Ein Königsweg zum Unbewussten

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Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Der Vortragstitel heißt: Ein Königsweg zum Unbewussten. Kurze Einführung in
die Körperpsychotherapie.
Dieser Titel verrät schon dreierlei.
Zum einen geht es um Unbewusstes – ich bewege mich also in einem
psychotherapeutischen Feld, das zum Ziel hat, unbewusste Prozesse sichtbar zu
machen. Das ist nicht selbstverständlich so. Nicht jede Psychotherapie hat dieses
Ziel, sehr wohl aber jede tiefenpsychologisch orientierte Psychotherapie.
Und da gehören eben verschiedene Formen der Körperpsychotherapie dazu,
nicht alle, aber doch etliche. Die Betonung liegt heute auf kurz, denn die
Körperpsychotherapien sind mittlerweile ein riesiges Feld, und ich kann Ihnen
heute nur einen ganz kurzen Einblick geben.
Drittens wird im Titel von einem Königsweg gesprochen. Ich sage absichtlich
von einem Königsweg, es ist also nicht der einzige. Die tiefenpsychologischen
oder psychodynamische Psychotherapien, wie sie auch genannt werden, haben
mittlerweile verschiedene Zugänge zum Unbewussten gefunden, ihre eigenen
Königswege – bei Freud waren es z. B. die Träume, dann auch das unbewusste
Fantasieleben, bei Jung sind es archetypische Bilder, dann gibt es
Tagtraumtechniken, bei denen sind es gelenkte Tagträume, die unbewusste
Prozesse deutlich machen. Dann gibt es therapeutische Ansätze, bei denen
wiederum die Sexualität einen Königsweg zum Unbewussten darstellt – und
dann eben die sog. Körpertherapien, bei denen der Körper der Hauptweg zum
Erschließen unbewusster Phänomene ist.
Aber auch nicht bei allen, wäre hinzuzufügen. Wir leben in einem Zeitalter der
Methodenintegration, immer moderner werden sog. multimodale Therapien, die
also mehrere Wege zum Unbewussten zur Verfügung stellen, je nachdem, wo
man den Patienten am besten erreicht. Im Rahmen einer patientenzentrierten
Psychotherapie, wo sich der Therapeut also auf den Patienten einstellt, und nicht
umgekehrt sich der Patient an die Methode des Therapeuten anzupassen hat, ist
das durchaus sinnvoll und wichtig.
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Mein Vortrag heute ist in folgende Abschnitte gegliedert:
Sie können ihn übrigens unter www.a-k.p.at nachlesen
In einem ersten Teil gehe ich auf eine Körpertherapie ein, in der ich selbst
ausgebildet wurde: auf die Bioenergetische Analyse. Dazu zeige ich Ihnen ein
paar Videoausschnitte, und zwar von der „klassischen Bioenergetik“ (eine
Sequenz mit Alexander Lowen), weil darin etwas karikaturhaft deutlich wird,
was auch heute noch immer praktiziert wird in der Bioenergetik, auch wenn sich
mittlerweile viel gewandelt hat. Das Unbewusste wird in der Bioenergetik
gleichgesetzt mit tiefen körperlichen und gefühlshaften Prozessen.
Nach einem kurzen Überblick über einige andere Körpertherapien zeige ich in
einem zweiten Videoausschnitt eine gegenwärtig wichtiger werdende
Spezialform der Anwendung von Körperpsychotherapie: die Arbeit mit Babies,
die eine traumatische Geburt hinter sich hatten. Dazu sei gleich jetzt gesagt, dass
diese Arbeit in den Kinderschuhen steckt, aber es gibt erste Ansätze dazu. Wir
wissen bis heute auch noch nicht klar, wie es mit dem Geburtstrauma wirklich
steht, wie wichtig das ist, da ist die Forschung noch am Anfang. Wir wissen aber
schon ganz viel über die Zeit nach der Geburt. Das Unbewusste wird hier in
frühen traumatischen Erfahrungen vermutet.
