Mögliche Prüfungsfragen Blockkurs Rechtsmedizin 1. Medizin 1. Warum ist Rechtsmedizin für jeden Arzt wichtig? Jeder Arzt ... muss in der Lage sein, eine Leichenschau durchzuführen ... muss in der Lage sein, einen Totenschein korrekt auszufüllen ... sollte Traumata und die dazugehörigen anamnestischen Angaben richtig einschätzen können (z.B. multiple Hämatome unterschiedlichen Alters bei nur einem Sturzereignis) ... sollte unterschiedliche Intoxikationen und deren Folgen beurteilen können 2. Definition des nicht natürlichen Todesfalles? „Nicht - natürlich“ ist ein Todesfall, der auf ein von außen verursachtes, ausgelöstes oder beeinflusstes Geschehen zurückzuführen ist. Dies ist unabhängig von der Verschuldensfrage, weswegen auch Unfälle oder Suizide zu den „nicht - natürlichen Todesfällen gerechnet werden. 3. Aufgaben bei der ärztlichen Leichenschau? Feststellung des Todes Feststellung der Todesart Feststellung der Personalien Feststellung der Todesursachen Feststellung der Todeszeit Feststellung des Grundleidens 4. Meldewesen bei der Leichenschau? Im Rahmen der Leichenschau unterliegt der Arzt einer Meldepflicht bei ... nicht natürlichem oder ungeklärtem Tod (→ Polizeibehörde) unbekannten Toten (→ Polizeibehörde) bestimmten ansteckenden Krankheiten (→ Gesundheitsbehörde) 5. Wie stellt der Arzt sicher den eingetretenen Tod fest? (3 sichere Todeszeichen!) Totenstarre Leichenflecken Fäulnis / Verwesung Verletzungen, die mit dem Leben nicht vereinbar sind (“Kopf ab”) 6. Scheintod- Definition, Vorkommen Beim Scheintod (Vita minima / Vita reducta) ist der Betroffene bewußtlos und scheinbar ohne Lebenszeichen wie Puls oder Atmung. Es fehlen aber auch die sicheren Todeszeichen. Man findet diesen Zustand besonders bei Vergiftungen oder bei der Unterkühlung. 7. Definition Klinischer Tod, Individualtod, Hirntod, Organtod? Klinischer Tod Reversibler Atemstillstand bei Puls- und Bewußtlosigkeit, Zyanose und weiten, lichtstarren Pupillen. Individualtod Irreversibler Herzstillstand und / oder irreversibler Hirnausfall, nicht reanimierbar, aber an Herz-Lungenmaschine am „Leben“ zu erhaltender Organismus. Hirntod Unter dem Begriff Hirntod versteht man den irreversiblen Gesamtausfall der Funktion des Groß – und Kleinhirns sowie des Hirnstamms bei einer durch kontrollierte Beatmung künstlich noch aufrechterhaltenen Herz-Kreislauffunktion. Mit dem Hirntod ist naturwissenschaftlich-medizinisch der Tod des Menschen festgestellt. Organtod Endgültiger Funktionsausfall der Organe und Organsysteme. 8. Todesarten? Unterschied Todesart-Todesursache? Todesarten: natürlich nicht natürlich ungeklärt Die Todesart bezeichnet, ob es sich um einen natürlichen oder nicht natürlichen Tod handelt. Die Todesursache konkretisiert diesen Sachverhalt, indem beschrieben wird, ob es sich z.B. um eine Schussverletzung oder einen Herzinfarkt handelt. 9. Strenge Definition des natürlichen Todes Ein „natürlicher“ Tod ist ein Tod aus krankhafter Ursache, der völlig unabhängig von rechtlich bedeutsamen äußeren Faktoren eingetreten ist. 10. Was versteht man unter Todesursache? Eine Todesursache ist Etwas, das den Tod eines Menschen hervorgerufen hat. Beim natürlichen Tod kann das z.B. ein Herzinfarkt oder ein Apoplex sein, beim nicht natürlichen Tod z.B. Schuss – oder Stichverletzungen, stumpfe Gewalt oder ein Schütteltrauma. Hierbei ist zu beachten, dass auch vermeintlich natürliche Todesursachen wie eine Lungenembolie durchaus nicht - natürlichen Ursprungs sein können. Beispiel: Autounfall → lange Bettlägerigkeit → tiefe Beinvenenthrombose → Lungenembolie → Tod 11. Was sind die wichtigsten Hilfsmittel für die Todeszeitbestimmung? Verhalten der Totenflecken nach 20 - 30 Minuten Erstes Auftreten bis ca. 3 - 4 Stunden post mortem Totenflecken wegstreichbar bis ca. 20 - 30 Stunden post mortem auf kräftigen Fingerdruck verdrängbar Verhalten der Totenstarre nach ca. 2 - 3 Stunden erstes Auftreten (bei normaler Raumtemperatur) bis ca. 8 Stunden zunehmend schwerer überwindbar nach 8 Stunden Vollständige Ausbildung nach ca. 2 - 3 Tagen (Temperaturabhängig) spontane Lösung durch Autolyse Auskühlung In den ersten 2 Stunden postmortal praktisch keine Abkühlung (Plateaubildung) steilerer Abfall bis ca. 27 Grad, flacherer Abfall bis zur Angleichung an Außentemperatur (S-förmiger oder sigmoidaler Kurvenverlauf). Faustregel nach 2. Stunde p.m.: Abfall von 0,5 - 1 Grad Celsius pro Stunde. Muskelreaktion auf mechanischen oder elektrischen Reiz Schlag auf Armmuskel mit schwerem Reflexhammer: Auslösung einer lokalen Muskelkontraktion (idiomuskulärer Wulst) definierte elektrische Reizung der mimischen Gesichtsmuskulatur bis ca. 8 - 10 Std. post mortem bis ca. 15 Std. post mortem Beurteilung des Mageninhaltes Der Füllungszustand des Magens und der Verdauungszustand der Speisen können bei bekannter letzter Mahlzeit zur groben Schätzung der Todeszeit herangezogen werden. Kriminalistische Todeszeitschätzung aufgeschlagenes TV-Programm letzte Leerung des Briefkastens neueste Zeitungen in der Wohnung letzter Gebrauch von passwortgeschütztem Computer/Handy 12. Obduktionsindikationen? Jeder Todesfall mit möglicher Fremdverantwortung (z.B. beim Unfall im Strassenverkehr) Bei jedem, auch beim "klaren" Tötungsdelikt mit "geständigem" Täter. Möglicher Zusammenhang zwischen vorausgegangener Gewalteinwirkung und Todeseintritt (z.B. Spättodesfälle nach einer Schlägerei) Mögliche Hinweise auf Veränderungen an oder im Umfeld der Leiche (z.B. nicht lagegerechte Totenflecken) Bei ungeklärter Todesart Bei plötzlichem Tod im Säuglingsalter (z.B. Ausschluss von Fremdeinwirkung, vor allem Schütteltrauma) Beim plötzlichen und unerwarteten Tod ohne Hinweise auf eine Erkrankung Bei sog. "Problemleichen" (z.B. Eisenbahn - , Wasser - , Brandleiche) Bei nicht identifizierten Leichen Beim plötzlichen Tod am Steuer eines Fahrzeuges (auch wichtig für Angehörige wegen Leistungen einer Unfallversicherung). 