ein ort zum entdecken - Museo Nazionale della Scienza e della

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EIN ORT ZUM ENTDECKEN:
VERMITTLUNG
NATURWISSENSCHAFTLICHER UND
TECHNISCHER INHALTE IM MUSEUM
Herausgegeben von Maria Xanthoudaki
Mit Beiträgen von:
Etienne Bolmont und Francis Colson
Jef van den Bosch
Filip Cremers
Zita Felfoldi und Judith Holler
Pilar López García-Gallo, Dolores Ramírez Mittelbrunn und Soraya Peña de Camus Saez
Enrico Miotto
Traudel Weber
[logo dell’Unione Europea]
Mit Unterstützung des Sokrates-Programms der Europäischen Union
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EIN ORT ZUM ENTDECKEN:
VERMITTLUNG NATURWISSENSCHAFTLICHER UND TECHNISCHER
INHALTE IM MUSEUM
Herausgegeben von Maria Xanthoudaki
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EIN ORT ZUM ENTDECKEN:
VERMITTLUNG NATURWISSENSCHAFTLICHER UND TECHNISCHER INHALTE IM
MUSEUM
Herausgegeben von Maria Xanthoudaki
2003
Copyright © 2002 SMEC (‘School-museum cooperation for the improvement of the teaching and
learning of sciences [Zusammenarbeit zwischen Schulen und Museen zur Förderung des Lehrens
und Lernens naturwissenschaftlicher Inhalte]’ europäisches Projekt)
DER INHALT WURDE IN FOLGENDE SPRACHEN ÜBERSETZT:
ENGLISCH FRANZÖSISCH
ITALIENISCH SPANISCH
DEUTSCH UNGARISCH
Die Übersetzungen stehen als PDF-Dateien auf der Website des Projektes zur Verfügung:
www.museoscienza.it/smec
Weitere Informationen erhalten Sie von:
Salvatore Sutera
Museum of Science and Technology
Via San Vittore 21, 20123 Mailand, Italien
ISBN ……………………
Mit Unterstützung des Sokrates-Programms der Europäischen Union
Impaginazione e stampa T&T Studio, San Donato Mila.se (Milano)
Printed in Italy
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INHALTSVERZEICHNIS
VORWORT
Salvatore Sutera
S. 5
EINFÜHRUNG
EIN ORT ZUM ENTDECKEN: MUSEEN ALS BILDUNGSRESSOURCEN
Maria Xanthoudaki
S. 9
1. KAPITEL
Der Unterhaltungswert von Museen: über die schwierige Beziehung
eines Museums zu seinen Besuchern
Filip Cremers
S. 18
2. KAPITEL
Museen und Schulen: Blick auf eine Beziehung
Traudel Weber
S. 27
3. Bildung im Naturwissenschaftlichen Museum in Madrid
Pilar López García-Gallo, Dolores Ramírez Mittelbrunn und
Soraya Peña de Camus Saez
S. 36
4. KAPITEL
Museen und Schulen: Zum Beispiel das Museum für Wissenschaft und
Technik in Mailand ‘Leonardo da Vinci’
Enrico Miotto
S. 44
5. KAPITEL
Entdeckungen mit den fünf Sinnen
Zita Felfoldi und Judith Holler
S. 52
6. KAPITEL
Praktische Erfahrungen mit Museen
Etienne Bolmont und Francis Colson
S. 61
7. KAPITEL
Die Aktivitäten im Museum van de Speelkaart im Kontext des flämischen
Lehrplans für Grundschulen
Jef Van Den Bosch und Filip Cremers
S. 73
4
VORWORT
Salvatore Sutera, Projektleiter
Museo Nazionale della Scienza e della Tecnologia “Leonardo da Vinci”, Mailand, Italien
Mit großem Vergnügen initiiert und koordiniert das Museo Nazionale della Scienza e della
Tecnologia [Museum für Wissenschaft und Technik] “Leonardo da Vinci” das Projekt “Schoolmuseum cooperation for the improving of teaching and learning of sciences [Zusammenarbeit
zwischen Schulen und Museen zur Förderung des Lehrens und Lernens naturwissenschaftlicher
Inhalte]”, zu dem auch dieses Buch gehört. Das Projekt ermöglicht die Zusammenarbeit mit
wichtigen Partnern, wie beispielsweise dem Deutschen Museum in München, dem
Naturhistorischen Museum in Budapest, dem Naturwissenschaftlichen Museum in Madrid, dem
Spielkartenmuseum in Tournout, Belgien, dem Katholischen Kolleg der Region Kempen, dem
Universitätsinstitut für Lehrerausbildung in Lothringen und dem Regionalen Institut für
Bildungsforschung in der Lombardei. Es wird von der Europäischen Union (Sokrates-Programm)
finanziert, der ich auch im Namen aller beteiligten Partnerinstitutionen meinen Dank aussprechen
möchte.
Das Museo Nazionale della Scienza e della Tecnologia hat sich sehr stark für dieses Projekt
eingesetzt, denn es ist eine Möglichkeit, die bereits vorhandenen, langjährigen Kenntnisse im
Bereich der Bildungsprogramme für Schulen auszubauen und zu bereichern. Das Projekt schafft
die Grundlage für einen Erfahrungsaustausch nicht nur zwischen den auf diesem Gebiet aktiven
italienischen Institutionen, sondern auch zwischen Institutionen auf europäischer Ebene und zielt
darauf ab, die Basis für eine gemeinsame Arbeit von Schulen und Museen zu schaffen, die zur
Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse beiträgt. Überdies ist das SMEC-Projekt ein Werkzeug,
mit dem die Bedeutung von Museen als pädagogische Ressource für das Lernen der Schüler und
für Lehrerfortbildung gestärkt und in der Folge die Rolle der Bildungsabteilung im Museum als
wichtiger Bereich innerhalb der Institution, sowie die Notwendigkeit einer speziellen Ausbildung
für die mit der Bildungsarbeit betrauten Museumsmitarbeiter betont wird.
