BPS 2006 in Magdeburg - Versuch eines kurzen Rückblicks Prostatakrebs im Visier - Dr. Machtens Im Mittelpunkt seines 90 minütigen Vortrages stand die Frage: Wie hilfreich ist die Bildgebung hinsichtlich der Diagnostik in den jeweiligen Krankheitsstadien. Innovative Verfahren standen im Vordergrund bei Abwägung von Vor- und Nachteilen von TRUS, TRUS mit Doppler, Elastographie, CT, SpiralCT, MRI mit rektaler Spule oder mit Spektographie, Ganzkörper MRT, USPIO, PET bei primärer Diagnose, Diagnose im fortgeschrittenen Stadium und bei Rezidiven. Auszugsweise Aussagen von Dr. Machtens: Ultraschall-Echomuster von Prostatakarzinomen sind nicht homogen bzw. uniform, daher kein Zusammenhang herstellbar zwischen Gleasonwert und Ultraschallergebnis. Bei Ultraschall liegt die Wahrscheinlichkeit einer richtigen Vorhersage nur bei 15 Prozent und Tumorwachstum ausserhalb der Prostatakapsel kann allenfalls mit 50prozentiger Genauigkeit vorhergesagt werden. Besser ist Ultraschall mit neuronalem Netzwerk (jedoch nur bei Dr. Loch). Ultraschall mit Dopplereffekt hält nicht das, was man von den teuren Geräten erwartet hat. Die Elastographie liefert zu viele falsche Ergebnisse. Viel Erfahrung hat das Marienkrankenhaus in Herne. CT oder SpiralCT ist für Rezidivnachweis nicht vorteilhaft, jedoch besser bei Lymphknotenbefall und bei der Kontrolle nach Brachytherapie. MRI in Kombination mit Spektroskopie besitzt höchste Genauigkeit jedoch ist es kein initiales diagnostisches Verfahren bei erhöhtem PSA. Es wird an einem Verfahren zur MRT-gesteuerten Biopsie gearbeitet. Der Renner ist das Ganzkörper MRT. Es bildet den ganzen Menschen ab und liefert Hinweise auf Streuungen, hat jedoch einen Haken: Der Radiologe sieht etwas, kann es aber noch nicht einordnen ob Entzündung oder Tumor. Der Einsatz der Endorektalspule nur sinnvoll bei PSA-Rezidiv. USPIO hat unter Hormontherapie keine Aussagekraft. PET ist allein von der Kostenseite her nicht geeignet für Routinediagnostik. Besondere Erfahrungen beim PET-Einsatz bestehen in Ulm Protonentherapie (München) und Schwerionentherapie (Darmstadt) kann hinsichtlich Einsatz bei Prostatakrebs noch nicht beurteilt werden. Mitterand - ein Prostatadrama - sich outen in einem Akt ein nicht nur Betroffene nachdenklich machender Einakter aus Bielefeld, geschrieben vom Urologen für Patienten, schauspielerisch authentisch transportiert von einem Betroffenen Ein starkes Bündnis gegen Prostatakrebs - Prof. Seegenschmidt „Prostatakrebs läßt uns viel Zeit mit relativ guter Lebensqualität.“ war das Eingangsstatement. Gegenüberstellung der Erwartungen des Patienten: Ich möchte optimal behandelt werden - Ich möchte geheilt werden - Ich möchte keine Nebenwirkungen und der Erwartungen des Arztes: Vollständige Unterlagen, vollständige Informationen Unruhig wurde es im Auditorium nach: „T1 Patienten sind nicht schlechter dran als M1 Patienten. M1 hat zwar weniger Zeit bis zum Ende, hat aber schon ohne Therapie und ohne Nebenwirkungen seine Zeit gehabt.“ 7 Entscheidungskriterien für das weitere Vorgehen bei Prostatakrebs: 1. Alter, Allgemeinstatus, andere Krankheiten 2. lokale Kontrolle des Tumors bedeutet Heilungschancen, denn die Tumorzellen befinden sich noch in der Prostata 3. Nebenwirkungen akute und chronische; hinsichtlich Potenz soll bedacht werden, dass sie bei der Altergruppe der Prostatakranken nur noch bei 50 Prozent eine Rolle spielen würde und ab 70 gravierend weniger. 