13. Frühe und späte postmortale Veränderungen? Frühe postmortale Veränderungen Totenstarre Leichenflecken Fäulnis / Verwesung Späte postmortale Veränderungen Fäulnis Mumifikation Autolyse Skelettierung Verwesung Fettwachsbildung 14. Was verstehen Sie unter einer agonalen Verletzung? Unter agonalen (= kämpferisch) Verletzungen versteht man solche, die während des Todeseintrittes entstanden sind. Sie weisen nur ganz diskrete Vitalzeichen auf. 15. Was verstehen Sie unter einer Vitalreaktion? Unter Vitalreaktionen versteht man Befunde, die darauf hinweisen, dass die schädigende Einwirkung auf den Körper während des Lebens stattgefunden hat. 16. Was ist eine supravitale Erscheinung? Supravitale (= überlebend) Erscheinungen sind solche, die nach dem Eintritt des Individualtodes, aber noch vor dem Absterben der letzten Zelle zu finden sind. Reaktion der Skelettmuskulatur auf elektrische oder mechanische Reize Pupillenreaktion auf Augentropfen (Mydriatica bzw. Myotica) Fortbestehen der Reagibilität des Blutgerinnungssystems oder der Spermien 17. Was verstehen Sie unter einer braunen Hautvertrocknung? Bei einem Verstorbenen sind frische Exkoriationen (Abschürfungen) häufig schwierig zu erkennen. Nach einem Zeitraum von mehreren Stunden entwickeln sie sich jedoch zu einer lederartigen, bräunlichen Vertrocknung. Man geht davon aus, dass die Verdunstung von Gewebsflüssigkeit hierfür verantwortlich ist. 18. Welches sind die Kriterien der Quetschwunde? Bei einer Quetschung wird das Weichteilgewebe zwischen zwei harten Gegenständen so fest zusammengedrückt, dass Blutgefäße geschädigt werden und so Blut in das umgebende Gewebe übertritt. Zudem können Muskulatur, Nerven, Sehnen oder Bänder geschädigt werden. Bei großer Gewalteinwirkung Öffnung der Haut: o unregelmäßig gezackte und oftmals zerfetzte, blutunterlaufene Wundränder o Schürfungssäume um die Wunde herum o Gewebsbrücken in der Tiefe o Unterminierung der Wundränder Hohe Infektionsgefahr bei offenen Quetschwunden Formen: Linear, mehrstrahlig, U-förmig, etc. 19. Was eignet sich besser zur Rekonstruktion des Tatwerkzeuges: ein Hämatom oder eine intracutane Blutung? Intracutane Blutungen sind geformte Hauteinblutungen und können als Positiv-„Abdruck“ (z.B. Schuhsohle) oder Negativ-„Abdruck“ (z.B. Doppelkontur bei Stockhieb) genutzt werden. Hämatome dagegen breiten sich diffus aus und eignen sich daher weniger zur Rekonstruktion des Tatwerkzeugs. 20. Wie lassen sich Sturz- von Schlagverletzungen am Kopf unterscheiden? Wird auf einen fixierten Kopf geschlagen, sind Schädel - und / oder Gehirnläsion auf derselben Seite. Bei der Sturzverletzung wird der fallende Kopf durch den Aufprall unvermittelt gebremst. Daher findet sich eine Gehirnläsion gewöhnlich auch auf der kontralateralen Seite (siehe Frage 21). Die „Hutkrempenregel“ besagt, dass ein Schlag eine Verletzung über der Hutkrempe, der Sturz dagegen eine Verletzung unter der Hutkrempe hervorruft. Dies gilt allerdings nur bei einem Sturz auf ebener Erde. 21. Was ist ein Contre-Coup? Coup (Aufprallseite) – Schädigung des Hirngewebes am Ort des Aufpralls, die Kalotte bewegt sich zum Hirngewebe hin. Beim Contre-coup (dem Aufprall gegenüberliegenden Seite) bewegt sich das Hirn beim Dezelerationstrauma (= komplexes Verletzungsmuster nach Sturz aus der Höhe) zum Schädelknochen hin. Dabei können die Contre-coupVerletzungen oft größer sein, als die Läsionen beim Coup. Wichtigster Mechanismus ist dabei der Druck bzw. Unterdruck durch den Aufprall, der sich im gesamten Schädelinnenraum verteilt und so eine direkte Druckschädigung des Gehirns und Zerreißungen der Blutgefäße verursachen kann. 22. Welche Formen der Schädelbrüche kennen Sie und wie kommen sie zustande? Arten der Schädelfrakturen a) geformte Brüche (Impressionen) b) als Übergangsformen zwischen geformten und ungeformten Brüchen, die „Terrassenbrüche“ c) ungeformte Brüche (Biegungs- und Berstungsbrüche) (O. Prokop, 1975) Lochbruch, geformter Bruch Bei Schlag oder Sturz auf eine kleine Fläche wird ein Teilstück des Schädelknochens wie ausgestanzt in das Innere des Schädels gedrückt Terrassenbruch Ein Teil des Schädelknochens wird wie bei einem Lochbruch ausgestanzt, an einer Seite dagegen brechen kleine parallele Teilstücke aus der Schädelkalotte und bilden terrassenstufenartig eine Verbindung zwischen der ursprünglichen Schädeloberfläche und dem eingedrückten Knochenstück Die betroffene Fläche ist größer als 4x4 cm Biegungsbruch Der Schädel wird an der Stelle des Aufschlages eingebogen Die Fraktur ist auf die Biegeüberlastung der Tabula externa zurückzuführen und verläuft kreisbogenförmig um die Aufprallfläche herum Berstungsbruch Die Einwirkung der stumpfer Gewalt erfolgt flächenhaft. So kommt es zur Verformung des ganzen Schädels und nicht wie beim Biegungsbruch nur eines Schädelteils. Es entstehen sternförmige Frakturlinien, wobei auch Fragmente eingedrückt werden können. 