THERAPEUTISCHE WIRKFAKTOREN AUS DER SICHT ANALYTISCHER KÖRPERPSYCHOTHERAPIE P. Geißler Vorbemerkungen Die körperpsychotherapeutische Szene hat sich innerhalb der letzten Jahre in Österreich deutlich gewandelt. Einerseits motiviert durch den Anerkennungsdruck seitens der in Österreich neuen Situation, die Wissenschaftlichkeit und damit auch Wirksamkeit der angewandten therapeutischen Methode darstellen und nachweisen zu müssen, andererseits aber auch durch ein Anstehen von Therapeuten in ihrer praktischen Arbeit bei der Nutzung jener Methoden, die in den körpertherapeutischen Ausbildungen erlernt wurden, vollzog sich ein schrittweiser Prozeß der Suche nach neuen Konzepten, die besser und differenzierter als die ursprünglich erlernten zu einem Verständnis beitragen sollen, was denn im therapeutischen Geschehen passiert, wieso es bei welchen Patienten zu Sackgassen kommt, aber auch warum manche Therapien wirken und andere nicht. Auf dieser Suche nach einem neuen Verständnis körperbezogener Psychotherapie – mir sind Kollegen aus den Bereichen Biodynamische Psychologie nach Boyesen, Core-Therapie nach Pierrakos, Reich´sche Therapie der Skan-Richtung und Radix nach Kelley persönlich bekannt – fand der Versuch einer Annäherung v.a. an psychoanalytische Modellvorstellungen statt. Dies verwundert nicht, als Reich, der Begründer aller heute als neoreichiansichen Verfahren bezeichneten körpertherapeutischen Methoden, ursprünglich Psychoanalytiker gewesen war. Ich selbst habe mich, von der Bioenergetischen Analyse kommend, diesem Prozeß der Suche nach neuen und meines Eindrucks nach wirksameren Zugängen auf der Basis psychoanalytischer Modelle angeschlossen. Denn all diesen neoreichianischen Therapien ist gemeinsam, daß sie sich theoretisch auf ein energetisches Modell beziehen, in dem es darum geht, Gefühlsenergien frei ließen zu lassen bzw. muskuläre Blockaden, die dieses freie Fließen behindern. Dieses einpersonen-psycholgische Modell, getragen von vitalistischen und pseudonaturwissenschaftlichen Grundannahmen, favorisiert vom Wirkprinzip her kathartische Gefühlsentladungen, die sich – dies zeigt die tägliche klinische Praxis sehr eindrücklich – bei vielen Patienten zwar als im Moment lustvoll und befreiend, auf die Dauer aber als unzureichend erweisen. Die Suche nach besserer Wirksamkeit begleitet die Geschichte der Körperpsychotherapien Reich´scher Prägung seit ihren Anfängen. War es doch gerade Reich, dem die in den Zeiten Freuds praktizierte Psychoanalyse zu wenig tief und radikal erschien und der aus diesem Grund eine gründliche „Charakteranalyse“ vorschlug, die ihn Schritt für Schritt hin zu den von ihm postulierten somatischen Grundlagen des Charakters führte. Aus heutiger Sicht ist zu sagen, daß zu den damaligen Zeiten weder ein tiefes Verständnis präödipaler Störungen (z.B. Konzepte über Borderline-Strukturen) noch der Handhabung der Gegenübertragung existierte – all dies kam erst später. Die Lösung für die Gegenübertragungprobleme bestand für Freud darin, ein klares, aber auch starres Setting zu fordern – der Patient liegt auf der Couch, beide unterliegen einem Handlungs- und Berührungsverbot. Später war es Lowen, Begründer der Bioenergetischen Analyse, der meinte, die von Reich praktizierte Therapie sei vorwiegend auf die Therapiestunden beschränkt, habe aber wenige Auswirkungen auf den Alltag des Patienten. Lowens Lösung bestand in einer Konzeption des Grounding-Prinzips, was so viel bedeutet, wie den Patienten auf die eigenen Füße zu stellen, und dies auf einem energietheoretischen Hintergrund. Kritikern der Bioenergetischen Analyse, zu denen ich mich – aufgrund von jahrzehntelanger Eigenerfahrung als Patient, Therapeut, Supervisor und Lehrtherapeut in Bioenergetischer Analyse - zähle, halten diese von Lowen gewählte Lösung des Transferproblems, d.h. der Übertragung therapeutisch gewonnener Einsichten in die tägliche Lebenspraxis, für unzureichend und suchten nach neuen Lösungen, wiederum motiviert durch Wirksamkeitsüberlegungen. Sicherlich ist hier die eigene subjektive Erfahrung ein wichtiges Element, das zu bedenken ist. Aus meiner fünfjährigen bioenergetischen Eigentherapie sind mit v.a. tiefe emotionale Erfahrungen in Erinnerung, die für mich zur damaligen Zeit ungemein wichtig und öffnend waren. Durch die fortwährende Analyse der Charakterstrukturen, d.h. den kognitiven Aspekt der Lernerfahrung (welche Charakterstrukturanteile wirken in mir, in meinen Beziehungen, in meiner Haltung zum Leben überhaupt) wurden durchaus auch wichtige Einsichten vermittelt – punktuelle Einsichten, wie ich heute sagen würde. Was weitgehend auf der Strecke blieb, war eine systematische Analyse der Beziehung in der Hier-und-JetztSituation des therapeutischen Geschehens, die – wie ich nach einer nun über siebenjährigen psychoanalytischen Eigentherapie sagen kann – einen hohen alltagspraxisbezogenen Wert hat. Erst dadurch war ich in der Lage, die aus bioenergetischen Vorzeiten gewonnenen punktuellen Einsichten in ein kohärentes Verständnis von mir als Person umzuwandeln, wodurch – vom Faktor der Wirksamkeit im Alltag aus betrachtet – eine neue Dimension hinzukam, die die Bioenergetische Analyse nicht anzubieten hatte. Die neugewonnenen subjektiven Erfahrungen beinflußten natürlich ebenso meine Tätigkeit als Therapeut und auch meine theoretischen Vorstellungen. Sie führten aus vielerlei Gründen (die ich hier nicht alle einzeln darstellen kann) und in letzter Konsequenz zu einer Abwendung vom energetischen Modell und einer Neufindung in einer Strömung, die - angeregt auch durch die Wiederentdeckung und Diskussion der Arbeiten von Ferenczi – in die Konzeption einer „neuen“ Methode mündeten: der analytischen Körperpsychotherapie. Im Laufe der Jahre entdeckte ich aber, daß ich mit diesem Vorhaben nicht allein war. Mehr und mehr fand ich heraus, daß die Konzipierung analytischer Körperpsychotherapie aus zwei Hauptrichtungen gespeist wurde: einerseits waren es Bioenergetiker, die ihren Ansatz aus ähnlichen Überlegungen wie den meinen kritisierten, wie Berliner und Kirsch. Andererseits fand ich Psychoanalytiker, die sich mit dem starren Setting ihrer Methode nicht zufriedengeben wollten und neue Lösungen suchten, wie Kutter, Moser, Müller-Braunschweig, Rückert, Scharff und Worm. Analytische Körperpsychotherapie ist zur Zeit in einem Entwicklungsstadium im Übergang von ihrer praktischen Ausübung durch Einzelpersonen zu einer beginnenden Institutionalisierung: In Deutschland wurde 1997 um die Person von Maaz die Sektion für analytische Körperpsychotherapie im Rahmen der DGAPT gegründet, in Österreich gibt es seit 1994 den AKP (Arbeitskreis für analytische körperbezogene Psychotherapie). Bestrebungen, sich länderübergreifend zu organisieren, sind zur Zeit im Gang. Zunächst möchte ich also, in Kürze, darstellen, was ich unter analytischer Körperpsychotherapie eigentlich verstehe, und ich werde eine ihrer methodischen Varianten, den “szenischen Einbezug des Körpers“, mit Hilfe eines Fallbeispiels demonstrieren. Der gewählte „Fall“ schien mir deswegen auch geeignet, weil in der Darstellung bestimmte Unterschiede zum Vorgehen in der Bioenergetischen Analyse reflektiert werden, wodurch die methodische Weiterentwicklung analytischer Körperpsychotherapie – d.h. weg von einem energetischen und hin zu einem beziehungsorientierten Prozeßverständnis - auch von praktischer Seite her nochmals beleuchtet wird. In einem zweiten Schritt werde ich der Frage, welche Wirkfaktoren wir analytischer Körperpsychotherapie zugrundelegen, detailliert nachgehen. Was ist analytische Körperpsychotherapie? Historisch gesehen ist analytische Körperpsychotherapie eine der drei gegenwärtigen körperpsychotherapeutischen Hauptlinien. Diese Hauptlinien verfügen aber auch über Körperbilder, die, wenngleich nicht grundverschieden, so doch verschiedene Schwerpunktsetzungen aufweisen (Geuter, 1997). Während die neoreichianischen Verfahren, die sich historisch auf die Linie FreudReich-Schüler von Reich und deren Schüler (Boyesen, Kelley, Lowen, Pierrakos, Raknes u.a.), einen expressiv-energetischer Körper favorisieren, und während die bewegungstherapeutische Linie, ausgehend von der Gymnastiklehrerin Gindler zu Stolze einen "sich erkundenden und bewegenden Körper" als Organ der Selbstwahrnehmung favorisiert, sieht analytische Körperpsychotherapie einen dialogischen Körper als unmittelbare Erweiterung des Beziehungsgeschehens auf die Körperebene, wobei konzeptuell Übertragung, Gegenübertragung und Widerstand eine zentrale Rolle einnehmen und – ebenso wie in der Psychoanalyse - wesentliche inhaltliche Essentials darstellen. Als wichtigste psychoanalytische Grundtheorie, auf die sich analytische Körperpsychotherapeuten beziehen, hat sich derzeit die Objektbeziehungstheorie herausgestellt, einerseits, weil sich Objektbeziehungstheoretiker sehr viel mit Frühstörungen – einem wichtigen Indikationsgebiet körperpsychotherapeutischer Verfahren - auseinandergesetzt haben, andererseits, weil