgefühls:
a. der Charakter der Unabwendbarkeit: es gibt ein Schicksal, dem der
einzelne machtlos ausgeliefert ist und das sich bei allem Sträuben nur
um so eher und furchtbarer erfüllt;
b. der Charakter der Verstrickung: der einzelne ist Glied eines
Blutsmäßigen Zusammenhangs mit seinen Sippenangehörigen; er ist nur
der Kristallisationskern eines kollektiven Verhängnisses; und
c. der Charakter des moralischen Scheiterns: der einzelne muss mit
seinem moralischen Vermögen an den Gesetzlichkeiten, die in seinem
eigenen Wesen, in der Art seines Stammes sowie in der äußeren Natur
in Erscheinung treten, notwendig zerbrechen: gegen das eigene Wollen
muss er objektiv Schuld auf sich nehmen und an seiner Schuld zugrunde
gehen. Dies ist das Hauptthema des Tragischen.
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Das Tragische besteht mithin in einem Konflikt zwischen dem
individuellen Bewusstsein und den Zwängen des Allgemeinen: Das
moralische Wollen des einzelnen scheitert an den Notwendigkeiten des
Schicksals, und das Böse, das er schließlich begehen muss, ist die
Konsequenz eines Zusammenhanges, den er selbst zwar nicht
verursacht hat, dem er aber doch unentrinnbar zugehört und verhaftet
bleibt.
Man hat daher gemeint, die Entgegensetzung von Individuellem und
Allgemeinem sei an sich selbst bereits die Ursache des Tragischen;
indem das Individuum aus dem Allgemeinen heraustrete und seiner
selbst bewusst werde, indem es seine partikularen Absichten und
Interessen gegenüber dem Allgemeinen geltend mache, müsse es
notwendig schuldig werden Diese vor allem von der Geistmetaphysik
des Deutschen Idealismus verbreitete Vorstellung vereinfacht jedoch den
Sachverhalt und beschreibt das Problem nicht adäquat. Wenn das
Individuum sich einfach hin vom Allgemeinen im Sinne des SittlichVerbindlichen und für alle Gültigen lossagen und sich auf seine eigenen
Zielsetzungen zurückziehen würde, könnte es zwar objektiv schuldig
werden, aber seine Schuld besäße nicht den Charakter des Tragischen.
Selbst wenn man mit dem Deutschen Idealismus unterstellen wollte, daß
der Akt der Reflexion notwendig jene Entgegensetzung des Individuellen
und des Allgemeinen nach sich zöge — was nur unter bestimmten
Voraussetzungen zutreffen wird
—‚ so ist doch dieser Konflikt nicht eigentlich tragisch zu nennen: Das
Individuum, als reines Für-sich-Sein vorgestellt, leugnet ja den
verbindlichen Bezug zum Allgemeinen; ihm ist der Konflikt der Schuld
nicht selber innerlich. Es mag vor der Allgemeinheit als schuldig gelten,
aber sein eigenes Bewusstsein, solange es in der Singularität und
Partikularität verharrt, spricht es frei. Der Fall des Tragischen hingegen
beruht nicht auf einem Konflikt zwischen dem Individuellen und dem
Allgemeinen an sich, sondern er basiert auf einer Spaltung des
Allgemeinen im Individuum. Tragisch ist nicht, dass das Individuum
etwas anderes will oder seiner selbst wegen wollen muss als das
Allgemeine, tragisch ist, dass das Individuum den Forderungen des
Allgemeinen entsprechen will, aber nicht kann, weil diese Forderungen
selbst im Individuellen widersprüchlich werden. Das »Allgemeine« kann
dabei in seinem Widerspruch zum Sittlichen verstanden werden als das
Allgemeine der Natur, der Psyche, des Unbewussten, und als das
Allgemeine der Sittlichkeit selbst, und so sind zwei Formen des
Tragischen zu unterscheiden:
1. der Konflikt des Unbewussten mit dem Sittlichen — die Spaltung der
Persönlichkeit und
2. der Konflikt der Verantwortung jenseits des Verantwortbaren — die
Spaltung der Sittlichkeit selbst.
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Im ersten Falle wird der einzelne zum Katalysator eines
Verhängnisses, das in ihm selber wirksam wird, im zweiten Falle entlädt
sich an ihm eine Gegensätzlichkeit, die im Kollektiven bzw. in den
Umständen begründet liegt und von außen an ihn herangetragen wird.
1. Das Tragische als neurotischer Prozess — die Spaltung der
Persönlichkeit
Der ersteren Form des Tragischen kann man sich leicht nähern, wenn
man die Art betrachtet, in der das Tragische in den Überlieferungen der
Alten bewusst wird, und die einzelnen Momente dieses Prozesses
tiefenpsychologisch deutet.
In den Mythen der Alten wird das Tragische über den einzelnen von
einer Schicksalsmacht verhängt, die sich in den Göttern verkörpert,
ihnen aber überlegen ist und letztlich unpersönlich bleibt, — ein Es, kein
Ich, ein Geschehen, kein Wille. Gleichwohl muss das Schicksal, so
undurchschaubar auch immer, den einzelnen nicht ahnungslos und
gänzlich ohne Vorbereitung reffen. Irgendwo gibt es Seher oder
Zeichendeuter, die von dem künftigen Schicksal genaue Kenntnis
besitzen sind diese Seher blind, und jedenfalls gewinnen sie ihr
geheimes Wissen eher durch innere als durch äußere Wahrnehmungen.
Denn wohl können bestimmte Tiere, die den Göttern nahe stehen, wohl
können die Wege der Sterne, die Formationen der Wolken, das Antlitz
des Mondes, ja schon die rauschenden Bäume dem Verständigen
wertvolle Hinweise von außen her bieten, aber nur weil der Seher den
verborgenen Kräften der Natur innerlich nahe steht, vermag er ihre
Botschaften zu vernehmen. Zumeist bedarf er dazu nicht einmal der
Vermittlung der äußeren Sinne, sondern in Traum und Trance erspäht er
das Wesen und das Werden des Kommenden.
All diese Mitteilungen: dass es ein Schicksal gebe, das sich eher den
Tieren als dem menschlichen Bewusstsein, eher dem träumenden
Gefühl als der wachen Vernunft mitteile, ein Schicksal, das selbst in
Göttern (und Geistern) erscheine, aber jenseits derselben keine
persönliche Gestalt besitze — diese Nachrichten wird man am
leichtesten dahin verstehen müssen, dass die Macht, welche das
Geschick des Menschen unfehlbar gestaltet, in der Psyche des
Menschen selbst, in seiner eigenen Natur, in seinem Unterbewussten zu
Hause ist.
Unter dieser Voraussetzung, die in der Tiefenpsychologie bei der
Interpretation der Mythen eingegangen wird, verlieren die genannten
Merkwürdigkeiten sogleich den Anschein des Absonderlichen und
schließen sich zu ein sinnvollen Einheit zusammen. Nur vom
Unterbewussten der menschlichen Person ist es eine unpersönliche
Macht darstellt, die das Schicksal der menschlichen Person
vorherbestimmt und am ehesten im Traum und in den Mächten der Natur
auf geheimnisvolle, nämlich symbolische Weise anschaubar wird. Nur
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vom Unbewussten der Psyche her wird auch die Bindung des
»Schicksals« an bestimmte Einflüsse der Vorzeit und insbesondere an
gewisse Taten der Vorfahren verständlich; denn das Unbewusste wird
nach tiefenpsychologischer Auffassung gerade durch das Verhalten der
Eltern in der frühen Kindheit schicksalhaft geprägt, und zweifellos richtet
sich das “ der Eltern wiederum vorwiegend nach dem Verhalten ihrer
Eltern. Darüber hinaus hat L. Szondi beeindruckende Beispiele
vorgelegt, um seine These vom familiären Unbewussten zu
untermauern, das — im Unterschied zur sog. Symptomtradition, die rein
psychisch bedingt ist — ein biologisches, erbliches Mittelstück zwischen
dem persönlichen Unbewussten Freuds und dem kollektiven
Unbewussten C. G. Jungs darstellt.
Identifiziert man demnach das unpersönliche Wirken des Schicksals in
den Mythen der Antike mit dem Es, dem Unbewussten der menschlichen
Psyche, so ergibt sich für das Verständnis des Tragischen eine wichtige
Konsequenz:
Das Tragische bestimmt sich dann in einer seiner Formen als
Auslieferung des lchs an das Unbewusste, und zwar so, dass das Ich die
Forderungen des moralischen, des allgemein Verbindlichen kennt und
mit aller Anspannung des Willens durchzusetzen sucht, aber an der
Gewalt seines Unbewussten scheitert. Beides bildet in dieser Form des
Tragischen eine unglückselige Einheit: der moralische Kampf des Ich
und sein Zusammenbruch angesichts der Übermacht des Es. Das
Moment des Kampfes unterscheidet das Tragische noch einmal deutlich
von einer bloßen Vereinzelung des Willens; würde das Ich sich von
vornherein unter dem Druck des Es, des Naturhaft-Allgemeinen von der
moralischen Bindung lösen, so käme es nicht zu der Dramatik, die zum
Tragischen gehört. In einem tragischen Konflikt will das Ich gerade in
dem Schutz und in der Sicherheit des Sittlich-Allgemeinen verbleiben, es
macht seine Individualität gerade in der Ergebenheit zum Sittlichen
geltend; es kämpft nicht gegen das Sittliche, sondern gegen sich selbst,
gegen den Zwang des eigenen Unbewussten in seiner Psyche, aber es
geht in und an diesem Kampf zugrunde.