23. Welche Formen von traumatischen intrakraniellen Blutungen kennen Sie und wie entstehen sie meistens? Formen der intrakraniellen Blutung: epidural = zwischen harter Hirnhaut und Knochen subdural = zwischen weicher und harter Hirnhaut subarachnoidal = zwischen weicher Hirnhaut und Gehirn Ursachen: Bei jungen Patienten bis zum 30. Lebensjahr stellen Verkehrsunfälle die häufigste Ursache für ein Schädelhirntrauma dar. Bei den über 70jährigen sind es vor allem Stürze, die zu intrakraniellen Blutungen führen können. Stürze findet man allerdings auch bei jüngeren Menschen mit Alkoholproblem. Da bei ihnen häufig die Schutzreflexe außer Kraft gesetzt sind, kommen Stürze mit Aufprall auf den Kopf vermehrt vor. Ist die Gerinnung durch einen Leberschaden gestört, wird die intrakranielle Blutung dadurch begünstigt und verkompliziert. Weitere Ursachen sind: o Arbeits- und Sportunfälle o Unfälle im häuslichen Umfeld o perforierende Verletzungen (z. B. Schussverletzungen) o stumpfe Gewalt (z. B. Schlag). 24. Was verstehen Sie unter einem Schütteltrauma? Das Schütteltrauma ist eine Form der Kindesmisshandlung, die äusserlich meist keine Verletzungen hinterlässt. Als Motiv wird durchweg ein nicht stillbares Schreien eines Säuglings angegeben. Das Problem besteht darin, dass der Kopf des Säuglings groß und schwer ist, jedoch ungenügend durch Muskeln gehalten wird. Beim Schütteln kommt es zu einer hohen Winkelbeschleunigung. Es kommt zu einem Rotationstrauma des Kopfes mit … Zerreissung von Brückenvenen subduralen Blutungen schweren diffusen Hirnschädigungen → Hirndrucksteigerung Praktisch beweisend für ein Schütteltrauma sind Netzhautblutungen. Circa 25 % der geschüttelten Kinder versterben, von den Überlebenden behalten rund 75% bleibende Schäden. 25. Was ist die rechtsmedizinische Aufgabe beim tödlichen Verkehrsunfall? Einschätzung medizinischer Unfallursachen wie Krankheit oder Medikamenten – bzw. Drogenabusus Rekonstruktion des Unfallgeschenes Herstellung eines Zusammenhangs zwischen Unfall und Tod (möglicherweise ist der Unfall ja durch einen plötzlichen Herzstillstand hervorgerufen worden und war daher nicht die Todesursache) Beurteilung, ob Schutzvorrichtung wie Sicherheitsgurte gebraucht wurden (ggf. rühren schwerere Verletzungen von deren Nicht-Gebrauch her) Einschätzung, wer der Lenker des Fahrzeugs war (ggf. könnte dem Nicht – Überlebenden die Schuld zugewiesen werd, um Straffreiheit zu erreichen) 26. Wo sind typische Verletzungen bei einem angefahrenen Fußgänger zu finden? Anprallverletzung meist am Unterschenkel durch Kontakt mit der Stossstange unter Umständen ist auch die Hüfte und / oder Oberschenkel durch Kotflügel oder Motorhaube betroffen Aufprallverletzung Hier stehen in erster Linie Verletzungen des Kopfes durch Aufprall an die Windschutzscheibe oder den Dachrand im Vordergrund Sekundäre Sturzverletzung Sie entstehen durch den „Abwurf“ auf die Strasse 27. Wie können Sie eine Stich- von einer Schnittwunde unterscheiden? Stich Schnitt tiefer als lang länger als tief Wundränder scharf, glattwandig, keine Gewebebrücken Wundwinkel bei doppelschneidigem Wundwinkel spitz und ausgezogen Werkzeug beidseits spitz, bei ein schneidigem Werkzeug an der Seite des Messerrückens abgerundet 28. Warum ist der Pulsaderschnitt oft nicht tödlich? Der Pulsaderschnitt ist oft nicht tödlich, weil Querschnitte am Handgelenk ausgeführt werden. Man muss sehr tief schneiden, um eine Arterie zu verletzen. Hinzu kommt, dass Arterien unter einer Längsspannung stehen, so dass sich die durchtrennte Arterie an den Rändern einrollt, was die Blutung zum Stillstand bringen kann. 29. Was sind Probier- oder Zauderschnitte / -stiche? Probier- oder Zauderschnitte / - stiche sind nicht tödliche Verletzung, die ein Mensch mit Suizidabsicht zur Prüfung der Schmerzempfindlichkeit und zur Überwindung der psychologischen Hemmschwelle vornimmt. 30. Welche Todesursachen kommen Ihnen beim Halsschnitt in den Sinn? Verbluten Aspiration von Blut Luftembolie bei Verletzung einer Halsvene 31. Was versteht man unter halbscharfer Gewalt? Im Gegensatz zur scharfen Gewalt, bei der scharfe oder spitze Gegenstände wie Messer oder Scheren genutzt werden, entsteht halbscharfe Gewalt durch das Einwirken z.B. von Äxten oder Hacken und entspricht eher einer Hiebverletzung. 32. Wie unterscheiden Sie den Einschuss vom Ausschuss? Ein Durchschuss hinterlässt im Körper ein Einschussloch, einen Schusskanal und eine Ausschussöffnung. Charakteristika des Einschusses Das Einschussloch ist in der Regel rund, kann aber auch oval sein, falls das Projektil schräg auftrifft. An das trifft das Einschussloch schließt sich der Abstreifring an. Hier werden werden Öl – oder Schmutzreste, die im Waffenlauf auf das Projektil übertragen wurden abgestreift, das Projektil reinigt sich quasi. Ein Abstreifring kann fehlen, wenn das Projektil vorher durch Kleidung o.ä. gegangen ist. Die Ränder des Einschussloches trocknen ringförmig ein. Man bezeichnet sie dann Vertrocknungs- oder Schürfsaum. Dieser Bereich entsteht durch die Freisetzung kleinster Gewebeteilchen beim Eindringen in die Haut. Außerhalb des Schürfsaums kann es zusätzlich zur Entstehung eines Kontusionssaumes kommen, der durch Zerreissung von Blutgefäßen entsteht. Ein weiteres Zeichen für einen Einschuss ist (sofern der Schuss durch die Kleidung ging) die Einschleppung von Textilfasern in den ersten Anteil des Schusskanals. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass bei einem Schuss mit einem Hochgeschwindigkeitsgeschoss auch Textilfasern im Ausschussloch gefunden werden können. Charakteristika des Ausschusses Das Ausschussloch kann in ihrer Größe (manchmal die Ausschussöffnung größer als die Einschusswunde) und Form (rund, oval bis mehrstrahlig) sehr variabel sein. Es entsteht kein Substanzdefekt, d.h. wenn man die Hautfetzen im Ausschussbereich zusammensetzt (Adaptierbarkeit!), ist die Hautdecke wieder geschlossen. Im Gegensatz zum Einschuss sind die Wundränder der Ausschussöffnung adaptierbar. Bei platten Knochen kann es zu einer richterförmige Erweiterung des Schusskanals nach aussen kommen. Im Übrigen ist eine Ausschussöffnung am Fehlen der oben genannten Charakteristika des Einschusses zu erkennen. 33. Was sind sichere Einschusszeichen? Sichere Einschusszeichen sind ... Abstreifring / Randschwärzung um den Substanzdefekt: Abstreifung von Schmutz auf dem Projektil Pulverschmauch (grau-schwarz, „metallisch“) Stanzmarke beim absoluten Nahschuss 34. Was ist ein absoluter, was ein relativer Nahschuss und was ein Fernschuss? Absoluter Nahschuss: Waffe wird aufgesetzt Relativer Nahschuss: Distanz etwa 1 m Fernschuss: Distanz mehr als 1 m 35. Was entscheidet über die Grösse des Ausschusses? Größe und Form der Ausschusswunde können stark variieren. So ist die Ausschusswunde oft größer als das Einschussloch. Der Grund hierfür liegt einerseits in einer möglichen Verkantung oder Deformierung des Projektils. Außerdem können mitgerissene Gewebeteile (im besonderen Knochensplitter) die Größe und Gestalt der Ausschussöffnung beeinflussen. 36. Wie asservieren Sie exzidierte Ein- und Ausschlusslücken ? Schussdefekte im Bereich der Bekleidung nicht zerstören (z.B. durch Aufschneiden) Projektile sollte man nicht mit Metallpinzetten erntfernen, da sonst ihr waffenspezifisches Erkennungmuster verändert werden könnte Fotosdokumentation der Wunden mit Massstab Großzügige Ausschneidung von Schusswunden, dabei sollten sie am oberen ende mit einem Faden markiert werden, um später die Lage im Körper nachvollziehen zu können Da die Gefahr einer Schrumpfung besteht, sollten die Exzisate nicht in Formalin eingelegt, sondern in NaCl-feuchte Gaze eingewickelt und dann in einem Kühlschrank gelagert werden 37. Was verstehen Sie unter einem Bolustod? Verklemmt sich beim Schlucken ein großer Bissen so im Hals, dass er auch durch heftiges Husten nicht mehr gelöst werden kann, kann es durch vagale Reizung des Kehlkopfes oder des Rachens zu einem plötzlichen reflektorischen Herz- Kreislaufstilland kommen. Dies geschieht im Gegensatz zum Ersticken blitzartig und wird als Bolustod bezeichnet. 38. Welche Formen des Erstickens kennen Sie? Form Beispiel Sauerstoffmangel in Aussenluft Kind im Kühlschrank Verlegung der Atemwege durch Plastiksack um den Kopf, Knebel Behinderung des Gasaustauschs in der Lunge durch Aspiration oder Ertrinken Behinderung des Gasaustauschs in der Lunge durch Aspiration oder Ertrinken Behinderung der Thoraxexkursion durch Verschüttung Toxisch durch Muskelrelaxantien oder Kampfgifte „inneres Ersticken“ durch Vergiftung mit Kohlenmonoxid beidseitiger Pneumothorax Strangulation 39. Welche Formen der Strangulation kennen und wie unterscheiden sie sich hinsichtlich Befunden? → Formen Erhängen Erdrosseln Erwürgen → Äusserliche Befunde Strangmarke (Schürfung und Vertrocknung) / Strangfurche (vertiefter, oft geformter Abdruck des Strangwerkzeuges) beim Erhängen: ansteigend, meist nicht zirkulär beim Drosseln: horizontal, zirkulär Würgemale unregelmässige Hautabschürfungen und Hauteinblutungen Stauungsblutungen Ursache ist ein venöses Abflusshinderniss bei (reduziert) erhaltenem arteriellen Zufluss Zu finden sind Stauungsblutungen im Bereich der Konjunktiven, Nasenschleimhäute, Trommelfell, Gesichtshaut, Augenlider oder hinter den Ohren Sie fehlen meist beim typischen Erhängen Üblicherweise sehr ausgeprägt beim Drosseln und Würgen. Schleimabrinnspur „Speichelfaden“ beim Erhängen 40. Was ist die Todesursache beim Erhängen? Abschnürung der Blutversorgung des Gehirns Versperren der Atemwege → Ersticken Verletzung der Wirbelsäule bzw. Genickbruch 41. Welcher (inobligate) äussere Befund weist auf ein Ertrinken hin? Der Schaumpilz vor Mund oder Nase weist auf ein Ertrinken hin. Es kommt durch die letzten Atembewegungen zu einer feinblasigen Verquirlung des aspirierten Wassers mit der bronchialen Restluft und dem verstärkt gebildeten Bronchialsekret (sein Proteinanteil verfestigt den Schaumpilz). 42. Wie unterscheidet man typisches und atypisches Ertrinken? Typisches Ertrinken geschieht bei vollem Bewusstsein und erhaltenen Schutzreflexen. Es findet ein Überlebenskampf gegen das Untersinken statt. Kennzeichen: Schaumpilz vor Mund und Nase, trockene, grosse (!) Lungen, Wasser im Magen Beim atypischen Ertrinken wird eine Bewusstseinstrübung und gestörte Schutzreflexe vorausgesetzt. Ursache hierfür kann ein Myokardinfarkt, ein Apoplex oder eine Intoxikation sein. Der Betroffene gelangt nach dem Untergehen nicht mehr an die Wasseroberfläche. Kennzeichen: kein Schaumpilz, feuchte, schwere Lungen 43. Warum ist die Wasserleiche eine Problemleiche? Der Fundort entspricht oft nicht dem Ereignisort, da die Leiche durch die Bewegung des Wassers eine Positionsänderung erfährt Die Todeszeitschätzung ist erschwert (siehe Frage 44) In fliessenden Gewässern kann der Leichnam entkleidet werden, somit fehlen Kennzeichen, die beispielsweise mit den Angaben von suchenden Angehörigen korrelieren Oft entsteht Fäulnis, weil der Leichnam erst durch die Fäulnisgase an die Oberfläche gelangt 