sie eine höchst differenzierte Kultur der Handhabung der Gegenübertragung entwickelten, die für die analytische Körperpsychotherapie, mit ihrem erweiterten Abstinenzverständnis und ihren variablen und offenen Settings, mit denen sie arbeitet, sehr brauchbar erscheinen. Als Ergänzung und Präzisierung der objektbeziehungstheoretischen Perspektive erweist sich der beziehungsdynamische Ansatz von Bauriedl als äußerst hilfreich – darüber aber später mehr. In der praktisch-klinischen Handhabung analytischer Körperpsychotherapie lassen sich derzeit zwei grundlegende Trends unter Kollegen herausarbeiten. Die einen integrieren körperbezogene Interventionen im Sinne konkreter Handlungen einschließlich von Berührung in ihr psychoanalytisches einzeltherapeutisches Setting, wie beispielsweise Downing, Moser und Worm. Andere wiederum bevorzugen eine weitgehende Trennung der Settings, indem sie eine psychoanalytische Einzeltherapie, weitgehend ohne aktive Interventionen des Therapeuten, mit körperorientierter Gruppenarbeit im Sinne einer Schwerpunktsetzung auf die Körpererfahrung – vom gleichen oder einem anderen Therapeuten geleitet - vornehmen und beide Erfahrungselemente zu integrieren versuchen. Die bisherigen Erfahrungen sind in beiden Fällen vielversprechend, insofern als einerseits das erlebnis- und körperorientierte Element, d.h. ein direkterer Zugang zu Affekten als über die Sprache, ebenso zum Zug kommt wie das kognitiv-integrierende Element, d.h. die Übersetzung der erlebten Affekten in das gegenwärtige Beziehungsgeschehen und im Transfer ebenso in den Beziehungsalltag der Patienten. Daß sich dadurch Verschiebungen im Bereich der Wirkfaktoren gegenüber psychoanalytischen Verfahren ergeben, soll nach dem folgenden Fallbeispiel von G. Worm (1997, gekürzte Darstellung) erörtert werden. Es geht darin um einen „szenischen Einbezug des Körpers“ als eine Variante jener Ansätze, die aktive Interventionen auch im Einzelsetting vornehmen. Fallbeispiel A) Anamnese "Es handelt sich um einen Mann Mitte 30. Seine Eltern waren bei der Geburt noch sehr jung. Er hielt sich oft bei den Großeltern auf. In der Familie herrschte ein hoch aufgeladenes aggressives Klima mit einer allseitigen starken Abhängigkeit voneinander. Der Großvater, ein Trinker, war wegen seines Jähzorns unter Alkohol gefürchtet. Der Vater, ähnlich tyrannisch, wurde als Frührentner von der Mutter finanziell abhängig. Die Mutter finanzierte die ganze Familie durch ein Geschäft und heimlich auch den Patienten. Dieser geriet schon bald als Kind in die Schußlinie zwischen Vater und Mutter. Mindestens seit Schulbeginn wurde er vom Vater viel geschlagen, der damit wahrscheinlich auch die Mutter treffen wollte, als deren heimlicher Liebhaber sich der Patient fantasierte. Die Außenwelt wurde von der ganzen Familie feindlich erlebt. Mehrere Kampfhunde lebten mit im Hause zur Verteidigung. Um Mutter und Großmutter auf seiner Seite zu wissen, entwickelte der Patient als Kontrast zu Vater und Großvater besonders seine weichen Seiten. Er blieb damit jedoch im "Bannkreis " von Mutter und Großmutter, innerlich abhängig, unsicher, gehemmt in seinen Außenkontakten. Eine erste sehr symbiotisch geführte Ehe, die er sofort nach seinem Auszug von Zuhause einging, scheiterte. Ein Geschäft gab er wieder auf und begann spät ein Studium. Als er zu mir kam, hatte er zwei körperortentierte Therapien bei Männern hinter sich. Er wollte sich jetzt "bei einer Frau fallen lassen". Ich fühlte mich am Anfang zwiespältig, brauchte längere Bedenkzeit, um mich zu einer Therapie mit ihm zu entschließen. Mein Zwiespalt machte sich besonders an seinem Gesicht fest. Seine offenen, klaren Augen rührten mich an, viel Sehnsucht erschien darin, ein verbissen wirkender Mund mit einem verhalten verachtenden, brutalen Zug darin stießen mich ab. Der Patient ist ein kräftig gebauter Mann und wirkt trotz allem recht sicher in seinem Körper. Seine Ängstlichkeit im Kontakt drückt sich wesentlich im Gesicht aus. B) Übertragung und Widerstand Die Anfangsphase ist durch starke Leugnung der negativen Übertragung sowie durch eine starke aktionistische Abwehr gekennzeichnet. Dies wird schon in der zweiten Stunde sichtbar: Nachdem wir uns zunächst gegenübergesessen haben, will er sich auf eine Matratze an meiner Seite legen, ganz in Übereinstimmung mit seinem "Plan" sich bei mir fallen zu lassen. Obwohl ich Bedenken äußere, da die Geste zu meinem Erleben der Beziehung nicht stimmt, legt er sich neben mich, Ablehnung und Trotz wegen meiner Bedenken schnell wegschiebend. Neben mir liegend geht er seinem Trotz nach und erwähnt das Märchen vom Rumpelstilzchen. Es ist das Märchen, in dem er sich am meisten wiederfindet und das als Leitmotiv uns von nun an oft begleitet. Seine Deutung zu diesem Zeitpunkt ist folgende: Rumpelstilzchen will das Herz der Königin gewinnen und darin gesehen und erkannt werden. Die Königin aber verhöhnt ihn, denkt nur an Macht, Geld und Ansehen. Anhand dieser Märchendeutung entwickelt er seine zwiespältige Beziehung zu seiner Mutter. Liegend zu mir gewandt meint er dagegen, mit mir eine "gute Wahl " getroffen zu haben. In dieser Anfangsaktion, die vom Patienten ausgeht, werden bereits einige Züge der Behandlungsproblematik deutlich: Der Patient beginnt mit einer hohen Übertragungsspanung, die mir in der Gegenübertragung durch meine hohe Ambivalenz spürbar wird. Sie verdichtet sich durch die Aktion des Patienten. Er versucht, die für mich fühlbare negative Übertragung durch die körperliche Herstellung von Nähe zu überspielen. Durch seine leicht erpresserische, überfahrende Art wird jedoch der untergründige Machtkampf spürbar. Ich akzeptiere in dieser Anfangsstunde trotz meiner geäußerten Bedenken seine Aktion, in der Annahme, daß mir dadurch die Problematik des Patienten besser einfühlbar und verstehbar wird. Weiterhin gehe ich zunächst davon aus, daß auch ihm, beim Umsetzen seines Plans, die Unmöglichkeit der direkten Befriedigung seiner passiven Bedürfnisse deutlicher wird und wir die Widerstände eher verstehen können. Der Sinn ist hier also nicht, trotz innerer Widerstände auf meiner Seite, auf die Bedürfnisse des Patienten einzugehen, sondern durch ein Mitgehen in die konkrete Aktion die Widerstände erlebbar zu machen. Diese Möglichkeit der Verdeutlichung von Widerständen durch die körperliche Aktion wird von analytischer Seite meistens nicht gesehen. Handeln wird hier oft mit Erfüllung von Bedürfnissen gleichgesetzt. Von körpertherapeutischer Seite wird dieser "Befriedigungsgesichtspunkt" allerdings auch begünstigt und zu schnell unter dem Aspekt einer heilenden Neuerfahrung gesehen. Es ist dies sicher ein wichtiger neuer Gesichtspunkt, der bei der Überbetonung der Abwehranalyse und der phobischen Vermeidung von Befriedigung in der Psychoanalyse einen eigenen Stellenwert in der Körperpsychotherapie bekommen hat. Durch Überspringen der oft sublimen Widerstände gerät die Neuerfahrung jedoch zu peripher, oder sie wird zum falschen Selbstausdsruck. In dieser Stunde scheint der Patient vom Widerspruch in der räumlichsymbolischen Beziehungssituation allerdings noch nicht berührt, obwohl der Konflikt auch in seinen Assoziationen zum Märchen wie in der geschilderten Mutterbeziehung erscheint. Unbewußt verdeutlicht er das Problem auf mehreren Ebenen. Ich verstehe auf der inhaltlichen wie der Aktionsebene, daß ein wirkliches Sich-anvertrauen durch mehrere Abwehrschichten verhindert wird: Einmal durch die Verleugnung eines Negativgefühls überhaupt. Er will in meine Nähe. Rumpelstilzchen möchte das Herz, die Liebe der Königin. Dahinter spüre ich den Machtkampf, den er in den verbal assoziativen Inhalten aber nur bei Königin und Mutter sieht. Nur noch ahnbar ist seine Angst vor Ablehnung, die er erst einmal durch die Flucht nach vorn zu bewältigen versucht. Der szenischen Darstellung dieses Konflikts in der Übertragung kommt hier das offene räumliche Setting entgegen, das der Patient entsprechend nutzt. Es gibt in dem von mir benutzten Raum kein festgelegtes Sitz- oder Liegearrangement wie in einer üblichen analytischen Behandlung. Diese Öffnung des Settings ist eine erste entscheidende Möglichkeit, die interaktionelle Ebene in die analytische Situation einzuführen, ohne weitere aktive Schritte des Therapeuten . In dieser Eingangsszene wird ein weiteres methodisches Problem deutlich. Der "Sprung" des Patienten in diese Form der Aktion wird auch durch die Erfahrung mit einer vorhergehenden Bioenergetischen Analyse herausgefordert. Besonders die letzte Therapie war überwiegend von "Ausdrucksübungen" bestimmt, in denen der Therapeut als Begleiter oder Rollengegenüber fungierte. Die Übertragung wurde nicht thematisiert. So verstand der Patient zunächst nicht, daß ich sein Nebenmir- liegen -wollen nicht als "Übung" sah, sondern als Ausdruck unserer spezifischen Beziehung begriff und von daher auf dem Hintergrund meiner zwiespältigen Gegenübertragung in Frage stellte. Er hatte nach meinem Eindruck durch die bioenergetischen