Rechtskunde "Law and Order" Rechtliche Grundlagen Privates und öffentliches Recht Im Privatrecht werden die Beziehungen zwischen gleichberechtigten Einzelnen geregelt. Folgende Rechtsgebiete gehören zum: Privatrecht: Personenrecht Familienrecht Zivilgesetzbuch (ZGB) Erbrecht Sachenrecht Obligationenrecht OR (Kauf, Arbeitsvertrag, Werkvertrag) Folgende Rechtsgebiete gehören zum: öffentlichen Recht: Staatsrecht Verwaltungsrecht (z. B. Bau-, Steuerrecht) Strafrecht Prozessrecht Kirchenrecht Völkerrecht Dispositives und zwingendes Recht Im Privatrecht sind die Parteien bei der Gestaltung ihrer rechtlichen Beziehung frei, d.h. es besteht Vertragsfreiheit. Die Parteien können durch Abmachung sogar die Anwendung von Rechtssätzen ausschliessen. Solche Rechtssätze gehören zum dispositiven Recht. Das dispositive Recht gilt nur, wenn eine andere Abmachung fehlt. Es dient somit der Lückenfüllung und Ergänzung. Man nennt es daher auch ergänzendes Recht. Keine anderslautende Abmachung ist beim zwingenden Recht möglich. Es wird angewendet, auch wenn eine abweichende Abmachung vorliegt. Das zwingende Recht ist für das öffentliche Recht typisch. Zwingendes Recht findet sich insbesondere auch im Arbeitsvertragsrecht. Es handelt sich vorab um Schutznormen zugunsten des Arbeitnehmers, die nicht zu dessen Nachteil durch den Arbeitgeber abgeändert werden dürfen. Entstehungsgründe der Obligationen Eine Obligation beinhaltet eine rechtliche Beziehung, bei der die eine Partei zu einer Leistung verpflichtet ist und die andere Partei auf die gleiche Leistung berechtigt ist. Im Obligationenrecht (OR) werden drei Entstehungsgründe für Obligationen unterschieden: • Die Entstehung der Obligation aus Vertrag. Beispiel: Fritz kauft 1 kg Orangen in der Migros. • Die Entstehung der Obligation durch unerlaubte Handlung. Beispiel: S hat G verletzt. Die Arztrechnung beträgt Fr. 300.--. • Die Entstehung der Obligation aus ungerechtfertigter Bereicherung. Beispiel: Rösli hat irrtümlicherweise das Abonnement des “Blicks“ zweimal bezahlt. Nachfolgend werden nur die Entstehungsgründe der Obligation durch Vertrag behandelt. Es geht also um die Frage, welche Kriterien unabdingbare Voraussetzung sind für die Entstehung eines Vertrages. Die Entstehung der Obligation durch Vertrag Übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung Jede Vertragspartei muss ihren Willen äussern können. Es braucht demnach mindestens zwei Willensäusserungen. Die zeitlich erste Willensäusserung ist der Antrag, auch Offerte oder Angebot genannt. Der Antrag kann von jeder Vertragspartei ausgehen, vom Käufer oder Verkäufer, vom Mieter oder Vermieter. Der Antrag kann ausdrücklich oder stillschweigend sein (Art. 1 Abs. 2 OR). Die zweite Willenserklärung ist die Annahme der Gegenpartei. Sie kann ebenfalls ausdrücklich oder stillschweigend sein. Der Inhalt der Annahme muss sich mit dem Antrag decken. Weicht sie vom Antrag ab, so liegt ein neuer Antrag (Gegenofferte) vor. Weiter müssen die Willensäusserungen gegenseitig sein, d. h., sie werden zwischen den Parteien ausgetauscht. Die Willensäusserungen müssen übereinstimmen, d.h., sie müssen den gleichen Inhalt aufweisen. Vertragsfähigkeit Die Vertragsfähigkeit der Parteien setzt die Handlungsfähigkeit, d.h. die Fähigkeit, durch seine Handlungen Rechte und Pflichten zu begründen, voraus (Art. 12 ZGB). Natürliche Personen sind handlungsfähig, wenn sie urteilsfähig und mündig sind. • Urteilsfähigkeit: Sie kann wegen Kindesalters, Geisteskrankheit, Trunkenheit, usw. fehlen (Art. 16 ZGB). Die Urteilsfähigkeit hat einen relativen Charakter: Eine Person ist in Bezug auf eine bestimmte Handlung urteilsfähig oder nicht. Schliesslich wird die Urteilsfähigkeit vermutet, sodass Urteilsunfähigkeit gemäss Art. 8 ZGB zu beweisen