Die Fernsinne

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Gliederung
1. Kurzprofil des Patienten……………………………………...S.4
2. Relevante Krankheitsbilder……………………………..……S.4
2.1 Krankheitsbilder…………............................................…..S.4
2.1.1
2.1.2
2.1.3
2.1.4
2.2
Sprachentwicklungsstörung
Entwicklungsverzögerung / -retardierung
Aggressive Verhaltensstörung
Störung der sensorischen Integration
Ergotherapeutische Maßnahmen…………….……..……S.11
3. Falldarstellung……………………………………………….S.12
3.1 Angaben zur Person der Patientin……………………….S.12
3.1.1
3.1.2
3.1.3
3.1.4
3.1.5
3.1.6
3.2
Anamnese………………………………………………..S.14
3.2.1
3.2.2
3.2.3
3.2.4
3.2.5
3.3
Persönliche Daten
Daten zur Aufnahme
Therapierelevante Diagnosen
Medikation
Besonderheiten
Bisheriger Therapieverlauf
Medizinische Anamnese
Sozialanamnese
Arbeitsanamnese
Suchtanamnese
juristische Anamnese
Befunderhebung…………………………………………S.17
3.3.1
3.3.2
3.3.3
3.3.4
3.3.5
3.3.6
3.3.7
3.3.8
Ersteindruck
Grobmotorik
Feinmotorik / Koordination / Seitendominanz
Tonus
Sensibilität
ADL / Selbstständigkeit
Kognitive Leistungen
Sozioemotionaler Bereich
4. Behandlungsplanung………………………………………...S.22
4.1 Zielsetzung………………………………………………S.22
4.1.1
4.1.2
Zusammenfassung der Stärken und Defizite
Zielvorstellungen des Patienten
2
4.1.3
4.1.4
4.2
Therapieplanung……………………………………...….S.23
4.2.1
4.2.2
4.2.3
4.3
Begründete Therapiemethode
Begründete Therapiemittel
Begründete Sozialform
Bisheriger Therapieverlauf………………………………S.24
4.3.1
4.3.2
4.3.3
4.3.4
4.4
Rehabilitationsziel
Ergotherapeutische Zielsetzung
Erste Behandlungseinheit
Zweite Behandlungseinheit
Dritte Behandlungseinheit
Vierte Behandlungseinheit
Planung der exemplarischen Therapieeinheit………..….S.30
4.4.1
4.4.2
4.4.3
4.4.4
4.4.5
4.4.6
4.4.7
Zielsetzung
Begründete Therapiemethode
Begründete Therapiemittel
Begründete Sozialform
Behandlungsdurchführung
Alternative Planung / Variationen
Arbeitsplatzbeschreibung
5. Anhang………………………………………………………..S.35
5.1 Quellen
5.2 Literaturverzeichnis
3
1. Kurzprofil des Patienten
Name:
Alter:
Ärztliche Diagnose:
X
5,9 Jahre
Sprachentwicklungsstörung, Entwicklungsretardierung,
aggressive Verhaltensstörung
Ergotherapeutischer Befund: Sensorische Integrationsstörung im propriozeptiven(v.a. Tonus)
und vestibulären Bereich mit Auswirkungen auf die
Aufmerksamkeit und Feinmotorik
2. Relevante Krankheitsbilder
2.1 Krankheitsbilder
2.1.1 Sprachentwicklungsstörung
Definition:
Von einer Sprachentwicklungsstörung spricht man, wenn sich ein Kind im Vergleich zu
seiner Altersgruppe in seinem Spracherwerb und seinem Sprachverständnis zu spät, zu
langsam oder unvollständig entwickelt. Sie gehen oft einher mit Störungen der Wahrnehmung
oder der Konzentration und einer Verzögerung der allgemeinen Entwicklung.
„Beeinträchtigung der normalen Sprachentwicklung, die als Rückstand gegenüber der
Altersnorm oder als strukturell inhaltliche Störung aufgefasst wird und sich z.B. als Dyslalie,
Dysgrammatismus, Sprachstörung, Sprachverständnis und durch Wortschatzdefizite
manifestieren kann“ (Pschyrembel S.1573).
2.1.2 Entwicklungsverzögerung / -retardierung
Definition:
Jedes Kind braucht unterschiedlich viel Zeit, um die einzelnen Entwicklungsstufen zu
durchlaufen (Pauli / Kisch; „Was ist los mit meinem Kind?“; S. 9, 26).
Bei einer Entwicklungsverzögerung handelt es sich um ein unverhältnismäßig langes
Verweilen auf solch einer Entwicklungsstufe.
"Im engeren Sinne ist es die Verzögerung der körperlichen (z.B. Fein- und Grobmotorik) bzw.
intellektuellen Entwicklung (sog. Retardation / Reifungsverzögerung) im Vergleich zum
jeweiligen Lebensalter" (Pschyrembel S.1441).
2.1.3 Aggressive Verhaltensstörung
Definition:
„Bezeichnung für eine auffällige, von Normen, Erwartungen und Maßstäben abweichende
Handlungsweise, die in ihrem Entstehungszustand meist als psychische Reaktion auf
schwierige Situationen und Konflikte oder als Notsignal interpretiert werden kann. (…)
Ursache meist multifaktoriell, z.B. infolge von psychozouialen Milieuschäden“
(Pschyrembel S.1756).
4
2.1.4 Störung der sensorischen Integration
Definition:
"Das Gehirn ist nicht in der Lage, den Zustrom sensorischer Impulse in einer Weise zu
verarbeiten und zu ordnen, die dem betreffenden Individuum eine gute und genaue
Information über sich selbst und seine Umwelt ermöglicht. Wenn das Gehirn Sinneseindrücke
nicht richtig verarbeiten kann, ist es auch nicht in der Lage, sinnvolle Verhaltensweisen zu
bestimmen."
Die Folge ist, dass sich das betreffende Individuum "unzufrieden mit sich selbst" fühlt und
nicht "gut genug mit alltäglichen Anforderungen oder Stresssituationen fertig wird" (Jean
Ayres, „Bausteine der kindlichen Entwicklung“; S. 71)
Reagiert eine Person besonders stark oder nur sehr schwach auf einen Reiz, oder erfolgt die
Reaktion stark schwankend, handelt es sich um eine Modulationsstörung.
Die Sinnessysteme
Bei den Sinnessystemen unterscheidet man zwischen:
Nahsinne
und
Fernsinne
Die Nahsinne
Durch sie erfährt der Mensch sich selbst, seine Stellung im Raum und sein Empfinden durch
den direkten Kontakt des Körpers mit der Reizquelle. Hierzu gehören das taktile, das
vestibuläre und das propriozeptive System.
Das taktile System (Tastsinn)
Das taktile System ist das größte Sinnesorgan unseres Körpers. Es umfasst den Körper mit
seiner gesamten Hautoberfläche.
Tastsinnesorgane unterhalb des Halses senden elektrische Impulse an das Rückenmark. Von
dort aus ziehen sie in afferenten Bahnen zum Hirnstamm. Tastsinnesrezeptoren in der Haut
des Kopfes senden durch Nerven ihre Impulse direkt zum Hirnstamm. Von dort aus wird die
Tastinformation über das gesamte Gehirn verteilt. Die Kerne im Hirnstamm verarbeiten
taktile Reize, informieren über Berührungen an der Haut und differenzieren die
Wahrnehmung in kalt, heiß, schmerzhaft, spitz, etc.
Das taktile System ist das erste sensorische Sinnessystem, dass sich im Mutterleib entwickelt
und schon dort voll funktionsfähig ist.
(Schulunterlagen - Neumeier; Pauli/Kisch, „Was ist los mit meinem Kind“; S. 70)
Das taktile System wird unterteilt in ein protopatisches System und ein epikritisches System.
- Das protopatische System:
Dieses übernimmt eine Schutzfunktion. Berührungen können nicht eindeutig lokalisiert
werden. Sie werden eher diffus wahrgenommen und lösen Schutzreaktionen wie Flucht,
Abwehr, Vermeidung oder Angriff aus.
- Das epikritische System:
Dieses System beurteilt, unterscheidet und differenziert taktile Reize. Es steht eng in
Verbindung mit dem propriozeptiven System. Das epikritische System erlaubt eine genaue
Vorstellung und Lokalisierung von Berührungen, von der Beschaffenheit von Oberflächen,
Formen und dem eigenen Körper, dem so genannten Körperschema.
Das vestibuläre System (Gleichgewichtssinn)
Das vestibuläre System ist das älteste und zugleich alle Sinne verbindende System. Das
Gleichgewichtsorgan befindet sich im Innenohr. Es gibt Auskunft über die Schwerkraft und
das Gleichgewicht unseres Körpers im Raum. Das Empfinden der Schwerkraft ist wichtig zur
5
Steuerung von Bewegungen. Es trägt zur Erzeugung eines passenden Muskeltonus bei, der
den Körper reaktionsfähig macht.
Psychisch wirkt sich das Gleichgewichtssystem auf die Sicherheit und die Ausgeglichenheit
des Menschen aus. Um das Gleichgewicht halten zu können, müssen das visuelle, das
vestibuläre und das propriozeptive System zusammenarbeiten.
"Das vestibuläre System ist bereits im zweiten und dritten Schwangerschaftsmonat angelegt
und im sechsten Schwangerschaftsmonat ausgereift. Die meiste Zeit während der
Schwangerschaft stimuliert die Mutter durch Bewegungen das vestibuläre System des
Embryos. Die vestibulären Eindrücke werden überwiegend von den vestibulären Kernen und
im Kleinhirn verarbeitet. Durch mangelnde Stimulation im Mutterleib, aufgrund
ungenügender Bewegung der Mutter, kann es zu Entwicklungsstörungen beim Kind kommen"
(Pauli/Kisch; „Was ist los mit meinem Kind“; S. 71f).
Das propriozeptive/kinästhetische System (Tiefensensibilität)
Dieses System nimmt die Stellung und Bewegung des Körpers im Raum durch bestimmte
Rezeptoren in Muskeln, Sehnen und Gelenken wahr.
Die Informationen über Muskelspannung, Muskellänge und die Stellung bzw. die Bewegung
von Gelenken tragen zum so genannten Körperschema bei (=Summe aller auf den Körper
bezogenen Empfindungen und Erfahrungen).
Dieses System ermöglicht es dem Menschen sich geschickt zu bewegen.
Diese drei Sinnessysteme stehen in enger Verbindung miteinander und beeinflussen sich
gegenseitig. So hemmt das propriozeptive System die taktilen Empfindungen, das taktile
System fördert die Propriozeption, ebenso wie das vestibuläre System. Das propriozeptive
System wiederum hemmt das vestibuläre System.
Die Fernsinne
Zu den Fernsinnen gehört das auditive, das visuelle, das gustatorische und das olfaktorische
System. Diese Sinne vermitteln Informationen aus der Umwelt, von einer körperfernen
Reizquelle, um sich in dieser orientieren zu können. Die Voraussetzung für eine optimale
Entwicklung der Fernsinne ist eine optimale Integration der Nahsinne.
Das auditive System (Hören)
Das Ohr ist ein peripheres Wahrnehmungsorgan. Schallwellen reizen die Hörzellen im
Innenohr, welche Impulse zu den Hörzentren im Hirnstamm senden. So können Tonhöhen
sowie laute und leise Geräusche wahrgenommen werden. Geräusche genau zu hören und zu
unterscheiden ist Voraussetzung der Sprachentwicklung.
Das visuelle System (Sehen)
Die Netzhaut des Auges ist das Sinnesorgan für die visuelle Informationsaufnahme aus der
Umwelt. Das Auge ermöglicht es Helligkeit und Dunkelheit, Farben und Formen
wahrzunehmen.
Die visuelle Wahrnehmung kann in fünf Bereiche untergliedert werden.
- visumotorische Wahrnehmung
- Wahrnemungskonstanz
- Figur - Grundwahrnehmung
- Wahrnehmung der räumlichen Beziehungen
- Wahrnehmung der Raumlage
6
Das gustatorische System (Schmecken)
Die Sinneszellen für verschiedene Geschmackswahrnehmungen liegen in den sogenannten
Geschmacksknospen im Bereich der Geschmackspapillen der Zunge. Die einzelnen
Geschmacksknospen sind über Nervenfasern mit dem Gehirn verbunden. Die sechs
Geschmacksqualitäten süß, sauer, salzig, bitter, fett und umami werden in verschiedenen
Regionen der Zunge wahrgenommen.
Das olfaktorische System (Riechen)
Hier wird über die Riechschleimhaut der Geruch der Umwelt aufgenommen. Dieses
Sinnessystem vermittelt uns oft unbewusst noch vor allen anderen Sinnessystemen
Informationen über unsere Umwelt. Gerüche können aktivierend oder beruhigend wirken aber
auch die Konzentration beeinflussen. Der Geruchsinn löst die Speichel- und
Magensaftsekretion aus.
(Schulunterlagen - Neumeier; Pauli/Kisch, „Was ist los mit meinem Kind“)
Ätiologie und Pathogenese
Mögliche Ursachen für eine Störung der sensorischen Integration können sein:
 Sauerstoffmangel des Gehirns vor, während oder nach der Geburt, durch: .
