Gliederung 1. Kurzprofil des Patienten……………………………………...S.4 2. Relevante Krankheitsbilder……………………………..……S.4 2.1 Krankheitsbilder…………............................................…..S.4 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.2 Sprachentwicklungsstörung Entwicklungsverzögerung / -retardierung Aggressive Verhaltensstörung Störung der sensorischen Integration Ergotherapeutische Maßnahmen…………….……..……S.11 3. Falldarstellung……………………………………………….S.12 3.1 Angaben zur Person der Patientin……………………….S.12 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.1.5 3.1.6 3.2 Anamnese………………………………………………..S.14 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.3 Persönliche Daten Daten zur Aufnahme Therapierelevante Diagnosen Medikation Besonderheiten Bisheriger Therapieverlauf Medizinische Anamnese Sozialanamnese Arbeitsanamnese Suchtanamnese juristische Anamnese Befunderhebung…………………………………………S.17 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5 3.3.6 3.3.7 3.3.8 Ersteindruck Grobmotorik Feinmotorik / Koordination / Seitendominanz Tonus Sensibilität ADL / Selbstständigkeit Kognitive Leistungen Sozioemotionaler Bereich 4. Behandlungsplanung………………………………………...S.22 4.1 Zielsetzung………………………………………………S.22 4.1.1 4.1.2 Zusammenfassung der Stärken und Defizite Zielvorstellungen des Patienten 2 4.1.3 4.1.4 4.2 Therapieplanung……………………………………...….S.23 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.3 Begründete Therapiemethode Begründete Therapiemittel Begründete Sozialform Bisheriger Therapieverlauf………………………………S.24 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.4 Rehabilitationsziel Ergotherapeutische Zielsetzung Erste Behandlungseinheit Zweite Behandlungseinheit Dritte Behandlungseinheit Vierte Behandlungseinheit Planung der exemplarischen Therapieeinheit………..….S.30 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4 4.4.5 4.4.6 4.4.7 Zielsetzung Begründete Therapiemethode Begründete Therapiemittel Begründete Sozialform Behandlungsdurchführung Alternative Planung / Variationen Arbeitsplatzbeschreibung 5. Anhang………………………………………………………..S.35 5.1 Quellen 5.2 Literaturverzeichnis 3 1. Kurzprofil des Patienten Name: Alter: Ärztliche Diagnose: X 5,9 Jahre Sprachentwicklungsstörung, Entwicklungsretardierung, aggressive Verhaltensstörung Ergotherapeutischer Befund: Sensorische Integrationsstörung im propriozeptiven(v.a. Tonus) und vestibulären Bereich mit Auswirkungen auf die Aufmerksamkeit und Feinmotorik 2. Relevante Krankheitsbilder 2.1 Krankheitsbilder 2.1.1 Sprachentwicklungsstörung Definition: Von einer Sprachentwicklungsstörung spricht man, wenn sich ein Kind im Vergleich zu seiner Altersgruppe in seinem Spracherwerb und seinem Sprachverständnis zu spät, zu langsam oder unvollständig entwickelt. Sie gehen oft einher mit Störungen der Wahrnehmung oder der Konzentration und einer Verzögerung der allgemeinen Entwicklung. „Beeinträchtigung der normalen Sprachentwicklung, die als Rückstand gegenüber der Altersnorm oder als strukturell inhaltliche Störung aufgefasst wird und sich z.B. als Dyslalie, Dysgrammatismus, Sprachstörung, Sprachverständnis und durch Wortschatzdefizite manifestieren kann“ (Pschyrembel S.1573). 2.1.2 Entwicklungsverzögerung / -retardierung Definition: Jedes Kind braucht unterschiedlich viel Zeit, um die einzelnen Entwicklungsstufen zu durchlaufen (Pauli / Kisch; „Was ist los mit meinem Kind?“; S. 9, 26). Bei einer Entwicklungsverzögerung handelt es sich um ein unverhältnismäßig langes Verweilen auf solch einer Entwicklungsstufe. "Im engeren Sinne ist es die Verzögerung der körperlichen (z.B. Fein- und Grobmotorik) bzw. intellektuellen Entwicklung (sog. Retardation / Reifungsverzögerung) im Vergleich zum jeweiligen Lebensalter" (Pschyrembel S.1441). 2.1.3 Aggressive Verhaltensstörung Definition: „Bezeichnung für eine auffällige, von Normen, Erwartungen und Maßstäben abweichende Handlungsweise, die in ihrem Entstehungszustand meist als psychische Reaktion auf schwierige Situationen und Konflikte oder als Notsignal interpretiert werden kann. (…) Ursache meist multifaktoriell, z.B. infolge von psychozouialen Milieuschäden“ (Pschyrembel S.1756). 4 2.1.4 Störung der sensorischen Integration Definition: "Das Gehirn ist nicht in der Lage, den Zustrom sensorischer Impulse in einer Weise zu verarbeiten und zu ordnen, die dem betreffenden Individuum eine gute und genaue Information über sich selbst und seine Umwelt ermöglicht. Wenn das Gehirn Sinneseindrücke nicht richtig verarbeiten kann, ist es auch nicht in der Lage, sinnvolle Verhaltensweisen zu bestimmen." Die Folge ist, dass sich das betreffende Individuum "unzufrieden mit sich selbst" fühlt und nicht "gut genug mit alltäglichen Anforderungen oder Stresssituationen fertig wird" (Jean Ayres, „Bausteine der kindlichen Entwicklung“; S. 71) Reagiert eine Person besonders stark oder nur sehr schwach auf einen Reiz, oder erfolgt die Reaktion stark schwankend, handelt es sich um eine Modulationsstörung. Die Sinnessysteme Bei den Sinnessystemen unterscheidet man zwischen: Nahsinne und Fernsinne Die Nahsinne Durch sie erfährt der Mensch sich selbst, seine Stellung im Raum und sein Empfinden durch den direkten Kontakt des Körpers mit der Reizquelle. Hierzu gehören das taktile, das vestibuläre und das propriozeptive System. Das taktile System (Tastsinn) Das taktile System ist das größte Sinnesorgan unseres Körpers. Es umfasst den Körper mit seiner gesamten Hautoberfläche. Tastsinnesorgane unterhalb des Halses senden elektrische Impulse an das Rückenmark. Von dort aus ziehen sie in afferenten Bahnen zum Hirnstamm. Tastsinnesrezeptoren in der Haut des Kopfes senden durch Nerven ihre Impulse direkt zum Hirnstamm. Von dort aus wird die Tastinformation über das gesamte Gehirn verteilt. Die Kerne im Hirnstamm verarbeiten taktile Reize, informieren über Berührungen an der Haut und differenzieren die Wahrnehmung in kalt, heiß, schmerzhaft, spitz, etc. Das taktile System ist das erste sensorische Sinnessystem, dass sich im Mutterleib entwickelt und schon dort voll funktionsfähig ist. (Schulunterlagen - Neumeier; Pauli/Kisch, „Was ist los mit meinem Kind“; S. 70) Das taktile System wird unterteilt in ein protopatisches System und ein epikritisches System. - Das protopatische System: Dieses übernimmt eine Schutzfunktion. Berührungen können nicht eindeutig lokalisiert werden. Sie werden eher diffus wahrgenommen und lösen Schutzreaktionen wie Flucht, Abwehr, Vermeidung oder Angriff aus. - Das epikritische System: Dieses System beurteilt, unterscheidet und differenziert taktile Reize. Es steht eng in Verbindung mit dem propriozeptiven System. Das epikritische System erlaubt eine genaue Vorstellung und Lokalisierung von Berührungen, von der Beschaffenheit von Oberflächen, Formen und dem eigenen Körper, dem so genannten Körperschema. Das vestibuläre System (Gleichgewichtssinn) Das vestibuläre System ist das älteste und zugleich alle Sinne verbindende System. Das Gleichgewichtsorgan befindet sich im Innenohr. Es gibt Auskunft über die Schwerkraft und das Gleichgewicht unseres Körpers im Raum. Das Empfinden der Schwerkraft ist wichtig zur 5 Steuerung von Bewegungen. Es trägt zur Erzeugung eines passenden Muskeltonus bei, der den Körper reaktionsfähig macht. Psychisch wirkt sich das Gleichgewichtssystem auf die Sicherheit und die Ausgeglichenheit des Menschen aus. Um das Gleichgewicht halten zu können, müssen das visuelle, das vestibuläre und das propriozeptive System zusammenarbeiten. "Das vestibuläre System ist bereits im zweiten und dritten Schwangerschaftsmonat angelegt und im sechsten Schwangerschaftsmonat ausgereift. Die meiste Zeit während der Schwangerschaft stimuliert die Mutter durch Bewegungen das vestibuläre System des Embryos. Die vestibulären Eindrücke werden überwiegend von den vestibulären Kernen und im Kleinhirn verarbeitet. Durch mangelnde Stimulation im Mutterleib, aufgrund ungenügender Bewegung der Mutter, kann es zu Entwicklungsstörungen beim Kind kommen" (Pauli/Kisch; „Was ist los mit meinem Kind“; S. 71f). Das propriozeptive/kinästhetische System (Tiefensensibilität) Dieses System nimmt die Stellung und Bewegung des Körpers im Raum durch bestimmte Rezeptoren in Muskeln, Sehnen und Gelenken wahr. Die Informationen über Muskelspannung, Muskellänge und die Stellung bzw. die Bewegung von Gelenken tragen zum so genannten Körperschema bei (=Summe aller auf den Körper bezogenen Empfindungen und Erfahrungen). Dieses System ermöglicht es dem Menschen sich geschickt zu bewegen. Diese drei Sinnessysteme stehen in enger Verbindung miteinander und beeinflussen sich gegenseitig. So hemmt das propriozeptive System die taktilen Empfindungen, das taktile System fördert die Propriozeption, ebenso wie das vestibuläre System. Das propriozeptive System wiederum hemmt das vestibuläre System. Die Fernsinne Zu den Fernsinnen gehört das auditive, das visuelle, das gustatorische und das olfaktorische System. Diese Sinne vermitteln Informationen aus der Umwelt, von einer körperfernen Reizquelle, um sich in dieser orientieren zu können. Die Voraussetzung für eine optimale Entwicklung der Fernsinne ist eine optimale Integration der Nahsinne. Das auditive System (Hören) Das Ohr ist ein peripheres Wahrnehmungsorgan. Schallwellen reizen die Hörzellen im Innenohr, welche Impulse zu den Hörzentren im Hirnstamm senden. So können Tonhöhen sowie laute und leise Geräusche wahrgenommen werden. Geräusche genau zu hören und zu unterscheiden ist Voraussetzung der Sprachentwicklung. Das visuelle System (Sehen) Die Netzhaut des Auges ist das Sinnesorgan für die visuelle Informationsaufnahme aus der Umwelt. Das Auge ermöglicht es Helligkeit und Dunkelheit, Farben und Formen wahrzunehmen. Die visuelle Wahrnehmung kann in fünf Bereiche untergliedert werden. - visumotorische Wahrnehmung - Wahrnemungskonstanz - Figur - Grundwahrnehmung - Wahrnehmung der räumlichen Beziehungen - Wahrnehmung der Raumlage 6 Das gustatorische System (Schmecken) Die Sinneszellen für verschiedene Geschmackswahrnehmungen liegen in den sogenannten Geschmacksknospen im Bereich der Geschmackspapillen der Zunge. Die einzelnen Geschmacksknospen sind über Nervenfasern mit dem Gehirn verbunden. Die sechs Geschmacksqualitäten süß, sauer, salzig, bitter, fett und umami werden in verschiedenen Regionen der Zunge wahrgenommen. Das olfaktorische System (Riechen) Hier wird über die Riechschleimhaut der Geruch der Umwelt aufgenommen. Dieses Sinnessystem vermittelt uns oft unbewusst noch vor allen anderen Sinnessystemen Informationen über unsere Umwelt. Gerüche können aktivierend oder beruhigend wirken aber auch die Konzentration beeinflussen. Der Geruchsinn löst die Speichel- und Magensaftsekretion aus. (Schulunterlagen - Neumeier; Pauli/Kisch, „Was ist los mit meinem Kind“) Ätiologie