ist. • Mündigkeit: Sie wird erworben durch: - Vollendung des 18. Lebensjahres (Art. 14 Abs. 1 ZGB) Wer handlungsfähig ist, kann durch seine Handlungen vertragliche Berechtigungen und Verpflichtungen begründen. Vollständige Handlungsunfähigkeit liegt vor, wenn die Urteilsfähigkeit fehlt. Ein Urteilsunfähiger kann durch seine Handlungen keine rechtlichen Vertragswirkungen herbeiführen (Art. 18 ZGB). Für ihn schliesst der gesetzliche Vertreter (Eltern, Vormund) Verträge ab. Von beschränkter Handlungsunfähigkeit spricht man, wenn die Urteilsfähigkeit gegeben ist, die Mündigkeit aber fehlt (Unmündigkeit oder Entmündigung). Ein beschränkt Handlungsunfähiger braucht für das Eingehen von vertraglichen Berechtigungen und Verpflichtungen die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters (Art. 19, Abs 1 ZGB). Diese kann beliebig erfolgen; formlos oder nicht / als vorgängige Einwilligung, als gleichzeitige Mitwirkung oder als nachträgliche Genehmigung. In bestimmten Fällen ist auch der beschränkt Handlungsunfähige vertragsfähig (Art. 19 Abs. 2 ZGB). Die Vorschriften über die vollständige und die beschränkte Handlungsunfähigkeit sind zum Schutze des Unfähigen aufgestellt. Der Dritte, der beispielsweise mit dem Unfähigen einen Kaufvertrag abschliesst, kann sich daher nicht auf seinen guten Glauben berufen. Form der Verträge Im Obligationenrecht gilt der Grundsatz der Formfreiheit (Art. 11 Abs. 1 OR). Die Vertragsparteien dürfen demnach ihren Willen beliebig äussern, z.B. stillschweigend, mündlich oder schriftlich. In gewissen Fällen schreibt das Gesetz dennoch bestimmte Formen vor. In Frage kommen folgende gesetzliche Formen: • Einfache Schriftlichkeit: - Schriftliche Erklärung, von Hand oder mit der Maschine geschrieben - Eigenhändige Unterschrift des sich Verpflichtenden - Schenkungsversprechen (Art. 243 Abs. 1 OR) (Unterschrift des Schenkers, da sich nur dieser verpflichtet) - Abzahlungskauf (Art 226a Abs. 2 OR) (Unterschrift des Käufers und Verkäufers nötig, da sich beide verpflichten) • Qualifizierte Schriftlichkeit: Zusätzlich zur einfachen Schriftlichkeit ist die ganze Urkunde oder einzelne Bestandteile eigenhändig zu schreiben. - Eigenhändiges Testament (Art. 505 Abs. 1 ZGB) (ganze Urkunde eigenhändig) - Bürgschaft natürlicher Personen bis Fr. 2000.-- (Art. 493 Abs. 2, 2. Satz OR) (eigenhändig: Haftungsbetrag / ev. “solidarisch“) • Öffentliche Beurkundung: Beim schriftlichen Abschluss des Rechtsgeschäfts wirkt eine Urkundsperson, z. B. ein Notar mit. Beispiel: Grundstückkauf (Art. 216 Abs 1 OR) • Registereintrag: In einzelnen Fällen ist der Eintrag in ein öffentliches Register, z. B. das Handelsregister, vorgeschrieben. Beispiel: Kollektivgesellschaft (Art. 552 Abs 2 OR) • Öffentliche Beurkundung und Registereintrag: Dem Registereintrag muss oft eine öffentliche Beurkundung vorausgehen. Beispiele: - Gründung einer AG - Grundstückkauf Bei Nichtbeachtung der gesetzlichen Formerfordernisse ist der Vertrag nichtig, d. h., er entfaltet keine rechtlichen Wirkungen. Inhalt der Verträge Die Vertragsparteien können nicht nur die Form, sondern auch den Vertragsinhalt frei wählen. (Art. 19 Abs. 1 OR). Trotzdem wird die Inhaltsfreiheit in dreierlei Hinsicht eingeschränkt: • • • Der Vertragsinhalt darf bei Vertragsabschluss nicht objektiv unmöglich sein. Beispiel: - Kauf eines bestimmten Tieres, das bei Vertragsabschluss bereits tot ist. Beispiele: - Vereinbarung von Zinseszinsen bei Darlehen - Mordauftrag an einen Berufskiller (Strafgesetz) Der Vertragsinhalt darf nicht widerrechtlich sein, d. h., er darf nicht gegen einen zwingenden Rechtssatz verstossen. Der Vertragsinhalt darf nicht gegen die guten Sitten verstossen. Beispiele: - Schweigegeldvertrag - Schmiergeldvertrag - Abschluss eines nicht auflösbaren