Das Tragische ergibt sich mithin aus einer Spaltung der Persönlichkeit
zwischen den Anstrengungen des Ichs und der Macht des Es, und es
konstituiert sich in dem Moment, wo das Ich in seinem Leben an
entscheidenden Punkte zu schwach ist, sich gegen den Ansturm des
Unbewussten zu behaupten.
In dieser Sicht versteht man zugleich, wieso das tragische Scheitern der
Moralität die prompte Strafe der Götter, meist in Gestalt physischer
Vernichtung oder lebenslangen Unglücks, nach sich zieht. Die
strafenden Götter sind in tiefenpsychologischer Deutung Mächte des
Überichs, und sie gehören dem Ich so wenig an wie die Kräfte des Es, ja
im Grunde leiten sie sich aus dem Es her und verbleiben mit ihm in einer
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widersprüchlichen Einheit. Teils stehen sie daher mit dem Es im
Bunde, teils vertreten sie eine sittliche Ordnung, deren schicksalhafte
Übertretung sie nach dem Fall alsbald rächen, indem sie das hilflose Ich
mit unentrinnbaren Vorwürfen und Strafen überziehen: das Heer der
Erinnerungen sucht das schuldig gewordene Opfer heim.
In summa: Das Tragische entsteht in tiefenpsychologischer Sicht dort,
wo das Ich seinem eigenen Unbewussten ohnmächtig ausgeliefert ist
und zwischen den Gesetzen des Es und des Überichs in schicksalhafter
Schuld und in notwendiger Strafe zermahlen wird. Das eigentliche
Problem der Tragödie ergibt sich demnach aus einer Schwäche des
Ichs, und diese lässt sich sowohl geistesgeschichtlich als auch strukturell
interpretieren.
Geschichtlich gesehen, musste die Kunstform der Tragödie dort
entstehen, wo das Ich sich bereits weit genug aus der Kollektivpsyche
herausentwickelt hatte, um einen eigenen persönlichen Auftrag des
Sittlich-Allgemeinen an sich gerichtet zu empfinden, wo es aber (noch)
zu schwach war, demselben nachzukommen. Wenn nicht die
Individualität selbst, sondern die Schwäche der Individualität das
Tragische ausmacht, so wird in der Tragödie dem Ich das Unbewusste
zum Schicksal aufgrund eines Mangels an Persönlichkeit; und
umgekehrt ist es das Überich, die Welt der Götter, die, je nachdem, als
verkörperte Triebmächte oder ich fremde moralische Instanzen das Ich
gleichermaßen aufgrund seiner Ohnmacht in den Abgrund des
Verderbens stürzen. Strukturell gesehen, muss das Tragische in der
individuellen Erfahrung überall dort zur Aufführung drängen, wo das Ich
in seinem Bemühen um das sittlich Gute hilflos den Forderungen des Es
und des Überich preisgegeben ist.
In gewissem Sinne kann man einen solchen Zustand der Ichschwäche
strukturell als Kennzeichen der Neurose betrachten und muss dann
sagen, dass jeder Neurose, als Icheinschränkung gedeutet, ein Moment
des Tragischen inne wohnt, sowie umgekehrt jeder Tragödie neurotische
Züge beigemengt sind. Man muss freilich beachten, dass das Feld des
Tragischen weit über den engen Begriff des eigentlich Krankhaften
hinausgeht: Welch ein Mensch ist schon den Helden der Mythen gleich,
dass er »mit Göttlichem und Menschlichem gekämpft — und übermocht
hat« (Gen 32,29)? Wenn man also das Tragische von der
Neurosenpsychologie her verstehen will, so muss man doch stets vor
Augen haben, dass die zu behandelnden Konflikte im Grunde
jedermanns Konflikte, also eher als neurotoid denn als neurotisch zu
bezeichnen sind. Um gewissermaßen die Normalität, mindestens aber
die Hauptbrennpunkte des Tragischen aufzuzeigen, lässt sich vor allem
auf zwei psychische Mechanismen verweisen, die zwar für jede Art von
Neurose konstitutiv sind, aber eben nicht nur dort ihre unheimliche,
tragische Rolle spielen. Einmal ist da zu nennen doch, ja gerade deshalb
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wie unter unvermeidlichem Zwang begehen muss, ohne im übrigen
die Mächte zu kennen oder zu verstehen, die den Zusammenbruch der
moralischen Anstrengungen des Ichs bewirken. Psychologisch lässt
sich dieses Geschehen weitgehend in der Dialektik von Hemmung und
Haltung beschreiben und dieses Gefüge muss daher als erstes
untersucht werden, um der Tragik menschlicher Schuld auf die Spur zu
kommen.
Mit Hemmung ist in der Neurosenpsychologie gemeint, dass bestimmte
Triebimpulse unmittelbar mit Angst verknüpft worden sind und ihnen
daher schon im Ansatz, noch ehe sie ins Bewusstsein vordringen und
dort in Handlungen übersetzt werden können, die Vorstellung entzogen
wird: im Ich, im Bewusstsein gibt es bestimmte Triebstrebungen oder
Wünsche fortan scheinbar gar nicht mehr, selbst der Vorgang der
Hemmung oder die allgemeine Gehemmtheit an sich bleibt dem Ich
verborgen. Stattdessen erlebt das Ich die Verhaltensweisen seiner
Umgebung an den Stellen der eigenen Gehemmtheit als maßlos,
gefährlich und bösartig, und so trachtet es danach, sich selbst in seinen
Blockierungen für moralisch besser zu halten als die anderen. Aus
seinen Gehemmtheiten macht es seine Tugenden, und
dementsprechend schreibt es sich ein Recht zu, die anderen für ihr
Verhalten mindestens im geheimen zu verachten. Schon diese
Missverständnisse und Konflikte können tragische Ausmaße gewinnen.
Die eigentliche Tragödie beginnt indessen nicht so sehr in den
Auseinandersetzungen und Missverständnissen gegenüber der Umwelt,
sondern sie ist in der Eigentümlichkeit der Verdrängung selbst enthalten.
Denn so wenig man einen Fluss einfach hin durch eine Staumauer
absperren kann, so wenig vermag man einen Trieb zu blockieren: Das
aufgestaute Wasser wird überfließen oder sich auf Seiten- und
Sickerwegen an der Mauer vorbeiarbeiten, und ähnlich wird ein Trieb
verborgene Mittel und Wege finden, um an der Hemmschwelle der Angst
vorbei sich an sein ursprüngliches Ziel heranzuarbeiten. Diese
verborgenen Mittel bestehen psychologisch
in der Bildung von Symptomen und Ersatzbefriedigungen; vor allem
aber in der Ausbildung von korrespondierenden Haltungen und
Illusionen.
Genau in diese Dynamik wird der Therapeut verstrickt.
Er wird zum Retter (heldenhaften Ritter) Heiler unter anderem stilisiert
und in die Sehnsuchtsillusion eingefügt. Es gibt zwar ein paar
Standardillusionen, wie sie in den modernen und alten Schlagern
vorkommen, aber da sind die Klienten erfinderisch. Da diese
märchenhaften Illusionen unbewusst ablaufen, sind sie ja auch Inhalt der
Märchen. Man tut gut daran sich mit diesen tiefenpsychologisch zu
beschäftigen, sonst hat man keine Chance.
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Die modernen Märchen die da erfunden werden und die Dynamik
der Sehnsucht und Illusionen, z.B. der Magersüchtigen oder
Bulimiekerinnen, die sie von innen her steuern, sind immer wieder neu.
So ist Michaels Ende „Unendliche Geschichte“ ist ein solches Märchen,
dass die Fassetten der inneren Verarmung (das Nichts das Phantasien
verschlingt) aber auch die zunehmende Körperlosigkeit der kindlichen
Kaiserin, darstellt. Dies sind durchaus Aspekte diese inneren Bilder, die
letztendlich das Erscheinungsbild dieser beiden Störungen ausmacht.
Man kann aber wissen, dass diese zerstörerischen Affekte und Bilder
immer wieder neu erfunden werden und zu neuartigen, bisher
unbekannten Symptomen führen werden..
Es gehört viel schamanisches Einfühlungsvermögen dazu, diese
Märchen zu durchschauen und ab zu arbeiten.
Wenn wie in der „Unendlichen Geschichte“ Atreju den Weg verfehlt,
bleibt die Prinzessin verloren.
Diese Geschichten werden aber bereits als uralte persische Geschichten
in dem Buch „Die sieben Geschichten der sieben Prinzessinnen“ in den
Erzählungen von „Tausend und einer Nacht“ und in den Mythen der
Früheren erzählt.
Sie sind Strukturen des Unbewussten und werden als solche in den
Sehnsuchtsillusionen reaktiviert.
Weiß das der Therapeut nicht, wird er nicht nur in die Sippengeschichte
sondern auch in diese Märchenhaften Illusionen eingebaut, ohne es zu
merken. Dann aber wird auch sein Ich zermalmt zwischen ÜberIchSehnsuchtsIllusion und den unerlösten Kräften des Es.
Die Desillusionierung ist ein harter Weg. Fühlt sich doch die Sehnsucht
und die Illusion so kuschelig wohl an. Sind sie doch auch die Paradiese
gewesen, die uns schon damals als Kinder das Leben gerettet haben, in
einer Umwelt in der Nichts zu holen war- Hänsel und Gretel- oder sogar
Mord und Totschlag herrschten mit echter körperlicher Bedrohung. Wie
kann ich das aufgeben. Das geht nur dadurch, dass ich neue
erwachsener Illusionen schaffe und das sind oft Hinweise auf die
Erlösung durch Christus oder Gott und seine Liebe.