Das SMEC-Projekt im Rahmen der MNST-Umbildung
Mit der Gründung einer Stiftung für das Museum für Wissenschaft und Technik in Mailand
(MNST) werden bildungsrelevante Ziele in zweifacher Hinsicht gefördert: Einerseits wird die
historische Identität des Museums gestärkt, indem Sammlungen betont werden, andererseits wird
ein innovativer Ansatz zur Bildungsarbeit angestrebt, der auf interaktiven Aktivitäten ähnlich
einem Science Center basiert.
Im Rahmen der institutionellen und organisatorischen Umbildung, die gegenwärtig im
MNST stattfindet, wird auch die Abteilung für Museumspädagogik/Bildung erneuert werden. In
den Jahren 2002-2004 (also zeitgleich mit dem SMEC-Projekt) wird sich die Arbeit der
Abteilung für Museumspädagogik darauf konzentrieren, die bestehenden Bildungsangebote zu
konsolidieren, neue Angebote zu entwickeln und überdies die Strategien zu benennen, die nötig
sind, damit die Stiftung zu einem Ort wird mit ausgeprägtem interaktivem Ansatz in der
Bildungsarbeit und den Voraussetzungen für informelles Lernen. Zeitgleich mit der
institutionellen Umbildung wird die Form, wie die permanente Sammlung ausgestellt wird,
überdacht und durch die Bildung spezieller Abteilungen und Themengebiete verbessert.
Im Kontext einer allgemeinen Reform der Wissenschaftsvermittlung, die sowohl in den
naturwissenschaftlichen Museen als auch in den Zentren für die Verbreitung von
Naturwissenschaft stattfindet, schafft die Hypothese des MNST eine interessante Situation, die
insbesondere diejenigen Schwierigkeiten berücksichtigt, denen sich verschiedene 'traditionelle'
Museen und Science Centers in ihrer Rolle als Bildungsträger für die Öffentlichkeit gegenüber
5
sehen. Einerseits gibt sich das Publikum, speziell die Jüngeren, kaum mehr nur mit der
historischen Dimension zufrieden; andererseits sahen sich Science Centers, denen diese
historische Dimension fehlt, die sie zur Museumswelt gehören lassen würde, mit verschiedenen
Problemen konfrontiert. Letztere scheinen mittlerweile gelöst zu sein, da Science Centers
zunehmend eine gewisse historische Sichtweise herstellen können. In diesem Kontext betrachtet
das MNST Tradition und Innovation als ebenbürtig - eine Herausforderung, deren Folgen erst in
den nächsten Jahren offenkundig werden wird.
Eine solche Wahl berücksichtigt auch verschiedene praktische Aspekte: Zunächst die
Frage, wer die finanziellen Mittel (privat oder öffentlich) bereitstellt, die in Italien im Gegensatz
zu anderen europäischen oder amerikanischen Ländern immer noch ausgesprochen limitiert sind.
Dieses Problem wird besonders deutlich, wenn man bedenkt, dass sich das MNST größenmäßig
durchaus mit anderen europäischen Museen messen kann, jedoch über ein weitaus kleineres
Budget verfügt (im Mittel 1/10).
Zweitens entstehen Science Centers, ebenso wie Museen, nicht aus 'heiterem Himmel'.
Neben den erforderlichen wissenschaftlichen und finanziell-verwaltungstechnischen
Projektarbeiten bedarf es einer Vorbereitungsperiode, in der sich die Mitarbeiter, die die
Aktivitäten organisieren und realisieren, eine Arbeitsweise aneignen müssen, die sich von der in
herkömmlichen Museen unterscheidet. In diesem Zusammenhang entschied man sich, auch dank
der finanziellen Mittel, die das Ministerium für Bildung, Universitäten und Forschung
bereitgestellt hatte, das MNST während dieser Vorbereitungsphase nicht zu schließen, sondern
während der Renovierung für die Öffentlichkeit geöffnet zu lassen und eine Struktur zu
entwickeln, die Bildungsangebote ermöglicht, wie sie in anderen europäischen Museen bereits
angeboten werden: tatsächlich wurden 18 neue interaktive Bereiche geschaffen.
Drittens ist die Öffentlichkeit, die das Museum anziehen kann, ein weiterer wichtiger
Faktor, um die Funktionalität des Museumsprojektes zu bewerten. Zu den Zielen gehören unter
anderem höhere Besucherzahlen und verbesserte Zugänglichkeit des Museums.1
Das SMEC-Projekt im Rahmen der Bildungsmission des MNST
Im Rahmen der Förderung des Bildungsangebotes ist das MNST auch bestrebt, Aktivitäten für
Schulen zu entwickeln; Aktivitäten, mit denen sich das Museum Zeit seines Bestehens stets
abgehoben hat. Diese beruhen auf zwei Ansätzen: herkömmliche, geführte Besichtigungen der
Museumssammlungen sowie interaktive Aktivitäten, die naturwissenschaftliche Inhalte
verbreiten sollen (speziell Physik, sowie Chemie und Biologie) und vom MNST-Physikzentrum
durchgeführt wurden. Ursprünglich (sowie zum Teil auch jetzt noch) war das Ausstellen
verschiedener, teils funktionsfähiger Maschinen die Grundlage, auf der technisches Wissen
vermittelt wurde. Die Besucher, insbesondere Schulklassen, werden ermutigt, mit Kopf und
Hand zu begreifen, wobei der Wissenstransfer nicht auf theoretischen Übungen, sondern
vielmehr auch auf interaktiven Experimenten aufbaut (Enrico Miotto erläutert weitere
Einzelheiten der pädagogischen Methodologie der Aktivitäten im hinteren Teil dieses Buches).