Vertrages Verträge mit unmöglichem, widerrechtlichem oder unsittlichem Inhalt sind nichtig und damit wirkungslos. Willensmängel beim Vertragsschluss Den beiden Willensäusserungen, dem Antrag und der Annahme, geht die Bildung des Willens voraus. Folgende Willensmängel können dabei auftreten: • Beim Äusserungsirrtum erklärt eine Vertragspartei versehentlich etwas, das sie nicht will. Der Irrtum muss wesentlich sein (Art. 23 OR). Beispiel: A bestellt 5 t Früchte, obwohl er nur 50 kg kaufen will. • Beim Grundlagenirrtum bezieht sich der Willensmangel auf die Vertragsgrundlage. Die Willensäusserung entspricht dem WilIensentschIuss~ der Wille ist aber mangelhaft gebildet worden (Art. 24 Abs. 1 Ziffer 4 OR). Beispiel: Kauf eines Picassobildes stellt sich später als Fälschung heraus. • Ein Vertragspartner kann aber auch beim anderen Vertragspartner einen Irrtum hervorrufen oder einen bestehenden Irrtum durch Schweigen ausnützen. Eine solche Irreführung wird absichtliche Täuschung genannt (Art. 28 OR). Beispiel: Autohändler verkauft Unfallauto als unfallfrei. • Der Vertragsgegner oder ein Dritter kann stärker in die Willensbildung eingreifen, indem er durch Furchterregung zum Vertragsabschluss gedrängt wird (Art. 29 OR). Beispiel: Andreas droht Markus, das Haus von Markus anzuzünden, falls Markus keinen Kaufvertrag abschliesst. • Ferner kann ein offenbares Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung entstehen, indem eine Vertragspartei die wirtschaftliche oder persönliche Notlage, Unerfahrenheit oder Leichtsinn des anderen Vertragspartners wissentlich ausnützt. Diese Ausnützung der Schwäche des Vertragsgegners wird Übervorteilung genannt. Beispiel: Die Wucher AG gewährt Petra, die in Geldnot ist, ein Darlehen zu 50% Zins. Willensmängel führen nicht zur Nichtigkeit des Vertrages, sondern sind einseitig unverbindlich, d. h. der Irrende oder Getäuschte kann den Vertrag innert Jahresfrist anfechten. Verträge auf Arbeitsleistung Der Einzelarbeitsvertrag Der Einzelarbeitsvertrag ist ein häufiger Vertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Neben dem Obligationenrecht (Art. 321 ff OR) können als Rechtsquellen noch in Frage kommen: • Gesamtarbeitsvertrag (GAV): Es handelt sich um einen Vertrag zwischen Arbeitgebern oder Arbeitgeberverbänden einerseits und Arbeitnehmerverbänden (Gewerkschaften) andererseits. Der Gesamtarbeitsvertrag enthält gemeinsame Bestimmungen für die einzelnen Arbeitsverhältnisse (Art. 356 Abs. 1 OR). • Normalarbeitsvertrag (NAV): Es handelt sich nicht um einen Vertrag, sondern um eine Verordnung des Bundes oder des Kantons. Die NAV werden für Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern erlassen, die gewerkschaftlich nicht organisiert sind, z. B. für landwirtschaftliche Arbeitnehmer, Hausangestellte, Pflegepersonal (Art. 359 ff OR). Begriff und Abschluss Beim Arbeitsvertrag einigen sich die Parteien über (Art. 319 Abs. 1 OR) • Verpflichtung des Arbeitnehmers auf Zeit zur Leistung von Arbeit im Dienst des Arbeitgebers • Verpflichtung des Arbeitgebers zur Entrichtung eines Lohnes Der Arbeitsvertrag weist folgende drei Merkmale auf: • Zeitliche Bindung: Der Arbeitnehmer verpflichtet sich zu Arbeitsleistung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit. Die Art der Arbeit kann beliebig sein. Der Arbeitnehmer haftet nicht für den Arbeitserfolg; er stellt dem Arbeitgeber “nur“ seine Arbeitskraft auf Zeit zur Verfügung. • Unterordungsverhältnis: Der Arbeitgeber hat ein Anordungs- und Weisungsrecht, der Arbeitnehmer eine entsprechende Befolgungspflicht (Art. 321d OR). • Entgeltlichkeit: Der Lohn ist die Gegenleistung für die Arbeit. Er kann aufgrund der Zeit (Zeitlohn) oder der Leistung (Akkordlohn) ausgerichtet werden (Art. 319 Abs. 1OR). Der Arbeitsvertrag kann