und Pathogenese Mögliche Ursachen für eine Störung der sensorischen Integration können sein: Sauerstoffmangel des Gehirns vor, während oder nach der Geburt, durch: . Komplikationen während der Schwangerschaft, eine lange und komplizierte Geburt, zum Beispiel eine Nabelschnurumschlingung des Halses, eine Zangengeburt oder Krankheiten des Kindes wie Fieberkrämpfe oder Pseudokruppanfälle in den ersten Lebensjahren. Frühgeburt Das Gehirn des Kindes ist noch nicht vollständig ausgebildet. Die Nachreifung außerhalb des Mutterleibs ist durch unnatürliche und viel zu wenig Reizangebote verändert. Somit ist die Entwicklung des Kindes verzögert. Minimale Hirnblutungen, meist bei extremen Frühgeburten, welche Hirnfunktionsstörungen zur Folge haben. Infektionskrankheiten der Mutter während der Schwangerschaft, zum Beispiel kann durch eine Rötelinfektion unter anderem das Gehirn des Fötus geschädigt werden. Intoxikation durch Drogen-, Nikotin-, Medikamentenmissbrauch der Mutter während der Schwangerschaft Mangelnde Reizangebote während der Schwangerschaft und nach der Geburt Umweltgifte in Muttermilch, Lebensmitteln, Luft, Wasser und im häuslichen Bereich sowie in Putzmitteln, Textilien, etc. Hirnfunktionsstörung Mangelnde Eigenbewegung des Kindes Psychische Belastung, Traumata oder seelische Belastung des Kindes Gefühlsmäßige Ablehnung des Kindes während Schwangerschaft und nach der Geburt. Veranlagung für bestimmte Typen eines gering ausgebildeten Hirnschadens Reizreduziertes Umfeld: Kinder, die wenig Kontakt mit anderen Menschen und Dingen haben, die ein sehr reduziertes Leben führen, entwickeln keine altersentsprechenden sensorischen, motorischen oder geistigen Funktionen. Diese sensorische Mangelsituation bewirkt eine schlechte Entwicklung des Kindes. (Pauli/Kisch; „Was ist los mit meinem Kind“; S.66f) 7 Vorkommen Genaue Angaben über die Häufigkeit von "Wahrnehmungsstörungen" bei Kindern zu machen, ist nicht möglich. Vorübergehende Auffälligkeiten völlig unterschiedlicher Art sind sehr häufig und nehmen an Häufigkeit in unserer Gesellschaft nach mehreren Studien zu. Behandlungsbedürftige Störungen der Wahrnehmungsverarbeitung im weiteren Sinne, liegen wahrscheinlich bei 15-20% aller Vorschulkinder vor. Symptome Allgemein ist eine Störung zu erkennen, indem der Betroffene mit einer Modulationsstörung auf einen bestimmten Reiz reagiert, d.h. der Betroffene reagiert zu stark, zu schwach oder ist in seiner Reaktion schwankend auf den Reiz. Auffälligkeiten bei Kindern mit Störungen der SI, zeigen sich meist in Form von Überaktivität, Ablenkbarkeit, Verhaltensproblemen, inadäquaten Muskeltonus, Koordinationsstörungen, Lernschwierigkeiten, Teenagerproblemen, Dyspraxie (Störung der Handlungsplanung), Sprachentwicklungsverzögerungen und Über/Unterempfindlichkeit für Bewegung, Berührung, Licht und Geräusche. (J.Ayres; „Bausteine der kindlichen Entwicklung“; S.79) Dies zeigt sich in den jeweiligen Sinnessystemen auf unterschiedliche Art und Weise, wobei immer das Prinzip von Überfunktion = Reizvermeidung und Unterfunktion = Reizsuche gilt. Beispiele einer SI - Störung in den verschiedenen Sinnesbereichen: Vestibuläres System: Überfunktion Kind wirkt ängstlich, faul, defensiv …wechselt ungern die Position …hält Abstand zu anderen Kindern Taktiles System: Überfunktion Kind lässt sich ungern anfassen …zieht sich ungern aus …mag kein Essen mit fester Struktur Propriozeptives System: Überfunktion Unterfunktion Kind wirkt unruhig, wagemutig …wechselt ständig die Position …sucht nach schnellen Drehungen und Beschleunigungen Unterfunktion Kind sucht Kontakt zu allem …zieht sich gerne aus …mag kein Essen mit breiiger Struktur Unterfunktion Kind zeigt mangelnde Kraftdosierung …ist hypoton …zeigt mangelndes Schmerzempfinden …kann einen starken Bewegungsdrang haben …ist Stellungsunsicher Die Symptome sind die Endprodukte einer unzulänglichen und unregelmäßigen Verarbeitung von Sinneseindrücken im Gehirn. 8 Verlauf und Prognose Kinder sind unterschiedlich schnell in ihrer Entwicklung. Sie machen ständig kleine Fortschritte, indem sie sich ihre Sinnesnahrung selbst auswählen um sensomotorische Lernerfahrungen machen zu können. Kinder denen diese Möglichkeit offen steht, denen genügend Reizangebote für ihre Sinne zur Verfügung stehen um ihren Drang nach Erfahrungen zu stillen, ist es möglich, dies selbständig zu bewältigen und somit eine gut funktionierende sensorische Integration zu erreichen. Kindern denen diese Sinnesnahrung nicht geboten wird, oder die aufgrund ihrer schlechten sensorischen Integration nicht in der Lage sind, sich Sinnesnahrung zu verschaffen, muss geholfen werden, damit eine gut funktionierende sensorische Integration wieder soweit wie möglich hergestellt werden kann. Bleibt dem Kind aber eine professionelle Therapie und das Verständnis der Eltern vorenthalten, können "die Effekte der Störung im Laufe des Lebens des Kindes zunehmen, auch wenn sich das Leiden nicht verschlimmert". Eine schlechte sensorische Integration kann in. eine Aphasie, ferner in schwere Verhaltensstörungen und andere psychologische Probleme einleiten. "Es ist sehr gefährlich anzunehmen, dass ein Kind aus seinen Problemen herauswachsen wird. Denn diese Einstellung verhindert, dass das Kind in dem Alter in dem es ihm nützen könnte, fachliche Hilfe bekommt". (J.Ayres; „Bausteine der kindlichen Entwicklung“; S. 72ff.) Therapieverfahren Ergotherapie (siehe Punkt 2.2.) Physiotherapie – Interpretieren von sensomotorischen Funktions- und Entwicklungsstörungen, um sie mit speziellen manuellen und anderen physiotherapeutischen Techniken zu beeinflussen. Primärer Ansatzpunkt ist das Bewegungssystem und das Bewegungsverhalten, wobei das Ziel Schmerzfreiheit und ökonomisches Bewegungsverhalten, oder das Schaffen von Kompensationsmöglichkeiten bei irreversiblen Funktionsstörungen ist. Behandlung von z.B. grob motorischen Auffälligkeiten wie Fehlstellungen oder Haltungsschwäche durch Bobath, Voijta, Psychomotorik Motopädie - ergänzend zu einer medizinisch orientierten Therapie erfolgt eine Therapie zur Förderung der Wahrnehmung und der physiologischen Bewegung. Verknüpft werden psychologische, pädagogische, sportund erziehungswissenschaftliche Methoden mit medizinischen Erkenntnissen. Zentraler Ansatzpunkt ist die Bewegung, genauer die Wechselwirkung zwischen dem Körper in Bewegung und der Psyche des Menschen. Logopädie – Gegenstand der Therapie ist der durch eine Sprach-, Sprech-, Stimm-, Schluckoder Hörbeeinträchtigung in seiner zwischenmenschlichen Kommunikationsfähigkeit eingeschränkte Mensch. Logopäden beschäftigen sich in Theorie und Praxis mit der Prävention von Artikulationsdefiziten und mit der sprachlich -sozialen Rehabilitation eines entsprechend kommunikationsbeeinträchtigten Menschen. Orthoptik - zuständig für die Verhütung, Diagnose und Behandlung von Sehschwächen, Schielerkrankungen und Augenzittern Psychomotorik - basiert auf einem ganzheitlichen Ansatz, dabei werden die Einflüsse der sozialen und materiellen Umwelt auf das Gefüge von Psyche und Motorik mitberücksichtigt Der Körper wird über alle Sinnessysteme wahrgenommen. Bei dieser Form der Gruppentherapie wird auch Sozialverhalten geschult. Kinderpsychologie – Teilbereich der Entwicklungspsychologie, der sich mit dem Zeitraum von der Geburt bis zur Reifezeit befasst. Sie ist zuständig für den psychosozialen Bereich unter Miteinbeziehung von Eltern / Bezugspersonen 9 Familientherapie - Beschreibt, systemische (ganzheitliche) Zusammenhänge und interpersonelle Beziehungen in einer Gruppe/Familie als Grundlage für Diagnose und Therapie von seelischen Beschwerden und interpersonellen Konflikten. (Pauli/ Kisch; „Was ist los mit meinem Kind“; S.96-101) Diagnoseverfahren Zurzeit bestehen keine Möglichkeiten, eine Störung im Gehirn nachzuweisen. Eine Beeinträchtigung der Verarbeitung sinnlicher Wahrnehmungen ist nicht als Krankheit im medizinischen Sinne aufzufassen. Chemisches Ungleichgewicht, virale Infektionen oder Abweichungen der Zusammensetzung des Blutes, sowie Organerkrankungen kann man im Labor nachweisen. Das Problem der sensorischen Integration dagegen kann nicht leicht abgegrenzt werden. Wir können das Kind nur beobachten, und zwar sowohl in seinen normalen Bewegungen als auch während eines Tests zur Diagnostik der sensorischen Integration und danach versuchen eine Gehirnfunktion zu beurteilen." (J.Ayres: „Bausteine der kindlichen Entwicklung“; S. 10) Die mögliche Diagnostik ist die Grundlage um zielgerichtet ergotherapeutisch handeln zu können. Hierbei steht der Patient, das Kind, als Individuum im Vordergrund, mit all seinen Stärken und Schwächen in den verschiedenen Lebensbereichen. Die Diagnostik findet meist interdisziplinär statt. Die medizinische Diagnose (aus verschiedenen medizinischen Bereichen z.B. Allgemeinmedizin, HNO, Augenarzt, ...) ermöglicht eine erste Einordnung des Krankheitsgeschehens und bietet einen gewissen Orientierungsrahmen für den Ergotherapeuten. Weiterhin sind verschiedene psychologische Tests möglich, bei denen je nach Art des Tests, Kriterien wie z.B. Kontaktaufnahme, Arbeitshaltung, Sprache, Kognition geprüft und beurteilt werden. Durch die Zusammenarbeit, z.B. mit Logopäden und Krankengymnasten lassen sich weitere Beobachtungskriterien finden und erweitern. Weiterhin gibt es eine große Anzahl an ergotherapeutischen Testmaterial, wie z.B. Gezielte Beobachtungen Dabei werden die Fähigkeiten der vestibulären, tiefensensiblen, taktilen und visuellen Wahrnehmung, der Muskeltonus, motorisch anpassende Reaktionen und Aufgabenverständnis untersucht. Frostig - Entwicklungstest zur visuellen Wahrnehmung (FEW) Unterteilt in Subtests: Raumlage, Figurgrundwahrnehmung, Wahrnehmung räumlicher Beziehungen, Formkonstanz, Visuomotorische Geschwindigkeit Developmental Test of Visual Perception, Second Edition (DTVP 2) Unterteilt in Subtests: Raumlage, Figurgrundwahrnehmung, Wahrnehmung räumlicher Beziehungen, Formkonstanz, Visuomotorische Geschwindigkeit, Kopieren, Gestaltschließen und Hand-Auge-Koordination Münchner Funktionelle Entwicklungsdiagnostik Differenzierte Erfassung des kindlichen Entwicklungsstandes (1. Lebensjahr: Krabbeln, Sitzen, Laufen, Greifen, Perzeption, Sprechen, Sprachverständnis, Sozialverhalten; 2. und 3. Lebensjahr: Statomotorik, Handmotorik, Wahrnehmungsverarbeitung, Sprechen, Sprachverständnis, Selbstständigkeit, Sozialverhalten) Mit ihnen kann der Ergotherapeut gezielt bestimmte Bereiche abtesten. Bei Kindern mit stärkeren Defiziten oder z.B. anderer Muttersprache können auch nonverbale Tests angewendet werden. 