4. Die Therapie bei Versagen - „Wir müssen uns angewöhnen wie beim Schach über mehrere künftige therapeutische Schritte hinweg zu denken, nicht kurzfristig nur den nächsten Schritt sehen“ 5. Dauer und Begleitumstände der Therapie Es gibt groteske Situationen: - Patient kommt mit Prostatakrebs, ist verzweifelt über sein Schicksal, der Urlaub vor der Therapie ist ihm aber wichtiger - Bei der Beratung will der Patient eine exotische oder experimentelle Therapie, aber Kryotherapie, HIFU usw. wird man erst in 10 Jahren beurteilen können. Es muß gut überlegt werden, ob man(n) sofort auf das modernste Pferd aufspringt. Vieles, so hat es sich später herausgestellt, bewährt sich nicht. 6. Interdisziplinäre Kooperation - das bedeutet, in einem solchen Fall kommt ein Höchstmaß an Erfahrung für den Betroffenen zusammen: Es wird ein persönliches PK-Profil erstellt aus Befund, Biopsie, Bildgebung, Bewertung und Beschluß 7. die persönliche Arzt - Patienten Beziehung Das Vertrauen in dieser Beziehung ist das Wichtigste. Zur Verlaufskontrolle von Prostatakrebs: Beim 10.000 m Lauf sind Werte nach 500 oder 1000m uninteressant, sondern erst nach halber oder gar dreiviertel Distanz. Vergleichbar ist es beim Prostatakrebs. Es macht keinen Sinn engmaschig einen langsam wachsenden Prostatakrebs mit PSA 0,01 alle 2 oder 3 Monate zu überprüfen. Anders ist das bei rascheren Anstiegen. Ob bei primärer Therapie oder im fortgeschrittenen Stadium, es sind Entscheidungen erforderlich, welche Therapie ab jetzt gewählt wird. Dazu muß man die Therapien miteinander vergleichen. Ein Therapievergleich hat folgende Aspekte (oder wie vergleiche ich Therapiealternativen?): 1. Therapiekontrolle a) meine Chancen, wie ist es mit dem Überleben? b) wie schnell muß ich befürchten tritt ein Rezidiv auf? 2. Komplikationen - welche habe ich zu erwarten? 3. Lebensqualität - wie stark wird meine Lebensqualität beeinflußt? 4. Gesamtkosten a) was bezahlt die Kasse? b) was muß ich privat noch zusätzlich aufbringen? Wer sich in dem Zusammenhang für eine ganz individuelle Therapie entscheidet sollte wissen: Schulmedizin präsentiert Ergebnisse kritisch untereinander individuelle Therapien veröffentlichen Ergebnisse nicht Wer sich für eine nervschonende Operation entscheidet sollte wissen: Je nervschonender operiert wird, um so größer ist die Gefahr der Kapselüberschreitung bzw. des Verbleibs von Tumorzellen im OP-Bereich. Nervschonende OP ist nur bei rd. 10 Prozent der Patienten im Alter von 55 bis 65 möglich. Bestrahlung mit einem Linearbeschleuniger: 1. Es sollten heutzutage Geräte sein mit mindestens 10 bis 15 MegaVolt Photostrahlung 2. Es sollten Geräte mit Mehrfeldertechnik sein 3. Die Bestrahlungsplanung sollte mehr als 10 Schnitte vorsehen. Prof. S. betont: Eine zu scharfe Abgrenzung des Tumorareals zur Umgebung ist genauso fehlerhaft wie eine zu große Abgrenzung (Überschneidung). Bei primärer Bestrahlung (also Bestrahlung als Ersttherapie) mind. 72 Gy Bestrahlungsintensität, besser wären 74 bis 78 Gy, aber mit mehr Dosis wird zumeist als Spätfolgen mehr Nebenwirkung produziert insbesondere in Enddarm und Blase (2 bis 10 %). Höhere Bestrahlung führt zu wesentlich höheren Erektilen Dysfunktionen. (Impotenz) Brachytherapie: Wichtig ist die richtige Patientenauswahl! Wer mehr als 2 von 6 Biopsien positiv hat, ist für Brachytherapie nicht geeignet. Urethra muß durch geeignete Spickung