in beliebiger Form abgeschlossen werden. Im Arbeitsrecht gibt es viele zwingende Normen zugunsten des Arbeitnehmers, weil dieser oft die schwächere Partei ist. Der Einzelarbeitsvertrag Begriff und Entstehung Pflichten des Arbeitnehmers - Arbeitspflicht - Sorgfalts- und Treuepflicht - Rechenschafts- und Herausgabepflicht - Überstundenarbeit - Befolgung von Anordnungen und Weisungen - Haftung Pflichten des Arbeitsgebers - Lohn - Gratifikation - Ausrichtung des Lohnes - Lohn bei Verhinderung an der Arbeitsleistung Schuld Arbeitgeber Schuld Arbeitnehmer - Arbeitsgeräte und Material - Auslagen - Schutz der Persönlichkeit des Arbeitnehmers - Freizeit - Ferien - Jugendurlaub - Zeugnis Beendigung des Arbeitsverhältnisses OR 319, 320 OR321-321e OR 321 OR 321 a OR 321b OR 321c OR 321d OR 321e OR 322-330a OR 322 OR 322d OR 323 - 323b OR 324 OR 324a + b OR 327 OR 327a - c OR 328 OR329 OR 329a - d OR 329e OR 330a OR 334 - 340c Pflichten des Arbeitnehmers Hauptpflicht des Arbeitnehmers ist die Arbeitspflicht (Art. 319 Abs. 1 OR). Die Arbeit ist vertragsgemäss zu leisten. Die Arbeitspflicht ist höchstpersönlich, d.h. im Zweifel muss sie der Arbeitnehmer persönlich erfüllen (Art. 321 OR), und zwar nur gegenüber dem Arbeitgeber. Ferner hat der Arbeitnehmer unter gewissen Voraussetzungen die Pflicht zur Leistung von Überstundenarbeit (Art. 3210 Abs. 1 OR). Der Arbeitnehmer muss die ihm übertragene Arbeit sorgfältig ausführen und die berechtigten Interessen des Arbeitgebers in guten Treuen wahren (Art. 321 a OR). Aus dem Arbeitsverhältnis erfolgt demnach eine Treuepflicht für den Arbeitnehmer. Er ist verpflichtet, die berechtigten Interessen des Arbeitgebers nach Treu und Glauben zu wahren. Es findet deshalb eine Abwägung der berechtigten Interessen des Arbeitgebers gegen die berechtigten eigenen Interessen des Arbeitnehmers statt. Aus der Treuepflicht folgen: • Verbot der Schwarzarbeit (Art 321 a Abs. 3 OR): Schwarzarbeit ist die Konkurrenzierung des Arbeitgebers durch eine bezahlte Nebenbeschäftigung. • Geheimhaltungspflicht (Art. 321 a Abs. 4 OR): Sie gilt während des Arbeitsverhältnisses absolut, wird aber nachher gelockert, indem der Arbeitnehmer nur die berechtigten Interessen des Arbeitgebers berücksichtigen muss. • Rechenschafts- und Herausgabepflicht (Art. 321 b OR): Die Haftung des Arbeitnehmers ist im OR wie folgt geregelt: Art 321e Abs. 1 OR: Der Arbeitnehmer ist für den Schaden verantwortlich, den er absichtlich oder fahrlässig dem Arbeitgeber zufügt. Art 321e Abs. 2 OR: Das Mass der Sorgfalt, für die der Arbeitnehmer einzustehen hat, bestimmt sich nach dem einzelenen Arbeitsverhältnis, unter Berücksichtigung des Berufsrisikos, des Bildungsgrades oder der Fachkenntnisse, die zu der Arbeit verlangt werden, sowie der Fähigkeiten und Eigenschaften des Arbeitnehmers, die der Arbeitnehmer gekannt hat oder hätte kennen sollen. Pflichten des Arbeitgebers Die Hauptpflicht des Arbeitgebers ist die Lohnzahlungspflicht. Der Lohn kann wie folgt entrichtet werden: • Als Zeit- oder als Akkordlohn (Art 319 Abs. 1/326 / 326a OR) • Als Geld- oder als Naturallohn (Unterkunft und Verpflegung, Art. 322 Abs. 2 OR) • Als Erfolgsvergütung (Art 322a / 322b / c OR) - Anteil am ganzen Geschäftsergebnis - Anteil am einzelnen Geschäft; z. B. Provision des Vertreters. • Als Gratifikation: Ein Anspruch besteht nur bei ausdrücklicher oder stillschweigender Verabredung, z. B. an Weihnachten (Art 322d OR) Zu zahlen ist der vereinbarte oder der durch einen Gesamt- / Normalarbeitsvertrag bestimmte Lohn. Fehlt es an einer solchen Regelung, so ist der übliche Lohn zu zahlen (Art. 322 Abs. 1 OR). Der Arbeitnehmer ist im Zweifel vorleistungspflichtig. Er erhält den Lohn am Ende jeden Monats (Art. 323 Abs. 1 OR). Auch bei Verhinderung an der