10 Bevor der Egotherapeut jedoch bestimmte Tests einsetzt, sollte er das Kind zuerst in einer für das Kind angenehmen Spielsituation beobachten. Hier können folgende Kriterien eingeschätzt und beurteilt werden: aktives Spielverhalten Sozialverhalten Selbständigkeit Grobmotorik (Tonus, Gelenkbeweglichkeit, Gleichgewichtsreaktionen, Reflexe) Feinmotorik ( Greifen, Fingerbeweglichkeit, Stifthaltung, Kraftdosierung) Sprache (Aktive Sprache, Sprachverständnis) Perzeption / Sensorik (Taktile Wahrnehmung, Vestibuläre Wahrnehmung, Propriozeptive Wahrnehmung, Auditive Wahrnehmung, Visuelle Wahrnehmung) Körperbewusstein, Körperschema Es ist wichtig, dass der Ergotherapeut immer wieder diese Kriterien während der Behandlung auf Veränderungen hin überprüft, dies zur Kenntnis nimmt und dementsprechend handelt, d.h. seine Ziele und seine Therapie danach gestaltet. 2.2 Ergotherapeutische Maßnahmen "Ergotherapie basiert auf der Grundlage der normalen Kindesentwicklung und baut auf einem ganzheitlichen Ansatz auf. Das heißt, es geht nicht nur um eine mechanische Wiederherstellung von körperlichen, geistigen und psychischen Funktionen, sondern das Kind soll eine im Alltag für sich größtmögliche Selbstständigkeit und Unabhängigkeit erlangen". (Pauli/Kisch; „Was ist los mit meinem Kind“; S. 96) Sensorische Integrationstherapie Hier soll das Kind durch das spielerische Angebot vestibulärer, propriozeptiver und taktiler Reize lernen, diese adäquat aufzunehmen, zusammenzustellen und zu deuten. Es soll lernen die aufgenommenen Informationen zu sinnvollen Wahrnehmungen zusammenzufassen und somit sinnvoll zu handeln. Hierbei stehen die Motivation, die Interessen und die Ressourcen des Kindes im Vordergrund. Das Kind hat so die Möglichkeit sich nach seinen Interessen die Reize zu suchen, die es braucht. Der Therapeut hat hier die Aufgabe das Reizangebot individuell an das Kind anzupassen und die Reize richtig zu dosieren. Die Zusammenarbeit mit Eltern und anderen Berufssparten (interdisziplinäre Zusammenarbeit) ist hier unabdingbar, um eine gute Behandlung leisten zu können, da auch die Eltern die Möglichkeit haben fördernd auf ihr Kind einzuwirken und es zu unterstützen. Zu den Therapiemitteln gehören zum Beispiel: Matten und Kissen Seilbahn Bohnenbäder Hängematte SI - Schaukel Sandsäckchen unterschiedlichen Gewichts Trampolin Ein Teil der ergotherapeutischen Behandlung findet nach den Prinzipien der sensorischen Integrationstherapie von Jean Ayres statt. Jean Ayres geht davon aus, dass sich die bereits 11 oben genannten Basissinnessysteme gegenseitig beeinflussen und somit, ein Bereich, in dem Schwächen vorhanden sind mit einem anderen Bereich behandelt werden kann. Da die Defizite von X aber nicht nur in diesem Bereich liegen, muss auch auf andere Art und Weise, individuell auf die Bedürfnisse des Kindes eingegangen werden z.B. durch Correctiv Feedback und emphatisches Verhalten. Führen nach Affolter Diese Therapieform wird beim Training von Bewegungsabläufen und von Alltagshandlungen eingesetzt und hat sich im Bereich der Pädiatrie bei der Therapie von räumlich-konstruktiven Störungen, Störungen der serialen Leistung und Dyspraxien bewährt. Sie befasst sich mit der Entwicklung von Begreifen, Wissen, Denken und Handeln. Die Umwelt wird wahrgenommen, interpretiert und dementsprechend auf sie eingewirkt. Bei dieser Therapieform übernimmt der Therapeut die aktive Bewegung des Körpers bzw. der Extremitäten für den Patienten. Die passive Bewegung des Patienten vermindert pathologische Muster und erleichtert dem Patienten die Konzentration auf die Handlung. Bobath-Konzept „Die neuropsychologische Arbeitsthese von Bobath besteht in der Annahme, dass die Beeinträchtigung von Kindern mit zerebralen Bewegungsstörungen vor allem durch die gestörte Haltungskontrolle gegenüber der Schwerkraft verursacht ist. Die ganzheitliche Sichtweise betont das Kind in seiner Gesamtpersönlichkeit und nicht als Objekt mit isolierten Funktionsausfällen und Defiziten. Dabei wird der Motorik eine zentrale Bedeutung in der Gesamtentwicklung des Kindes beigemessen. (…) Motorisches Lernen kann nur im täglichen Handeln des Kindes erfolgreich sein. Die kindliche Entwicklung wird durch eine ständige Anpassung von Sensomotorik, Neugier und Kognitionsverhalten an die unterschiedlichsten Situationen gefördert. Neugierde, variierende Wiederholungen und Ausprobieren sind dabei die Voraussetzung für flexible Handlungsstrategien. Der Alltag wird erprobt, entdeckt und bewältigt, das Kind lernt Ursache und Wirkung kennen sowie Zusammenhänge herzustellen“ (DVE; „Indikationskatalog Ambulante Ergotherapie“; S. 150) 3. Falldarstellung 3.1 Angaben zur Person der Patientin 3.1.1 Persönliche Daten Name: X Alter: 5,9 Jahre Geschlecht: männlich Staatsangehörigkeit: deutsch 3.1.2 Daten zur Aufnahme Aufnahmezeitpunkt in der Einrichtung: September 2005 Voraussichtliche Entlassung: Juli 2007 12 3.1.3 Therapierelevante Diagnosen Ärztliche Diagnose: Sprachentwicklungsstörung, Entwicklungsretardierung, aggressive Verhaltensstörung Ergotherapeutischer Befund: Sensorische Integrationsstörung im propriozeptiven(v.a. Tonus) und vestibulären Bereich mit Auswirkungen auf die Aufmerksamkeit und Feinmotorik. 3.1.4 Medikation keine 3.1.5 Besonderheiten keine 3.1.6 Bisheriger Therapieverlauf Bevor X die SVE besuchte hatte er keinerlei Therapien. Der Vorschlag des Gesundheitsamtes zur logopädischen Behandlung wurde nicht wahrgenommen. Ergotherapeutische Behandlung: seit September 2005 einmal wöchentlich 45 Min.. Zu Beginn der ergotherapeutischen Behandlung im September 2005 war X äußerst stellungsunsicher und hatte eine kaum zu verstehende Lautsprache. Er war sehr fahrig und hochgradig ablenkbar. Bei gestellten Aufgaben konnte er nur sehr kurz verweilen. Einen vereinbarten Plan konnte er kaum einhalten und musste auf ihn zurückgeführt werden. Zu beginn der Therapieeinheiten beschränkten sich die von ihm gewählte Betätigung fast ausschließlich auf Schaukeln. Es wurde vereinbart, das X morgens unabhängig von der Therapie 15 Min zum schaukeln in die Ergotherapie kommt. Dies hat mittlerweile ohne äußere Einwirkung nachgelassen. Mittlerweile fällt auf, das X weniger stürzt und sich gezielter und sicherer bewegt. Er weiß besser bescheid welche Reize er benötigt und sucht sich diese durch gezielt von ihm ausgewählte Spiele in der Ergotherapie, z.B. Trapez, Säckchenschleppen. Einen Plan behält er nun besser im Kopf und es ist nicht mehr nötig in darauf zurückzuführen, es genügt ihn daran zu erinnern. Selbiges gilt für Struktur und Sprache. Die Aufmerksamkeit und seine Feinmotorik haben sich nach propriozeptiver Reizung im Vergleich zu Jahresanfang wesentlich verbessert. Wenig verbessert haben sich hingegen Tonus und Kraftdosierung. Logopädische Behandlung: seit September 2005 einmal wöchentlich 45 Min. Im Gespräch berichtete mir die Logopädin von X, dass auch sie ihn für einen lernwilligen und netten Jungen hält. 13 Die Problematik liegt ihrer Meinung nach in einer Fehlbildung der Lautsequenzen und einer gestörten Mundmotorik. Die auditive Wahrnehmung sei leicht betroffen. Wichtig sei für den Jungen, ihm Struktur und ein phonoligisches Bewusstsein zu geben. Zu Beginn der Behandlung sprach X von sich nur in der dritten Person. Ziel war also auch eine Ich-Bildung. Anfänglich war die Sprache sehr chaotisch. X beherrschte zwar alle Laute isoliert, jedoch konnten diese nur inkonsequent verarbeitet werden. Desweiteren herrschte ein schwerer Dysgrammatismus sowie eine universelle Dyslalie. Betroffen waren vor allem die Laute : „r“ „ch“ „f“ „w“ „s“ „sch“. Folglich war für X eine verständliche Ausübung der Spontansprache kaum möglich. Sie arbeitet mit ihm durch Kommunikationstherapie und ganzheitliche Rahmentherapie. Ihrerer Meinung nach hat sich der Dysgrammatismus bereits , auf leicht bis mittel schwer abgeschwächt. X wirkt allgemein wacher und aufmerksamer und hat entscheidende Fortschritte in der Ich-Bildung vollzogen. Die Lautbildung sei zwar weiter stark betroffen, jedoch ist dem Jungen mittlerweile eine wesentlich verbesserte Spontansprache möglich. Physiotherapeutische Behandlung: seit Februar 2006 einmal wöchentlich 45 Min. Ziel der Physiotherapie ist es, dem Jungen zusätzlich zu Ergotherapie die Möglichkeit zu geben gezielte propriozeptive Erfahrungen zu machen. Dies erfolgt durch Massagen und Übungen auf dem „Peziball“. Bei der tiefensensiblen Reizung wird auch am Körperschema von X gearbeitet. Zusätzlich arbeitet die Physiotherapeutin auch an der Handlungsplanung von X, z.B. durch Höhlenbau. Zum Verlauf berichtete die Physiotherapeutin, X sei anfänglich aggressiv und sehr umtriebig gewesen. Dies habe sich, nachdem er seine Grenzen nun ausgetestet hat, gelegt. Er sei allgemein ruhiger geworden. 3.2 Anamnese 3.2.1 Medizinische Anamnese, Krankheitsverlauf Folgende Anamnesedaten stammen aus der Hausakte von X (u.a. psychologische u. ärztliche Gutachten) und aus Gesprächen mit der Erzieherin. Laut Akte verliefen Schwangerschaft und Geburt normal. X kam zum errechneten Termin in der 40 Schwangerschaftswoche zur Welt. Er war 48cm groß und wog 2650g, der APGAR Wert betrug 10/10 Punkte. Als Säugling wurde X von der Mutter gestillt. Nach Angaben der Mutter hatte er viel Hunger und hatte viel geschlafen. Das Sitzen und Krabbeln erfolgte leicht verspätet. Laufen begann X erst mit 18 Monaten, also auch leicht verspätet. Seitdem ist X in dauerhafter Bewegung, er bewegt sich viel und gern. Schon seit beginn des Laufalters fällt bei X das häufige Stolpern auf. Kontinent wurde er im Alter von 3 Jahren. Wann X seine ersten Zähne bekam ist nicht bekannt, wohl aber, dass er Mitte 2005 seine ersten Milchzähne verlor. Erste Worte sprach er im Alter von 22 Monaten („Papa“). 14 X ist gegen alle relevanten Krankheiten geimpft. Er hatte bisher keine Masern, Windpocken, oder Scharlach. Allergien sind nicht bekannt. Bisher kam es bei X noch zu keiner stationären Aufnahme oder Behandlung. Bei der Vorsorgeuntersuchung U2 wurde eine pränatale Dystrophie festgestellt. Aufgrund der Untersuchungsergebnisse der U8 wurde der Familie angeraten Kontakt zum Gesundheitsamt aufzunehmen. Dort wurde von der Zentralen Beratungsstelle für Kinder und Jugendliche mit Entwicklungsauffälligkeiten und Behinderungen Mitte 2004 und mit selben Ergebnissen Mitte 2005 ein ärztliches und psychologisches Gutachten erstellt. Festgestellt wurden leichte Intelligenzminderung mit Teilleistungsminderungen erhebliche Defizite in der Sprachentwicklung (Dyslalie, Dysgrammatismus) motorische Lebhaftigkeit schwankende Aufmerksamkeit Impulsivität Verdacht auf ADHS Die Ergebnisse ergaben eine Indikation für den Bedarf von Einzelintegration und logopädischer Behandlung. Diese wurden 2004 nicht und seit September 2005 in der SVE der Einrichtung wahrgenommen. Im Anamnesegespräch der SVE bot sich der Eindruck, dass auch der Vater an einem Aufmerksamkeitsdefizit leidet. Er konnte kaum Blickkontakt halten und schweifte im extremen mehrmals vom eigentlichen Gesprächsthema, seinem Sohn, ab. Laut Gesundheitsbogen hat er keine weiteren schweren Erkrankungen. Augen- und Ohrenärztliche Untersuchungen im Rahmen der Schuluntersuchung verliefen ohne Befund. 