Prof. Dr. Ingolf Pernice Humboldt-Universität zu Berlin WS 2010/11 Stand: 6. Nov. 10 EUROPÄISCHES WIRTSCHAFTSRECHT (SCHWERPUNKT 6) §2 Freier Warenverkehr: Das System der Art. 28, 34 ff. AEUV (EuGHE 1987, 1227 – Reinheitsgebot) Lesen: EuGH, Rs. C-120/78, Slg. 1979, 649 - Cassis de Dijon EuGH, Rs. – Rs. C-267/91 und 268/91, Slg. 1993, 6097 - Keck u. Mithouard EuGH, Rs. C-110/05, Slg. 2009, I-519 – Kommission/Italien (betr. Anhänger für Krad und EuGH) EuGH Rs. C-142/05, Slg. 2009, I-4273 – Mickelsson und Roos (betr. Verbot der Benutzung von Wassermotorrädern) I. Vorfragen: ......................................................................................................... 2 II. Die Zollunion und das Prinzip des freien Verkehrs ............................................ 3 III. Das Verbot mengenmäßiger Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung (Art. 34 AEUV) .................................................................................... 5 IV. Rechtfertigung von diskriminierenden Handelsbeschränkungen: Art. 36 AEUV ................................................................................................................ 10 V. Grundrechte als Schranke der Warenverkehrsfreiheit ...................................... 12 VI. Prozedurale Absicherung der Warenverkehrsfreiheit: ....................................... 12 VI. Geltung des Grundsatzes freier Warenverkehr auch für die EU-Organe? ........ 13 VII. Die Umformung staatlicher Handelsmonopole (Art. 37 AEUV):......................... 13 VIII. Verbot von Ausfuhrbeschränkungen ................................................................. 14 EuR II – Europäisches Wirtschaftsrecht 1. Was bedeutet freier Warenverkehr, welches sind die grundlegenden Regelungen im AEUV dazu (Wiederholung)? 2. Wie unterscheiden sich Abgaben mit zollgleicher Wirkung von inländischen Abgaben, wo sind beide geregelt? 3. Enthält Art. 34 AEUV ein Diskriminierungs- oder Beschränkungsverbot? Was versteht man unter der DassonvilleFormel und welchen Einschränkungen unterliegt sie nach der späteren Rechtsprechung? 4. Ist Abfall „Ware“ iSd. Art. 30, 34 AEUV? 5. Was versteht man unter sog. „zwingenden Erfordernissen“? Wie muss die mitgliedstaatliche Maßnahme beschaffen sein, dass jene „zwingenden Erfordernisse“ zur Anwendung kommen? 6. Was versteht man unter der Keck-Formel? Welche Bedeutung hat hier das Kriterium des Markzugangs ? 7. Wie ist die Auslegungsregel des EuGH zu Art. 36 AEUV dogmatisch mit der Formel der „zwingenden Erfordernisse“ in Einklang zu bringen? 8. Wie verhält sich das Erfordernis, dass eine nationale Beschränkung des Warenverkehrs den EU-Grundrechten entsprechen muss, mit Art. 51 I GRCh? 9. Wie sorgt die EU präventiv dafür, dass die Freiheit des Warenverkehrs nicht durch neue Gesetzgebung der Mitgliedstaaten beschränkt wird? 10. Was sind staatliche Handelsmonopole ? Sind sie nach dem Unionsrecht erlaubt oder verboten? 11. Worin unterscheidet sich das Verbot der Ausfuhrbeschränkungen im Unionsrecht von dem der Einfuhrbeschränkungen? I. Vorfragen: 1. Was bedeutet freier Warenverkehr, welches sind die grundlegenden Regelungen im AEUV dazu ? a. Art. 3 III EUV, 26 II; Art. 28, 34 ff., sowie 110 ff. AEUV b. Begleitend: Art. 63 II AEUV: Freiheit des Zahlungsverkehrs; Rechtsangleichung: Art. 113, 114 und 115 AEUV, sowie die c. Richtlinien zum öffentlichen Auftragswesen (Rechtsgrundlagen: Art. 114 AEUV und teilweise Art. 62, 50 AEUV 2. Freier Warenverkehr als grundlegendes Vertragsprinzip: Verbote für: a. Zölle und zollgleiche Abgaben b. Mengenmäßige Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung Dassonville-Formel des EuGH (s. auch unten III.1.) für Maßnahmen gleicher Wirkung: aa. sämtliche Handelsregelungen der Mitgliedstaaten die geeignet sind, den innerunionalen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu beeinträchtigen. 2 Ingolf Pernice bb. Grenze seit Keck/Mithouard: nicht Bestimmungen über Verkaufsmodalitäten, soweit sie im Inland für alle gleich gelten und den Absatz in- wie ausländischer Waren "rechtlich wie tatsächlich in gleicher Weise berühren" cc. Entscheidend ist das Kritierium der Beschränkung des Marktzutritts, das gilt dann auch für Nutzungsoder Verwendungsbeschränkungen, s. u. c. inländische Abgaben (Art. 110 ff. AEUV) 3. Frage: Art. 34 AEUV Diskriminierungsverbot oder Beschränkungsverbot? Das Ursprungslandsprinzip (vgl. auch Art. 100b EGV aF - mit Amsterdamer Vertrag aufgehoben!) - S. auch V. Götz, Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung im europäischen Binnenmarkt, in: Liber Amicorum Günther Jaenicke, 1998, S. 763 ff. Heute wohl weitgehend unbestritten: Art. 34 ist Beschränkungsverbot (ausdrücklich EuGH, Rs. 16/83, Slg. 1984, 1299, Rn. 20 – Prantl). II. Die Zollunion und das Prinzip des freien Verkehrs Die finanzielle Seite des Binnenmarktes (vgl. im einzelnen Jörn Sack, Bedeutung der Zollunion für die Gemeinschaft, in: Dauses C II) 1. Verbot von Zöllen und Abgaben gleicher Wirkung (Art. 30 AEUV) a. Zölle oder Abgaben zollgleicher Wirkung: Begriff weit fassen, vgl. EuGH, verb. Rs. 2 u. 3/63, Slg. 1969, 211, Rnrn. 15/18 – Diamantarbeiders: der Belgische Staat hatte Beiträge von Diamantimporteuren verlangt, die über Sozialleistungen den belgischen Diamantarbeitern zu gute kamen: „Um zu erkennen, ob eine Abgabe die gleiche Wirkung wie ein Zoll hat, muss daher diese Wirkung mit den Zielen verglichen werden, die der Vertrag insbesondere hinsichtlich des freien Warenverkehrs in dem die Artikel 9 und 12 enthaltenden Teil, Titel und Kapitel verfolgt. Eine auch noch so geringe – den in- oder ausländischen Waren wegen ihres Grenzübertritts einseitig auferlegte finanzielle Belastung stellt sonach, wenn sie kein Zoll im eigentlichen Sinne ist, unabhängig von ihrer Bezeichnung und der Art ihrer