Impulse für die Zivilgesellschaft Soziales Lernen für junge Menschen Wie Schülerinnen, Schüler und Studierende im Sozialen lernen und welchen sozialen Mehrwert die beteiligten Institutionen davon haben mehr wert Agentur für Soziales Lernen gGmbH Impressum Verantwortlich für den Inhalt Gabriele Bartsch, Wolfram Keppler und Jürgen Ripplinger mehrwert gGmbH Agentur für Soziales Lernen Firnhaberstraße 14 70174 Stuttgart Tel.: 0711 222966-35 Fax: 0711 222966-56 [email protected] www.agentur-mehrwert.de Gestaltung und Herstellung Atelier Sternstein, Stuttgart Druck windhueter druck, Schorndorf Auflage 1.000 Stuttgart, im Dezember 2006 Inhalt 8 10 12 13 13 1.6 Einführung: Soziales Lernen für junge Menschen Soziales Lernen im Kontext der Zivilgesellschaft Von der Theorie zur Praxis: Die Agentur mehrwert Soziale und personale Kompetenz Zur Lerntheorie und Reichweite von »Lernen in fremden Lebenswelten« »Lernen in fremden Lebenswelten« – Herausforderungen und Lernerfahrungen Nutzen für soziale Einrichtungen 2. 2.1 2. 1.1 2. 1.2 2. 1.3 2. 1.4 Praktische Umsetzung Sozialprojekte in der Schule Wie das Konzept in der Praxis aussieht Wie Projekte erfolgreich werden Was Schulen bei Sozialprojekten gewinnen Ausblick und Perspektiven für die Schulentwicklung 18 20 20 20 22 24 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5 Do it! – Wie Studierende sozial handeln und emotional lernen Was verbirgt sich hinter Do it! ? Was ist das Besondere an Do it! ? Nutzen für die Hochschule Zusätzliche Effekte für Studierende Was hat Do it! bisher erreicht? 25 25 25 26 26 27 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 Soziale Einrichtungen: Partner von Schule und Hochschule Besondere Lernfelder Was soziale Institutionen gewinnen können Projektideen für gemeinsame Unternehmungen Fünf Erfolgsfaktoren für gelingende Kooperationen Unterstützungs- und Fortbildungsangebote 28 28 29 30 31 32 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4 2.4.5 2.4.6 Der »Weg der Sinne« – ein Projekt mit unterschiedlichen Akteuren Ausgangssituation Zieldefinition: Neue Sinneserfahrung und neue Kontakte schaffen Eine bewährte Idee – neu angepackt Viele Menschen – Hand in Hand Einzelne Schritte zum »Weg der Sinne« Pädagogisches Konzept 33 33 33 33 34 34 35 3. 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 Service Projektmanagement Öffentlichkeitsarbeit Checklisten und Formulare Literatur Die Agentur mehrwert 36 38 41 47 52 54 1. 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 15 16 www.agentur-mehrwert.de Anstiften zum Sozialen Lernen Der Aufsichtsrat der Landesstiftung hat am 21. Mai 2001 beschlossen, die Agentur mehrwert gGmbH mit einer Zuwendung zu fördern. Es war damit einer der ersten Förderbeschlüsse dieses Gremiums. Die Gründe für eine Unterstützung waren damals leicht zu finden. Soziale und kommunikative Kompetenzen werden immer wichtiger, um die Herausforderungen in der modernen Arbeitswelt erfolgreich zu bewältigen. Gleichzeitig haben Jugendliche und Heranwachsende wenig soziale (Lern-) Erfahrungen – beispielsweise, weil sich Familien- und Generationsbeziehungen ändern. Gemeindliche Träger sehen ihre Integrationsleistungen durch steigende Mobilität in der Gesellschaft schwinden. Durch zunehmende Differenzierung aller gesellschaftlichen Bereiche steigt die gegenseitige Abschottung dieser Gruppen, und die Kenntnis anderer Lebensformen nimmt bei Jugendlichen dementsprechend ab. Unter dem Stichwort »Soziales Lernen« kann diesen Entwicklungen gegengesteuert werden. Als Ziele des Sozialen Lernens gelten: ❙ Stärkung der Sozialkompetenz, ❙ Erweiterung des Bewusstseins für gesellschaftliche Zusammenhänge und ❙ die Profilierung einer neuen Kultur des Sozialen. Etliche gesellschaftliche Institutionen, vor allem aus dem kirchlichen Bereich, verfolgen diese Ziele. Hervorzuheben ist besonders die Aktivität und das schlüssige Konzept der Agentur mehrwert. Als eine konzertierte Aktion mit vielfältiger Unterstützung setzt sie sich vorbildlich für die Förderung der sozialen Kompetenz als Grundbaustein für eine zukunftsfähige Gesellschaft ein. Es fiel dem Aufsichtsrat der Landesstiftung deshalb nicht schwer, den Projektvorschlägen der Agentur mehrwert zuzustimmen. Die Landesstiftung hat die Förderung der Menschen, ihrer Kompetenzen und Fertigkeiten in den Mittelpunkt ihrer Tätigkeit gestellt. Sie unterstützt Projekte des Sozialen Lernens von Schülern, Auszubildenden und Studierenden der Agentur mehrwert seit 2002. Die Laufzeit dieses Projektanschubs – eines damals sehr neuen und innovativen Ansatzes – war bis 2006 begrenzt. Alle Projekte der mehrwert-Agentur versuchen vorbildlich, Grenzen zu überschreiten und damit »Brücken zu bauen«. Die Projekte entwickeln sich dabei oftmals selbst: Sie streben danach, an den Unterschieden, die erlebt werden, zu lernen. So entwickelt sich daraus immer wieder Neues. Neue Ansätze werden auf den Weg gebracht, erste Erfahrungen mit neuen Strukturen und Umsetzungen können gesammelt werden und so zur Nachahmung anregen. 4 5 Es geht bei den Projekten der Agentur um bürgerschaftliches Engagement der Jugend. Die Förderung dieses Engagements ist für die zukünftige Gesellschaft äußerst wichtig und liegt der Landesstiftung auch bei anderen Projekten am Herzen. Seit 2001 wurden zu diesen Themen beispielsweise Projekte wie »bürgerschaftliches Engagement«, »Freiwilligendienste«, »Jes – Jugend engagiert sich«, »BELA – Bürgerschaftliches Engagement für Lebensqualität und Würde im Alter«, die Gründung von Jugendfeuerwehren sowie der Sonderpreis »Junge Macher« bei der Ehrenamtskampagne des Landes BadenWürttemberg unterstützt. Mit der Agentur mehrwert hat die Landesstiftung in diesem Bereich einen Partner mit gleichen Zielen gefunden, der auf seinem Gebiet den Menschen im Land dient. Wir haben deshalb gerne zur Verwirklichung gemeinsamer Ziele mit der Agentur zusammengearbeitet und wünschen ihr und ihren Mitarbeitenden – Frau Gabriele Bartsch, Herrn Wolfram Keppler und Herrn Jürgen Ripplinger – viel Erfolg beim Vermitteln der Idee des »Sozialen Lernens«. Dr. Andreas Weber Leiter des Bereichs Bildung Landesstiftung Baden-Württemberg www.agentur-mehrwert.de 6 7 Großzügige und nachhaltige Unterstützung der Agentur mehrwert Zur Förderung durch die Landesstiftung Baden-Württemberg In den Jahren 2001 bis 2006 wurde die Agentur mehrwert von der Landesstiftung Baden-Württemberg gefördert. Dadurch war es möglich, das von der Agentur entwickelte Lernkonzept »Lernen in fremden Lebenswelten« in breitem Maße an Haupt- und Realschulen, an Gymnasien und an Hochschulen in Baden-Württemberg umzusetzen. Verschiedene Maßnahmen der Evaluierung und des Qualitätsmanagements konnten so im Laufe des Förderzeitraumes erprobt werden. Mit dieser Broschüre stellen wir nun die Erkenntnisse und das methodische Know-how zum Sozialen Lernen für junge Menschen der Öffentlichkeit vor. Andere Akteure mögen sich diese Erfahrungen zunutze machen und die Idee des Sozialen Lernens auf diese Weise weiter verbreiten. Dazu wünschen wir gutes Gelingen und stehen zur Beratung gerne zur Verfügung. Der Landesstiftung Baden-Württemberg danken wir für die Förderung, die großzügig und nachhaltig war. Dr. Andreas Weber danken wir für die Kooperation und die gute Begleitung. Stuttgart, im Dezember 2006 Für die Agentur mehrwert Gabriele Bartsch Wolfram Keppler Jürgen Ripplinger www.agentur-mehrwert.de Kapitel 1 Einführung Soziales Lernen für junge Menschen 1. Einführung: Soziales Lernen für junge Menschen Die Agentur mehrwert versteht sich selbst als lernende Organisation und handelt nach der Maxime von Peter M. Senge: »Eine ›lernende Organisation‹ ist ein Ort, an dem Menschen kontinuierlich entdecken, dass sie ihre Realität selbst erschaffen. Und dass sie sie verändern können.« 1.1 Soziales Lernen im Kontext der Zivilgesellschaft Der Begriff Sozialkapital beschreibt die Fähigkeit einer Gesellschaft, ihren sozialen Zusammenhalt zu organisieren und aufrecht zu erhalten. »Was bedeutet eigentlich mehrwert?« – so werden wir häufig gefragt. »Wo kommen Sie her? Was ist Ihre gesellschaftspolitische Perspektive?« – das hören wir aus der Verwunderung über den Namen mehrwert heraus. Eine erste Antwort gleich zu Beginn: Mit unserer Arbeit möchten wir Mehrwert in sozialer Hinsicht schaffen und damit zur Steigerung des Sozialkapitals beitragen. Dazu hat die Agentur mehrwert das Konzept »Lernen in fremden Lebenswelten« entwickelt, das die aktuellen Lerntheorien der Pädagogik, Erwachsenenbildung und Hirnforschung berücksichtigt und gesellschaftstheoretisch an den gegenwärtigen zivilgesellschaftlichen Diskurs anknüpft. Bevor wir auf das Konzept »Lernen mit Herz, Kopf und Hand« im einzelnen eingehen, stellen wir zu Beginn einige theoretische Grundannahmen vor, in dessen Kontext die Agentur mehrwert ihre Arbeit ansiedelt. Sozialkapital als Kitt der Gesellschaft Der Begriff Sozialkapital beschreibt die Fähigkeit einer Gesellschaft, ihren sozialen Zusammenhalt zu organisieren und aufrecht zu erhalten.1 Orte, an denen dies geschieht, sind zum einen Familie und Bildungsinstitutionen, zum anderen alle zivilgesellschaftlichen Formationen wie Vereine, Verbände, Gruppierungen, Bürger(rechts)bewegungen. Also alle Initiativen, deren Zielsetzung über das Interesse von Privatpersonen und kleinen Teilgruppen hinausgeht und in der politischen Definition dem Dritten Sektor zugerechnet werden. Mit mehrwert macht die Agentur ihren Namen gewissermaßen zum Programm und bewegt sich dabei im »Mainstream« der gegenwärtigen Debatte um Zivilgesellschaft und neue Formen von Gemeinsinn und Verantwortung. Bei diesen neuen Formen geht es darum, die Interaktion zwischen den einzelnen Bürgerinnen und Bürgern bzw. organisierten Gruppen und dem staatlichen, wirtschaftlichen und sozialen System neu unter die Lupe zu nehmen. Zivilgesellschaft (manche sprechen auch von Bürgergesellschaft) soll gewährleisten, dass die Aushandlung verschiedener, in der Regel sich widersprechender Interessen demokratisch legitimiert, gleichberechtigt und friedlich abläuft. 10 11 Kapitel 1: Soziales Lernen für junge Menschen Grundlegender Transformationsprozess Warum diese Debatte jetzt? Die westlichen Industriegesellschaften befinden sich seit dem letzten Jahrhundert in einem grundlegenden Transformationsprozess. In diesem Prozess gibt es zwei Hauptlinien, die ins Blickfeld zu nehmen sind: zum einen die Emanzipation des Individuums von familiären Bindungsgemeinschaften und zum anderen ein global ausgerichtetes Wirtschaftssystem. Beide Linien stehen in einem dialektischen Verhältnis zueinander. Das heißt, das eine ist ohne das andere nicht möglich und realisierbar. Die Auswirkungen der einen Linie und die Anforderungen der anderen Linie auf das Individuum scheinen sich trotzdem zu widersprechen. Doch beides, der Prozess der Individualisierung und ein auf kurzfristige Gewinnmaximierung ausgerichtetes Wirtschaftssystem, erfordern räumliche Mobilität und geistige Flexibilität. Dennoch bleibt ein widersprüchliches Moment: Das Tempo, das in den wirtschaftlichen Produktionsprozessen an den Tag gelegt wird und den Beschäftigten vor allem hohe räumliche und geistige Mobilität abverlangt, ist nur schwer mit der »Natur« oder dem Charakter menschlicher Beziehungen in Einklang zu bringen. Menschliche Beziehungsstrukturen basieren auf Vertrauen und Loyalität, und dies wiederum braucht verlässliche Netzwerke, die eher langfristig angelegt sind.2 Anders ausgedrückt: Vertrauen, Kontinuität und Loyalität brauchen Zeit. Corporate Social Responsibility als Strategie Die zentrale Frage ist also: Was vermittelt Menschen angesichts eines dynamischen Wirtschaftssystems und einer temporär und regional möglichen hohen Arbeitslosenrate Sicherheit und was verweist auf Zukunft? Wie kann gewährleistet werden, dass Menschen unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlichen Glaubens, unterschiedlicher politischer Auffassungen friedlich und aufeinander bezogen zusammenleben? Dies ist nicht nur in sozialpolitischer Hinsicht wichtig, sondern auch für global operierende Unternehmen von elementarer Bedeutung. Einige internationale Konzerne haben dies mittlerweile begriffen und engagieren sich auf vielfältige Weise im sozialen Gefüge. In den USA, in Großbritannien und zunehmend auch in Deutschland wird dieses Engagement unter Überschriften wie Corporate Social Responsibility, Corporate Volunteering oder Corporate Community Involvement kommuniziert. 