Politische Identitäts- und Bewusstseinsbildung im Kontext - Phil.-So.

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Politische Identitäts- und Bewusstseinsbildung im Kontext europabezogenen Lernens
Grundlegende Intentionen und Fragestellungen
Die Einführung des Euros als gemeinsame europäische Währung, die Erweiterung der
Europäischen
Union
auf
nunmehr
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Mitgliedsländer,
das
Forschreiten
des
Ratifizierungsprozesses der Europäischen Verfassung sowie die weitere Bündelung ehemals
nationalstaatlicher Politikfelder auf europäischer Ebene verdeutlichen, dass die Europäische
Union die einzelnen Bürgerinnen und Bürger in ihrer Alltagswelt stärker betrifft, als das
bisher allgemein wahrgenommen wurde. So sind zum Beispiel schon jetzt über 50 Prozent
aller nationalen Gesetze Ausdruck europäischer Rechtssetzung. Insbesondere Jugendliche
können sich der zunehmenden Europäisierung nicht verschließen, da sie das Europa von
morgen gestalten werden. Europabezogenes Lernen und der intensiver werdende
interkulturelle Austausch werden im zusammenwachsenden Europa immer mehr zu einer
Selbstverständlichkeit, zumal Schule, Ausbildung, Beruf und Freizeit weiter europäischen
Charakter annehmen. Die Bedeutung von Entscheidungen auf europäischer Ebene steht dabei
jedoch offenkundig in Diskrepanz zu den geringen Wissensgrundlagen und ambivalenten
Einstellungen, die in der Regel mit Europa verbunden sind. Hinsichtlich der Akzeptanz bei
Jugendlichen und jungen Erwachsenen steckt die EU in einer „Erfolgsfalle“. Die mit dem
Integrationsprozess verbundenen Folgen – wie z.B. die offenen Grenzen, der freie
Warenaustausch, die EU-Mitgliedschaft – betrachten Jugendliche als Selbstverständlichkeit.
Andererseits entstehen aber Risiken für ihre Alltagsbewältigung, z.B. wachsende Mobilität
und Freizügigkeit bei der Arbeitssuche, aber auch steigender technologischer Wandel und
immer häufiger notwendige berufliche Umorientierung. Europäische Entwicklungen und
Lernerfahrungen sowie interkulturelle Lehr- und Lernräume finden sich zusehends auch „vor
Ort“. Für viele Jugendliche wird es insgesamt immer schwieriger, die besonderen Vorteile der
EU wahrzunehmen, da die notwendige affektive und kognitive Bindung selten gegeben ist.
Obwohl die EU ein hochkomplexes und dynamisches Aufgabenfeld der politischen
Bildung darstellt und der Umgang mit europäischer Komplexität in der Schule dezidiert
gefordert wird, scheint es bislang nicht zu gelingen, eine europapolitische Bildung zu
vermitteln. Diese kann nicht die Aufgabe haben, für die EU zu werben, sondern muss die
tatsächliche politische Bedeutung der europäischen Integration verständlich machen,
Probleme und offene Zukunftsfragen herausarbeiten und eine reflektierte Urteilsbildung
fördern. Letztlich ist davon auszugehen, dass die Politische Bildung partiell daran scheitert, an
bestehende Einstellungsmuster, Vorurteilsstrukturen und Europabildern von Jugendlichen
anschlussfähig anzuknüpfen, weil über die europäischen Identitäts- und Bewusstseinsbildung
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bei Kindern und Jugendlichen noch zu wenig bekannt ist. Um sich diesem
Forschungsdesiderat zu nähern, geht das Forschungsvorhaben der Fragestellung nach, wie
eine europäische Identitäts- und Bewusstseinsbildung bei Jugendlichen geprägt wird und wie
diese gefördert werden kann.