Erhebung eine Abgabe gleicher Wirkung im Sinne von Artikel 9 und 12 dar, selbst wenn sie nicht zugunsten des Staates erhoben wird und keine diskriminierende oder protektionistische Wirkung hat und wenn die belastete Ware nicht mit inländischen Erzeugnissen in Wettbewerb steht“. b. Gerechtfertigt sind Abgaben nur, wenn sie aa. als Teil einer allgemeinen inländischen Gebührenregelung systematisch sämtliche inländischen und eingeführten Waren nach gleichen Kriterien erfaßt (EuGH, Rs. 132/78, Slg.1979, 1923 Denkavit) bb. ein angemessenes Entgelt für dem Wirtschaftsteilnehmer tatsächlich geleistete Dienste erhoben wird (EuGH, Rs. 158/82, Slg. 1983, 3573 - Kommission/Dänemark), cc. sich auf Kontrollen beziehen, die vom EU-Recht gefordert werden, für alle betreffenden Waren gleichmäßig gelten und nicht die tatsächlichen Kosten der im Unionsinteresse (vgl. Art. 36 AEUV) liegenden Kontrollen übersteigen, vgl. EuGH, Rs. 18/87, Slg. 1988, 5427 - Lebendviehtransporte. c. Abgrenzung zu inländischen Abgaben i.S.d. Art. 110 AEUV: Die Belastung trifft nicht inländische gleichartige Waren in gleicher Weise („wegen ihres Grenzübertritts“, vgl. oben). 3 EuR II – Europäisches Wirtschaftsrecht aa. Im Fall, daß die betreffende Ware fast ausschließlich importiert wird: EuGH, Rs 193/85, Slg. 1987, 2085 - Co-Frutta): kein Zoll, wenn es Teil eines "allgemeinen inländischen Abgabensystems" ist (aber Verstoß gegen Art. 110 AEUV, wenn primär eingeführte Produkte höher besteuert werden als Inlandswaren: EuGH, Rs. 168/78, Slg. 1980, 347 - Whisky und Cognac). bb. Auslegung des Begriffs der inländischen Abgaben ist weit, vgl. für den Fall der italienischen Differenzierung der Steuern für aus Korn gebrannten Brandy bzw. aus Wein etc. gebranntem Weinbrand: EuGH, Rs. 169/78, Slg. 1980, 385 Kommission/Italien (Branntwein), Leitsätze. 1 . IM AUFBAU DES EWG-VERTRAGES ERGÄNZEN DIE BESTIMMUNGEN DES ARTIKELS 95 ABSÄTZE 1 UND 2 DIEJENIGEN ÜBER DIE ABSCHAFFUNG DER ZÖLLE UND DER MASSNAHMEN GLEICHER WIRKUNG. SIE SOLLEN DEN FREIEN WARENVERKEHR ZWISCHEN DEN MITGLIEDSTAATEN UNTER NORMALEN WETTBEWERBSBEDINGUNGEN DADURCH GEWÄHRLEISTEN, DASS JEDE FORM DES SCHUTZES, DIE AUS EINER WAREN AUS ANDEREN MITGLIEDSTAATEN DISKRIMINIERENDEN INLÄNDISCHEN BESTEUERUNG FOLGEN KÖNNTE, BESEITIGT WIRD. ARTIKEL 95 SOLL DIE VOLLKOMMENE WETTBEWERBSNEUTRALITÄT DER INLÄNDISCHEN BESTEUERUNG FÜR INLÄNDISCHE UND EINGEFÜHRTE ERZEUGNISSE SICHERSTELLEN . 2 . ARTIKEL 95 ABSATZ 1 IST WEIT AUSZULEGEN IN DEM SINNE , DASS ER ALLE STEUERLICHEN MASSNAHMEN ERFASST, DIE DIE GLEICHBEHANDLUNG VON INLÄNDISCHEN UND EINGEFÜHRTEN ERZEUGNISSEN BERÜHREN KÖNNTEN ; FOLGLICH IST DER BEGRIFF DER „GLEICHARTIGEN WAREN“ HINREICHEND FLEXIBEL AUSZULEGEN . ALS GLEICHARTIG SIND WAREN ANZUSEHEN , DIE IN DEN AUGEN DES VERBRAUCHERS DIE GLEICHEN EIGENSCHAFTEN HABEN UND DENSELBEN BEDÜRFNISSEN DIENEN . DER ANWENDUNGSBEREICH DES ARTIKELS 95 ABSATZ 1 IST SOMIT NICHT ANHAND EINES KRITERIUMS DER STRENGEN IDENTITÄT ZU BESTIMMEN , SONDERN ANHAND EINES SOLCHEN DER GLEICHEN ODER VERGLEICHBAREN VERWENDUNG . 3 . ARTIKEL 95 ABSATZ 2 SOLL JEDE FORM EINER MITTELBAREN STEUERLICHEN SCHUTZPOLITIK BEI ERZEUGNISSEN ERFASSEN , DIE ZWAR NICHT GLEICHARTIG IM SINNE DES ABSATZES 1 SIND , DIE ABER DOCH MIT BESTIMMTEN ERZEUGNISSEN DES EINFUHRLANDES WENIGSTENS TEILWEISE , MITTELBAR ODER POTENTIELL IM WETTBEWERB STEHEN . DIESE BESTIMMUNG IST SCHON DANN ANWENDBAR , WENN DAS EINGEFÜHRTE ERZEUGNIS MIT DER GESCHÜTZTEN INLÄNDISCHEN PRODUKTION BEI EINER ODER MEHREREN WIRTSCHAFTLICHEN VERWENDUNGEN IM WETTBEWERB STEHT , AUCH WENN DAS TATBESTANDSMERKMAL DER GLEICHARTIGKEIT NACH ARTIKEL 95 ABSATZ 1 NICHT VOLL GEGEBEN IST . Wichtig aus neuerer Zeit auch EuGH, Rs. C-475/01, Slg. 2004, I-08923 Kommission/Griechenland (Ouzo): 13 Die Kommission macht im Wesentlichen geltend, die Gemeinschaftshandlungen des abgeleiteten Rechts seien in einer mit dem EG-Vertrag zu vereinbarenden Weise auszulegen und in die interne Rechtsordnung der Mitgliedstaaten umzusetzen. Dies impliziere, dass das Vorhandensein einer Vorschrift des abgeleiteten Rechts, die es den Mitgliedstaaten erlaube, ein inländisches Erzeugnis mit einem ermäßigten Verbrauchsteuersatz zu belegen, diese Staaten keineswegs von ihrer Verpflichtung befreie, die fundamentalen Grundsätze des EGVertrags zu beachten, zu denen auch der des Artikels 90 EG gehöre. Die Hellenische Republik habe gegen Artikel 90 Absatz 1 EG verstoßen, indem sie allein auf Ouzo einen ermäßigten Verbrauchsteuersatz angewandt habe. Aus der wiederholten Rechtsprechung des Gerichtshofes ergebe sich, dass ein nationales Steuersystem, um mit Artikel 90 EG vereinbar zu sein, auf jeden Fall ausschließen müsse, dass ausländische Erzeugnisse höher besteuert würden als gleichartige inländische Erzeugnisse. d. Problematisch: Höherer Steuersatz auf Autos mit mehr als 2 Liter Hubraum: Verstoß gegen Art. 110 AEUV, da keine einheimische Produktion. Nicht Teil eines allgemeinen inländischen Abgabensystems? 2. Begriff der Waren: EuGHE 1968, 633 - Kunstschätze, Rn. 7 4 Ingolf Pernice „Unter Waren im Sinn dieser Vorschrift sind Erzeugnisse zu verstehen, die einen Geldwert haben und deshalb Gegenstand von Handelsgeschäften sein können“. a. Abfall als Ware? Vgl. dazu EuGHE 1992 I 4431 - Abfalltourismus: "Hinweis, dass Gegenstände, die im Hinblick auf Handelsgeschäfte über eine Grenze verbracht werden, unabhängig von der Natur dieser Geschäfte Art. 30 unterliegen. Wie im übrigen vor dem Gerichtshof dargelegt wurde, ist die Unterscheidung zwischen rückführbaren und nicht rückführbaren Abfällen aus praktischer Sicht sehr schwierig, insbesondere was die Kontrollen an der Grenze angeht..." b. Dem freien Verkehr (vgl. Art. 29 AEUV) unterliegen dabei nur Waren mit Ursprung in der EU und Waren aus Drittländern, die Einfuhrförmlichkeiten erfüllt haben und für die die geltenden Außenzölle entrichtet wurden. Zum Ursprung vgl. Art. 22 ff. VO 2913/92/EWG, ABl. L 302, s. auch EuGHE 1989 I 4253 - Schreibmaschine . 