3.2.2 Soziale Anamnese Folgende Daten stammen aus Gesprächen mit den Erzieherinnen von X und seinen eigenen Äußerungen. Dabei ließen sich kaum Abweichungen feststellen. X wurde ehelich in einer süddeutschen Großstadt geboren, in der er bis heute lebt. Er lebt zusammen mit seiner Mutter und dem Vater in einer geräumigen Wohnung. Mutter und Vater teilen sich das Sorgerecht, die Erziehung wird von beiden gemeinsam im gleichen Maße ausgeübt. Von der Erzieherin war zu erfahren, dass beide Eltern Probleme haben dem Jungen klare Grenzen zu setzten und das sie mit der Situation und dem Wesen ihres Kindes klar überfordert sind. Sie begegnen ihm zwar liebevoll und fürsorglich, jedoch gelingt es ihnen nicht Empfehlungen und Tipps adäquat umzusetzen. Die Eltern von X sind beide berufstätig. Der 33 jährige Vater arbeitet seit kurzem als Speditionsfahrer, vor dieser Zeit war er längere Zeit arbeitslos. Von Erzieherin, Logopädin und Egotherapeutin war zu erfahren, dass auch der Vater offensichtlich an einem Aufmerksamkeitsdefizit leidet. Die 32 jährige Mutter arbeitet als Altenpflegerin bei einem ansässigen freien Kostenträger. Beide Eltern müssen aufgrund ihrer beruflichen Situation die gemeinsame Wohnung bereits morgens um 6:00 verlassen. Aufgrund dieser Tatsache bringen sie ihren Sohn allmorgendlich um 5:30 zur Schwester des Vaters. Bei dieser bekommt der Junge sein Frühstück und wird 15 von ihr auch in die SVE gebracht. Neben den Eltern ist die Tante somit zu einer wichtigen Bezugsperson für X, aber auch eine Kontaktperson zwischen Eltern und SVE geworden. Eine weitere wichtige Bezugsperson stellt für X seine Großmutter (väterliche Seite) dar. Bei ihr verbringt er, bedingt durch die Arbeit der Eltern, viel Zeit. Sie lebt etwas ländlicher und somit in einem kindgerechten Umfeld. Im angeschlossenen Garten kann X Zeit in der Natur verbringen und mit Freunden spielen. Am Wohnort seiner Großmutter gibt X an, viele Freunde zu haben, zuhause jedoch kaum. Dort beschränken sich seine Freizeitaktivitäten, abgesehen von gelegentlichen Ausflügen die die Familie unternimmt auf Fernsehen und Videospielen. Für die Eltern stellt er so keine weitere „Belastung“ dar. Bei Familienaktivitäten ist X zwar dabei, diese werden aber nicht mit ihm, sondern in „seiner Anwesenheit“ unternommen, er ist folglich weitestgehend sich selbst überlassen. („Der hört ja eh nicht“) Nach Xs Angaben hat die Familie (Großmutter) 4 Haustiere: 2 Katzen, 1 Vogel und 1 Hund. Dies konnte mir die Erzieherin zwar nicht bestätigen, jedoch habe ich keine Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussage Xs, zumal er über mehrere Tage immer die gleichen Tiere und Namen nannte. Laut der Erzieherin und meinen eigenen Beobachtungen hat X keine Probleme Kontakte zu knüpfen. (z.B. auf dem Spielplatz). Dabei orientiert er sich an stärkeren und schließt sich diesen an. 3.2.3 Arbeitsanamnese Folgende anamnestische Daten entstammen der Hausakte von X Im Jahr 2004 befürwortete das Gesundheitsamt aufgrund eines ärztlichen und psychologischen Gutachtens eine Einzelintegration im Kindergarten. Der bereits 2004 angestrebte Eintritt in einen integrativen Kindergarten kam nicht zustande. Da die Eltern jedoch befürchteten, das ihr Kind aufgrund des Umgangs mit anderen Kindern Schwierigkeiten in der Eingliederung im Kindergarten bekommen würde suchten sie erneut das Gesundheitsamt auf. Dieses hielt eine Behandlung weiterhin für dringend notwendig. Seit September 2005 besucht er mit 6 weiteren Kindern die schulvorbereitende Einrichtung (SVE). In dieser befindet er sich Montags bis Freitags von 8:00 bis 14:00. Dort wird er seinen Bedürfnissen entsprechend gefördert, erhält sowohl Ergo- also auch Physiotherapie und eine logopädische Behandlung. Der Besuch der SVE beinhalten außerdem Frühstück, ein warmes Mittagessen, sowie einen anschließenden Mittagsschlaf aller Kinder. 3.2.4 Suchtanamnese entfällt 3.2.5 Juristische Anamnese Mutter und Vater haben das gemeinsame Sorgerecht. 16 3.3 Befunderhebung Die Daten der Befunderhebung ergeben sich weitestgehend aus Beobachtungen während der beschriebenen Therapieeinheiten, aus gezielten Beobachtungen von Frau Beck und aus Beobachtungen des normalen Gruppenalltags der SVE. 3.3.1 Ersteindruck X ist ein sehr freundliches und kontaktfreudiges Kind. Räumlich, örtlich, situativ und zur Person ist er voll orientiert. Er nahm sofort Kontakt zu mir auf, hat schnell Vertrauen gefasst und wirkte keinesfalls schüchtern oder zurückhaltend. Er hat einen freundlichen Gesichtsausdruck und kann mit seinem Gegenüber solange es seine kurze Aufmerksamkeitsspanne zulässt direkten Augenkontakt halten. X trägt seinem Alter und der Jahreszeit / Temperatur entsprechende saubere Kleidung. Die blonden Haare trägt er frech und sehr kurz. Er ist ca. 1,10 groß und wiegt ca. 20 kg. Somit wirkt er körperlich seinem Alter entsprechend. Seine allgemeine Körperhaltung ist schlaff. Dies kompensiert er durch eine auffallende motorische Unruhe, d.h. er ist dauerhaft und schnell in Bewegung. Auffallend ist auch seine undeutliche Aussprache. 3.3.2 Grobmotorik Allgemein betrachtet macht X trotz seines niedrigen Grundtonus einen sehr bewegungsfreudigen Eindruck, da er sich über diese Bewegung den benötigten Tonus holt. Er scheut keine sportlichen bzw. körperlichen Betätigungen. Dementsprechend hoch ist sein Interesse an Sport, hierbei besonders an Fußball und Basketball. Nach Beobachtung sind alle Gelenke von X frei und endgradig beweglich. Hand- Ellenbogenund Kniegelenke sind situationsbedingt leicht überstreckbar. Beim ruhigen Sitzen sackt er schnell in sich zusammen, macht einen Rundrücken und überstreckt die Halswirbelsäule um möglichst wenig Kraft aufwenden zu müssen. Er kompensiert dies außerdem durch auffallende motorische Unruhe (hin- und herrutschen, wieder aufstehen), sowie durch eine Vergrößerung der Unterstützungsfläche. Sein Gangbild ist geprägt von kleinen und schnellen Schritten, und vor allem von Geschwindigkeit. Es ist ihm nur unter großer Anstrengung möglich langsam zu gehen. Dabei schlenkern die Arme kraftlos neben dem Körper her. Beim schnelleren Gang bzw. beim Rennen spannt er seine Arme an, adduziert im Ellenbogen und ballt die Faust um sich damit Tonus zu geben. Generell fällt beim Gehen und Rennen auf, dass X äußerst häufig stolpert, bzw. sich absichtlich Fallen lässt. Es ist ihm möglich auf der SI-Schaukel bzw. einem großen Gymnastikball seinen Kopf zu halten und ihn adäquat im Raum einzustellen. Im Liegen bereitet es ihm Probleme den Kopf dauerhaft gegen die Schwerkraft anzuheben, wenn kein ausreichender Grundtonus vorherrscht. Ist dieser aufgebaut ist es im durchaus möglich den Kopf qualitativ und ausdauernd zu halten. Die motorische Planung ist gut. X klettert sowohl die Sprossenwand also auch die Kletterwand zügig nach oben und es bereitet es ihm keine Schwierigkeiten diese rückwärts wieder zu verlassen, jedoch springt er aufgrund des starken propriozeptiven Reizes bei der Landung meistens aus große Höhe ab. 17 Die im Mai durchgeführten „gezielten Beobachtungen“ von Frau Beck ergaben keine weiteren Defizite. Sie bestätigten jedoch erneut die kurze Aufmerksamkeitsspanne und Unruhe sowie Angespanntheit des Jungen. Alle motorischen Übungen waren ihm mit teilweise kleiner Hilfestellung möglich, jedoch konnte er Stellungen nicht mehr als maximal 5 Sekunden einhalten ohne sich weiter zu Bewegen. 3.3.3 Feinmotorik / Koordination / Seitendominanz Die Feinmotorik ist für X infolge der motorischen Unruhe, Aufmerksamkeit und mangelnder Kraftdosierung ein Problembereich. Durch das breite Angebot an feinmotorischen Übungsmöglichkeiten, vor allem in der Gruppe hat er die Möglichkeiten diese zu beüben, kann diese jedoch nicht im vollen Umfang nutzen. Die Stifthaltung breitet X noch einige Probleme. Zum einen ist seine Lateralität noch nicht komplett gefestigt, zum anderen hat er vor allem ohne propriozeptive Reizung Probleme in der Kraftdosierung. Aufgrund der noch nicht gefestigten Lateralität wechselt X oft die Hand, kommt aber sichtlich besser mit der rechten Hand zurecht. Er hält den Stift rechts im Dreipunktgriff verkrampft und führt nur wenig Bewegung aus dem Handgelenk aus. Deutlich wird seine sich auffällige Graphomotorik dadurch, das X nie freiwillig und von sich heraus malt, sondern dies nur aufgrund von Anregung oder aufgrund des Gruppendrucks tut. In diesem Falle sind die Bewegungen hektisch und unkoordiniert. Laut seiner Erzieherin beginnt X aber damit seinen Namen zu schreiben. Er verfügt über eine gute Hand-Hand sowie Hand-Auge Koordination. Ihm zugeworfene Säckchen fängt er meist frei aus der Luft, den Oberkörper nimmt er nur selten zur Hilfe. Ausschneiden mit der Schere bereitet ihm Probleme, was auf selbige Gründe wie bei der Graphomotorik und der Stifthaltung zurückzuführen ist. Kleine Gegenstände fasst er adäquat und sicher mittels Pinzetten- oder Dreipunktgriff. Gut und selbstständig geht X mittlerweile beim Essen vor. Er verwendet Messer und Gabel im kindlichen Rahmen, die Gabel umfasst er nur noch selten im Faustgriff. Mit dem Messer gelingt es ihm Brote zu streichen. Das An- und Auskleiden, auch von Schuhen bereitet ihm keine Probleme. 3.3.4 Tonus X’s Körpertonus ist schwach, d.h. hypoton in passiver Bewegung und in Ruhe. Bei aktiv ausgeführter Bewegung holt sich X wie bereits erwähnt über seine motorische Unruhe und die Geschwindigkeit benötigten Muskeltonus um seine Körperspannung aufrecht zu erhalten. Mit andauernder körperlicher Arbeit werden seine Bewegungen aufgrund schwindender Kraft zunehmend ungenauer und schlaffer. So kann er beispielsweise nach längerem Spiel in der Hängematte den Kopf nicht mehr oben halten, sondern sinkt ab. Meist sucht sich X bei der freien Wahl der Tätigkeit selbst eine tonussteigernde Tätigkeit aus. Auffällig wird sein niedriger Tonus auch durch die Stellungsunsicherheit und die von der Logopädin beschriebe Störung der Mundmotorik. Außerdem hochgradig auffällig sind die häufigen absichtlichen Stürze, sowie das grobe/aggressive Verhalten gegenüber anderen Kindern. Im sitzen fällt auf, das X, wie bereits erwähnt schnell in sich zusammen sackt und dies mittels Vergrößerung der Unterstützungsfläche und motorischer Unruhe kompensiert. Die posturale Kontrolle ist vorhanden. 