Komplikationen während der Schwangerschaft, eine lange und komplizierte Geburt,
zum Beispiel eine Nabelschnurumschlingung des Halses, eine Zangengeburt oder
Krankheiten des Kindes wie Fieberkrämpfe oder Pseudokruppanfälle in den ersten
Lebensjahren.
 Frühgeburt
Das Gehirn des Kindes ist noch nicht vollständig ausgebildet. Die Nachreifung
außerhalb des Mutterleibs ist durch unnatürliche und viel zu wenig Reizangebote
verändert. Somit ist die Entwicklung des Kindes verzögert.
 Minimale Hirnblutungen, meist bei extremen Frühgeburten, welche
Hirnfunktionsstörungen zur Folge haben.
 Infektionskrankheiten der Mutter während der Schwangerschaft,
zum Beispiel kann durch eine Rötelinfektion unter anderem das Gehirn des Fötus
geschädigt werden.
 Intoxikation durch Drogen-, Nikotin-, Medikamentenmissbrauch der Mutter während
der Schwangerschaft
 Mangelnde Reizangebote während der Schwangerschaft und nach der Geburt
 Umweltgifte in Muttermilch, Lebensmitteln, Luft, Wasser und im häuslichen Bereich
sowie in Putzmitteln, Textilien, etc.
 Hirnfunktionsstörung
 Mangelnde Eigenbewegung des Kindes
 Psychische Belastung, Traumata oder seelische Belastung des Kindes
 Gefühlsmäßige Ablehnung des Kindes während Schwangerschaft und nach der
Geburt.
 Veranlagung für bestimmte Typen eines gering ausgebildeten Hirnschadens
 Reizreduziertes Umfeld: Kinder, die wenig Kontakt mit anderen Menschen und
Dingen haben, die ein sehr reduziertes Leben führen, entwickeln keine
altersentsprechenden sensorischen, motorischen oder geistigen Funktionen. Diese
sensorische Mangelsituation bewirkt eine schlechte Entwicklung des Kindes.
(Pauli/Kisch; „Was ist los mit meinem Kind“; S.66f)
7
Vorkommen
Genaue Angaben über die Häufigkeit von "Wahrnehmungsstörungen" bei Kindern zu
machen, ist nicht möglich. Vorübergehende Auffälligkeiten völlig unterschiedlicher Art sind
sehr häufig und nehmen an Häufigkeit in unserer Gesellschaft nach mehreren Studien zu.
Behandlungsbedürftige Störungen der Wahrnehmungsverarbeitung im weiteren Sinne, liegen
wahrscheinlich bei 15-20% aller Vorschulkinder vor.
Symptome
Allgemein ist eine Störung zu erkennen, indem der Betroffene mit einer Modulationsstörung
auf einen bestimmten Reiz reagiert, d.h. der Betroffene reagiert zu stark, zu schwach oder ist
in seiner Reaktion schwankend auf den Reiz.
Auffälligkeiten bei Kindern mit Störungen der SI, zeigen sich meist in Form von
Überaktivität, Ablenkbarkeit, Verhaltensproblemen, inadäquaten Muskeltonus,
Koordinationsstörungen, Lernschwierigkeiten, Teenagerproblemen, Dyspraxie (Störung der
Handlungsplanung), Sprachentwicklungsverzögerungen und Über/Unterempfindlichkeit für
Bewegung, Berührung, Licht und Geräusche.
(J.Ayres; „Bausteine der kindlichen Entwicklung“; S.79)
Dies zeigt sich in den jeweiligen Sinnessystemen auf unterschiedliche Art und Weise, wobei
immer das
Prinzip von Überfunktion = Reizvermeidung und Unterfunktion = Reizsuche gilt.
Beispiele einer SI - Störung in den verschiedenen Sinnesbereichen:
Vestibuläres System:
Überfunktion
 Kind wirkt ängstlich, faul, defensiv
 …wechselt ungern die Position
 …hält Abstand zu anderen Kindern
Taktiles System:
Überfunktion
 Kind lässt sich ungern anfassen
 …zieht sich ungern aus
 …mag kein Essen mit fester Struktur
Propriozeptives System:
Überfunktion
Unterfunktion
 Kind wirkt unruhig, wagemutig
 …wechselt ständig die Position
 …sucht nach schnellen Drehungen
und Beschleunigungen
Unterfunktion
 Kind sucht Kontakt zu allem
 …zieht sich gerne aus
 …mag kein Essen mit breiiger
Struktur
Unterfunktion
 Kind zeigt mangelnde Kraftdosierung
 …ist hypoton
 …zeigt mangelndes
Schmerzempfinden
 …kann einen starken Bewegungsdrang
haben
 …ist Stellungsunsicher
Die Symptome sind die Endprodukte einer unzulänglichen und unregelmäßigen Verarbeitung
von Sinneseindrücken im Gehirn.
8
Verlauf und Prognose
Kinder sind unterschiedlich schnell in ihrer Entwicklung. Sie machen ständig kleine
Fortschritte, indem sie sich ihre Sinnesnahrung selbst auswählen um sensomotorische
Lernerfahrungen machen zu können. Kinder denen diese Möglichkeit offen steht, denen
genügend Reizangebote für ihre Sinne zur Verfügung stehen um ihren Drang nach
Erfahrungen zu stillen, ist es möglich, dies selbständig zu bewältigen und somit eine gut
funktionierende sensorische Integration zu erreichen.
Kindern denen diese Sinnesnahrung nicht geboten wird, oder die aufgrund ihrer schlechten
sensorischen Integration nicht in der Lage sind, sich Sinnesnahrung zu verschaffen, muss
geholfen werden, damit eine gut funktionierende sensorische Integration wieder soweit wie
möglich hergestellt werden kann.
Bleibt dem Kind aber eine professionelle Therapie und das Verständnis der Eltern
vorenthalten, können "die Effekte der Störung im Laufe des Lebens des Kindes zunehmen,
auch wenn sich das Leiden nicht verschlimmert". Eine schlechte sensorische Integration kann
in. eine Aphasie, ferner in schwere Verhaltensstörungen und andere psychologische Probleme
einleiten.
"Es ist sehr gefährlich anzunehmen, dass ein Kind aus seinen Problemen herauswachsen wird.
Denn diese Einstellung verhindert, dass das Kind in dem Alter in dem es ihm nützen könnte,
fachliche Hilfe bekommt". (J.Ayres; „Bausteine der kindlichen Entwicklung“; S. 72ff.)
Therapieverfahren
 Ergotherapie (siehe Punkt 2.2.)
 Physiotherapie – Interpretieren von sensomotorischen Funktions- und
Entwicklungsstörungen, um sie mit speziellen manuellen und anderen
physiotherapeutischen Techniken zu beeinflussen. Primärer Ansatzpunkt ist das
Bewegungssystem und das Bewegungsverhalten, wobei das Ziel Schmerzfreiheit und
ökonomisches
Bewegungsverhalten,
oder
das
Schaffen
von
Kompensationsmöglichkeiten bei irreversiblen Funktionsstörungen ist. Behandlung
von z.B. grob motorischen Auffälligkeiten wie Fehlstellungen oder Haltungsschwäche
durch Bobath, Voijta, Psychomotorik
 Motopädie - ergänzend zu einer medizinisch orientierten Therapie erfolgt eine
Therapie zur Förderung der Wahrnehmung und der physiologischen Bewegung.
Verknüpft
werden
psychologische,
pädagogische,
sportund
erziehungswissenschaftliche Methoden mit medizinischen Erkenntnissen. Zentraler
Ansatzpunkt ist die Bewegung, genauer die Wechselwirkung zwischen dem Körper in
Bewegung und der Psyche des Menschen.
 Logopädie – Gegenstand der Therapie ist der durch eine Sprach-, Sprech-, Stimm-,
Schluckoder
Hörbeeinträchtigung
in
seiner
zwischenmenschlichen
Kommunikationsfähigkeit eingeschränkte Mensch. Logopäden beschäftigen sich in
Theorie und Praxis mit der Prävention von Artikulationsdefiziten und mit der
sprachlich
-sozialen
Rehabilitation
eines
entsprechend
kommunikationsbeeinträchtigten Menschen.
 Orthoptik - zuständig für die Verhütung, Diagnose und Behandlung von
Sehschwächen, Schielerkrankungen und Augenzittern
 Psychomotorik - basiert auf einem ganzheitlichen Ansatz, dabei werden die Einflüsse
der sozialen und materiellen Umwelt auf das Gefüge von Psyche und Motorik
mitberücksichtigt Der Körper wird über alle Sinnessysteme wahrgenommen. Bei
dieser Form der Gruppentherapie wird auch Sozialverhalten geschult.
 Kinderpsychologie – Teilbereich der Entwicklungspsychologie, der sich mit dem
Zeitraum von der Geburt bis zur Reifezeit befasst. Sie ist zuständig für den psychosozialen Bereich unter Miteinbeziehung von Eltern / Bezugspersonen
9

Familientherapie - Beschreibt, systemische (ganzheitliche) Zusammenhänge und
interpersonelle Beziehungen in einer Gruppe/Familie als Grundlage für Diagnose und
Therapie von seelischen Beschwerden und interpersonellen Konflikten.
(Pauli/ Kisch; „Was ist los mit meinem Kind“; S.96-101)
Diagnoseverfahren
Zurzeit bestehen keine Möglichkeiten, eine Störung im Gehirn nachzuweisen. Eine
Beeinträchtigung der Verarbeitung sinnlicher Wahrnehmungen ist nicht als Krankheit im
medizinischen Sinne aufzufassen. Chemisches Ungleichgewicht, virale Infektionen oder
Abweichungen der Zusammensetzung des Blutes, sowie Organerkrankungen kann man im
Labor nachweisen.
Das Problem der sensorischen Integration dagegen kann nicht leicht abgegrenzt werden. Wir
können das Kind nur beobachten, und zwar sowohl in seinen normalen Bewegungen als auch
während eines Tests zur Diagnostik der sensorischen Integration und danach versuchen eine
Gehirnfunktion zu beurteilen." (J.Ayres: „Bausteine der kindlichen Entwicklung“; S. 10)
Die mögliche Diagnostik ist die Grundlage um zielgerichtet ergotherapeutisch handeln zu
können. Hierbei steht der Patient, das Kind, als Individuum im Vordergrund, mit all seinen
Stärken und Schwächen in den verschiedenen Lebensbereichen.
Die Diagnostik findet meist interdisziplinär statt.
Die medizinische Diagnose (aus verschiedenen medizinischen Bereichen z.B.
Allgemeinmedizin, HNO, Augenarzt, ...) ermöglicht eine erste Einordnung des
Krankheitsgeschehens und bietet einen gewissen Orientierungsrahmen für den
Ergotherapeuten. Weiterhin sind verschiedene psychologische Tests möglich, bei denen je
nach Art des Tests, Kriterien wie z.B. Kontaktaufnahme, Arbeitshaltung, Sprache, Kognition
geprüft und beurteilt werden.
Durch die Zusammenarbeit, z.B. mit Logopäden und Krankengymnasten lassen sich weitere
Beobachtungskriterien finden und erweitern.
Weiterhin gibt es eine große Anzahl an ergotherapeutischen Testmaterial, wie z.B.
 Gezielte Beobachtungen
 Dabei werden die Fähigkeiten der vestibulären, tiefensensiblen, taktilen und
visuellen Wahrnehmung, der Muskeltonus, motorisch anpassende Reaktionen
und Aufgabenverständnis untersucht.
 Frostig - Entwicklungstest zur visuellen Wahrnehmung (FEW)
 Unterteilt in Subtests: Raumlage, Figurgrundwahrnehmung, Wahrnehmung
räumlicher Beziehungen, Formkonstanz, Visuomotorische Geschwindigkeit
 Developmental Test of Visual Perception, Second Edition (DTVP 2)
 Unterteilt in Subtests: Raumlage, Figurgrundwahrnehmung, Wahrnehmung
räumlicher Beziehungen, Formkonstanz, Visuomotorische Geschwindigkeit,
Kopieren, Gestaltschließen und Hand-Auge-Koordination
 Münchner Funktionelle Entwicklungsdiagnostik
 Differenzierte Erfassung des kindlichen Entwicklungsstandes (1. Lebensjahr:
Krabbeln, Sitzen, Laufen, Greifen, Perzeption, Sprechen, Sprachverständnis,
Sozialverhalten; 2. und 3. Lebensjahr: Statomotorik, Handmotorik,
Wahrnehmungsverarbeitung, Sprechen, Sprachverständnis, Selbstständigkeit,
Sozialverhalten)
Mit ihnen kann der Ergotherapeut gezielt bestimmte Bereiche abtesten. Bei Kindern mit
stärkeren Defiziten oder z.B. anderer Muttersprache können auch nonverbale Tests
angewendet werden.