3. Gemeinsamer Außenzolltarif: Art. 31 - Zollkodex - Versandverfahren a. Gemeinsamer Außenzoll seit 1. 7. 1968 (RatsE 66/532 v. 26. 7. 1966), als GZT seit VO 2658/87/EWG über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif, ABl. 1987 L 256/1, seit 1. 1. 1994 ergänzt durch den b. "Zollkodex", VO 2913/92/EWG des Rates, ABl. 1992 L 302 mit Durchführungsvorschriften der VO 2454/93 der Kommission, ABl. 1993 L 253, dem Gesetzbuch für den Zoll, einschließlich des allgem. Verwaltungsrechts (Art. 5-19 und 243-246 Zollkodex). c. Gemeinschaftliches Versandverfahren (gVV): Dieses im Zollkodex (VO 2913/92/EWG, ABl. L 302) geregelte Verfahren wird für die zollrechtlichen Versandverfahren zwischen den EUMitgliedstaaten (und Andorra und San Marino) verwendet. Es gilt im Allgemeinen für die Beförderung von Nichtunionswaren, für welche die Zölle und die anderen Abgaben bei der Einfuhr ausgesetzt werden, und für Unionswaren, die zwischen Abgang und Bestimmung das Gebiet eines Drittlandes durchqueren. d. Gemeinsames Versandverfahren (gemVV): Dieses Verfahren wird für die Beförderung von Waren zwischen den 27 EU-Mitgliedstaaten und den EFTA-Ländern (Island, Norwegen, Liechtenstein und der Schweiz) verwendet. Es beruht auf dem Übereinkommen über ein gemeinsames Versandverfahren vom 20. Mai 1987. Die Vorschriften stimmen im Wesentlichen mit dem gemeinschaftlichen Versandverfahren überein. 4. Umsatzsteuerliche Hindernisse für den freien Warenverkehr und ihre (teilweise) Beseitigung: RL 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, Abl. Nr. L 347, gestützt auf Art. 93 EVG (jetzt Art. 113 AEUV) III. Das Verbot mengenmäßiger Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung (Art. 34 AEUV) 1. Die Dassonville-Formel (EuGH, Rs. 8/74, Slg. 1974, 837 - Dassonville, Rn. 5) „Jede Handelsregelegung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, ist als Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung anzusehen“. und ihre Einschränkung durch EuGH, Rs. C-120/78, Slg. 1979, 649 - Cassis de Dijon, Rn. 8 - lesen „Hemmnisse für den Binnenhandel der Gemeinschaft, die sich aus den Unterschieden der nationalen Regelungen über die Vermarktung dieser Erzeugnisse ergeben, müssen hingenommen werden, soweit diese Bestimmungen notwendig sind, um zwingenden Erfordernissen gerecht zu werden, insbesondere den Erfordernissen einer wirksamen 5 EuR II – Europäisches Wirtschaftsrecht steuerlichen Kontrolle, des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Lauterkeit des Handelsverkehrs und des Verbraucherschutzes...“. a. Diskriminierende Maßnahmen: Beispiele aa. EuGH. Rs. 12/74, Slg. 1975, 181 – Kommission/Deutschland (Sekt und Weinbrand), wo diese Bezeichnung Produkten aus deutschsprachigem Raum vorbehalten wurden bb. EuGH, Rs. Rs. 249/81, Slg. 1982, 4005 – Kommission/Irland (Buy Irish): staatliches Programm zur Förderung der inländischen Produktion mittels Werbung, inländische Produkte zu kaufen Nichteinschreiten gegen handelsbeeinträchtigende private Praktiken, so EuGH, Rs. C-265/95, Slg. 1997, I-6959 – Kommission/Frankreich (Agrarblockaden), Rn. 32: „Artikel 30 verbietet den Mitgliedstaaten somit nicht nur eigene handlungen oder Verhaltensweisen, die zu einem Handelshemmnis führen könnten, sondern verpflichtet sie in Verbindung mit Artikel 5 EG-Vertrag auich dazu, alle erforderlichen und geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um in ihrem Gebiet die Beachtung dieser Grundfreiheit sicherzustellen“. Ähnl. EuGH, Rs. C-112/00, Slg. 2003, I-5659 – Schmidberger, Rn. 58: Blockade des Brenner als Beschränkung des Warenverkehrs, in Grenzen aber gerechtfertigt unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der freien Meinungsäußerung dd. Höchstpreise, EuGH Rs. 65/75, Tasca, Slg. 1976, 291 unzulässig, wenn sie so niedrig sind, dass Einfuhren der Ware nur mit Verlust möglich ist, Rn. 26/28: „EIN UNTERSCHIEDSLOS FÜR EINHEIMISCHE WIE EINGEFÜHRTE ERZEUGNISSE GELTENDER HÖCHSTPREIS IST ZWAR ALS SOLCHER NOCH KEINE MASSNAHME GLEICHER WIRKUNG WIE EINE MENGENMÄSSIGE BESCHRÄNKUNG, DOCH KANN ER EINE SOLCHE WIRKUNG ENTFALTEN, WENN ER DERART FESTGESETZT WIRD, DASS DER ABSATZ VON EINFUHRERZEUGNISSEN UNMÖGLICH ODER GEGENÜBER DEM EINHEIMISCHER PRODUKTE ERSCHWERT WIRD. DAHER STELLT EIN HÖCHSTPREIS, JEDENFALLS SOWEIT ER FÜR EINFUHRERZEUGNISSE GILT, INSBESONDERE DANN EINE MASSNAHME MIT GLEICHER WIRKUNG WIE EINE MENGENMÄSSIGE BESCHRÄNKUNG DAR , WENN ER SO NIEDRIG FESTGESETZT WIRD , DASS HÄNDLER, DIE DAS FRAGLICHE ERZEUGNIS IN DEN BETREFFENDEN MITGLIEDSTAAT EINFÜHREN WOLLEN , DIES - UNTER BERÜCKSICHTIGUNG DER ALLGEMEINEN LAGE BEI IMPORTERZEUGNISSEN VERGLICHEN MIT DER BEI EINHEIMISCHEN PRODUKTEN - NUR MIT VERLUST TUN KÖNNTEN“. ee. Allgemeine Preisfestsetzung von ausländischen Büchern durch den Importeur (unzulässige, behindernde Sonderregelung) bzw. für reimportierte Bücher den inländischen Verleger: EuGH, Rs. C412/93, Slg. 1985, 1 - Leclerc, lesen!): „erschwert eine derartige Bestimmung den Absatz reimportierter Bücher, da sie dem Importeur eines solchen Buches die Möglichkeit nimmt, den im Ausfuhrmitgliedstaat erzielten Vorteil eines günstigeren Preises im Endverkaufspreis weiterzugeben“. ff. Mindestpreise, vgl. EuGHE 1978, 25 - Van Tiggele. Zusammenfassend betont EuGHE 1986, 3359/3380 - Brotpreise, "dass unterschiedslos für einheimische wie eingeführte Erzeugnisse geltende Systeme als solche zwar noch keine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung darstellen, jedoch eine solche Wirkung entfalten können, wenn die Preise derart festgesetzt werden, daß die eingeführten Erzeugnisse gegenüber gleichartigen inländischen Erzeugnissen benachteiligt