Schulen werden aus folgenden Gründen als besonders wichtiges Publikum für Museen
betrachtet:


1
Schulen sind höchst motiviert und überzeugt vom unmittelbaren Nutzen des Museums als
außerlehrplanmäßiger Ressource, die das Lernen erleichtert;
Lehrkräfte sehen im Unterricht in Museen ein wichtiges Mittel zur Bereicherung von
Unterrichtsprojekten,
Heute wird das Museum von 200.000 Schülern und 20.000 Lehrern jährlich besucht.
6


ein Museumsbesuch kann Lösungen bieten in Bezug auf das Verständnis von Konzepten,
beim Lernen durch Entdecken oder bei fehlenden Voraussetzungen (d. h. manche
Experimente können nur schwer im Klassenraum durchgeführt werden);
die Wissenschafts- und Technikkultur wird oftmals nicht nur in der Schule, sondern auch
in anderen Lebensbereichen geschaffen, speziell bei den Jüngeren (durch Videospiele,
Musik, Hightech-Produkte).
Eine effiziente Methodik sollte sich - was Wissenstransfer anbelangt – sowohl auf die
historische Dimension als auch auf das interaktive Lernen stützen:
Führung durch Museumssammlung + Interaktiver Workshop


Historische Dimension
Informelles Lernen


Kontinuität
Originalität
Derartige Methoden sollten durch die Kontinuität von Bildungsangeboten und
spezialisierten Mitarbeitern garantiert werden. In diesem Bereich können die Ziele des MNST für
die Jahre 2003 – 2005 wie folgt zusammengefasst werden:







Qualität bereits bestehender, interaktiver Workshops verbessern;
neue interaktive Workshops planen und realisieren (zwei pro Jahr);
Zusammenarbeit mit Schulen fördern und festigen;
Spezialisierung als Ausbildungszentrum, speziell für Lehrende, erwerben;
ein Science Center innerhalb der Stiftung planen, das die langjährige Erfahrung des
Museums in der Bildungsarbeit berücksichtigt;
pädagogische Erfahrungen und Projekte des Museums auf nationaler und europäischer
Ebene verbreiten;
Internet für Fernunterricht und als Verbreitungsmedium nutzen.
Zu den Zielen der pädagogischen Aktivitäten des MNST gehört auch ein Zuwachs an
Schulgruppen (von 200.000 auf 300.000). Mit der quantitativen Zunahme muss jedoch eine
Qualitätssteigerung einhergehen. Dies wird möglich durch die Entwicklung einer Bildungspolitik
gemäß den Richtlinien, die in den letzten Jahren erfolgreich erprobt wurden.
Der Beitrag des SMEC-Projektes zur Beziehung zwischen Schulen und Museen
Die zunehmende Nutzung von Museen durch Schulen zeigt deutlich, dass eine enge Beziehung
zwischen beiden Institutionen entwickelt werden muss und Museen zu den fundamentalen
Quellen für Lehren und Lernen zu zählen sind. Die Zusammenarbeit zwischen Schulen und
Museen bedeutet einerseits, Identität und Bedürfnisse beider Institutionen zu respektieren,
andererseits, das – bedauerlicherweise immer noch gültige – Stereotyp zu überdenken, ein
Museumsbesuch sei bestenfalls der jährliche Schulausflug und das Museum selbst ein in die
Jahre gekommener Ort, der für junge Leute kaum etwas zu bieten hat. Deshalb ermöglicht eine
regelmäßige und langfristige Beziehung den Lehrkräften, das Museum zu 'leben', sich für
7
Angebote und Aktivitäten zu engagieren, zur Suche nach Verbesserungen beizutragen und so das
Museum zu unterstützen, eine aktive Rolle in der Gesellschaft, speziell bei jungen Leuten, zu
spielen.
Andererseits kann das Museum die Nutzung seiner Ressourcen durch Schulen verbessern,
indem es den Kontakt zwischen Lehrpersonen und Museumspädagogen fördert. Das Gespräch
mit Museumsangestellten verschafft Informationen und Hilfen, die unerlässlich sind, um einen
Museumsbesuch zu organisieren und zu nutzen. So haben zum Beispiel mehrere Besuche einen
beträchtlich höheren Effekt auf das Lernverhalten der Schüler; der Vergnügungsaspekt der
museumspädagogischen Methoden löst den Wunsch aus, mehr zu erfahren. Unabhängig von der
Art des Museums sollte die Arbeit mit Schulen auf Grundlage folgenden Prinzipien untersucht,
entwickelt und durchgeführt werden:



die Arbeit mit Schulen sollte auf Basis gemeinsamer Interessen entwickelt werden; dabei
sind Ressourcen zu verwenden, die in beiden Institutionen verfügbar sind (einschließlich
neuer Technologien);
Entwicklung von Schul-Netzwerken (lokal und/oder überregional), die an einem
gemeinsamen Thema arbeiten, unterstützen den Austausch von Erfahrungen und Wissen
und fördern die Entwicklung von Kontakten mit mehr als einem Museum (an jedem Ort);
Teilnahme und Wissenstransfer werden ausgebaut;
die Verbreitung der von Schulen und Museen durchgeführten Arbeiten und deren
Ergebnisse ist wichtig, nicht nur um die Arbeiten regional bekannter zu machen, sondern
auch, um die Ergebnisse anderen Einrichtungen zur Verfügung zu stellen.