Übungen ein besseres Selbstgefühl im Körper bekommen. Der ausschließliche Übungscharakter der Interventionen, ohne eine Äußerungsmöglichkeit von Übertragungsgefühlen, führte jedoch im Körperausdruck zu Beziehungserfahrungen, die im "Als-ob" blieben. So erhielt sich unbearbeitet eine untergründige Rivalität und Abwertung des vorherigen männlichen Therapeuten, obwohl es im wesentlichen um "Aggressionsübungen" gegangen war. Entsprechend dauerten die Schwierigkeiten bei der realen Auseinandersetzung mit Männern an. Der Patient erzählte dies erst nach und nach. Ich sehe diesen Verlauf als eindrucksvolles Beispiel dafür, wie körperliche Ausdrucksübungen, in denen der Therapeut ein Dritter oder Rollengegenüber bleibt, einerseits ihren Sinn haben . Diese Übungen können ein wichtiger Schritt sein auf dem Weg, abgewehrte aggressive Impulse im Körperausdruck fühlbar und kontrollierbar zu machen. Das Erleben der konflikthaften Objektbeziehungen in der Übertragung jedoch, auch im körperlichen Ausdruck, bleibt ein weiterer Schritt, der in einem szenischkörperlichen Erleben nicht einfach aufgeht. Diese Form der Bearbeitung stellt vielleicht die größtmögliche Verdichtung und Konkretisierung dar, die der "Realität" des Ernstfalls am nächsten kommt. Auch in der sozialen Realität verschwindet das Gegenüber leicht unter der Intensität der Übertragunsbilder und wird - wie der Therapeut in der Übertragung - nicht mehr erkennbar. Wegen dieser möglichen Intensivierung durch den körperlichen Umgang ist die Arbeit in der Übertragung auch nicht immer indiziert. Das durchgehende Umgehen dieser Dimension aber kann zum entscheidenden Widerstand werden. Körperliche Übungen können dann wirklich nur "Übungen" jenseits des wirklichen Affekts werden. Rollen- oder symbolische Inszenierungen werden dann wirklich nur "gespielte Szenen", die auf die Dauer allenfalls Ventilfunktion haben, aber nicht mehr den Kern der Problematik treffen. Das spricht nicht gegen die Verwendung von Übungen oder szenischem Umgang mit Rollen und symbolischen Objekten, auch in einer analytisch verstandenen Form der Körperpsychotherapie. Es verweist vielmehr auf die Notwendigkeit des Verstehens dieser Interventionen im Kontext des ÜbertragungungsGegenübertragungsgeschehens. C) Zur körperlichen Gegenübertragung In die nächste Stunde kommt der Patient wieder mit einer Aktionsidee. Ihm war nach dem Liegen neben mir in der vorigen Stunde doch nicht so wohl gewesen, was er allerdings zunächst nicht sagt. Da er jedoch weiterhin den "Plan" hat, meine Nähe zu suchen, macht er den Vorschlag, an meiner Hand neben mir durch den Raum zu gehen. Obwohl ich auch bei diesem Vorschlag das Gefühl des Überspringens habe, lasse ich mich darauf ein, selbst neugierig auf die Entwicklung meiner Gegenübertragungsgefühle. Er geht neben mir her, gibt mir seine Hand und legt zwischendurch den Kopf auf meine Schulter. Trotz der intimen Geste entsteht zwischen uns keinerlei Kontakt. Ich fühle mich hölzern und unbeteiligt. Auch der Patient spürt jetzt den inneren Abstand. Diese Szene verdeutlicht den Umgang mit negativen Gegenübertragungsgefühlen. Ich habe erst allmählich gelernt, den oft sehr körperlichen Gegenübertragungsgefühlen absolut zu trauen. In der entstehenden intimen körperlichen Nähe kann es manchmal schwierig sein, diese negativen Gegenübertragungsreaktionen in die Situation hineinzubringen und zum Verständnis zu nutzen, ohne kränkend zu werden. Bei einer Verleugnung dieses Indikators verliert man jedoch in dieser Verdichtung der Affektsituation leicht die Orientierung, und entsprechende Widerstände eskalieren. Falsche Bilder werden produziert bzw. Abwehr verstärkt, oder Ersatzbefriedigungen werden zementiert. Auch nach langer analytischer Praxis braucht es noch einmal eine eigene Form von Erfahrung, um körperliche Gegenübertragungen als solche zu identifizieren und von eigenen Übertragungen zu unterscheiden. Die mögliche Vermischung von Gegenübertragungen und eigenen Übertragungen ist natürlich auch hier in erhöhtem Ausmaß als Verwicklungsmoment gegeben. Das Körpergefühl aber kann genauso therapeutisches "Instrument" sein wie andere Gefühle, Assoziationen und Bilder. Der Patient versucht in den geschilderten Szenen, mich bewußt als "neues Objekt" für seine unbefriedigten Nähe- und Geborgenheitswünsche zu nutzen. Die Entwicklung von neuen, auch körperlich verankerten Erfahrungsbildern ist eine wichtige Möglichkeit in der Körpertherapie. Ohne vorherige Bearbeitung der Übertragungswiderstände können diese allerdings tatsächlich zu der von Analytikern gefürchteten Ersatzbefriedigung führen, die eine Auflösung der Übertragungskonflikte verhindert. Wichtigster Indikator bei der Unterscheidung von Befriedigungen, die eine weitere Entwicklung ermöglichen, von Ersatzbefriedigungen, die diese Entwicklung gerade verhindern, sind sich die Gegenübertragungsgefühle. Diese sind in diesem Setting tatsächlich sehr viel körperlicher als in einer ausschließlich verbal zentrierten Behandlungsform. Durch den authentischen Ausdruck meiner Gegenübertragung wird hier statt der vom Patienten gesuchten Neuerfahrung zunächst die negative Übertragung als ein nicht näher definierbarer Gefühlsblock zwischen uns wahrnehmbar. Diesen Block für mich und den Patienten deutlich spürbar zu machen, ist hier der Sinn dieser Aktion und meines Mitgehens darin. Jedoch ist mir zu diesem Zeitpunkt der Behandlung noch nicht klar, daß jede Form einer körperlichen "Übung" dieser Art beim Patienten bereits vom Übertragungswiderstand bestimmt wird. Durch die beschriebenen Interaktionen ist inzwischen deutlich, daß eine Anlehnung an mich, in welcher Form auch immer, zu diesem Zeitpunkt nicht möglich ist. Ich vermute natürlich hoch angestauten Ärger, der auch im Inneren des Patienten keinen Ausdruck mehr findet. Um eine Wahrnehmungsmöglichkeit für den vermuteten inneren Stau und dessen Abwehr zu schaffen, schlage ich ihm "Schattenboxen" vor. Er ist sofort einverstanden. Sehr bald boxt und tritt er nach mir mit heftigen gezielten Bewegungen, sodaß ich Angst bekomme, unbeabsichtigt von ihm getroffen zu werden, was er aber geschickt verhindert. Dennoch habe ich durchwegs das Gefühl eines absoluten Scheingefechts, in das sich keine Spur von wirklichem Ärger oder Wut mischt. Wir brechen den Versuch bald ab, und er verrät mir, daß diese Form des Kampfes für ihn eine bekannte "Übung" aus dem lange praktizierten Kung Fu ist. Spätestens dann verstehe ich, daß er gelernt hat, alle diese Formen therapeutischer Interaktion zu "Übungen" zu machen, die mit seinen wirklichen Gefühlen nichts zu tun haben. Dies ist eine Form des Widerstands in der Körpertherapie, die mir von diesem Patienten besonders vor Augen geführt wird. Das Probe-Handeln war dennoch hilfreich, da ich dadurch Ausmaß, Art und Intensität seiner Widerstände verstand. Ohne seine Form der Aktion allerdings als Widerstand zu verstehen und im Hintergrund die starke negative Übertragung im Spiegel meiner Gegenübertragung zu sehen, wäre ich vielleicht in die Irre gegangen. Ich hätte mich u.U. von der körperlichen Scheinintensität trügen lassen. Es stellte sich die Frage, was bei diesem Patienten an authentischer Äußerung auch im körperlich-szenischen Bereich möglich ist, ohne daß es zu Scheingefechten oder Scheinlösungen kommt und damit zum Ausbau eines falschen Selbstausdrucks oder neuer Abwehrformen. D) Die Verdeutlichung der negativen Übertragung im körperlichen und szenischen Ausdruck Der Patient erlegt erst einmal das Affektgeschehen außerhalb der Analyse. Er verliebt sich in eine verheiratete Frau und erlebt an ihr den ganzen Zwiespalt seiner Gefühle zwischen Verlassenheitsängsten, bedrohter Selbstbehauptung, Hingabewünschen und Verweigerung. Wir arbeiten in dieser Zeit weitgehend verbal im Gegenübersitzen. Er vertraut mir viele Ängste an, was durch die Auslagerung der konflikthaften Übertragung möglich wird. lch lasse es in dieser Zeit meistens bei einem verbalisierenden Verstehen der von ihm berichteten Inhalte, da ich hoffe, daß unsere Beziehung in diesem Sich-anvertrauen an Tragfähigkeit gewinnt. Als die Beziehung zu der Frau zu Ende geht, erhöht sich die Spannung erneut zwischen uns. Seine Hauptabwehr gilt wiederum der Wahrnehmung negativer Übertragungsgefühle aus Angst, meine Abwendung zu riskieren. Inzwischen aber ist die Basis unserer Beziehung soweit gefestigt, daß er Inszenierungsvorschläge -~ durchgehend direkt ablehnt. Mir kommen solche Vorschläge dennoch immer wieder in den Sinn. Ich sehe in der szenischen Bearbeitung eine Möglichkeit, den Übertragungsgefühlen zunächst einen ungefährlicheren Ausdruck zu verschaffen. Ich lerne aber, daß bei dieser Übertragungsspannung die Verlagerung auf eine Inszenierung mit symbolischen Objekten nicht mehr möglich ist. Und dennoch sehe ich einen Gewinn: die Vorschläge führen zu einem klaren "Nein" mir gegenüber, was zur Verdeutlichung seiner sonst verleugneten Verweigerung einen eigenen Sinn bekommt. Er riskiert seine Angst, indem er sagt: "Ich