werden, sei es, weil sie zu den festgesetzten Bedingungen nicht gewinnbringend abgesetzt werden können, sei es, weil der sich aus dem niedrigeren Gestehungspreis ergebende Wettbewerbsvorteil neutralisiert wird". gg. Verbot des Apothekenversandhandels, EuGH, Rs. C-322/01, Slg. 2003, I-14887 – DocMorris, Rn. 74: 6 Ingolf Pernice „Ein Verbot wie das im Ausgangsfall fragliche [Versandhandelsverbot] beeinträchtigt nämlich außerhalb Deutschlands ansässige Apotheken stärker als Apotheken in Deutschland. Auch wenn das Verbot den inländischen Apotheken unstreitig ein zusätzliches oder alternatives Mittel des Zugangs zum deutschen Markt der Endverbraucher von Arzneimitteln nimmt, bleibt ihnen doch die Möglichkeit, Arzneimittel in ihren Apotheken zu verkaufen. Dagegen könnte für Apotheken, die nicht im deutschen Hoheitsgebiet ansässig sind, im Internet ein Mittel liegen, das für den unmittelbaren Zugang zu diesem Markt eher geeignet ist. Ein Verbot, das sich auf außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets ansässige Apotheken stärker auswirkt, könnte jedoch geeignet sein, den Marktzugang für Waren aus anderen Mitgliedstaaten stärker zu behindern als für inländische Erzeugnisse“. hh. Verwendungsbeschränkungen: EuGH, Rs. C-110/05, Slg. 2009, I519 – Kommission/Italien (betr. Anhänger für Krad und EuGH); EuGH Rs. C-142/05, Slg. 2009, I-4273 – Mickelsson und Roos (betr. Verbot der Benutzung von Wassermotorrädern). c. Unterschiedslos anwendbare Maßnahmen: Beschränkungsverbot aa. EuGH, Rs. C-120/78, Slg. 1979, 649 - Cassis de Dijon. Der Eingriff in den freien Warenverkehr ergibt sich aus dem Bestehen an sich neutraler, aber in ihren Auswirkungen die Vermarktung der Produkte beschränken. Das Vorliegen "zwingender Erfordernisse" schließt nach einer Mindermeinung bereits den Tatbestand des Art. 34 AEUV aus, die herrschende Auffassung geht davon aus, dass „zwingende Erfordernisse“ die Ebene der Rechtfertigung betrifft. bb. "zwingende Erfordernisse" zum Ausschluss von nichtdiskriminierenden Beschränkungen aus dem Anwendungsbereich des Art. 34 AEUV sind auch der Verbraucherschutz (Schutz vor Täuschungen, vgl. EuGHE 1988, 4233 - Pasta), der lautere Handelsverkehr, der Umweltschutz (EuGHE 1988, 4607 - Pfandflaschen, sozialpolitische Erwägungen (EuGH, EuZW 2000, 148 – Geldspielautomaten), die Pressevielfalt (EuGHE 1997, I-3689 Familiapress), Rn. 18: „Die Aufrechterhaltung der Medienvielfalt kann ein zwingendes Erfordernis darstellen, das eine Beschränkung des freien Warenverkehrs rechtfertigt. Diese Vielfalt trägt nämlich zur Wahrung des Rechts der freien Meinungsäußerung bei, das durch Artikel 10 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten geschützt ist und zu den von der Gemeinschaftsrechtsordnung geschützten Grundrechten gehört (Urteile vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-353/89, Kommission/Niederlande, Slg. 1991, I-4069, Randnr. 30, und vom 3. Februar 1993 in der Rechtssache C-148/91, Veronica Omreop Organisatie, Slg. 1993, I-487, Randnr. 10).“ ebenso: die Finanzierbarkeit der Sozialversicherungssysteme (EuGH Rs. C-157/99, Slg. 2001 I-5473 Rn. 72 - Smits und Peerbooms. Nach welchen Kriterien der Gerichtshof diese Prinzipien entwickelt, ist weitgehend ungeklärt. Naheliegend ist, dass er sich dabei von (europäischen) Gemeinwohlbelangen, wie sie auch im Vertrag zum Ausdruck kommen, leiten lässt. Vgl. Vassilis Hatzopoulos, Exigences essentielles, impératives ou impérieuses: une théorie, des théories ou pas de théorie du tout? RTDE 34 (1998), S. 191. cc. Neuere Diskussionen (1): Rechtfertigung auch von mittelbaren Diskriminierungen durch ungeschriebene Gründe i.S.v. „Cassis„? (1) Argument: Unterscheidung oft schwierig oder unmöglich, ob Beschränkung oder mittelbare Diskriminierung vorliegt (2) Wenn Tatbestand allgem. Beschränkungen erfasst, muss auch großzügigere Rechtfertigung ermöglicht werden, so Gundel, Jura 2001, 79 ff. (3) Gegenargument: Wenn Art. 34 AEUV gegeben ist, sieht AEUV nur Art. 36 AEUV vor. (4) Zwischenlösung: Rechtfertigung von mittelbaren Diskriminierungen zumindest in Bereichen, wo eine Unionskompetenz nicht besteht oder nicht ausgeübt wurde 7 EuR II – Europäisches Wirtschaftsrecht (etwa: Bereich der Beschäftigungspolitik, des Sozial- und Steuerrechts), so Steinberg, EuGRZ 2002, 20 ff. (Arg. des unvollkommenen Binnenmarktes). dd. Neuere Diskussionen (2): Rechtfertigung auch von direkten Diskriminierungen durch ungeschriebene Gründe iSv „Cassis„? Für eine kurze Zusammenfassung der gegenwärtigen Diskussion vgl. Hindelang, The Free Movement of Capital and Foreign Direct Investment, S. 257-261 ee. Rechtfertigung nach Cassis nur möglich, wenn kein harmonisierendes Sekundärrecht erlassen wurde, EuGHE 1999, I 2921 Rn. 24 – Monsees; EuGHE 1996, I-2553 - Hedley Lomas, Rn. 18. Merke aber EuGH, Rs. C-322/01, Slg. 2003, I-14887 – DocMorris,, Rn. 64: Wenn in der Richtlinie steht, dass Mitgliedstaaten bestimmte Regelungen “unter Beachtung des EG-Vertrags” erlassen dürfen, kam insofern Art. 34 AEUV zur Anwendung (ebenso, wenn die Harmonisierung nicht vollständig durchgeführt ist, für die Rechtfertigung Art. 36 AEUV: vgl. Rn. 102). ff. Rechtfertigung nur durch „nichtwirtschaftliche Gründe“, neuerdings aber Erweiterung, „nicht rein wirtschaftliche Gründe“, EuGH Rs. C158/96 - Kohll, Slg. 1998 I-1931 Rn. 41. Grund: extensive Anwendung der Grundfreiheiten. Krit.: Steinberg/Kanitz, Grenzenloses Gemeinschaftsrecht?