Insgesamt ist es wichtig, dass sowohl die pädagogischen Methoden als auch die
Kompetenzen der in die Gemeinschaftsprojekte von Schulen und Museen involvierten Personen
gegenübergestellt und entwickelt werden. In diesem Sinne ist das SMEC-Projekt besonders
wichtig, da es sowohl die Basis für einen Erfahrungsaustausch auf diesem Gebiet als auch die
Erkenntnisse und Kompetenzen schafft, die für die Entwicklung der von Lehrern und
Museumspädagogen eingesetzten Mittel erforderlich sind und beim Vermitteln, Verstehen und
Verbreiten naturwissenschaftlicher Inhalte in der Gesellschaft helfen.
8
EINFÜHRUNG
EIN ORT ZUM ENTDECKEN: MUSEEN ALS BILDUNGSRESSOURCEN
Maria Xanthoudaki
wissenschaftliche Projektkoordinatorin, Museo della Scienza e della Tecnologia ‘Leonardo da
Vinci’, Mailand, Italien
A. Das europäische Projekt
Ein Ort zum Entdecken ist das erste Produkt des dreijährigen europäischen Kooperationsprojekts
‘School-museum collaboration for the improvement of the teaching and learning of sciences
[Zusammenarbeit zwischen Schulen und Museen zur Förderung des Lehrens und Lernens
naturwissenschaftlicher Inhalte] (SMEC)’, das Ende 2001 mit Unterstützung des
Sokrates/Comenius-Programms der Europäischen Union begann. Das Projekt ist eine
Zusammenarbeit von Museen und Bildungseinrichtungen aus sechs europäischen Ländern:
1. Museo Nazionale della Scienza e della Tecnologia ‘Leonardo
(Koordinationsstelle), IT
2. Deutsches Museum, DE
3. Institut Universitaire de Formation des Maîtres de Lorraine, FR
4. Istituto Regionale di Ricerca Educativa (IRRE) Lombardia, IT
5. Katholieke Hogeschool Kempen, BE
6. Magyar Természettudományi Múzeum (Naturhistorisches Museum), HU
7. Museo Nacional de Ciencias Naturales, ES
8. Nationaal Museum van de Speelkaart, BE
da
Vinci’
Wie bereits der Projektname anklingen lässt, wird das Projekt hauptsächlich dazu beitragen,
den naturwissenschaftlichen Unterricht in Grundschulen zu verbessern, indem Museen als
wichtige Lehr- und Lernquelle genutzt werden. Im Einzelnen soll das Projekt:
a. die Zusammenarbeit zwischen Bildungseinrichtungen und Museen, die in die Ausbildung von
Lehrkräften in Naturwissenschaften involviert sind, fördern und Ausbildungspraxis und
Niveau des Lehrens und Lernens in der Schule verbessern;
b. pädagogische Methoden und Ressourcen entwickeln, die Bildung, Erwerb und Anwendung
naturwissenschaftlichen Wissens gestatten, um diese individuell oder von Schulen,
Ausbildungseinrichtungen und Museen gemeinsam zu nutzen;
c. Lehrer in ihrer beruflichen Weiterbildung unterstützen und dazu beitragen, dass
naturwissenschaftliche Inhalte in einer kompetenten und überzeugenden Weise vermittelt
werden, die die kreative Entwicklung der Schüler fördern kann;
d. Museumseinrichtungen verbessern, damit das Museum zu einer effektiveren Ausbildungsund Lehrquelle wird;
e. durch eine nachhaltige und langfristige Zusammenarbeit zwischen den Ausbildern, Lehrern
und Museen der verschiedenen Länder eine europäische Dimension entwickeln;
f. das Bewusstsein der Lehrer (und Schüler) für das gemeinsame wissenschaftliche Erbe
Europas erhöhen.
Die Zielgruppen des Projektes sind Grundschullehrer, Beratungslehrer, Lehrermentoren
und Museumspädagogen. Es sollen nicht nur Mitglieder der Partnerinstitutionen, sondern
Fachleute aus Schulen, Ausbildungs- und Erziehungseinrichtungen und Museen in Partner- und
anderen europäischen Ländern angesprochen werden. Die grundlegenden Mittel, die die Debatte
und die Verbreitung der Informationen fördern, sind Kolloquien, Lehrmittel, Schulungskurse,
9
Mehrsprachigkeit (Niederländisch, Englisch, Französisch, Deutsch, Ungarisch, Italienisch,
Spanisch) und die Nutzung des Internets als Kommunikationsmittel und für Fernunterricht.
Durch die Herstellung der Lehrmaterialien (geplant für 2002 und 2003) und die
Entwicklung europäischer Weiterbildungskurse für Lehrkräfte und Museumspädagogen (ab
2004) will das Projekt eine Rolle in der pädagogisch relevanten Beziehung zwischen Museum
und Schule spielen, die beide Institutionen als zusammenarbeitende Einrichtungen sieht, die ohne die ihnen eigenen Merkmale aufzugeben – eine gemeinsame Grundlage für die
Fachausbildung von Lehrern und die Verbesserung des Lehrens und Lernens in der Grundschule
schaffen können.