3 Was gibt Menschen angesichts eines dynamischen Wirtschaftssystems und einer hohen Arbeitslosenrate Sicherheit? Der Staat als Steuerungsinstrument Was kann nun eine Zivilgesellschaft beflügeln? Die Reformvorschläge reichen von neoliberalistischen Ansätzen, die im Rückzug des (Sozial-)Staates eine Stärkung der Selbstverantwortung und der Selbstorganisation des einzelnen Bürgers wähnen 4, bis hin zu partizipativen gesellschaftspolitischen Konzepten, in denen es um neue Rollenbestimmungen zwischen den drei Akteuren Bürgerinnen/Bürger, Staat und Wirtschaft geht. 5 In dieser zivilgesellschaftlichen Variante schimmert ein stark koordinierender und steuernder Staat durch; www.agentur-mehrwert.de bei der Rollenbestimmung der Bürgerinnen und Bürger geht es um deren gestalterischen Part in der öffentlichen Aushandlung von Interessen. Typische Beispiele hierfür sind Initiativgruppen, die sich für Stadtteil- oder Frauenprojekte einsetzen oder für die Rechte benachteiligter Gruppen kämpfen. Es ist nur auf den ersten Blick paradox, wenn in dem zivilgesellschaftlichen Entwurf ein starker Staat gefordert wird. Er ist allerdings weniger in seiner bürokratischen Rolle gefragt, sondern in einer starken Steuerungs- und Koordinierungsfunktion, der Aushandlungsprozesse dadurch mit anstösst und mitgestaltet. Wie Menschen Gemeinsinn entwickeln Im Zeitalter des Pluralismus und des Zusammentreffens verschiedenster Werteorientierungen kommt es nicht von ungefähr, dass der ethische Diskurs Konjunktur hat und wir uns damit auseinandersetzen, wie Menschen trotz aller Unterschiede Gemeinsinn entwickeln, sich engagieren und Verantwortung übernehmen. In einer Konstellation, wie wir sie heute vorfinden, bekommen zwei Fähigkeiten eine Schlüsselfunktion: ❙ die Fähigkeit, Bindungen kurzfristig aufzubauen und soziale Netzwerke aufrecht zu erhalten, ❙ die Fähigkeit, Differenzen auszuhalten und Konflikte auszutragen. Was Gemeinschaft tragfähig macht, ist nicht Einheit und Harmonie, sondern genau das Gegenteil: die Aushandlung von Interessen und konstruktives Konfliktmanagement. Amerikanische Soziologen haben interessanterweise festgestellt, »dass Menschen durch verbale Konflikte eher zusammengehalten werden als durch verbale Übereinstimmung«. Denn: »Im Konfliktfall sind sie zu gründlicherer Kommunikation gezwungen, um die Differenzen auszutragen.«6 Was Gemeinschaft tragfähig macht, ist die Aushandlung von Interessen und konstruktives Konfliktmanagement. Gelegenheiten für Soziales Lernen Es gilt also, die beschriebenen Schlüsselkompetenzen so früh wie möglich zu entwickeln. Dies geschieht heutzutage nicht mehr automatisch innerhalb verlässlicher Familiensysteme oder über die weiteren Sozialisationsinstanzen Kindergarten, Schule, Ausbildung und Freizeit, sondern muss systematisch organisiert werden. Es geht gewissermaßen darum, Gelegenheiten zu schaffen, in denen Soziales Lernen geschehen kann. 7 1. 2 Von der Theorie zur Praxis: Die Agentur mehrwert Das Diakonische Werk Württemberg und das Evangelische Landesjugendpfarramt haben Mitte der 90er Jahre ein Modellprojekt initiiert, das Modelle sozialen Lernens entwickelt und diese in der schulischen und betrieblichen Bildung erprobt hat. Die erfolgreiche Arbeit, die in einem Abschlussbericht dokumentiert ist,8 hat schließlich im Jahr 2000 zur Gründung der Agentur mehrwert geführt. mehrwert hat genau diesen Auftrag des Modellprojektes übernommen, nämlich einen Beitrag zur Förderung der personalen und sozialen Kompetenzen insbesondere junger Menschen zu leisten.9 Dass junge Menschen an sozialen Fragen und einer Wertevermittlung interessiert sind, zeigen verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen.10 12 13 Kapitel 1: Soziales Lernen für junge Menschen 1. 3 Soziale und personale Kompetenz Ein Blick in die Literatur zeigt unterschiedliche Kompetenzkonzepte, die von geringen bis zu umfangreichen Ausdifferenzierungen reichen. Durch die von Daniel Golemans angestoßene Debatte um die Emotionale Intelligenz wird die Kategorisierung keineswegs leichter. Der Begriff »Kompetenz« wird vielerorts unscharf verwendet, eine Typisierung scheint nach gegenwärtigem Forschungsstand aussichtslos. 11 Die Agentur mehrwert hat sich deshalb für eine pragmatische Lösung entschlossen und ein eigenes Kompetenzmodell entwickelt, das sich an die Vorstellungen von Zimmer/Brake anlehnt. Neben Fachkompetenz und Lern- und Methodenkompetenz spielen dabei personale und vor allem soziale Kompetenz im Lebens- und Arbeitsalltag eine entscheidende Rolle. Unter Sozialem Lernen verstehen wir dann das Lernen, mit sich selbst und anderen Menschen situationsangemessen umzugehen. Dies umfasst einerseits Aspekte der Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung (personale Kompetenz), zum anderen Kompetenzen im Umgang mit anderen Menschen (soziale Kompetenz). Unter Sozialem Lernen verstehen wir das Lernen, mit sich selbst und anderen Menschen situationsangemessen umzugehen. Personale Kompetenz bezieht sich etwa auf die Stärkung von ❙ Empathie ❙ Sensibilität ❙ Gerechtigkeitssinn ❙ Toleranz ❙ Verantwortung ❙ Ausdauer ❙ Belastbarkeit ❙ Flexibilität ❙ Eigeninitiative. Soziale Kompetenz intendiert unter anderem den Ausbau von ❙ Kommunikationsfähigkeit ❙ Kooperationsfähigkeit ❙ Verhaltenssicherheit ❙ Teamfähigkeit ❙ Konfliktfähigkeit. 1.4 Zur Lerntheorie und Reichweite von »Lernen in fremden Lebenswelten« Das Konzept »Lernen in fremden Lebenswelten« ist handlungs- und erfahrungsorientiert und knüpft an zentrale lerntheoretische Erkenntnisse aus der Pädagogik, Erwachsenenbildung und Hirnforschung an: ❙ Das Neue wird mit dem Alten (Bekannten) verknüpft und verglichen. ❙ Neue Impulse treffen auf den »Resonanzboden« der Erfahrung. ❙ Erfahrung speist sich aus unterschiedlichen Quellen (Biografie, Ausbildungen, Familie, Freizeit, Erwerbstätigkeit und außerberufliche, z. B. ehrenamtliche Tätigkeiten).12 www.agentur-mehrwert.de Die jüngsten Ergebnisse der Hirnforschung bestätigen die Erkenntnisse der Reform- und Erlebnispädagogik, dass Lernen dann nachhaltig und effektiv ist, wenn der Lernprozess selbst möglichst viele Sinne aktiviert, das emotionale System anspricht und mit Spaß verbunden ist. Dies hat mit »Kuschelpädagogik« nichts zu tun, vielmehr kann Lernen durchaus auch herausfordernd sein.13 Lernort soziale Einrichtung Die Ergebnisse der Hirnforschung bestätigen, dass Lernen dann nachhaltig und effektiv ist, wenn der Lernprozess möglichst viele Sinne aktiviert und mit Spaß verbunden ist. Genau diese Anforderungen erfüllt der Lernort soziale Einrichtung. Er eignet sich für die personale und soziale Kompetenzentwicklung aus drei Gründen besonders gut: ❙ In sozialen Organisationen findet im Gegensatz zu inszenierten »OutdoorKonstellationen« Lernen im realen Leben statt. ❙ Lernen geschieht im Gegensatz zu Seminar-Settings in sozialen Organisationen auf ganzheitliche Weise, nämlich mit Herz, Kopf und Hand. ❙ Lernen in der fremden Lebenswelt einer sozialen Organisation hat exemplarischen Charakter. Dies bedeutet, dass es prägende Erfahrungen für das eigene Leben und die eigene Werteentwicklung bringt, weil die Erfahrungen im Sozialbereich gut übertragbar sind auf berufliche und private Alltagssituationen. Dass Sozialkompetenz eine wichtige Ressource für ein gelingendes Zusammenleben in einer Gesellschaft darstellt, haben wir bereits dargestellt. Insgesamt sehen wir drei Reichweiten Sozialen Lernens: 1. Individuelle Lebensgestaltung Die Anforderungen der modernen Gesellschaft an das Individuum – geistige Flexibilität und räumliche Mobilität – setzen die Kompetenz voraus, an jedem neuen Ort soziale Beziehungen aufbauen und Netzwerke knüpfen zu können. 2. Anforderungen der Arbeitswelt Gruppenarbeit und Teamarbeit haben sich als effektive Arbeitsformen durchgesetzt. Dies erfordert die Fähigkeit, auch mit Menschen, die ich mir nicht selbst ausgesucht habe, produktiv zusammenzuarbeiten. 3. Funktionierendes Gemeinwesen Nicht nur aufgrund der Finanzkrise werden Menschen mehr und mehr Aufgaben übernehmen müssen, die von der öffentlichen Hand nicht mehr bezahlt werden. Friedliches Zusammenleben in einer zunehmend pluralen Gesellschaft braucht den Willen und die Fähigkeit, mit Interessenunterschieden umgehen und Konflikte lösen zu können. Einzelkämpfer haben ausgedient Dass die Entwicklung von Sozialkompetenz heute nicht mehr ausreichend geschieht, zeigen z. B. die Klagen aus den Ausbildungsabteilungen von Unternehmen. Erschwerend kommt hinzu, dass Sozialkompetenz heute in einer Welt des globalen Wirtschaftens eine immer größere Bedeutung gewinnt. Einzelkämpfer haben großenteils ausgedient. Menschen, die in interkulturel- 14 15 Kapitel 1: Soziales Lernen für junge Menschen len, gemischtprofessionellen und möglicherweise virtuellen Teams zusammenarbeiten, brauchen ein hohes Sensorium für Differenzen. Umso wichtiger ist es, dass junge Menschen möglichst frühzeitig auf diese Anforderungen vorbereitet werden. Nach einer Studie des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHT) sind Hochschulabsolventen dann für Unternehmen interessant, wenn sie Sozialkompetenz und Praxisbezug nachweisen können.14 Genau hier setzt »Lernen in fremden Lebenswelten« an. Durch das Engagement in sozialen Feldern wird Teamfähigkeit, vernetztes Denken und die Verantwortlichkeit für den Anderen und für das eigene Tun gestärkt. Dies sind Schlüsselqualifikationen für zukünftige Führungsaufgaben. Nach einer Studie des DIHT sind Hochschulabsolventen für Unternehmen interessant, wenn sie Sozialkompetenz und Praxisbezug nachweisen können. 1.5 »Lernen in fremden Lebenswelten« – Herausforderungen und Lernerfahrungen Das Konzept »Lernen in fremden Lebenswelten« besteht aus drei Modulen: ❙ Einführung Ein Workshop dient zur Vorbereitung der Teilnehmenden. Sie wählen eine soziale Einrichtung aus und klären ihre Erwartungen, Befürchtungen und Lernthemen. ❙ Praxisphase In der Regel arbeiten die Teilnehmenden eine Woche kompakt in einer sozialen Einrichtung, Studierende 40 Stunden auf ein Semester verteilt. Sie haben vor Ort eine Kontaktperson, die mit der Lernidee vertraut ist. Die Mitarbeit erfolgt an der Basis und ermöglicht so einen möglichst intensiven Kontakt mit der Klientel. ❙ Auswertung und Transfer Zeitnah an die Praxisphase schließt sich eine strukturierte Auswertung an. Hier berichten die Teilnehmenden über ihre Erfahrungen und reflektieren, wie sie diese in ihr berufliches und privates Leben integrieren können. Auf der Basis zahlreicher Projekte haben sich folgende Herausforderungen und Lernerfahrungen herauskristallisiert: ❙ Herausforderungen ❙ Wie orientiere ich mich rasch in einer für mich fremden Lebenssituation? ❙ Wie gehe ich mit Menschen um, die für mich ungewohnte Verhaltensmuster zeigen? ❙ Wie komme ich mit Spontaneität und Impulsivität zurecht? ❙ Wie reagiere ich auf unvorhersehbare Ereignisse? ❙ Lernerfahrungen ❙ die eigenen Stärken kennenlernen ❙ die eigenen Grenzen erfahren ❙ Verständnis für Menschen in anderen Lebenssituationen entwickeln ❙ die Arbeitsweise in sozialen Organisationen kennenlernen ❙ den eigenen Horizont erweitern ❙ kommunikative Kompetenzen stärken ❙ eigene Wahrnehmungsfähigkeit stärken www.agentur-mehrwert.de ❙ das eigene Verhaltensrepertoire erweitern. 1.6 Nutzen für soziale Einrichtungen Die Einrichtungen profitieren von der Arbeit der Freiwilligen, weil sie Aufgaben übernehmen, für die in den alltäglichen Abläufen oft nicht genügend Zeit ist. Ein allgemeiner Effekt des Einsatzes von jungen Menschen besteht – im Idealfall – in einem Aufbrechen der Routine. Der »frische Wind« kann aus der anderen, neuen Perspektive herrühren, die die jungen Menschen mitbringen. Diese wahrzunehmen und tatsächlich für Veränderungen zu nutzen, setzt eine gewisse Offenheit auf Seiten der Einrichtung voraus, die im sozialen Bereich häufig gegeben ist. Zudem profitieren die Einrichtungen ganz konkret und unmittelbar von der Arbeit der Freiwilligen, weil sie Aufgaben wie Zuhören, Spazierengehen oder Spielen übernehmen, für die in den alltäglichen Abläufen oft nicht genügend Zeit zur Verfügung steht. Drittens gewinnen diejenigen Einrichtungen, die an einem stärkeren Dialog mit ihrer Umwelt interessiert sind, durch die Freiwilligen Multiplikatoren für ihre Belange. Diese Multiplikatoren können zum Abbau von Vorurteilen beitragen und die öffentliche Diskussion über verschiedene Themen und Probleme im sozialen Bereich bereichern. Win-win-Effekte »Lernen in fremden Lebenswelten« ist dann erfolgreich, wenn die Kooperation für die beteiligten Akteure Win-win-Effekte mit sich bringen. Damit dies auch geschieht und zum Erfolg führt, sind aus unserer Erfahrung die folgenden Faktoren zu beachten: ❙ Motivation (alle Seiten sind sich darüber im Klaren, was sie dabei gewinnen möchten) ❙ Zeit (ausreichend Vorbereitungszeit ist essenziell) ❙ Vorbereitung (eine bestmögliche Vorbereitung stellt sicher, dass sich jeder Teilnehmende über seine Ziele und die Rahmenbedingungen Bescheid weiß) ❙ Kontaktperson (eine eigene Kontaktperson in der sozialen Einrichtung gibt den Teilnehmenden Orientierung) ❙ Feedback (Mitarbeitende der sozialen Organisation sind an einem Feedback interessiert und nehmen sich Zeit dafür).15 Wie nachhaltig Lernprojekte dieser Art sein können, mag das Zitat einer Schulleiterin belegen: »Kein anderes Projekt hat an unserer Schule eine so starke Auswirkung auf die Schulentwicklung genommen, wie das Projekt Soziales Lernen.