10
Bevor der Egotherapeut jedoch bestimmte Tests einsetzt, sollte er das Kind zuerst in einer für
das Kind angenehmen Spielsituation beobachten. Hier können folgende Kriterien eingeschätzt
und beurteilt werden:
 aktives Spielverhalten
 Sozialverhalten
 Selbständigkeit
 Grobmotorik (Tonus, Gelenkbeweglichkeit, Gleichgewichtsreaktionen, Reflexe)
 Feinmotorik ( Greifen, Fingerbeweglichkeit, Stifthaltung, Kraftdosierung)
 Sprache (Aktive Sprache, Sprachverständnis)
 Perzeption / Sensorik (Taktile Wahrnehmung, Vestibuläre Wahrnehmung,
Propriozeptive Wahrnehmung, Auditive Wahrnehmung, Visuelle Wahrnehmung)
 Körperbewusstein, Körperschema
Es ist wichtig, dass der Ergotherapeut immer wieder diese Kriterien während der Behandlung
auf Veränderungen hin überprüft, dies zur Kenntnis nimmt und dementsprechend handelt, d.h.
seine Ziele und seine Therapie danach gestaltet.
2.2 Ergotherapeutische Maßnahmen
"Ergotherapie basiert auf der Grundlage der normalen Kindesentwicklung und baut auf einem
ganzheitlichen Ansatz auf. Das heißt, es geht nicht nur um eine mechanische
Wiederherstellung von körperlichen, geistigen und psychischen Funktionen, sondern das Kind
soll eine im Alltag für sich größtmögliche Selbstständigkeit und Unabhängigkeit erlangen".
(Pauli/Kisch; „Was ist los mit meinem Kind“; S. 96)
Sensorische Integrationstherapie
Hier soll das Kind durch das spielerische Angebot vestibulärer, propriozeptiver und taktiler
Reize lernen, diese adäquat aufzunehmen, zusammenzustellen und zu deuten. Es soll lernen
die aufgenommenen Informationen zu sinnvollen Wahrnehmungen zusammenzufassen und
somit sinnvoll zu handeln.
Hierbei stehen die Motivation, die Interessen und die Ressourcen des Kindes im Vordergrund.
Das Kind hat so die Möglichkeit sich nach seinen Interessen die Reize zu suchen, die es
braucht.
Der Therapeut hat hier die Aufgabe das Reizangebot individuell an das Kind anzupassen und
die Reize richtig zu dosieren.
Die Zusammenarbeit mit Eltern und anderen Berufssparten (interdisziplinäre
Zusammenarbeit) ist hier unabdingbar, um eine gute Behandlung leisten zu können, da auch
die Eltern die Möglichkeit haben fördernd auf ihr Kind einzuwirken und es zu unterstützen.
Zu den Therapiemitteln gehören zum Beispiel:
 Matten und Kissen
 Seilbahn
 Bohnenbäder
 Hängematte
 SI - Schaukel
 Sandsäckchen unterschiedlichen Gewichts
 Trampolin
Ein Teil der ergotherapeutischen Behandlung findet nach den Prinzipien der sensorischen
Integrationstherapie von Jean Ayres statt. Jean Ayres geht davon aus, dass sich die bereits
11
oben genannten Basissinnessysteme gegenseitig beeinflussen und somit, ein Bereich, in dem
Schwächen vorhanden sind mit einem anderen Bereich behandelt werden kann.
Da die Defizite von X aber nicht nur in diesem Bereich liegen, muss auch auf andere Art und
Weise, individuell auf die Bedürfnisse des Kindes eingegangen werden z.B. durch Correctiv
Feedback und emphatisches Verhalten.
Führen nach Affolter
Diese Therapieform wird beim Training von Bewegungsabläufen und von Alltagshandlungen
eingesetzt und hat sich im Bereich der Pädiatrie bei der Therapie von räumlich-konstruktiven
Störungen, Störungen der serialen Leistung und Dyspraxien bewährt.
Sie befasst sich mit der Entwicklung von Begreifen, Wissen, Denken und Handeln. Die
Umwelt wird wahrgenommen, interpretiert und dementsprechend auf sie eingewirkt. Bei
dieser Therapieform übernimmt der Therapeut die aktive Bewegung des Körpers bzw. der
Extremitäten für den Patienten. Die passive Bewegung des Patienten vermindert
pathologische Muster und erleichtert dem Patienten die Konzentration auf die Handlung.
Bobath-Konzept
„Die neuropsychologische Arbeitsthese von Bobath besteht in der Annahme, dass die
Beeinträchtigung von Kindern mit zerebralen Bewegungsstörungen vor allem durch die
gestörte Haltungskontrolle gegenüber der Schwerkraft verursacht ist. Die ganzheitliche
Sichtweise betont das Kind in seiner Gesamtpersönlichkeit und nicht als Objekt mit isolierten
Funktionsausfällen und Defiziten. Dabei wird der Motorik eine zentrale Bedeutung in der
Gesamtentwicklung des Kindes beigemessen. (…) Motorisches Lernen kann nur im täglichen
Handeln des Kindes erfolgreich sein.
Die kindliche Entwicklung wird durch eine ständige Anpassung von Sensomotorik, Neugier
und Kognitionsverhalten an die unterschiedlichsten Situationen gefördert. Neugierde,
variierende Wiederholungen und Ausprobieren sind dabei die Voraussetzung für flexible
Handlungsstrategien. Der Alltag wird erprobt, entdeckt und bewältigt, das Kind lernt Ursache
und Wirkung kennen sowie Zusammenhänge herzustellen“
(DVE; „Indikationskatalog Ambulante Ergotherapie“; S. 150)
3. Falldarstellung
3.1 Angaben zur Person der Patientin
3.1.1 Persönliche Daten
Name:
X
Alter:
5,9 Jahre
Geschlecht:
männlich
Staatsangehörigkeit: deutsch
3.1.2 Daten zur Aufnahme
Aufnahmezeitpunkt in der Einrichtung: September 2005
Voraussichtliche Entlassung: Juli 2007
12
3.1.3 Therapierelevante Diagnosen
Ärztliche Diagnose:
Sprachentwicklungsstörung, Entwicklungsretardierung,
aggressive Verhaltensstörung
Ergotherapeutischer Befund: Sensorische Integrationsstörung im propriozeptiven(v.a. Tonus)
und vestibulären Bereich mit Auswirkungen auf die
Aufmerksamkeit und Feinmotorik.
3.1.4 Medikation
keine
3.1.5 Besonderheiten
keine
3.1.6 Bisheriger Therapieverlauf
Bevor X die SVE besuchte hatte er keinerlei Therapien. Der Vorschlag des Gesundheitsamtes
zur logopädischen Behandlung wurde nicht wahrgenommen.
Ergotherapeutische Behandlung: seit September 2005 einmal wöchentlich 45 Min..
Zu Beginn der ergotherapeutischen Behandlung im September 2005 war X äußerst
stellungsunsicher und hatte eine kaum zu verstehende Lautsprache.
Er war sehr fahrig und hochgradig ablenkbar. Bei gestellten Aufgaben konnte er nur sehr kurz
verweilen. Einen vereinbarten Plan konnte er kaum einhalten und musste auf ihn
zurückgeführt werden.
Zu beginn der Therapieeinheiten beschränkten sich die von ihm gewählte Betätigung fast
ausschließlich auf Schaukeln. Es wurde vereinbart, das X morgens unabhängig von der
Therapie 15 Min zum schaukeln in die Ergotherapie kommt. Dies hat mittlerweile ohne
äußere Einwirkung nachgelassen.
Mittlerweile fällt auf, das X weniger stürzt und sich gezielter und sicherer bewegt. Er weiß
besser bescheid welche Reize er benötigt und sucht sich diese durch gezielt von ihm
ausgewählte Spiele in der Ergotherapie, z.B. Trapez, Säckchenschleppen.
Einen Plan behält er nun besser im Kopf und es ist nicht mehr nötig in darauf zurückzuführen,
es genügt ihn daran zu erinnern.
Selbiges gilt für Struktur und Sprache.
Die Aufmerksamkeit und seine Feinmotorik haben sich nach propriozeptiver Reizung im
Vergleich zu Jahresanfang wesentlich verbessert.
Wenig verbessert haben sich hingegen Tonus und Kraftdosierung.
Logopädische Behandlung: seit September 2005 einmal wöchentlich 45 Min.
Im Gespräch berichtete mir die Logopädin von X, dass auch sie ihn für einen lernwilligen und
netten Jungen hält.
13
Die Problematik liegt ihrer Meinung nach in einer Fehlbildung der Lautsequenzen und einer
gestörten Mundmotorik. Die auditive Wahrnehmung sei leicht betroffen. Wichtig sei für den
Jungen, ihm Struktur und ein phonoligisches Bewusstsein zu geben.
Zu Beginn der Behandlung sprach X von sich nur in der dritten Person. Ziel war also auch
eine Ich-Bildung.
Anfänglich war die Sprache sehr chaotisch. X beherrschte zwar alle Laute isoliert, jedoch
konnten diese nur inkonsequent verarbeitet werden. Desweiteren herrschte ein schwerer
Dysgrammatismus sowie eine universelle Dyslalie. Betroffen waren vor allem die Laute : „r“
„ch“ „f“ „w“ „s“ „sch“.
Folglich war für X eine verständliche Ausübung der Spontansprache kaum möglich.
Sie arbeitet mit ihm durch Kommunikationstherapie und ganzheitliche Rahmentherapie.
Ihrerer Meinung nach hat sich der Dysgrammatismus bereits , auf leicht bis mittel schwer
abgeschwächt. X wirkt allgemein wacher und aufmerksamer und hat entscheidende
Fortschritte in der Ich-Bildung vollzogen.
Die Lautbildung sei zwar weiter stark betroffen, jedoch ist dem Jungen mittlerweile eine
wesentlich verbesserte Spontansprache möglich.
Physiotherapeutische Behandlung: seit Februar 2006 einmal wöchentlich 45 Min.
Ziel der Physiotherapie ist es, dem Jungen zusätzlich zu Ergotherapie die Möglichkeit zu
geben gezielte propriozeptive Erfahrungen zu machen. Dies erfolgt durch Massagen und
Übungen auf dem „Peziball“. Bei der tiefensensiblen Reizung wird auch am Körperschema
von X gearbeitet.
Zusätzlich arbeitet die Physiotherapeutin auch an der Handlungsplanung von X, z.B. durch
Höhlenbau.
Zum Verlauf berichtete die Physiotherapeutin, X sei anfänglich aggressiv und sehr umtriebig
gewesen. Dies habe sich, nachdem er seine Grenzen nun ausgetestet hat, gelegt. Er sei
allgemein ruhiger geworden.
3.2 Anamnese
3.2.1 Medizinische Anamnese, Krankheitsverlauf
Folgende Anamnesedaten stammen aus der Hausakte von X (u.a. psychologische u. ärztliche
Gutachten) und aus Gesprächen mit der Erzieherin.
Laut Akte verliefen Schwangerschaft und Geburt normal. X kam zum errechneten Termin in
der 40 Schwangerschaftswoche zur Welt. Er war 48cm groß und wog 2650g, der APGAR
Wert betrug 10/10 Punkte.
Als Säugling wurde X von der Mutter gestillt. Nach Angaben der Mutter hatte er viel Hunger
und hatte viel geschlafen.
Das Sitzen und Krabbeln erfolgte leicht verspätet. Laufen begann X erst mit 18 Monaten, also
auch leicht verspätet. Seitdem ist X in dauerhafter Bewegung, er bewegt sich viel und gern.
Schon seit beginn des Laufalters fällt bei X das häufige Stolpern auf.
Kontinent wurde er im Alter von 3 Jahren.
Wann X seine ersten Zähne bekam ist nicht bekannt, wohl aber, dass er Mitte 2005 seine
ersten Milchzähne verlor.
Erste Worte sprach er im Alter von 22 Monaten („Papa“).
14
X ist gegen alle relevanten Krankheiten geimpft. Er hatte bisher keine Masern, Windpocken,
oder Scharlach. Allergien sind nicht bekannt.
Bisher kam es bei X noch zu keiner stationären Aufnahme oder Behandlung.
Bei der Vorsorgeuntersuchung U2 wurde eine pränatale Dystrophie festgestellt.
Aufgrund der Untersuchungsergebnisse der U8 wurde der Familie angeraten Kontakt zum
Gesundheitsamt aufzunehmen. Dort wurde von der Zentralen Beratungsstelle für Kinder und
Jugendliche mit Entwicklungsauffälligkeiten und Behinderungen Mitte 2004 und mit selben
Ergebnissen Mitte 2005 ein ärztliches und psychologisches Gutachten erstellt.
Festgestellt wurden
 leichte Intelligenzminderung mit Teilleistungsminderungen
 erhebliche Defizite in der Sprachentwicklung (Dyslalie, Dysgrammatismus)
 motorische Lebhaftigkeit
 schwankende Aufmerksamkeit
 Impulsivität
 Verdacht auf ADHS
Die Ergebnisse ergaben eine Indikation für den Bedarf von Einzelintegration und
logopädischer Behandlung. Diese wurden 2004 nicht und seit September 2005 in der SVE der
Einrichtung wahrgenommen.