Im dritten Teil folgt ein kurzer Einblick in die Arbeitsweise der analytischen
Körperpsychotherapie, einer modernen, wissenschaftlich fundierten
Weiterentwicklung von Körperpsychotherapie und Psychoanalyse, also ein
methodenintegrativer Ansatz. Anhand eines Lehrvideos von Tilmann Moser
versuche ich, Ihnen hier ein erstes Gefühl davon zu vermitteln, wie man hier –
auch im Unterschied zur Bioenergetik – auf der körperlichen Ebene arbeitet. Das
Unbewusste ist hier gebunden in sehr frühen Interaktionserfahrungen zwischen
dem Baby, Kind, und seinen elterlichen Bezugspersonen, durch die man im
Rahmen einer körperorientierten Beziehungsanalyse herankommen will.
Am Ende zeige ich eine kurze Sequenz aus einer Videomikroanalyse der frühen
Kind-Eltern-Interaktion, das ist eine neue Forschungsrichtung, die gerade dabei
ist, die Körperpsychotherapien, aber nicht nur diese, auf ein neues
wissenschaftliches Fundament zu stellen. Die Babyforschung zeigt uns
sozusagen, wie später unbewusste Prozesse entstehen, und dazu nutzt man
moderne Technik.
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Kurz zu meiner Person: Ich bin Psychotherapeut in freier Praxis in Wien und in
einer Landpraxis am Stadtrand von Wien, bin ausgebildet zuerst in
Bioenergetischer Analyse, also dieser schon genannten Körperpsychotherapie,
und im Anschluss daran in Psychoanalyse. Ich habe nämlich in meiner Arbeit
als Psychotherapeut im Vergleich festgestellt – und das ist gleich ein erster
Hinweis - dass die Körperpsychotherapien, so spektakulär sie manches Mal von
ihren Effekten auch sein mögen, längerfristig nicht das Versprechen einhalten
können, das sie am Beginn geben, obwohl sie oft sehr starke Impulse geben. Ein
Beispiel: in einem meiner ersten Bioenergetik-Seminare bin ich – vermittelt
durch Körperübungen – in ein tiefes Schluchzen gekommen, wie ich es jahre-,
jahrzehntelang nicht mehr erlebt hatte. Das war ein sehr prägendes Ereignis.
Später folgten so manche sehr intensive Erfahrungen im Bereich körperlichemotionalen Erlebens, und das war sehr wichtig. Einerseits habe ich also in den
Körpertherapien sehr starke Erfahrungen gemacht.
Diese Erfahrungen haben mir aber nicht automatisch geholfen, mit mir besser
zurecht zukommen. Starke Erfahrungen sind das eine, zu verstehen, wie man
Beziehungen unbewusst gestaltet, sodass man immer wieder an den gleichen
Punkt kommt, uns sagt: schon wieder bin ich in dem und dem Konflikt gefangen
– hier ist ein auch kognitiver Umlernprozess notwendig, ein Verstehen dessen,
was ich unbewusst mit anderen Menschen in Szene setze.
In der sog. analytischen Körperpsychotherapie, die es seit ca. 10 Jahren gibt,
versuchen wir beides zu verbinden, also den Verstehenszugang aus der
Psychoanalyse und ein zumindest teilweise intensiveres Erleben, wie wir es aus
den Körpertherapien kennen.
Klar ist aber auch, dass analytische Körperpsychotherapie kein Wundermittel
ist, jeder Zugang hat Vorzüge, aber auch Grenzen, und wird ganz entscheidend
durch die Person dessen geprägt, der oder die sie anwendet.
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Teil 1: Kurzeinführung in die Körperpsychotherapie
Begründer der Körperpsychotherapien war Wilhelm Reich, etwa in den
Zwanziger- und Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts. Die Psychoanalyse
Freuds entwickelte sich immer mehr zu einer reinen Redekur, d. h. die
emotionale Beteiligung der Patienten in der Analyse war teilweise gering, da
war eine gewisse Tendenz zur Intellektualisierung, die es auch heute noch gibt.