« Teilnehmende an Lernprojekten in den Jahren 2001 –2006 Projekt (Förderzeitraum Landesstiftung) Key Do it ! Multiplikatoren Soziales Lernen ›Service Learning‹ Schule und soziale in der Schule für Studierende Einrichtungen Zeitraum 2001 –2006 2004–2006 2002 –2006 Teilnehmer 2.370 297 1.004 Summe 3.671 Davon Projekt-TN: 2.667 Multiplikatoren: 1.004 16 17 Kapitel 1: Soziales Lernen für junge Menschen Anmerkungen 1 Es war der französische Soziologe Pierre Bourdieu, der in seinem Habitus-Konzept den Begriff des Sozialen Kapitals entwickelt hat. Zur Renaissance und Beschreibung dieses Begriffes, siehe die Ausführungen von Gerd Mutz und Robert D. Putnam. 2 Auf diese Konfliktkonstellation hat Richard Sennett aufmerksam gemacht. 3 In Deutschland gibt es seit einigen Jahren eine lebhafte Debatte um die amerikanischen und englischen CSR-Initiativen. Gute Zusammenfassungen finden sich im »Handbuch Unternehmenskooperation« (hrsg. von Diethelm Damm und Reinhard Lang) und im »Leitfaden Corporate Citizenship« von Felix Dresewski. 4 Siehe dazu die wichtigsten Vertreter des Kommunitarismus Amitai Etzioni und Michael Walzer, die auf identitäts- und wertstiftende Gemeinschaften wie Familie und Nachbarschaften setzen. Eine Wiener Autorinnengruppe weist zurecht darauf hin, dass das Konzept des Kommunitarismus mit seinem Rekurs auf die Familie das traditionelle geschlechtsspezifische Rollenmodell und damit einen überholten Arbeitsbegriff fortschreibt. Das Wirken der Frau wird auf den reproduktiven, privaten Sektor konzentriert. Dies aufzulösen ist eine zentrale Forderung des westlichen Feminismus, siehe dazu Margit Appel u. a. 5 Siehe dazu Richard Sennett. 6 Richard Sennett, S. 197. Sennett verweist hier auch auf die Studie des Soziologen Lewis Coser: The Social Functions of Conflict. 7 Siehe dazu Thomas Rauschenbach. 8 Vgl. Gerda Leitmann, Wolfram Keppler, Jürgen Ripplinger. 9 Dass wir dabei so erfolgreich sein konnten, liegt auch an dem gesellschaftspolitischen Klima in Baden-Württemberg. Bereits in den 80er Jahren wurden vom baden-württembergischen Sozialministerium die Idee des bürgerschaftlichen Engagements gefördert und verschiedene Mentorenmodelle entwickelt, u. a. fördert die Landesstiftung das Mentorenprogramm »JES – Jugend engagiert sich«. 10 Siehe dazu beispielsweise die Shell-Studie von 2000 und die Studie von Heinz Reinders. 11 In Anlehnung an Geißler und Orthey bezeichnet Reinhold Weiß Kompetenz als »begriffliche Stopfgans«. 12 Siehe dazu Jörg Knoll. 13 Siehe dazu die Beiträge von Ulrich Herrmann und Manfred Spitzer in dem Sammelband von Ralf Caspary. 14 Siehe dazu Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK). 15 Zur Umsetzung siehe Kapitel 3 in diesem Band. www.agentur-mehrwert.de Kapitel 2 Praktische Umsetzung 2.1 Sozialprojekte in der Schule Sozialprojekte gehören mittlerweile zum festen Bestandteil des Alltags in vielen Schulen. Sie bereichern das Schulleben und sind eine gute Möglichkeit, soziales Lernen zu fördern und personale und soziale Kompetenzen zu entwickeln. Damit diese Projekte nachhaltige Erfahrungen ermöglichen können, sind eine gezielte Vor- und Nachbereitung sowie eine besondere Gestaltung notwendig. Das Konzept »Lernen in fremden Lebenswelten« bietet hierzu einen geeigneten Rahmen und wird seit über zehn Jahren in vielen Schulen erfolgreich umgesetzt. 2.1.1 Wie das Konzept in der Praxis aussieht Eine Woche lang begegnen Schülerinnen und Schüler Menschen, die in für sie »fremden Lebenswelten« zuhause sind. Sie lernen den Alltag von alten, behinderten oder auch kranken Menschen kennen. Sie treffen mit Aussiedlern, Asylbewerbern, Obdachlosen oder Straffälligen zusammen. Im Rahmen der Einführungsveranstaltung haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, sich für eine soziale Einrichtung zu entscheiden. Immer zwei bis drei Schüler gehen in eine Einrichtung bzw. in einen Bereich einer Einrichtung. Die Teilnehmenden lassen sich dabei auf neue und ungewohnte Situationen ein und machen sich ein eigenes Bild von anderen Lebenswirklichkeiten. Die persönliche Begegnung ist verbunden mit unmittelbaren Erfahrungen und steht im Gegensatz zu (medien-)vermitteltem, rein kognitivem Lernen. Ermöglicht wird ein Aufeinander-zu-Gehen und ein Voneinander-Lernen. Die Verbindung von eigener Erfahrung in der Praxis und qualifizierter Vor- und Nachbereitung regt in besonderer Weise zur Auseinandersetzung mit Einstellungen, Werthaltungen, Stärken und Schwächen an und fördert die Entwicklung sozialer Kompetenzen. Eine Woche lang begegnen Schülerinnen und Schüler Menschen, die in für sie »fremden Lebenswelten« zuhause sind. 2.1.2 Wie Projekte erfolgreich werden Damit soziale Erfahrungen dauerhaft organisiert werden können, möglichst gut verlaufen und positive Wirkungen zeigen, sind vor allem drei Aspekte zu berücksichtigen (siehe hierzu die Broschüre »Soziales Lernen in der Schule – Praxisanleitung für innovative Projekte«. Erhältlich bei der Agentur mehrwert). Nutzen und interne Anbindung in der Schule Hierbei geht es um die Frage, wie eine befristete Mitarbeit in einer sozialen Einrichtung und die persönliche Begegnung mit den Menschen ins Programm der Schule passen (welche Konzepte existieren, welche Ziele werden damit verfolgt?). 20 21 Kapitel 2.1: Sozialprojekte in der Schule Pädagogisches Konzept Maßgeblich für den Erfolg ist, dass die Erfahrungen eingebettet werden in ein pädagogisches Konzept, also eine strukturierte Vorbereitung der Teilnehmenden und eine ausführliche Auswertung beziehungsweise Reflexion der Erfahrungen stattfinden. Ziel der Vorbereitung ist es, das Interesse und die Motivation der Schülerinnen und Schüler zu wecken sowie einen ersten Orientierungsrahmen zu bieten und Fragen zu klären. Die Schüler sollen sich bewusst auf die Mitarbeit vorbereiten und eigene Lernziele formulieren. Dies kann entweder in einzelnen Schulstunden oder als Kompaktveranstaltung geschehen. Hierzu können auch Referenten aus den beteiligten sozialen Einrichtungen eingeladen werden. Ziel der Auswertung ist es, die Erlebnisse zu reflektieren und zu verarbeiten, die jeweiligen Erfahrungen vorzustellen und mit anderen auszutauschen sowie Konsequenzen für den Schulalltag zu besprechen. Hierzu gehören auch Fragen, wie beispielsweise: Wie hat sich das Bild /die Einstellung gegenüber alten Menschen verändert? Wird sich das Verhalten anderen gegenüber ändern? In welchen Alltagssituationen können die Erfahrungen hilfreich sein? Welche Bedeutung haben die Erfahrungen für den Umgang miteinander in der Schule? Ziel der Vorbereitung ist es, das Interesse und die Motivation der Schülerinnen und Schüler zu wecken sowie einen ersten Orientierungsrahmen zu bieten. Gestaltung der Projekte Schließlich geht es drittens um die Frage, wie solche Begegnungen und die Mitarbeit in sozialen Einrichtungen erfolgreich gestaltet werden können. Das heißt auf der einen Seite, wie eine angemessene Anleitung und Begleitung von Seiten der sozialen Einrichtung organisiert und sichergestellt werden kann und auf der anderen Seite, welche Projektformen es gibt beziehungsweise entwickelt werden können, die im Alltag praktikabel sind. Zentrale Erfolgskriterien für die Gestaltung der Lernarrangements/Mitarbeit sind: ❙ Aktive Beteiligung Die Teilnehmenden beteiligen sich in den sozialen Einrichtungen aktiv am Tagesgeschehen. ❙ Persönliche Begegnung Die Teilnehmenden erhalten Gelegenheiten zu persönlichen Kontakten und intensiven Gesprächen mit den betreuten Menschen vor Ort. ❙ Qualifizierte Begleitung Während der Begegnung vor Ort gewährleisten die Beschäftigten der Einrichtungen eine kontinuierliche Begleitung. Was die Möglichkeiten der Mitarbeit betrifft, haben sich vielfältige und zahlreiche Gestaltungsideen herauskristallisiert. Einige Beispiele: ❙ Besuchsdienste von Schülern im Altenheim – unter Anleitung von Altenpflegeschülern. Letztere übernehmen Anleitungsaufgaben, und die Schüler bekommen dabei fachkundige Unterstützung beim Aufbau von Beziehungen, Führen von Gesprächen etc. www.agentur-mehrwert.de ❙ Schüler halten Vorträge und präsentieren Projekte im Altenheim, Senioren kommen als Experten in die Schule (Buchhaltung, Werbung etc. im Rahmen von »Wirtschaften, Verwalten, Recht« [WVR]). ❙ Computerunterricht für Senioren, Kochen und Backen, Projektunterricht am Beispiel der Planung und Vorbereitung einer Weihnachtsfeier im Altenheim. ❙ Im Rahmen einer Sozial-AG erkunden Schüler die soziale Infrastruktur einer Gemeinde. Sie machen Besuche in verschiedenen Einrichtungen der Altenhilfe, befragen Bewohner und Mitarbeitende und konzipieren eine Ausstellung zur Situation alter Menschen in ihrer Stadt. Wichtig ist es, mittel- und langfristig Formen zu finden, die sowohl die Ziele der Schulen (Förderung persönlicher und sozialer Kompetenzen) erfüllen, als auch den Interessen und Zielen der sozialen Einrichtungen dienen. 2.1.3 Was Schulen bei Sozialprojekten gewinnen Wird ein Projekt an der Schule realisiert, sind auch die Kolleginnen und Kollegen involviert: Sie »müssen« Stunden abgeben, sich auf neue Arbeitsformen und neue Fragestellungen einlassen und haben – sofern sie direkt mit beteiligt sind – eine deutliche Mehrarbeit. Andererseits stellt das Projekt für die Schule und die einzelnen Lehrerinnen und Lehrer auch einen Gewinn dar. Hierzu einige Stichworte: Die Schülerinnen und Schüler werden bei den Projekten als ganze Person gefordert. ❙ Als ganze Person gefordert Die Schülerinnen und Schüler werden bei den Projekten als ganze Person gefordert. Kompetenzen, die im Schulalltag keine oder nur eine geringe Rolle spielen, können (neu) entdeckt werden. Dies wirkt sich unmittelbar auf den Schulalltag aus. Eine Hauptschülerin, die permanent das Unterrichtsgeschehen störte, unkonzentriert war und oft tagelang unentschuldigt der Schule fernblieb, zeigte im Projekt in einer Sammelunterkunft für Asylbewerber Kompetenz und Feingefühl im Umgang mit den Menschen. Sie war pünktlich und zuverlässig und an allen Aktivitäten beteiligt. Die Klassenlehrerin lernte eine bisher völlig neue Seite des Mädchens kennen. ❙ Förderung der Motivation In den Augen der meisten Schülerinnen und Schüler ist das Projekt eine produktive Unterbrechung des Schulalltags. Das zeitlich befristete, intensive Erlebnis macht Spaß und fördert die Lernmotivation. Durch die aktive Mitarbeit ist ein Lernen mit allen Sinnen möglich. Erfahrungen wie »sich für andere einsetzen«, »gebraucht werden«, und »für einander da sein« tragen zur Entwicklung von sozialer Verantwortung bei. Ein Schüler berichtet im Anschluss an die Projektwoche, er habe Religion neu erlebt und sehe jetzt vieles in einem anderen Licht. Seine Mitschülerin hat festgestellt, »wie gut es uns geht«, und dass es oft die kleinen Dinge sind, die im Leben wirklich zählen. 22 23 Kapitel 2.1: Sozialprojekte in der Schule ❙ Verbesserung des Umgangs in der Klasse Der Umgang mit Menschen in betreuten Lebenssituationen schärft die Wahrnehmung für die eigene Klassen- und Schulgemeinschaft. Durch das gemeinsame Erleben lernen die Schülerinnen und Schüler sich selbst und ihre Mitschülerinnen und Mitschüler auf neue, andere Weise kennen. Stärken und Schwächen werden jetzt erkannt und Außenseiter in der Klasse besser wahrgenommen. Ein Schüler, der bisher immer eine dominante Haltung in der Klasse eingenommen hatte und als »Macho« galt, hat bei der Auswertung erzählt, dass er für die nächsten sechs Monate eine Patenschaft für eine alte Frau im Pflegeheim übernehme. Dies hat in der Klasse großes Erstaunen ausgelöst, passte es doch gar nicht zu seiner bisherigen Rolle. Insgesamt war zu beobachten, dass die Schülerinnen und Schüler untereinander toleranter und hilfsbereiter geworden sind. ❙ Neue Umgangsformen zwischen Lehrern und Schülern Im Projekt Key nähern sich Lehrende und Lernende gemeinsam neuen Themenbereichen und Handlungsfeldern. In der Regel sind die Lehrerinnen und Lehrer genauso wie ihre Schülerinnen und Schüler konfrontiert mit neuen Situationen. Gemeinsam müssen fremde Situationen bewältigt werden. Diese Erlebnisse können zu einem vertrauteren Umgang miteinander führen. Ein Lehrer berichtet, dass seine Schülerinnen und Schüler im Anschluss an die Projektwoche auch ihm selbst gegenüber aufgeschlossener geworden sind, und man in der Klasse auch über persönliche Themen sprechen konnte. ❙ Baustein zur Öffnung der Schule Der Seitenwechsel in den sozialen Sektor bereichert den Schulalltag. Schulische Lerninhalte werden mit Erfahrungen und Situationen des Lebens außerhalb verbunden. Schule nimmt aktuelle soziale Fragen unserer Zeit – wie Alter, Armut, Arbeitslosigkeit, Sucht – auf und kann sie auf lebendige Weise bearbeiten. Eine Lehrerin hat beobachtet, dass ihre Klasse offener für soziale Themen und sensibler für soziale Probleme geworden ist. Für sie war die Projektwoche »ein herausragendes schulisches Ereignis mit Lerneffekten fürs Leben«. Der Seitenwechsel bereichert den Schulalltag. Schulische Lerninhalte werden mit Erfahrungen und Situationen des Lebens außerhalb verbunden. ❙ Neue Lernpartnerschaften Projekte schaffen neue Kontakte und Kooperationen zwischen Schulen und sozialen Einrichtungen als Basis für eine weitergehende Zusammenarbeit (z. B. bei Veranstaltungen, Sportereignissen, Festen oder auch beim Austausch von Know-how). Seit Jahren befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft einer Schule ein Altenheim. Erst durch das gemeinsame Projekt kam ein Kontakt und ein gegenseitiges Kennenlernen zustande. In der Auswertung wurde eine weitergehende Zusammenarbeit vereinbart. www.agentur-mehrwert.de 2.1.4 Ausblick und Perspektiven für die Schulentwicklung Sozialprojekte machen Schule. Sie eignen sich zur Förderung personaler und sozialer Kompetenzen und zum ganzheitlichen Lernen. Sozialprojekte machen Schule. Sie eignen sich hervorragend zur Förderung personaler und sozialer Kompetenzen und zum ganzheitlichen Lernen mit Herz, Kopf und Hand. Um eine entsprechende Nachhaltigkeit und ein effizientes Arbeiten zu gewährleisten, ist es wichtig, die Projekte im Schulkonzept bzw. im Sozial- und Methodencurriculum zu verorten. Sozialprojekte stellen damit einen wichtigen Bestandteil der Schulentwicklung dar. Durch die langjährigen Erfahrungen mit der Planung, Organisation und Verankerung von Sozialprojekten können wir Schulen besonders effektiv dabei beraten, wie sie Sozialprojekte planen und als Bestandteil der Schulentwicklung dauerhaft im Alltag der Schule verankern können. Teilnehmende an Lernprojekten in Projekt Key Do it ! Soziales Lernen ›Service Learning‹ Schule und soziale in der Schule für Studierende Einrichtungen Zeitraum 2001 –2006 2004–2006 2002 –2006 Teilnehmer 2.370 297 1.004 den Jahren 2001 –2006 (Förderzeitraum Landesstiftung) Multiplikatoren Summe 3.671 Davon Projekt-TN: 2.667 Multiplikatoren: 1.004 24 25 Kapitel 2. 