würde das jetzt nur in deinem Auftrag tun". Nachdem ich seine Weigerung zu seinem Erstaunen immer wieder ohne Beziehungsabbruch akzeptiert habe, läßt er sich tatsächlich nach längerer Zeit auf eine szenische Darstellung ein. Ich schlage diese deshalb vor, weil die geschilderte Situation viele Bezüge zu unserer Übertragungsbeziehung hat: Es geht um die Auseinandersetzung mit einer Ausbildungsleiterin und deren Assistentin. Er baut eine symbolische Szene mit beiden Frauen auf und stellt sich ihnen gegenüber. Ein vernichtender verbaler Entwertungskampf entwickelt sich, in dessen Verlauf er schließlich beide Frauen zu menschlichen Nichts erklärt, nur existent durch die Institutionen verliehene Macht. Er fühlt sich seinerseits von ihnen klein gemacht und im Getriebe der Ausbildung zu einem "verfügbaren Rädchen" degradiert. Es ist tatsächlich massiv, was dabei zum Ausdruck kommt. Ich kann jetzt deutlicher seine Angst nachvollziehen, die ihn dieses Vernichtungspotential zwischen uns zurückhalten läßt, da in seiner Vorstellung ein Kontakt diese Vernichtung nicht überlebt. Die Inszenierung ist jetzt auch für sein Gefühl so nah in der Übertragung, daß er in der Stunde die Szene nach einiger Zeit plötzlich abbricht und in der nächsten Stunde große Angst vor meiner Ablehnung hat. Diese Reaktion ist für mich ein Zeichen, daß wir tatsächlich nah an seinen wirklichen Gefühlen waren. In meiner Gegenübertragung fühle ich jedoch entgegen seiner Befürchtung weniger Ablehnung als Entlastung durch das Sichtbarwerden des oft nur dumpf zu spürenden Hintergrundes. Meiner entsprechenden Mitteilung auf seine Frage kann er allerdings noch nicht recht glauben. Die Lösung ist offen. Hier bewährt sich der szenische Zugang als Möglichkeit, die Übertragungsintensität und deren Inhalte im Behandlungsraum sozusagen vorzuklären. Die Affektlage wir deutlicher, die Dumpfheit der Situation entlastet, die Gegenübertragung verständlicher. Ein wichtiger Richtung auf die Bearbeitung der gefürchteten Inhalte auch in der Übertragung ist damit getan. Die Möglichkeit, die Affekte in ihrer ganzen Intensität erst einmal außerhalb der therapeutischen Beziehung, aber unter den Augen und der Zeugenschaft des Therapeuten erscheinen zu lassen, ist ein unschätzbarer Gewinn bei der Bearbeitung von Übertagungsinhalten, besonders mit einem derart bedrohlichem Charakter. Im weiteren Verlauf verdichtet sich die Übertragung weiter und konzentriert sich nun direkt auf seine Angst, von mir" verfügbar gemacht" zu werden. Seine Weigerung dagegen wird vor allem in seiner begleitenden Körpersprache deutlich. Ich orientiere mich oft daran, greife sie allerdings nur an besonders markanten Punkten auf, da er sonst auch dieses Gebiet zu kontrollieren und manipulieren beginnt. Spontan vor einer Ferienpause zieht er beispielsweise einmal am Ende der Stunde den Körper völlig zusammen, schließt die Arme um die geschlossenen Beine, preßt den Mund zusammen und sieht mich wie aus Schießscharten an: "Du kriegst mich nicht" ist sein Satz dazu .Wir haben lange gebraucht, um diese Frontstellung so klar zwischen uns zu haben. Die Körpersprache aber hilft, den Widerstand durchgehend im Blick zu behalten. E) Die Nutzung der körperlichen Gegenübertragung zur Lösungsfindung In meinem Erleben verstärkt sich nun immer mehr das Gefühl, festgehalten zu werden, mich nicht rühren zu können - im übertragenen wie auch im wörtlichen Sinn. Letzteres wird durch das offene Setting körperlich besonders spürbar. Ich fühle mich auf dem immer gleichen Platz im Raum wie fixiert. Schließlich suche ich über meine Körpergefühle einen neuen Weg. Ich stehe auf, gehe hin und her. In meinen Händen konzentriert sich eine zunehmende Spannung. Ich greife nach einem Schlagstock. Da steht der Patient auch auf, stellt sich mir gegenüber, mit äußerster Anspannung im Gesicht. Er hat die Fantasie, mich an die Wand drücken zu wollen. Die Spannung ist so hoch, daß ich nicht weiter in die Interaktion gehe. Ich spüre, daß er seine plötzlich aufschießende Wut nur noch schwer kontrollieren kann. Wir gehen daher in der Fantasie weiter. Er stellt sich vor, mich solange an die Wand zu drücken, bis er meine Angst sehen kann. Ich soll meine Ohnmacht spüren. Erst nachträglich wurde mir klar, daß ich mit dem Ergreifen des Stocks in die Schlageszene mit dem Vater geraten war, die sich über mein Körpergefühl und der daraus assoziierten Aktion ansatzweise wieder herstellte. Von daher wurde mir die so plötzlich eskalierende Wut des Patienten verständlich. Unter dem Druck der eigenen inneren Spannung und der sehr direkten Aktion aus der Gegenübertragung war ich allerdings zu weit hinter die Abwehr des Patienten geraten. In der nächsten Stunde war dadurch der Angstwiderstand des Patienten erst einmal sehr hoch. Dennoch war etwas gewonnen. Der Bewegungsraum - im direkten und inneren symbolischen Sinn - war durch mein Aufstehen geöffnet. Der Patient steht in den nächsten Stunden nun oft von sich aus auf und geht im Raum umher. Er übernimmt damit erst einmal den Bewegungsimpuls, um aus der inneren Fixierung herauszukommen. Sein Gehen wirkt allerdings noch künstlich, weiterhin überbezogen auf mich und meine möglichen Kommentare. Ich fühle mich dadurch weiterhin wie in einem Netz, ebenso verfügbar wie er. Verbale Interventionen führen meistens zu einem analytischen Ping-Pong", auch ich bin wie in einem geschlossenen System gefangen. Daher folge ich noch einmal meinem Körpergefühl, suche nach einer körperlichszenischen Lösung für die beiderseitige Fixierung und Überbezogenheit. Ich stehe auf und gehe in den anderen Teil des Raums. Obwohl ich ihm dazu sage, daß ich einen eigenen Raum suche, aber die Beziehung nicht verlasse, bleibt er wie angewurzelt stehen und schaut immer zu mir herüber. Nach einer Weile sagt er, er sei tatsächlich enttäuscht, wütend, empört, daß ich so von ihm wegginge. Dabei sieht er konstant zu mir herüber. Um zu verdeutlichen, was ich mit einem "eigenen Raum" meine, baue ich eine symbolische Grenze aus Hockern. Ich erkläre ihm dazu wieder, daß es nicht um einen Kontaktabbruch ginge, sondern um eine Grenze, um einen eigenen Bewegungsraum. Er empfindet mein Probehandeln dennoch als Abgeschobenwerden und möchte die Grenze am liebsten zerstören. Um für die Flexibilität der Grenze in einem symbolischen Handlungsbild eine Erfahrung zu schaffen, öffne ich die Grenze und gehe ein paar Schritte auf ihn zu. Er fängt an zu weinen, hält dabei allerdings beide Hände vor den Körper, wie eine verstärkte Körpergrenze, was er auch selbst bemerkt. Dann faßt er mich bei den Schultern, versucht einen Moment, mich mehr an sich heranzuziehen, fühlt einen leichten Widerstand bei mir und läßt etwas erschrocken los. Er kann sagen, wieviel Angst ihm die Grenze macht. Ich gehe hinter die Hocker zurück, lasse aber "eine Tür." Wir verabschieden uns an dieser Grenze. Diese Szene als Ausdruck der Übertragungs-Gegenübertragungssituation erreicht ihn wirklich. Er kommt in der nächsten Stunde sofort darauf zurück, äußert Mißtrauen, ob ich ihn nicht doch dabei abgelehnt habe. Seine Angst vor Demütigung in dieser Situation ist groß. Aber im Spiegel der Beziehung zu seiner Freundin, in der er meinen Part hat, werden ihm beide Seiten einfühlbar. Die Beziehungssfalle, in der er sich nur zwischen Selbstaufgabe und Angst vor Verlassen-werden bewegen kann, hat ein alternatives Bild bekommen: Die Selbstbehauptung in der Abgrenzung eines eigenen Raums ohne Kontaktabbruch. Die räumlich-symbolische Darstellung wird dabei gerade in Verbindung mit der intensiven Übertragung zu einem anschaulichen, hoch besetzten Leitbild. Ich verstehe, daß diese Behauptung eines "Selbstraums" die Voraussetzung jeder weiteren Auseinandersetzung ist, die sonst zur Vernichtung eskaliert, wie bei Rumpelstilzchen, das diesen Raum nur heimlich behaupten kann, eingebunden in einen bedrohlichen Machtkampf. Dieser Schritt in Richtung einer neuen Lösung hatte sicher die lange Widerstandsanalyse und die durchgehende Wahrnehmung der negativen Übertragung zur Voraussetzung. In der weiteren Behandlung gewinnt diese Behauptung eines eigenen Raums auf verschiedenen Gebieten Ausdruck, besonders in der Sexualität und beim Aufbau einer eigenen Existenz. Die drohende Vernichtung durch Verlassenwerden, Entwertung und die oft vorauseilende Selbstaufgabe verliert ihre Zwangsläufigkeit, ein psychisches Überleben wird vorstellbar. Die Nutzung der körperlichen Gegenübertragung zur Darstellung und Klärung der Situation durch eine von diesen Gefühlen geleitete Aktion führt erst zu einer teilweisen symbolischen Wiederholung der traumatischen Kindheitssituation. Ein in starken Abhängigkeiten befangener Vater hatte Entlastung aus seiner Ohnmacht und Wut im Schlagen des Sohnes gesucht, dessen Selbstbehauptung und Eigenständigkeit er damit zu brechen versuchte. Ansatzweise inszeniert sich in der Ubertragungssituation der "traumatische " Ausweg aus der Abhängigkeit mit wechselnden ldentifikationen. Für mich war es ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie stark die körperlichen Gegenübertragungsreaktionen in Erinnerungsszenen hineinführen können mit dem ganzen darin enthaltenen Affektpotential. Es ist sicher ein riskanter Weg, die körperliche Gegenübertragung so direkt zur Darstellung zu bringen. Das Angebot einer Handlungsfantasie, als erstem Schritt, wäre der schonendere Weg gewesen. In der zweiten Aktion nutze ich wieder meine Gegenübertragung, auf der Suche nach einer weiteren neuen Lösung für die sich beidseitig immer wieder herstellende Abhängigkeitsfalle. Vorraussetzung für eine gute Verankerung einer solchen neuen Lösung aber erscheint mir das lange Mitgehen mit den alten Gefühlen und den alten "Lösungen", die sich als Widerstände äußern. Zu leicht gerät sonst die "neue Lösung" in das Fahrwasser einer manipulierten Anpassung, die das Ich weiter schwächt." Allgemeine Wirkfaktoren analytischer Körperpsychotherapie Im Versuch, nun einzelne Wirkfaktoren zu isolieren und zu beschreiben, gehe ich davon aus, daß neben allgemeinen Wirkfaktoren, die in jeder Psychotherapie eine Rolle spielen, spezifische Dimensionen beschreibbar sind, und hier wiederum spezifische psychoanalytische und spezifische körperpsychotherapeutische. Allgemein formuliert ist jede Psychotherapie und damit auch analytische Körperpsychotherapie ein kognitiver und affektiver Umlernprozeß, wobei aus dem bisher Gesagten umrißhaft erkennbar werden kann, wie in ihr drei grundlegende Wirkprinzipien (Grawe e.a., 1994) zur Geltung kommen können: a) Die Beziehungsperspektive ist durch wertschätzende Akzeptanz, Erlaubnis, Ermutigung, Toleranz und Empathie gegeben, wobei Ermutigung zu neuen und guten Erfahrungen im konkreten Handlungsvollzug (Maaz, 1997) bereits auf ein Spezifikum analytischer Körperpsychotherapie verweist; zum anderen dadurch, daß die Beziehungsthematik im Kontext von Übertragung und Gegenübertragung eine besondere Prägnanz erfährt. Dieser Faktor für sich schafft bereits den Boden für gute, korrigierende Erfahrung und damit auch für neue Internalisierungen. b) Die Klärungsperspektive findet sich darin, daß gegenwärtige Inszenierungen des Patienten als unbewußte Wiederholungen vergangener Erfahrungen aufgeklärt und verstanden sowie durch nichtstrafende Konfrontation (Hohage, 1996) Abwehr und Widerstand gedeutet werden. Es wirkt hier "Irritation, eingebettet in Wohlwollen" (Ranefeld, 1995). c) Die Problembewältigungperspektive ist durch die wechselseitige Verschränkung in der therapeutischen Triangel aktuelle Thematik - Übertragung – Körpersprache gegeben, wobei die Analyse der Übertragung und der Einbezug der Körpersprache und des Körpererlebens nie Selbstzweck bleiben, sondern immer in Bezug zur gegenwärtigen Lebenssituation des Patienten gesetzt werden; insbesondere der Einbezug des Körpers als Organ der Wahrnehmung, als Signalgeber in der alltäglichen Kommunikation und im konkreten Verhalten hat diesbezüglich eine große Relevanz. Diesen von Grawe beschriebenen allgemeinen Wirkfaktoren fügt Slunecko (1996) eine vierte hinzu: das Prinzip der Verfremdung: "Psychotherapie wirkt auch deswegen, weil sie verfremdet, weil sie einen Kontextwechsel bewirkt, weil sie etwas übersetzt und diese Übersetzung eine Bewegung ist - Erstarrtes wird in Bewegung gebracht. Dabei werden dem Klienten Bedingungen seines Handelns und Erlebens einsichtig, die ihm vorher nicht einsichtig waren" (Op. cit., S. 151). Der zur Verfremdung herangezogene Kontext - und dies ist bereits eine Überleitung zu einem Spezifikum analytischer Körperpsychotherapie - ist das Unbewußte. Der Auftrag der Psychotherapie - "erkenne dich selbst" (Slunecko, 1996, S. 151) - wird durch therapeutische Interaktion vermittelt, wobei - als wissenschaftstheoretische Begründung des Abstinenzverständnisses analytischer Körperpsychotherapie - "Handlung und Erkenntnis in der Psychotherapie .... keine Alternativen" sind, "sondern vielmehr ist (Interaktions-)Handlung konstitutiv für Erkenntnis (Op. cit., S. 152). Durch den Einbezug der körperlichen Dimension kommt wird eine Kontextvergrößerung erreicht: der Erlebnis-, aber auch der Deutungskontext wird auf diese Weise ebenso wie der Erklärungsrahmen für Bedingungen eines Symptoms oder einer gestörten Interaktion amplifiziert. Über diese allgemeinen Wirkprinzipien hinaus, deren Bedeutung keineswegs zu unterschätzen ist, sind weitere spezifische psychoanalytische und körperbezogene Wirkfaktorengruppen zu beschreiben, die ich in Handhabungen des Therapeuten sowie Vorgänge im Patienten beschreiben werde. Spezifische Wirkfaktoren: Handhabungen auf Seiten des Therapeuten Wie bereits erwähnt, hat sich als psychoanalytisches Basismodell analytischer Körperpsychotherapie die Objektbeziehungstheorie bisher durchgesetzt, wobei eine wichtige Weiterentwicklung derselben im Hinblick auf die Wirkfaktorenthematik eine besondere spielt. Die therapeutische Beziehung wurde einerseits als allgemeiner Wirkfaktor beschrieben, erhält aber in der Objektbeziehungstheorie und v.a. im Ansatz von Bauriedl (1997, S. 14 ff) eine besondere Note: "Was aus meiner Sicht in den bisherigen Objektbeziehungstheorien fehlte, war ein Konzept, das wirklich beide oder alle an einem psychoanalytischen Prozeß beteiligten Personen in das theoretische Bild vom Ablauf dieses Prozesses miteinbezieht..... Wenn man schon in der Psychotherapieforschung übereinstimmend zu dem Schluß kommt, daß die Therapeut-Patient-Beziehung der wichtigste Faktor für die Wirksamkeit einer Psychotherapie ist, ..... dann braucht man auch Vorstellungen darüber, wie diese Beziehung am besten zu beschreiben ist." Und weiter: "....... Dabei gehe ich davon aus, daß in jeder zwischenmenschlichen Beziehung jeder Beteiligte von der Entwicklung dieser Beziehung einerseits betroffen ist, andererseits auch zur Entwicklung der Beziehung beiträgt. Die Dialektik der Abhängigkeit und der Eigenaktivität in Beziehungen betrifft natürlich auch den Psychoanalytiker ..... Aus meiner Sicht sind deshalb die therapeutische Aktivität und die Wirkungen dieser Aktivität nur sinnvoll zu beschreiben, wenn man die Abhängigkeit auch des Therapeuten von seinem geschichtlichen Gewordensein (Übertragung des Therapeuten) und von der aktuellen Situation mit diesem ..... Patienten (Gegenübertragung des Therapeuten) berücksichtigt. Eine "systemische" Sicht des therapeutischen Prozesses im umfassenden Sinn ist nur möglich, wenn die Dynamik der Interaktion und damit auch die im Therapeuten ablaufenden (bewußten und unbewußten) Prozesse nicht ausgeblendet werden" (Op. cit., S. 14-15). Damit beschreibt Bauriedl deutlich, daß die psychoanalytisch orientierte Psychotherapie für eine ihrem Konzept adäquate Therapieforschung ein psychodynamisches Verständnis der Vorgänge zwischen Therapeut und Patient benötigt. Und sie stellt den Wirkfaktor "Therapeut" klar in den Vordergrund des Veränderungsprozesses in der Psychotherapie. Die Veränderung beginnt im Therapeuten: "Da jeder Mensch das, was in ihm und in seiner Umgebung geschieht, nur an den in ihm ausgelösten Gefühlen und Fantasien erkennen kann, ist es nur folgerichtig, wenn diese Fähigkeit beim Psychotherapeuten bestmöglich ausgebildet und genützt werden soll. Im allgemeinen reagieren wir direkt auf die Situation, in der wir uns befinden, das heißt, wir nehmen uns wenig Zeit und (psychischen) Raum, um die Situation und unsere Reaktion bewußt zu reflektieren und erst dann zu handeln. Für die Beziehungsanalyse als diagnostisches und therapeutisches Verfahren ist ..... die explizite Trennung der drei Schritte: Wahrnehmen, Reflektieren und Handeln charakteristisch..... Erst wenn der Therapeut anhand der eigenen Gefühle und Fantasien erkannt hat, welche Wünsche, Ängste und Abwehrmechanismen im Augenblick im "therapeutischen System" ..... wirksam sind, kann er sich überlegen, auf welche Weise er hier - zunächst in sich selbst zur Veränderung dieses Systems beitragen will" (Op. cit, S. 32 ff.). Von der Theorie zur konkreten Praxis: "Zum Beispiel kann ein intensiver Wunsch nach Nähe und Verständnis in einem therapeutischen System so angstbesetzt sein, daß nur über Dritte, nicht Anwesende gesprochen werden kann. Ohne die "drei Schritte" tendiert der Therapeut eventuell dazu, diese Abwehrstruktur mitzumachen. Auch er macht sich dann Gedanken, weshalb Dritte sich so und nicht anders verhalten. In dieser Zeit verändert sich die Beziehungsstruktur innerhalb des therapeutischen Systems nicht. Wird ihm aber klar, daß er sich seinerseits gerne mit dem oder den anwesenden Personen über dessen/deren augenblickliche Befindlichkeit verständigen würde, daß er bei diesem Gedanken aber Angst bekommt, abgewiesen zu werden, weil ein solcher Versuch vielleicht als Kritik mißverstanden würde, und daß er es deshalb bisher vermieden hat, seinem Wunsch nach Verständigung zu folgen, dann kann er sich frei (!) entscheiden, ob er dieses Verhalten jetzt ändern will" (Op. cit., S. 32). Und: "Die Reflexion der eigenen intrapsychischen Dynamik und die Erkenntnis, sich