Die Psychoanalyse steckte damals noch in ihren Kinderschuhen, und deswegen
war sie oft vom therapeutischen Effekt her nicht besonders erfolgreich. Daher
wunderte es nicht, wenn sich so machen Schüler Freuds damit beschäftigten,
wie man dieses Verfahren effektiver machen konnte. Und da kam Wilhelm
Reich über einige Zwischenschritte auf die Idee, dass man den Körper
einbeziehen kann, und zwar über die Analyse muskulärer Blockaden und auch
der Atmung. Es war eine Verschiebung weg von dem, was die Patienten sagten,
und hin zu dem, wie sie es sagten, wie sie sich überhaupt ausdrückten, oder wie
sie ihren freien Gefühlsausdruck verhinderten – als hin zu den nonverbalen,
körperlichen Elementen.
Daraus entwickelte sich die sogenannte Vegetotherapie, die vom Setting her
schon recht anders aussah als die Freud´sche Couch-Analyse. Der Patient lag
nun auf der Matte, und der Therapeut versuchte in recht aktiver Weise, die
Atmung des Patienten zu mobilisieren, und bestimmte Muskelverspannungen
ausfindig zu machen und durch bestimmte körperliche Techniken zu lösen. Ziel
dieser Sache war es, Gefühle möglichst frei ausdrücken zu können – also Trauer,
Wut, Lust, Freude, Angst, usw. Oft durch Beteiligung der Stimme, mit dem Ziel
auch, eine volle und tiefe Atmung zu erreichen, und eine möglichst intensive
Gefühlsentladung.
Alexander Lowen war ein Schüler von Reich, er entwickelte etwa in den
Fünfziger- und Sechzigerjahren die Bioenergetische Analyse, mit einem etwas
anderen Vorgehen, aber doch vielen Gemeinsamkeiten wie bei Reich. Davon
möchte ich Ihnen jetzt einen Videoausschnitt zeigen:
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Video Lowen
Zusammenfassung: Overhead-Folien
Andere neoreichianische Körpertherapien neben der Bioenergetik sind z. B.:
Biodynamik und Biosynthese.
In der Bioenergetik ist es die quergestreifte Muskulatur, in der der Konflikt
zwischen inneren Impulsen und Gefühlen lokalisiert ist. Die
Muskelverspannungen sind sozusagen das körperliche Substrat der Abwehr von
Konflikten, die Charakterstruktur das für die jeweilige Person typische
Abwehrmuster. Es werden hier einige Charaktertypen unterschieden, auf die ich
hier aber nicht eingehen kann.
In der Biodynamik – Begründerin ist Gerda Boyesen - wird z. B. davon
ausgegangen, dass die muskulären Blockaden nicht nur die quergestreiften und
willkürlich aktivierbaren Muskeln betrifft, sondern sogar die noch tiefer
liegenden glatten Muskeln der Eingeweide. Und da gibt es z. B. spezielle
Massagetechniken, wie man die Darmmuskulatur lösen kann, und wie man
Lösen dieser Muskeln verfolgen kann, indem man mit einem speziellen
Stethoskop die Entwicklung der Darmgeräusche verfolgt.
In der Biosynthese – Begründer ist David Boadella - werden nochmals andere
körperliche Ordnungsprinzipien eingeführt, die körperlichen Blockaden werden
den Keimblättern zugeordnet, die bereits in der embryonalen Entwicklung
entstehen. Vom technischen Vorgehen bestehen viele Ähnlichkeiten zu anderen
reichianischen Verfahren.
Außerdem gibt es ein spirituelles Konzept, wie z. B. in der sog. Core Therapie
von John Pierrakos, einem Kollegen von Lowen, der die Energieausstrahlung
des Körpers, die Aura, in seinen Konzepte und ins praktische Arbeiten
einbezieht.
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Auch Janovs Urschreitherapie wäre im weiteren Sinn hier hinzuzurechnen,
obwohl es sich nicht um einen klassischen Körperansatz handelt, gemeinsam mit
diesen Verfahren ist aber die intensive aktiv induzierte Regression.