III. Das Dilemma der Übertragung und Gegenübertragung
Hier lasse ich kommentarlos Eugen Drewermann sprechen
Das Böse- als Unbewusstheit
Wir erinnern uns, wie viel Bestechendes der Jungsche Gedanke auf den
ersten Blick enthält, die Bewusstwerdung selbst sei als der eigentliche
„Sündenfall« zu betrachten, als ein Akt, der gleichwohl notwendig sei,
um zu sich selbst zu finden. Es ist nicht zu leugnen, dass der Zustand
der Unbewusstheit eine Quelle unabsehbarer Übel darstellt. Zahllose
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Missverständnisse und Krisen im Zusammenleben entstehen
dadurch, dass unbemerkt Gefühle und Haltungen auf den jeweiligen
Partner übertragen werden, die ganz anderen, zumeist frühkindlichen
Situationen entstammen. Wie von einem Unstern geleitet, scheinen
Menschen, ohne es zu wissen, dazu verurteilt, immer wieder die
gleichen erfolglosen Programme längst vergangener Jahre zu repetieren
und sich dabei immer mehr in den Teufelskreis krankhafter
Seelenzustände und bald auch physischer Leiden zu verheddern.
Endloses Unrecht geschieht, weil Menschen oft und gerade in ihren
besten Bemühungen von ihren eigentlichen unbewussten Antrieben und
Zielsetzungen keine Kenntnis haben. Und nicht nur im Bereich des
persönlichen Unbewussten entfaltet das verdrängte oder nie zum
Bewusstsein gelangte psychische Material seine verhängnisvolle
Wirkung, — die ganze Menschheit scheint auf die Gefahr einer globalen
Katastrophe zuzusteuern, insofern sie inmitten einer hoch
industrialisierten Welt sich nach wie vor von Verhaltensmustern leiten
lässt, die unter gewissen Voraussetzungen des Tierreichs sowie in den
Jahrhunderttausenden der Menschheitsentstehung entwickelt und aus
geprägt wurden. Wenn der Neurotiker dadurch erkrankt, dass er
unbewusst in seinem Verhalten von bestimmten prägenden Situationen
seiner Kindheit nicht loskommt, so scheint die gesamte Menschheit
daran zu kranken, dass sie in unangemessener Weise, ohne es zu
wissen, sich benimmt, wie wenn sie immer noch in der Steinzeit leben
würde. Das Beispiel der ständig drohenden Kriegsgefahr zeigt wohl am
deutlichsten die fatale Auswirkung paläoanthropologischer
Verhaltensweisen am Beginn der zweiten industriellen Revolution. Nicht
dass willentlich Böses verübt würde, macht die Tragödie des
menschlichen Fehlverhaltens aus, sondern dass die subjektiv edelsten
Absichten unbewusst in den Dienst veralteter, unangemessener
Programme treten. Ein tiefsinnigeres und bedenkenswerteres Wort ist
denn auch in der Bibel über die menschliche Schuld nicht gesprochen
worden, als in dem Augenblick, da Christus angesichts des Äußersten,
wozu Menschen imstande sind, zu Gott betet:
„Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ (Lc 23, 34)
Von daher scheint es mehr als berechtigt zu sein, die Unbewusstheit
selbst für das Übel schlechthin zu halten und mit allen zur Verfügung
stehenden Mitteln auf ihre Überwindung hinzuarbeiten, also mit Hilfe der
Psa (Psychoanalyse) die Atavismen der Individualpsyche und mit Hilfe
aller möglichen anthropologisch relevanten Methoden, wie
Verhaltensforschung, Ethnologie, Soziologie etc., die achaischen Reste
der Kollektiven Psyche aufzudecken. Vollends wenn man die eigentliche
Bestimmung des Menschen in der Herausbildung einer eigenen freien
Persönlichkeit erblickt, so wird man über die dumpfe Unbewusstheit und
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Unfreiheit weitester Bereiche unseres Lebens zutiefst bestürzt sein
und um so mehr die Forderung nach einem Mehr an Bewusstheit
erheben.
Insofern ist die Gleichung verständlich, die in der Hegelschen
Philosophie wie in der Jungschen Psychologie aufgestellt wird: die
Unbewusstheit sei das Böse, das Zu-Überwindende, das Nicht- sein
Sollende; die Bewusstwerdung sei der eigentliche Schritt zur
Menschwerdung.
IV. Das Dilemma von Moral und Ethik
Dies ist die schwerste Hürde. Die Patienten kommen deswegen so spät
mit ihren Partnerproblemen, weil sie genau das Wissen.
Es sind genau diese Sollbruchstellen in den Partnerschaften, die mit der
allgemeinen Entwicklung in den Partnerschaften grundsätzlich zu tun
haben. Da ist niemand Schuld. Es gehört zur Entwicklungsdynamik der
Paare, dass sie irgendwann an das Ende der bisherigen Muster und
Möglichkeiten kommen. Es ist wie beim Schach. Wenn man sehr lange
mit den schwarzen und mit den weißen Steinen gespielt hat, versteht
man das Spiel. Alle Paare kommen an den Punkt, an dem es nur noch
um Schach matt oder zu mindestens zu einer Pattsituation gekommen
ist, weil die alten Muster nicht mehr greifen, oder sich erledigt haben.
Leider verläuft das oft nicht synchron, der eine Partner ist “weiter“ wie
der andere. Meist sind es die Frauen. Gerade hier hat sich das Vorgehen
des systemischen Ansatzes mit Einzelgesprächen, Paargesprächen und
der Aufstellungsarbeit bewährt. Nur dadurch können bestenfalls für
beide Partner, wenn denn nun der andere mitkommt, die
Entwicklungspositionen bewusst gemacht werden. Die bisherigen Muster
durchschaut werden und ein neues Bewusstsein und damit eine neue
Beziehungsform erarbeitet werden. Wenn der andere nun mitkommt.
Sonst müssen mit oder ohne Trennung neue Beziehungsformen
gefunden werden, vor allem wenn das Paar durch Kinder verbunden ist.
Auch Trennungsarbeit ist angesagt.
 Einmal die Trennung von der bisherigen Form der Partnerschaft
 aber eben auch die angemessene Trennung voneinander
Die Art der inneren Trennungsmuster beleuchten deine
Beziehungsfähigkeit
Sage mir wie du dich trennst und ich sage dir wie reif du bist.
Stufe I
Die Kindliche Form: Das Objekt wird getötet.
Die erwachsene Form: Wenn du mich verlässt töte ich mich.
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Gemeint ist. Eine Mutter ist in der Babyzeit eine Weile nicht da, oder
das Kind musste ins Krankenhaus, dann gibt es bei der Begegnung mit
der Mutter. Die Mutter nicht mehr. Das Objekt Mutter ist in einem
aktiven innerlichen Prozess vernichtet worden. Das Baby, das Kind
würde den Schmerz nicht ertragen. Es kann das geliebte und
lebensnotwendige Objekt nur töten ‚ um zu überleben. Der Erwachsene,
der in dieser inneren Situation ist tut das Selbe. Nur weil er auch
phantasiert, dass er den Schmerz nicht aushalten wird, tötet er sich.
Dann muss er den Schmerz nicht erdulden.
Stufe II
Das tiefer Empfinden und die Emotionen werden getötet. Schockstarre.
Das Selbst wird auf Eis gelegt, das ich entsprechend defekt entwickelt.
(Weit verbreitet). Der Zustand der Soldaten, die aus dem Krieg zurückkamen. Die kalten Menschen einschließlich der kalten Mütter. Dabei
werden auch die wesentlichen persönlichen Bedürfnisse getötet. Ich
habe keinen Zugang zu mir selbst.
Stufe III
Der Schmerz wird ertragen ohne die oben erwähnten Abtötungen. Er
wird aber abgegeben. Im Sinne einer projektiven Inszenierung, lass ich
andere Leiden. Die eigene Verletztheit wird zur Verletzung anderer. Ich
räche mich, indem ich andere, besonders die natürlich die ich liebe,
verletzte, gegen meine eigenen Willen. Meist auch ganz unbewusst. Das
Spiel von Opfer-Täter und Helfer, als Ersatz für Beziehung.
Stufe IV
Ich kann den Schmerz aushalten und nun erkenne ich das der andere
nur vorüber gehend meinen Mangel Sehnsucht und Leere und meine
Angst erfüllt, beruhigt hat. Die Wunde klafft wieder.
Wenn nicht Stufe V eintritt, wird daraus Depression und Verzagtheit.
Lebensenergien sind in der Trauer gefesselt. Wir geben die Trauer
weiter.
Stufe V
Wie Stufe IV. Aber ein angemessener Trauerprozess mit all seinen
Phasen lässt mich alle Abschiede meines Lebens, die nicht gelöst sind
wieder Erleben. Die Trauer und der Schmerz führen zu einer Wandlung
im Sinne von Stirb und Werde. Es geschieht Transformation auf eine
höhere Bewusstseinsebene.
Stufe VI
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Nach vollendeter Stufe V. Ich bin dankbar für alles was ich im Guten
und Schlimmen erleben durfte. Ich nehme jede Beziehung als Erfahrung
und nicht als Kompensation von Angst, Schmerz und Mangel. Alles
bringt mich weiter zu mir selbst.
Stufe VII
Es gibt keine Trennung. „ Du bist für immer dafür verantwortlich, was du
dir vertraut gemacht hast“.
In meinem Herzen hast du einen Platz. Du bist und bleibst ein Teil
meines Lebens und meiner Geschichte.