18 3.3.5 Sensibilität Im vestibulären Bereich zeigt X deutliche Anzeichen einer Unterempfindlichkeit. Besonders deutlich wird diese Unterempfindlichkeit durch die Art der Durchführung und die Intensität des Schaukelns. Seine persönliche Wahl fällt in der Ergotherapie oft, beim Spielen im Hof immer auf die Schaukel. Dabei fällt dieses Schaukeln äußerst heftig aus, auch vollführt er schnelle und häufige Drehungen. Desweiteren zeigt er Unruhe sowie Wagemutigkeit und wechselt ständig seine Position. Auf Nachfrage hin gibt er selbst an, dass ihm „nie schwindlig wird.“ Im propriozeptiven Bereich hat X eine Unterempfindlichkeit. In den Therapieeinheiten such er sich gerne Aktivitäten aus die ihm starke propriozeptive Reize verschaffen. Die leicht überstreckbaren Gelenke, das niedrige Schmerzempfinden, sowie die Stellungsunsicherheit sind deutliche Zeichen für diese Unterempfindlichkeit. Desweiteren auffällig ist der Hypotonus und wiederum der ungebremste Bewegungsdrang. Die Kraftidosierung ist eingeschränkt, ist ihm aber bei großer Konzentration möglich. Gleiches gilt für die Kokontraktion sowie dissoziierte Bewegungen. Beim Belegen mit Sandsäcken zeigte X jedoch ein gutes Körperschema und konnte die belegten Körperteile ohne Sichtkontrolle benennen. Im taktilen Bereich ist X unauffällig. Die Modulation ist stabil. Anfängliche Probleme beim Stereognosietest der gezielten Beobachtungen sind eher auf die mangelnde Aufmerksamkeit als auf eine taktile Unterempfindlichkeit zurückzuführen. Im olfaktorischen Bereich sind keine Auffälligkeiten bekannt. Im visuellen Bereich liegt aus medizinischer Sicht kein Befund vor. X kann Farben und Formen benennen, auch die Präpositionen stellen für ihn kein Problem dar. (vor, hinter, über, unter) Wahrnehmungskonstanz, Wahrnehmung der Raumlage, Wahrnehmung von räumlichen Beziehungen, Visuomotorik und Figur-Grundwahrnehmung wurden zwar nicht gezielt getestet (DTVP2) jedoch stellten sich im Spiel keine gravierenden Probleme in den genannten Bereichen heraus. Im auditiven Bereich weist X keine Probleme auf. Er kann Geräusche erkennen und diese ihren Quellen zuordnen. Er kann sowohl laut als auch leise erkennen und einfache Rhythmen wiedergeben. 3.3.6 ADL / Selbstständigkeit Im Lebenspraktischen Bereich ist X sehr selbstständig. Er zieht sich bei Schwimmbadbesuchen selbstständig an- und aus. Bis vor kurzem hatte er laut Erzieherin noch Probleme damit seine Schuhe richtig herum zu tragen, jedoch trägt er sie mittlerweile zu 90% richtig. Er isst selbstständig, äußert dabei auch eigene Wünsche, geht eigenständig auf die Toilette und putzt seine Zähne. Innerhalb der Einrichtung kennt sich X gut aus und kann kleinere Aufgaben und Botengänge erledigen. Beim Tisch aufdecken hat er nicht immer den Überblick und benötigt teilweise kleine Hinweise. Mit diesen gelingt es ihm seinen Plan zu vervollständigen. In der Therapie ist es ihm möglich eigene Ideen zu verwirklichen, seine Handlungsplanung ist gut. 19 Dabei und bei anderen lebenspraktischen Aufgaben gerät er aber von Zeit zu Zeit in Konflikt mit seiner mangelnden Aufmerksamkeit. 3.3.7 Kognitive Leistungen Allgemein ist zu sagen, dass die kognitiven Leistungen Xs stark von seiner Aufmerksamkeit abhängig sind. Dennoch ist Xs ein neugieriger Junger der Lernbereitschaft, in der Ergotherpie, aber auch in alles anderen Bereichen zeigt. Das Aufgabenverständnis von X ist gut. An ihn verbal gerichtete Anweisungen versteht er und handelt daraufhin adäquat, soweit ihn diese Aufgrund der Aufmerksamkeit erreicht. Abhängig vom Bereich und der Aufgabe verfügt er bei Interesse über ein rasches Auffassungsvermögen. Der Umgang mit Zahlen und Mengen im pränumerischen Bereich und logisches Denken gelingen ihm mühelos. Zählen bis 10 und einfache Rechenaufgaben im Bereich bis 4/5 bereiten ihm keine Probleme. Seinen Namen beginnt er selbst zu schreiben, vergisst oder verdreht dabei aber zeitweise einzelne Buchstaben. Seine Merkfähigkeit ist stark von seinem Interessen und auch seiner Aufmerksamkeit abhängig. Für ihn interessante Dinge merkt er sich jedoch gut. Die Aufmerksamkeit ist sehr gering und X lässt sich sehr leicht von seiner aktuellen Tätigkeit ablenken. Dies gilt vor allem für neue Situationen, die er nicht versteht oder überblicken kann. Sie verbesserte sich in einem begrenzten und reizärmeren Umfeld, jedoch muss X für seinen Alltag lernen auch in anderen Situationen zu bestehen. Bei für ihn interessanten Tätigkeiten ist es leichter eine bestimmte Aufmerksamkeit über einen bestimmten Zeitraum aufrecht zu erhalten. Seine Aufmerksamkeit wird im generellen gesteigert, wenn er zuvor stark propriozeptiv stimuliert wurde. Eng verbunden mit seiner mangelnden Aufmerksamkeit gilt selbiges auch für die Konzentration und geistiger Ausdauer. War es ihm anfangs des Schuljahres nicht möglich, angefangene Aufgaben zu beenden, ist ihm dies mittlerweile bei bestehendem / am Leben gehaltenem Interesse möglich. Seine Handlungsplanung ist gut, bei Problemen weiß er wie er sein Ziel erreichen kann und kann dies auch durchführen. Größere Tätigkeiten sind ihm nur mit leichter Hilfestellung möglich. (z.B. ganzer Parcours) Sind ihm Tätigkeiten unmöglich oder erscheinen sie ihm zu schwer, fragt er nach Hilfe und geniest dieser Zuwendung sichtlich. Die Abstraktionsfähigkeit ist noch schwach, es gelingt ihm bisher nur ansatzweise nicht dinglich zu Denken. All seine kognitiven Probleme resultieren aber nur teilweise aus einer Intelligenzbeeinträchtigung. Der innere Antrieb ist gegeben, jedoch wird X durch den ständigen Drang seinen Körper zu spüren und seine Körperspannung/Tonus aufrecht zu halten, in seiner Aufmerksamkeit und damit seinen kognitiven Leistungen beeinträchtigt. 20 3.3.8 Sozio – emotionaler Bereich X ist sehr aufgeschlossen und kontaktfreudig, kann aber auch schnell aggressiv werden. Beim Abholen von der Gruppe nahm er schnell Kontakt mit mir auf und zeigte keine Schüchternheit. Er ist gut in das Gruppengeschehen integriert und äußert dort eigene Wünsche adäquat(z.B. Essen). X steht gerne im Mittelpunkt, da ihm so die Aufmerksamkeit zugute kommt die er sich wünscht. Um dies zu erreichen provoziert X gerne, egal ob mit positiven oder negativen Folgen, Hauptsache für ihn ist die Aufmerksamkeit. Folglich braucht X ein hohes Maß persönlicher Zuneigung. Im Umgang mit anderen kann er wie bereits erwähnt aggressiv werden, d.h. er fasst andere Kinder aufgrund das er sich selbst unzureichend spürt grob an. Ein weiterer Grund hierfür liegt vor, wenn sich X nicht verständlich machen kann (verbal), was sich jedoch durch gezielte logopädische Behandlung bereits wesentlich verbessert hat. Die Erzieherin beschreibt X als hilfsbereiten Jungen, der sich selten zu schnell sondern eher bei Bedarf auch Hilfe holt. Die Stellung in der Gruppe läst sich am besten als „guter Mitläufer“ bezeichnen. Er orientiert sich an starken Kindern, macht diesen aber ihre Position nicht strittig sondern ahmt sie nach. Seit einigen Wochen ist es ihm möglich aktiv an Rollenspielen innerhalb der Gruppe teilzunehmen und nicht mehr nur als Beobachter zu fungieren. Themen sind dabei aktuelle japanische Kartenspiele (z.B. Yu-Gi-Oh) Er versucht diese Rollenspiele selbst anzuregen und übernimmt auch teilweise die Führung. Mir gegenüber war er von Anfang an sofort sehr kontaktfreudig und offen, versucht aber wie vor anderen Therapeuten auch seine Grenzen auszutesten. Er ist leicht, ihn für eine Aufgabe zu begeistern, hat aber häufig nicht die benötigte Aufmerksamkeitsspanne / Ausdauer. Er bringt eigene Ideen ein und ist meistens zu Kompromissen bereit. Die Ideen umfassen einfache, keinesfalls komplexe Spielideen. Kompromisse kann er mit Erwachsenen und einer Gruppe von Kindern gut, gemeinsam mit einem einzelnen Kind jedoch weniger gut treffen. Das Einhalten von Regeln ist ihm möglich, jedoch nur wenn diese klar formuliert sind. Dies steht im Konflikt mit seiner Persönlichkeit, d.h. er vergisst Regeln und Absprachen einfach wieder, bzw. missachtet diese wenn er sich unbeobachtet fühlt. Anzumerken ist noch, dass er Regeln nicht aus Boshaftigkeit oder um sich einen Vorteil zu verschafft bricht. Frustrationstoleranz ist teilweise gegeben. Hier kann es ebenfalls zu beschriebener Aggressivität kommen, aber mit abnehmender Tendenz im zeitlichen Verlauf des vergangenen Jahres. Das Selbstwertgefühl Xs ist bedingt durch die häusliche Situation gering. 21 4. Behandlungsplanung 4.1 Zielsetzung 4.1.1 Zusammenfassung der Stärken und Defizite Stärken: freundlich & kontaktfreudig Selbstständigkeit lernt schnell dazu hilfsbereit neugierig motiviert offen für neue Ideen gibt sich selbst benötigte Reize geniest propriozeptive & vestibuläre Defizite: hypoton propriozeptive Unterempfindlichkeit kurze Aufmerksamkeitsspanne hohe Ablenkbarkeit Regeln missachten impulsiv kann Kraft nicht richtig einsetzten motorische Unruhe undeutliche Sprache Stimulierung wesentliche Verbesserung von Aufmerksamkeit nach prop. Stimulierung Handlungsplanung äußert eigene Bedürfnisse 4.1.2 Zielvorstellung des Patienten X möchte nach eigenen Angaben in der Ergotherapie „Muskeln bekommen“ 4.1.3 Rehabilitationsziel X soll durch die intensive Förderung nach Ablauf des nächsten Schuljahres zum Übertritt in eine Diagnose Förderklasse befähigt werden. Dort soll er sich in seinem neuen sozialen Umfeld zurechtfinden, sich nach seinen Möglichkeiten integrieren und ein glückliches, zufriedenes Kind sein. 4.1.4 Ergotherapeutische Zielsetzung Grobziel: Regulation des propriozeptiven System Feinziele: - X soll einen adäquaten Tonus aufbauen um Bewegungen sicherer ausführen zu können / um Haltungskontrolle zu verbessern - X soll durch Druck und Zug an den Gelenken seinen Körper besser wahrnehmen - X soll seine Kraft richtig einsetzen - X soll eine Körperposition länger als 10 Sekunden halten - X soll sich durch propriozeptive Reize besser spüren und damit seine Aufmerksamkeitsspanne vergrößern 22 damit er später in der Schule aufmerksam sein kann und seine motorische Unruhe abnimmt, dadurch ergäbe sich auch ein positiver Einfluss auf die Sprache Grobziel: Verminderung der Ablenkbarkeit/Verbesserung der Aufmerksamkeit Feinziele: - X soll sich nicht von Unwesentlichem Ablenken lassen - X soll 15 Minuten bei einer Tätigkeit bleiben - X soll aufgestellte Regeln beachten damit er später in der Schule dem Unterrichtsstoff folgen kann und nicht in Konflikt mit anderen kommt Grobziel: Stärkung der Körpermuskulatur Feinziele: - X soll auf der SI-Schaukel/in der Hängematte seine Nackenmuskulatur trainieren - X soll seine Kraft einsetzten, z.B. beim Aufbauen - X soll sich seiner Kraft bewusst werden damit er seine Fähigkeiten kennen lernt und sie einzusetzen vermag und sein Selbstwertgefühl verbessert(eigenes Ziel) 4.2 Therapieplanung 4.2.1 Begründete Therapiemethode Die Behandlung wird von den Vorstellungen der Sensorischen Integrationstherapie nach J. Ayres geleitet. Diese unterscheidet drei Basissinnessysteme: -taktiles System -propriozeptives System -verstibuläres System Diese Basissinnessysteme stehen in enger Verbindung miteinander und beeinflussen sich gegenseitig. Bei der Therapie werden zwei Systeme miteinander verbunden. (z.B. Hängematte: vestibulär und propriozeptiv) Somit wird nicht nur im problematischen Bereich therapiert und das Kind erfährt nicht stetig seine eigenen Schwächen. Es erhält so die Möglichkeit durch spielerische, meist selbst gewählte Tätigkeiten seine Problematik zu „üben“. Bei einer gewünschten Tätigkeit ist sein Gehirn auch meist in der Lage, die Gefühle, die mit dieser Tätigkeit verbunden sind, sinnvoll aufzunehmen und einzubauen / zu integrieren. Der Therapeut kann natürlich Vorschläge anbieten und das Geschehen behutsam indirekt lenken. Die Therapie soll ihm helfen, beim „Erlernen jeder Geschicklichkeit oder Verstandesleistung oder jedes situationsgerechten Benehmens, welches es in seinem Leben braucht, fähiger zu werden“. (J. Ayres; „Bausteine der Kindlichen Entwicklung“; S.196) 4.2.2 begründete Therapiemittel Die folgenden Therapiemittel sprechen die eben erwähnten drei Basissinnessysteme an. Dabei variieren sie in ihrer Intensität und überschneiden sich teilweise in der Wirkungsweise. 