selbst bisher zu einem bestimmten Verhalten entschieden zu haben, machen frei, sich jetzt anders und eventuell auch gleich oder ähnlich zu entscheiden. Allein schon der selbstreflexive Vorgang im Therapeuten ist als therapeutisches Handeln zu verstehen. Der Therapeut verändert in sich einen wichtigen Teil des therapeutischen Systems, was auf zumeist unbewußtem Wege für den oder die Patienten bedeutsam ist. Bisher unbewußt ablaufende Mechanismen werden von ihm bewußt erlebt, aus dem unbewußten Mitagieren wird eine bewußte Möglichkeit, sich selbstverantwortlich zu entscheiden. Und dieser innere Prozeß wirkt sich auf das äußere Verhalten des Therapeuten aus" (Op. cit., S. 33). In Verknüpfung mit einem szenischen Verstehen meint sie: "Dabei geht es immer auch um "vollständige Szenen", die psychodynamisch verstanden aus Wünschen, Ängsten und Abwehrmechanismen bestehen. Ist man über gewisse Austauschprozesse mit dem Patienten "verwickelt", dann nimmt man nur noch Teile von sich selbst und Teile des oder der Patienten wahr. Wenn man sich zum Beispiel vom Patienten (auch unbewußt) entwertet fühlt, sieht man dessen (emanzipatorische) Veränderungswünsche nicht mehr. Man erlebt nur noch dessen Abwehr und/oder dessen Angst. Die Folge ist, daß man die Veränderungswünsche des Patienten gegen diesen selbst vertritt, als wären es (nur) die eigenen Wünsche, also die Wünsche des Therapeuten. Man "schiebt" und "zieht" den Patienten, um ihn zu bewegen, weil man es nicht wagt, sich selbst in der Beziehung zu ihm zu bewegen. Kann man nun diesen Vorgang in sich spüren und analysieren, dann erkennt man die Verwicklung, man erlebt bewußt die Entwertung und kann sich Gedanken darüber machen, weshalb man in dieser Situation auf die Entwertung durch den Patienten mit Selbstentwertung (also mit einer inneren Einverständniserklärung) reagiert. Diese innere Szene kann man aus der Perspektive des Patienten verstehen (Gegenübertragungsanalyse) oder auch aus der eigenen Perspektive (Übertragungsanalyse). In jedem Fall wird die Szene "vollständig", denn jetzt tritt in der Wahrnehmung des Therapeuten eine psychische Trennung vom Patienten ein. Er erkennt bei diesem zum Beispiel den Wunsch nach Annäherung und die Angst vor Verschmelzung oder ähnliches; so wird dann eventuell auch die "Notbremse" (die Entwertung des Therapeuten) in ihrer "Überlebensfunktion" für den Patienten verstehbar. Diese differenzierte Wahrnehmung des Patienten ist aber nur möglich, wenn man bei sich selbst "vollständige Szenen"" erleben kann. Soweit dies geschieht, kann dann auch die viel beschriebene "psychoanalytische Haltung" wieder eingenommen werden. Man hat es nicht mehr nötig, eigene Unfähigkeiten als Folgen der (unter Umständen als Ausdruck von "Aggression" oder "Unfähigkeit" des Patienten interpretierten) Aktionen des Patienten mißzuverstehen", sodaß "die projektive Identifikation in bezug auf den Patienten nimmt abnimmt. Aber auch die "Behandlungstechnik" verändert sich: Man tendiert weniger dazu, Patienten kurzfristig zu manipulieren, sie zum Beispiel zu beruhigen oder sie zu ermuntern, ihre Angst "einfach" zu überwinden. Denn man sieht, wie die Wünsche des Patienten zu der manifest vorgetragenen Angst in Beziehung stehen, und man erkennt eventuell mehr Möglichkeiten für einen emanzipatorischen Prozeß beim Patienten, der von diesem selbst ausgeht" (Op. cit., S. 33-34). Für die analytische Körperpsychotherapie mit dem im Vergleich zum klassischen psychoanalytischen Vorgehen verstärkten Einbezug der Realperson des Therapeuten und den daraus potentiell resultierenden Verwicklungen sind die folgenden Aussagen besonders relevant: "Der Weg aus der Verwicklung besteht in dem hier vorgestellten Konzept nicht darin, daß man sich möglichst vom Patienten distanziert und nur noch "technisch" denkt und handelt, sondern in einer psychischen Annäherung, die allerdings gerade nicht die Verschmelzung zur Folge hat, sondern einen kontinuierlichen Prozeß der psychischen Trennung". ......... So "geht es also ..... darum, die eigenen Gefühle, Fantasien und Wünsche wieder von den Gefühlen, Fantasien und Wünschen anderer Menschen unterscheiden zu können. Die abstinente Haltung des Analytikers beruht aus dieser Sicht wesentlich auf dessen Fähigkeit, sich in seine Patienten einzufühlen, ohne dabei in unreflektierte Austauschprozesse mit ihnen zu geraten ..... bzw. auf der Fähigkeit, solche Verwicklungen zu spüren, zu reflektieren und immer wieder an ihrer Auflösung zu arbeiten" (Op. cit, S. 35). Hier geht es eindeutig um eine Verschiebung von einer patienten- zu einer interaktionszentrierten Perspektive: "Wenn ich respektieren kann, daß wir (mein Patient und ich) an einem bestimmten Punkt in der therapeutischen Beziehung den Bereich gemeinsamer Wirklichkeitskonstruktion verlassen haben, daß aber beide Sichtweisen, die eigene und die des Patienten, gleichwertig nebeneinander stehen, schaffe ich die Voraussetzung für den Wechsel der Phänomen-Ebene. Ich richte dabei meine Aufmerksamkeit nicht auf die Elemente des Systems, sondern auf die Beziehung als ganzheitliches System. Die Verständigung über die unterschiedlichen Sichtweisen, die einen erneuten Kontakt ermöglicht, kann nur gemeinsam gelingen; mißlingt sie, führt das zu Stagnation und Trennung" (Herberth, 1997, S. 278). Und die besondere Rolle des Psychotherapeuten "liegt zunächst ausschließlich im Einsatz meiner ..... Fähigkeit, mit meiner eigenen Abwehrneigung besser vertraut zu werden ...... Das Wesentliche ist dabei nicht irgendeine Form von "technischer Intervention", sondern meine veränderte Haltung in der Beziehung ..... hin zu einer Sichtweise, die unterschiedliche Wirklichkeitsbeschreibungen gelten läßt" Op. cit., S. 278). Einer Einteilung von Mertens (1990) folgend, scheinen mir desweiteren folgende therapeutische Einwirkungen in analytischer Körperpsychotherapie erwähnenswert zu sein (vgl. auch Geißler, 1996, S. 242ff.): 1. Holding Nicht nur das therapeutische Setting, mit einem klaren Arbeitsrahmen, der Beständigkeit und Verläßlichkeit des Therapeuten v.a. auch im Bereich negativer Übertragungsphasen, wirkt haltgebend, sondern im Bedarfsfall, d.h. z.B. bei tiefen Ängsten oder überwältigender Verzweiflung, auch der konkret-körperliche Halt des Therapeuten. 2. Containing Der Therapeut hält einerseits die projektiven Identifikationen des Patienten aus, ohne sich unreflektiert in das unbewußte Rollenangebot des Patienten hineindrängen zu lassen und sofort zu reagieren, wie dies häufig in Alltagsauseinandersetzungen geschieht. Containing kann aber auch unmittelbar auf der körperlichen Ebene zur Anwendung gelangen, beispielsweise bei schweren Fragmentierungsängsten, wo durch spezifische körperbezogene Interventionen der Patient "zusammengehalten" wird. 3. Genetische Deutung und Rekonstruktion, Deutung und Interpretation von Abwehrvorgängen und Übertragungsapsekten Wichtig scheint hier die Bemerkung, daß das Zur-Verfügung-Stellen von einsichtsfördernden Hypothesen nicht bloß auf einer sprachlich-intellektuellen Ebene verbleibt, sondern erfahrungs- und gefühlsmäßige Strukturen des nonverbalen Kodierungssystems erreicht. 4. Modellfunktion des Therapeuten (vgl. auch Maaser e.a., 1994) Sie hat im Gruppensetting häufig größere Relevanz als im Einzelsetting, weil dort der Therapeut eher als Leiter und damit auch Modellfigur erlebt wird bzw. sich auch in dieser Rolle ins Geschehen einbringt. Die Interventionen des Therapeuten sollten emotional und thematisch auf den Kontext abgestimmt, kurz und verständlich bzw. logisch gegliedert und schrittweise aufgebaut, klar und deutlich sowie sprachlich stimmig sein. Ebenso wirkt im positiven Sinn eine Stimmigkeit zwischen der Intervention und dem Ausdruck des Therapeuten, oder kommt im Falle wahrnehmbarer Diskrepanzen zwischen beiden als Störung zur Geltung. Spezifische Wirkfaktoren: Vorgänge im Patienten Welche Wirkungen entfalten nun all die bisher beschriebenen Handhabungen des Therapeuten im Patienten? 