2: Do it ! – Sozialprojekte für Studierende 2.2 Do it! – Wie Studierende sozial handeln und emotional lernen »Man kann viel mehr, wenn es von einem gefordert wird.« Dieses Fazit zieht ein Student der Betriebswirtschaft, der für einige Zeit in einem Pflegeheim mitgearbeitet hat. Er meldete sich für diesen Arbeitseinsatz freiwillig auf eine Ausschreibung seiner Fachhochschule für Wirtschaft und Technik. Eine Kommilitonin, die ebenfalls an dem Projekt Do it! teilgenommen hat, drückt es so aus: »Es ist wichtig, die eigene Perspektive zu wechseln und nicht nur an die berufliche Karriere oder an Konsum zu denken, sondern mal was Sinnvolles zu machen.« 2.2.1 Was verbirgt sich hinter Do it! ? 2004 startete die Agentur mehrwert gemeinsam mit der Württembergischen Diakonie dieses Projekt mit dem Ziel, das freiwillige Engagement von Studierenden anzuregen und zu unterstützen und den Gedanken des Sozialen Lernens im Studienbetrieb fest zu verankern. Wichtige Anregungen dazu lieferten zum einen die Studie von Frank Adloff zu ›Community Services‹ und ›Service Learning‹ an amerikanischen Schulen und Universitäten, zum anderen eine Studienreise nach Indianapolis/USA. Besonders interessant ist der US-amerikanische Ansatz deshalb, weil er den freiwilligen Einsatz in der Sozialarbeit mit eigenen Lehrangeboten flankiert. Darüber hinaus treffen die ›Service Learning‹-Angebote auf eine Kultur der Philanthropie, in der es gewissermaßen zum guten Ton gehört, sich in der Gesellschaft zu engagieren. Was in den USA unter ›Service Learning‹ verstanden wird, findet sich in Deutschland in der Diskussion um das »Soziale Lernen« wieder. Im Projektdesign von Do it! nutzte die Agentur mehrwert ihre Erfahrungen mit sozialen Lernprojekten in der schulischen Bildung und das Know-how, das aus der Diakonie im Feld der Freiwilligendienste kommt. Ein Beratungsstipendium der Initiative »start social« durch zwei Experten von McKinsey und Siemens Business Services war besonders für das Marketing hilfreich. 2.2.2 Was ist das Besondere an Do it! ? Studierende verlassen ihren Campus und arbeiten im Umfang von 40 Stunden in unterschiedlichen sozialen Einrichtungen mit. Entscheidend ist, dass sie an der »Basis« aktiv mitarbeiten und unmittelbaren Kontakt zu der jeweiligen Klientel bekommen. So verrichten die Teilnehmenden z. B. leichte Arbeiten in der Betreuung und Pflege von alten Menschen, schmieren Brote in einer Vesperkirche, spielen mit behinderten Jugendlichen Fußball, helfen ausländischen Kindern bei den Hausaufgaben, machen bei Kreativangeboten für wohnungslose Frauen mit oder unterstützen Jugendliche bei der Bewerbung. Die meisten wählen Einsatzorte in den Bereichen Behinderten- und Jugendhilfe. Die Mitarbeit liegt vor allem im Aktivierungs- und kreativen Bereich. Studierende verlassen ihren Campus und arbeiten in unterschiedlichen sozialen Einrichtungen mit. www.agentur-mehrwert.de Die Studierenden werden von der Agentur mehrwert in einem Workshop gezielt auf ihren Einsatz vorbereitet. Dazu gehören verschiedene Sensibilisierungsübungen, mit denen die Teilnehmenden lernen sollen, sich besser auf die sie erwartenden Menschen und Situationen in den Einrichtungen einzustellen, aber auch die Klärung eigener Erwartungen und Befürchtungen. Nach Abschluss des Einsatzes werden die Erfahrungen systematisch reflektiert und ausgewertet. Dadurch werden Erfahrungen bewusst gemacht und können zu Erkenntnissen werden – beispielsweise, wie schon einmal erfolgreich in einer Konfliktsituation vermittelt wurde oder welche Bedeutung nonverbale Kommunikation hat. Der Ansatz folgt der Beobachtung der Psychoanalyse, dass Erfahrungen, die bewusst und manifest »abgespeichert« sind, aktiv als Basis des Verhaltens zur Verfügung stehen. Das unbewusst Gebliebene geht nicht in das Verhaltensrepertoire ein. 2.2.3 Nutzen für die Hochschule In der Frage, inwieweit Hochschulen sich auf die Vermittlung fachspezifischen Wissens beschränken können oder sich auch um die Persönlichkeitsentwicklung der Studierenden kümmern müssen, gehen die Meinungen in der Hochschuldebatte auseinander. Interessant ist, dass im Zuge der Einführung des Bachelor-Abschlusses im Rahmen des »Bologna-Prozesses« das Thema Schlüsselqualifikationen neuen Auftrieb erhält. Hier müssen Studierende in Baden-Württemberg eine bestimmte Anzahl von Punkten nachweisen. Do it! mit seinem handlungs- und erfahrungsorientierten Ansatz passt hier geradezu ideal in das Konzept Schlüsselqualifikationen. Insofern ist der Nutzen für die beteiligten Hochschulen hoch. Do it! ist geeignet, ❙ Teamfähigkeit zu entwickeln ❙ Integrationsfähigkeit zu stärken ❙ auf ein Auslandssemester vorzubereiten ❙ Vorurteile abzubauen und ❙ Verständnis für fremde Lebenswelten zu entwickeln. 2.2.4 Zusätzliche Effekte für Studierende Neben den persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten kann Do it! einen Zusatznutzen stiften, der erst auf den zweiten Blick erkennbar wird. 26 Neben den persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten und dem Impuls für die individuelle Werteorientierung kann Do it! einen Zusatznutzen stiften, der erst auf den zweiten Blick erkennbar wird. Einige Beispiele: ❙ Eine Architekturstudentin entscheidet sich für eine Wohngruppe in einem Heim für demenzerkrankte Menschen. Sie bekommt den Auftrag, eine Umbaumaßnahme zu dokumentieren. Dieser Umbau wurde in dem fast neuen Gebäude nötig, nachdem festgestellt worden war, dass die bauliche Gestaltung den Bewohnern zu wenig Orientierung bietet. Denn die offene und helle Gestaltung stellte sich als dysfunktional heraus, da demenzerkrankte Menschen in sich geschlossene Wohneinheiten brauchen, um sich zurechtfinden zu können. Die Studentin erkennt, wie wichtig es ist, bereits bei der Planung die Bedürfnisse der zukünftigen Nutzer bzw. Fachkräfte zu kennen und sie mit einzubeziehen. 27 Kapitel 2. 2: Do it ! – Sozialprojekte für Studierende ❙ Ein Student der Betriebswirtschaft hat nach seinem ersten Einsatz in einer Behinderten-Wohngruppe das Gefühl, das falsche Fach gewählt zu haben. Hätte er doch lieber Sozialpädagogik studieren sollen? Die Betriebswirtschaft kommt ihm plötzlich »kalt« vor. Er spricht darüber mit der Kontaktperson in der Einrichtung. Diese bestärkt ihn, bei der Ökonomie zu bleiben, denn »in sozialen Einrichtungen brauchen wir gerade Betriebswirte, die sozial eingestellt sind«. ❙ Eine Sportstudentin entscheidet sich dafür, Bewegungsprogramme in einer Altenhilfeeinrichtung anzubieten. Sie erhofft sich dadurch einen Einblick in die Fähigkeiten und die Gedankenwelt alter Menschen, in denen sie einen wachsenden Markt für ihr Fachgebiet Sportpädagogik sieht. 2.2.5 Was hat Do it! bisher erreicht? Bisher wurde Do it! in Baden-Württemberg von folgenden Hochschulen ins Programm genommen: ❙ Hochschulen für Wirtschaft und Technik Heilbronn, Karlsruhe, Reutlingen und Konstanz ❙ Hochschule für Betriebswirtschaft Nürtingen-Geislingen ❙ Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg ❙ Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl ❙ Pädagogische Hochschulen Ludwigsburg und Schwäbisch Gmünd ❙ Universitäten Hohenheim, Freiburg und Konstanz Im Zeitraum von 2004 bis 2006 haben rund 300 Studierende Erfahrungen in sozialen Einrichtungen im Rahmen von Do it! gemacht. »Do it! ist eine einmalige Chance, über den Tellerrand der Universität zu schauen. Man kommt mit Menschen aus ganz anderen Schichten zusammen«, so eine Studentin der Agrarbiologie, die ein Semester lang bei der ›Schwäbischen Tafel‹ gearbeitet hat. »Ich habe ganz neue Fähigkeiten ausprobiert, die sonst zu kurz kommen.« Diese Erfahrungen zeigen, dass Menschen bereit sind, sich zu engagieren, wenn man ihnen eine passende Möglichkeit gibt und sich auf ihre Lebenssituation einstellt. Die Rückmeldungen der Studierenden ermutigen die Agentur mehrwert, ›Service Learning‹ in der Hochschullandschaft weiter zu verbreiten und dafür zu sorgen, dass junge Menschen neben dem rein kognitiven Lernen durch ganzheitlich zugeschnittene Konzepte ihre emotionale Intelligenz weiter entwickeln können. Das Programm Do it! ist so angelegt, dass es nach einer anfänglichen Unterstützung durch die Agentur mehrwert von Multiplikatoren selbstständig umgesetzt werden kann. Hier erweist sich die Strategie der Mentorenschulungen, auf die wir in Kapitel 1 hingewiesen haben, als verheißungsvoll. Es ist zu hoffen, dass dadurch eine weitere Verbreitung von Do it! an baden-württembergischen Hochschulen gelingt. »Do it! ist eine einmalige Chance, über den Tellerrand der Universität zu schauen.« www.agentur-mehrwert.de 2.3 Soziale Einrichtungen: Partner von Schule und Hochschule Soziale Einrichtungen sind gefragt: Immer mehr (junge) Menschen, aber auch Führungskräfte fragen nach Möglichkeiten einer befristeten Mitarbeit in einer Einrichtung für alte, kranke oder behinderte Menschen. Die gestiegene Bedeutung Sozialen Lernens und der Vermittlung sozialer Kompetenzen auf der einen Seite und die Erfahrung, dass die Mitarbeit in einer sozialen Einrichtung ein ganz besonderes Lernfeld ist, führen dazu, dass die Anfragen insbesondere von Seiten der Schulen enorm gestiegen sind. Soziale Einrichtungen sind gefragt: Immer mehr Menschen fragen nach Möglichkeiten einer befristeten Mitarbeit in einer sozialen Einrichtung. Vielen Einrichtungen geht es mittlerweile ähnlich wie Herrn Bauer: Herr Bauer ist Leiter einer Einrichtung für behinderte Kinder. Seit vielen Jahren bietet er Schülern, Praktikanten und Studenten immer wieder Erfahrungs- und Lernmöglichkeiten in seiner Einrichtung an. In der letzten Zeit allerdings haben die Anfragen deutlich zugenommen, vor allem auch weil immer mehr Schulen solche Sozialpraktika umsetzen wollen. Die Kapazitätsgrenzen sind längst erreicht. Er kann es seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kaum zumuten, noch mehr junge Menschen aufzunehmen. Was tun? Die hohe Nachfrage nach Erfahrungsfeldern bietet auf der anderen Seite große Chancen, soziale Arbeit bekannter zu machen, bei jungen Menschen Interesse für soziale Aufgaben zu wecken und letztlich auch eigene strategische Ziele zu verfolgen. Dazu müssen soziale Einrichtungen neuartige Konzepte entwickeln und eine Kooperation mit Schulen beispielsweise systematisch vorbereiten. Es geht um Fragen wie beispielsweise: ❙ Was ist das Besondere am Lernfeld soziale Einrichtung? ❙ Wie könnten neue Projektideen für gemeinsame Unternehmungen aussehen? ❙ Was können soziale Einrichtungen dabei gewinnen? ❙ Was ist notwendig, damit die Kooperation zwischen sozialen Einrichtungen und Schulen dauerhaft gelingt? 