Arbeitsleistung ist der Lohn zu zahlen: • Bei verschuldetem oder unverschuldetem Annahmeverzug durch den Arbeitgeber, wobei der Arbeitnehmer nicht zur Nachleistung verpflichtet ist (Art. 324 OR). Beispiel: Der Betrieb steht still, weil Rohstoffe nicht geliefert wurden. • Bei unverschuldeter Verhinderung des Arbeitnehmers wie Krankheit (Art. 324 a / b OR). Ferner hat der Arbeitgeber eine allgemeine Fürsorgepflicht, d.h. er hat die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers nach Treu und Glauben zu wahren: • Pflicht zum Schutz von Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers, z .B. durch Gestaltung sicherer Arbeitsplätze (Art. 328 Abs. 2 / 328a OR) • Pflicht zur Gewährung von Freizeit und Ferien (Art. 329 - 329d OR) - Freizeit gemäss Art 329 OR: Mindestens ein freier Tag pro Woche, in der Regel der Sonntag, muss gewährt werden. - Ferien gemäss Art. 329 a - d OR: Der Mindestferienanspruch beträgt 4 Wochen, bei Jugendlichen bis zum 20. Altersjahr 5 Wochen. • Pflicht zur Abgabe von Arbeitsgeräten und von Material und zum Ersatz der Auslagen, z. B. der Reisespesen • Pflichten im Falle von Kautionsleistungen des Arbeitnehmers (Art. 330 OR) und des Bestehens von Personalfürsorgeeinrichtungen (z. B. Pensionskasse). • Pflicht zur Zeugniserteilung (Art. 330a OR). Im Falle von Pflichtverletzungen wird der Arbeitgeber schadenersatzpflichtig. Ordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses Der Arbeitsvertrag ist ein Dauerschuldverhältnis mit ständig wiederkehrenden Arbeitsleistungen und Lohnzahlungen. Die Beendigung eines solchen Arbeitsverhältnisses kann aus ordentlichen oder ausserordentlichen Gründen stattfinden. Ordentliche Beendigungsgründe sind: • Zeitablauf bei Arbeitsverhältnissen auf bestimmte Zeit. Stillschweigende Fortsetzung bedeutet eine Verlängerung auf unbestimmte Zeit (Art. 334 OR). • Kündigung bei Arbeitsverhältnissen auf unbestimmte Zeit (Art. 336 Abs 1 OR). Die Kündigungsfristen und -termine sind je nach Dauer des Arbeitsverhältnisses verschieden, wobei die gesetzliche Regelung Es gilt zu unterscheiden: - Probezeit (max. 3 Monate): Das Arbeitsverhältnis kann jederzeit mit einer Kündigungsfrist von 7 Tagen gekündigt werden (Art. 335b OR) - Nach Ablauf der Probezeit: Das Arbeitsverhältnis kann im 1. Dienstjahr mit einer Kündigungsfrist von einem Monat, im 2. bis 9. Dienstjahr mit einer Frist von 2 Monaten und nachher mit einer Frist von 3 Monaten je auf das Ende eines Monats gekündigt werden (Art. 335 c OR). Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis kann von jeder Vertragspartei jederzeit und ohne Grundangabe gekündigt werden. Der Kündigende muss die Kündigung schriftlich begründen, wenn die andere Partei dies verlangt (Art. 335 OR). Das Obligationenrecht kennt auch einen Kündigungsschutz. Eine Kündigung darf weder missbräuchlich sein noch zur Unzeit erfolgen: • Missbräuchliche Kündigung: Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist z. B. missbräuchlich, wenn eine Partei sie ausspricht - wegen einer Eigenschaft, die der anderen Partei Kraft ihrer Persönlichkeit zusteht. - weil die andere Partei ein verfassungsmässiges Recht ausübt. Beendigung des Arbeitsverhältnisses befristetes Arbeitsverhältnis unbefristetes Arbeitsverhältnis Kündigung - ordentliche Kündigung - während der Probezeit - nach der Probezeit - ausserordentliche (fristlose) Kündigung - ungerechtfertigte Entlassung - gerechtfertigte Entlassung Folgen - Recht auf Zeugnis - Rückgabepflicht - Geheimhaltungspflicht des Arbeitnehmers - Konkurrenzverbot - Ferienansprüche - Lohnansprüche (inkl. Gratifikation) - Verjährung - Kündigungsschutz - Missbräuchliche Kündigung - Gründe - Folgen - Verfahren - Folge: Entschädigung - Kündigung zur Unzeit (Sperrfristen) - durch Arbeitgeber während