23 „Am intensivsten kommt eine Integration von Sinneseindrücken zustande, wenn das Kind von sich aus einen bestimmten Reiz wünscht…(in Form eines bestimmten Therapiematerials)…und eine Tätigkeit einleitet, durch die es die gewünschte Empfindung erhalten kann“ (J. Ayres; „Bausteine der Kindlichen Entwicklung“; S.196) Einige Beispiele von Therapiematerial in der SI mit Wirkungsweisen: Therapiemittel SI-Schaukel / Brettschaukel / Hängematte Matten & Matratzen Wirkungsweise vestibuläre Stimulation – variierbar durch Intensität propriozeptive Stimulation - durch Zug an den Gelenken Schale (Physioball) vestibuläre Stimulation – aktiv u. passiv propriozeptive Stimulation – Bewegen der Schale und Abstützen propriozeptive Stimulation – Druck und Zug auf Gelenken beim Transport taktile Reize – verschiedenen Bezugsmaterialien / Oberflächen Säckchen aus versch. taktile Stimulation – verschiedene Oberflächenmaterialien, erfühlen Materialen mit des Inhaltes versch. Füllungen propriozeptive Stimulation – unterschiedliches Gewicht beim tragen und auflegen auf den Körper Gymnastikbälle vestibuläre Stimulation – Abrollen propriozeptive Stimulation – Abrollen, Druck auf Gelenke beim Hüpfen auf dem Ball Kletterwand / Sprossenwand Propriozeptive Stimulation – Zug bzw. Druck an Gelenken und Muskeln Vestibuläre Stimulation – Überwinden der Höhe Neben diesen üblichen SI Materialien werden auch andere Materialien mit in die Therapie einbezogen und ins Spielgeschehen integriert. 4.2.3 Begründete Sozialform Die Sensorische Integrationstherapie geht sehr individuell auf das Kind ein. Um professionelles Handeln zu ermöglichen ist die Einzeltherapiesituation angemessen. Nur so kann der Therapeut seine komplette Aufmerksamkeit dem einen Kind zukommen lassen. 4.3 Bisheriger Therapieverlauf 4.3.1 Erste Therapieeinheit (11.07.06 11:00 – 11:45) Ziele: -Kontaktaufnahme, Kommunikation, kennen lernen, -Befundung 24 Therapiematerial: Basketball & -korb, versch. große Schaumstoffrollen, Hüpfball, Sprossenwand, Schale des großen Physioballs (Durchmesser ca. 130 cm), Kissen, Bürste Ablauf: X ließ sich bereitwillig in der Gruppe abholen. Er nahm gleich freudigen Kontakt mit mir auf und war weder schüchtern noch zurückhaltend. Er stürmte gleich in Richtung des Ergotherapieraums und ich hatte Mühe ihm hinterher zu kommen. Im Therapieraum angekommen bat ich X seine Sandalen auszuziehen und sich zu mir auf die Bank zu setzten. Ich stelle mich ihm vor und fragte auch ihn nach seinem Namen und seinem Wohnort. Beides konnte er mir, wenn auch undeutlich gesprochen nennen. Bereits am Anfang bemerkte ich die hohe motorische Unruhe Xs. Es war ihm kaum möglich länger als 30 Sekunden neben mir auf der Bank zu sitzen und mir etwas von sich zu erzählen. Er lief schnell im Raum umher, sprang von Kisten auf Matten und kletterte an der Kletterwand. Ich begab mich folglich auch zur Kletterwand um ihn zu sichern, bat ihn aber nach einem Sprung aus halber Höhe sich doch noch mal zu mir auf die Matte zu setzten und mir zu erzählen was er denn gerne spiele wenn er hier bei Frau Beck in der Ergotherapie ist. X wirkte jetzt etwas ruhiger und erzählte von seiner Vorliebe für Fußball, Basketball und Klettern. Auf die Frage hin, ob er traurig gewesen sei als Deutschland bei der vergangenen Weltmeisterschaft verloren hat konnte er mir keine adäquate Antwort geben, sondern erzählt lückenhaft und schwer zu verstehen das er zusammen mit seinem Papa „immer ganz lange bis es dunkel war Fußball geschaut hat“ Auf die Frage was wir heute spielen wollen, viel seine Wahl sofort auf den Basketballkorb. Im nächsten Moment schnappte er sich den Ball und begann ihn durch das Zimmer zu kicken und immer wieder auf den Korb zu werfen. Ich sah seinem wilden Spiel kurz zu und bat ihn dann erneut kurz zu mir zu kommen um überhaupt zu verstehen worum es in unserm Spiel gehen soll und wie die Regeln sein sollen. X erklärte mir, dass ich ihn angreifen solle und er versuchen würde Körbe zu werfen. Den Regeln fügte ich noch hinzu, dass Basketball auf keinen Fall mit den Füßen gespielt werden darf. X willigte ein. Im Folgenden sollte X fürs erste den Platz vor dem Korb von im Weg stehenden Gegenständen befreien. Dies erledigte er adäquat und ohne nennenswerte Hilfe meinerseits. Im folgenden Spiel wirkte X konzentriert und bei der Sache, vergaß aber oft die Abmachung den Ball nicht mit dem Fuß zu treten, dies besserte sich gegen Ende. Auf Nachfrage welche Regel er nicht vergessen solle konnte er sie wiedergeben. Ich war erstaunt, wie gut er – bezogen auf seinen zarten Körperbau und seinen schlaffen Tonus den Ball auf Korbhöhe, einige Male in den Korb und sogar weit darüber werfen konnte. Als seine Kraft nach lies hatte X die Idee den Ball in einen Eimer zu werfen. Auf meinen Vorschlag hin, einen größeren zu verwenden der leichter zu treffen sei (Physioballschale), ging er nicht ein. Ich ließ mir im Folgenden erneut von ihm die jetzt geltenden Regeln erklären. Dies konnte er mir verständlich machen, wenn auch unter Schwierigkeiten. Es sollte nun abwechseln angegriffen und verteidigt werden, einmal er einmal ich. Bedingt durch die warme Witterung war es im Raum sehr heiß. X setzte sich beim Spiel des öfteren auf eine Matte. Auf meine Frage hin ob er eine kleine Pause möchte sprang er sofort auf und spielte, trotz sichtlicher Erschöpfung und starkem Schwitzen weiter. 25 Etwa 10 Minuten vor Ende der Therapieeinheit fragte ich ihn ob er noch etwas ruhiges, weniger anstrengendes spielen möchte. Ich begab mich zum Schrank, X folgte mir gleich und entschied sich für das Magnetlabyrinth. Auf einer Matte am Boden spielten wir es gemeinsam. Dabei bemerkte ich das X sich nicht von Anfang an sicher war in welcher Hand er den Stift halten solle, nahm ihn aber dann rechts und hielt ihn dort sehr gut. Beim Spiel selbst war er Aufmerksam und wenig motorisch unruhig. Anfangs verlor er die Kugeln wegen seiner schnellen Bewegungen oft, auf meine Anregung hin es ganz langsam zu versuchen gelang ihm die Steuerung besser. Mit der Orientierung hatte er nur minimale Probleme, fand das Ziel aber letztendlich immer vollkommen selbstständig. Nach Ende der Therapieeinheit brachte ich X zu seiner Gruppe und verabschiedete mich bis morgen. Zusammenfassung der Beobachtungen: -freundlicher und offener Junge -äußerst motorisch aktiv -Sprachprobleme schränken ihn in seiner Kommunikation ein -kleiner / zierlicher Körperbau -kann seine Wünsche äußern -hat gute Spielideen, kann diese aber schwer mitteilen -kann keinen Blickkontakt halten -nach propriozeptiven Reizen wurde er ruhiger und auch aufmerksamer -erzählt wenig von seiner Familie -Handlungsplanung gut -körperliche Ausdauer gut 4.3.2 Zweite Therapieeinheit (12.07.06 11:00 – 11:45) Ziele: -X soll Tonus aufbauen -X soll seinen Kopf beim „Fischen“ oben halten -X soll durch schaukeln & drehen propriozeptive und vestibuläre Reize erfahren -Befundung -X soll ausdauernd bei einer Tätigkeit bleiben -X soll nicht vom Rollbrett fallen -X soll bei einer ruhigen Tätigkeit(Oceandrum) motorisch ruhig Sitzen -X soll bei einer ruhigen Tätigkeit eine adäquate Krafdossierung ausweisen -X soll Spaß an der Therapie haben und positives Feedback bekommen Therapiematerial: Ayres Tuch (Hängematte), Matten, Rollbrett, Seil, verschieden Säckchen und Fische, Oceandrum Ablauf: Als ich um 11:00 wie vereinbart kam um X in der Gruppe abzuholen wartete er schon auf mich, obwohl die anderen Kinder im Garten zum Spielen waren. Er begrüßte mich freudig und wollte wie gestern gleich in Richtung Ergotherapie losrennen. Ich rief ihm hinterher, das ich erst eine andere Idee hätte und ob er denn wisse was surfen ist. X bremste ab und schien sofort interessiert. Ich verwies auf das Rollbrett und das mitgebrachte Seil und bedeutete ihm sich auf das Rollbrett zu knien oder setzen, im gleichen Zug erklärte ich X das es verboten sein sich mit den Füßen auf ein Rollbrett zu stellen. Er willigte ein, brach diese Regel jedoch im Verlauf mehrmals. 26 Im Folgenden drehten wir einige Runden durch die große Pausenhalle der Schule. Dabei konnte ich gut die Kokontraktion, den Haltetonus im Sitzen und die Kopfkontrolle beobachten. X konnte sich auf dem Rollbrett halten, aber bei größeren Beschleunigungen und nach einiger Zeit stürzte er einige Male ins „Wasser“. Auffällig dabei war seine Aussage „Nichts passiert“, die immer sofort nach jedem Sturz kam. Am „Froschfenster“ fragte ich X ob er wisse welches Geräusch der Frosch machen würde, worauf er mir erst keine Antwort geben konnte, wohl aber auf Geräusche die er nicht von sich geben würde. Auch während dem „Surfen“ verbalisierte ich mit ihm häufig seine Tätigkeiten durch Nachfragen und Rückfragen. („Sitzt du gut? Wie war die wichtige Regel für das Surfbrett?