“ Die Rechtsprechung zu Freizügigkeit, Unionsbürgerschaft und Grundrechtsschutz als Kompetenzproblem, EuR 2003, 1013 ff., vgl. auch Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht: ‚Konvergenz’ des Gemeinschaftsrechts und ‚Koherenz’ der direkten Steuern in der Rechtsprechung des EuGH, 2002, 134 ff., insb. 136 f. d. Anwendung des Art. 34 AEUV auf rein innerstaatliche Sachverhalte: Wenn der Fall in keinem Element über die Grenzen eines einzelnen Mitgliedstaats hinausweist (hier Bezeichung „montagne“ nur für im franz. Alpengebiet hergestellte Erzeugnisse), kann nach EuGHE 1997, I-2343 – Poucet und Pistre (Rn. 45): „sich nämlich die Anwendung der nationalen Maßnahme auf den freien Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten auswirken, und zwar insbesondere dann, wenn die fraglichen Maßnahme den Vertrieb von Waren inländischen Ursprungs zum Nachteil eingeführter Waren begünstigt. Unter solchen Umständen wird durch die bloße Anwendung der Maßnahme, auch wenn sie auf inländische Hersteller beschränkt ist, eine Ungleichbehandlung zwischen den beiden Warengruppen geschaffen und aufrechterhalten, die zumindest potentiell den innergemeinschaftlichen Handel behindert“. dazu H. Weyer, Freier Warenverkehr, rein innerstaatliche Sachverhalte und umgekehrte Diskriminierung, EuR 1998, 435 ff.: Anwendbarkeit des Art. 34 AEUV gegeben, auch umgekehrte Diskriminierung verboten. e. Beachte die – durch Richterrecht fortentwickelte - Definition der Richtlinie 70/50/EWG der Kommission über die Beseitigung von Maßnahmen gleicher Wirkung, wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen, die nicht unter andere aufgrund des EWG-Vertrages erlassene Vorschriften fallen, ABl. 1970 L 13/29, Art. 2: Verbotene Maßnahmen sind „Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Verwaltungspraktiken sowie alle Akte, die von einer öffentlichen Behörde ausgehen, einschließlich der Anregungen, die die Einfuhren gegenüber dem Absatz inländischer Erzeugnisse erschweren, verteuern oder benachteiligen“. 2. Einschränkungen durch die Rechtsprechung seit 1993 (Vorläufer: EuGHE 1979, 3409 - Pferdefleisch; EuGHE 1981, 1993 - Nachtbackverbot ("spezifische Beschränkung der Ausfuhrströme"); EuGH, Slg. 1989, S. 3851 (3888 ff.), Rn. 10 ff. - Torfaen Borough: Schutz von „soziokulturellen Besonderheiten“ a. EuGH, Rs. – Rs. C-267/91 und 268/91, Slg. 1993, 6097 - Keck u. Mithouard: kein Verkauf unter Einstandspreis), s. auch EuGHE 1993, I6787 = EuZW 1994,119 – Hünermund (sog. Keck-Formel): 8 Ingolf Pernice "...das die Anwendung nationaler Vorschriften, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, auf Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten nicht geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne des Urteils Dassonville unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, sofern diese Vorschriften für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in gleicher Weise berühren. Sind diese Voraussetzungen nämlich erfüllt, so ist die Anwendung derartiger Regelungen auf den Verkauf von Erzeugnissen aus einem anderen Mitgliedstaat, die den von diesem Staat aufgestellten Bestimmungen entsprechen, nicht geeignet, den Marktzugang für diese Erzeugnisse zu versperren oder stärker zu behindern, als sie dies für inländische Erzeuger tut. Diese Regelungen fallen daher nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 30 EWG-Vertrag". Wird der Absatz ausländischer Produkte erschwert, gilt Art. 34 AEUV, auch wenn die Maßnahme formal unterschiedslos auf in- und ausländische Ware anwendbar ist, vgl. EuGH Rs. C 322-/01 – Doc Morris, Rn. 67 ff. Entscheidend ist, ob der Marktzugang erschwert wird, vgl. die Erläuterung in : EuGH, Slg. 1995, S. I-1141 (1176) - Alpine Investments, Rn. 37: „Der Grund hierfür liegt darin, dass die Anwendung derartiger Regelungen nicht geeignet ist, den Marktzugang für diese Erzeugnisse im Einfuhrmitgliedstaat zu versperren oder stärker zu behindern, als die dies für inländische Erzeugnisse tut“. Das Kritierium des Markzugangs wird auch im Blick auf die Verwendungsbeschränkungen herangezogen, etwa nach EuGH, Rs. C110/05, Slg. 2009, I-519 – Kommission/Italien (betr. Anhänger für Krad und EuGH), Rn. 37 ... „sind Maßnahmen eines Mitgliedstaats, mit denen bezweckt oder bewirkt wird, Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten weniger günstig zu behandeln, sowie die in Randnr. 35 des vorliegenden Urteils genannten (sc.: unterschiedslog anwendbare, den Handel hemmende) Maßnahmen als Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen in Sinne des Art. 28 EG anzusehen. Ebenfalls unter diesen Begriff fällt jede sonstige Maßnahme, die den Zugang zum Markt eines Mitgliedstaats für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten behindert.“... 56 ... Hierzu ist festzustellen, dass ein Verbot der Verwendung eines Erzeugnisses im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erheblichen Einfluss auf das Verhalten der Verbraucher hat, das sich wiederum auf den Zugang des Erzeugnisses zum Markt des Mitgliedstaats auswirkt. 57 Denn die Verbraucher, die wissen, dass sie ihr Kradfahrzeug nicht mit einem eigens dafür konzipierten Anhänger verwenden dürfen, haben praktisch kein Interesse daran, einen solchen Anhänger zu kaufen (vgl. entsprechend zum Verbot, farbige Folien an der Windschutzscheibe von Kraftwagen zu befestigen, Urteil vom 10. April 2008, Kommission/Portugal, C‑ 265/06, Slg. 2008, I‑ 0000, Randnr. 33). Damit verhindert Art. 56 der Straßenverkehrsordnung die Nachfrage nach derartigen Anhängern auf dem betreffenden Markt und behindert somit deren Einfuhr. 58 Soweit das in Art. 56 der Straßenverkehrsordnung angeordnete Verbot dazu führt, den Zugang zum italienischen Markt für Anhänger zu versperren, die eigens für Kradfahrzeuge konzipiert und in anderen Mitgliedstaaten als der Italienischen Republik rechtmäßig hergestellt und in den Verkehr gebracht worden sind, stellt es eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen dar, die nach Art. 28 EG verboten ist, sofern sie nicht objektiv gerechtfertigt werden kann. Ebenso EuGH Rs. C-142/05, Slg. 2009, I-4273 – Mickelsson und Roos (betr. Verbot der Benutzung von Wassermotorrädern). b. Gründe für diese Rechtsprechung: aa. Durch Herausnahme aus den binnenmarktrelevanten Bestimmungen werden die Harmonisierungsmöglichkeiten nach Art. 114 AEUV eingeschränkt vgl. J.H.H. Weiler, in Craig/Búrca (Hrsg.), The Evolution of EU Law, 1999, S. 349 (371 f.). 