2.3.1 Besondere Lernfelder Die Tatsache, dass das Ziel sozialer Einrichtungen die Beratung, Begleitung und Förderung von Menschen in besonderen Lebenssituationen ist, bietet den Rahmen für intensive Begegnungen und Lernerfahrungen. Die Teilnehmenden lernen ❙ eine Unternehmenskultur, bei der »der Mensch im Mittelpunkt« steht sowie ❙ eine andere Organisationsform kennen. Sie erfahren Interessantes und Wissenswertes über die unterschiedlichen Hilfsangebote für Menschen in besonderen Lebenssituationen. Die persönlichen Begegnungen fördern die Auseinandersetzung mit eigenen Stärken und Schwächen, ermöglichen emotionale Erfahrungen, führen nicht selten zu persönlicher Betroffenheit und fördern ein Nachdenken über das eigene Leben. Die Teilnehmenden erfahren Dankbarkeit, Akzeptanz und Anerkennung und 28 29 Kapitel 2.3: Soziale Einrichtungen – Projektpartner erleben ein gegenseitiges Geben und Nehmen – ein Lernen voneinander. Sich in einer fremden Situation zu bewähren, trägt zu mehr Verhaltenssicherheit und kommunikativer Kompetenz bei. Zentrale Erfolgskriterien für die Gestaltung der Lernarrangements/der Mitarbeit sind: ❙ Aktive Beteiligung: Die Teilnehmenden bekommen in den sozialen Einrichtungen kleine Aufgaben und beteiligen sich aktiv am Tagesgeschehen. ❙ Persönliche Begegnung: Die Teilnehmenden erhalten Gelegenheiten zu persönlichen Kontakten und intensiven Gesprächen mit den betreuten Menschen vor Ort. ❙ Qualifizierte Anleitung und Begleitung: Während der Mitarbeit vor Ort gewährleisten Bezugspersonen aus den Einrichtungen eine kontinuierliche Anleitung und Begleitung. 2.3.2 Was soziale Institutionen gewinnen können Die Teilnahme an Sozialprojekten bedeutet für soziale Einrichtungen zwar einen zusätzlichen Aufwand. Es liegen aber auch viele Chancen darin: ❙ Beitrag zur Öffentlichkeitsarbeit Durch eine breitere Öffentlichkeit – die Schülerinnen und Schüler erzählen ihre Erfahrungen Eltern, Bekannten und Freunden – wächst der Bekanntheitsgrad der Einrichtung und des jeweiligen sozialen Arbeitsfeldes. Vorurteile gegenüber den Menschen vor Ort können abgebaut und Informationen über die Zielgruppen und Formen der Hilfeleistung praxisnah vermittelt werden. Solche Projekte ermöglichen eine Öffnung der sozialen Einrichtung in den Stadtteil und ins Gemeinwesen sowie neue Kontakte zu Schulen, Hochschulen und auch Unternehmen. ❙ Ungewöhnlicher »Input« für die eigene Arbeit Junge Menschen bringen »frischen Wind« in die Einrichtung. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden mit einem besonderen »Schüler-Blickwinkel« konfrontiert. Dies fördert die Reflexion über die eigene Arbeit. Wenn soziale Einrichtungen Lernpartnerschaften mit Schulen eingehen, trägt dies auch zur Aufwertung der sozialen Arbeit bei. ❙ Bereicherung des Lebens- und Arbeitsalltags in der Einrichtung Die Besuche, Gespräche und gemeinsamen Aktivitäten stellen für die betreuten Menschen in den sozialen Einrichtungen eine willkommene Abwechslung im Alltag dar. Sie erleben, dass junge Menschen Interesse zeigen an ihrer Person und ihrer Lebenssituation. ❙ Gewinnung potenzieller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Die jungen Menschen erleben die Begegnungen als persönliche Bereicherung. Sie lernen ein neues Arbeitsfeld und mögliches Betätigungsfeld kennen und knüpfen Kontakte zu der Einrichtung und den Menschen dort. Einige halten ihre Kontakte auch nach Abschluss des Projektes aufrecht. Für die Einrichtungen liegt darin eine Chance, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen, sei es als Ferienhelferin oder Ferienhelfer, als Zivildienstleistende und Mitarbeitende im Freiwilligen Sozialen Jahr oder auch als zukünftige Auszubildende. Die Teilnahme an Sozialprojekten bedeutet für soziale Einrichtungen einen zusätzlichen Aufwand. Es liegen aber auch viele Chancen darin. www.agentur-mehrwert.de 2.3.3 Projektideen für gemeinsame Unternehmungen Neben dem klassischen Sozialprojekt wird es zukünftig wichtig werden, neue Formen und Ideen zu entwickeln. Neben dem klassischen Sozialprojekt – der meist einwöchigen Mitarbeit in einer sozialen Einrichtung – wird es zukünftig wichtig werden, neue Formen und Ideen für die Zusammenarbeit zu entwickeln. Es geht dabei um die Fragen, wie eine befristete Mitarbeit in einer sozialen Einrichtung und die persönliche Begegnung mit den Menschen ins Programm der sozialen Einrichtung selbst passt, welche Konzepte hierzu bereits existieren, welche Ziele damit verfolgt und erreicht werden können und sollen. Hier einige Beispiele: ❙ Besuchsdienste von Schülern im Altenheim – unter Anleitung von Altenpflegeschülern. Letztere übernehmen Anleitungsaufgaben, und die Schüler bekommen dabei fachkundige Unterstützung beim Aufbau von Beziehungen, Führen von Gesprächen etc. ❙ Schüler halten Vorträge und präsentieren Projekte im Altenheim, Senioren kommen als Experten in die Schule (Buchhaltung, Werbung, etc. im Rahmen von »Wirtschaften, Verwalten, Recht« [WVR]). ❙ Computerunterricht für Senioren, Kochen und Backen, Projektunterricht am Beispiel der Planung und Vorbereitung einer Weihnachtsfeier im Altenheim. ❙ Im Rahmen einer Sozial-AG erkunden Schüler die soziale Infrastruktur einer Gemeinde. Sie machen Besuche in verschiedenen Einrichtungen der Altenhilfe, befragen Bewohner und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und konzipieren eine Ausstellung zur Situation alter Menschen in ihrer Stadt. Wichtig ist es, mittel- und langfristig Formen zu finden, die sowohl die Ziele der Schulen – die Förderung persönlicher und sozialer Kompetenzen – erfüllen, als auch den Interessen und Zielen der sozialen Einrichtungen dienen. Unterschiede zwischen Schule und sozialer Einrichtung wahrnehmen Die einzelnen Institutionen des Gemeinwesens wie Schulen, soziale Einrichtungen, Initiativen und Vereine, Wirtschaftsunternehmen etc. haben je eigene Systemlogiken. Das heißt, sie verfolgen unterschiedliche Ziele, unterscheiden sich in der Organisationsstruktur und den Abläufen sowie in der Organisationskultur und dem jeweiligen Selbstverständnis. Manches ist offensichtlich wie z. B. die »Pflicht zur Teilnahme« am Schulunterricht und die »Freiwilligkeit des Engagements« in der Jugendarbeit oder die »Notwendigkeit zur Benotung« in der Schule und das »Reflektieren von Erfahrungen« in einer sozialen Einrichtung. Andere Dinge sind unausgesprochen und oft verdeckt wie zum Beispiel Fragen nach dem Selbstverständnis und der Rolle: Wie soll Lernen junger Menschen organisiert und begleitet werden? Oder Fragen nach dem vorherrschenden Arbeitsstil wie »Betonung der Leistung des Einzelnen« und »Betonung der Zusammenarbeit im Team«. Mit manchen Begriffen sind in den unterschiedlichen Systemen ganz unterschiedliche Vorstellungen verknüpft: So meint z. B. »langfristige Planung« in einer Schule eine Vorlaufzeit von vier bis sechs Wochen, in einer sozialen Einrichtung heißt langfristig planen, einen Vorlauf von vier bis sechs Monaten zu haben. Diese Unterschiede der Organisationen bieten zahlreiche Möglichkeiten für Missverständnisse und Enttäuschungen. Viele Kooperationsversuche scheitern 30 31 Kapitel 2.3: Soziale Einrichtungen – Projektpartner nicht am mangelnden Willen, sondern daran, dass die eigenen Maßstäbe und Orientierungen unbewusst auf den Kooperationspartner übertragen werden. Es geht also darum, Unterschiede zu erkennen, zu benennen und einen gemeinsamen Wirklichkeitsraum zu schaffen, einen Rahmen für gemeinsame Erfahrungen mit der Zusammenarbeit. Viele Kooperationsversuche scheitern nicht am mangelnden Willen, sondern daran, dass die eigenen Maßstäbe auf den Partner übertragen werden. 2.3.4 Fünf Erfolgsfaktoren für gelingende Kooperationen Damit eine Zusammenarbeit zwischen Schulen und sozialen Einrichtungen/ Initiativen und Vereinen des Gemeinwesens gelingt und für beide Seiten einen Gewinn bringt, müssen verschiedene Faktoren erfüllt sein: ❙ Akzeptanz und Respekt Wichtig sind gegenseitiger Respekt und Vertrauen in die jeweilige Fachkompetenz sowie die Wertschätzung des Gegenübers. Dies sind notwendige Haltungen und Grundlagen für eine Kooperation auf gleicher Augenhöhe. ❙ Ziele vereinbaren Die jeweiligen Ziele und gewünschten Ergebnisse müssen geklärt, das gemeinsame Ziel der Kooperation herausgearbeitet und geklärt werden. ❙ Nutzen sichtbar machen Es muss deutlich werden, wo der Nutzen für jeden Kooperationspartner liegt. Eigennutz ist erlaubt und macht das Kooperationsinteresse glaubwürdiger und langfristig tragfähiger. ❙ Klare Definition von Ablauf und Zuständigkeit Ein Projektablaufplan und ein entsprechender Zeitplan schaffen Orientierung und Transparenz. Wichtig ist auch, die Zuständigkeit für die einzelnen Arbeitspakete klar zu benennen. ❙ Verbindlichkeit und Kontinuität Feste Ansprechpersonen auf beiden Seiten und eine verlässliche Struktur – dazu gehören Absprachen, Treffen, schriftliche Vereinbarungen, Projektplanung etc. – schaffen Verbindlichkeit. Wenn die Kooperation auf längerfristige Zusammenarbeit und Kontinuität angelegt ist, investieren die einzelnen Partner in der Regel mehr Energie, weil sich dies langfristig auszahlt. Kooperationen sind für beide Seiten mit Veränderungen verbunden und bedeuten zunächst einen zusätzlichen Aufwand an Zeit und Energie. Manchmal ist es schwierig, die institutionellen Grenzen zu überschreiten. Damit Kooperationen langfristig erfolgreich sind, muss für beide Seiten »ein Gewinn in ihrer je eigenen Währung« herauskommen. Kooperation muss beiden Seiten helfen, ihre (Kern-)Aufgaben besser zu erfüllen. Nicht alles muss schon beim ersten Mal perfekt funktionieren, aber je systematischer die Kooperation vorbereitet und ausgewertet wird, desto größer ist die Chance, dass sie nachhaltig gelingt. www.agentur-mehrwert.de 2.3.5 Unterstützungs- und Fortbildungsangebote Seit zwei Jahren bietet die Agentur mehrwert Fortbildungen für leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sozialer Einrichtungen an. Seit zwei Jahren bietet die Agentur mehrwert Fortbildungen für leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sozialer Einrichtungen an. Ziel ist, dabei eine Grundlage für dauerhafte Kooperationen zwischen sozialen Einrichtungen und Schulen zu entwickeln. Themen und Inhalte der Fortbildungen sind: ❙ die Unterschiede im Denken und in der Arbeitsorganisation des jeweils anderen Systems (Schule, Wirtschaft, Soziale Arbeit) kennenlernen ❙ das eigene Profil (Stärken, Umfeld, Erfahrungen) und die eigenen Ziele beschreiben ❙ Projektideen sammeln und Projektdesigns entwerfen ❙ Projekte planen und steuern. Rückmeldungen der Teilnehmenden unserer Fortbildungen: ❙ »Wichtig war der Erfahrungsaustausch mit anderen.« ❙ »Hilfreich waren die vielen Tipps, Ideen und Anregungen für die Planung von gemeinsamen Projekten.« ❙ »Die Fortbildung war methodisch sehr abwechslungsreich. Es hat sich sehr gelohnt.« ❙ »Neben dem Perspektivenwechsel und dem Verständnis für die Situation von Schulen, fand ich vor allem die konkreten Tipps sehr hilfreich.« ❙ »Mir hat es sehr geholfen, das Projekt in größerem Kontext zu sehen und mit unseren Unternehmenszielen und der Arbeit der anderen Abteilungen abzustimmen.« Nähere Informationen und aktuelle Ausschreibungen unter www.agentur-mehrwert.de 32 33 Kapitel 2. 4: Der »Der Weg der Sinne« 2.4 Der »Weg der Sinne« – ein Projekt mit unterschiedlichen Akteuren 2.4.1 Ausgangssituation Bei der Pflege der Außenanlagen im Wohnbereich »Oberer Schlossberg« der Diakonie Stetten entstand die Idee, einen »Weg der Sinne« anzulegen. Der Obere Schlossbereich bietet Wohnmöglichkeiten für mehrfach behinderte Kinder und Jugendliche. Das Gelände ist umzäunt, um den Bewohnerinnen und Bewohnern innerhalb der Umzäunung möglichst viel Freiraum zu bieten. Der »Weg der Sinne« befindet sich innerhalb dieser Anlagen. Im Rahmen der Neugestaltung kam Thomas Weiler, Heimleiter des Oberen Schlossberges, auf die Agentur mehrwert zu und bat um Unterstützung. Da für diese Maßnahme kein eigenes Budget zur Verfügung stand, war klar, dass keine fertigen Elemente von kommerziellen Anbietern angeschafft werden können. Wir machten aus der Not eine Tugend und knüpften an die Projekterfahrung der Agentur mehrwert an. Zu leisten war das Projekt nur, wenn viele Hände dazu beitrugen. Zunächst taten sich viele Fragen auf: Wie kann der gesamte Weg, der sich um das Hauptgebäude schlängelt, in einzelne Etappen geteilt werden, die von unterschiedlichen Projektpartnern gestaltet werden können? Wer kann für die praktische Unterstützung angesprochen werden? Wer kann Geld für die Materialkosten stiften? Welches Element eignet sich für welchen Abschnitt? 2.4.2 Zieldefinition: Neue Sinneserfahrung und neue Kontakte schaffen Der rund 250 Meter lange »Weg der Sinne« soll den mehrfach behinderten Bewohnerinnen und Bewohnern der Diakonie Stetten eigenständige neue und vielfältige Möglichkeiten der Sinneserfahrung und auch ein zusätzliches Freizeitangebot bieten. Verschiedene Pflanzen, Bodenbeläge und Geräte wie Klangröhren oder eine Rollstuhlwippe erweitern die Erfahrungswelt behinderter Menschen und sprechen ihr taktiles, akustisches und visuelles Empfinden an. »Wir wollen die neuen Erfahrungswelten aber auch für Gruppen öffnen, die von außerhalb unseres Wohnbereiches kommen«, so Thomas Weiler. Beispielsweise können Kindergartenkinder, Schulklassen oder auch Konfirmandengruppen aus der näheren Umgebung den Weg nutzen. »Wir haben dadurch noch mehr Möglichkeiten, unsere Einrichtung zu öffnen und Kontakte außerhalb des Heimgeländes zu bekommen. Dies ist für die Kinder und Jugendlichen, die hier leben, besonders wichtig«, so Weiler. Der »Weg der Sinne« soll neue und vielfältige Möglichkeiten der Sinneserfahrung und ein zusätzliches Freizeitangebot bieten. 