Ihnen allen gemeinsam ist: ein Energiekonzept – es geht um eine Bioenergie,
seelische Gesundheit bestehe darin, den Fluss dieser Energie möglichst
ungehindert zu ermöglichen. Natürlich ergeben sich da viele Überschneidungen
zu anderen alternativen Therapieansätzen, die auch mit Energien arbeiten, wie
Homöopathie, Akupunktur, Shiatsu etc., bis hin zu spirituellen Ansätzen, wie im
Holotropen Atmen, und dann gibt es körperliche und atemtherapeutische
Ansätze, um an vorgeburtliche Existenzen heranzukommen, wie beim
Rebirthing. Einige dieser neuen Therapie liegen am Rande oder befinden sich im
Dunstkreis der Esoterik, neben diesen Entwicklungen gibt es aber auch andere,
die mehr auf unser westlich-traditionelles Wissenschaftsverständnis
zurückgreifen. Davon später noch etwas mehr.
Zusammenfassend: das Unbewusste wird in emotional-körperlichen Prozessen
gesehen, in körperlichen Erinnerungen, daher der Körper als Königsweg zum
Unbewussten.
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Teil 2 – Körpertherapie bei Neugeborenen mit traumatischer Geburt
Es gibt es eine spezielle Anwendung von Körperpsychotherapie, die aus den
USA gerade in Europa modern zu werden scheint: und zwar die Behandlung von
Babies, die traumatische Geburten hinter sich haben, z. B. nach einer
Kaiserschnittgeburt. Im Bereich der sogenannten Prä- und Perinatalpsychologie
ist gerade viel in Bewegung, es fand vor etwa einem Jahr ein großer Kongress
dazu in Holland statt.
Das Wirkprinzip dieser Babytherapie scheint recht ähnlich zu sein wie in den
klassischen Körpertherapien: durch bestimmte Körpertechniken soll sich das
Baby sozusagen die ganzen unausgedrückten Gefühle aus dem Leib schreien,
und das soll helfen, die Symptome, die z. B. nach traumatischen Geburten
auftreten, wie Schlafstörungen, Verdauungsstörungen usw. zu beseitigen. Dazu
auch ein kurzer Videoausschnitt.
Video Emerson
Sie haben gehört, es gibt also schon eine ganz ausgefeilte Technik, wie man da
vorgeht. Zusammenfassend ist zu sagen, dass wir eine wissenschaftliche
Fundierung noch brauchen, um hier klarer Stellung nehmen zu können. Einige
Ergebnisse dieser Therapie sind sicher beeindruckend.
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Teil 3: Ein Ausschnitt aus einer analytischen Körperpsychotherapie
Die Körpertherapien, von denen ich bisher gesprochen habe, gehen vom sog.
Körperselbst aus. D. h. vom Körper mit seinen muskulären Verspannungen, vom
Körper, der traumatische Erinnerungen speichert, vom Körper, der eine Art
Container ist für unausgedrückte Gefühle. Der therapeutische Ansatz besteht
darin, dieses Körperselbst, das durch bestimmte lebensgeschichtliche Umstände
in Schwierigkeiten geraten ist, gesünder zu machen, von seinen Blockaden zu
befreien. Lebensgeschichtliche Schicksale mit frühen Bezugspersonen werden
vor allem im Hinblick darauf betrachtet, wie sich diese Schicksale in späterer
Zeit auf dieses Körperselbst auswirken, wie sehr der Lebensfluss, der stark ein
Gefühlsfluss ist, frei oder behindert ist.
Demgegenüber hat sich die Psychoanalyse stark mit Beziehungsprozessen
beschäftigt. Im Konzept der Übertragung, das ich schon erwähnt habe, kommt
das direkt zum Ausdruck: Wie also leben frühere Beziehungsmuster mit
wichtigen Bezugspersonen, und hier besonders natürlich die problematischen
Anteile, im Hier und Jetzt der therapeutischen Begegnung mit dem Therapeuten
wieder auf? Man schließt sozusagen aufgrund dessen, was in der Gegenwart
geschieht, d. h. in der Beziehung zwischen Patient und Therapeut, auf
problematische Anteile aus der früheren Vergangenheit des Patienten und
arbeitet die gegenwärtigen Beziehungsprobleme durch Verknüpfung mit
kindlichen Anteilen auf.