Im Anamnesegespräch der SVE bot sich der Eindruck, dass auch der Vater an einem
Aufmerksamkeitsdefizit leidet. Er konnte kaum Blickkontakt halten und schweifte im
extremen mehrmals vom eigentlichen Gesprächsthema, seinem Sohn, ab.
Laut Gesundheitsbogen hat er keine weiteren schweren Erkrankungen.
Augen- und Ohrenärztliche Untersuchungen im Rahmen der Schuluntersuchung verliefen
ohne Befund.
3.2.2 Soziale Anamnese
Folgende Daten stammen aus Gesprächen mit den Erzieherinnen von X und seinen eigenen
Äußerungen. Dabei ließen sich kaum Abweichungen feststellen.
X wurde ehelich in einer süddeutschen Großstadt geboren, in der er bis heute lebt. Er lebt
zusammen mit seiner Mutter und dem Vater in einer geräumigen Wohnung.
Mutter und Vater teilen sich das Sorgerecht, die Erziehung wird von beiden gemeinsam im
gleichen Maße ausgeübt. Von der Erzieherin war zu erfahren, dass beide Eltern Probleme
haben dem Jungen klare Grenzen zu setzten und das sie mit der Situation und dem Wesen
ihres Kindes klar überfordert sind. Sie begegnen ihm zwar liebevoll und fürsorglich, jedoch
gelingt es ihnen nicht Empfehlungen und Tipps adäquat umzusetzen.
Die Eltern von X sind beide berufstätig.
Der 33 jährige Vater arbeitet seit kurzem als Speditionsfahrer, vor dieser Zeit war er längere
Zeit arbeitslos. Von Erzieherin, Logopädin und Egotherapeutin war zu erfahren, dass auch der
Vater offensichtlich an einem Aufmerksamkeitsdefizit leidet. Die 32 jährige Mutter arbeitet
als Altenpflegerin bei einem ansässigen freien Kostenträger.
Beide Eltern müssen aufgrund ihrer beruflichen Situation die gemeinsame Wohnung bereits
morgens um 6:00 verlassen. Aufgrund dieser Tatsache bringen sie ihren Sohn allmorgendlich
um 5:30 zur Schwester des Vaters. Bei dieser bekommt der Junge sein Frühstück und wird
15
von ihr auch in die SVE gebracht. Neben den Eltern ist die Tante somit zu einer wichtigen
Bezugsperson für X, aber auch eine Kontaktperson zwischen Eltern und SVE geworden.
Eine weitere wichtige Bezugsperson stellt für X seine Großmutter (väterliche Seite) dar. Bei
ihr verbringt er, bedingt durch die Arbeit der Eltern, viel Zeit. Sie lebt etwas ländlicher und
somit in einem kindgerechten Umfeld. Im angeschlossenen Garten kann X Zeit in der Natur
verbringen und mit Freunden spielen. Am Wohnort seiner Großmutter gibt X an, viele
Freunde zu haben, zuhause jedoch kaum.
Dort beschränken sich seine Freizeitaktivitäten, abgesehen von gelegentlichen Ausflügen die
die Familie unternimmt auf Fernsehen und Videospielen. Für die Eltern stellt er so keine
weitere „Belastung“ dar.
Bei Familienaktivitäten ist X zwar dabei, diese werden aber nicht mit ihm, sondern in „seiner
Anwesenheit“ unternommen, er ist folglich weitestgehend sich selbst überlassen. („Der hört ja
eh nicht“)
Nach Xs Angaben hat die Familie (Großmutter) 4 Haustiere: 2 Katzen, 1 Vogel und 1 Hund.
Dies konnte mir die Erzieherin zwar nicht bestätigen, jedoch habe ich keine Zweifel am
Wahrheitsgehalt der Aussage Xs, zumal er über mehrere Tage immer die gleichen Tiere und
Namen nannte.
Laut der Erzieherin und meinen eigenen Beobachtungen hat X keine Probleme Kontakte zu
knüpfen. (z.B. auf dem Spielplatz). Dabei orientiert er sich an stärkeren und schließt sich
diesen an.
3.2.3 Arbeitsanamnese
Folgende anamnestische Daten entstammen der Hausakte von X
Im Jahr 2004 befürwortete das Gesundheitsamt aufgrund eines ärztlichen und
psychologischen Gutachtens eine Einzelintegration im Kindergarten. Der bereits 2004
angestrebte Eintritt in einen integrativen Kindergarten kam nicht zustande. Da die Eltern
jedoch befürchteten, das ihr Kind aufgrund des Umgangs mit anderen Kindern
Schwierigkeiten in der Eingliederung im Kindergarten bekommen würde suchten sie erneut
das Gesundheitsamt auf. Dieses hielt eine Behandlung weiterhin für dringend notwendig.
Seit September 2005 besucht er mit 6 weiteren Kindern die schulvorbereitende Einrichtung
(SVE).
In dieser befindet er sich Montags bis Freitags von 8:00 bis 14:00. Dort wird er seinen
Bedürfnissen entsprechend gefördert, erhält sowohl Ergo- also auch Physiotherapie und eine
logopädische Behandlung.
Der Besuch der SVE beinhalten außerdem Frühstück, ein warmes Mittagessen, sowie einen
anschließenden Mittagsschlaf aller Kinder.
3.2.4 Suchtanamnese
entfällt
3.2.5 Juristische Anamnese
Mutter und Vater haben das gemeinsame Sorgerecht.
16
3.3 Befunderhebung
Die Daten der Befunderhebung ergeben sich weitestgehend aus Beobachtungen während der
beschriebenen Therapieeinheiten, aus gezielten Beobachtungen von Frau Beck und aus
Beobachtungen des normalen Gruppenalltags der SVE.
3.3.1 Ersteindruck
X ist ein sehr freundliches und kontaktfreudiges Kind. Räumlich, örtlich, situativ und zur
Person ist er voll orientiert. Er nahm sofort Kontakt zu mir auf, hat schnell Vertrauen gefasst
und wirkte keinesfalls schüchtern oder zurückhaltend. Er hat einen freundlichen
Gesichtsausdruck und kann mit seinem Gegenüber solange es seine kurze
Aufmerksamkeitsspanne zulässt direkten Augenkontakt halten. X trägt seinem Alter und der
Jahreszeit / Temperatur entsprechende saubere Kleidung.
Die blonden Haare trägt er frech und sehr kurz. Er ist ca. 1,10 groß und wiegt ca. 20 kg. Somit
wirkt er körperlich seinem Alter entsprechend.
Seine allgemeine Körperhaltung ist schlaff. Dies kompensiert er durch eine auffallende
motorische Unruhe, d.h. er ist dauerhaft und schnell in Bewegung.
Auffallend ist auch seine undeutliche Aussprache.
3.3.2 Grobmotorik
Allgemein betrachtet macht X trotz seines niedrigen Grundtonus einen sehr
bewegungsfreudigen Eindruck, da er sich über diese Bewegung den benötigten Tonus holt. Er
scheut keine sportlichen bzw. körperlichen Betätigungen. Dementsprechend hoch ist sein
Interesse an Sport, hierbei besonders an Fußball und Basketball.
Nach Beobachtung sind alle Gelenke von X frei und endgradig beweglich. Hand- Ellenbogenund Kniegelenke sind situationsbedingt leicht überstreckbar.
Beim ruhigen Sitzen sackt er schnell in sich zusammen, macht einen Rundrücken und
überstreckt die Halswirbelsäule um möglichst wenig Kraft aufwenden zu müssen. Er
kompensiert dies außerdem durch auffallende motorische Unruhe (hin- und herrutschen,
wieder aufstehen), sowie durch eine Vergrößerung der Unterstützungsfläche.
Sein Gangbild ist geprägt von kleinen und schnellen Schritten, und vor allem von
Geschwindigkeit. Es ist ihm nur unter großer Anstrengung möglich langsam zu gehen. Dabei
schlenkern die Arme kraftlos neben dem Körper her.
Beim schnelleren Gang bzw. beim Rennen spannt er seine Arme an, adduziert im Ellenbogen
und ballt die Faust um sich damit Tonus zu geben. Generell fällt beim Gehen und Rennen auf,
dass X äußerst häufig stolpert, bzw. sich absichtlich Fallen lässt.
Es ist ihm möglich auf der SI-Schaukel bzw. einem großen Gymnastikball seinen Kopf zu
halten und ihn adäquat im Raum einzustellen. Im Liegen bereitet es ihm Probleme den Kopf
dauerhaft gegen die Schwerkraft anzuheben, wenn kein ausreichender Grundtonus
vorherrscht. Ist dieser aufgebaut ist es im durchaus möglich den Kopf qualitativ und
ausdauernd zu halten.
Die motorische Planung ist gut. X klettert sowohl die Sprossenwand also auch die
Kletterwand zügig nach oben und es bereitet es ihm keine Schwierigkeiten diese rückwärts
wieder zu verlassen, jedoch springt er aufgrund des starken propriozeptiven Reizes bei der
Landung meistens aus große Höhe ab.
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Die im Mai durchgeführten „gezielten Beobachtungen“ von Frau Beck ergaben keine
weiteren Defizite. Sie bestätigten jedoch erneut die kurze Aufmerksamkeitsspanne und
Unruhe sowie Angespanntheit des Jungen. Alle motorischen Übungen waren ihm mit
teilweise kleiner Hilfestellung möglich, jedoch konnte er Stellungen nicht mehr als maximal 5
Sekunden einhalten ohne sich weiter zu Bewegen.
3.3.3 Feinmotorik / Koordination / Seitendominanz
Die Feinmotorik ist für X infolge der motorischen Unruhe, Aufmerksamkeit und mangelnder
Kraftdosierung ein Problembereich.
Durch das breite Angebot an feinmotorischen Übungsmöglichkeiten, vor allem in der Gruppe
hat er die Möglichkeiten diese zu beüben, kann diese jedoch nicht im vollen Umfang nutzen.
Die Stifthaltung breitet X noch einige Probleme. Zum einen ist seine Lateralität noch nicht
komplett gefestigt, zum anderen hat er vor allem ohne propriozeptive Reizung Probleme in
der Kraftdosierung. Aufgrund der noch nicht gefestigten Lateralität wechselt X oft die Hand,
kommt aber sichtlich besser mit der rechten Hand zurecht. Er hält den Stift rechts im
Dreipunktgriff verkrampft und führt nur wenig Bewegung aus dem Handgelenk aus.
Deutlich wird seine sich auffällige Graphomotorik dadurch, das X nie freiwillig und von sich
heraus malt, sondern dies nur aufgrund von Anregung oder aufgrund des Gruppendrucks tut.
In diesem Falle sind die Bewegungen hektisch und unkoordiniert. Laut seiner Erzieherin
beginnt X aber damit seinen Namen zu schreiben.
Er verfügt über eine gute Hand-Hand sowie Hand-Auge Koordination. Ihm zugeworfene
Säckchen fängt er meist frei aus der Luft, den Oberkörper nimmt er nur selten zur Hilfe.
Ausschneiden mit der Schere bereitet ihm Probleme, was auf selbige Gründe wie bei der
Graphomotorik und der Stifthaltung zurückzuführen ist. Kleine Gegenstände fasst er adäquat
und sicher mittels Pinzetten- oder Dreipunktgriff.
Gut und selbstständig geht X mittlerweile beim Essen vor. Er verwendet Messer und Gabel im
kindlichen Rahmen, die Gabel umfasst er nur noch selten im Faustgriff. Mit dem Messer
gelingt es ihm Brote zu streichen.
Das An- und Auskleiden, auch von Schuhen bereitet ihm keine Probleme.
3.3.4 Tonus
X’s Körpertonus ist schwach, d.h. hypoton in passiver Bewegung und in Ruhe.
Bei aktiv ausgeführter Bewegung holt sich X wie bereits erwähnt über seine motorische
Unruhe und die Geschwindigkeit benötigten Muskeltonus um seine Körperspannung aufrecht
zu erhalten.
Mit andauernder körperlicher Arbeit werden seine Bewegungen aufgrund schwindender Kraft
zunehmend ungenauer und schlaffer. So kann er beispielsweise nach längerem Spiel in der
Hängematte den Kopf nicht mehr oben halten, sondern sinkt ab.
Meist sucht sich X bei der freien Wahl der Tätigkeit selbst eine tonussteigernde Tätigkeit aus.
Auffällig wird sein niedriger Tonus auch durch die Stellungsunsicherheit und die von der
Logopädin beschriebe Störung der Mundmotorik. Außerdem hochgradig auffällig sind die
häufigen absichtlichen Stürze, sowie das grobe/aggressive Verhalten gegenüber anderen
Kindern.
Im sitzen fällt auf, das X, wie bereits erwähnt schnell in sich zusammen sackt und dies mittels
Vergrößerung der Unterstützungsfläche und motorischer Unruhe kompensiert.
Die posturale Kontrolle ist vorhanden.
18
3.3.5 Sensibilität
Im vestibulären Bereich zeigt X deutliche Anzeichen einer Unterempfindlichkeit.