2.4.3 Eine bewährte Idee – neu angepackt Sinneswege und Gärten gibt es bereits seit vielen Jahren in unterschiedlicher Form. Teils sind sie direkt in Einrichtungen angelegt, teilweise auch in Naturparks. Es ist das Verdienst des experimentierfreudigen Pädagogen Hugo Kükelhaus (1900 –1984), das Lernen mit allen Sinnen entdeckt und Konzepte www.agentur-mehrwert.de dazu entwickelt zu haben. In Ausstellungen und Sinnesgärten erfreuen sich seither Menschen jeglichen Alters über neue Sinnes- und Körpererfahrungen. Innovativ ist beim »Weg der Sinne« in Stetten also nicht die Idee selbst, sondern der Prozess, in dem dieser Weg angelegt und die Probleme mit neuen Lösungen angepackt werden: zum einen sollen über den Weg der Sinne die Menschen »außerhalb des Zauns« nach innen, in den Wohnbereich des Oberen Schlossberges gelockt werden, zum anderen wird der Weg in einzelnen Etappen von unterschiedlichen Gruppen angelegt. Materialkosten werden über Sponsoren finanziert, die entstehenden Arbeitskosten werden entweder durch ehrenamtliches Engagement erbracht oder auf der Basis symbolischer Preise abgerechnet. Die Beteiligung von Studierenden und Auszubildenden unterschiedlicher Fachrichtungen hat auch den Effekt, diesen Menschen in der Diakonie Stetten soziale Lernerfahrungen zu ermöglichen. 2.4.4 Viele Menschen – Hand in Hand Das in dieser Form ungewöhnliche Projekt lebt von der engagierten Mitarbeit vieler Gruppen. Das in dieser Form ungewöhnliche Projekt lebt von der engagierten Mitarbeit vieler Gruppen, die sich an der Ausgestaltung des »Weges der Sinne« beteiligen. Studierende des »Stuttgart Institute for Management and Technologies« (SIMT) haben gleich zu Beginn mit angepackt und auf den ersten Metern des Weges Sand und Kies eingearbeitet. Schülerinnen und Schüler der Gewerblichen Schule Waiblingen stellten unterschiedlich dimensionierte metallene »Klangröhren« her, die sie vor Ort in einer gemeinschaftlichen Aktion einbauten. Zukünftige Arbeitserzieher der Diakonie Stetten fertigten Fühlkästen und Hörtrichter an, Auszubildende einer Esslinger Steinmetz-Werkstatt bearbeiteten einen »Summstein«. Pfadfinderinnen und Pfadfinder wollen sich um die noch jungen Pflanzen eines Weidentunnels kümmern, die vor allem im ersten Jahr viel Pflege benötigen. 2.4.5 Einzelne Schritte zum »Weg der Sinne« ❙ Weidentunnel und Barfußpfad Der Weg der Sinne beginnt vor dem Eingangsbereich des Hauptgebäudes. Die Landschaftsgärtner hatten im Rahmen der Gesamtanlage den Auftrag erhalten, den Weg einzufassen. Für die erste Etappe sollte ein Weidentunnel angelegt werden, der im Laufe der Zeit so zuwächst, dass er tatsächlich ein Tunnelgefühl (eng und dunkel) entstehen lässt. Man muss also eine kleine Hürde überwinden, um den »Weg der Sinne« zu begehen. Danach werden die Fußsohlen belohnt mit vielfältigen Gefühlen, die sich einstellen, wenn man barfuss über Rindenmulch, Schottersteinchen und Sand geht. Für die Erstellung des Weidentunnels und die Anlage des Barfußpfades konnten Studierende des »Stuttgart Institute for Management and Technologies« gewonnen werden. Sechs ausländische Studierende beispielsweise aus Sri Lanka oder auch Mexiko hospitierten einen Tag in der Wohngruppe, um einen Eindruck davon zu bekommen, für wen sie sich engagieren. Am zweiten Tag packten sie tatkräftig mit an und am Abend konnten die ersten zwei Abschnitte bereits begangen werden. 34 35 Kapitel 2. 4: Der »Der Weg der Sinne« ❙ Tast- und Riechpflanzen Die Landschaftsgärtner der Diakonie Stetten hatten die Idee, ebenfalls im Rahmen der Gesamtanlage einen Steintrog aufzustellen, der sowohl vom Barfußpfad aus als auch mit Rollstühlen passierbar ist. Dieser Steintrog wurde mit Pflanzen wie Lavendel bestückt, die angenehm riechen oder haptische Genüsse durch samtige Blätter bereiten. ❙ Klangstäbe Weiter geht es den »Weg der Sinne« auf einer gepflasterten Etappe. So können die Rollstuhlfahrer ebenfalls mithalten. Auszubildende der Gewerblichen Schule Waiblingen aus der Metallfachklasse fertigten ein Klangelement an, für das sie zuvor eine genaue Zeichnung erstellt hatten. Koordiniert hat diesen Abschnitt Harry Kretschmann, Religionslehrer an der Gewerblichen Schule Waiblingen, der bereits seit vielen Jahren mit der Agentur mehrwert kooperiert. Von den Auszubildenden selbst wurde auch ein Betonfundament gegossen und das Klangelement mit neun Röhren eingebaut. Eingeweiht wurde dieser Abschnitt zugleich mit dem ersten Sponsor, der EUWAX Stuttgart, einem Finanzdienstleister an der Börse Stuttgart. Sechs ausländische Studierende hospitierten einen Tag in der Wohngruppe, um zu sehen, für wen sie sich engagieren. ❙ Fühlkästen und Horchtrichter Die Ausbildungsklasse der Arbeitserzieher, die an einer Fachschule der Diakonie Stetten selbst ausgebildet werden, fertigten im Rahmen eines Ausbildungsprojektes Fühlkästen und Hörtrichter an, die in einer weiteren Station auf dem Weg der Sinne den Tastsinn und das Hörvermögen stimulieren sollen. ❙ Summstein Im Rahmen eines Tages der offenen Tür in Stetten konnte schließlich der Summstein eingeweiht werden. Dabei handelt es sich um einen mehr als zwei Meter hohen Buntsandstein, der von Gesellen und Auszubildenden der Esslinger Steinmetz-Werkstatt Claus Birkle bearbeitet wurde. Er hat zwei große Löcher, in die sich der Kopf stecken lässt. Durch leises Summen hört man die eigenen Schwingungen, die vom Stein ins Ohr tönen. ❙ Klangbaum Studierende der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg haben einen großen Baumstamm ausgehöhlt. Der Innenraum des Klangbaums ist so groß, dass man in dessen Innerem ganz neue Erfahrungen mit Schwingungen und Tönen machen kann. 2.4.6 Pädagogisches Konzept Zur Begehung des »Weges der Sinne« planen angehende Heilpädagogen, die ebenfalls an einer Fachschule der Diakonie Stetten ausgebildet werden, ein pädagogisches Konzept zu erstellen, mit dessen Hilfe sich Erzieher sowie Grundschullehrerinnen den Weg der Sinne für ihre jeweilige Zielgruppe erschließen können. Mit einfließen werden dabei die Themen »Behinderung« und »Integration«. www.agentur-mehrwert.de Kapitel 3 Service 3. Service 3.1 Projekte mit dem passenden Projektmanagement erfolgreich planen und umsetzen 1. Ziele setzen 2. Interne Anbindung klären 3. Geeignete Partner gewinnen 4. Zeitplan erstellen und Aufgaben verteilen 5. Projekt umsetzen und auswerten Zur Entwicklung, systematischen Planung und Umsetzung von Projekten zwischen sozialen Einrichtungen und (Hoch-)Schulen sind die Instrumente des Projektmanagements hilfreich. Empfehlenswert ist dabei folgendes Vorgehen: 3.1.1 Ziele setzen Die Ziele sind nicht nur Grundlage für die weitere Planung, sondern auch Kriterien zur Erfolgskontrolle. Am Anfang steht die Beschreibung und Formulierung von Projektzielen. Die Ziele sind nicht nur Grundlage für die weitere Planung, sondern auch Kriterien zur Erfolgskontrolle. Deshalb müssen sie möglichst klar und verständlich formuliert werden. Alle Vorstellungen, die mit dem Projektziel verbunden sind, werden gesammelt und nach Hauptzielen und Unterzielen sortiert. Danach wird eine Zielvereinbarung getroffen. Zweck der Vereinbarung ist es, mit allen Beteiligten gemeinsame Ziele abzustimmen. Es erhöht die Akzeptanz und den Rückhalt, wenn das Vorhaben mit der Leitung – etwa der Schule, des Betriebs, der sozialen Einrichtung – abgestimmt ist. Hilfreiche Fragen zur Zielfindung: ❙ Was will ich erreichen?/Wie lautet mein Ziel?/Woran merke ich, dass ich das Ziel erreicht habe? ❙ Warum will ich dieses Ziel erreichen?/Was verspreche ich mir davon? ❙ Wie passt die Maßnahme zu den bisherigen/sonstigen Aktivitäten? 3.1.2 Interne Anbindung klären Parallel zur Beschreibung der Ziele muss die interne Anbindung des Projektvorhabens geklärt werden. Dabei geht es zu einen um den Stellenwert des Projektes innerhalb der Organisation und zum anderen um die Verortung im Lehrplan. Folgende Fragen sind dabei hilfreich: ❙ Wie wird das Projekt von der Leitung unterstützt? ❙ Wer wird im Vorfeld von dem Projektvorhaben in Kenntnis gesetzt und wer erhält welche Informationen? ❙ Ist die Teilnahme freiwillig oder verpflichtend als fester Bestandteil der Schule? ❙ In welchem Schuljahr wird das Projekt angeboten? ❙ Wie passt das Projekt zu anderen Angeboten Sozialen Lernens? 38 39 Kapitel 3: Service ❙ Wer ist innerhalb der Schule/der sozialen Einrichtung für die Planung und Umsetzung verantwortlich? ❙ Wird das Projekt als Blockveranstaltung geplant oder als längerfristige Mitarbeit (z. B. sechs Wochen je zwei Stunden pro Woche)? ❙ Wie werden Kolleginnen und Kollegen in die Vorbereitung des Projektes eingebunden? ❙ Wie werden die Projektergebnisse kommuniziert? ❙ Wie werden Lernergebnisse im weiteren schulischen Alltag aufgegriffen und vertieft? 3.1.3 Geeignete Partner gewinnen Wenn Ziele und interne Anbindung geklärt sind, geht es darum, den/die geeigneten Partner für das Projekt zu finden. Für die Schule bedeutet dies, passende soziale Einrichtungen im näheren Umfeld zu finden und für eine Kooperation zu gewinnen. Umgekehrt kann dies für eine soziale Einrichtung heißen, den Kontakt mit einer Schule herzustellen und mit dieser eine langfristige Kooperation aufzubauen. Das Vorgehen ist jeweils dasselbe: ❙ 1. Wer kommt in Frage? Welche Schulen, sozialen Einrichtungen, Kooperationspartner gibt es vor Ort? Neben eigenen Kontakten und denen von Kolleginnen und Kollegen, dient auch das Internet dazu, Adressen und Zielsetzungen von Einrichtungen beziehungsweise Schulen zu finden. ❙ 2. Wer passt zu meinem Anliegen? Eine Prioritätenliste hilft bei der Klärung, wer am besten zum Anliegen/Projektvorhaben passt. Hierbei ist es wichtig, die eigenen Ziele und langfristigen Interessen mit dem Profil und den Vorhaben der potenziellen Partner abzustimmen. ❙ 3. Kontakt aufnehmen: Ansprechperson für den ersten Kontakt ist in der Regel die Einrichtungsleitung oder die Öffentlichkeitsabteilung der Einrichtungen beziehungsweise die Schulleitung. Meist empfiehlt sich nach einer ersten telefonischen Anfrage ein persönlicher Kontakt zum Kennenlernen und Abstimmen der jeweiligen Ziele und Erwartungen. ❙ 4. Kooperationsvorhaben vereinbaren und planen: Schließlich geht es darum, das gemeinsame Vorhaben kurz zu beschreiben, schriftlich zu fixieren und die Aufgaben und Zuständigkeiten zu verteilen. Wenn Ziele und interne Anbindung geklärt sind, geht es darum, geeignete Partner für das Projekt zu finden. 3.1.4 Zeitplan erstellen und Aufgaben verteilen Im nächsten Schritt geht es darum, einen Zeitplan zu erstellen, die einzelnen Arbeitsschritte in »Arbeitspaketen« zu beschreiben und die Aufgaben zu verteilen. Hier ein Beispiel für die Planung eines Sozialprojektes an der Schule: Aufgaben Konzept skizzieren Wer Wie Bis wann Beispiel für das Arbeitsblatt Aufgabenverteilung Kollegium informieren Elternabend vorbereiten Schüler/-innen informieren Zeitpunkt für Projektwoche festlegen … www.agentur-mehrwert.de 3.1.5 Projekt umsetzen und auswerten Nachdem alle organisatorischen Fragen geklärt sind, beginnt die Realisierung des Projekts. Am Beispiel eines Schulprojekts heißt das beispielsweise: ❙ Vorbereitung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer Informationen über das Projekt und den Ablauf, Informationen über die sozialen Einrichtungen und mögliche Aufgaben, Vorbereitung auf die Begegnungen und neuen Situationen. ❙ Eigene Besuche während der Projektwoche Sich selbst ein Bild machen, eigene Erfahrungen sammeln, Interesse an den Schülern zeigen, Fotos für Dokumentation aufnehmen. ❙ Auswertung und Reflexion der Erfahrungen Bewusstmachen der Erfahrungen, Austausch und Diskussion in der Gruppe, einzelne Erfahrungen im weiteren Unterricht aufgreifen und bearbeiten. ❙ Dokumentation und Präsentation der Projektergebnisse Für die interne und externe Öffentlichkeitsarbeit kann mit den Teilnehmenden eine Dokumentation und/oder eine Ausstellung erarbeitet werden. Dazu ist es hilfreich, wenn die Teilnehmenden ihre Erfahrungen auf Wandzeitungen dokumentieren. ❙ Auswertung des Gesamtprojekts Am Schluss steht die Gesamtauswertung. Hierbei gilt es, die Projektziele zu überprüfen, nach Möglichkeit Auswertungsgespräche mit den beteiligten Einrichtungen zu führen und festzuhalten, was gut beziehungsweise schlecht gelaufen ist. Die Ergebnisse der Auswertung sollten schriftlich fixiert werden. Sie dienen als Grundlage für die Information an Kolleginnen und Kollegen sowie für weitere Planungen. Nachdem alle organisatorischen Fragen geklärt sind, beginnt die Realisierung des Projekts. 