Im Besonderen wird dabei zu fragen sein: In welchen Lebensweltbezügen begegnen
Jugendliche der europäischen Wirklichkeit? Wie nehmen sie den Prozess der politischen,
wirtschaftlichen und sozialen Integration einschließlich gegenläufiger Tendenzen in Europa
wahr? Wie wird Jugendlichen bewusst, dass sie in ihrem Alltag und für ihre Zukunft von
diesem Prozess betroffen sind? Wie nehmen Jugendliche wahr, dass sie zukünftige
Bürger/innen
eines
größeren,
grenzüberschreitenden
Gemeinwesens
sind?
Welche
Informationen über Motive und Perspektiven des europäischen Integrationsprozesses sind für
Jugendliche wichtig? Wie reflektieren und bewerten sie diese Informationen? Wie können
Jugendliche eine europäische Identität hin zum „Europa-Bürger“ entwickeln?
Zur Hypothesenbildung wird hierbei die Vision einer europäischen Bewusstseinsbildung
auf der Basis der bisher kaum vorhandenen politikdidaktischen Ansätze kategorial
aufgeschlüsselt. Daraus könnte sich ein Indikatoren-Set ergeben, das unter anderem folgende
Aspekte politischer Sozialisationsprozesse bei Kindern und Jugendlichen umfasst: Kultureller
Hintergrund
Soziometrische
der
Herkunftsfamilie
Daten,
Motivation
bzw.
zum
Migrationshintergrund,
Spracherwerb,
Idole,
Familienbilder,
Peer-Group-Milieu,
Mediennutzung, Reisen, Wissen über Europa, Bürgerleitbilder, Schulerfahrungen etc. .
Methodischer Ansatz
- Schriftliche Befragung mit weitgehend standardisiertem Fragebogen, ggf. ergänzt durch
Leitfadeninterviews mit Jugendlichen der Sekundarstufen I und II
- Lehrplananalysen und Schulbuchvergleiche
Einordnung in Fachgebiete und Forschungsprofile der Universität Augsburg
Die europäische Dimension der Polischen Bildung bezieht sich insbesondere auf den Bereich
des Interkulturellen Lernens und der Internationalen Politik. Der Lehrstuhl für Didaktik der
Sozialkunde
sieht
sich
in
diesem
Zusammenhang
zur
Vermittlung
einer
bürgergesellschaftlichen politischen Kultur verpflichtet, die über die ethnischen und
politischen Grenzen des Nationalstaates hinausgeht und die europäische Vernetzung von
Gesellschaften und politischen Systemen in ihrer Komplexität, Abstraktheit und Kohäsion etc.
thematisiert. Insofern ergeben sich auf diesem Gebiet enge Bezüge zur Internationalen Politik
im Rahmen der Politikwissenschaft. Da die europäische Wirklichkeit vor dem Hintergrund
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der kulturellen Heterogenität der gegenwärtigen Schülergeneration die Schulen längst erreicht
hat, lässt sich das Forschungsvorhaben auch im DFG-Sonderforschungsbereich Heterogenität
und Bildungserfolg sowie im geplanten Kompetenzzentrum Kultur- und Bildungswissenschaft
verorten.
Modularisierung / Bereitstellung von Modulen
Die Einbindung der europäischen Dimension politischer Bildung in die Modularisierung der
verschiedenen Studiengänge erfolgt in gleicher Weise wie in dem bereits beschriebenen
Forschungsprojekt zur UN-Weltdekade der Bildung für nachhaltige Entwicklung (siehe Seite
4).
Kooperation mit Bildungsinstitutionen
- Hauptschulen und entsprechende Schulämter verschiedener Landkreise und kreisfreier
Städte
- Gymnasien und Realschulen.
Aktueller Stand des Forschungsvorhabens und Kontextualisierung in der Lehre
Zielperspektiven der auf die EU ausgerichteten Lehrveranstaltungen soll es sein, dass
Studierende in die Thematik des europabezogenen Lernens eingeführt werden. In diesem
Zusammenhang sollen sie Gelegenheit erhalten, im Rahmen des forschenden Lernens in der
Schule selbst Aspekte einer Identitäts- und Bewusstseinsbildung bei Jugendlichen zu
ermitteln und zu fördern.
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