Besonders deutlich wird diese Unterempfindlichkeit durch die Art der Durchführung und die
Intensität des Schaukelns. Seine persönliche Wahl fällt in der Ergotherapie oft, beim Spielen
im Hof immer auf die Schaukel. Dabei fällt dieses Schaukeln äußerst heftig aus, auch
vollführt er schnelle und häufige Drehungen. Desweiteren zeigt er Unruhe sowie
Wagemutigkeit und wechselt ständig seine Position.
Auf Nachfrage hin gibt er selbst an, dass ihm „nie schwindlig wird.“
Im propriozeptiven Bereich hat X eine Unterempfindlichkeit.
In den Therapieeinheiten such er sich gerne Aktivitäten aus die ihm starke propriozeptive
Reize verschaffen. Die leicht überstreckbaren Gelenke, das niedrige Schmerzempfinden,
sowie die Stellungsunsicherheit sind deutliche Zeichen für diese Unterempfindlichkeit.
Desweiteren auffällig ist der Hypotonus und wiederum der ungebremste Bewegungsdrang.
Die Kraftidosierung ist eingeschränkt, ist ihm aber bei großer Konzentration möglich.
Gleiches gilt für die Kokontraktion sowie dissoziierte Bewegungen.
Beim Belegen mit Sandsäcken zeigte X jedoch ein gutes Körperschema und konnte die
belegten Körperteile ohne Sichtkontrolle benennen.
Im taktilen Bereich ist X unauffällig. Die Modulation ist stabil. Anfängliche Probleme beim
Stereognosietest der gezielten Beobachtungen sind eher auf die mangelnde Aufmerksamkeit
als auf eine taktile Unterempfindlichkeit zurückzuführen.
Im olfaktorischen Bereich sind keine Auffälligkeiten bekannt.
Im visuellen Bereich liegt aus medizinischer Sicht kein Befund vor. X kann Farben und
Formen benennen, auch die Präpositionen stellen für ihn kein Problem dar. (vor, hinter, über,
unter) Wahrnehmungskonstanz, Wahrnehmung der Raumlage, Wahrnehmung von
räumlichen Beziehungen, Visuomotorik und Figur-Grundwahrnehmung wurden zwar nicht
gezielt getestet (DTVP2) jedoch stellten sich im Spiel keine gravierenden Probleme in den
genannten Bereichen heraus.
Im auditiven Bereich weist X keine Probleme auf. Er kann Geräusche erkennen und diese
ihren Quellen zuordnen. Er kann sowohl laut als auch leise erkennen und einfache Rhythmen
wiedergeben.
3.3.6 ADL / Selbstständigkeit
Im Lebenspraktischen Bereich ist X sehr selbstständig. Er zieht sich bei
Schwimmbadbesuchen selbstständig an- und aus. Bis vor kurzem hatte er laut Erzieherin noch
Probleme damit seine Schuhe richtig herum zu tragen, jedoch trägt er sie mittlerweile zu 90%
richtig. Er isst selbstständig, äußert dabei auch eigene Wünsche, geht eigenständig auf die
Toilette und putzt seine Zähne.
Innerhalb der Einrichtung kennt sich X gut aus und kann kleinere Aufgaben und Botengänge
erledigen. Beim Tisch aufdecken hat er nicht immer den Überblick und benötigt teilweise
kleine Hinweise. Mit diesen gelingt es ihm seinen Plan zu vervollständigen.
In der Therapie ist es ihm möglich eigene Ideen zu verwirklichen, seine Handlungsplanung ist
gut.
19
Dabei und bei anderen lebenspraktischen Aufgaben gerät er aber von Zeit zu Zeit in Konflikt
mit seiner mangelnden Aufmerksamkeit.
3.3.7 Kognitive Leistungen
Allgemein ist zu sagen, dass die kognitiven Leistungen Xs stark von seiner Aufmerksamkeit
abhängig sind. Dennoch ist Xs ein neugieriger Junger der Lernbereitschaft, in der Ergotherpie,
aber auch in alles anderen Bereichen zeigt.
Das Aufgabenverständnis von X ist gut. An ihn verbal gerichtete Anweisungen versteht er
und handelt daraufhin adäquat, soweit ihn diese Aufgrund der Aufmerksamkeit erreicht.
Abhängig vom Bereich und der Aufgabe verfügt er bei Interesse über ein rasches
Auffassungsvermögen. Der Umgang mit Zahlen und Mengen im pränumerischen Bereich und
logisches Denken gelingen ihm mühelos. Zählen bis 10 und einfache Rechenaufgaben im
Bereich bis 4/5 bereiten ihm keine Probleme. Seinen Namen beginnt er selbst zu schreiben,
vergisst oder verdreht dabei aber zeitweise einzelne Buchstaben.
Seine Merkfähigkeit ist stark von seinem Interessen und auch seiner Aufmerksamkeit
abhängig. Für ihn interessante Dinge merkt er sich jedoch gut.
Die Aufmerksamkeit ist sehr gering und X lässt sich sehr leicht von seiner aktuellen
Tätigkeit ablenken. Dies gilt vor allem für neue Situationen, die er nicht versteht oder
überblicken kann. Sie verbesserte sich in einem begrenzten und reizärmeren Umfeld, jedoch
muss X für seinen Alltag lernen auch in anderen Situationen zu bestehen. Bei für ihn
interessanten Tätigkeiten ist es leichter eine bestimmte Aufmerksamkeit über einen
bestimmten Zeitraum aufrecht zu erhalten.
Seine Aufmerksamkeit wird im generellen gesteigert, wenn er zuvor stark propriozeptiv
stimuliert wurde.
Eng verbunden mit seiner mangelnden Aufmerksamkeit gilt selbiges auch für die
Konzentration und geistiger Ausdauer.
War es ihm anfangs des Schuljahres nicht möglich, angefangene Aufgaben zu beenden, ist
ihm dies mittlerweile bei bestehendem / am Leben gehaltenem Interesse möglich.
Seine Handlungsplanung ist gut, bei Problemen weiß er wie er sein Ziel erreichen kann und
kann dies auch durchführen. Größere Tätigkeiten sind ihm nur mit leichter Hilfestellung
möglich. (z.B. ganzer Parcours)
Sind ihm Tätigkeiten unmöglich oder erscheinen sie ihm zu schwer, fragt er nach Hilfe und
geniest dieser Zuwendung sichtlich.
Die Abstraktionsfähigkeit ist noch schwach, es gelingt ihm bisher nur ansatzweise nicht
dinglich zu Denken.
All seine kognitiven Probleme resultieren aber nur teilweise aus einer
Intelligenzbeeinträchtigung. Der innere Antrieb ist gegeben, jedoch wird X durch den
ständigen Drang seinen Körper zu spüren und seine Körperspannung/Tonus aufrecht zu
halten, in seiner Aufmerksamkeit und damit seinen kognitiven Leistungen beeinträchtigt.
20
3.3.8 Sozio – emotionaler Bereich
X ist sehr aufgeschlossen und kontaktfreudig, kann aber auch schnell aggressiv werden. Beim
Abholen von der Gruppe nahm er schnell Kontakt mit mir auf und zeigte keine
Schüchternheit. Er ist gut in das Gruppengeschehen integriert und äußert dort eigene Wünsche
adäquat(z.B. Essen). X steht gerne im Mittelpunkt, da ihm so die Aufmerksamkeit zugute
kommt die er sich wünscht. Um dies zu erreichen provoziert X gerne, egal ob mit positiven
oder negativen Folgen, Hauptsache für ihn ist die Aufmerksamkeit. Folglich braucht X ein
hohes Maß persönlicher Zuneigung.
Im Umgang mit anderen kann er wie bereits erwähnt aggressiv werden, d.h. er fasst andere
Kinder aufgrund das er sich selbst unzureichend spürt grob an. Ein weiterer Grund hierfür
liegt vor, wenn sich X nicht verständlich machen kann (verbal), was sich jedoch durch
gezielte logopädische Behandlung bereits wesentlich verbessert hat.
Die Erzieherin beschreibt X als hilfsbereiten Jungen, der sich selten zu schnell sondern eher
bei Bedarf auch Hilfe holt.
Die Stellung in der Gruppe läst sich am besten als „guter Mitläufer“ bezeichnen. Er orientiert
sich an starken Kindern, macht diesen aber ihre Position nicht strittig sondern ahmt sie nach.
Seit einigen Wochen ist es ihm möglich aktiv an Rollenspielen innerhalb der Gruppe
teilzunehmen und nicht mehr nur als Beobachter zu fungieren. Themen sind dabei aktuelle
japanische Kartenspiele (z.B. Yu-Gi-Oh) Er versucht diese Rollenspiele selbst anzuregen und
übernimmt auch teilweise die Führung.
Mir gegenüber war er von Anfang an sofort sehr kontaktfreudig und offen, versucht aber wie
vor anderen Therapeuten auch seine Grenzen auszutesten. Er ist leicht, ihn für eine Aufgabe
zu begeistern, hat aber häufig nicht die benötigte Aufmerksamkeitsspanne / Ausdauer. Er
bringt eigene Ideen ein und ist meistens zu Kompromissen bereit. Die Ideen umfassen
einfache, keinesfalls komplexe Spielideen. Kompromisse kann er mit Erwachsenen und einer
Gruppe von Kindern gut, gemeinsam mit einem einzelnen Kind jedoch weniger gut treffen.
Das Einhalten von Regeln ist ihm möglich, jedoch nur wenn diese klar formuliert sind. Dies
steht im Konflikt mit seiner Persönlichkeit, d.h. er vergisst Regeln und Absprachen einfach
wieder, bzw. missachtet diese wenn er sich unbeobachtet fühlt. Anzumerken ist noch, dass er
Regeln nicht aus Boshaftigkeit oder um sich einen Vorteil zu verschafft bricht.
Frustrationstoleranz ist teilweise gegeben. Hier kann es ebenfalls zu beschriebener
Aggressivität kommen, aber mit abnehmender Tendenz im zeitlichen Verlauf des
vergangenen Jahres.
Das Selbstwertgefühl Xs ist bedingt durch die häusliche Situation gering.
21
4. Behandlungsplanung
4.1 Zielsetzung
4.1.1 Zusammenfassung der Stärken und Defizite
Stärken:
 freundlich & kontaktfreudig
 Selbstständigkeit
 lernt schnell dazu
 hilfsbereit
 neugierig
 motiviert
 offen für neue Ideen
 gibt sich selbst benötigte Reize
 geniest propriozeptive & vestibuläre
Defizite:









hypoton
propriozeptive Unterempfindlichkeit
kurze Aufmerksamkeitsspanne
hohe Ablenkbarkeit
Regeln missachten
impulsiv
kann Kraft nicht richtig einsetzten
motorische Unruhe
undeutliche Sprache
Stimulierung
 wesentliche Verbesserung von
Aufmerksamkeit nach prop.
Stimulierung
 Handlungsplanung
 äußert eigene Bedürfnisse
4.1.2 Zielvorstellung des Patienten
X möchte nach eigenen Angaben in der Ergotherapie „Muskeln bekommen“
4.1.3 Rehabilitationsziel
X soll durch die intensive Förderung nach Ablauf des nächsten Schuljahres zum Übertritt in
eine Diagnose Förderklasse befähigt werden. Dort soll er sich in seinem neuen sozialen
Umfeld zurechtfinden, sich nach seinen Möglichkeiten integrieren und ein glückliches,
zufriedenes Kind sein.
4.1.4 Ergotherapeutische Zielsetzung
Grobziel: Regulation des propriozeptiven System
Feinziele:
- X soll einen adäquaten Tonus aufbauen um Bewegungen sicherer
ausführen zu können / um Haltungskontrolle zu verbessern
- X soll durch Druck und Zug an den Gelenken seinen Körper besser
wahrnehmen
- X soll seine Kraft richtig einsetzen
- X soll eine Körperposition länger als 10 Sekunden halten
- X soll sich durch propriozeptive Reize besser spüren und damit seine
Aufmerksamkeitsspanne vergrößern
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damit er später in der Schule aufmerksam sein kann und seine motorische
Unruhe abnimmt, dadurch ergäbe sich auch ein positiver Einfluss auf die
Sprache
Grobziel: Verminderung der Ablenkbarkeit/Verbesserung der Aufmerksamkeit
Feinziele:
- X soll sich nicht von Unwesentlichem Ablenken lassen
- X soll 15 Minuten bei einer Tätigkeit bleiben
- X soll aufgestellte Regeln beachten
damit er später in der Schule dem Unterrichtsstoff folgen kann und nicht in
Konflikt mit anderen kommt
Grobziel: Stärkung der Körpermuskulatur
Feinziele:
- X soll auf der SI-Schaukel/in der Hängematte seine
Nackenmuskulatur trainieren
- X soll seine Kraft einsetzten, z.B. beim Aufbauen
- X soll sich seiner Kraft bewusst werden
damit er seine Fähigkeiten kennen lernt und sie einzusetzen vermag und sein
Selbstwertgefühl verbessert(eigenes Ziel)
4.2 Therapieplanung
4.2.1 Begründete Therapiemethode
Die Behandlung wird von den Vorstellungen der Sensorischen Integrationstherapie nach J.