9 EuR II – Europäisches Wirtschaftsrecht bb. Jedenfalls sollte der uferlosen Weite der Dassonville-Formel entgegengewirkt werden, der sonst möglicherweise sogar die Sonntagsruhe zum Opfer gefallen wäre EuGH, Slg. 1989, S. 3851 (3888 ff.), Rn. 10 ff. (Torfaen Borough). cc. Das Sonntagsladenschlussgesetz wurde hier noch als “Ausdruck bestimmter politischer und wirtschaftlicher Entscheidungen” bezeichnet. Vgl. auch EuGH, Rs. – Rs. C-267/91 und 268/91, Slg. 1993, 6097 - Keck u. Mithouard, Rn. 14-17. Weitere Nachweise bei Leible in Grabitz/Hilf, Kommentar z. EUV/EGV, Art. 28 Rn. 27 (Juli 2000). c. Wichtig : EuGH EuZW 2004, 21 – Doc Morris, Rn. 68, wo Modalitäten des Verkaufs (Internetangebote für Arzneimittel) wegen der stärkeren Auswirkung auf ausländische Anbieter als diskriminierend betrachtet werden (Rn. 74 f.) und deshalb Art. 36 AEUV geprüft wird. 3. Ausnahmen von der Warenverkehrsfreiheit: strategische Güter, Art. 346 ff. AEUV, Grenzen: EuGHE 1991 I 4621/4650 ff. – Richardt. IV. Rechtfertigung von diskriminierenden Handelsbeschränkungen: Art. 36 AEUV 1. Bedeutung des Art. 36 AEUV: ist keine Souveränitätsreserve: EuGHE 1991 I 4621/4651 - Richardt: "Nach ständiger Rechtsprechung behält Art. 36 EWG-Vertrag nicht bestimmte Sachgebiete der ausschließlichen Zuständigkeit der Mitgliedstaaten vor: vielmehr läßt er nur Ausnahmen vom Grundsatz des freien Warenverkehrs durch innerstaatliche Normen insoweit zu, als dies zur Erreichung der in ihm bezeichneten Ziele gerechtfertigt ist und weiter gerechtfertigt bleibt". 2. Art. 36 AEUV ist „eine eng auszulegende Ausnahme“, vgl. EuGH v. 23.9.03, EuZW 2004, 30 – Lebensmittel, Rn. 46). Maßnahmen sind nach Art. 36 AEUV nur gerechtfertigt, wenn "sie geeignet sind, dem durch diesen Artikel geschützten Interesse zu dienen, und wenn sie den innerunionalen Handel nicht mehr als unbedingt notwendig beeinträchtigen" (ebd.). Die Gründe des Art. 34 AEUV sind abschließend. – Frage: Wie ist diese Auslegungsregel in gedanklichen Einklang mit der grundsätzlich nicht abschließenden Ausnahme- oder Rechtfertigungsregel der „zwingenden Erfordernisse“ zu bringen? 3. Voraussetzungen der Berufung auf Art. 36 AEUV: Nach st. Rspr. ist sind a. Legitimer Schutzzweck der (diskriminierenden, den Handel beschränkenden) Maßnahme: in Art. 36 AEUV genanntes Interesse stellt eine abschließende Aufzählung dar, vgl. EuGH, Rs. C-412/93, Slg. 1985, 1, Rn. - Leclerc: Verbraucherschutz oder Kultur können diskriminierende Maßnahmen nicht rechtfertigen) aa. öffentliche Sittlichkeit: Vgl. EuGHE 1979, 3795 - Henn & Darby: unzüchtige Gegenstände bb. Öffentliche Ordnung: EuGHE 1987, 2247/2257 - Thompson: Ausfuhr von zur staatlichen Einschmelzung vorgesehenen Silbermünzen) cc. Öffentliche Sicherheit: EuGHE 1984, 2727 - Campus Oil: Sicherung der Existenz der einzigen irischen Raffinerie und damit der Ölversorgung Irlands durch Verpflichtung zur Bedarfsdeckung strenger: EuGHE 1990 I 4747/4788 ff. - Erdölerzeugnisse) dd. öffentliche Gesundheit: dynamischer Begriff, dem Wandel unterworfen, Spielraum der MSt., aber justiziabel (Fallgruppen: Gesundheitspolizeiliche Grenzkontrollen, Rückstände von Pestiziden, Zusatzstoffe in Lebensmitteln, vgl. EuGHE 1987, 1213 Reinheitsgebot). Kriterien auch Codex Alimentarius von FAO und WHO. Nach EuGH EuZW 2004, 21 – Doc Morris, Rn. 103, nehmen die Zwecke des Schutzes von Leben und Gesundheit “ersten Rang” 10 Ingolf Pernice ein: so etwa die Apothekenpflicht für Arzneimittel, womit ein Verbot des Versandhandels gerechtfertigt werden kann (Rn. 119) “Angesichts der Gefahren, die mit der Verwendung dieser Arzneimittel verbunden sein können, könnte das Erfordernis, die Echtheit der ärztlichen Verschreibungen wirksam und verantwortlich nachprüfen zu können und die Aushändigung des Arzneimittels an den Kunden selbst oder an eine von ihhm mit dessen Abholung beauftragte Person zu gewährleisten, ein Verbot des Versandhandels rechtfertigen... Im übrigen kann die tatsächlich gegebene Möglichkeit, dass ein Arzneimittel, das ein in einem Mitgliedstaat wohnender Käufer bei einer Apotheke in einem anderen Mitgliedstaat erwirbt, in einer anderen Sprache etikettiert ist als in der Sprache des Heimatstaats des Käufers, im Fall von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gravierende Folgen haben”. ee. gewerbliche Schutzrechte (s. unten) ff. Kulturgüterschutz: vgl. Richtlinie 93/7, ABl. 1993, L 74/74, dazu Jürgen Schwarze, Der Schutz nationalen Kulturguts im Binnenmarkt, JZ 1994, 111;L R. Mußgnug, FS Bernhardt, 1995, S. 1225 ff. Merke: Eine „erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit (sc. kann) einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses“ darstellen, den der EuGH im Rahmen des Art. 36 AEUV prüft (ebenso: „die Intaktheit des nationalen Gesundheitssystems“). b. Geeignetheit der Maßnahme zur Verwirklichung des betreffenden Zieles c. Erforderlichkeit der Maßnahme: dasselbe Ziel darf nicht "durch eine andere, unter dem Gesichtspunkt des freien Warenverkehrs weniger einschneidende Maßnahme erreicht werden können" (EuGHE 1991 I 4621/4651 - Richardt). 