Militärdienst Krankheit, Unfall Schwangerschaft Hilfsaktion - durch Arbeitnehmer Folge: Nichtigkeit Eine abschliessende Aufzählung findet sich in Art. 336 OR. OR 334 – 440c OR 334 OR 335 - 335c OR 335 - 335c OR 335b OR 3350 OR 337 - 337d OR 337c OR 337b OR 330a OR 339a OR 321a IV OR 340 - 340c OR 329 d III OR 322 ff. OR 128 Pt. 3, OR339 OR 336 - 336d OR 336 - 336b OR 336 OR 336a OR 336b OR 336a OR 2360: 336d OR 336c OR 336d OR 336c II Sollte bei einer missbräuchlichen Kündigung keine Einigung über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zustande kommen, so hat die Partei, der missbräuchlich gekündigt wurde, ein Schadenersatzanspruch von max. 6 Monatsgehältern (Art. 336 a / b OR). • Kündigung zur Unzeit: Eine Kündigung zur Unzeit ist nichtig, wenn z.B. der Arbeitgeber eine Kündigung ausspricht - während der Arbeitnehmer Militärdienst leistet. - während der Arbeitnehmer ohne eigenes Verschulden durch Krankheit oder Unfall an der Arbeitsleistung verhindert ist während einer im Gesetz festgelegten Zeit. - während der Schwangerschaft und in den 16 Wochen nach der Niederkunft einer Arbeitnehmerin. Im übrigen wird auf die Artikel 336 c / d OR verwiesen. Ausserordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses Als ausserordentliche Beendigungsgründe gelten die fristlose Auflösung und der Tod des Arbeitnehmers. • Fristlose Auflösung: Voraussetzung für die fristlose Entlassung ist das Vorliegen eines wichtigen Grundes. Ein wichtiger Grund liegt namentlich vor, wenn das Abwarten der ordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar, d. h. unerträglich ist (Art. 337OR). Beispiele: Diebstahl, Unpünktlichkeit im Wiederholungsfall und nach Verwarnungen Die fristlose Kündigung hat unverzüglich zu erfolgen. Zögern nach Kenntnisnahme bedeutet Verzicht auf fristlose Auflösung. • Tod des Arbeitnehmers: Die Lohnzahlungspflicht an bestimmte Hinterbliebene dauert aus sozialen Gründen noch 1 bis 2 Monate weiter (Art. 338 OR). Der Werkvertrag Begriff Durch den Werkvertrag verpflichtet sich der Unternehmer zur Herstellung eines Werkes, der Besteller zur Leistung einer Vergütung (Art. 363 OR). Zumeist handelt es sich um körperliche Werke, z. B. die Errichtung eines Hauses oder Reparatur einer Heizungsanlage. Unstreitig ist heute, dass das Werk auch unkörperlich sein kann, z. B. die Arbeit eines Geometers, eine Theater- oder Konzertaufführung. Der Unterschied zum Arbeitsvertrag besteht darin, dass beim Werkvertrag ein Werk, d.h. ein Arbeitserfolg geschuldet wird und beim Arbeitsvertrag der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft für eine bestimmte Zeit zur Verfügung stellt. Der Arbeitnehmer steht in einem Subordinationsverhältnis (= Unterordnungsverhältnis) zum Arbeitgeber, was zwischen Besteller und Unternehmer nicht zutrifft. Ferner kann der Besteller jederzeit vom Vertrag zurücktreten. Beim Arbeitsvertrag kann nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes fristlos gekündigt werden. Pflichten des Unternehmers Der Unternehmer muss das vertraglich vereinbarte Werk herstellen (Art. 363 OR). Bei Nichterfüllung und Verzug haftet der Unternehmer analog dem Arbeitnehmer, wonach Berufsrisiko, Bildungsgrad und Fachkenntnisse zu berücksichtigen sind (Art. 364 Abs. 1 OR). Für Werkmängel besteht beim Werkvertrag eine verschuldensunabhängige Haftung. Voraussetzungen der Sachmängelhaftung sind: • Werkmangel im Zeitpunkt der Ablieferung: Ein Werkmangel liegt vor, wenn das Werk nach der Verkehrsanschauung fehlerhaft ist, z. B. zu poröser Beton, undichtes Dach, mangelhafte Reparatur eines Autos (Art. 368 OR). • Mängelrüge (Art. 367 OR): Nach Ablieferung des Werkes hat der Besteller das Werk zu prüfen und offenkundige Mängel sofort dem Unternehmer mitzuteilen. Diese Prüfungs- und Rügepflicht