Ayres geleitet.
Diese unterscheidet drei Basissinnessysteme: -taktiles System
-propriozeptives System
-verstibuläres System
Diese Basissinnessysteme stehen in enger Verbindung miteinander und beeinflussen sich
gegenseitig. Bei der Therapie werden zwei Systeme miteinander verbunden. (z.B.
Hängematte: vestibulär und propriozeptiv) Somit wird nicht nur im problematischen Bereich
therapiert und das Kind erfährt nicht stetig seine eigenen Schwächen. Es erhält so die
Möglichkeit durch spielerische, meist selbst gewählte Tätigkeiten seine Problematik zu
„üben“. Bei einer gewünschten Tätigkeit ist sein Gehirn auch meist in der Lage, die Gefühle,
die mit dieser Tätigkeit verbunden sind, sinnvoll aufzunehmen und einzubauen / zu
integrieren. Der Therapeut kann natürlich Vorschläge anbieten und das Geschehen behutsam
indirekt lenken. Die Therapie soll ihm helfen, beim „Erlernen jeder Geschicklichkeit oder
Verstandesleistung oder jedes situationsgerechten Benehmens, welches es in seinem Leben
braucht, fähiger zu werden“.
(J. Ayres; „Bausteine der Kindlichen Entwicklung“; S.196)
4.2.2 begründete Therapiemittel
Die folgenden Therapiemittel sprechen die eben erwähnten drei Basissinnessysteme an. Dabei
variieren sie in ihrer Intensität und überschneiden sich teilweise in der Wirkungsweise.
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„Am intensivsten kommt eine Integration von Sinneseindrücken zustande, wenn das Kind von
sich aus einen bestimmten Reiz wünscht…(in Form eines bestimmten
Therapiematerials)…und eine Tätigkeit einleitet, durch die es die gewünschte Empfindung
erhalten kann“
(J. Ayres; „Bausteine der Kindlichen Entwicklung“; S.196)
Einige Beispiele von Therapiematerial in der SI mit Wirkungsweisen:
Therapiemittel
SI-Schaukel /
Brettschaukel
/
Hängematte
Matten & Matratzen
Wirkungsweise
vestibuläre Stimulation – variierbar durch Intensität
propriozeptive Stimulation - durch Zug an den Gelenken
Schale (Physioball)
vestibuläre Stimulation – aktiv u. passiv
propriozeptive Stimulation – Bewegen der Schale und Abstützen
propriozeptive Stimulation – Druck und Zug auf Gelenken beim
Transport
taktile Reize – verschiedenen Bezugsmaterialien / Oberflächen
Säckchen aus versch. taktile Stimulation – verschiedene Oberflächenmaterialien, erfühlen
Materialen mit
des Inhaltes
versch. Füllungen
propriozeptive Stimulation – unterschiedliches Gewicht beim tragen
und auflegen auf den Körper
Gymnastikbälle
vestibuläre Stimulation – Abrollen
propriozeptive Stimulation – Abrollen, Druck auf Gelenke beim
Hüpfen auf dem Ball
Kletterwand /
Sprossenwand
Propriozeptive Stimulation – Zug bzw. Druck an Gelenken und
Muskeln
Vestibuläre Stimulation – Überwinden der Höhe
Neben diesen üblichen SI Materialien werden auch andere Materialien mit in die Therapie
einbezogen und ins Spielgeschehen integriert.
4.2.3 Begründete Sozialform
Die Sensorische Integrationstherapie geht sehr individuell auf das Kind ein. Um
professionelles Handeln zu ermöglichen ist die Einzeltherapiesituation angemessen. Nur so
kann der Therapeut seine komplette Aufmerksamkeit dem einen Kind zukommen lassen.
4.3 Bisheriger Therapieverlauf
4.3.1 Erste Therapieeinheit (11.07.06 11:00 – 11:45)
Ziele: -Kontaktaufnahme, Kommunikation, kennen lernen,
-Befundung
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Therapiematerial: Basketball & -korb, versch. große Schaumstoffrollen, Hüpfball,
Sprossenwand, Schale des großen Physioballs (Durchmesser ca. 130 cm), Kissen, Bürste
Ablauf:
X ließ sich bereitwillig in der Gruppe abholen. Er nahm gleich freudigen Kontakt mit mir auf
und war weder schüchtern noch zurückhaltend. Er stürmte gleich in Richtung des
Ergotherapieraums und ich hatte Mühe ihm hinterher zu kommen.
Im Therapieraum angekommen bat ich X seine Sandalen auszuziehen und sich zu mir auf die
Bank zu setzten. Ich stelle mich ihm vor und fragte auch ihn nach seinem Namen und seinem
Wohnort. Beides konnte er mir, wenn auch undeutlich gesprochen nennen.
Bereits am Anfang bemerkte ich die hohe motorische Unruhe Xs. Es war ihm kaum möglich
länger als 30 Sekunden neben mir auf der Bank zu sitzen und mir etwas von sich zu erzählen.
Er lief schnell im Raum umher, sprang von Kisten auf Matten und kletterte an der
Kletterwand.
Ich begab mich folglich auch zur Kletterwand um ihn zu sichern, bat ihn aber nach einem
Sprung aus halber Höhe sich doch noch mal zu mir auf die Matte zu setzten und mir zu
erzählen was er denn gerne spiele wenn er hier bei Frau Beck in der Ergotherapie ist.
X wirkte jetzt etwas ruhiger und erzählte von seiner Vorliebe für Fußball, Basketball und
Klettern. Auf die Frage hin, ob er traurig gewesen sei als Deutschland bei der vergangenen
Weltmeisterschaft verloren hat konnte er mir keine adäquate Antwort geben, sondern erzählt
lückenhaft und schwer zu verstehen das er zusammen mit seinem Papa „immer ganz lange bis
es dunkel war Fußball geschaut hat“
Auf die Frage was wir heute spielen wollen, viel seine Wahl sofort auf den Basketballkorb.
Im nächsten Moment schnappte er sich den Ball und begann ihn durch das Zimmer zu kicken
und immer wieder auf den Korb zu werfen. Ich sah seinem wilden Spiel kurz zu und bat ihn
dann erneut kurz zu mir zu kommen um überhaupt zu verstehen worum es in unserm Spiel
gehen soll und wie die Regeln sein sollen. X erklärte mir, dass ich ihn angreifen solle und er
versuchen würde Körbe zu werfen. Den Regeln fügte ich noch hinzu, dass Basketball auf
keinen Fall mit den Füßen gespielt werden darf. X willigte ein.
Im Folgenden sollte X fürs erste den Platz vor dem Korb von im Weg stehenden
Gegenständen befreien. Dies erledigte er adäquat und ohne nennenswerte Hilfe meinerseits.
Im folgenden Spiel wirkte X konzentriert und bei der Sache, vergaß aber oft die Abmachung
den Ball nicht mit dem Fuß zu treten, dies besserte sich gegen Ende. Auf Nachfrage welche
Regel er nicht vergessen solle konnte er sie wiedergeben.
Ich war erstaunt, wie gut er – bezogen auf seinen zarten Körperbau und seinen schlaffen
Tonus den Ball auf Korbhöhe, einige Male in den Korb und sogar weit darüber werfen
konnte.
Als seine Kraft nach lies hatte X die Idee den Ball in einen Eimer zu werfen. Auf meinen
Vorschlag hin, einen größeren zu verwenden der leichter zu treffen sei (Physioballschale),
ging er nicht ein.
Ich ließ mir im Folgenden erneut von ihm die jetzt geltenden Regeln erklären. Dies konnte er
mir verständlich machen, wenn auch unter Schwierigkeiten. Es sollte nun abwechseln
angegriffen und verteidigt werden, einmal er einmal ich.
Bedingt durch die warme Witterung war es im Raum sehr heiß.
X setzte sich beim Spiel des öfteren auf eine Matte. Auf meine Frage hin ob er eine kleine
Pause möchte sprang er sofort auf und spielte, trotz sichtlicher Erschöpfung und starkem
Schwitzen weiter.
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Etwa 10 Minuten vor Ende der Therapieeinheit fragte ich ihn ob er noch etwas ruhiges,
weniger anstrengendes spielen möchte. Ich begab mich zum Schrank, X folgte mir gleich und
entschied sich für das Magnetlabyrinth.
Auf einer Matte am Boden spielten wir es gemeinsam. Dabei bemerkte ich das X sich nicht
von Anfang an sicher war in welcher Hand er den Stift halten solle, nahm ihn aber dann rechts
und hielt ihn dort sehr gut. Beim Spiel selbst war er Aufmerksam und wenig motorisch
unruhig. Anfangs verlor er die Kugeln wegen seiner schnellen Bewegungen oft, auf meine
Anregung hin es ganz langsam zu versuchen gelang ihm die Steuerung besser. Mit der
Orientierung hatte er nur minimale Probleme, fand das Ziel aber letztendlich immer
vollkommen selbstständig.
Nach Ende der Therapieeinheit brachte ich X zu seiner Gruppe und verabschiedete mich bis
morgen.
Zusammenfassung der Beobachtungen:
-freundlicher und offener Junge
-äußerst motorisch aktiv
-Sprachprobleme schränken ihn in seiner Kommunikation ein
-kleiner / zierlicher Körperbau
-kann seine Wünsche äußern
-hat gute Spielideen, kann diese aber schwer mitteilen
-kann keinen Blickkontakt halten
-nach propriozeptiven Reizen wurde er ruhiger und auch aufmerksamer
-erzählt wenig von seiner Familie
-Handlungsplanung gut
-körperliche Ausdauer gut
4.3.2 Zweite Therapieeinheit (12.07.06 11:00 – 11:45)
Ziele: -X soll Tonus aufbauen
-X soll seinen Kopf beim „Fischen“ oben halten
-X soll durch schaukeln & drehen propriozeptive und vestibuläre Reize erfahren
-Befundung
-X soll ausdauernd bei einer Tätigkeit bleiben
-X soll nicht vom Rollbrett fallen
-X soll bei einer ruhigen Tätigkeit(Oceandrum) motorisch ruhig Sitzen
-X soll bei einer ruhigen Tätigkeit eine adäquate Krafdossierung ausweisen
-X soll Spaß an der Therapie haben und positives Feedback bekommen
Therapiematerial: Ayres Tuch (Hängematte), Matten, Rollbrett, Seil, verschieden Säckchen
und Fische, Oceandrum
Ablauf:
Als ich um 11:00 wie vereinbart kam um X in der Gruppe abzuholen wartete er schon auf
mich, obwohl die anderen Kinder im Garten zum Spielen waren. Er begrüßte mich freudig
und wollte wie gestern gleich in Richtung Ergotherapie losrennen. Ich rief ihm hinterher, das
ich erst eine andere Idee hätte und ob er denn wisse was surfen ist.
X bremste ab und schien sofort interessiert. Ich verwies auf das Rollbrett und das
mitgebrachte Seil und bedeutete ihm sich auf das Rollbrett zu knien oder setzen, im gleichen
Zug erklärte ich X das es verboten sein sich mit den Füßen auf ein Rollbrett zu stellen. Er
willigte ein, brach diese Regel jedoch im Verlauf mehrmals.
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Im Folgenden drehten wir einige Runden durch die große Pausenhalle der Schule. Dabei
konnte ich gut die Kokontraktion, den Haltetonus im Sitzen und die Kopfkontrolle
beobachten. X konnte sich auf dem Rollbrett halten, aber bei größeren Beschleunigungen und
nach einiger Zeit stürzte er einige Male ins „Wasser“. Auffällig dabei war seine Aussage
„Nichts passiert“, die immer sofort nach jedem Sturz kam.
Am „Froschfenster“ fragte ich X ob er wisse welches Geräusch der Frosch machen würde,
worauf er mir erst keine Antwort geben konnte, wohl aber auf Geräusche die er nicht von sich
geben würde. Auch während dem „Surfen“ verbalisierte ich mit ihm häufig seine Tätigkeiten
durch Nachfragen und Rückfragen. („Sitzt du gut? Wie war die wichtige Regel für das
Surfbrett?“)
Im Therapieraum hatte ich im Vorfeld bereits die Hängematte aufgehängt. Als wir den Raum
betraten stürzte sich X sofort auf selbige. Ich bat ihn mir zu helfen und noch 3 Matten unter
die Hängematte zu legen. Beim Matten ziehen bat er mich um Hilfe, hat jedoch einen grossteil
der aufgewendeten Kraft selbst vollbracht. Das Zählen der Matten bereitete ihn aufgrund
seiner mangelnden Aufmerksamkeit und der „Attraktivität“ der Hängematte Probleme, gelang
ihm jedoch als ich ihn zurückholte und ihm dadurch Begrenzung zur besseren Konzentration
gab.
Im Folgenden setzte sich X in die Matte wie auf eine Schaukel, fand aber auch dann selbst
schnell eine stabilere und bequemere Sitzposition. (Breitbeinig durch die Matte, eine hohe
Seite als Rückenlehne, Füße weiterhin außen) Als ich seine gute Idee bemerkte freute sich X
und begann mit schwungvollem Schaukeln und leichten Drehungen. Im Verlauf der Stunde
vollführte er einige Male extrem schnelle und auffällige Drehbewegungen. Auf die Nachfrage
ob ihm nicht schwindlig werde meinte er nur, „mir wird es nie schwindlig“.