1. Erkenntnis und Einsicht in die Dynamik von Übertragungszusammenhängen Die lebendig erworbene Einsicht stellt eine unverzichtbare Lernerfahrung dar, wobei das Erkennen der komplexen Zusammenhänge zwischen Damals und Jetzt unterschiedliche Variationen im Feinbereich des Verhaltens eröffnet. Mehr und mehr gerät der Patient durch das Bewußtwerden unbewußter Vorgänge in die Situation einer freien Entscheidung zwischen mehreren möglichen Handlungsalternativen. Damit gewonnene Einsichten im alltäglichen Leben des Patienten sicher verankert werden können, ist ein kontinuierlicher Prozeß des Durcharbeitens unerläßlich. b) Verinnerlichung Internalisierungen kommen, aus der Objektbeziehungs- und der beziehungsdynamischen Perspektive, aber nicht allein durch Einsicht zustande, sondern entstehen dann, wenn positive Aspekte der therapeutischen Interaktion genügend oft erlebt und intrapsychisch im Patienten verankert werden können. Allerdings geht es dabei nicht allein um befriedigende Erfahrungen, sondern um einen spiralförmigen Prozeß von befriedigenden Beziehungserlebnissen - der positiv-korrigierenden emotionalen Erfahrung (s.u.) - und Enttäuschungserlebnissen dem Therapeuten gegenüber. Im Sinne einer Wachstumsperspektive schreitet der Patient schrittweise vom Erleben intimer Nähe mit ihm zur Erfahrung von Allein- und Getrennt-Sein voran. Allmählich werden dabei pathologische Introjekte durch therapeutische Introjekte ersetzt, die zu stabileren und autonomeren Identifikationen führen (Loewald, 1986). c) Positiv-korrigierende emotionale Erfahrung Obgleich ein allgemeiner Wirkfaktor, möchte ich an dieser Stelle noch einige Worte dazu sagen. Strukturveränderung in der Therapie heißt nicht, die Vergangenheit ungeschehen machen zu können, sondern - durch das Überwinden von Widerständen in der Übertragung - alte Strukturen zu hemmen und durch neue zu überlagern, wobei die neuen Strukturen allmählich häufiger auftreten, außer in Krisen, wo man regelmäßig in die alten Muster regrediert (Dornes, 1997, S. 319). Dieser Prozeß dauert deswegen so lang, weil Verhalten und Fühlen weitgehend auf einem "prozeduralen", d.h. vorsprachlichen Niveau automatisiert sind und nicht primär nur von Fantasien angetrieben werden. Der Übergang zur Fantasie vollzieht sich erst in er Therapie durch Rekonstruktionen (Op. cit., S. 319). In der emotional-korrigierenden neuen Erfahrung lernt der Klient direkt, ohne begleitende Einsicht. Er lernt implizit neue Beziehungs- und Gefühlsregeln, weil die Situation gerade nicht so ist, wie sie früher war (Op. cit., S. 322). Dabei sind die averbalen Kommentare wichtiger als die verbalen Deutungen. Der Klient erlebt einfach, auf nonverbaler Ebene, wie der Therapeut auf ihn ebenso nonverbal reagiert. Dadurch entstehen neue emotionale Heuristiken, die das Sediment einschlägiger Erfahrungen sind, ohne daß sie expliziten Status erhalten müssen. Psychoanalytische Therapie dauert deswegen so lang, weil solche neuen emotionale Heuristiken etabliert werden sollen, und daher immer wieder diese neuen Erfahrungen notwendig sind, um alte Prozeduren zu modifizieren. Ohne die in vivo immer wieder gemachte Erfahrung des Gegenteils von Damals ist keine dauerhafte Modifizierung von Gefühlsgewohnheiten möglich. Die Körpererfahrung als Wirkfaktor Der aktive Zugang über den Körper und die Handlung ist auch ein direkter Zugang zu den Affekten, d.h. eine erlebniszentrierte Möglichkeit zur Steigerung der gefühlsmäßigen Involvierung des Patienten in den therapeutischen Prozeß und damit auch ein Mittel zur Aktivierung und Intensivuierung der Übertragung. Die durch körperbezogene Zugänge stattfindende Verbindung zum vegetativen und willkürlichen Nervensystem hat auch psychobiologische Auswirkungen, die allerdings in analytischer Körperpsychotherapie, im Vergleich zu neoreichianischen Therapieverfahren, nicht so sehr im Vordergrund stehen. Der Körper bzw. bestimmte Körperregionen erhalten eine symbolische und auch für die Therapie wichtige Bedeutung (Müller-Braunschweig, 1997). Die explizite Beachtung des Körpers führt einerseits zu einer positiven, narzißtischen Besetzung des Körper-Selbst, sie bewirkt eine Wieder- oder Neuentdeckung des Körperraums als Teilaspekt des wahren Selbst auf der Körperebene (Geißler, 1996, S. 245) und fördert andererseits beim Klienten eine schrittweise Differenzierung des Körperbildes bzw. des körperlichen Aspekts der Selbst-Repräsentanz, wobei der Wechselbezug zu anderen Aspekten der SelbstRepräsentanz (z.B. zum Selbstwertgefühl), aber auch zu Objekt-Repräsentanzen einsichtig wird. In diesem Sinne verändert sich auch die Beziehung zum eigenen Körper; dieser Veränderungsprozeß ist ein Abbild der neu erlebten positiven Bewertung körperlicher Vorgänge durch den Therapeuten Patienten sowie ein Niederschlag der Patient-Therapeut-Beziehung auf nonverbal-körperlicher Ebene. Damit ist die Körpererfahrung im Sinne der Zentrierung auf basales Körpererleben ein Teilaspekt der Selbst-Erfahrung, stellt aber für sich genommen noch nicht Therapie im eigentlichen Sinn darstellt (vgl. Maaser, 1994). Therapeutische Wirksamkeit erfodert wird ein therapeutisches Setting, dessen zentraler Baustein die reflektierte Beziehung zwischen beiden Interaktionspartnern darstellt. Nach Rapp (1997, S. 173) lassen sich folgende Teilaspekte der Körpererfahrung unterscheiden: A) Unspezifische Wirkungen: 1. Vitalitätssteigerung (v.a. Lockerungen im Affektausdruck bei sehr affektgehemmten Patienten) 2. Lockerung, Entkrampfung und Zunahme der sensomotorischen Geschicklichkeit 3. Steigerung des Antriebsverhaltens und Zunahme an konstruktiver Aggressivität 4. Abnahme von Erwartungs- und Ausdrucksangst Als Gründe für diese unspezifischen Wirkungen nennt Rapp bewegungsphysiologische Aktivierungsmechanismen, wie sie auch in anderen Bewegungs-, Spiel- und Sportarten vorkommen. Spezifische Wirkungen sind, zusätzlich zur bereits erwähnten positiven narzißtischen Besetzung des Körperselbst: 1. Erleben von Schutz und Freiraum auf der Körperebene, bedingt durch die die nicht wertende und verstehende Haltung des Therapeuten, die eine Erlaubnis, auch zu handeln, ohne kritisiert zu werden impliziert ("Agieren" wird nicht grundsätzlich verpönt oder verboten) und damit der Abbau eines körperfeindlichen Überichs und körperhemmenden introjizierten Instanzen. 2. Erweiterung des äußeren und inneren Raumes - durch Erweiterung des äußeren Bewegungs- und Handlungsraumes wird auch eine Änderung des inneren Raumes bewirkt 3. Konfrontation und Konkretisierung Abwehrmechanismen werden in der Bewegung und konkreten Inszenierung festgeschrieben, werden körperlich erfahren, werden direkt "erleibt". 4. Reaktivierung nichtsprachlicher Erlebnisdokumente Dieser Mechanismus bezieht sich auf tief inhibierte Bewegungsabläufe und verbotene Bewegungswünsche und wirkt damit auch im Sinne einer Umstrukturierung und Differenzierung der Übertragungssituation. 5. Benennung und Kodierung komplexer Interaktionsabläufe 6. Erweiterung der Traumdeutung durch konkrete Aktion und Interaktion Zugang zu Körpererinnerungen: Prozedurales Wissen Um die Wirkung der genannten Faktoren besser verstehen zu können, lohnt sich ein Rückgriff auf die Säuglingsforschung. Dornes (1997, S. 307 ff.) unterscheidet prozedurales und deklaratives Wissen. Deklaratives Wissen ist symbolisch und kann erinnert werden, prozedurales Wissen ist hingegen nicht-symbolisch und wird "agiert", d.h. durch Handlungen ausgedrückt. Prozedurales Wissen - wie z.B. das Laufen-Lernen - gibt es von Geburt an, deklaratives Wissen tritt später hinzu. Die Art und Weise, wie man sich in emotional bedeutsamen Situationen verhält, beruht auf primären prozeduralen Regeln. Diese sind nicht verdrängt, sondern von Anfang an unbewußt. Sie entsprechen nicht dem dynamischen Unbewußten, sondern dem Urverdrängten d.h. einem Teil des Unbewußten, der nie bewußt war, wie die sensomotorischen Schemata von Piaget (1936), die Wahrnehmungs-Handlungs-Affekt-Muster von Lichtenberg (1991), die generalisierten Interaktionsrepräsentanzen bzw. Rigs von Stern (1992), die affektmotorischen Schemata von Downing (1996) und die inneren Arbeitsmodelle der Bindungstheoretiker (Bowlby, 1973). Das, was wir Charakter nennen, also die habituelle Art des Sich-Bewegens, Denkens und Fühlens, beruht zum Teil auf Gewohnheiten, die unbewußt erworben wurden und sich verfestigt haben, ohne daß sie jemals bewußt waren. Für sie gibt es keine expliziten Repräsentationen, es handelt sich um Ereignisse, die averbal gelernt wurden. Ein Teil des prozeduralen Wissens wird später sprachlich neukodiert und ist sodann als prinzipiell bewußtseinsfähiges, formulierbares und explitites Wissen verfügbar. Ein Teil dieses prozeduralen, impliziten Wissens wird aber nicht sprachlich kodiert, bestimmt jedoch unser Verhalten und Fühlen, ohne daß dieses Wissen verdrängt oder durch einen Widerstand an der Bewußtwerdung gehindert wird, und bildet den Urgrund dessen, was später als unbewußte Fantasie entweder ausgearbeitet oder verdrängt werden kann (Dornes, 1997, S. 311). Körperliche Inszenierungen im Sinne spezifischer Verhaltensmuster werden auf diese Weise gespeichert, ohne jemals bewußt zu werden. Es geht dabei um ein sprach- und fantasiefreies Interaktionswissen, auch wenn es möglich ist, dieses Wissen später einmal zu symbolisieren (Op. cit., S. 313). Prozedurales Wissen wirkt aber auch im Sinne "motorischer Überzeugungen" (Downing, 1996) weiter, und es bedingt das grobe Agieren mancher frühgestörter Klienten, in welchem ein prozedurales Wissen zur Darstellung kommt - es tritt eine symbolische Handlung an die Stelle einer sprachlichen Äußerung (Dornes, 1997, S. 316). Wie kommt es dann dazu, daß über eine einen Bewegungsablauf, entweder vom Patienten spontan durchgeführt und vom Therapeuten fokussiert, oder aber vom Therapeuten als "Übung" bewußt inszeniert, eine "Körpererinnerung" ausgelöst wird? Dazu Rapp (1997, S. 192): "Durch die neuroanatomische Verschachtelung von Wahrnehmung, Bewegung, Emotion, Kognition