Wieder lasse ich Drewermann sprechen
DER WIDERSPRUCH ZWISCHEN THERAPEUTISCHER UND
MORALISCHER FORDERUNG
Manch einem Außenstehenden mag es so vorkommen, als sei die
Psychotherapie, mit F. Nietzsche gesprochen, eine »fröhliche
Wissenschaft« oder, noch ärger, ein »Buch für freie Geister« nämlich
eine Schule der Unmoral und der Einübung rücksichtsloser
Triebbefriedigung. In der Tat, wenn der Satz gilt:
»An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen« (Mt 7,16), dann wird es dem
einen / oder anderen nicht schwer fallen, die Psychotherapie mit
scheinbar wenig erfreulichen Früchten ihrer Bemühungen zu
konfrontieren. Hat nicht schon irgendwo eine Psychotherapie bewirkt,
dass eine Ehe aufgelöst werden musste, eine Ordensschwester von
hohem Ansehen ihren Konvent verließ, eine unbescholtene Frau
plötzlich ein uneheliches Kind bekam, eine bis dahin gesellige Frohnatur
sich in einen unerbittlichen Misanthropen wandelte oder ein guter Sohn
seiner Eltern mit einemmal aufsässig und rebellisch wurde? Man könnte
solche Unerquicklichkeiten hingehen lassen, wenn man Beispiele /
dieser Art als unvermeidliche Malheurs, als misslungene chirurgische
Eingriffe ärztlicher Kunst betrachten dürfte, denen andere, von der
Umwelt positiver zu bewertende Erfolge gegenüberstünden; aber solch
eine Erlaubnis wird durch das kecke Bekenntnis der Beteiligten zunichte
gemacht, man habe gefälligst in gerade diesen Ergebnissen nicht sowohl
ein Scheitern, als vielmehr ein recht eigentliches Gelingen des
psychotherapeutischen Eingriffs zu erblicken — so als seien jene
bedauerlichen Entgleisungen nicht verzeihliche Fehler, ja nicht einmal
bloße Nebenerscheinungen, sondern unumwunden die erklärte Absicht
der Behandlung. Also ist doch am Ende die Psychotherapie eine
Behandlung »jenseits von Gut und Böse« oder gar etwas in sich
Amoralisches, Normenfeindliches, Überindividualistisches, kurz: etwas
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Antisoziales und Gesellschaftszerstörerisches? Und, schon bei
solchen Fragen angelangt:
beweist nicht die breite Verwendung psychoanalytischen Vokabulars
zum Zweck der Kritik der »bürgerlichen« Gesellschaft und Moral in
Verbindung mit marxistischen Entfremdungsanalysen gerade in unseren
Tagen die höchst verneinende, umstürzlerische Energie der
psychotherapeutischen Sichtweise?
Man begreift die Brisanz und Herausforderung dieser Fragestellung erst,
wenn man sie nicht in der bloßen Auseinandersetzung um die
Psychoanalyse oder andere Sonderformen der Psychotherapie belässt,
sondern sie in der prinzipiellen Zuspitzung aufgreift, die S. Freud ihr
gegeben hat. Die Psychoanalyse, die Psychotherapie muss ein Stück
Amoralität vertreten, meinte Freud, weil und insoweit die Kultur, also die
Gesamtheit der geistig bindenden Regeln und Überzeugungen eines
Volkes, im Widerspruch zu dem Glück und der seelischen Ganzheit des
Individuums steht Wenn es stimmt, dass, wie Freud meinte, das Glück
des Einzelnen kein Ziel einer Kultur sein kann, dann muss die
Psychoanalyse, indem sie sich e professo auf die Seite dieses
individuellen Glücks stellt, gegen die Kultur und gegen die herrschende
Moral im Sinne des Ensembles geltender Normen gerichtet sein. Die
wesentliche Arbeit der Psychoanalyse muss sich dann gerade darauf
konzentrieren, die herrschenden Moralvorstellungen einer Kultur, wie sie,
vermittelt durch die Familie, in Form des Überichs in zwanghafter Weise
verinnerlicht wurden, zu zersetzen und in ihrer rigorosen Gültigkeit zu
beseitigen. Das Ich des Patienten soll gerade in den Stand gesetzt
werden, selber zu entscheiden, was gut und böse ist, es soll fähig
werden, sein Leben auch zu genießen, und es soll seine
Entscheidungen nicht länger durch das übernommene, vorgegebene
Reglement gesellschaftlicher Standards treffen lassen; das Individuum
soll gerade befähigt werden, die Rolle eines bloßen Agenten oder
Funktionärs des Allgemeinen aufzugeben und sich selbst, sein Glück,
seinen Genuss, den Erfolg seiner Arbeit für wichtiger zu nehmen als das
Wohl des Allgemeinen. Keine Frage also: Die Amoralität, der
Widerspruch zu faktisch bestehenden Normen ist auf den ersten Blick
kein falscher Anschein der Psychotherapie, sondern es spricht vieles
dafür, dass sie einen integralen Bestandteil, ein methodisches Prinzip
ihres Vorgehens darstellt; speziell die Psychoanalyse wäre keine
Analyse, wenn sie nicht zerstörend und auflösend wirken würde.
Dieser Eindruck wird noch verstärkt, wenn man die Spannung betrachtet,
in die der Therapeut, der Sozialarbeiter sich persönlich im Verlauf einer
Behandlung gestellt sieht. Er begegnet oft und immer wieder Menschen
von einer hohen Moralität und bewundernswerten Sittlichkeit; er trifft auf
Menschen, die zwar krank sind in dem Sinne, dass sie an sich selber bis
zur Unerträglichkeit leiden, die aber von ihrer Umgebung als überaus
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nützliche Mitglieder der Gesellschaft angesehen und gelobt werden
dabei ist klar zu sehen, dass die psychische Erkrankung sich nicht etwa
als eine Nebenerscheinung zu der außerordentlich hohen sozialen
Nützlichkeit der Patienten hinzugesellt, sondern diese geradezu trägt
und bedingt: jene Patienten wären nicht so grenzenlos einsatzbereit,
leistungswillig und bis zur Selbstaufopferung aus- nutzbar, wenn sie ein
gesünderes Ich, ein stärkeres Selbstbewusstsein besäßen. Solchen
Patienten zu helfen ist nur möglich, indem man sie dazu bringt, sich
weniger »nützlich« und ein Stück weit »egoistischer« zu geben. Man
kann dabei sicher sein, dass jeder, wenn auch noch so winzige
Fortschritt der Behandlung nur gegen ein massives Sperrfeuer von
Selbstvorwürfen und Schuldgefühlen zu erzielen ist.
Es geht etwa darum, weniger freigebig zu sein und nicht jeden fremden
Wunsch wie einen Befehl zu erfüllen; heißt es denn aber nicht in der
Bibel:
»Jedem, der bittet, dem gebt«? (Mt 5,25). Oder: Es wäre dringend nötig,
sich selbst einmal für wichtiger zu nehmen als den anderen; steht denn
aber nicht geschrieben: »Achtet den anderen höher als euch selbst«?
(Phil 2,3). Oder:
Jemand steht vor der Aufgabe, einmal den Mut aufzubringen, den
Kontakt zu einem Mädchen zu riskieren und sich schon wenigstens von
weitem einmal eines zaghaften Blickes zu getrauen; aber schon liegt ihm
zentnerschwer der Satz der Bergpredigt auf der Seele, dass du dein
Auge, wenn es dich verführt, ausreißen sollst (Mt 5,29), weil jeder, der
einer Frau begehrlich nachschaue, schon Ehebruch mit ihr getrieben
habe (Mt 5,25). Ein anderer soll lernen, etwas fordernder und sich selbst
gegenüber großzügiger zu sein; aber wie passt:
das zu der Regel der Besitzlosigkeit und Armut? Kurz: Jedem Schritt in
Richtung zu sich selbst steht dem Wort nach irgendeine erhabene
Tugendregel im Wege.
Man kommt daher nicht daran vorbei: Jede Heilung einer Neurose
besteht in der Relativierung bestimmter erhabener Sätze und Prinzipien
der Religion und Moral.
Die Rolle des Therapeuten, hat C. G. Jung infolgedessen gemeint, sei im
Grunde die Rolle eines Versuchers, einer listigen Schlange, die zu einer
Art neuen Sündenfalls verlocke — nicht umsonst tragen die Ärzte das
Bild der ehernen Schlange im Wappen. Der Therapeut muss in der Tat
mit Phantasie und Einsicht Wege ins bis dahin schlechterdings
Verbotene eröffnen; entgegen den unmittelbaren Weisungen der Moral,
ist für ihn Lust, Antriebsfreude und spontaner Trieb etwas in sich
Berechtigtes und Wertvolles; und nicht nur, dass er die unerhörten Bilder
des Träumens und unverstellten Wünschens, dass er das von der Moral
stets als unsittlich Verworfene ans Tageslicht zieht und verstärkt, er
unterhöhlt in schlimmster Weise den gesamten Apparat der
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Schuldgefühle, indem er diese generell als etwas Ichfremdes, von
außen Eingepflanztes betrachtet, das keinesfalls in sich Absolutheit und
Wahrheit beanspruchen darf, sondern lediglich aus Zeiten herrührt, in
denen dem kleinen, hilflosen Kinder-Ich des Patienten die Stimmen der
übermächtigen Eltern wie etwas schlechthin Absolutes, nicht weiter
Hinterfragbares erscheinen mussten. Wer diese Einsicht akzeptiert,
bekommt nicht nur eine tödliche Waffe gegen das Überich in die Hand,
er empfängt zugleich die Pflicht, sie einzusetzen.