Beim Schaukeln fasste ich X immer wieder an den Fesseln (tiefer Zug auf die Gelenke) um
ihn zu beschleunigen oder zu bremsen. Dabei entwickelte sich ein lockeres Gespräch, in dem
X zunehmend deutlich und langsam sprach. Er erzähle von Freunden und Haustieren und
einem Besuch im Tierpark.
Nach einiger Zeit verteilte ich verschiedene Säckchen und Fische auf der blauen Matten unter
ihm („im See“). X versuchte sie aus deiner Sitzposition heraus zu erreichen viel dabei jedoch
aus der Hängematte. Meinen Vorschlag es in Bauchlage zu versuchen akzeptierte er.
Anfänglich hatte ich bedenken, das X seinen Kopf aufgrund des schwachen Tonus halten
könnte. Zu beginn erschien es mir schwer, im Verlauf besser und gegen Ende wieder
schwerer.
X begann die Fische aufzusammeln und hinter sich in sein Boot zu werfen bzw. gab er die
schweren mir, damit ich diese auf seinen Rücken, bzw. die Beine legte. Also das Boot voll
war ging leider auch die Zeit dem Ende zu. Ich bat X auszusteigen und lenkte seine
Aufmerksamkeit auf die Oceandrum. Das Geräusch konnte er schnell und sicher dem Meer
zuordnen. Es war ihm dabei möglich die Trommel langsam und adäquat zu bewegen, auch er
selbst wirkte äußerst konzentriert. Leises, fast nicht hörbares trommeln konnte er im
Anschluss ebenso ausführen.
Bei den folgenden Aufräumarbeiten stieß sich X den Ellenbogen, weshalb ich ihm diesen
etwas mit dem Coolpack kühlte. Er konnte Kältereize auf den anderen Körperregionen meist
zuordnen, jedoch bereitete es ihm große Probleme sich an die „Regel“ zu halten, nicht zu
schauen, sondern zu fühlen.
Anzumerken ist, dass es witterungsbedingt sehr warm im Raum war und X trotz zunehmender
Erschöpfung sehr bemüht war.
Für den Weg zurück zur Gruppe holte er sich einen Hüpfball oben aus der Sprossenwand.
Dabei bereitete es ihm keine Probleme diese zu erklimmen, bzw. rückwärtig ohne visuelle
Kontrolle wieder zu verlassen.
An der Tür verabschiedeten wir, dabei fragte X ob ich ihn morgen wieder abholen würde.
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Zusammenfassung der Beobachtungen:
-offen für neue Ideen
-testet Grenzen aus / kann Regeln schwer einhalten (auf Rollbrett stellen)
-klettern (vor-/rückwärts) bereitet ihm keine Probleme
-nach „Unfällen“ äußert er sofort „nix passiert“
-kann verbale Anweisungen umsetzten
-anfänglich mangelnde Kopfkontrolle und schwacher Tonus, kompensiert dies durch
aufstützen
-propriozeptive Reize stärken seinen Tonus und seine Aufmerksamkeit
-X kann nach erfolgter starker prop. Reizung ruhige Tätigkeiten ausführen und besser
kommunizieren
-holt sich bei Bedarf Hilfe
4.3.3 Dritte Therapieeinheit (13.07.06 11:00 – 11:45)
Ziele: -X soll Tonus aufbauen
-Befundung
-X soll sich beim trikefahren an Regeln halten (bremsen)
-X soll ausdauernd bei einer Tätigkeit bleiben
-X soll starke propriozeptive und vestibuläre Reize durch das Tuch erfahren
-X soll taktile Reize zulassen
-X soll taktile Reize zuordnen
-X soll das Hörmemory lösen ohne aufzustehen
-X soll Spaß an der Therapie haben und positives Feedback bekommen
Therapiematerial: Trike, Trampolin, großes Segeltuch, Physiobälle, Hörmemory, Bürste
Ablauf:
Wie schon die Tage zuvor holte ich X um 11:00 in seiner Gruppe ab. Als Fahrzeug hatte ich
diesmal das Kindertrike mitgebracht, da sich X dies gestern gewünscht hatte. Auf der
folgenden Fahrt durch die Aula hielt sich X gut an die Regel zu bremsen sobald Fußgänger
auftauchen. Durch seine schnellen Bewegungen rutschte er beim Fahren öfters vom Pedal ab.
Während der Fahrt fiel auf, das X mehrmals absichtlich gegen eine Wand fuhr, um sich selbst
tiefensensible Reize zu geben um sich folglich besser zu spüren.
Im Therapieraum hatte ich bereits das Trampolin aufgestellt. Nachdem X seine Schuhe
ausgezogen hatte begann er sofort zu springen. Ich gesellte mich zu ihm und sprang etwas mit
ihm, dabei fragte ich ihn was er heute machen möchte. Er meinte er möchte am liebsten
wieder in der Hängematte schaukeln („wie gestern“).
Da wir die Hängematte aber nicht im Schrank finden konnten lenkte ich seine
Aufmerksamkeit auf das große weiße Segeltuch und fragte ihn ob er dieses ausprobieren
möchte. X willigte ein und breitete das Tuch zusammen mit mir aus.
Ich erklärte ihm, dass das Tuch in die schwarzen Deckenhacken eingehängt werden muss. X
wollte daraufhin einen Stuhl holen, stellte aber schnell fest, dass dessen Höhe nicht ausreicht,
um den Haken zu erreichen und suchte daraufhin die Leiter. Leider war auch diese Höhe nicht
ausreichend, also hob ich X noch etwas nach oben um ihn weiter aktiv mit in den
Aufbauprozess einzubeziehen. Dabei konnte er sich gut fest machen, d.h. ist beim Hochheben
nicht weggekippt.
Als das Tuch fertig aufgehängt war kletterte X hinein und warf sich heftig im Tuch hin und
her. Er schlug Purzelbäume und rollte sich von einer auf die andere Seite.
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Um sein Interesse hoch zu halten und ihm weiter starke propriozeptive Reize zu setzten
begann ich nach einiger Zeit das Tuch zusätzlich zu schütteln („Unwetter“) und es auf eine
Seite zu drücken („Welle“). X genoss das Spiel sichtlich, da er sich in hohem Maße selber
spüren konnte. Als weitere Variationen warf ich im Anschluss noch 2 verschieden große
Physiobälle mit in das Tuch, die X versuchen sollte wieder nach außen zu werfen oder
schieben. Beides gelang ihm, jedoch sagte ihm wie erwartet das „Unwetter“ am meisten zu.
Gegen Ende der Stunde war es schwer X dazu zu bewegen das Tuch zu verlassen und auf der
nebst liegenden Matte noch eine kurze Ruhepause und eine ruhige Tätigkeit auszuüben. Mit
dem Kompromiss zu einem finalen „Unwetter“ am Ende gelang es dann mit X noch das
geplante Hörmemory zu spielen und ihn noch mittels einer Bürste taktil zu befunden. Das
Memory führte er schnell aus, konnte sich aber kaum an die Regel halten, die Filmdöschen
nach dem Erkennen der Paare nicht zu öffnen. Ich führe dies auf die Neugierde Xs zurück,
weil er z.B. die Döschen mit Wasser nicht öffnete und generell erst nachsah, nachdem er es
bereits richtig herausgefunden hatte. Das Bürsten verlief ohne Befund, es gelang X sich still
auf die Matte zu Legen und die Körperteile soweit er diese namentlich kannte auch zu
benennen.
Zum Abschluss war X sehr schnell zurück im Tuch und „genoss das Unwetter“.
Im Anschluss brachte ich X zurück in seiner Gruppe, ermeinte jetzt großen Hunger zu haben
und wirkte fast etwas erschöpft, d.h. ging für seine Verhältnisse langsam zurück zur Gruppe.
Zusammenfassung der Beobachtungen:
-gibt sich durch Unfälle mit dem Trike selbst starke Reize
-ist neugierig
-Hand gute Handlungsplanung (Leiter)
-geniest starke propriozeptive Reize beim „Unwetter“
-kann seine Körperteile bei Bürsten benennen
-Memory führt er sehr schnell aus
-nach intensiver Reizung (selbst Spüren) geht er in normalem Tempo zurück
4.3.4 Vierte Therapieeinheit – Geplant (14.07.06 10:00 – 10:45)
Ziele: -X soll Tonus aufbauen um die nötige Stellungssicherheit zu erhalten
-X soll ausdauernd bei einer Tätigkeit bleiben
-X soll nicht vom Rollbrett fallen
-X soll seine Koordination trainieren (Angel)
-X soll beim Schaukeln auf der SI Schaukel vestibuläre und propriozeptive Reize
erfahren
-X soll Spaß an der Therapie haben und positives Feedback bekommen
Therapiematerial: SI-Schaukel, Matten, verschiedene Fische/Säckchen, Magnetangel, Wanne
(Aquarium), Rollbrett, Seil
Ablauf:
Da X am Folgetag des ersten Fischens bereits erneut danach fragte entschied ich mich für die
Planung einer ähnlichen Stunde, aber unter erschwerten Bedingungen. Die Hängematte wird
durch die SI-Schaukel ersetzt und Fische sollen nicht mit der Hand sondern der Angel
aufgehoben werden. Um dabei nicht ins „Wasser“ zu fallen benötigt X eine gewisse
Stellungssicherheit.
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Um den benötigten Grundtonus aufzubauen hole ich X wieder mit dem Surfbrett ab. Ich
erkläre ihm, dass es wichtig sei nicht zu stürzen und lasse mir dies auch noch mal von ihm
bestätigen.
Um sein Interesse in Richtung der SI-Schaukel und auf das Angelspiel aus einer vergangenen
Therapiestunde zu lenken werde ich diese bereits vor beginn der Therapie aufhängen.
Begeistert er sich dafür bitte ich ihn noch vier blaue Matten darunter zu verteilen.
Nach einigen Minuten schaukeln werde ich ihm die Angel geben und einige Fische im Wasser
(Matten) unter ihm verteilen die er nach dem Angeln in die aufgestellte Wanne (Aquarium)
werfen soll.
Sind alle Fische geangelt, werde ich ihm eine kurze Geschichte vom Seeungeheuer erzählen
und deshalb versuchen ihn von seinem Bot zu werfen. Er soll sich also gut festhalten um nicht
über Bord zu gehen. Zwischen den einzelnen ngeheuerattacken werde ich ihn über „sanfte
Wellen“ gleiten lassen, sodass er auch kurze Phasen der Ruhe hat.
Durch das Festhalten erfährt er starken Zug auf die Gelenke und dadurch propriozeptivedurch die Beschleunigung der Schaukel verstibuläre Reize.
Dieses Spiel werde ich bis zum Ende der Therapieeinheit fortführen.
Ca. 10 Minuten vor Ende werde ich X auf die Zeit hinweisen und ihn fragen, ob er noch
einige Ungeheuerattacken überstehen kann oder lieber sein Boot und sich mit Säcken beladen
möchte.
Egal wie seine Wahl ausfällt werde ich ihn die letzten beiden Minuten ruhig schaukeln und
ihm ein positives Feedback aufgrund seines bestandenen „Abenteuers“ zu verschaffen.
Danach werde ich ihn zurück in seine Gruppe begleiten.
4.4 Planung der exemplarischen Therapieeinheit
4.4.1 Zielsetzung





X soll durch den Absprung/Pizzabacken propriozeptive Reize erfahren um seinen
Körper dadurch besser zu spüren und um Aufmerksamkeit zu verbessern
X soll durch die Beschleunigung (Seilbahn&Rollbrett) verstibuläre Reize erfahren
um seine motorische Unruhe positiv zu beeinflussen und die Aufmerksamkeit zu
verbessern
X soll Körpertonus aufbauen um sich an der Seilbahn zu halten und den Turm
umzustoßen
X soll X soll Körpertonus aufbauen um nicht vom Rollbrett zu fallen
X soll Spaß an der Therapiestunde haben
4.4.2 Begründete Therapiemethode
Die Behandlung wird von den Vorstellungen der Sensorischen Integrationstherapie nach J.
Ayres geleitet.
Diese unterscheidet drei Basissinnessysteme: -taktiles System
-propriozeptives System
-verstibuläres System
Diese Basissinnessysteme stehen in enger Verbindung miteinander und beeinflussen sich
gegenseitig. Bei der Therapie werden zwei Systeme miteinander verbunden. (z.B.
Hängematte: vestibulär und propriozeptiv) Somit wird nicht nur im problematischen Bereich
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therapiert und das Kind erfährt nicht stetig seine eigenen Schwächen. Es erhält so die
Möglichkeit durch spielerische, meist selbst gewählte Tätigkeiten seine Problematik zu
„üben“. Bei einer gewünschten Tätigkeit ist sein Gehirn auch meist in der Lage, die Gefühle,
die mit dieser Tätigkeit verbunden sind, sinnvoll aufzunehmen und einzubauen und zu
integrieren. Der Therapeut kann natürlich Vorschläge anbieten und das geschehen behutsam
indirekt lenken. Die Therapie soll „ihm helfen, zum Erlernen jeder Geschicklichkeit oder
Verstandesleistung oder jedes situationsgerechten Benehmens, welches es in seinem Leben
braucht, fähiger zu werden“.