Wenn es für das Kind oft nur eine ganz bestimmte Überlebensmöglichkeit gab,
sich in Situation X so und so zu verhalten, und wenn dieses aus der Not
geborene Verhalten von früher automatisch und unbewusst in gegenwärtige
Beziehungen hineinprojiziert wird, so ergeben sich bei genauer Analyse in der
erwachsenen Gegenwart doch in der Regel viel mehr Möglichkeiten sich zu
verhalten, als man damals als Kind hatte. Das ist der Lerneffekt in der
Psychoanalyse: wie man sich früher automatisch gelernt hat zu verhalten – so
gibt es im Erwachsenenleben immer eine bestimmte Zahl an
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Verhaltensoptionen, wenn sie einem bewusst sind – man kann sich also
entscheiden.
Man kann sich im Konflikt mit dem Ehepartner entscheiden, sich
zurückzuziehen, nicht zu sagen, oder das Gespräch zu suchen, man kann dabei
die eigene Stimme in ganz verschiedener Weise gebrauchen, wie beim
Autofahren, man lernt verschiedene Gänge und Drehzahlen zu nutzen: forcieren,
abschwächen, usw. usw.
Fazit: als Erwachsener hat man ganz viele Möglichkeiten sich zu verhalten
grundsätzlich zur Verfügung.
Psychoanalytische Therapie lebt davon, dass sich frühere Konflikte in der
Beziehung zum Therapeuten aktualisieren. Das ist der Königsweg zum
Unbewussten: über die Beziehung, aber auch unter Nutzung des Körpers.
Beispiel: Wenn ich als Kind eine Mutter hatte, die in ihrer Art mir zu begegnen,
ständig leicht übergriffig war, werde ich als Kind gelernt haben, mich vor diesen
Übergriffen zu schützen, indem ich mich z. B. zurückziehe. Und z. B. mein
Gefühl von Wut abspalte. Damit bin ich als Kind zurechtgekommen und hab mir
diese Mutter einigermaßen vom Leib halten können. In der Gegenwart werde ich
nun eine gewisse Neigung haben, Frauen, die mir gefühlsmäßig wichtig werden,
auch vom Leib zu halten, mich also immer wieder zurückzuziehen, wenn sie mir
näher kommen, wenn sie was von mir wollen. Und das ist dann der Keim für
eine ganze Reihe von Beziehungskonflikten, wo die Frauen mir immer
vorwerfen werden, ich zieh mich zurück, wenn sie Bedürfnisse an mich haben,
und ich dann immer sagen werde, aber ich erlebe das als zu fordernd oder eben
übergriffig, was diese Frauen von mir wollen. Und genau dieses Problem wird
sich im Laufe der Zeit auch in der Therapie mit dem Analytiker einstellen, egal
ob das ein Mann oder eine Frau ist. Der Therapeut, der dafür eine gutes Gespür
entwickelt hat, wird dem Patienten langsam helfen, sich dieses Problems
bewusst zu werden, und vor allem auch den Teil zu verstehen, wie der Patient
dieses Problem selbst immer wieder in Szene setzt: indem er sich z. B. schon bei
kleinen Annäherungen diskret zurückzieht, z. B. indem er den Blickkontakt
unterbricht. Auf dieses diskrete Zurückziehen wird sein Gegenüber, sofern es
emotional mit ihm engagiert ist, mit einer verstärkten Forderung reagieren, wird
mehr wollen, und dann sind die beiden schon genau in der pathogenen Schleife
drinnen, die seinerseits dieses Problem verursacht hat.
Video Moser
Folie
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Die Psychoanalyse leistet in diesem Feld des Verstehens von
Beziehungsdynamiken nun ganz viel. Tatsächlich spielt sich auch sehr viel von
dem, was zwischen zwei Menschen fortwährend passiert, im nonverbalen, also
körperlichen Bereich ab. Ununterbrochen findet unterschwellig ein
Signalaustausch statt zwischen Menschen, die miteinander zu tun haben: im
Bereich der Augen, der stimmlichen Modulation, des Haltens der Körper
zueinander, also der Regulation von Nähe und Distanz, aber auch im Einnehmen
bestimmter Körperhaltungen zueinander, im Bereich feiner körperlicher Impulse
und Bewegungen z. B. in den Händen usw. usw. All dies passiert
ununterbrochen parallel zu dem, was wir an sprachlich vermittelten Inhalten
austauschen.