Der vorliegende Band stellt die Philosophie und die pädagogische Methodik des Projekts
vor. Die Beiträge in den verschiedenen Kapiteln schließen Überlegungen über die Nutzung von
Museen für die naturwissenschaftliche (und interdisziplinäre) Ausbildung ein, die in
verschiedenen Zusammenhängen mit Museen, Schulen und Ländern effektiv und kreativ
verwendet werden können (sowohl innerhalb als auch außerhalb der Projekt-Partnerschaften).
Obwohl die Lehrpläne in Belgien, Frankreich, Deutschland, Ungarn, Italien und Spanien
gelegentlich erwähnt werden, soll dies die vorgeschlagenen Ideen und Aktivitäten nicht auf diese
Länder beschränken. Die in den folgenden Kapiteln enthaltenen Themen und methodischen
Ansätze sind sehr unterschiedlich und reichen von eher theoretischen Diskussionen bis hin zu
Vorschlägen für praktische Aktivitäten, die im Museum/in der Schule durchgeführt werden
können. Das Team, das an diesem Buch gearbeitet hat, hat sich bewusst um diese Vielfalt
bemüht: um die Vielfalt der Partner widerzuspiegeln, jedem Partner zu ermöglichen, einen
Beitrag in dem Bereich zu leisten, in dem er besonders kompetent ist sowie verschiedenen Lesern
und Zielgruppen unterschiedliche Sichtweisen anzubieten, die sie für sich nutzen können.
Dieser einführende Band ist auch für die 'Erfahrungs-Multiplikatoren' gedacht, das heißt für
politische Entscheidungsträger, Lehrerausbilder sowie Lehrer und Museumspädagogen, die Ideen
und Mittel an Kollegen und interessierte Fachleute im eigenen Land und im Ausland weitergeben
können. Erfahrungs-Multiplikatoren sind hilfreich, wenn es um die Verbreitung der
Projektmaterialien oder – im weiteren Sinne – darum geht, Debatte und Forschung
voranzutreiben.
B. Bildungsarbeit in Museen
Die Bedeutung von Museen für die Bildungsarbeit hat in den letzten Jahrzehnten weltweit
immens an Bedeutung gewonnen. Wir können beobachten, wie umfangreiche Serviceangebote
für die Öffentlichkeit geschaffen werden: Vorträge, Führungen, Schulprogramme,
Weiterbildungs- und Lehrer-Fortbildungskurse bis hin zu Mitmach-Aktionen, Animationen,
Leihgaben und Wanderausstellungen. All dies geht über eine reine Unterhaltung hinaus und will
individuell wählbares Lernen und Formen kultureller Identitäten möglich machen. Mehr denn je
hält man Bildungsarbeit für ebenso wichtig wie Forschen und Erhalten; sie wird zu einer der
wichtigsten Aufgaben des Museums (ICOM 2002, 8; Calamandrei 2002).
Einer der Hauptgründe für diese Entwicklung ist die Betrachtung der Bildungsarbeit in
Museen als Disziplin, die ihre Ursprünge in der Pädagogik, Psychologie, Soziologie,
Museumskunde und Kommunikation hat. Langjährige Forschungsarbeiten und sorgfältige
Untersuchungen der museumseigenen Kommunikationsmethodik, des Lernens und des
Verhaltens der Besucher haben dazu beigetragen, dass sich in der Bildungsarbeit ein Ansatz
entwickeln konnte, der über die didaktische, lineare Vermittlung von Inhalten hinaus geht und
das interaktive, besucherorientierte Lehren und Lernen favorisiert. Aus dieser neuen Perspektive
ist das originale Objekt nicht mehr länger 'Besitz' des Forschers, der allein über
Kommunikationsinhalte und –mittel entscheidet, sondern wird zur Grundlage für einen sinnmachenden Bildungsprozess, der auf der Beziehung zwischen Objekt-Dokument und dem
10
persönlichen Wissens- und Erfahrungsschatz des Besuchers aufbaut (Pearce 1990; Falk and
Dierking 2000).
Das besucherzentrierte Lernen hat auch darauf aufmerksam gemacht, dass verschiedene
Zielgruppen existieren (Schulen, Jugendliche, Erwachsene, Familien, Behinderte etc.), die
unterschiedliche Programme, Interessen und Ambitionen für einen Museumsbesuch haben. Die
Bereitstellung verschiedener Angebote für diese Zielgruppen trägt dazu bei, die Zugänglichkeit
von Museen sowie Lernmethoden und –ergebnisse zu verbessern.
C. Museen im Unterricht
Schulgruppen gehören zu dem Publikum, das in den meisten Museen am stärksten präsent ist und
dem in vielen Fällen auch das Hauptaugenmerk der Bildungsangebote des Museums gilt. Kinder
gelten nicht nur als zukünftige Museumsbesucher, sondern als Bürger und
Gemeinschaftsmitglieder in einem Alter, in dem starke Bedürfnisse und die Fähigkeit zum
Lernen charakteristisch sind. Museumsbesuche sind ein wichtiges pädagogisches Mittel, mit dem
das Bewusstsein für kulturelles Erbe, Fähigkeiten und Wissen (kognitives und historisches) und
für ästhetisches und wissenschaftliches Verständnis geschaffen werden kann. Außerdem trägt
man, indem man Vertrautheit mit einer solchen Erfahrung schafft, dazu bei, dass zwischen
Schülern und Museen eine Beziehung entsteht, die hoffentlich das ganze Leben anhält.