Fortan ist es nicht mehr gestattet, aufs Geratewohl der Stimme des
Gewissens zu folgen; alles kommt vielmehr darauf an, die
Gegenwartsbedeutung der aktuellen Schuldgefühle zu leugnen, ihren
Anspruch, die jetzige Situation zu interpretieren, mit aller
Entschiedenheit zurückzuweisen und ihnen eine nur noch historische,
gewissermaßen archivarische Bedeutung zuzuerkennen. Eben darum
geht es ja fortan, dass man die immer wieder hereinbrechenden
Schuldgefühle wie Tonbänder behandelt, die auf einen bestimmten
Auslöser hin eingespielt werden und von im Grunde längst vergangenen,
aber beim Zuhören wie unmittelbar präsenten Schrecknissen und Nöten
sprechen: Man wird sie nur los, indem man sie auf bestimmte Erlebnisse
und Eindrücke zurückführt, die auf diesen Bändern vor 20, 30 Jahren
aufgezeichnet wurden und man darf ihnen jetzt nicht mehr zuhören, da
sie, je länger man auf sie eingeht, desto größere und verhängnisvollere
Macht erlangen. Man kann sie höchstens als historische Dokumente
anhören, auf denen festgehalten ist, was Vater und Mutter damals
gesagt haben, als man fünf oder zehn Jahre alt war; aber man darf ihnen
keinen Glauben mehr bezüglich der Interpretation der Gegenwart
schenken. Um der eigenen Person willen, um der eigenen
Entscheidungsfähigkeit willen darf man diese Bänder nicht mehr für
maßgeblich halten. Man muss damit rechnen, dass sie sich wieder und
wieder in Bewegung setzen werden, anfallartig, ungebeten, störend, mit
immer dem gleichen, unveränderten Wortlaut, aber man muss lernen,
ihnen in der Kraft der eigenen erwachsenen und jetzt erwachenden
Persönlichkeit zu widersprechen, sie zu überhören, sie beizeiten
abzustellen, ihre Laufzeit zu verkürzen und ihre Lautstärke zu verringern.
Jede Psychotherapie macht irgendwo ein Stück gewissenloser,
selbstherrlicher und skrupelloser. Jede Psychotherapie ist also eine Art
Verführung, eine Lehrstunde der Unmoral.
Gewiss, man kann diese Aussage sofort abschwächen und mit
kleinlichen Tröstungen ins harmonische Mittelmaß zurückschieben
wollen. Man kann sagen — und viele Therapeuten werden darauf
hinweisen —‚ dass in der therapeutischen Behandlung ja nicht eigentlich
zu etwas »verführt« werde, dass man sich vielmehr strikt aller
Ratschläge und persuasiven Methoden enthalte, dass man lediglich die
Gehemmtheiten rückgängig zu machen und eben die falschen
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Schuldgefühle zu revidieren suche. Ja, man kann sogar eine Attacke
für die hohe Moralität der Psychotherapie reiten und hervorheben, dass
der Neurotiker in gewissem Sinne mit seinen falschen, infantilen,
übertriebenen, im Grunde nichtigen Schuldgefühlen sich den wirklichen
Auseinandersetzungen des Lebens entziehe da seine scheinbare
Übermoral nur einen Notbehelf egozentrischer Selbstbewahrungs- und
Schutzmechanismen darstelle, dass darin gerade der Sinn des
psychotherapeutischen Bemühens gelegen sei, aus einem verängstigten
Kind eine Persönlichkeit heranwachsen zu lassen, die einer eigenen
moralischen Entscheidung und Verantwortung fähig sei und eines Tages
in gewissem Sinne auch für die Gesellschaft womöglich einen noch
größeren Nutzen erbringen werde. Indessen sind das klägliche
Rechtfertigungsversuche. Denn es ist nicht nur überdeutlich und längst
zugestanden, dass die therapeutische Behandlung im Einzelfall dazu
führt, wichtigen moralischen Gesetzen inhaltlich zuwider zu handeln; es
ist vor allem die Formalität des geistigen Prinzips der Psychotherapie
selbst, die nicht anders denn als amoralisch bezeichnet werden muss.
Einige Gedankengänge der Hegelschen Philosophie können das
belegen und verdeutlichen.
Nachtrag:
Das Beispiel der Ehemoral
Speziell in der Frage der Ehe, aber insgesamt in der kirchlichen
Sexualmoral sind dabei, wohl aufgrund der Verknüpfung der klerikalen
Führungsschicht der Kirche mit der Zölibatsforderung, die Konflikte
zwischen kirchlicher Moraltheologie und den Einsichten der
Tiefenpsychologie besonders krass. Als z. B. vor ein paar Jahren in
Würzburg auf der Synode über die Wiederverheiratung von
Geschiedenen diskutiert wurde, verteidigten die Eheberater und
»Praktiker« den Standpunkt der »Barmherzigkeit«, die Bischöfe aber
glaub ten, die »Wahrheit« des Gotteswortes von der Unauflöslichkeit der
Ehe durchsetzen zu müssen. Als ob es eine Barmherzigkeit ohne
Wahrheit und eine Wahrheit ohne Barmherzigkeit geben könnte! In
Wirklichkeit reflektiert eine solche Polarität der Standpunkte in sich selbst
nur die Zerrissenheit der Theologie, die die menschliche Psyche nicht
mehr zu integrieren vermag und selber viel zu abstrakt ist, um die
anstehenden psychischen Probleme theologisch zu durchdringen, und
sie spiegelt zugleich eine Praxis wider, der die Begriffe fehlen, um ihre
Erfahrungen angemessen zu beschreiben und zu verstehen.
Bei den Brüdern Grimm gibt es ein Märchen, das sehr schön darstellt,
woran eine Ehe scheitern muss und in welcher Weise sie
zusammenkommen kann. Das Märchen unter dem Titel »Das Mädchen
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ohne Hände« erzählt von einem Mädchen, das von seinem Vater
dazu gebracht wird, alles eigene Wünschen und Zugreifen in sich zu
unterdrücken.‘ Damit der Vater nicht vom Teufel besessen wird, muss
es sich, im Bild des Märchens gesprochen, die Hände abschlagen
lassen. Nach Jahren lernt es einen Mann kennen, den es, in
symbolischer Deutung, wie einen König sieht und der ihm alles gibt, was
es zum Leben braucht. Aber gerade in dem Moment, wo man denken
könnte, das Mädchen sei innerlich am Hofe dieses »Königs« völlig
glücklich, brechen schwere Schuldgefühle aus, so sehr, dass alles, was
König und Königin einander sagen, vom »Teufel« verfälscht wird. In
unzähligen Eheberatungen wird man es mit gerade diesem Fall zu tun
haben: dass jemand in dem anderen zunächst das Gegenbild, das
kompensatorische Kontrastbild seiner negativen Elternimago zu lieben
beginnt und innerhalb dieser Übertragungen notwendig auch die alten
Ängste und Schuldgefühle auf den anderen projiziert. Jeder, der diese
Verstrickungen kennt, weiß, wie schwierig es ist, hier einen Ausweg zu
finden. Das Märchen erzählt, das Mädchen ohne Hände habe sieben
Jahre lang fernab vom Königsschloss in einem Haus gelebt mit der
Aufschrift: Hier lebt jeder frei, — ein Haus der Gnade, in dem ihm seine
Hände wieder gewachsen seien, und da erst habe der Königsgemahl es
wieder gefunden. Zweifellos ist es für jeden in der Beratung Tätigen
etwas Wunderbares, ein solches Wunder der Gnade mitzuerleben oder
womöglich daran mitwirken zu können. Aber wer will denn im Ernst zur
Pflicht erheben und unter Androhung von Schuld und Strafe verlangen,
dass es in einer Ehe stets nur diesen einen Ausgang in ein verlorenes
und wieder gefundenes Paradies der Liebe geben könne? Eine
theologische Durchdringung der unbewussten Ursprünge von Angst und
Liebe, von Schuldgefühl und Reifung würden hier Räume der Gnade und
Bilder eines göttlichen Wirkens freisetzen, die dem Moralismus und
Rigorismus einer anthropologischen Reduktionstheologie auf ewig
verschlossen bleiben müssen. Psychotherapie und Seelsorge,
Selbstfindung und Gotteserfahrung könnten eins sein, wenn man
gemeinsam sich tief genug auf den Menschen bzw. auf die
Tiefenschichten im Menschen einlassen würde. Tut man das nicht, so tut
man notgedrungen dem Menschen unrecht, aber auch dem Christus, der
verlangte, dass die Gottesbotschaft heilend sei und nicht zerstörerisch.