4. Art. 36 S. 2 AEUV: Gegenausnahme: Willkürliche Diskriminierung oder verschleierte Beschränkung führen zum Ausschluß der Ausnahme (Mißbrauchsklausel, EuGHE 1979, 3795 Rn. 21 - Henn & Darby). Kriterium ist die Verhältnismäßigkeit, vgl. EuGHE 1991 I 4151 - Aragonesa (katalanisches Werbeverbot an Straßen, in Kinos etc. für Alkoholika mit über 23%: daß die in K. hergestellten Mengen der betreffenden Produkte geringer sind als in anderen Landesteilen führt nicht zur Annahme einer willkürlichen Diskriminierung) 5. Vereinbarkeit mit Unionsgrundrechten: die von den Mitgliedstaaten vorgebrachten Rechtfertigungsgründe/Allgemeinwohlbelange müssen mit den von der Union anerkannten Grundrechten übereinstimmen, sog. ERTRechtsprechung, zusammengefasst in: EuGH Rs. 60/00, Rn. 40 ff. – Carpenter: „Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich ein Mitgliedstaat nur dann auf Gründe des Allgemeininteresses berufen kann, um eine innerstaatliche Regelung zu rechtfertigen, die geeignet ist, die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit zu behindern, wenn diese Regelung mit den Grundrechten, deren Wahrung der Gerichtshof sichert, im Einklang steht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Juni 1991 in der Rechtssache C-260/89, ERT, Slg. 1991, I2925, Randnr. 43, und vom 26. Juni 1997 in der Rechtssache C-368/95, Familiapress, Slg. 1997, I-3689, Randnr. 24)“. Dies gilt sinngemäß auch für die Warenverkehrsfreiheit, denn der Gerichtshof kann ganz allgmein keine Maßnahme im Anwendungsbereich des Unionsrechts als legitime Beschränkung von Grundfreiheiten betrachten, wenn sie mit den Unionsgrundrechten, an die er gebunden ist, unvereinbar sind. 6. Wettbewerbsschutz und Warenverkehrsfreiheit. Zu EuGH, EuZW 1993, 420: Walter Leisner, Wahrheitssuche statt Suggestionsvermutung, EuZW 1993, 655), s. auch BGH EuZW 1994, 411 - Grand Marnier, BGH - EuZW 1994, 413 - Mozarella; zuletzt: KG EuZW 1994, 541 11 EuR II – Europäisches Wirtschaftsrecht V. Grundrechte als Schranke der Warenverkehrsfreiheit Neben Art. 36 AEUV prüft der EuGH auch, ob die Anwendung des Art. 34 AEUV möglicherweise im Einzelfall Grundrechte des einzelnen verletzen würde: So im Fall der Blockade des Brenner, die von den österreichischen Behörden für 30 Stunden genehmigt wurde und als Maßnahme gleicher Wirkung angesehen wurde, die die Ein- und Durchfuhren durch Österreich beschränkte: EuGHE 2003, I-5659 – Schmidberger, Rn. 68 ff. VI. Prozedurale Absicherung der Warenverkehrsfreiheit: Sicherstellung der Achtung der Freiheit des Warenverkehrs präventiv durch das Informationsverfahren nach der Richtlinie 98/34/EG: Für alle Rechtsakte der Mitgliedstaaten, die technische Handelshemmnisse begründen könnten, besteht eine Mitteilungspflicht und eine Stillhaltepflicht, vgl. EuGHE 1996, 2201 (2245, Rn. 40) - CIA Security International) = EuZW 1996, 379 ff. 1. Pflichten aus der Richtlinie 98/34/EG: a. Notifizierungspflicht für alle neuen technischen Vorschriften (dazu EuGHE 1994, 2039 - Verfalldatum = EuZW 1994, 500: Begriff der technischen Spezifikation hins. der Veränderung des Verfalldatums für sterile medizinische Geräte) b. Wartefrist von 3 Monaten für Stellungnahme der Kommission nach Anhörung der anderen Mitgliedstaaten. Im Fall des Änderungswunsches Verlängerung der Wartefrist um 3 Monate, insgesamt aber 12 Monate, wenn Kommission Absicht mitteilt, entsprechende Regel auf EG-Ebene vorzuschlagen 2. Rechtsfolge des Verstoßes: Nichtanwendbarkeit der innerstaatlichen Maßnahme bei Verletzung der Pflichten: EuGHE 1996, I-2201 CIA Security International = EuZW 1996, 379 mit Anm. Fronia: unmittelbare Wirkung der Richtlinie trotz der Pflicht nur gegenüber der Kommission, weil Zweck der Schutz des freien Warenverkehrs ist (Rn. 48).; die RL begründet Rechte einzelner, ist also unmittelbar anwendbar, vgl. EuGH Rs. C-194/94, Slg. 1996, I-2201 – CIA Security, Rn. 47; EuGH Rs. C-443/98, Slg. 2000, I-7535 – Unilever, Ls. 2 : „2 Die Unanwendbarkeit einer technischen Vorschrift als Rechtsfolge der Nichtbeachtung der Mitteilungspflicht gemäß Artikel 8 der Richtlinie 83/189 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften kann in einem Rechtsstreit zwischen Einzelnen geltend gemacht werden. Das Gleiche gilt für die Nichteinhaltung der Aussetzungsfrist für eine technische Vorschrift gemäß Artikel 9 dieser Richtlinie. Zwar kann eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen Einzelner begründen und daher nicht als solche ihnen gegenüber herangezogen werden; diese Rechtsprechung gilt jedoch nicht in Rechtsstreitigkeiten zwischen Einzelnen, in denen die Nichtbeachtung der Artikel 8 oder 9 der Richtlinie 83/189, die einen wesentlichen Verfahrensfehler darstellt, die Unanwendbarkeit der unter Verstoß gegen einen dieser Artikel erlassenen technischen Vorschrift nach sich zieht. In einem solchen Rechtsstreit legt die Richtlinie 83/189, die weder Rechte noch Pflichten für Einzelne begründet, nämlich keineswegs den materiellen Inhalt der Rechtsnorm fest, auf deren Grundlage das nationale Gericht den bei ihm anhängigen Rechtsstreit zu entscheiden hat. Dementsprechend muss das nationale Gericht in einem Zivilrechtsstreit zwischen Einzelnen über vertragliche Rechte und Pflichten die Anwendung einer nationalen technischen Vorschrift ablehnen, die während einer Aussetzungsfrist nach Artikel 9 der Richtlinie 83/189 erlassen worden ist.“ Dazu Gundel, Neue Grenzlinien für die Direktwirkung nicht umgesetzter EGRichtlinien, EuZW 2001, 143 ff. Enger noch EuGHE 1998, I-3711 = EuZW 1998, 569 ff. - Lemmens (zur Verwendung eines Alkoholmeters, das nicht notifizierten technischen Vorschriften entspricht, als Beweismittel im Strafverfahren). 12 Ingolf Pernice VI. Geltung des Grundsatzes freier Warenverkehr auch für die EU-Organe? 1. Gegenüber der unionalen Verfolgung des Umweltschutzes durch Vorgaben für die Altölbeseitigung, vgl. EuGH, Rs. 240/83, Slg. 1985, 531, Rn. 9 ADBHU: „Die Grundsätze des freien Warenverkehrs und des freien Wettbewerbs sowie die grundrechtliche Handelsfreiheit stellen allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts dar, über deren Einhaltung der Gerichtshof wacht. Die erwähnten Vorschriften der Richtlinie sind also anhand dieser Grundsätze zu prüfen“. Entsprechend weist der EuGH in EuGH, Urteil vom 20. Mai 2003 in der Rs. C-469/00, Ravil SARL, EuZW 2003, 564 ff., Rn. 86 darauf hin, „dass das Verbot von mengenmäßigen Beschränkungen und von Maßnahmen gleicher Wirkung nach st. Rspr. nicht nur für nationale Maßnahmen gilt, sondern auch für Maßnahmen der Gemeinschaftsorgane...