Einen Schritt nach vorne hat man nicht nur bei den Inhalten der Bildungsprogramme für
Schulen getan (die sich nicht länger auf die traditionelle, geführte Besichtigung beschränken),
sondern auch im Hinblick auf Ziele und Methoden des Lernens durch Objekte:
“War ein Museumsbesuch bisher gemeinhin der besondere Ausflug am Schuljahresende
und galt als Verschnaufpause für die Lehrer, wird das Museum nun als wichtige
Lernquelle, Unterrichtshilfe und Mittel zur Entwicklung einer dauerhaften Beziehung
zwischen Schule und Umgebung betrachtet. In der Folge sind aktuelle Arbeiten im
Bereich der Nutzung von Museen für den Schulunterricht durch die zunehmende
Realisierung der Möglichkeiten lehrplan- und fachübergreifender und interdisziplinärer
Erziehung und Ausbildung gekennzeichnet” (Sekules and Xanthoudaki, erscheint in
Kürze).
Bloße 'Rundgänge' im Museum oder 'unkonzentrierte' Teilnahme an Aktivitäten und
Workshops werden immer öfter aufgegeben zugunsten der Zusammenarbeit zwischen Schulen
und Museen und zugunsten von Projekten, die die Grenzen der Arbeit in der Klasse aufbrechen,
Unterrichtsfächer erweitern und das ganze Spektrum erwarteter und überraschender Ergebnisse
erkennen und aufnehmen.
Zusammenarbeit heißt bzw. sollte heißen, Arbeit auf Basis eines pädagogischen Projekts,
das heißt eines Rahmens, in dem der Lernprozess, die Arbeit in der Klasse und die Bedürfnisse
der Empfänger (Lehrer und Schüler) mit den Erfahrungen des Museums und dem neu zu
erwerbenden Wissen Verknüpft werden. Der Lernaspekt eines pädagogischen Projektes weist
Faktoren eine fundamentale Rolle zu, die sich auf Sinn-Machen und Verständnis der Schüler
beziehen, wie beispielsweise das bereits erworbene Wissen, persönliche Erfahrungen, Interessen,
Motivation, soziale Interaktionen mit anderen Mitgliedern der Gruppe; der Lehraspekt hingegen
integriert Absichten, Ziele und Lehrmethoden, die entscheidend für die Orientierung des
Projektes sind. Beide Aspekte beziehen sich sowohl auf die Arbeit der Lehrkraft, die das Projekt
auf Grundlage der Arbeit in der Klasse und der Bedürfnisse ihrer SchülerInnen plant, als auch auf
die Arbeit des Museumspädagogen, der mit der Lehrperson zusammenarbeitet und als
Museumsexperte zum Projekt beiträgt.
Mit anderen Worten: Wir sprechen über einen Prozess, der sich auf die interaktive
Beziehung zwischen dem Museumsbesuch und der damit verbundenen Arbeit in der Klasse vor
11
bzw. nach dem Besuch stützt, eine Interaktion, die es gestattet, sich das einmalige pädagogische
Potenzial originaler Objekte und das Museum als Lehr- und Lernquelle zunutze zu machen.
Tatsächlich zeigen Untersuchungen, dass das pädagogische Potenzial von Museen zunimmt,
wenn es möglich ist, die Museumserfahrung der Schüler mit ihrer Arbeit in der Klasse zu
verknüpfen; wobei ein derartiges Potenzial bei Besuchen, die nicht Bestandteil eines Projektes
sind bzw. bei Museumsaktivitäten, die keine Verbindung zu Kenntnissen und Erfahrungen des
Schülers schaffen, geringer ist (Xanthoudaki 1998; Sekules und Xanthoudaki 2000).
Arbeiten auf Basis pädagogischer Projekte wird in den meisten Fällen als dreiteiliger
Komplex aus Vorbereitung, Museumsbesuch und Nachbereitung in der Klasse wahrgenommen:
„Die vorbereitenden Arbeiten werden in oder außerhalb der Schule durchgeführt; sie
dienen der Vorbereitung des Schülers, damit der Museumsbesuch selbst seinen
maximalen Nutzen erzielen kann.2 Der Besuch eines Museums oder einer
Museumsabteilung soll motivieren, stimulieren oder eine physische Erfahrung vermitteln
und das Erlernte konsolidieren (...). Es ist wichtig, dass das beim Besuch Erfahrene in der
Klasse wiederholt, besprochen, bewertet und erwidert wird, andernfalls verliert es
beträchtlich an Wert. Häufig ist der Besuch – auch wenn er nur ein Teil eines
Unterrichtsprogramms ist – der Dreh- und Angelpunkt, der andere Aspekte des
Lernprozesses artikuliert und als solcher für den Verlauf des Unterrichts von größter
Bedeutung ist.“ (Hooper-Greenhill 1991, 120)
Der Aspekt der Zusammenarbeit in der Projektarbeit betont auch die Bedeutung der
Diskussion und der Herstellung eines Verständigungsklimas, das die verschiedenen Rollen aller
in das Lehren und Lernen einbezogenen Teilnehmer respektiert. Begriffe wie Verknüpfung,
Beziehung, Zusammenarbeit fordern die Entwicklung einer Partnerschaft zwischen Museum und
Schule, das heißt, eine Situation der 'Verhandlung', in der beide Institutionen ihre jeweiligen
Kulturen, Systeme und Wissenserarbeitungsprozesse vergleichen, sich hinsichtlich Arbeit und
Ressourcen engagieren und Lernmethoden, -strategien und -mittel identifizieren (Mascheroni
2000; 2002).