“) Im Therapieraum hatte ich im Vorfeld bereits die Hängematte aufgehängt. Als wir den Raum betraten stürzte sich X sofort auf selbige. Ich bat ihn mir zu helfen und noch 3 Matten unter die Hängematte zu legen. Beim Matten ziehen bat er mich um Hilfe, hat jedoch einen grossteil der aufgewendeten Kraft selbst vollbracht. Das Zählen der Matten bereitete ihn aufgrund seiner mangelnden Aufmerksamkeit und der „Attraktivität“ der Hängematte Probleme, gelang ihm jedoch als ich ihn zurückholte und ihm dadurch Begrenzung zur besseren Konzentration gab. Im Folgenden setzte sich X in die Matte wie auf eine Schaukel, fand aber auch dann selbst schnell eine stabilere und bequemere Sitzposition. (Breitbeinig durch die Matte, eine hohe Seite als Rückenlehne, Füße weiterhin außen) Als ich seine gute Idee bemerkte freute sich X und begann mit schwungvollem Schaukeln und leichten Drehungen. Im Verlauf der Stunde vollführte er einige Male extrem schnelle und auffällige Drehbewegungen. Auf die Nachfrage ob ihm nicht schwindlig werde meinte er nur, „mir wird es nie schwindlig“. Beim Schaukeln fasste ich X immer wieder an den Fesseln (tiefer Zug auf die Gelenke) um ihn zu beschleunigen oder zu bremsen. Dabei entwickelte sich ein lockeres Gespräch, in dem X zunehmend deutlich und langsam sprach. Er erzähle von Freunden und Haustieren und einem Besuch im Tierpark. Nach einiger Zeit verteilte ich verschiedene Säckchen und Fische auf der blauen Matten unter ihm („im See“). X versuchte sie aus deiner Sitzposition heraus zu erreichen viel dabei jedoch aus der Hängematte. Meinen Vorschlag es in Bauchlage zu versuchen akzeptierte er. Anfänglich hatte ich bedenken, das X seinen Kopf aufgrund des schwachen Tonus halten könnte. Zu beginn erschien es mir schwer, im Verlauf besser und gegen Ende wieder schwerer. X begann die Fische aufzusammeln und hinter sich in sein Boot zu werfen bzw. gab er die schweren mir, damit ich diese auf seinen Rücken, bzw. die Beine legte. Also das Boot voll war ging leider auch die Zeit dem Ende zu. Ich bat X auszusteigen und lenkte seine Aufmerksamkeit auf die Oceandrum. Das Geräusch konnte er schnell und sicher dem Meer zuordnen. Es war ihm dabei möglich die Trommel langsam und adäquat zu bewegen, auch er selbst wirkte äußerst konzentriert. Leises, fast nicht hörbares trommeln konnte er im Anschluss ebenso ausführen. Bei den folgenden Aufräumarbeiten stieß sich X den Ellenbogen, weshalb ich ihm diesen etwas mit dem Coolpack kühlte. Er konnte Kältereize auf den anderen Körperregionen meist zuordnen, jedoch bereitete es ihm große Probleme sich an die „Regel“ zu halten, nicht zu schauen, sondern zu fühlen. Anzumerken ist, dass es witterungsbedingt sehr warm im Raum war und X trotz zunehmender Erschöpfung sehr bemüht war. Für den Weg zurück zur Gruppe holte er sich einen Hüpfball oben aus der Sprossenwand. Dabei bereitete es ihm keine Probleme diese zu erklimmen, bzw. rückwärtig ohne visuelle Kontrolle wieder zu verlassen. An der Tür verabschiedeten wir, dabei fragte X ob ich ihn morgen wieder abholen würde. 27 Zusammenfassung der Beobachtungen: -offen für neue Ideen -testet Grenzen aus / kann Regeln schwer einhalten (auf Rollbrett stellen) -klettern (vor-/rückwärts) bereitet ihm keine Probleme -nach „Unfällen“ äußert er sofort „nix passiert“ -kann verbale Anweisungen umsetzten -anfänglich mangelnde Kopfkontrolle und schwacher Tonus, kompensiert dies durch aufstützen -propriozeptive Reize stärken seinen Tonus und seine Aufmerksamkeit -X kann nach erfolgter starker prop. Reizung ruhige Tätigkeiten ausführen und besser kommunizieren -holt sich bei Bedarf Hilfe 4.3.3 Dritte Therapieeinheit (13.07.06 11:00 – 11:45) Ziele: -X soll Tonus aufbauen -Befundung -X soll sich beim trikefahren an Regeln halten (bremsen) -X soll ausdauernd bei einer Tätigkeit bleiben -X soll starke propriozeptive und vestibuläre Reize durch das Tuch erfahren -X soll taktile Reize zulassen -X soll taktile Reize zuordnen -X soll das Hörmemory lösen ohne aufzustehen -X soll Spaß an der Therapie haben und positives Feedback bekommen Therapiematerial: Trike, Trampolin, großes Segeltuch, Physiobälle, Hörmemory, Bürste Ablauf: Wie schon die Tage zuvor holte ich X um 11:00 in seiner Gruppe ab. Als Fahrzeug hatte ich diesmal das Kindertrike mitgebracht, da sich X dies gestern gewünscht hatte. Auf der folgenden Fahrt durch die Aula hielt sich X gut an die Regel zu bremsen sobald Fußgänger auftauchen. Durch seine schnellen Bewegungen rutschte er beim Fahren öfters vom Pedal ab. Während der Fahrt fiel auf, das X mehrmals absichtlich gegen eine Wand fuhr, um sich selbst tiefensensible Reize zu geben um sich folglich besser zu spüren. Im Therapieraum hatte ich bereits das Trampolin aufgestellt. Nachdem X seine Schuhe ausgezogen hatte begann er sofort zu springen. Ich gesellte mich zu ihm und sprang etwas mit ihm, dabei fragte ich ihn was er heute machen möchte. Er meinte er möchte am liebsten wieder in der Hängematte schaukeln („wie gestern“). Da wir die Hängematte aber nicht im Schrank finden konnten lenkte ich seine Aufmerksamkeit auf das große weiße Segeltuch und fragte ihn ob er dieses ausprobieren möchte. X willigte ein und breitete das Tuch zusammen mit mir aus. Ich erklärte ihm, dass das Tuch in die schwarzen Deckenhacken eingehängt werden muss. X wollte daraufhin einen Stuhl holen, stellte aber schnell fest, dass dessen Höhe nicht ausreicht, um den Haken zu erreichen und suchte daraufhin die Leiter. Leider war auch diese Höhe nicht ausreichend, also hob ich X noch etwas nach oben um ihn weiter aktiv mit in den Aufbauprozess einzubeziehen. Dabei konnte er sich gut fest machen, d.h. ist beim Hochheben nicht weggekippt. Als das Tuch fertig aufgehängt war kletterte X hinein und warf sich heftig im Tuch hin und her. Er schlug Purzelbäume und rollte sich von einer auf die andere Seite. 28 Um sein Interesse hoch zu halten und ihm weiter starke propriozeptive Reize zu setzten begann ich nach einiger Zeit das Tuch zusätzlich zu schütteln („Unwetter“) und es auf eine Seite zu drücken („Welle“). X genoss das Spiel sichtlich, da er sich in hohem Maße selber spüren konnte. Als weitere Variationen warf ich im Anschluss noch 2 verschieden große Physiobälle mit in das Tuch, die X versuchen sollte wieder nach außen zu werfen oder schieben. Beides gelang ihm, jedoch sagte ihm wie erwartet das „Unwetter“ am meisten zu. Gegen Ende der Stunde war es schwer X dazu zu bewegen das Tuch zu verlassen und auf der nebst liegenden Matte noch eine kurze Ruhepause und eine ruhige Tätigkeit auszuüben. Mit dem Kompromiss zu einem finalen „Unwetter“ am Ende gelang es dann mit X noch das geplante Hörmemory zu spielen und ihn noch mittels einer Bürste taktil zu befunden. Das Memory führte er schnell aus, konnte sich aber kaum an die Regel halten, die Filmdöschen nach dem Erkennen der Paare nicht zu öffnen. Ich führe dies auf die Neugierde Xs zurück, weil er z.B. die Döschen mit Wasser nicht öffnete und generell erst nachsah, nachdem er es bereits richtig herausgefunden hatte. Das Bürsten verlief ohne Befund, es gelang X sich still auf die Matte zu Legen und die Körperteile soweit er diese namentlich kannte auch zu benennen. Zum Abschluss war X sehr schnell zurück im Tuch und „genoss das Unwetter“. Im Anschluss brachte ich X zurück in seiner Gruppe, ermeinte jetzt großen Hunger zu haben und wirkte fast etwas erschöpft, d.h. ging für seine Verhältnisse langsam zurück zur Gruppe. Zusammenfassung der Beobachtungen: -gibt sich durch Unfälle mit dem Trike selbst starke Reize -ist neugierig -Hand gute Handlungsplanung (Leiter) -geniest starke propriozeptive Reize beim „Unwetter“ -kann seine Körperteile bei Bürsten benennen -Memory führt er sehr schnell aus -nach intensiver Reizung (selbst Spüren) geht er in normalem Tempo zurück 4.3.4 Vierte Therapieeinheit – Geplant (14.07.06 10:00 – 10:45) Ziele: -X soll Tonus aufbauen um die nötige Stellungssicherheit zu erhalten -X soll ausdauernd bei einer Tätigkeit bleiben -X soll nicht vom Rollbrett fallen -X soll seine Koordination trainieren (Angel) -X soll beim Schaukeln auf der SI Schaukel vestibuläre und propriozeptive Reize erfahren -X soll Spaß an der Therapie haben und positives Feedback bekommen Therapiematerial: SI-Schaukel, Matten, verschiedene Fische/Säckchen, Magnetangel, Wanne (Aquarium), Rollbrett, Seil Ablauf: Da X am Folgetag des ersten Fischens bereits erneut danach fragte entschied ich mich für die Planung einer ähnlichen Stunde, aber unter erschwerten Bedingungen. Die Hängematte wird durch die SI-Schaukel ersetzt und Fische sollen nicht mit der Hand sondern der Angel aufgehoben werden. Um dabei nicht ins „Wasser“ zu fallen benötigt X eine gewisse Stellungssicherheit. 29 Um den benötigten Grundtonus aufzubauen hole ich X wieder mit dem Surfbrett ab. Ich erkläre ihm, dass es wichtig sei nicht zu stürzen und lasse mir dies auch noch mal von ihm bestätigen. Um sein Interesse in Richtung der SI-Schaukel und auf das Angelspiel aus einer vergangenen Therapiestunde zu lenken werde ich diese bereits vor beginn der Therapie aufhängen. Begeistert er sich dafür bitte ich ihn noch vier blaue Matten darunter zu verteilen. Nach einigen Minuten schaukeln werde ich ihm die Angel geben und einige Fische im Wasser (Matten) unter ihm verteilen die er nach dem Angeln in die aufgestellte Wanne (Aquarium) werfen soll. Sind alle Fische geangelt, werde ich ihm eine kurze Geschichte vom Seeungeheuer erzählen und deshalb versuchen ihn von seinem Bot zu werfen. Er soll sich also gut festhalten um nicht über Bord zu gehen. Zwischen den einzelnen ngeheuerattacken werde ich ihn über „sanfte Wellen“ gleiten lassen, sodass er auch kurze Phasen der Ruhe hat. Durch das Festhalten erfährt er starken Zug auf die Gelenke und dadurch propriozeptivedurch die Beschleunigung der Schaukel verstibuläre Reize. Dieses Spiel werde ich bis zum Ende der Therapieeinheit fortführen. Ca. 10 Minuten vor Ende werde ich X auf die Zeit hinweisen und ihn fragen, ob er noch einige Ungeheuerattacken überstehen kann oder lieber sein Boot und sich mit Säcken beladen möchte. Egal wie seine Wahl ausfällt werde ich ihn die letzten beiden Minuten ruhig schaukeln und ihm ein positives Feedback aufgrund seines bestandenen „Abenteuers“ zu verschaffen. Danach werde ich ihn zurück in seine Gruppe begleiten. 