gilt nur für offene Mängel. Versteckte Mängel, also solche, die bei Abnahme und ordnungsgemässer Prüfung nicht erkennbar waren oder erst später zutage getreten sind, müssen sofort nach Entdeckung gerügt werden (Art. 370 Abs. 3OR). • Wahlrecht des Bestellers: Sind nun tatsächlich Mängel aufgetreten, hat der Besteller gegenüber dem Unternehmer ein Wahlrecht. Der Besteller kann Wandelung, Minderung oder Nachbesserung verlangen. Der Werkvertrag OR 363 - 379 Begriff Wirkungen Pflichten des Unternehmers - im allgemeinen - Betreffend des Stoffe - Rechtzeitige Vornahme und vertragsgemässe Ausführung - Haftung für Mängel Feststellung der Mängel Recht des Bestellers bei Mängeln. Verantwortlichkeit des Bestellers Genehmigung des Werks Verjährung Pflichten des Bestellers - Fälligkeit der Vergütung - Höhe der Vergütung Feste Übernahme . Festsetzung nach dem Wert der Arbeit Beendigung Rücktritt wegen Überschreitung des Kostenansatzes Untergang des Werks Rücktritt des Bestellers gegen Schadloshaltung Unmöglichkeit der Erfüllung aus Verhältnissen des Bestellers Tod und Unfähigkeit des Unternehmers . • OR 363 OR 364 - 374 OR364-371 OR367 OR368 OR 369 OR370 OR 371 OR372~374 OR 373 OR 374 OR375 - 379 Wandelung: Wandelung bedeutet Aufhebung des Vertrages und Rückforderung der erbrachten Leistung. Wandelung setzt erhebliche Mängel voraus, welche die Annahme für den Besteller unzumutbar machen (Art. 368 Abs. 1 OR). Bei Werken, die auf dem Grundstück des Bestellers errichtet worden sind und die ihrer Natur nach nur mit unverhältnismässigen Nachteilen entfernt werden können, ist Wandelung ausgeschlossen (Art. 368 Abs. 3 OR). Die Rückgewähransprüche sind Zug um Zug zu erfüllen. • Minderung: Bei minder erheblichen Mängeln kann der Besteller Minderung verlangen (Art. 368 Abs. 3 OR). Wandelung ist hier ausgeschlossen. Die Vergütung ist entsprechend dem mangelhaften Minderwert des Werkes herabzusetzen. • Nachbesserung: Voraussetzung hierfür ist, dass dem Unternehmer keine übermässigen Kosten entstehen. Übermässig sind Kosten, die in einem Missverhältnis zu dem Nutzen stehen, den die Mängelbeseitigung dem Besteller bringt, d.h. wenn der Nutzen im Verhältnis zu den Kosten gering ist. Für die Nachbesserung ist dem Unternehmer eine angenehme Frist zu setzen. Schlägt die Nachbesserung fehl, so leben die anderen Ansprüche des Bestellers wieder auf, d.h. er kann wandeln oder mindern, bzw. bei Verschulden Schadenersatz verlangen. Im Gegensatz zum Besteller steht dem Unternehmer kein Nachbesserungsrecht zu. In Analogie zum Kaufrecht beträgt die Verjährungsfrist ein Jahr für bewegliche Sachen und 5 Jahre für Bauwerke (Art. 371 OR). Die Frist beginnt mit der Abnahme des Werkes, ohne Rücksicht auf die Entdeckung oder die Erkennung des Mangels. Pflichten des Bestellers Der Besteller muss das Werk entgegennehmen und abnehmen, d.h. das Werk als vertragsgemäss genehmigen. Mit der Abnahme entfallen alle Ansprüche wegen Mängeln, die bei ordnungsgemässer Prüfung erkennbar waren und nicht arglistig verschwiegen worden sind. Nimmt der Besteller das Werk tatsächlich entgegen, so liegt darin eine stillschweigende Genehmigung - also eine Abnahme - wenn er die nach Art. 367 OR vorgesehene Prüfungs- und Rügeobliegenheit unterlässt. Der Werkvertrag ist entgeltlich, d.h. der Besteller ist verpflichtet, bei Ablieferung des mangelfreien und vertragsgemässen Werkes den Werklohn zu bezahlen. Ablieferung und Zahlung erfolgen Zug um Zug. Wenn kein Werklohn bestimmt ist, ist er nach Massgabe des Wertes der Arbeit und der Aufwendungen festzusetzen; auch ein angemessener Unternehmergewinn ist zu berücksichtigen. Hat der Unternehmer einen nicht bindenden, ungefähren Kostenvoranschlag erstellt, so kann der Besteller bei unverhältnismässiger Überschreitung vom Vertrag