44. Welche besonderen Leichenzeichen können Wasserleichen aufweisen? An den Aufliegestellen einer Leiche findet man gemeinhin aufgrund der äußeren Gefäßkompression keine Leichenflecken. Den gleichen Effekt kann der Wasserdruck auf den Toten ausüben. Daher fehlen häufig die Leichenflecken oder sind nur spärlich vorhanden. Oft besteht keine Totenstarre bei Leichen aus fließenden Gewässern, da die Leiche dauernd bewegt wird und sich die Starre nicht ausbilden kann. Fettwachsbildung 45. Was ist eine Strommarke und unter welchen Voraussetzungen entsteht sie? Strommarken (auch Blitzmarken) sind Verletzungen, die durch lokale Hitzewirkung an der Durchtrittstelle des Stromes auf der Haut entstehen. Sie entsprechen einer Verbrennung 2. – 4. Grades. Im Bereich der Niederspannung muss das spannungsführende Teil berührt werden. Bei Hochspannung (gilt auch für Blitze) tritt ein Stromfluss bereits vor einer möglichen Leiterberührung durch einen Lichtbogen auf. Da der Lichtbogen sehr heiß ist, kommt es augenblicklich zu starken thermischen Schäden am Stromeintritts- bzw. - austrittspunkt. 46. Worauf müssen Sie achten, wenn jemand tot in der Badewanne aufgefunden wird? Findet ein Mensch einen plötzlichen Tod in der Badewanne (Herztod, Stromtod, Intoxikation, epileptischer Anfall), so wird man meist keine Zeichen für eine typisches (insbesondere Schaumpilz) oder atypisches Ertrinken finden, weil keinerlei Aspiration stattfindet. Da ein Tot in der Badewanne häufig mit einem Stromtod assoziiert wird, sollte man auf Elektrogeräte im Bad achten. Eine Strommarke kann in diesem speziellen Fall fehlen, da es in der Badewanne ein großflächigen Kontakt mit stromführenden Teilen erfolgt. Hier käme es zur Ausbildung einer Strommarke, wenn das Opfer Hautkontakt zu Metallteilen gehabt hätte (z.B. Ferse am Badewannenabfluss). 47. Welche Vergiftungen können hinweisende Befunde bei der Leichenschau liefern? Verdächtiger oder z.B. bei organophosphathaltigen Insektiziden oder auffälliger Geruch Kaliumcyanid Leichenflecken Hellrote Leichenflecken – Kohlenmonoxid, Zyanide Braungraue Leichenflecken – Methämoglobin-Bildner (Nitrate) Holzer - Blasen Hinweis auf Barbiturat-Intoxikationen Überwiegend an druckbelasteter Haut (z.B. Trochanter, Fußknöchel, Finger - oder Zehenrücken, Wirbelsäule) Injektionsstellen evtl. Zuführung des Toxins durch Dritte Verätzungen durch stark ätzende Stoffe wie Säuren (z.B. Schwefelsäure aus Autobatterien), hier ist auch auf Verätzungen von Speiseröhre und Magen zu achten Haarverlust Eventueller Hinweis auf eine einige Tage zurückliegende Einnahme von z.B. thalliumhaltigem Rattengift oder Chemotherapeutica Temperatur Eine starke Temperaturerhöhung kann als Begleiterscheinung einer tödlich verlaufenden Intoxikation (z.B. durch synthetische Drogen) auftreten 48. Hellrote Totenflecken kommen bei der CO-Vergiftung und bei der in der Kälte aufgefundenen Leiche vor. Wie können Sie differenzieren? Bei CO-Vergiftung sind auch Nagelbetten der Fingernägel rot, dies ist bei Kälte nicht der Fall. 49. Was sind typische Unterkühlungsbefunde? Leichenschau Im Vergleich zum Befund von Leichenstarre und - flecken zu tiefe Rektaltemperatur Pernionen (Frostbeulen): blaurot, geschwollen (Knie, Ellbogen) Kälteerytheme hellrote Totenflecken außer an den Nagelbetten: Hinweis auf Kälte, aber kein Beweis für Unterkühlung Obduktion hämorrhagische Magenschleimhauterosionen (Wischnewski - Flecken) Nierentubulusverfettungen Pankreasblutungen Blutungen in einigen inneren Muskeln wie dem Mm. psoas oder ileopsoas Die Kombination von Kälteerythemen und Magenschleimhauterosionen ist typisch für Unterkühlungen und wird in einem anderem Zusammenhang nicht gefunden. 50. Warum ist eine Obduktion bei Brandleichen immer sinnvoll? Bei Brandleichen kann die Ursache des Todes ein Unfall sein (z.B. Rauchen im Bett). Möglicherweise erfolgte die Brandlegung jedoch, um jemanden umzubringen („Brandmord“) oder um Spuren nach Tötung („Mordbrand“) oder Suizid zu vernichten. 51. Welche Identifikationsverfahren kennen Sie? 1. Identifikation durch Angehörige (Direktkonfrontation): => unsicher Angehörige sehen gerade bei „unschönen“ Leichen oft nicht richtig hin Angehörige erkennen oft ihre Verwandten trotz gut erhaltener Leiche nicht Angehörige identifizieren jemanden zu Unrecht sicher 2. Identifikation durch Effekten (Kleider, Ausweispapiere u.ä.) => unsicher … je weniger fest die Effekten direkt mit dem Körper verbunden sind … je undurchsichtiger oder krimineller das Milieu ist Kein Verlass auf Namens-Einnäher, da ein Kleidertausch stattgefunden haben könnte 3. Identifikation durch Fingerabdruck (Dactyloskopie) => sicher Gutes Verfahren, wenn es sich um eine bereits erfasste Person handelt. Bei faulen oder mumifizierten Leichen müssen die Finger aufwändig (z.B. „Tsunami- „aufgearbeitet“ werden 4. Identifikation durch Zähne (odontologisch) => sicher Verlässlichste Methode, v. a. auch bei Katastrophen Katastrophe”), wichtige Voraussetzung sind allerdings gute und vollständige Unterlagen vom behandelnden Zahnarzt 5. Identifikation durch Körpermerkmale => unsicher Es sind nur die wirklich individuellen Körpermerkmale heranzuziehen, z.B. ungewöhnliche Narben, Knochenbrüche von Unfällen o.ä. Zu Lebzeiten angefertigte Röntgenbilder (v.a. Schädel) können sehr hilfreich sein (z.B. Morphologie der Stirnhöhlen). 