In der analytischen Körperpsychotherapie folgen wir nun der Idee, die
Beziehungsanalyse, wie sie in der Psychoanalyse stattfindet, auch auf den
Bereich des nonverbalen Geschehens zwischen Patient und Therapeut zu
übertragen und hier in Schritten klar zu machen, was vor sich geht. Damit sich
das Körperliche in seinen Assoziationen gut öffnen kann, werden hier oft andere
Settings als das Gegenüber-Sitzen auch eingeführt. Man unterhält sich also
teilweise im Vis-a-Vis-Sitzen, aber nicht nur: in einem sog. “offenen Setting”
kann man aus den Stühlen herausgehen, und z. B. im Stehen arbeiten, oder sich
im Raum bewegen, oder was immer. Erfahrungsgemäß wird insgesamt trotzdem
viel gesprochen, denn es wichtig, sich die Sachen, die erlebt werden, auf
verbalem Weg gründlich anzuschauen und zu analysieren. Also miteinander zu
verstehen, was sich zwischen Patient und Therapeut inszeniert hat und was all
dies für den Patienten bedeutet.
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Der Körper ist hier vor allem ein Körper im Dialog, in der Beziehung – der
Zugang zum Unbewussten ist der über den Körper in Beziehung
Das ist vom Schwerpunkt und auch der Methodik her doch ein deutlicher
Unterschied z. B. zur Bioenergetik
Teil 4: Videomikroanalyse der frühen Interaktion
Abschließend noch ein paar Worte zur Zukunft der Körperpsychotherapie.
Tatsächlich erweist sich in der jüngeren Psychotherapieforschung der Körper,
insbesondere der nonverbale Dialog im Mikrobereich, als neuer Königsweg z.
B. in der psychotherapeutischen Wirksamkeitsforschung. Wir wissen z. B., dass
90% der ausgetauschten Informationen zwischen Patient und Therapeut gerade
auf dieser Ebene verlaufen und nur 10% über die Worte, auch wenn es sich um
eine sog. rein verbale Therapie handelt. Hier hat sich ein großes Forschungsfeld,
und es geht dabei um Mikroprozesse, die einfach wirken, obwohl sie dem
normalen Auge üblicherweise entgehen, einfach weil die Dinge zu rasch
passieren und auf vielen Ebenen gleichzeitig. Die menschliche Wahrnehmung
ist überfordert, und doch liegt eine wichtige Errungenschaft von
Körpertherapien darin, ein gewisses Spürbewusstsein für diese körperlichen
Vorgänge zu entwickeln.
Ich zeige Ihnen abschließend eine kurze Sequenz, um anzudeuten, was ich
meine.
Video Gabriel
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Folien:
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NEOREICHIANISCHE
THERAPIEN:
Alexander Lowen – BIOENERGETIK
(BIOENERGETISCHE ANALYSE)
Gerda Boyesen – BIODYNAMIK
David Boadella – BIOSYNTHESE
Ron Kurtz – HAKOMI
John Pierrakos –
CORE ENERGETIK
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BIOENERGETISCHE
ÜBUNGEN/TECHNIKEN
Atemübungen
Körperliche Spürübungen
(Körperwahrnehmung)
Stressübungen (Bogenhaltung u. a.)
Bewegungsübungen
Ausdrucksfördernde Übungen
„Grounding“-Übungen – Verwurzelung am
Boden
Druckpunkttechniken
u. v. a.
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„KLASSISCHE“
BIOENERGETISCHE
ANALYSE
Wahrnehmung
Gefühlsausdruck
Bewegung
Verbales Aufarbeiten des Erlebten
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ANALYTISCHE
KÖRPERPSYCHOTHERAPIE
Psychoanalytisch orientiertes
Arbeiten an früheren, gegenwärtigen
Beziehung und „an“ und „in“ der
Übertragung
Die therapeutische Beziehung wird
auch auf der Ebene des nonverbalen
Handlungsdialoges untersucht
Konkret-körperliche, auch vom
Therapeuten angeleitete
Handlungsszenen sind möglich (aber
keine „Übungen“)
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Körperbild: „dialogisch“, nicht
„energetisch“
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