D. Die Beziehung zwischen Museum und Schule im Kontext des europäischen Projektes
Auf Grundlage obiger Grundsätze sollte die Art und Weise, in der ein pädagogisches Projekt
geplant wird, sowie die darin enthaltene Beziehung zwischen Museumsbesuch und Arbeit in der
Klasse, Ergebnis-offen bleiben und die Suche nach der optimalen Lösung entsprechend den
Absichten, Ressourcen und Möglichkeiten der Lehrenden (und Lernenden) und der des Museums
gestatten.
Häufig werden verschiedene Elemente des pädagogischen Angebotes eines Museums a
priori von dessen pädagogischer Abteilung entschieden und bieten nur wenig Spielraum für
Veränderungen. Derartige Situationen scheinen die Antwort auf die speziellen Umstände zu sein,
die von den Sammlungen, Umgebungen und Richtlinien eines Museums herrühren, und mehr
oder weniger flexible Lösungen vorschreiben. Man darf nicht vergessen, dass die Lehrpersonen
oft an ihren Lehrplan gebunden sind, der sich auf die technischen Definitionen der Fachgebiete,
Vorschriften oder ausführlich dargelegte Lehrmethoden konzentriert und eine kontinuierliche
Bewertung der Lernziele erwartet. Mit anderen Worten, die Realität zeigt, dass nicht-ideale
Situationen in der Regel die Maßstäbe setzen und nicht die Ausnahme sind. Dazu kommen Fälle,
in denen Museen kein pädagogisches Angebot (siehe Bolmont und Colson, in diesem Buch)
haben und/oder Fälle, in denen Lehrer nicht über die erforderlichen Kenntnisse verfügen (bzw.
2
Vorbereitung des Museumsbesuchs bedeutet jedoch nicht, dass durch die detaillierte und umfassende Vorbereitung
das Überraschungsmoment des Besuchs zerstört wird, sondern dass die Schüler für den einmaligen Charakter des
Besuchs und die notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse sensibilisiert werden (Hinweis des Autors).
12
nicht zu verfügen glauben) ein spezielles Gebiet oder Thema zu unterrichten, oder einen
Museumsbesuch durchzuführen. (Bream-Hardy 2000; Sekules et al. 1999; Tickle und
Xanthoudaki 1998)
Dennoch sollte selbst in Fällen 'festgelegter' pädagogischer Programme für Schulen,
unterrichtsbezogener Beschränkungen oder Angebotsschwierigkeiten, die Zusammenarbeit
zwischen Schulen und Museen nicht als unerreichbar angesehen werden. Unter diesen
Umständen kann in einem der folgenden Punkte durchaus ein Verbesserungspotenzial liegen:
Schulung als Mittel für Lehrpersonen in der Planung von Projekten, selbst für Museen, die keine
pädagogischen Aktivitäten anbieten; Museumspädagogen, kommen in die Schulen und versuchen
auf diese Weise, finanzielle oder Entfernungs-Probleme zu lösen; Nutzung von Ressourcen für
die Lehrerfortbildung und um Erfahrungen und Arbeit der Schüler zu bereichern; Nutzung von
Informations- und Kommunikationstechnologien für virtuelle Besuche in Museen; Austausch von
Erfahrungen und Fachkenntnissen zwischen Museen und Schulen etc. – mit anderen Worten:
Verbesserungspotenzial kann in flexiblen Alternativen liegen, die die Beziehung zwischen
Museen und Schulen festigen, die Präsenz beider Institutionen in ihrer jeweiligen Region stärken
und weder Lehrpersonen noch Museumspädagogen aus praktischen, formellen oder inhaltlichen
Problemen die Hände binden.
All das ist leichter gesagt als getan. Deshalb soll das SMEC-Projekt einige der oben
aufgeführten Hypothesen auf Basis sowohl der Fachkenntnisse der Partnerinstitutionen als auch
relevanter
aktueller
Forschungsergebnisse
untersuchen
und
Lehrmittel
und
Ausbildungsmethoden vorschlagen, die die Zusammenarbeit zwischen Museen und Schulen
verbessern. Die Vorschläge, die sich aus der gemeinsamen Arbeit des Projektteams ergeben
werden, funktionieren auf zwei Ebenen: der Ebene der Lehrerausbildung und der Ebene des
Schulunterrichts und des Lernens mit Hilfe von Museen.
Im Hinblick auf die Lehrerausbildung will das Projekt verschiedene Überlegungen und
konkrete Materialien und Mittel entwickeln, um Lehrpersonen und Museumspädagogen die
Kenntnisse und Kompetenzen anzubieten, die sich auf Inhalte, Strategien und Ideen zur
Entwicklung und Bewertung gemeinsamer pädagogischer Projekte beziehen. Andererseits
erforscht das Projekt auf der Ebene des Schulunterrichts Lehr- und Lernprozesse, die die
Nutzung von Museen durch Lehrpersonen und für naturwissenschaftliche Unterrichtszwecke
betreffen und schlägt Aktivitäten und Methoden vor, mit denen eine derartige Arbeit ausgebaut
werden kann.
Der Ausgangspunkt für die Arbeit in der dreijährigen Projektlaufzeit sind Erfahrungen
und aktuelle Arbeiten der Partnerinstitutionen, die Anreize zur Entwicklung neuer Ideen bieten.
Die
Zusammenarbeit
zwischen
verschiedenen
Fachleuten
–
Wissenschaftlern,
Museumspädagogen, Lehrern, Philosophen, Historikern, sowie Fachleuten aus dem Bereich
Informations- und Kommunikationstechnologie – gestattet den Austausch verschiedener
Sichtweisen und Standpunkte hinsichtlich der zu untersuchenden Fragen. Die Tatsache, dass sich
das Projektteam mit Teilnehmern aus sechs verschiedenen Ländern zusammensetzt, wird als
positiver Aspekt eingeschätzt, gestattet dies doch, die Fragen aus verschiedenen Blickwinkeln
und unterschiedlichen Realitäten zu untersuchen und damit auch Vorschläge zu formulieren,
welche in den verschiedenen realen Umgebungen effektiv eingesetzt werden können.