40 41 Kapitel 3: Service 3.2 Öffentlichkeitsarbeit 1. Im Gespräch bleiben: Was Öffentlichkeitsarbeit will 2. Interesse wecken: Wie man interessant wird für die Medien 3. Praktische Umsetzung am Beispiel der Printmedien 4. Kontaktaufnahme zur Redaktion 3.2.1 Im Gespräch bleiben Bereits im Jahr 1961 erschien ein Buch mit dem Titel Tue Gutes und rede darüber von Georg-Volkmar Graf von Zedtwitz-Arnim. Dieses Motto ist für die Öffentlichkeitsarbeit sprichwörtlich geworden. Eigentlich müsste es heißen: »… und veranlasse Dritte, darüber zu reden«. Genau darum geht es: Mitarbeitende in Non-Profit-Organisationen müssen zunächst gute fachliche Arbeit machen und Impulse setzen, – und dann muss es ihnen gelingen, dass eine möglichst breite Öffentlichkeit davon erfährt. Denn in einer Informationsgesellschaft wie der unseren gilt das ungeschriebene Gesetz: »Wenn über einen nicht geredet wird, ist man out.« Es gilt, im Gespräch zu bleiben, dafür zu sorgen, dass in der Öffentlichkeit die eigene Arbeit thematisiert wird, möglichst positiv und am besten die eigenen Projekte und das eigene Engagement. Man kann es ruhig auch drastisch formulieren: Wenn ich über jemanden oder über eine Institution noch nie etwas gehört habe, dann existiert sie in einer informationsorientierten Gesellschaft einfach nicht. Es gilt, im Gespräch zu bleiben, dafür zu sorgen, dass in der Öffentlichkeit die eigene Arbeit thematisiert wird. Was ist Öffentlichkeitsarbeit? »Öffentlichkeitsarbeit«, so Albert Oeckl, Herausgeber des bekannten Taschenbuchs des öffentlichen Lebens, ist »das bewusste, geplante und dauernde Bemühen, gegenseitiges Verständnis und Vertrauen in der Öffentlichkeit aufzubauen und zu pflegen.« Zumeist geht es nicht mehr nur darum, die Öffentlichkeit von einer Maßnahme oder einem Produkt zu überzeugen, sondern über längere Zeiträume Vertrauen aufzubauen, um Vertrauen zu werben. Öffentlichkeitsarbeit hilft den Akteuren einer komplexen Gesellschaft, Entscheidungen zu treffen und so wirkungsvoller handeln zu können. Sie leistet einen Beitrag zum gegenseitigen Verständnis von Gruppen und Institutionen. Dietrich Ratzke, Autor der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, definiert Öffentlichkeitsarbeit folgendermaßen: »Aufgabe von Öffentlichkeitsarbeit heute bedeutet: rede mit den Leuten, erkläre ihnen, was Du machst und wie Du es machst. Mache klar, welchen Sinn und vor allem welchen Nutzen Dein Handeln für die Gesellschaft generell und für den Einzelnen hat.« Das ist eigentlich das ganze Geheimnis. Hinter diesen Zeilen stecken das Handwerkszeug und die Fragen, die wir bei der Öffentlichkeits- und Pressearbeit beantworten müssen. Öffentlichkeit ist dabei selbstverständlich mehr als Presse- und Medienarbeit. Sie müssen nicht nur die Redaktionen kennen, sondern auch wissen, wer für welchen Bereich der richtige Dialogpartner vor Ort ist, wen Sie ansprechen müssen, welche Medien man dazu am besten nutzt. Kommunikationswissenschaftler reden in diesem Zusammenhang von »Teilöffentlichkeiten«, das können Journalisten, aber auch Mitarbeiter in Verbänden, Kunden oder Politiker sein. www.agentur-mehrwert.de Das Einmaleins der Kommunikation: Vom Sender zum Empfänger Im Grunde dreht sich in der Kommunikation alles darum, dass eine Information (Botschaft) von A nach B, also vom Sender zum Empfänger, gelangt. Und dies möglichst ohne Störungen und Verzerrungen. Für diese Übermittlung wird ein »Kanal«, ein Medium sowie eine Botschaft benötigt. Dass die Botschaft dabei auch immer so ankommt, wie es sich der Sender vorstellt, ist allerdings nicht garantiert. Verschiedene »Störfaktoren« können sich dazwischen schalten und die Botschaft mehr oder weniger stark verzerren. Störfaktoren können sein: ❙ Schlechte Verständlichkeit Habe ich die Information – beispielsweise in einer Pressemitteilung – so formuliert, dass der Empfänger sie auch schnell aufnehmen, einordnen und richtig verstehen kann? Habe ich die Fakten so strukturiert, dass sie rasch aufgenommen und richtig wiedergegeben werden können? ❙ »Anfälliges« Medium Jedes Medium hat seine eigenen Störfaktoren, die es zu beachten gilt: Am Telefon wird man falsch verstanden, das Fax verstümmelt die Nachricht oder es geht nur eine Seite durch, beim Pressegespräch streikt das Mikrofon etc. Dagegen hilft nur gute Vorbereitung und das Wissen, welche Besonderheiten die jeweiligen Medien ausmachen. ❙ Ungeeignetes Medium Ein Runder Tisch kann ein gutes Medium sein für ein Gespräch mit den einflussreichsten Meinungsführern einer Kommune, aber nicht für die Ankündigung eines Jahresfestes. Passender könnte in diesem Fall eine Anzeige, eine Pressemitteilung oder ein Pressegespräch sein. ❙ Fehlendes Feedback In den seltensten Fällen wissen Sie, wer die Informationen, die Sie herausgegeben haben, letztendlich liest, wie die individuellen Reaktionen darauf sind, in welcher Form und Konnotation die Informationen aufgenommen und beim Empfänger gespeichert werden. Im Grunde dreht sich in der Kommunikation alles darum, dass eine Information von A nach B, also vom Sender zum Empfänger, gelangt. Öffentlichkeitsarbeit – ein wichtiges Thema Halten wir fest: Öffentlichkeitsarbeit ist wichtig – und das besonders für NonProfit-Organisationen. Gerade die Angebote Sozialer Dienste erschließen sich nicht immer einer breiten Öffentlichkeit, sondern müssen von einer ständigen Kommunikation begleitet werden – gemäß dem Motto: »Rede über das, was du tust …«. Die eigene Arbeit für andere nachvollziehbar und transparent zu machen, die Öffentlichkeit in geeigneter Form darüber informieren, davon sind viele aber noch weit entfernt. Nicht selten kommen beispielsweise soziale Einrichtungen dann in die Schlagzeilen, wenn sich Protest regt oder Ängste ausgelöst werden. So geschehen bei einer sozialen Einrichtung, die mitten im Wohngebiet ein Haus für verhaltensauffällige Erwachsene eröffnen wollte – worauf hin die Anwohner auf die Barrikaden gingen, weil sie Angst um ihre Kinder hatten. Die Einrichtung hatte es versäumt, von sich aus im Vorfeld auf die Medien zuzugehen und darüber zu informieren, was sie vorhat. Deshalb scheint es immer besser, aktiv Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben: Wer selbst 42 43 Kapitel 3: Service aktiv wird, wird nicht plötzlich gezwungen, zu reagieren; wer darauf wartet, bis die Journalisten zu einem kommen, ist im Wettbewerb um die öffentliche Information oft schon einen Schritt hinten dran. 3.2.2 Interesse wecken: Wie man interessant wird für die Medien »Ihr« Thema, Ihre Nachricht oder Information ist – selbstredend – wichtig für Sie, für Ihren beruflichen Kontext. Damit sie aber auch in eine breitere Öffentlichkeit gelangen und von den Konsumenten aufgenommen werden kann, muss die Botschaft die Neugier und das Interesse des bearbeitenden Journalisten und später dann auch des Lesers wecken. Nachrichtenfilter Journalisten werden auch als »Gate-Keeper« bezeichnet, also als »Torhüter«. Keinesfalls lassen sie alle Nachrichten (allein schon aufgrund der Flut an Informationen, die pro Tag in einer Redaktion ankommen) ungefiltert in ihr jeweiliges Medium. Vielmehr begutachten und bewerten sie eingehende Nachrichten und wählen dann aus, was davon in welcher Form an die Öffentlichkeit weitergeleitet wird. Dabei spielen zum einen ihre persönlichen Interessen, Vorlieben und Abneigungen eine Rolle, aber sehr stark auch die Linie der jeweiligen Redaktion und die Werte, die innerhalb des Mediums Entscheidungen und die Auswahl von Informationen prägen. Beispielsweise, ob die Redaktion soziale Themen für wichtig hält oder damit immer nur das dafür beliebte »Sommerloch« stopft. Soll die Nachricht also abgedruckt werden, muss der Journalist inhaltlich und in gewisser Weise auch emotional davon überzeugt werden, dass das Thema sowohl für ihn selbst als auch für die Konsumenten nützlich ist. Und, das muss umgehend geschehen, denn weitere Nachrichten warten bereits auf Begutachtung. Journalisten müssen daher schnell und zuverlässig beurteilen können, welcher »Wert« ein Ereignis, eine Information hat, ob sie es »wert« ist, bearbeitet und veröffentlicht zu werden. Dies ist der so genannte »Nachrichtenwert«. Er entscheidet nicht nur darüber, ob berichtet wird, sondern auch, an welcher Stelle, in welchem Umfang, zu welcher Zeit und in welcher Form die Information publiziert wird. Es gibt noch ein weiteres Problem, das gerade bei Mitarbeitenden von sozialen Institutionen immer wieder für Kopfzerbrechen sorgt: Journalisten haben die Aufgabe, Nachrichten beachtenswert, interessant und leicht verständlich – und damit »konsumierbar« zu machen. Das ist ihr Job, das ist der Service, den sie den Nutzern ihrer Medien bieten müssen. Dadurch zeichnen, ja konstruieren sie aber zugleich auch ein verzerrtes Bild, ein künstlich dynamisiertes Bild von der Welt. Ein Bild, das nur einen kleinen Ausschnitt derjenigen Realität abbildet, wie sie subjektiv vor Ort erlebt wird. Denn: Es enthält eher das Abweichende als das Normale, eher das Neue als das Bestehende, eher den Problemaufriss als die Lösung, eher das Negative als das Positive. Soll die Nachricht abgedruckt werden, muss der Journalist inhaltlich und auch emotional davon überzeugt werden, dass das Thema für alle nützlich ist. www.agentur-mehrwert.de Nachrichtenfaktoren Möchte man mit seinem Thema in die Medien kommen, geht es darum, Nachrichten zu produzieren, die möglichst viele Nachrichtenwerte enthalten. Nochmals zurück zu den Nachrichtenwerten: Möchte man mit seinem Thema in die Medien kommen, geht es darum, Nachrichten zu produzieren, die möglichst viele Nachrichtenwerte enthalten. Die Medienforscher Johan Ruge und Mari Holmboe Galtung haben diese Annahmen schon früh (1965) zu einer Nachrichtentheorie ausgearbeitet, in deren Zentrum ein Katalog von Kriterien für den Nachrichtenwert steht, nach dem Nachrichten selektiert werden. Dabei müssen für eine Auswahl bei weitem nicht alle dieser Nachrichtenfaktoren gleichzeitig vorhanden sein, manche schließen sich auch gegenseitig aus. Werden diese Faktoren kombiniert, dann erhöht sich theoretisch der Nachrichtenwert des jeweiligen Ereignisses. 3.2.3 Praktische Umsetzung am Beispiel der Printmedien Grundsätzlich ist die Auswahl an Textformen für die Übermittlung unserer Informationen groß. Es gibt im Bereich der Printmedien vielerlei »standardisierte« Textformen. Das reicht von der einfachen Meldung bis hin zur möglichst authentisch berichtenden Reportage. In der Regel genügen für das Senden von Informationen so genannte Meldungen, Nachrichten oder auch Berichte. Diese werden Dank ihres sachlichen Charakters relativ oft von Zeitungen abgedruckt – und sind darüber hinaus deutlich einfacher zu erstellen als andere Formen. In den meisten Fällen erscheint es sinnvoll und praktikabel, sich auf diese reduzierten journalistischen Textformen zu beschränken. Auch Agentur-Journalisten gehen fast nur mit Meldungen, Nachrichten und Berichten um. Wer sich dabei darum bemüht, großen Wert auf den Nutzen der Nachricht für den Leser und auch auf den Informationsgehalt zu legen, der hat schon halb gewonnen. Denn die dpa lässt beispielsweise bis zu 70 Prozent der eingehenden Papiere im Papierkorb verschwinden, weil »die meisten Pressemitteilungen schlecht geschrieben, unverständlich und unbrauchbar« seien. Welche Textform für welche Botschaft? Nehmen wir an, Sie wollen als Jugendhilfeeinrichtung demnächst im Ortsteil Weiler eine neue Außenwohngruppe eröffnen und dies der Öffentlichkeit mitteilen. ❙ Meldung: Sie schreiben eine Meldung, wenn Sie die Bevölkerung zu einem Tag der offnen Tür einladen wollen. Sie erklären mit zwei Sätzen, um was es geht – also: Tag der offenen Tür, Möglichkeit, die neue Einrichtung von innen kennen zu lernen, Ort, Zeit, Datum, Programm. ❙ Nachricht: Sie schreiben eine Nachricht, wenn der Tag der Offenen Tür bereits vorbei ist. Sie beschreiben, wo und wann was passiert ist, wie der Tag lief und warum Sie die Aktion geplant haben. ❙ Bericht: Wenn Sie ausführlicher, vielleicht auch schon mit ein bisschen Atmosphäre dabei über den Tag berichten möchten. Jetzt sollten Sie auch Teilnehmer, Akteure und Fachleute zitieren, Hintergründe erläutern – bleiben dabei aber streng sachlich 44 45 Kapitel 3: Service ❙ Reportage: Eine Reportage wird in der Regel nur von demjenigen Journalisten verfasst, der vor Ort mit dabei war – und zwar, wenn ihn die Atmosphäre besonders angesprochen hat, er dem Leser die Dynamik des Tages vermitteln möchte, ihn mit hinein nehmen möchte ins Geschehen. Die »W-Fragen« Bevor man sich ans Schreiben einer Nachricht, eines Berichts etc. macht, sollten alle journalistischen »W-Fragen« beantwortet sein: ❙ Was ist passiert, worum geht es überhaupt? ❙ Wer ist daran beteiligt, welche Personen sind für das Thema wichtig? ❙ Wann ist »das Was« passiert, über welchen Zeitpunkt sprechen wir? ❙ Wo ist »das Was« geschehen? ❙ Warum ist »das Was« passiert, zu welchem Zweck? ❙ Wie ist »das Was« passiert? Wie man Texte verfasst Tragen Sie vor Erstellung des Textes alle Fakten zusammen. In der Regel wird später für den Artikel selbst nur ein kleiner Teil verwendet. Diese Informationen sind aber als Übersicht wichtig, um im Beitrag dann Prioritäten setzen zu können, zu entscheiden, was man weglassen kann. Konzentrieren Sie sich auf eine Handvoll Kernaussagen und schlagen Sie einen roten Faden. Denn: Je kürzer die Texte sind und je besser sie strukturiert werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie in der Zeitung auch Platz finden. Alle wichtigen Informationen gehören an den Anfang, denn es wird in der Redaktion immer von hinten gekürzt. Der Aufhänger ist immer ein aktuelles Ereignis oder die Information über eine bestimmte Person. Im Hauptteil haben dann die Sachinformationen Platz. Die Inhalte sollten am besten über anschauliche Beispiele (wie wirkt sich etwas konkret aus, welche Wirkungen hat ein Ereignis auf die Betroffenen) transportieren. Dabei nicht chronologisch vorgehen, sondern mit einer interessanten Aussage oder Stellungnahme beginnen. Bauen Sie nach Möglichkeit Zitate von Betroffenen, Experten, etc in Ihren Text ein. Das macht den Beitrag objektiv und ermöglicht, bestimmte Personen, z. B. den Vorgesetzten mit einer Aussage zu platzieren oder auch, eine Meinung einer Person einzubauen. Die Aussagen müssen aber immer mit dem jeweiligen (vollständigen) Namen und der Funktion des Zitierten belegt werden, sonst wird hier gekürzt. Je kürzer die Texte sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie in der Zeitung Platz finden. Wie eine Pressemitteilung aufgebaut ist Eine Pressemitteilung beinhaltet idealerweise folgende Elemente: ❙ Headline, Vorspann, Lauftext ❙ Abspann: Ansprechpartner mit Funktion, Anschrift, Telefon, Fax, E-Mail und Erreichbarkeit ❙ Ergänzende Information: »Text freigegeben ab …« ❙ Ergänzende Information: »… Zeilen à … Anschläge« ❙ Ergänzende Information: »Der Abdruck ist honorarfrei. Beleg erbeten.