4.4 Planung der exemplarischen Therapieeinheit 4.4.1 Zielsetzung X soll durch den Absprung/Pizzabacken propriozeptive Reize erfahren um seinen Körper dadurch besser zu spüren und um Aufmerksamkeit zu verbessern X soll durch die Beschleunigung (Seilbahn&Rollbrett) verstibuläre Reize erfahren um seine motorische Unruhe positiv zu beeinflussen und die Aufmerksamkeit zu verbessern X soll Körpertonus aufbauen um sich an der Seilbahn zu halten und den Turm umzustoßen X soll X soll Körpertonus aufbauen um nicht vom Rollbrett zu fallen X soll Spaß an der Therapiestunde haben 4.4.2 Begründete Therapiemethode Die Behandlung wird von den Vorstellungen der Sensorischen Integrationstherapie nach J. Ayres geleitet. Diese unterscheidet drei Basissinnessysteme: -taktiles System -propriozeptives System -verstibuläres System Diese Basissinnessysteme stehen in enger Verbindung miteinander und beeinflussen sich gegenseitig. Bei der Therapie werden zwei Systeme miteinander verbunden. (z.B. Hängematte: vestibulär und propriozeptiv) Somit wird nicht nur im problematischen Bereich 30 therapiert und das Kind erfährt nicht stetig seine eigenen Schwächen. Es erhält so die Möglichkeit durch spielerische, meist selbst gewählte Tätigkeiten seine Problematik zu „üben“. Bei einer gewünschten Tätigkeit ist sein Gehirn auch meist in der Lage, die Gefühle, die mit dieser Tätigkeit verbunden sind, sinnvoll aufzunehmen und einzubauen und zu integrieren. Der Therapeut kann natürlich Vorschläge anbieten und das geschehen behutsam indirekt lenken. Die Therapie soll „ihm helfen, zum Erlernen jeder Geschicklichkeit oder Verstandesleistung oder jedes situationsgerechten Benehmens, welches es in seinem Leben braucht, fähiger zu werden“. (J. Ayres; „Bausteine der Kindlichen Entwicklung“; S.196) 4.4.3 Begründete Therapiemittel Da es üblich ist, das sich die Kinder das Material für ihre Stunde selbst aussuchen kann ich lediglich versuchen das Interessen von X in eine bestimmte Richtung zu lenken. Die letztendliche Wahl hängt von ihm ab, jedoch ist es leicht X für eine Idee zu begeistern. Da im Vorfeld zur Therapie X wahrscheinlich noch nicht im Garten war und sich entsprechend Stimulieren konnte, möchte ich ihn um einen gewissen Grundtonus aufzubauen und um seine Aufmerksamkeit zu steigern mit der Surfbrett (Rollbrett) abholen. Im späteren Verlaufen kommen dann hinzu: Seilbahn – vestibuläre / propriozeptive Stimulation Weichbodenmatten – Tonusaufbau und Kraft Training beim Aufbau, propriozeptive Reize beim Landen auf der Matte Schaumstoffrollen – propriozeptive Stimulation evtl. Tunnel mit Kissen – propriozeptive Stimulation evtl. Säckchen – propriozeptive Stimulation durch Druck und Zug an den Gelenken evtl. Ballbad – propriozeptive Stimulation durch Druck des Eigengewichts auf weniger Fläche (Ballkontaktflächen) 4.4.4 Begründete Sozialform Die Sensorische Integrationstherapie geht sehr individuell auf das Kind ein. Um professionelles Handeln zu ermöglichen ist die Einzeltherapiesituation angemessen. Nur so kann der Therapeut seine komplette Aufmerksamkeit dem einen Kind zukommen lassen. X befindet sich den ganzen Tag in der Rolle eines Gruppenmitglieds, sei es in der Familie oder in der SVE-Gruppe. Wie bereits erwähnt benötigt X ein hohes Maß an Zuwendung und diese erfährt er am besten in der Situation der Einzeltherapie. 4.4.5 Behandlungsdurchführung Vorbereitung des Raums: -Seilbahngriff an die Rolle hängen -große Weichbodenmatte mittig in den Raum legen -schiefe Ebene für Seilbahnanlauf an Sprossenwand anbringen 31 Einführungsphase: (ca. 5 -10 Minuten) Ich werde X mit dem Surfbrett / Rollbrett und Seil in seiner Gruppe abholen, eine kleine Runde in der Aula und dann zum Therapieraum fahren. So entsteht für ihn eine aus den letzten Tagen gewohnte Situation. Diese Aktivität bereitet ihm Spaß und dient zusätzlich dem Tonusaufbau (Zug an den Gelenken) und schult seine Stellungssicherheit. Ich kann mir so bereits vor der eigentlichen Therapie ein Bild vom heutigen Verfassungszustand Xs machen. Unterwegs werde ich X erzählen, das wir heute eine Zuschauerin haben werden, wir aber trotzdem wie immer miteinander spielen werden. („Die hat keine Ahnung und will mal zuschauen“) Im Zimmer begrüßen wir Frau Stenzel und Frau Beck und setzten uns auf die Matte. Ich hoffe, dass X durch die Anwesenheit mehrerer und einer zusätzlich fremden Person nicht zu stark abgelenkt wird. Ich werde ihn bitte seine Schuhe und soweit vorhanden seine Strümpfe auszuziehen. Aktionsphase: (ca. 30 Minuten) Falls X nicht sofort die ansatzweise aufgebaute Seilbahn „ansteuert“ frage ich ihn ob er eine Idee für heute hat, versuche aber seine Aufmerksamkeit (z.B. durch die Sitzposition auf der Matte) etwas in Richtung der Seilbahn zu bewegen. Sein Interesse versuche ich mit der Idee zu wecken Fallschirm zu springen. Er muss dabei ein bestimmtes Zielgebiet genau treffen (Matte). Hat er den Entschluss gefasst frage ich ihn was seiner Meinung nach noch fehlt um die Seilbahn zu benutzen ohne sich dabei zu verletzten. Falls nötig gebe ich hierbei Hilfestellung. Im Folgenden soll X die Matte auf der wir sitzen an das Ende der Seilbahn schieben. Dazu sollen noch die kleine Weichbodenmatte um einen Aufprall an der Wand zu verhindern und der grüne Kuschelsack als Trefferziel. Den Weg bis zum Zielgebiet und neben der schiefen Eben soll er noch mit weiteren Matten auspolstern. Ich werde ihm dabei Helfen, falls er nach meine Hilfe fragt dabei aber nur Hilfestellung geben um ihm nicht die wertvollen Reize zu entziehen die er schon beim Aufbau erfährt. Ist alles fertig aufgebaut, soll X einige Male mit der Seilbahn fahren und sich am Ende in den grünen Sack fallen lassen. Reicht ihm dabei seine eigene Anschubgeschwindigkeit nicht aus werde ich ihn etwas anschieben. Nach einigen Fahrten frage ich ihn, ob er es schafft auf dem „Flug zum Zielgebiet“ noch einen Turm umzuwerfen. Diesen baue ich im Anschluss mit ihm zusammen aus den beiden Schaumstoffrollen auf. Dieses Spiel führe ich bis zum Ende der Therapieeinheit mit ihm fort. Diese Planung stellt nur das Grundgerüst dar, mögliche Abänderungen, Erweiterungen und Variation werden im nächsten Gliederungspunkt beschrieben. Während der ganzen Stunde werde ich nahe an X arbeiten um ihn die benötigte menschliche Zuwendung zu geben und um seine Aufmerksamkeit bei der eben vollführten Tätigkeiten zu halten. Schlussphase: (ca. 5 -10 Minuten) Ca. 10 Minuten vor Ende werde ich X auf die Zeit hinweisen und ihn fragen, ob er als wagemutiger Fallschirmspringer nicht Hunger auf eine Pizza hätte. In diesem Zug frage ich ihn ob er das spiel Pizzabacken kennt. 32 Ich bitte ihn sich flach auf die Matte zu legen und frage ihn was er gerne auf einer Pizza mag. Für jeden Belag werde ich ihm verschiedenen tief massieren. Am Ende backe ich ihn/die Pizza zwischen 2 Matten. Beim Belegen werde ich ihm bereits positives Feedback aufgrund seines bestandenen „Abenteuers“ geben. Danach werde ich ihn zurück in seine Gruppe begleiten. Den Therapieraum werde ich im Anschluss selbst aufräumen. 4.4.6 Alternative Planung / Variationen falls es die Situation erlaubt bzw. erfordert werde ich zusammen mit X nach der Landung noch den Tunnel anschließen und das Spiel somit zu einem Parcours ausweiten o möglich währe es noch, den Tunnel zur zusätzlichen propriozeptiven Stimulation mit Kissen zu füllen durch die sich X „durchboxen“ muss o denkbar währe auch, X den Auftrag geben nach dem Absprung Schätze (in Form von schweren Säckchen bergen zu lassen und diese zurück zum Anfang in eine Wanne zu schleppen/transportieren) diese könnten alternativ auch mit dem Rollbrett befördert werden Schätze könnten auch im Ballbad versteckt sein falls die Seilbahn im Verlauf kaputt gehen sollte oder es X sehr schlecht gelingt sich mit ihr adäquat Fortzubewegen(auch mit Hilfestellung) ersetze ich die Strecke durch 1 Weichbodenmatte vor der Sprossenwand ein Trampolin und einem Seil zum „Tarzanschwingen“ auf die Zielmatte an der Wand. Der fallschiwmspringer wird folglich auf Dschungelkämpfer abgeändert falls X sich eine andere Tätigkeit aussucht werde ich mich darauf einstellen, meine Ziele aber im Auge behalten und versuchen sie anhand dieser Tätigkeit zu erfüllen falls X durch die Anwesenheit von Frau Stenzel gehemmt oder stark abgelenkt ist, werde ich versuchen ihm Sicherheit und Geborgenheit zu geben und ihn trotzdem für ein Spiel zu gewinnen falls X am Sichtstundendtermin krank ist, werde ich meine Stunde mit einem anderen Kind durchführen. Dabei werde ich denselben geplanten Ablauf im Auge behalten, mich aber auf die Ziele des „Ersatzkindes“ einstellen und dementsprechend die Aufgabenstellung ändern. 4.4.7 Arbeitsplatzbeschreibung In der Schulvorbereitenden Einrichtung werden ca. 100 Kinder im Alter von 3 bis 8 Jahren betreut und gefördert, die Sprachauffälligkeiten, Entwicklungsverzögerungen, Milieuschäden, Verhaltensauffälligkeiten, Wahrnehmungsstörungen und Behinderungen jeglicher Art aufweisen. Hier werden die Kinder je nach Entwicklungsstand auf die spätere Schule vorbereitet (Schule für geistige Behinderung, Diagnose Förderklasse, Regelschule) Die Behandlung richtet sich sehr individuell nach dem Kind, da der Entwicklungsstand, bzw. die körperliche, kognitive und soziale Verfassung des Kindes es oft nicht ermöglichen sich strikt an ein bestimmtes Behandlungskonzept oder gar eine exakte Planung zu halten. 33 Durch die offen gestaltete Therapie in der das Kind nach seinen Wünschen und Stärken handelt ist es Aufgabe des Therapeuten, die Therapieziele in das Handeln des Kindes zu integrieren, es somit zu fördern und zu unterstützen. Der Therapieraum ist geräumig mit einer Größe von ca. 50m ². Eine durchgehende Glasfront an einer Längsseite sorgt für ausreichende Beleuchtung mit Tageslicht. Bei Sonneschein hat diese sonst sehr schöne Glasfront den Nachteil unheimlicher Wärmeleitung ins Innere des Zimmers, welches sich dann sehr stark aufheizt. Im Falle von Dunkelheit bzw. schlechtem Wetter steht ausreichende Beleuchtung zur Verfügung. Entlang der kompletten Fensterfront befindet sich eine Bank unter der sich die Heizung befindet. An der Wand gegenüber und an der anschließenden linken Wand befindet sich eine professionelle Kletterwand, vor der meist die Trampoline und große Weichbodenmatten stehen. Rechts der Bank befinden sich Schreibtisch und Sprossenwand. Direkt neben der Tür befindet sich ein großer Schrank mit Therapiematerialien und Spielen. Desweiteren befinden sich im Raum, jedoch mit ständig wechselnden Positionen: 2 Schalen mit Physiobällen 2 kleine Trampoline große Ballkiste (auf Rollen) Pertrakasten 4 Tonnen mit Säckchen Roller Große Kugelbahn Das hölzerne Spitzdach des Raumes wird von mehreren Balken durchzogen, an denen sich diverse Aufhängevorichtungen befinden. Der Sitzplatz von Frau Stenzel und Frau Beck ist nicht vordefiniert, sollte aber soweit möglich auf der Bank am Fenster und nicht zu zentral sein, um für X nicht übermäsig wichtig und präsent zu wirken. 34 5. Anhang 5.1 Quellen: 1. Gespräch mit der Ergotherapeutin 2. Gespräch mit der Logopädin 3. Gespräch mit der Physiotherapeutin 4. Gespräch mit der Erzieherin 5. Eigne Notizen aus Behandlungseinheiten 6. Hausakte 5.2 Literaturverzeichnis: 1. Pschyrembel, klinisches Wörterbuch; 259. Auflage; Berlin: de Gruyter, 2002 2. Ayres, Jean; „Bausteine der kindlichen Entwicklung“; 2. Auflage; Berlin: Springer; 1992 3. Scheepers, Clara u.a.; „Vom Behandeln zum Handeln“; 2. Auflage; Stuttgart: Thieme; 2000 4. S.Pauli / A.Kirsch; „Was ist los mit meinem Kind“; 1. Auflage; Freiburg: Ravensburger; 1992 5. Spallek, Roswitha; „Gesunde Sinne für starke Kinder“; 1. Auflage; Düsseldorf: Walter; 2004 6. Unterrichtsmaterialien Fach Neurophysiologie – Curt K.H. Neumeier 7. DVE; „Indikationskatalog Ambulante Ergotherapie“; 1. Auflage; Idstein: SchulzKirchner; 2001 Verfassererklärung: Hiermit erkläre ich, den Bericht eigenständig und ohne fremde Hilfe angefertigt zu haben und nur die angegebene Literatur und Quellen verwendet zu haben. Fürth, den 14.07.2006 Stefan Volmer 35