und durch die Besonderheiten des menschlichen Gedächtnisses kommt es sehr früh zu netzwerkartigen Abspeicherungen von Erlebnissen in unterschiedlichen neurobiologischen Systemen auf unterschiedlichen Ebenen der Wahrnehmung und Verarbeitung. So ist es also möglich, daß über ein Erlebnis-Element (z.B. emotional betonter Bewegungsablauf) das ganze ursprüngliche Netzwerk reaktiviert wird. Das Erlebnis wird auf diese Weise im Schlepptau eines emotional gefärbten Handlungsablaufes aus dem frühen Erinnerungsspeicher herausgezogen. Da aber zu dem ursprünglichen Zeitpunkt noch keine sprachlich-kognitive Verarbeitung und Kodierung erfolgte, fehlen entsprechende Begriffe und Wörter." Lichtenberg (1991, S. 183) führt, wie Geuter (1997) kritisch anmerkt, diesbezüglich einige Fallbeispiele an, die einen körperorientierten Zugang geradezu aufdrängen, kann sich jedoch nicht entscheiden, den von außen gesehen klein wirkenden Schritt von seinen Überlegungen in die klinische Konsequenz des handlungsmäßigen Einbezugs des Körpers zu tun, obwohl er selbst einräumt, daß der Zwang zur sprachlichen Kommunikation "die Mitteilungen verstümmelt, die uns einige Patienten über ihre früheren Erfahrungen machen könnten und müßten". Wirkvoraussetzungen: Sitzungsfrequenz, Behandlungsdauer und multimodaler Zugang Damit sich therapeutische Wirkungen optimal entfalten können, ist ein kontinuierliches und ausreichend dichtes Behandlungssetting notwendig. Im Schnitt wird in der analytischen Körperpsychotherapie wöchentlich eine Stunde, manches Mal auch zwei oder drei Stunden, selten hingegen niederfrequenter, gearbeitet, wobei die Strukturveränderung im Patienten - jedenfalls dort, wo wir sie anstreben - im Zeitraum von Jahren zum Tragen kommt. Aus eigener Erfahrung würde ich sagen, daß ein Behandlungszeitraum von 5 bis 7 Jahren einen guten Rahmen für eine tiefgreifende und ausreichend stabile Wandlung im Patienten darstellt Ein potentes Mittel analytischer Körperpsychotherapie, und gleichzeitig eine Quelle von Gegenübertragungsfallen, ist ihr multimodaler Zugang zum Unbewußten; d.h. therapeutisch relevantes Material kann über verschiedenen Ebenen des Bewußtseins, über Sexualität, Träume, Körper, Fantasien, Erinnerungen und Bilder, aufgefunden werden. Um sich dabei nicht in der Fülle der Informationen zu verlieren, hilft eine klare Diagnostik mit der Herausarbeitung eines "Main issue" (Berliner, 1994), der eine Art roten Faden im therapeutischen Prozeß darstellt. Bei entsprechender Erfahrung und ausreichend differenziertem Wissen um die eigene Gegenübertragung, auf der Grundlage von Eigentherapie und Supervision, kann man sich aber - und das ist die Stärke analytischer Körperpsychotherapie auf den jeweils optimalen Kommunikationskanal mit dem Klienten einstimmen bzw. einen anderen Kanal aufsuchen, wenn man ihn nicht erreicht. Um mit diesem multimodalen Zugang effektiv arbeiten zu lernen, ist eine langjährige psychoanalytische und körperpsychotherapeutische Ausbildung notwendig und sinnvoll. Die Therapeutenpersönlichkeit als Wirkfaktor Wenn wir nun an die Darstellung des beziehungsdynamischen Ansatzes von Bauriedl zurückdenken, und wenn wir uns die Lösung in der Gegenübertragung im angeführten Fallbeispiel nochmals in Erinnerung rufen, dann wird deutlich, daß jenseits aller Technik und Methodik die Therapeutenpersönlichkeit der entscheidende Faktor ist, der in der Therapie den Ausschlag gibt, was möglich ist und was nicht. Eine langjährige Ausbildung, die viel Eigenerfahrung, theoretisches Wissen und Supervision einschließen sollte, schafft geeignete Voraussetzungen für effizientes therapeutisches Arbeiten. In unserem Beruf kommt dazu noch praktische Lebenserfahrung, die uns bei vielen unserer Klienten nützlich ist. Abgesehen davon, daß bisher eine systematische Technik analytischer Körperpsychotherapie nicht niedergeschrieben wurde – einige technische Anleitungen finden sich im Buch von Downing (1996) – gibt es gar keine solche, die sich für alle psychischen Störungen eignen würde, und es gibt sie auch deswegen nicht, weil die jeweils angewandte Technik sehr stark von den Neigungen, Fähigkeiten und Grenzen des Behandlers abhängt. Eine künftige differentielle Wirkforschung hätte daher die Therapeutenvariable unbedingt miteinzubeziehen, um aufzuklären, welche Therapeuten bei welchen Patienten mit welchen Störungsbildern unter welchen spezifischen Umständen des Prozeßgeschehens welche Interventionen setzen, die sich kurz-, mittel- und langfristig positiv oder negativ auf die Entwicklung des Patienten auswirken. Abschließende Bemerkungen Es würde analytischer Körperpsychotherapie künftig helfen, wenn das Interesse der Psychotherapiewissenschaftler am Körper wächst, sodaß er als Forschungsgegenstand künftig mehr als bisher miteinbezogen wird. Bisher werden Foschungsgelder eindeutig an solche Disziplinen vergeben, in denen das Wort dominiert. Dabei sollte gerade in der analytischen Körperpsychotherapie von Bedeutung sein, sich nicht Forschungsmethoden aufdrängen zu lassen, die ihren Forschungsgegenstand verfehlen bzw. unadäquat abbilden. Wir brauchen hier eine sehr ausgefeilte und differenzierte Forschungskultur, wobei es wegen der Komplexität der therapeutischen Interaktion auf verschiedenen Ebenen unabdingbar erscheint, daß sich ebenso der Therapeut mit seiner subjektiven Erfahrung zum Gegenstand der Forschung macht. Ein Beispiel dafür wurde in dieser Arbeit vorgelegt. Literatur Bauriedl T (1997) Die innere Welt des Psychoanalytikers. In: Herberth F, Maurer J (Hrsg.) Die Veränderung beginnt im Therapeuten. Anwendungen der Beziehungsanalyse in der psychoanalytischen Theorie und Praxis, Brandes & Apsel, Frankfurt, S. 11-40 Berliner J (1994) Psychoanalyse, Bioenergetische Analyse und analytische körpervermittelte Therapie. Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Besonderheiten. Konzepte und Praxis. In: Geißler P (Hrsg) Psychoanalyse und Bioenergetische Analyse. Im Spannungsfeld zwischen Abgrenzung und Integration, Peter-Lang, Frankfurt, S. 53-147 Bowlby J (1973) Trennung. Psychische Schäden als Folge der Trennung von Mutter und Kind, Kindler, München Dornes M (1997) Die frühe Kindheit. Entwicklungspsychologie der ersten Lebensjahre, Fischer, Frankfurt Downing G (1996) Körper und Wort in der Psychotherapie, Kösel, München Geißler P (1996) Neue Entwicklungen in der Bioenergetischen Analyse. Materialien zur analytischen körperbezogenen Psychotherapie. Peter-Lang, Frankfurt Geißler P (1997) Analytische Körperpsychotherapie. Bioenergetische und psychoanalytische Grundlagen und aktuelle Trends, Facultas, Wien Geuter U (1997) Körperbilder und Körpertechniken in der Psychotherapie, in: Pulsationen. Zeitschrift des Arbeitskreises für Emotionale Reintegration, Nr. 23, S. 4-14 Grawe K, Donati R, Bernauer F (1994) Psychotherapie im Wandel. Von der Konfession zur Profession. Hogrefe, Göttingen Hohage R (1996) Analytisch orientierte Psychotherapie in der Praxis, Schattauer, Stuttgart Krüger A (1996) Essentials der analytischen Körperpsychotherapie: Zur Methode und Technik, in: Materialien zur analytischen Körperpsychotherapie, KatemMaterialien Heft 6, Berlin, S. 6-12, beim Autor Lichtenberg JD (1991) Psychoanalyse und Säuglingsforschung, Springer, Heidelberg Loewald H (1986) Zur therapeutischen Wirkung der Psychoanalyse. In Loewald H (Hrsg.) Psychoanalyse: Aufsätze aus den Jahren 1951-1979, Stuttgart, S 209-247 Maaser R, Besuden F, Bleichner F, Schütz R (1994) Theorie und Methode der körperbezogenen Psychotherapie. Ein Leitfaden für die klinische Praxis. Kohlhammer, Stuttgart-Berlin-Köln Maaz HJ (1997) Der Körper in der Psychoanalyse. Vortrag auf der Gründungsversammlung der Sektion Analytische Körperpsychotherapie der DGAPT in Halle (Saale) am 25.4.1997 Mertens W (1990) Einführung in die Psychoanalyse, Band 1-3, Kohlhammer, Stuttgart Müller-Braunschweig H (1997) Zur gegenwärtigen Situation der körperbezogenen Psychotherapie. In Psychotherapeut 3, 132-144 Piaget J (1936) Das Erwachen der Intelligenz beim Kinde, Klett, Stuttgart, 1975, Studienausgabe, gesammelte Werke Band 1 Ranefeld J (1995) Auge in Auge. Vortrag im Wiener Psychoanalytischen Seminar in Wien am 13.6.1995 Rapp W (1997) Ein ganzheitlicher Zugang zur Person über Psychoanalyse und analytische Bewegungs- und Tanztherapie. Setting, Wirkmechanismen und Theorie. In: Trautmann-Voigt S, Voigt B (Hrsg.) Freud lernt laufen. Herausforderungen analytischer Tanz- und Bewegungstherapie für Psychoanalyse und Psychotherapie, Brandes & Apsel, Frankfurt, S. 173-212 Slunecko T (1996) Wissenschaftstheorie und Psychotherapie. Ein konstruktivrealistischer Dialog. Facultas, Wien Stern DN (1992) Die Lebenserfahrung des Säuglings, Klett, Stuttgart Trautmann-Voigt S, Voigt B (1997) Freud lernt laufen. Herausforderungen analytischer Tanz- und Bewegungstherapie für Psychoanalyse und Psychotherapie, Brandes & Apsel, Frankfurt Worm G (1997) Eine analytische Körperpsychotherapie. Bisher unveröffentlichtes Manuskript, beim Autor