6. Identifikation durch DNA („genetischer Fingerabdruck“) => sicher Absolut zweifelsfreies Verfahren Gelingt auch bei stark fäulnisveränderten oder skelettierten Leichen bzw. bei aufgefundenen Leichenteilen 52. Weshalb identifiziert man bei Massenkatastrophen? um zu wissen, um wen es sich bei der Leiche handelt um die genaue Anzahl der Verstorbenen bestimmen zu können um die Angehörigen von Ungewißheit zu befreien um eine Überführung bzw. ein Begräbniss zu ermöglichen um den Behörden (des Heimatlandes) Genüge zu tun 53. Warum empfehlen Sie bei SIDS eine Autopsie ? Nachweis bzw. Ausschluss eines nicht natürlichen Todes Feststellung der Todesursache Erhalt von Erkenntnissen zur Vermeidbarkeit des Todes Entlastung der Eltern Information der Eltern über ein eventuelles Wiederholungsrisiko bei einem anderen Kind 54. Was verstehen Sie unter klinischer Rechtsmedizin? Die klinische Rechtsmedizin ist die Anwendung rechtsmedizinischen Wissens auf die Beurteilung lebender Personen im Dienste der Rechtspflege. 55. Wie dokumentieren Sie am Lebenden Verletzungsbefunde, die forensisch relevant sein könnten? Dokumentation der Aussagen und der seelischen Befindlichkeit des Opfers Dokumentation der Befunde (Ganzkörperuntersuchung) und genauer Beschreibung: Größe, Form, Farbe, Lokalisation, Verletzungsursache (z.B. Biss, Schlag, Schnitt) o Skizze auf entsprechendem Bogen (Körper - Schemata) o Fotografische Dokumentation mit Maßstab o Schriftliche Fixierung der Befunde auf vorgefertigten Dokumentationsbögen o Erklärung für die Verletzungen notieren 56. In welchen Fällen sind Ärzte berechtigt, ohne Entbindung von der Schweigepflicht Befunde den Ermittlungsbehörden mitzuteilen? Falls der Arzt den Verdacht hat, dass Gewalt gegen Personen ausgeübt wird, die sich selbst nicht äußern können (insbesondere Kinder, alte Menschen) und bei denen die Gefahr weiterer Misshandlungen besteht, darf die Schweigepflicht gebrochen werden. Das Wohl der Betroffenen gilt hier als höheres Rechtsgut und legitimiert eine Mitteilung an die Ermittlungsbehörden. 57. Wie untersucht man ein Opfer von überlebtem Würgen? Wann geht man von Lebensgefahr aus? Beim Strangulieren gilt das Alles- oder- Nichts- Gesetz, d.h. es führt zum Tod oder es wird in der Regel ohne „schwere“ Schäden oder Verletzungen überlebt. Bei der Untersuchung achtet man auf: Stauungsblutungen (Konjunktiven, Augenlider, Gesichtshaut). Sie verschwinden meist nach 1-2 Tagen. Würgemale, Strangmarken, Hämatome am Hals Schwellung, Druckdolenz über Kehlkopf Schluckbeschwerden / Heiserkeit / Atembehinderung Außerdem Frage nach Bewusstseinstrübung, Bewusstlosigkeit und Stuhl- oder Urinabgang während der Tat Von einer Lebensgefahr zum Tatzeitpunkt muss man ausgehen, wenn das Opfer Stauungsblutungen im Gesicht aufweist und bewusstlos war. 58. Was sind typische Lokalisationen von Hämatomen etc. bei einer Kindesmisshandlung? Hämatome findet man bei nahezu 90 % der misshandelten Kinder. Verdächtige Lokalisationen Ohren (Ohrfeige, -ziehen, -reißen), Kieferwinkel, Mastoid, Wangen, Oberlippe, Frenulum (Zwangsfüttern) Hals, Nacken (Würgemale) Schulter, Oberarme Unterarme ventral (Abwehr, Schutz vor Schlägen) Handrücken Thorax Abdomen (außer typische Fahrradlenkerverletzungen), Rücken Gesäß, Genitalien Ober- und Unterschenkel dorsal Fußrücken Verdächtige Hämatommuster/Formungen Multiple Hämatome verschiedenen Alters an verschiedenen und ungewöhnlichen Lokalisationen Ungewöhnlich junges Alter des Kindes (nicht mobilen Babies) Formung / Abdrücke von Gegenständen: Gürtel, Riemen, Stöcke, Lineal, etc. Handabdrücke: Kneif-, Griffmarken, geschwollene Ohrläppchen (Ohrfeige, "Ohren lang ziehen") Bissmarken: hufeisenförmig, Quetschverletzung 59. Wie gehen Sie vor, wenn Sie bei der Untersuchung eines Kindes Verdacht auf eine Misshandlung schöpfen? Erkennung und Dokumentation von Verletzungen, Spuren und körperlichen Verletzungsfolgen o Verdächtig auf Misshandlungen sind Verletzungen an Wangen, Ohren, Rücken, Gesäß, Rückseite der Beine. o Unverdächtig sind Verletzungen über den Kniegelenkstreckseiten, an den Ellbogen und an der Vorderseite der Unterschenkel (kindliches Fallen!). o Hochgradig verdächtig auf eine Misshandlung sind socken- bzw. handschuhartige Verbrühungen Einleitung weiterer, zielgerichteter Untersuchungen Interpretation von Verletzungen / Überprüfung der Plausibilität von Angaben zu Geschehensabläufen o Verschiedenfarbige Hämatome bei nur einem Verletzungsvorgang (z.B. einmaliger Treppensturz)? o Kann sich das Kind aufgrund der motorischen Fähigkeiten die Verletzungen selber zugefügt haben? 60. Was ist charakteristisch für eine Selbstverletzung? meist Gebrauch von spitzen oder scharfen Gegenständen oder Fingernägel gleichmäßig oberflächliche Ritz- oder Schnittwunden gleichförmige, lineare oder leicht gekrümmte Verläufe der Einzelläsionen (parallel oder gruppiert) Bevorzugung leicht erreichbarer Körperregionen vor allem der Körperhälfte, die der Gebrauchshand gegenüberliegt Vermeidung besonders schmerzhafter Regionen (Genitalien, Mamillen) keine zum Verletzungsbild passende Kleiderbeschädigung keine Abwehrverletzungen 61. Warum achtet der Arzt bei der Bearbeitung Klinisch-rechtsmedizinischer Fälle auch auf die Kleidung? Die Untersuchung der Bekleidung dient nicht zuletzt der Prüfung auf Plausibilität. So kann eine zum Verletzungsbild nicht passende Kleiderbeschädigung Hinweis auf eine Selbstverletzung sein (siehe Frage 60). 2. Toxikologie 62. Welche Aufgaben hat der Arzt bezüglich Blutalkohol, Drogen und Medikamenten im Straßenverkehr zu erfüllen? Blutentnahme mit genauer Dokumentation, ggf. Schutz der Blutproben vor dem Zugriff Dritter Bei Verdacht auf Konsum von Drogen, Medikamenten o.