“ (mwN.) gilt. 2. Zum Gesundheitsschutz im Agrarbereich: EuGHE 1998, I-2265 (2289) = EuZW 1998, 431 - BSE-Exportverbote, insbes. zur Geltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ebd., S. 437 f. 3. Umfang strittig, teilweise wird die Union nur an Grundsätze gebunden gesehen. Zumindest aber abgeschwächte Prüfung, s. Maduro, We, the Court, 1998, S. 77, differenzierend Müller-Graff in: v. d. Groeben/Thiesing/Ehlermann, 5. Aufl. 1997, Art. 30 Rn. 294 ff. VII. Die Umformung staatlicher Handelsmonopole (Art. 37 AEUV): 1. Zum Grundsatz: Instrument zur Sicherstellung des freien Warenverkehrs: vgl. dazu EuGHE 1990 I 4747/4789 - Erdölerzeugnisse: "sowohl aus dem Wortlaut von Artikel 37 wie aus seiner Stellung im System des Vertrages (ergibt sich), daß dieser Artikel die Einhaltung der Grundregel des freien Warenverkehrs innerhalb des gesamten Gemeinsamen Marktes... gewährleisten und auf diese Weise normale Bedingungen für den Wettbewerb zwischen den Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten für den Fall aufrechterhalten soll, daß ein bestimmtes Erzeugnis in dem einen oder anderen dieser Staaten einem staatlichen Handelsmonopol unterliegt". 2. Voraussetzung der Anwendung: Dient das Monopol der Sicherung der inländischen Produktion des öffentlichen Sektors, dann ist Art. 37 AEUV verletzt. 3. Folge: Umformung der staatlichen Handelsmonopole nach Art. 37 AEUV ist eine Sondernorm für öffentliche Unternehmen, die dem Ausschluss von Handelsbeschränkungen dient, die sich aus möglichen von den Monopolen ausgehenden Diskriminierungen ergeben. Damit ist nicht notwendig die Abschaffung der Handelsmonopole verbunden, es werden jedoch strenge Maßstäbe für den Ausschluss von Diskriminierungen gestellt, vgl. EuGH Rs. C-189/95 – Franzen, sowie EuGH Rs. C-438/02 – Hanner: „39 ...folgt aus dem Urteil Franzén (Randnrn. 44 und 51), dass zunächst das Auswahlverfahren eines Verkaufsmonopols auf Kriterien beruhen muss, die unabhängig vom Ursprung der Erzeugnisse sind, und dass es transparent sein muss, indem es sowohl eine Pflicht zur Begründung der Entscheidungen als auch ein unabhängiges Kontrollverfahren vorsieht. 40 Sodann muss das Verkaufsnetz eines Verkaufsmonopols so organisiert sein, dass die Zahl der Verkaufsstellen nicht derart begrenzt ist, dass die Belieferung der Verbraucher gefährdet wird (vgl. in diesem Sinne für Artikel 28 EG Urteil Banchero, Randnr. 39, und für Artikel 31 Absatz 1 EG Urteil Franzén, Randnr. 54). 41 Schließlich müssen die Vertriebs- und Werbemaßnahmen eines Verkaufsmonopols unparteiisch und unabhängig vom Ursprung der Erzeugnisse sein, und die Verbraucher müssen über neue Erzeugnisse informiert werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Franzén, Randnr. 62).“ 13 EuR II – Europäisches Wirtschaftsrecht VIII. Verbot von Ausfuhrbeschränkungen 1. Anwendungsbereich des Verbots: EuGH, Urteil vom 20. Mai 2003 in der Rs. C-469/00, Ravil SARL, EuZW 2003, 564 ff., Rn 40: „Artikel 29 EG verbietet Maßnahmen, die spezifische Beschränkungen der Ausfuhrströme bezwecken oder bewirken und unterschiedliche Bedingungen für den Binnenhandel innerhalb eines Mitgliedstaats und seinem Außenhandel schaffen, so dass die nationale Produktion oder der Binnenmarkt des betroffenen Staates einen besonderen Vorteil erlangt.“ St. Rspr., vgl. EuGH, Urteil vom 23. Mai 2000 in der Rs. C-209/98, Sydhavnens Sten & Grus, Slg. 2000, I-3743, Rn. 34; Urteil vom 10. März 1983 in der Rs. 172/82, Inter-Huiles u. a., Slg. 1983, 555, Rn. 12; Urteil vom 7. Februar 1984 in der Rs. 238/82, Duphar, Slg. 1984, 523, Rn. 25. Anwendungsbereich des Artikel 35 AEUV ist enger als der des Artikel 34 AEUV, vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Rs. C-469/00, Ravil SARL, Rn. 96: „Der Tatbestand des Artikels 29 EG ist (...) von der Rechtsprechung dahin gehend konkretisiert worden, dass nicht jede Ausfuhrbeschränkung, sondern nur diejenigen Maßnahmen, die spezifisch die Ausfuhr von Waren verhindern, nach dieser Vorschrift verboten sind. Diese Rechtsprechung definiert den Anwendungsbereich des Verbotes der Ausfuhrbeschränkungen wesentlich enger als den Anwendungsbereich für Einfuhrbeschränkungen nach Artikel 28 EG.“ Folge: Es muß eine gezielte, die Ausfuhr diskriminierende Regelung gegeben sein. Damit entfallen die Notwendigkeit für die zu Art. 34 AEUV in Cassis und Keck entwickelten Einschränkungen. Entsprechend behandelt EuGH ein Abkommen zwischen Italien und Frankreich, in dem der Schutz der italienischen Ursprungsbezeichung „Grana Padano“ in Frankreich vereinbart ist, als diskriminierend („mengenmäßige Beschränkung“ wird hier sehr weit verstanden, die „Maßnahme gleicher Wirkung umfassend“): „Das zweiseitige Abkommen, mit dem diese Rechtsvorschriften in einem anderen Mitgliedstaat für anwendbar erklärt werden, bewirkt daher spezifische Beschränkungen der Ausfuhrströme von Käse, der die Ursprungsbezeichnung führen kann, und schafft dadurch unterschiedliche Bedingungen für den Binnenhandel innerhalb eines Mitgliedstaats und seinen Außenhandel. Es hat somit mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungen im Sinne von Artikel 29 EG zur Folge (...)“ In diesem Sinne – in Bezug auf eine nationale Maßnahme – auch schon EuGH, Urteil vom 16. Mai 2000 in der Rs. C-388/95, Belgien/Spanien (Rioja), Rn. 38 und 40 bis 42 und Urteil vom 9. Juni 1992 in der Rs. C-47/90, Delhaize et Le Lion, Slg. 1992, I-3669, Rn. 12 bis 14. 2. Rechtfertigung von Beschränkungen: Nur nach Art. 36 AEUV. * * * 14