(J. Ayres; „Bausteine der Kindlichen Entwicklung“; S.196)
4.4.3 Begründete Therapiemittel
Da es üblich ist, das sich die Kinder das Material für ihre Stunde selbst aussuchen kann ich
lediglich versuchen das Interessen von X in eine bestimmte Richtung zu lenken. Die
letztendliche Wahl hängt von ihm ab, jedoch ist es leicht X für eine Idee zu begeistern.
Da im Vorfeld zur Therapie X wahrscheinlich noch nicht im Garten war und sich
entsprechend Stimulieren konnte, möchte ich ihn um einen gewissen Grundtonus aufzubauen
und um seine Aufmerksamkeit zu steigern mit der Surfbrett (Rollbrett) abholen.
Im späteren Verlaufen kommen dann hinzu:
 Seilbahn – vestibuläre / propriozeptive Stimulation
 Weichbodenmatten – Tonusaufbau und Kraft Training beim Aufbau, propriozeptive
Reize beim Landen auf der Matte
 Schaumstoffrollen – propriozeptive Stimulation
 evtl. Tunnel mit Kissen – propriozeptive Stimulation
 evtl. Säckchen – propriozeptive Stimulation durch Druck und Zug an den Gelenken
 evtl. Ballbad – propriozeptive Stimulation durch Druck des Eigengewichts auf
weniger Fläche (Ballkontaktflächen)
4.4.4 Begründete Sozialform
Die Sensorische Integrationstherapie geht sehr individuell auf das Kind ein. Um
professionelles Handeln zu ermöglichen ist die Einzeltherapiesituation angemessen. Nur so
kann der Therapeut seine komplette Aufmerksamkeit dem einen Kind zukommen lassen.
X befindet sich den ganzen Tag in der Rolle eines Gruppenmitglieds, sei es in der Familie
oder in der SVE-Gruppe. Wie bereits erwähnt benötigt X ein hohes Maß an Zuwendung und
diese erfährt er am besten in der Situation der Einzeltherapie.
4.4.5 Behandlungsdurchführung
Vorbereitung des Raums:
-Seilbahngriff an die Rolle hängen
-große Weichbodenmatte mittig in den Raum legen
-schiefe Ebene für Seilbahnanlauf an Sprossenwand anbringen
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Einführungsphase: (ca. 5 -10 Minuten)
Ich werde X mit dem Surfbrett / Rollbrett und Seil in seiner Gruppe abholen, eine kleine
Runde in der Aula und dann zum Therapieraum fahren. So entsteht für ihn eine aus den
letzten Tagen gewohnte Situation.
Diese Aktivität bereitet ihm Spaß und dient zusätzlich dem Tonusaufbau (Zug an den
Gelenken) und schult seine Stellungssicherheit. Ich kann mir so bereits vor der eigentlichen
Therapie ein Bild vom heutigen Verfassungszustand Xs machen.
Unterwegs werde ich X erzählen, das wir heute eine Zuschauerin haben werden, wir aber
trotzdem wie immer miteinander spielen werden. („Die hat keine Ahnung und will mal
zuschauen“)
Im Zimmer begrüßen wir Frau Stenzel und Frau Beck und setzten uns auf die Matte. Ich
hoffe, dass X durch die Anwesenheit mehrerer und einer zusätzlich fremden Person nicht zu
stark abgelenkt wird.
Ich werde ihn bitte seine Schuhe und soweit vorhanden seine Strümpfe auszuziehen.
Aktionsphase: (ca. 30 Minuten)
Falls X nicht sofort die ansatzweise aufgebaute Seilbahn „ansteuert“ frage ich ihn ob er eine
Idee für heute hat, versuche aber seine Aufmerksamkeit (z.B. durch die Sitzposition auf der
Matte) etwas in Richtung der Seilbahn zu bewegen. Sein Interesse versuche ich mit der Idee
zu wecken Fallschirm zu springen. Er muss dabei ein bestimmtes Zielgebiet genau treffen
(Matte).
Hat er den Entschluss gefasst frage ich ihn was seiner Meinung nach noch fehlt um die
Seilbahn zu benutzen ohne sich dabei zu verletzten. Falls nötig gebe ich hierbei Hilfestellung.
Im Folgenden soll X die Matte auf der wir sitzen an das Ende der Seilbahn schieben. Dazu
sollen noch die kleine Weichbodenmatte um einen Aufprall an der Wand zu verhindern und
der grüne Kuschelsack als Trefferziel.
Den Weg bis zum Zielgebiet und neben der schiefen Eben soll er noch mit weiteren Matten
auspolstern. Ich werde ihm dabei Helfen, falls er nach meine Hilfe fragt dabei aber nur
Hilfestellung geben um ihm nicht die wertvollen Reize zu entziehen die er schon beim
Aufbau erfährt.
Ist alles fertig aufgebaut, soll X einige Male mit der Seilbahn fahren und sich am Ende in den
grünen Sack fallen lassen.
Reicht ihm dabei seine eigene Anschubgeschwindigkeit nicht aus werde ich ihn etwas
anschieben.
Nach einigen Fahrten frage ich ihn, ob er es schafft auf dem „Flug zum Zielgebiet“ noch
einen Turm umzuwerfen.
Diesen baue ich im Anschluss mit ihm zusammen aus den beiden Schaumstoffrollen auf.
Dieses Spiel führe ich bis zum Ende der Therapieeinheit mit ihm fort.
Diese Planung stellt nur das Grundgerüst dar, mögliche Abänderungen, Erweiterungen und
Variation werden im nächsten Gliederungspunkt beschrieben.
Während der ganzen Stunde werde ich nahe an X arbeiten um ihn die benötigte menschliche
Zuwendung zu geben und um seine Aufmerksamkeit bei der eben vollführten Tätigkeiten zu
halten.
Schlussphase: (ca. 5 -10 Minuten)
Ca. 10 Minuten vor Ende werde ich X auf die Zeit hinweisen und ihn fragen, ob er als
wagemutiger Fallschirmspringer nicht Hunger auf eine Pizza hätte. In diesem Zug frage ich
ihn ob er das spiel Pizzabacken kennt.
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Ich bitte ihn sich flach auf die Matte zu legen und frage ihn was er gerne auf einer Pizza mag.
Für jeden Belag werde ich ihm verschiedenen tief massieren. Am Ende backe ich ihn/die
Pizza zwischen 2 Matten.
Beim Belegen werde ich ihm bereits positives Feedback aufgrund seines bestandenen
„Abenteuers“ geben.
Danach werde ich ihn zurück in seine Gruppe begleiten.
Den Therapieraum werde ich im Anschluss selbst aufräumen.
4.4.6 Alternative Planung / Variationen





falls es die Situation erlaubt bzw. erfordert werde ich zusammen mit X nach der
Landung noch den Tunnel anschließen und das Spiel somit zu einem Parcours
ausweiten
o möglich währe es noch, den Tunnel zur zusätzlichen propriozeptiven
Stimulation mit Kissen zu füllen durch die sich X „durchboxen“ muss
o denkbar währe auch, X den Auftrag geben nach dem Absprung Schätze (in
Form von schweren Säckchen bergen zu lassen und diese zurück zum Anfang
in eine Wanne zu schleppen/transportieren)
 diese könnten alternativ auch mit dem Rollbrett befördert werden
 Schätze könnten auch im Ballbad versteckt sein
falls die Seilbahn im Verlauf kaputt gehen sollte oder es X sehr schlecht gelingt sich
mit ihr adäquat Fortzubewegen(auch mit Hilfestellung) ersetze ich die Strecke durch 1
Weichbodenmatte vor der Sprossenwand ein Trampolin und einem Seil zum
„Tarzanschwingen“ auf die Zielmatte an der Wand. Der fallschiwmspringer wird
folglich auf Dschungelkämpfer abgeändert
falls X sich eine andere Tätigkeit aussucht werde ich mich darauf einstellen, meine
Ziele aber im Auge behalten und versuchen sie anhand dieser Tätigkeit zu erfüllen
falls X durch die Anwesenheit von Frau Stenzel gehemmt oder stark abgelenkt ist,
werde ich versuchen ihm Sicherheit und Geborgenheit zu geben und ihn trotzdem für
ein Spiel zu gewinnen
falls X am Sichtstundendtermin krank ist, werde ich meine Stunde mit einem anderen
Kind durchführen. Dabei werde ich denselben geplanten Ablauf im Auge behalten,
mich aber auf die Ziele des „Ersatzkindes“ einstellen und dementsprechend die
Aufgabenstellung ändern.
4.4.7 Arbeitsplatzbeschreibung
In der Schulvorbereitenden Einrichtung werden ca. 100 Kinder im Alter von 3 bis 8 Jahren
betreut und gefördert, die Sprachauffälligkeiten, Entwicklungsverzögerungen, Milieuschäden,
Verhaltensauffälligkeiten, Wahrnehmungsstörungen und Behinderungen jeglicher Art
aufweisen. Hier werden die Kinder je nach Entwicklungsstand auf die spätere Schule
vorbereitet (Schule für geistige Behinderung, Diagnose Förderklasse, Regelschule)
Die Behandlung richtet sich sehr individuell nach dem Kind, da der Entwicklungsstand, bzw.
die körperliche, kognitive und soziale Verfassung des Kindes es oft nicht ermöglichen sich
strikt an ein bestimmtes Behandlungskonzept oder gar eine exakte Planung zu halten.
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Durch die offen gestaltete Therapie in der das Kind nach seinen Wünschen und Stärken
handelt ist es Aufgabe des Therapeuten, die Therapieziele in das Handeln des Kindes zu
integrieren, es somit zu fördern und zu unterstützen.
Der Therapieraum ist geräumig mit einer Größe von ca. 50m ². Eine durchgehende Glasfront
an einer Längsseite sorgt für ausreichende Beleuchtung mit Tageslicht. Bei Sonneschein hat
diese sonst sehr schöne Glasfront den Nachteil unheimlicher Wärmeleitung ins Innere des
Zimmers, welches sich dann sehr stark aufheizt.
Im Falle von Dunkelheit bzw. schlechtem Wetter steht ausreichende Beleuchtung zur
Verfügung.
Entlang der kompletten Fensterfront befindet sich eine Bank unter der sich die Heizung
befindet. An der Wand gegenüber und an der anschließenden linken Wand befindet sich eine
professionelle Kletterwand, vor der meist die Trampoline und große Weichbodenmatten
stehen. Rechts der Bank befinden sich Schreibtisch und Sprossenwand.
Direkt neben der Tür befindet sich ein großer Schrank mit Therapiematerialien und Spielen.
Desweiteren befinden sich im Raum, jedoch mit ständig wechselnden Positionen:
 2 Schalen mit Physiobällen
 2 kleine Trampoline
 große Ballkiste (auf Rollen)
 Pertrakasten
 4 Tonnen mit Säckchen
 Roller
 Große Kugelbahn
Das hölzerne Spitzdach des Raumes wird von mehreren Balken durchzogen, an denen sich
diverse Aufhängevorichtungen befinden.
Der Sitzplatz von Frau Stenzel und Frau Beck ist nicht vordefiniert, sollte aber soweit
möglich auf der Bank am Fenster und nicht zu zentral sein, um für X nicht übermäsig wichtig
und präsent zu wirken.
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5. Anhang
5.1 Quellen:
1. Gespräch mit der Ergotherapeutin
2. Gespräch mit der Logopädin
3. Gespräch mit der Physiotherapeutin
4. Gespräch mit der Erzieherin
5. Eigne Notizen aus Behandlungseinheiten
6. Hausakte
5.2 Literaturverzeichnis:
1. Pschyrembel, klinisches Wörterbuch; 259. Auflage; Berlin: de Gruyter, 2002
2. Ayres, Jean; „Bausteine der kindlichen Entwicklung“; 2. Auflage; Berlin: Springer; 1992
3. Scheepers, Clara u.a.; „Vom Behandeln zum Handeln“; 2. Auflage; Stuttgart: Thieme;
2000
4. S.Pauli / A.Kirsch; „Was ist los mit meinem Kind“; 1. Auflage; Freiburg: Ravensburger;
1992
5. Spallek, Roswitha; „Gesunde Sinne für starke Kinder“; 1. Auflage; Düsseldorf: Walter;
2004
6. Unterrichtsmaterialien Fach Neurophysiologie – Curt K.H. Neumeier
7. DVE; „Indikationskatalog Ambulante Ergotherapie“; 1. Auflage; Idstein: SchulzKirchner; 2001
Verfassererklärung:
Hiermit erkläre ich, den Bericht eigenständig und ohne fremde Hilfe angefertigt zu haben und
nur die angegebene Literatur und Quellen verwendet zu haben.
Fürth, den 14.07.2006
Stefan Volmer
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