ä. Asservierung einer Urinprobe (auf freiwilliger Basis bei kontrollierter Abgabe) Befragung gemäß Formular Körperliche Untersuchung (z.B. auf bestehende Verletzungen) Neurologischer Status (z.B. Gangbild, Finger-Finger- und Finger-Nasen-Prüfung, Drehnachnystagmus) 63. Wo und wie gewinnen Sie Blut für eine Postmortale Blutalkoholanalyse? Blut für die postmortale Blutalkoholbestimmung gewinnt man aus der V. femoralis. Ansonsten ist sie auch anhand einer Muskelprobe des Toten durchführbar. 64. Was verstehen Sie unter dem Anflutungsphänomen im Zusammenhang mit Blutalkohol? Die Hauptmenge des Alkohols geht erst bei Passage des Dünndarms in den Kreislauf über. Deshalb dauert es im Regelfall eine Weile, bis man die Alkoholwirkungen "im Kopf" zu spüren beginnt (sog. “Anflutung”). Bei Trinken auf leerem Magen erfolgt die Magenpassage schneller (“Überflutung”), weshalb man die Alkoholwirkung früher verspürt. 65. Warum ist es wichtig zu wissen, wann der letzte Schluck Alkohol konsumiert wurde? Rückrechnung: Sofern Alkoholkonsum und Delikt bereits mehrere Stunden zurückliegen, kann für den Täter eine Rückrechnung wichtig sein, da eine hohe Blutalkoholkonzentration zum Tatzeitpunkt eine verminderte Schuldfähigkeit gemäß § 21 nach sich ziehen könnte. Nachtrunkbehauptung: Das Wissen um den letzten Schluck Alkohol ist wichtig, weil z.B. ein Beteilgter an einem Verkehrsunfall behaupten könnte, erst nach dem Unfall Alkohol zu sich genommen zu haben,“um die Nerven zu beruhigen“. 66. Wie groß ist die minimale bzw. maximale stündliche Eliminationsrate von Trinkalkohol? Die Eliminationsrate schwankt inter- und intraindividuell. die minimale Eliminationsrate liegt bei 0,1 ‰ pro Stunde die maximale Eliminationsrate liegt in der Regel bei 0,2 ‰ pro Stunde um mögliche Schwankungen der Elimination nach oben auszugleichen, wird mit einem zusätzlichen einmaligen Korrekturwert für die erste Stunde von 0,2 ‰ gearbeitet. 67. Wie lange dauert die Resorptionszeit des Trinkalkohols? Die Resorptionsphase ist spätestens 2 Stunden nach Trinkende abgeschlossen. Bei geringeren Trinkmengen kann man von 30 - 90 Minuten ausgehen. Die Resorptionsgeschwindigkeit hängt u. a. sowohl vom Füllzustand des Magens, als auch von der Art der Nahrung ab. 68. Wie lautet und wozu dient die Widmarkformel? Die Formel von Widmark lautet: BAK (‰) = ------------------------------- – t x ß60 r : Verteilungs- oder Widmarkfaktor (siehe oben) t : Zeit in Stunden seit Trinkbeginn ß60 : stündliche Elimination (minimal 0,1 ‰; siehe oben) Funktion: sie findet Anwendung, wenn keine Blutprobensicherstellung erfolgte wird zur Berechnung eines sogenannten Nachtrunkes (Alkoholkonsum nach dem Ereignis) benötigt Berechnung der Ethanolmenge, die als Antidot z.B. bei einer Methanol-Vergiftung zu verabreichen ist 69. Ist die 0,5 ‰ Grenze ein biologischer oder juristischer Grenzwert? Die 0,5 ‰ Grenze ist ein juristischer Grenzwert und wird durch den Paragraphen § 24a geregelt? 70. Ab wie viel Promille Alkohol beginnt die Unfallgefahr konkret zu steigen? Absolute Fahrunsicherheit Sobald eine Blutalkoholkonzentration ≥ 1,10 ‰ (1 ‰ + 0,1 ‰ Sicherheitszuschlag) vorliegt, ist eine Fahrsicherheit eines Kraftfahrzeugsfahrers nicht mehr gegeben. Es folgt eine Bestrafung gem. § 316 StGB. Relative Fahrunsicherheit Bei einer Blutalkoholkonzentration ≥ 0,3 ‰, aber < 1,10 ‰, kann der Kraftfahrzeugführer nur bei nachgewiesenen Ausfallserscheinungen gem. § 316 bestraft werden. 71. Welche typischen Ausfallserscheinungen zeigt ein drogenbeeinflusster Verkehrsteilnehmer? a) Cannabis akute Phase: kurz nach dem Konsum, insgesamt verlangsamt und phlegmatisch, schwache Konzentration, Pupillen weit und lichtträge o die Fahrweise ist in der akuten Phase durch leichte Ablenkbarkeit und Konzentrationsschwächen beeinträchtigt (keine adäquate Reaktion auf unerwartete Verkehrssituationen) subakute Phase: geprägt durch Euphorie und Wohlbefinden, eigene Fähigkeiten werden tendentiell eher überschätzt, Pupillen geweitet oder normal o es kommt häufig zu einer riskanten, schnellen Fahrweise, ansonsten treten die gleichen Probleme wie in der akuten Phase auf postakute Phase: Phase der Regeneration, dennoch Konzentrationsschwächen, leichte Ablenkbarkeit o ein auffälliges Verhalten bei einer Verkehrskontrolle ist eher unwahrscheinlich b) Heroin ein Heroinabhäniger ist eigentlich nie fahrtüchtig. akute Phase: insgesamt verlangsamt und träge, die Pupillen sind sehr stark verengt bei nachlassender Wirkung treten die ersten Entzugserscheinungen (Nervosität, Unruhe, Zittern) auf, die Pupillen sind nicht mehr eng, sondern eher weit gestellt Die Fahrweise ist abhängig von der aktuellen Wirkung des Heroins und schwankt zwischen kann die langsam / unsicher bis hin zu enthemmt / aggressiv c) Stimulantien (Cocain, Amphetamin) nach dem Konsum von Stimulantien ist die Konzentrationsfähigkeit gesteigert und Müdigkeitserscheinungen reduziert, die Pupillen sind weit gestellt Verhalten eher unruhig und redselig enthemmt Fahrweise, da das eigene Leistungsvermögen überschätzt wird in der Entzugsphase stehen körperliche Erschöpfungszustände und ggf. eine depressive Verstimmung im Vordergrund, bisweilen treten Orientierungsstörungen und Verwirrtheit auf die Fahrweise ist dann geprägt durch die starke Müdigkeit (langsame bzw. wechselnde Fahrgeschwindigkeiten, Schwierigkeiten beim Spurhalten usw.) und die Orientierungsstörungen (Unsicherheiten z.B. in Kreuzungsbereichen). 