der Seeds geschützt werden und Nicht die Technik ist wichtig. Entscheiden ist, ob der Radiologe Erfahrung hat. IMRT-Bestrahlung: Bei IMRT kann man beherrschbar mit bis zu 78-79 Gy bestrahlen IGRT-Bestrahlung Das ist die bildgeführte Bestrahlungstechnik; lt. Prof. S. gibt es derzeit keine Verbesserung der Ergebnisse durch zu genaue Bestrahlung. Protonenbestrahlung: Protonenbestrahlung ohne Dosiseskalation macht keinen Sinn. Das ist als wenn man für die gleiche Strecke einen VW-Bus mit einem Ferrari vergleich. Beide erreichen das Ziel gleichermassen, nur der eine wesentlich schneller und teurer. Als Primärbehandlung derzeit einmalig auf der Welt nur in Loma-Linda (USA) zukünftig als Boostbestrahlung wird es Verbesserungen bei uns bringen Rezidivbestrahlung Bestrahlt wird heutzutage bei R1/R2 Situationen, bei N+ und bei GS 4+3=7 Wenn Rezidivbestrahlung erforderlich wird, dann bei PSA unter 1,5 ng/ml. Die Dosis sollte bei einer Salvage-RT bei 64 Gy liegen EPC-Studie Risikopatienten (HRPCa) profitieren von der Kombination einer Bestrahlung und Hormonbehandlung; erzielt wurden 35% Risikoreduktion. Haustier oder Raubtier - Prof. Helpap Ein Tumor ist eine massive Architekturstörung der Drüsenzellen. Und durch Therapien wie z.B. die Radiotherapie (Bestrahlung) können Tumorzellen „geärgert“ werden. Sie bilden danach therapieresistente Klone. Eine Übereinstimmung der Erst- und Zweitmeinung liegt bei rd. 43 bis 45%. PSA kommt nur ins Blut bei Durchbruch durch die Basalschicht. Blut ist für Tumorzellenaussaat eine extrem feindliche Umgebung. GleasonScore: Für die Therapieentscheidung gilt der Erste Scorewert als Maßgabe, das wäre bei 4+3=7 die 4 und nicht die Summe 7. Das wäre bei 5+3=8 die 5 und nicht die Summe 8 Zytometrie: Als Zusatzinformation ja und durchaus wertvoll, als Primärdiagnose nein, weil zu ungenau. Watchful Waiting ist nur bei großem Vertrauensverhältnis von Patient-Arzt-Pathologe machbar. Der Patient muß das seelisch durchstehen können! Möglichkeiten und Grenzen der radiologischen Behandlung von Metastasen - Prof. Ricke In Erinnerung blieb mir von diesem Vortrag ein Satz: „Was ich Ihnen vorgestellt habe sind Visionen, die in drei, vier, sechs oder sieben Jahren möglicherweise im klinischen Alltag eingesetzt werden können“. Mausmodell schoss es mir durch den Kopf, denn enttäuscht erinnerte ich mich eines Vortrags zur Chemotherapie, ebenfalls voll mit Visionen, die Erwartungen in uns Betroffenen weckten. Zum Schluß dieses wie hier brillianten Vortrages hieß es da: „Das funktioniert bisher nur im Mausmodell, ob beim Menschen, ob bei Ihnen, das wissen wir noch nicht.“ Ich habe Tage gebraucht, um aus diesem tiefen Loch herauszukommen. Ganzheitliche Therapien beim Prostatakrebs - Franz Stadlbauer Die beschworene Ganzheitlich erzeugte bei mir Unbehagen war es hier und ist es woanders doch zumeist mehr eine Aneinanderreihung, eine Addition von Therapien. Es war auch keine in Aussicht gestellte Ganzheitlichkeit, eher mehr ein persönlicher Beweis: Seht her - Bei mir klappt’s. Ich wurde während des gesamten Vortrags das ungute Gefühl nicht los: Ganzheitlichkeit ersetzt hier die integrierenden Leistungen, ist - und das wiederum nicht nur hier - zu einer Floskel geworden, zu einem eingerahmten Zertifikat. Warum nur kommt mir ständig in den Sinn: Der Teufel liegt im Detail. 19.06.2006 Wolfhard D. Frost BPS 2006 in Magdeburg Versuch eines kurzen Rückblicks.doc