Ein drittes Symptom ist der Umgang mit dem körperlichen Leid. Wer das
Unbewusste, die Welt der Träume, nicht zur Kenntnis nimmt, so sagte
ich bisher, wird weder den Menschen vor Gott noch Gott im Menschen
verstehen. Er wird, statt die Wahrheit Gottes von innen her aus dem
Menschen sich entwickeln und reifen zu lassen, ein doktrinäres System
von fremden und entfremdenden Vorstellungen und Forderungen auf
den Menschen loslassen und, statt Verständnis und Güte, Verurteilung
und Zwang um sich verbreiten; er wird damit der Seele des Menschen
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unrecht tun. Nicht zuletzt aber wird er auch dem Körper des
Menschen Leid zufügen. Denn das Unverständnis der Seele hat durch
sich selbst, ob man es will oder nicht, den blanken Materialismus im
Umgang mit dem Menschen zur Folge. Dementsprechend kann es nicht
erstaunen, dass unser größtes Wissen vom Menschen heute dem
menschlichen Körper gilt, und zwar ganz so, als wenn wir nach über
zwei Jahrhunderten J. 0. de Lamettrie mit seinem Buch recht geben
wollten, das schon den Titel trägt: »Der Mensch als Maschine« Wie
anders man hingegen auch gerade im Umgang mit dem körperlichen
Leid des Menschen denken kann und denken müsste, lässt sich, der
Kürze halber und um die Selbstkarikatur der Medizin nicht zu ausführlich
zu behandeln, an einem alten Beispiel erörtern.— Die Unsicherheit
bezüglich der Frage, was eigentlich die Zerspaltenheit des
abendländischen Menschenbildes hervorgebracht hat, liegt darin, dass
das Christentum mit seinem Kampf gegen den Mythos in der
beschriebenen Weise zwar eine Hauptschuld an den bestehenden Übeln
trägt, aber damit selber nur die bereits ausgetretenen Pfade des
Griechentums beschritten hat. Schon die Griechen nämlich erinnerten
sich über mehr als 600 Jahre rückwärts an die verlorenen Einheitslehren
von Völkern, die sie zu ihrer Zeit nur noch als Barbaren sehen konnten,
In einem seiner Dialoge z. B. erzählt der griechische Philosoph Platon
einmal, wie Sokrates einem Jüngling gegenüber saß, dessen
Kopfschmerz er heilen sollte. Statt indessen, wie erwartet, einfach hin
nach der üblichen Art griechischer Ärzte ein bestimmtes Medikament zu
verordnen oder eine heilsame Maßnahme anzuordnen, erzählt Sokrates,
dass er auf einem Feldzug einen thrakischen Arzt kennen gelernt habe,
der ihm wohl ein Medikament gegen den Kopfschmerz anvertraut,
zugleich aber auch den Eid abgenommen habe, es niemals anzuwenden
ohne einen bestimmten Spruch. Die Kraft dieses Spruches, erläutert
Sokrates dem kranken Jüngling Charmi des, ist »von der Art, dass sie
nicht nur den Kopf gesund machen kann, sondern, wie auch du vielleicht
schon von guten Ärzten gehört hast, wenn etwa einer, der an den Augen
leidet, zu ihnen kommt, dass sie sagen, es wäre unmöglich, die Heilung
der Augen für sich allein zu unternehmen, sondern sie müssten zugleich
auch den Kopf behandeln, wenn die Augen sollten hergestellt werden;
und wiederum zu glauben, man könnte den Kopf allein für sich
behandeln ohne den ganzen Leib, wäre großer Unverstand. Dieser Rede
zufolge richten sie nun ihre Verordnung auf den ganzen Leib und
versuchen, mit dem Ganzen auch den Teil zu behandeln und es zu
heilen. « Ebenso, fährt Sokrates fort, verhalte es sich auch mit jenem
Spruch, den er von einem der thrakischen Ärzte gelernt habe, die in dem
Ruf stünden, unsterblich zu machen. »Dieser Thrakier nun sagte, in
jenem, was ich eben gesagt habe, hätten die hellenischen Ärzte ganz
recht; aber Zamolxis, unser König, sprach er, der ein Gott ist, sagt, so
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wie man nicht unternehmen dürfe, die Augen zu heilen ohne den
Kopf, noch den Kopf ohne den ganzen Leib, so auch nicht den Leib ohne
die Seele; sondern dieses eben wäre auch die Ursache, weshalb bei
den Hellenen die Ärzte den meisten Krankheiten noch nicht gewachsen
wären, weil sie nämlich das Ganze verkennten, auf welches man seine
Sorgfalt richten müsste, und bei dessen Übelfinden sich unmöglich
irgendein Teil wohlbefinden könnte. Denn alles, sagte er, entspränge aus
der Seele, das Böse und das Gute dem Leibe und dem ganzen
Menschen, und ströme ihm von dorther zu, wie aus dem Kopfe den
Augen. Jenes also müsse man zuerst und am sorgfältigsten behandeln,
wenn es um den Kopf und auch um den ganzen Leib gut solle stehen.
Die Seele aber, mein Guter, sagte er, werde behandelt durch gewisse
Besprechungen, und diese Besprechungen wären die schönen Reden.
Denn durch solche Reden entstehe in der Seele Besonnenheit, und
wenn diese entstanden und da wäre, würde es leicht, Gesundheit auch
dem Kopf und dem übrigen Körper zu verschaffen. Als er mich daher das
Mittel und die Besprechungen lehrte, sprach er: dass dich ja nicht
jemand überrede, mit dieser Arznei seinen Kopf zu behandeln, der dir
nicht zuvor auch seine Seele darbietet, um sie mit den Besprechungen
von dir behandeln zu lassen. Denn auch jetzt, sagte er, ist eben dieses
der Fehler bei den Menschen, dass welche es unternehmen,
abgesondert für eins von beiden Ärzte zu sein. Und gar sehr befahl er
mir an, daß ich mich ja von niemand, wäre er auch noch so reich und
vornehm und schön, sollte überreden lassen, anders zu tun. Ich nun
habe ihm geschworen und muss notwendig gehorchen, werde es also
auch. Und du, wenn du nach des Fremdlings Vorschrift zuerst die Seele
hergeben willst, um sie zu besprechen mit des Thrakiers
Besprechungen, so werde ich auch deinem Kopf das Mittel auflegen;
wenn aber nicht, so weiß ich nichts, was ich für dich tun kann, lieber
Charmides.«‘ Dass man den Körper nie als Körper, sondern nur den
Menschen als Einheit von Leib und Seele sehen darf, und dass man
einen Arzt, der ohne die Kunst schöner Gespräche für die Seele nur den
Körper und an ihm wiederum nur bestimmte isolierte Details zu sehen
vermag, nach Kräften fliehen soll wie, ja als die Krankheit selber — mit
dieser Weisheit eines barbarischen Thrakers möchte ich schließen.
Heilungswege
Liebe und Bewusstsein als eigentliches Ziel jeder Partnerschaft.
Wir sind hier, weil es letztlich kein Entrinnen vor uns selbst gibt.
Solange der Mensch sich nicht selbst in den Augen und Herzen seiner
Mitmenschen begegnet, ist er auf der Flucht.
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Solange er nicht zulässt, dass seine Mitmenschen an seinem
Innersten teilhaben, gibt es für Ihn keine Geborgenheit.
Solange er sich fürchtet, durchschaut zu werden, kann er weder sich
selbst noch andere erkennen, er wird allein sein.
Wo können wir solch Spiegel finden, wenn nicht in unserem Nächsten.
Hier in der Gemeinschaft kann ein Mensch erst richtig klar über sich
werden und sich nicht mehr als den Riesen seiner Träume oder den
Zwerg seiner Ängste sehen, sondern als Mensch, der, Teil eines
Ganzen, zu ihrem Wohl seinen Beitrag leistet. In solchen Boden können
wir Wurzeln schlagen und wachsen; nicht mehr allein, wie im Sterben
sondern lebendig als Mensch unter Menschen.
Ordnung und Liebe
Die Liebe füllt, was die Ordnung umschließt.
Sie ist das Wasser, die Ordnung der Krug.
Die Ordnung sammelt,
die Liebe fließt
Wie sich ein klingend Lied den Harmonien fügt,
so fügt die Liebe sich der Ordnung
Und wie das Ohr sich schwer gewöhnt,
an Dissonanzen, auch wenn man sie erklärt,
so gewöhnt sich unsere Seele schwer
an Liebe ohne Ordnung
Mit dieser Ordnung gehen manche um,
als wäre sie nur eine Meinung,
die man beliebig haben und ändern kann.
Doch sie ist vorgegeben.
Sie wirkt, auch ohne dass wir sie verstehen.
Sie wird nicht gedacht, sie wird gefunden.
Wir erschließen sie, wie Sinn und Seele,
aus der Wirkung.
Die wahre Liebe ist kein Versuch der Einsamkeit zu entkommen. Sie
verwandelt das Gefühl der Isolation
in ein bewusstes Annehmen des Alleinseins.
Wenn Du den Anderen liebst, versuchst Du nicht, Ihn zu ergänzen oder
Ihn durch Deine Anwesenheit zu ändern. Du hilfst Ihm nur dabei, sein
eigenes Sein so vollständig zu entdecken, dass er auch ohne Dich
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auskommen kann. Erst wenn man total frei ist, ist der wirkliche
Austausch möglich. Dann gibt man nichts mehr aus Bedürfnis oder weil
der Vertrag es so will, sondern man gibt, weil das Dasein überfließt und
weil man es liebt zu geben.
Liebe akzeptiert und verstärkt die Freiheit des Anderen. Alles was die
Freiheit zerstört ist nicht Liebe.
Wenn die Liebe zugrunde geht, wird Sie zu Besitzenwollen, Eifersucht,
Machtkampf, Herrschsucht, Manipulation. Wenn die Liebe wirklich lebt,
wird Sie zur absoluten Freiheit.
Und diese Liebe beginnt damit, dass Du Dich selbst liebst. Lass los, lass
kommen, was will.
Sei in der Liebe nicht Bettler, sei Kaiser. Gib und Du wirst tausendfach
zurück bekommen.
Wenn Du vom Anderen etwas erwartest, dann manipulierst Du Ihn.
Wenn man sich manipuliert fühlt,
möchte man sich auflehnen, denn jede Forderung ist ein Verbrechen
gegen Dich. Deine Freiheit wird
dadurch beschmutzt. Du bist dann nicht mehr geheiligt, Du bist nicht
mehr hier und jetzt um Deiner selberwillen da, sondern wirst wie eine Sache benutzt. Es ist das
Unnatürlichste von der Welt, jemanden so zu
manipulieren. Jedes Wesen ist um seiner selbst willen da.