72. Was asservieren Sie bei einem k.o. Mittelfall? Zu den sogenannten KO – Mitteln gehören z.B. Benzodiazepine, Neuroleptika, Narkotika oder Barbiturate. Bei der Blutprobe sind 3 x 10 ml Serummonovetten (ohne Gerinnungshemmer) zu asservieren. Die Menge für die Urinprobe sollte nach Möglichkeit 50 – 100 ml betragen. Die Proben müssen so zeitnah wie möglich analysiert werden, da manche Substanzen nur wenige Stunden in Blut oder Urin nachweisbar sind. 73. Welche Gewebe asservieren Sie von der Leiche bei Verdacht einer Vergiftung und warum? Venenblut V. femoralis stellt am besten den Zustand beim Eintritt des Todes dar, Vergleichswerte von Lebenden und Toten sind in der Regel vorhanden Herzblut Ergibt gelegentlich fehlerhaft überhöhte Konzentrationen Mageninhalt Hohe Giftkonzentration bei oraler Aufnahme Urin verlängerte Nachweisdauer, Beweis für Körperpassage Leber Nachweis einer Metabolisierung Gehirn Reaktion des Gehirns auf spez. Gifte / Pharmaka z.B. Hirnnekrose bei Gabe von Diphenhydramin an ein Kleinkind Haare zum Nachweis einer zurückliegenden Giftaufnahme Nachweis spezieller Vergiftungsfälle Myokard Digoxinvergiftung Skelettmuskulatur Alkoholbestimmung an der faulenden Leiche Niere Oxalsäurevergiftung Darminhalt Nachweis von Giftpflanzenresten 3. Spurenkunde und DNA 74. Was ist die DNA-Analyse und wo findet sie Anwendung in der Forensik? Die DNA – Analyse ist die Untersuchung des menschlichen Erbguts auf bestimmte Eigenschaften. Hier ist für die Forensik folgendes wichtig: DNA-Analyse zum Zwecke der Identifikation einer Person bzw. eines Spurenverursachers o Identifikation von unbekannten Toten o Identifikation eines Spurenverursachers durch DNA (Abgleich von Blut, Speichel, Haare oder Sperma) o Ausschluss einer Täterschaft DNA-Analysen zur Abstammungsbegutachtung (Feststellung der Vaterschaft) 75. Wie gehen Sie bei der Untersuchung einer Vergewaltigung vor? 1. Spurensicherung Die Kleidung des Opfers wird asserviert Halsregion: Schmerzen, Heiserkeit, Punktblutungen? Brüste immer genau inspizieren, ggf. Abstriche nehmen Biss- und Saugverletzungen mit Maßstab fotografieren, Abstriche! Mit einem Wattestäbchen werden Abstriche aus dem Mund gewonnen Gegebenenfalls kann Speichel oder Sperma des Täters mit einem Wattetupfer sicher gestellt werden (Feuchte Spuren trocken asservieren, trockene Spuren mit sterilem NaCl befeuchtetem Tupfer abwischen) Zudem wird nach „Tätermaterial“ unter den Fingernägeln des Opfers gesucht Kopf- und Schamhaare der Frau mit einem feinen Kamm durchgekämmt, verklebte Haarbüschel werden herausgeschnitten Fotografische Dokumentation von Verletzungen, Hämatomen oder Würgemalen 2. Gynäkologische Untersuchung Auch bei der gynäkologischen Untersuchung konzentriert man sich auf Dokumentation von Verletzungen, die Sicherung von Spuren äußerlich wie auch intravaginal. 3. Blutuntersuchung Das abgenommene Blut wird neben auf Medikamente, Alkoholspiegel, illegale Drogen und sexuell übertragbare Erkrankungen wie Hepatitis oder AIDS untersucht. Hier geht es nicht zuletzt auch um den Nachweis, ob eine solche Erkrankung bereits vor der Vergewaltigung bestand. Dies gilt auch für den obligaten Schwangerschaftstest. 76. Wie muss biologisches Spurenmaterial für DNA-Untersuchungen aufbewahrt werden? Biologisches Spurenmaterial für DNA-Untersuchungen wird gemeinhin eingefroren und einer Temperatur von – 20 C° konserviert. 78. Wie beraten Sie eine Frau, die wissen möchte, wer der Vater ihres Kindes ist? Benötigt wird biologisches Material (z.B. Mundschleimhautabstriche oder Blut) von Mutter, Kind, und dem fraglichem Vater oder im schlechteren Fall von den in Frage kommenden Vätern. Es werden DNA-Profils von Mutter, Kind und dem potentiellen Vater hergestellt. An erster Stelle vergleicht man die vererbten Merkmale zwischen Mutter und Kind, um zu sichern, welches Merkmal die Mutter ihrem Kind vererbt hat. Demzufolge muss das andere Merkmal vom biologischen Vater stammen. Da ein passendes Merkmal noch nicht beweisend sein kann, werden 9-13 Merkmale untersucht. Daran schließen sich statistische Berechnungen an. Bei einer Vaterschaftswahrscheinlichkeit von über 99.8 % gilt die Vaterschaft als erwiesen. 79. Wie erklären Sie ihr das Prinzip der DNA-Analyse und die möglichen Resultate in verständlicher Form? Auf einem DNA – Strang gibt es kodierende Abschnitte, die beispielsweise ein „Rezept“ für den Aufbau eines bestimmten Eiweißes besitzen und nicht - kodierende Abschnitte, deren Funktion noch weitestgehend im Dunkeln liegt. Letztere sind jedoch für die DNA-Analyse interessant, da sie Abschnitte enthalten, wo sich bestimmte Basenkombinationen in einer ganz bestimmten Anzahl wiederholen. Wie oft sie sich wiederholen ist von Mensch zu Mensch verschieden und wird von den Eltern vererbt an die Nachkommenschaft vererbt. Nehmen wir an, die Mutter hätte diese spezifische Basenkombination 3 mal und der Vater 9 mal, so kann diese Kombination bei einem Nachkommen immer nur 3 oder 9 mal auftreten. Man würde ihm für diese spezifische Kombination (auch als Merkmal bezeichnet) die Zahlenkombination 3-9 zuordnen. Würde nun ein Mann seine Vaterschaft anmelden, der diese Kombination 14mal aufweist, kann er demzufolge nicht der biologische Vater sein. Da dies aber nicht immer so klar und einfach ist, wird man mehere Merkmale untersuchen, bis sich eine Vaterschaftswahrscheinlichkeit von über 99.8 % ergibt.