zurücktreten. Die Grenze liegt bei 10%. Allgemeine Geschäftsbedingungen Begriff Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) sind dispositver Natur, d. h. sie sind nicht zwingend vorgeschrieben im Obligationenrecht, sondern können durch die Parteien vereinbart werden. Meistens stellt die eine Partei einen Katalog von Regeln auf, nach welchen sie bereit ist, Geschäfte oder eine bestimmte Art von Geschäften abzuschliessen und standardisiert sie. Diese Standardbedingungen oder Allgemeine Bedingungen werden durch die Annahme des Geschäftspartners integrierender Bestandteil des Vertrages und somit rechtlich verbindlich. Oft werden Regeln geschaffen in AGB‘S, die zuungunsten einer Partei ausfallen. Als Beispiel sei auf die sogenannten Freizeichnungsklauseln verwiesen, mit denen der Verkäufer seine Haftung mehr oder weniger beschränkt. Dennoch sind diese Freizeichnungsklauseln restriktiv zu interpretieren: Nach der sogenannten Unklarheitenregel wird eine unklare Vertragsbestimmung zuungunsten desjenigen ausgelegt, der sie formuliert bzw. verwendet hat. Die Auslegung der Normbestimmungen ist im Streitfall dem Richter vorbehalten. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind im Geschäftsverkehr häufig anzutreffen: • im Leasinggeschäft • bei Bauarbeiten (SIA-Norm 118) • in der Maschinenindustrie (Bedingungen des VSM) • in der Tourismusbranche Beispiele aus der Praxis Die SIA-Norm 118 Die SIA-Norm 118 ist ein privates Regelwerk, das der Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein (SIA) herausgibt. Gegenstand der SIA-Norm 118 ist der Bauwerkvertrag, welcher eine Erscheinungsform des Werkvertrages darstellt. Nach SIA-Norm 118 gibt es nun einige wichtige Änderungen zum OR. Gemäss OR hat der Besteller bei einem Werkvertrag das Wahlrecht der Wandelung, Minderung oder Nachbesserung. Nach SIA-Norm 118, Art. 169 hat der Besteller zunächst nur ein Recht auf Nachbesserung. Die übrigen Rechte (Wandelung, Minderung) leben aber nach erfolglosem Ablauf der Frist wieder auf. Ferner gibt es bei der SIA-Norm 118 eine Garantiefrist, welche im OR nicht enthalten ist. Die zweijährige Garantiefrist hat nur die Bedeutung einer Rügefrist (SIA-Norm 118 Art. 172). Dies bedeutet eine Besserstellung gegenüber Art. 367 / 370 OR, wonach die Prüfungs- und Rügepflicht unmittelbar nach Abnahme des Werkes erfolgen muss. Mit Ablauf der Garantiefrist erlischt das Recht, vorher entdeckte Mängel zu rügen. Versteckte Mängel sind sofort ab Entdeckung analog dem OR zu rügen. Beilage 2 zeigt ein Beispiel zur “Garantiezeit SIA“ für die Inbetriebsetzung und Abnahme von Haustechnikanlagen (Quelle: Inbetriebsetzung und Abnahme von Haustechnikanlagen, Bundesamt für Konjunkturfragen, 1989). Allgemeine Geschäftsbedingungen auf dem Gebiet der Maschinenindustrie In der Maschinenindustrie ist es üblich, Geschäfte mit vorformulierten Standardverträgen abzuschliessen. Insbesondere stellen diese privatautonomen Abmachungen im nationalen als auch internationalen Handel eine enorme Erleichterung für den Geschäftsablauf dar, weil dadurch Lücken im Privatrecht mittels AGIB‘S geschlossen werden können. Für die Schweiz sind die “Allgemeinen Lieferbedingungen für Maschinen und Anlagen“ sowie die “Allgemeinen Montagebedingen 1996“ des Vereins Schweizerischer Maschinenindustrieller (VSM) von Bedeutung (siehe Anhang). Typisch für die Gewährleistung bei den Geschäftsbedingungen des VSM ist die Nachbesserungspflicht für den Lieferanten / lnstandhalter / Monteur innerhalb einer bestimmten Garantiefrist. Wie bei der SIA-Norm 118 werden hier auch Garantiefristen vereinbart. Dies ist, wie bereits oben erwähnt, eine Besserstellung gegenüber der gesetzlichen Regelung, bei der Mängel nur bei sofortiger Prüfung und Rüge geltend gemacht werden können.