Du bist nicht dazu hier, den Wünschen anderer zu entsprechen. Und
liebe auch nicht aus dem Bedürfnis, sondern aus dem Geben und dem
Nehmen. Deine Liebe darf für den Anderen nicht zu einem Gefängnis
werden.
Leidenschaft ist eine Fessel, die Liebe schenkt Freiheit.
Wesentliches in Beziehungen
Die Vertrautheit
Sicherheit finden wir beim Vertrauten.
Erregung erfasst uns angesichts des Fremden.
Um zu überleben und sich entwickeln zu können, braucht das kleine
Kind am Anfang ein sehr großes Maß an Sicherheit, das das Maß an
Erregung bei weitem übersteigt und das in der Regel bei den Eltern und
in der Familie zu finden ist. Auf diese Erfahrung der Sicherheit reagiert
das Kind mit Bindung.
Durch Bindung entsteht Vertrautheit, die so genannte
primäre Vertrautheit.
Diese vermittelt uns das Gefühl fundamentaler Geborgenheit
(Urvertrauen) für das weitere Leben.
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Aber schon sehr bald erwacht im Kind das Bedürfnis nach
Autonomie. Dieses Autonomiestreben lässt wachsenden Verdruss am
Vertrauten entstehen und drängt hinaus zum Unvertrauten, zum
Fremden, das dem Kind Erregung vermittelt, die sich entweder in
Neugierde und Faszination äußert, oder aber, wenn es zu bedrohlich
wird in Furcht.
Die Furcht veranlasst das Kind, wieder zum Vertrauten zurückzukehren,
zum Beispiel bei der Mutter wieder Zuflucht zu suchen. Je weiter das
Kind heranwächst, desto häufiger und intensiver reagiert es mit
Überdruss auf das
primär Vertraute,
und dieser Überdruss lockert die Bindung zu Eltern und Familie. Zum
Autonomiebestreben gesellt sich nun der wachsende Drang nach
Sexualität. Autonomie und Sexualität drängen mit aller Macht hinaus ins
Fremde, reizen zu Abenteuern. Besonders der/die Angehörigen des
anderen Geschlechts wird Kristallisationspunkt dieses Dranges weg vom
Vertrauten hin zum Fremden, weg von der primären Bindung an die
Herkunftsfamilie hin einem eigenständigen Leben mit eigenen, selbst
gewählten Beziehungen. Sexuelle Erlebnisse spielen dabei eine wichtige
Rolle und stehen zunächst ganz im Dienst der Autonomie und
Abnabelung von den Eltern.
Allmählich gelangt der nunmehr erwachsen gewordene an einen
zentralen Wendepunkt. Die Sexualität mit dem andersgeschlechtlichen
Partner lässt ein neues/ altes Bedürfnis entstehen: Das Bedürfnis nach
einer neuen Art der Bindung. Sexualität schafft neue Bindung, und im
Geschlechtpartner wird nun nicht mehr die Faszination des Neuen und
Fremden gesucht, sondern auch eine neue Sicherheit, die neue
Vertrautheit vermittelt.
Sekundäre Vertrautheit.
In der primären Vertrautheit steckt eine tiefe Ambivalenz.
Einerseits ist sie fundamental für das Überleben. Bekommen wir zu
wenig davon, sind wir ein Leben lang verzweifelt auf der Suche danach.
Bekommen wir aber zu viel und zu lange davon, droht sie uns zu
ersticken, zu verschlingen, zu töten.
Der heranwachsende wird durch sie von Mutter, Eltern und Familie wegund zum Fremden, Erregenden hingetrieben. Nur dadurch erhalten wir
Anteil am Leben.
Dem Gegenüber hat die
sekundäre Vertrautheit
einen anderen Charakter. Anstelle der Ambivalenz tritt hier -ideal typisch
gesprochen- die Synthese.
Sekundäre Vertrautheit
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beinhaltet, sowohl Sicherheit als auch Erregung, Bindung als auch
Autonomie, und darum ermöglicht sie auch weiterhin, Sexualität zu
erleben.
Anders ausgedrückt: Gegenüber der Bindung der primären Vertrautheit
des Kindes bei Vater und Mutter drückt sich die Bindung der
sekundären Vertrautheit zwischen erwachsenen Partnern darin aus,
dass letztere miteinander eine dynamische Balance zwischen den
beiden Polen Sicherheit und Quelle von Erregung finden. Das heißt:
Erwachsene Partner sind, anders als Mutter und Kind, füreinander
zugleich Quelle von Sicherheit und Erregung. Sie geben einander
gerade genug Sicherheit, so dass kein Überdruss entsteht, und gerade
soviel Erregung, dass die Beziehung nicht ängstigend wird. Diese
Balance zwischen Sicherheit und Erregung ist das Typische einer
erwachsenen Beziehung.
Viele Beziehungen zwischen Frauen und Männern haben nicht den
Charakter sekundärer Vertrautheit, sondern eher primärer
Vertrautheit. Sie stellen sich als quasi Eltern Kind Beziehung dar.
Die Sicherheit dominiert gegenüber der Erregung, die Bindung
gegenüber der Autonomie, eine- jedenfalls äußerlich aufrecht erhaltene Nähe gegenüber einer echten Distanz, und die Pflicht gegenüber der
Lust.
Damit übertragen sich aber die Gesetzmäßigkeiten der primären
Vertrautheit auf die erwachsene Beziehung.
Es ist bekannt, dass auch bei Tieren die primäre Vertrautheit Sexualität
blockiert.
Zweifelsohne hat das Schwinden wechselseitiger Attraktivität in vielen
Paarbeziehungen mit dieser Angleichung an primäre Vertrautheit zu
tun. Bei dieser wird das Inzesttabu wirksam, der Überdruss aneinander
nimmt überhand, Erregung, Neugier, Faszination hören auf und werden
außerhalb der Beziehung gesucht.
Die Partner in der Ehe haben die Konturen als Frauen und Männer quasi
verloren, mit ihnen hat sich eine Art Primärfamilie hergestellt, in der sie
sich zwar geborgen fühlen, in der es aber langweilig ist, und zwar nicht
nur im Bereich der Sexualität. Die Untreuen sind dann jeweils diejenigen,
die sich damit nicht zufrieden geben. Sie handeln genauso wie junge
Erwachsene, die sich von der Herkunftsfamilie ablösen.
Durch das Familienstellen ist es nun möglich die primären
Bindungsmuster erkenntlich zumachen und damit auch zu korrigieren.
Dadurch kann die Beziehung noch einmal angeschaut werden und neue
Rahmenbedingungen und Verträge geschlossen werden.
Das System wird durch die Aufstellung wieder offen.
Aus meiner Sicht ist daher eine Familienaufstellung, die die
Ursprungsfamilienaufstellung beider beinhaltet, am besten in
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Anwesenheit beider, zur Korrektur dringend erforderlich. Daran
anschließend, sollte die jetzige Familiensicht von beiden dargestellt
werden, damit so zu sagen jeder Partner die Möglichkeit erhält die Sicht
des anderen zu erleben.
Das führt oft zu erstaunlichen Erkenntnissen und schließlich zu
erwachsenen Strukturen.
Darauf folgen Nachgespräche
CDWas Paare bindet, was Paare trennt
Systemische Familienarbeit und Beziehung
Das Geschenk seiner Liebe
Was immer wir in unserem Leben von Gott verstehen, werden wir am
intensivsten in der Sprache unserer tiefsten Sehnsucht und unserer
tiefsten Gefühle verstehen‘. Kein Gefühl aber lehrt uns, Gott tiefer zu
begreifen, als die Empfindung einer Liebe, die unser ganzes Dasein
ergreift, ist doch Gott selber die Liebe — ihr Ursprung, ihr Ziel, ihre
Hoffnung.
Wenn wir einen Menschen so anreden, dass wir die Tiefe seines
Wesens berühren, wenn wir sein Du so aussprechen, dass es seinen
Namen möglichst vollständig verdichtet und bezeichnet so öffnet sich
seine Person und wird für uns zu einem Weg, der ins Unendliche
hinüberführt Hinter der Gestalt einer jeden menschlichen Person, eines
jeden menschlichen Du, taucht unsichtbar die Person und das ewige Du
Gottes auf und ist mit angeredet und mit gegenwärtig; und wann immer
wir selber uns so angesprochen fühlen, dass unser eigenes Ich davon
umfangen, gemeint und getragen wird, so fühlen wir uns selbst
verbunden mit dem Ursprung unseres Daseins, den wir Gott nennen.
Wenn wir zu einem anderen Menschen «Du» sagen, so verbindet es uns
mit dem Auftrag unseres Lebens; und wenn wir selber uns von einem
anderen in unserem eigenen Wesen tief genug angeredet fühlen, so
tauchen wir zurück in den Grund unseres Daseins; und am Anfang wie
am Ende unseres Lebens ist es Gott, der in jeder Anrede wechselseitiger
Liebe zur Sprache kommt.
Deshalb ist es vermutlich ein zentraler Weg, jedenfalls ein möglicher
Zugang, um zu verstehen, was Jesus uns in dem Bild der
Abendmahlsgemeinschaft seiner Jünger sagen wollte, wenn wir das
Sakrament der Eucharistie als Aus druck und Gebärde eines Geschenks
der Liebe betrachten.