« www.agentur-mehrwert.de 3.2.4 Kontaktaufnahme zur Redaktion Die fertige Pressemitteilung muss jetzt noch an die richtigen Adressaten kommen. Das machen Sie am besten mit den folgenden vier Schritten: ❙ Auswahl der Medien treffen: Zeitungen, Anzeigenblätter, Verbandszeitschriften, Vereinsmitteilungen, Mitteilungsblätter, Presseagenturen, Radio und Fernsehen … Überlegen Sie dabei, welche zusätzlichen Informationsquellen für die unterschiedlichen Medien interessant wären, welchen zusätzlichen Service man bieten sollte. ❙ Kontakt aufnehmen: Finden Sie heraus, wie der zuständige Redakteur heißt (z. B. übers Impressum), rufen Sie den Betreffenden an und informieren Sie. ❙ Eigenen Bericht anbieten: Wenn Journalisten keine Zeit haben, zu Ihrer Veranstaltung, zum Pressegespräch zu kommen, können Sie auch einen eigenen Bericht (mit Bildern …) anbieten. Wenn Sie das nicht selbst machen können oder wollen, beauftragen Sie einen freien Journalisten. ❙ Nacharbeit: Bedanken Sie sich bei einem kurzen Anruf für den Beitrag (dabei können Sie auch gleich ein Belegexemplar anfordern), beziehungsweise fragen Sie nach den Gründen, warum der Beitrag nicht erschienen ist. 46 47 Kapitel 3: Service 3.3 Checklisten und Formulare Einrichtungsprofil Name der Einrichtung Fachbereich Größe der Einrichtung (Anzahl der Mitarbeiter-, Bewohner/-innen) Anschrift Straße/PLZ, Ort, Kreis Homepage Ansprechperson / Koordinator/-in (mit Tel./Fax-Nr. und E-Mail) Träger Angebote/Bereiche der Einrichtung (Betreuung, Hausaufgabenhilfe, Freizeitprogramme, …) Was sind die Aufgaben und Angebote der Einrichtung? Wer ist die Klientel? Felder und Möglichkeiten für befristete Mitarbeit Die Mitarbeit soll: ❙ persönlichen Kontakt zu den Betreuten ermöglichen ❙ die Teilnehmer/-innen in den Tagesablauf integrieren ❙ mit den Betreuten vor Ort abgestimmt sein ❙ im Vorfeld beschrieben und für die TN klar sein ❙ sinnvoll und anregend sein ❙ Interessen und Fähigkeiten der TN berücksichtigen In welchen Bereichen können die Teilnehmer/-innen mitarbeiten? Welche Tätigkeiten können sie übernehmen? bzw. Welches Projekt können Sie sich vorstellen? Erfahrungs- und Lernmöglichkeiten Die Begegnungen sollen: ❙ die ganze Persönlichkeit der Teilnehmer/-innen ansprechen ❙ die sozialen Kompetenzen der Teilnehmer/-innen schulen ❙ Erfahrungen mit Grenzen ermöglichen ❙ Reflexionsprozesse anregen Was können die Teilnehmer/-innen dort erfahren und lernen? Arbeitszeiten für die Projekt-Teilnehmenden Für unsere Einrichtung wäre folgende Aufteilung vorstellbar: ■ Eine Woche kompakt ■ Zwei Wochen kompakt ■ 4 x 1 Tag ■ 8 x 1/2 Tag ■ 20 x 2 Std. ■ Unser Wunsch: Anleitung durch: Name und Tel./E-Mail Öffentliche Verkehrsmittel Mindestalter, Geschlecht Zeitraum und Zahl der Plätze Sonstiges www.agentur-mehrwert.de Tagebuch Do it! 1. Einheit (Mitarbeit in Sozialer Einrichtung vor Ort) ❙ ❙ ❙ ❙ Was ist Ihnen aufgefallen? Was lief gut? Hat Ihnen etwas gefehlt? War etwas unangenehm? Glauben Sie, dass Sie Ihr/Ihre Lernziel/e erreichen können? 2. Einheit ❙ ❙ ❙ Was war heute neu? Was hat Sie irritiert/verunsichert? Worauf ich beim nächsten Mal besonders achten möchte … 3. Einheit ❙ ❙ Gibt es etwas, was Ihnen schon vertraut ist? Was war heute neu? 4. Einheit ❙ ❙ Was haben Sie in der Interaktion über sich selbst erfahren? Wie geht es Ihrem Lernthema? 5. Einheit ❙ ❙ ❙ Wie war der Abschied? Wenn Sie den ganzen Einsatz Revue passieren lassen: ❙ Was hat Ihnen am besten gefallen? ❙ Was hat Sie am stärksten verunsichert? Beschreiben Sie, was Sie in der sozialen Einrichtung gelernt haben. Was von dem Gelernten können Sie in Ihre Studien- oder Berufssituation übertragen? ❙ Beschreiben Sie ein konkretes Beispiel. mehr wert Agentur für Soziales Lernen gGmbH 48 49 Kapitel 3: Service Tagebuch Key Schule Der erste Tag … ❙ Beschreiben Sie kurz Ihre ersten Eindrücke: ❙ Welches Gefühl habe ich jetzt? ❙ Was hat sich seit heute Morgen verändert? ❙ Was fiel mir besonders schwer? ❙ Was war besonders gut? Der zweite Tag … ❙ ❙ ❙ Was war heute anders als am ersten Tag? Wie hat der Kontakt zu den Menschen vor Ort geklappt? Welche Tätigkeiten und Aufgaben habe ich übernommen? Der dritte Tag … ❙ ❙ ❙ An welches Ereignis heute erinnere ich mich besonders gut? Was hat mir heute überhaupt nicht gefallen? Freue ich mich auf die nächsten Tage? Der vierte Tag … ❙ ❙ ❙ Wie erlebe ich den sozialen Bereich? Welche Unterschiede finde ich im Vergleich zum Ausbildungsalltag? Was nehme ich mir für den letzten Tag noch vor? Der fünfte Tag … ❙ Beschreiben Sie doch einmal Ihren Gesamteindruck: ❙ Lief es so, wie ich es mir vorgestellt hatte? ❙ Welche grundlegenden Erfahrungen habe ich gemacht? ❙ Hat sich mein Bild von den Menschen vor Ort verändert? www.agentur-mehrwert.de Fragebogen 1. In welcher sozialen Einrichtung haben Sie mitgearbeitet? Name der Einrichtung Kontaktperson 2. Hatten Sie schon vor diesem Projekt Kontakt mit Menschen in betreuten Situationen? ■ ja ■ nein 3. Wie haben Sie sich in der sozialen Einrichtung überwiegend gefühlt? ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ wohl gut betreut unsicher als Außenseiter in der Zuschauerrolle akzeptiert insgesamt hat es Spaß gemacht ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ unwohl allein gelassen sicher gut integriert aktiv beteiligt nicht ernst genommen … keinen Spaß gemacht 4. Fanden Sie die Praxisphase … ■ a) zu kurz ■ b) lang genug ■ c) zu lang 5. War die Begleitung in der sozialen Einrichtung … ■ a) zu wenig ■ b) angemessen ■ c) zu viel 6. Fanden Sie die Vorbereitung auf die Mitarbeit in der sozialen Einrichtung und die Auswertung ■ a) zu wenig ■ b) angemessen ■ c) zu viel 7. Was waren die drei wichtigsten Erfahrungen? 8. Haben Sie Interesse, sich weiterhin mit diesen Menschen zu treffen? ■ ja ■ vielleicht ■ nein Wenn ja, haben Sie schon eine Idee, in welcher Form? 9. Was könnte man noch besser machen? 10. Finden Sie es sinnvoll, dieses Projekt auch weiterhin anzubieten? ■ ja, weil … ■ nein, weil … mehr wert Vielen Dank für Ihre Mithilfe! 50 51 Agentur für Soziales Lernen gGmbH Kapitel 3: Service Teilnahmebestätigung Name hat in der Zeit von/bis im Rahmen des Projekts in (Einrichtung/Ort/Fachbereich) mitgearbeitet. Das Projekt besteht aus drei Bausteinen: ❙ ❙ ❙ Einführung Sensibilisierung für den Kontakt mit Menschen, die aufgrund ihrer schwierigen sozialen Lebenssituation betreut werden müssen. Projektwoche Freiwilliges Engagement in einer sozialen Organisation unter Anleitung. Auswertung Reflexion der Erfahrungen und Übertragung auf den Alltag in Schule und Beruf. Diese Form des organisierten »Lernens in fremden Lebenswelten« trägt in besonderer Weise zur Förderung sozialer und personaler Kompetenzen bei. Ort, den www.agentur-mehrwert.de 3. 4 Literatur Antes, Wolfgang: Projektarbeit für Profis. Juventa Verlag, 2004 Adloff, Frank: Community Service und Service-Learning: Eine sozialwissenschaftliche Bestandsaufnahme zum freiwilligen Engagement an amerikanischen Schulen und Universitäten. in: maecenata Institut für Dritter-SektorForschung, Opusculum Nr. 5, März 2001. Appel, Margit u. a.: Zivilgesellschaft. Ein Konzept für Frauen? Eine feministische Konkretisierung, Wien 2001. 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Hub, Rainer; Huonker-Wagner, Adelheid; Ottmar, Albrecht: Modellprojekt neue Formen von Freiwilligendiensten – Abschlussbericht 2003. Über Diakonisches Werk Württemberg erhältlich: www.diakonie-wuerttemberg.de/direkt/ feiwilligendienste). Knoll, Jörg: Eigen-Sinn und Selbstorganisation. Zu den Besonderheiten des Lernens von Erwachsenen, in: Kompetenzentwicklung 99. Aspekte einer neuen Lernkultur. Argumente, Erfahrungen, Konsequenzen, Münster/New York/ München/Berlin 1999, S.61 –79. 52 53 Kapitel 3: Service Kuld, Lothar; Gönnheimer, Stefan: Compassion – Sozialverpflichtetes Lernen und Handeln, Stuttgart 2000. Leitmann, Gerda; Keppler, Wolfram; Ripplinger, Jürgen: Das Soziale lernen. Ergebnisse eines landesweiten Modellprojekts, Stuttgart 1999. Broschüre erhältlich bei [email protected]. Mast, Claudia (Hrsg.): ABC des Journalismus. Ein Leitfaden für die Redaktionsarbeit, UVK-Verlag, Konstanz 2000. 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Berlin, Frankfurtam Main/Wien 1961 und Köln 1978 Zimmer, Dieter; Brake, Jörg: Ganzheitliche Personalauswahl, Bamberg 1993, S. 32, zitiert nach: KGST-Bericht B 4/1999 (Kommunale Gemeinschaftsstelle Köln). www.agentur-mehrwert.de 3.5 Die Agentur mehrwert Wir fördern den sozialen Mehrwert mehrwert ist eine gemeinnützige Agentur für Soziales Lernen mit Sitz in Stuttgart. Sie entwickelt und realisiert nachhaltige Lernkonzepte, die sozialen Sektor, Schule, Wirtschaft und Gemeinwesen in Verbindung bringen. mehrwert organisiert Lernprojekte zum Thema Sozialkompetenz für Schüler, Auszubildende, Führungskräfte und Studierende. Seit der Gründung im April 2000 hat die Agentur knapp 5.000 überwiegend jungen Menschen eine Mitarbeit in sozialen Einrichtungen und Diensten in verschiedenen Regionen Baden-Württembergs ermöglicht. Unter dem Motto »Lernen in fremden Lebenswelten« wechseln die Teilnehmenden in der Regel für eine Woche auf die Seite von behinderten, alten, obdachlosen oder kranken Menschen und lernen deren Lebens- und Arbeitsalltag kennen. Dabei findet ein besonders lebensnahes und lebendiges Lernen, das von den Mitarbeitern der Agentur pädagogisch begleitet und evaluiert wird, statt. Die Projekte fördern somit nachhaltig die Entwicklung der Persönlichkeit und sozialer Kompetenzen – grundlegend für eine konstruktive Zusammenarbeit in Schule und Beruf. Mehrfach ausgezeichnet Das Lernkonzept, das auch den Einstieg in ehrenamtliches Engagement fördert, wurde im Jahr 2003 mit dem Innovationspreis des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung ausgezeichnet, war im Jahr 2004 start social Stipendiat, im Jahr 2006 ein »Ausgewählter Ort« im bundesweiten Wettbewerb »Land der Ideen« und hat beim Wettbewerb »USable« 2006 einen Ideenpreis gewonnen. mehrwert gGmbH ging aus dem »Modellprojekt Soziales Lernen«, initiiert von Diakonischem Werk und der Evangelischen Jugendarbeit Württemberg, hervor. Die Arbeit der Agentur wird unterstützt durch Mittel des »Stifterverbunds zur Förderung Sozialen Lernens« und wurde in den Jahren 2001 bis 2006 von der »Landesstiftung Baden-Württemberg« gefördert. Gesellschafter von mehrwert gGmbH: Diakonisches Werk Württemberg, Evangelisches Jugendwerk Württemberg, Jugendstiftung Baden-Württemberg, Stifterverbund zur Förderung Sozialen Lernens. 54 55 Kapitel 3: Service Unser Leitbild mehrwert vermittelt Erfahrungen, auf die es ankommt. Unser Arbeit wirkt auf drei Ebenen: ❙ Individuelle Persönlichkeitsentwicklung ❙ Entwicklung für die Herausforderungen der beruflichen Arbeit ❙ Entwicklung von Verantwortungsbereitschaft und Gemeinsinn. Unsere Arbeit basiert auf der Grundlage des christlich-humanistischen Menschenbildes. Unsere Zielgruppen sind: ❙ Schulen: Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer ❙ Hochschulen: Studierende, zuständige Lehrbeauftragte ❙ Betriebliche Ausbildung: Auszubildende, Ausbilderinnen und Ausbilder ❙ Personalmanagement: (Nachwuchs-)Führungskräfte, Verantwortliche für Personalentwicklung und ❙ Soziale Einrichtungen: Beauftragte für Kurzzeitmitarbeitende. Wir arbeiten an der stetigen Verbesserung unserer Qualität, unser Anspruch ist die hohe Zufriedenheit unserer Kunden. www.agentur-mehrwert.de Erfahrungen, auf die es ankommt