Wir machen für gewöhnlich einander Geschenke in Antwort auf
bestimmte Erfahrungen Wenn wir einen anderen Menschen selber
dankbar als Bereicherung unseres Lebens empfinden, als etwas, das
uns gnadenhaft verliehen wurde, sogar als etwas, das wir notwendig
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brauchen, um selber zu sein, so antwortet in uns alles auf die
Gegenwart des anderen, und wir selber möchten uns am liebsten auch
für ihn als Geschenk, Bereicherung und Gabe seines Lebens verstehen
So gehört es zum Wesen und zur Erfahrung der Liebe. Dennoch drängt
es uns, das Gefühl unserer Liebe einander zu zeigen, indem wir
bestimmte Dinge miteinander tauschen und einander zum Ge schenk
machen. Solche Geschenke sind nötig, solange wir auf Erden noch
begrenzt in den Schranken von Raum und Zeit miteinander leben
müssen. Mit Hilfe von Geschenken möchten wir einander nicht nur
sagen: Ich erlebe dich als ein solches Geschenk für mein Leben, so dass
ich auch für dich eine solche Bereicherung und ein solcher Beistand sein
möchte; im Grunde sind Geschenke auch ein Versuch, die Trennungen
der Zeit zu überbrücken in Form der bleibenden Gegenwart des
geschenkten Gegenstandes Das bloße Ding, das wir miteinander als
Geschenk austauschen, soll sich in den Augen des anderen mit unserer
Person erfüllen und für ihn als Ausdruck unserer Seele mit einem
eigenen Leben begaben. In dem Gegenstand des Geschenkes möchten
wir selber dem anderen nahe sein, und genauso möchten wir, dass er
uns selbst in dem geschenkten Ding als gegenwärtig fühlt
Je tiefer wir dieses Gefühl in uns verspüren, desto mehr erleben wir den
geschenkten Gegenstand des anderen nicht mehr als ein totes Ding vor
uns oder neben uns, sondern zunehmend als etwas Lebendiges, das
erfüllt ist von der Poesie und der Spürkraft der Liebe. Das geschenkte
Ding, das ursprünglich nur ein Zeichen unserer Liebe war, wird jetzt zum
«Sakrament», zu einem Gegenstand, der sich belebt durch die
Gegenwart einer geliebten Person und uns ihrer Liebe versichert Raum
und Zeit verlieren mit einem mal ihre Kraft, uns voneinander zu trennen,
und es kann sein, dass wir etwas, das zunächst nur ein Gegenstand der
Erinnerung sein sollte, als etwas uns Begleitendes empfinden, als etwas
ganz und gar Lebendiges, als etwas zu uns Sprechendes. Es ist wahr,
wir können ein Bild, ein Erinnerungsstück, ein Geschenk aus
vergangenen Zeiten nehmen, und es beginnt ein sonderbares
Zwiegespräch mit uns: Wir selber sprechen plötzlich wieder die gleichen
Worte von damals, aber es geschieht in Antwort auf das Hören von
Worten, die jetzt zu uns reden, und wir wissen, dass es eine
Vergangenheit gar nicht gibt, sondern nur eine lebendige Gegenwart, ein
nie abreißendes Gespräch, den unendlichen Dialog einer unsterblichen
Liebe
Auf gerade diese Weise feiern wir seit dieser Nacht des
Abschiedsmahles Jesu sein Geschenk der Eucharistie. Wir hören die
Worte, die er damals sprach, und wissen: Sie sind nie vergangen“; sie
sind in unserem Leben gegenwärtig, und die Zeit trennt uns nicht von
ihm, sondern sie taucht uns immer wieder in dieselbe unmittelbare
Erfahrung seines uns begleitenden Lebens. In jeder Gemeinschaft
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dieses Mahles formen wir jene Worte der Dankbarkeit, der Fürbitte
und der Verehrung nach, die Jesus damals uns vorgesprochen hat, und
in Hören und Antwort versammeln wir uns um den Gegenstand seines
Geschenkes, um das Brot seines Lebens und um den Kelch seiner
Liebe.
Es ist die Frage, wie man einem anderen etwas so schenken kann, dass
es vollkommen ausdrückt, was wir ihm sagen möchten. Wenn wir zu
wählen hätten, vor allem: was wir einander schenken könnten, und —
gesetzt —‚ wir wären gezwungen, dem anderen etwas Endgültiges in
dieser irdischen Welt zu hinterlassen, als Geschenk unseres Abschieds,
als unser letztes Vermächtnis, — was würden, was könnten wir dann
einander schenken?
Ein Bild von uns? — Der andere trägt unser Bild schon in seinem
Herzen, und zudem würden wir in zehn Jahren bereits längst nicht mehr
so aussehen, wie ein Photo heute uns zeigen könnte.
Ein Gemälde von uns? Es wäre nur wahr, wenn es gezeichnet wäre in
den Umrissen und in der Wahrnehmungskraft der Liebe, und nur der
andere, dem wir es schenken wollen, ist imstande, ein solches Bild zu
sehen, zuzeichnen und bei sich zu behalten Also bedarf es eines
solchen Ausdrucks nicht.
Worte von uns, testamentarische Hinterlegungen? Was irgend lebendig
war an unseren Worten, lebt in dem Herzen des anderen weiter, es ist
Teil, Garantie und Bestand seines Lebens Nichts ist dem hinzuzufügen,
was wichtig wäre, ein Kommentar ist überflüssig; denn selber wird der
andere mit seinem Leben zur Auslegung all dessen werden, was wir ihm
zu sagen hatten. Von daher lässt sich wirklich nicht denken, was Jesus
Besseres hätte sagen oder tun können, als was er in den letzten
Stunden seines Abschieds seinen Jüngern tat und sagte. Weil er unser
Leben ist, darum wusste er nichts Besseres, als zum Geschenk an uns
die «Lebensmittel» Brot und Wein zu wählen. Weil seine Gegenwart uns
Nahrung ist, deshalb wollte er, dass wir niemals mehr Brot äßen, ohne
dass es uns mit ihm verbände; weil er unser Glück, unsere Freude, der
Rausch unseres Lebens ist, darum mochte er, dass wir den Wein, das
Getränk der Festlichkeit niemals mehr zu uns nähmen, ohne dass es uns
in Verbindung setzen würde mit allem, was unser Herz weit macht und
zum Himmel erhebt. Er mochte, dass wir die Grenzen unseres Lebens
aufbrechen könnten: die drückende Angst, die lastende Schuld. Er
mochte, dass wir gemeinsam in derselben Weise des Fühlens und des
Denkens im Umkreis der Liebe uns miteinander in seinem Namen
verbündeten. Und wann immer wir einander tief genug begegneten,
sollten wir seine Gegenwart spüren wie Brot und Wein, wie eine
Festgemeinschaft, die nie mehr enden würde. Beendet sein sollten die
Gottesdienste der blutigen Opfer; und nie mehr sollten Kasteiung,
Askese, Qual und Bedrückung die Vorbedingung bilden, um sich Gott zu
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nahen; beendet sein sollte das Darbringen von Opferlämmern, das
Auswählen von Sündenböcken, das Spießrutenlaufen von
Prügelknaben. Im Gegenteil sollten wir als eine heilige Gemeinschaft
des Glücks und der Freude miteinander leben, indem wir unser eigenes
Dasein wechselseitig als etwas unendlich Kostbares am anderen und für
den anderen begreifen lernen.
Ein Geschenk wäre keine Gabe des Glücks, wäre es nicht, mehr noch
als eine Erinnerung, im Grunde eine Verheißung. Alle Erinnerung
verbindet nur mit rückwärts, und stets trägt sie deshalb das düstere
Gewand der Traurigkeit; bei aller Freude, die sie uns aus der
Vergangenheit vor Augen stellt, hört das Gefühl des Getrenntseins nicht
auf. Wahr ist ein Geschenk erst, wenn es uns nicht allein mit der
Vergangenheit verbindet, sondern viel mehr noch mit der Zukunft Wir
erinnern uns ja nicht an etwas Totes, sondern in Wirklichkeit an etwas
Lebendes und Gegenwärtiges; und am allermeisten ist ein Geschenk der
Liebe wahr, wenn in ihm die Hoffnung lebt und zur Gewissheit wird, dass
wir einander wieder sehen und dass es eigentlich gar keinen Abschied,
keine Trennung gibt, sondern nur eine Überbrückung der Zeit und des
Raumes, solange das irdische Leben noch dauert.
Indem Jesus das Brot seinen Jüngern brach und mit ihnen den Becher
leerte, enthüllte er noch einmal seine leidenschaftlichste und schönste
Vision: den Bund seines Vermächtnisses vom Reiche Gottes, in dem wir
vom Gewächs des Weinstocks mit ihm trinken werden in alle Ewigkeit
(Mk 14,25). Niemals mehr wollen wir essen, trinken oder schlafen, ohne
verbündet zu sein miteinander und aneinander Ruhe zu finden in der
Nähe Gottes. Sie ist uns zugesagt, sie ist uns anvertraut, sie ist das, was
uns begleitet, wohin immer wir gehen bis an die Grenzen der Erde.
Diese Gewissheit ist die eigentliche Gabe Jesu in Gestalt von Brot und
Wein. Geschenke sind Brücken zwischen Vergangenheit und Zukunft.
Das Geschenk der Eucharistie aber ist eine Brücke zwischen Zeit und
Ewigkeit, der reinste Ausdruck dessen, was die Liebe Gottes ist: ein Weg
der Gemeinsamkeit durch die Welt hindurch bis zum Horizont des
Unendlichen.
Da sangen die Jünger den Lobgesang und gingen hinaus zum Ölberg,
hinaus nach Golgotha, zu jenen Bergen des Herzens, auf denen Leid in
Freude, Traurigkeit in Hoffnung, Schuld in Weisheit und Angst in
Tapferkeit verwandelt wird.
Tantra als Weg.
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Notizen
Stand: September 2012
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