In diesem Band äußern sich die Partnerinstitutionen über ihre Erfahrungen im Bereich der
pädagogischen Zusammenarbeit zwischen Museen und Schulen. Als wichtigste Ziele sollen
Aspekte erörtert werden, die sich auf das Projektthema beziehen, ein gemeinsamer theoretischer
und methodischer Ausgangspunkt für die Aktivitäten des Teams geschaffen und Fachleute
inspiriert werden, damit Debatten und Diskussionen stattfinden können. Die Autoren gehen auf
verschiedene Themen ein, von denen ich im Folgenden einige kurz darstellen möchte.
Im ersten Kapitel erläutert Filip Cremers die Problematik der Kommunikation zwischen
Museen und ihren Besuchern. Er nähert sich dem Thema als Museologe, nicht als
13
Museumspädagoge und analysiert Fragen, die das Ausstellen und das Besuchen von Museen
betreffen; dabei nimmt er den Standpunkt des Museums ein. Sein eher allgemeiner, theoretischer
Beitrag bildet die Grundlage, auf der später die Diskussion über die Aufgabe des Museums im
Bereich Erziehung und Ausbildung geführt werden wird. Das Museum als komplexe Institution
im Hinblick auf Inhalt, Funktion und Mission sowie räumliche Gegebenheiten hinterlässt bei
Besuchern wegen seiner imposanten Erscheinung und spezialisierten Inhalte oft einen negativen
Eindruck und ist für Spezialisten attraktiver als für die breite Öffentlichkeit. Die Entscheidungen
über Präsentation, Wissenserarbeitung und -transfer sind Faktoren, die die Annäherung des
Museums an seine Besucher bestimmen und damit den Erfolg, mit dem das Museum für
Besucher zugänglich ist. Daneben wird das originale Objekt – der eigentliche Grund für die
Existenz von Museen – auf vielfältige und unterschiedliche Weise betrachtet und 'behandelt' (als
'heilig', als Dokument, das Wissen enthält/freigibt, als Mittel, um Nachrichten zu übermitteln),
stets jedoch verpflichtet, die breite Masse zu bilden und zu erziehen. Cremers erläutert diese
Rollen und ermuntert zu Überlegungen über die Bildungsmission der Museen und über die
Lernmethoden, die die Grenzen zur nichtspezialisierten Öffentlichkeit aufbrechen wollen. Er
berücksichtigt verschiedene neue, gelegentlich auch sehr innovative Methoden zur Präsentation
und Erklärung, z. B. virtuelle Settings und neue Technologien, die häufig einen spektakulären
Stil fordern und an Stelle der an sich faszinierenden Natur des originalen Objekts eher
atemberaubende Effekte in den Vordergrund stellen. Cremer präsentiert wichtige Überlegungen
über die Komplexität der Sammel-, Ausstellungs- und Bildungsaktivitäten des Museums, die sich
hinter jedem Museum verbergen. Er führt in museenbezogene Themen ein und will das
Verständnis für allgemeinere Fragestellungen im Vorfeld spezieller museums- und
bildungsspezifischer Fragen fördern. Schließlich leitet er, in dem er sich auf junge Leute bezieht,
über zu den nachfolgenden Kapiteln, die sich explizit mit der Nutzung von Museen durch
Schulen befassen.
Im zweiten Kapitel entwickelt Traudel Weber die theoretische Diskussion über das
Lernen in Museen. Ihre Argumentation stützt sich auf Forschungsarbeiten und Untersuchungen
im Bereich Museumspädagogik sowie auf die speziellen Erfahrungen des Deutschen Museums in
München mit Schulen. Autorität und Objektivität wandelten sich in Interesse für den Lernprozess
und die Identität des Lernenden. Die Würdigung des 'Echten' und persönliche Erfahrungen sind
Ausgangspunkte für die kognitive, soziale und affektive Entwicklung des Lernens durch
Entdecken und für das persönliche Sinnmachen. Auf Basis dieser Prinzipien gibt Weber eine
Reihe von Beispielen aus der Arbeit des Deutschen Museums; außerdem nennt sie Richtlinien für
die Organisation von Besuchen, die Nutzung von Museen als Ressource und erläutert die
Möglichkeiten, den Museumsbesuch mit dem Lehrplan zu verknüpfen. Hierbei fallen zwei
Punkte als besonders wichtig auf: Einerseits sind die beiden Agendas anzuerkennen, mit denen
ein Schüler das Museum besucht: Die persönliche Agenda (d. h. die eigenen Erwartungen an das
Museum) und die „Tagesordnung“ der Schule/des Museums (d. h. die Erwartungen von
Lehrperson und Museumspädagogen). Weber argumentiert, dass "das Ergebnis eines jeden
Museumsbesuches von der Wechselwirkung zwischen diesen Erwartungen und dem
tatsächlichen Erlebnis geprägt wird". Dennoch scheint die Agenda der Lehrperson selbst häufig
unklar zu sein; viele Lehrer sind unsicher in der Vermittlung naturwissenschaftlicher Inhalte.
Dies beeinträchtigt Ablauf und Erfolg der Erlebnisse des Schülers wie auch des pädagogischen
Projektes. Webers Beitrag enthält nicht nur wertvolle Überlegungen über das Lernen in Museen,
sondern auch wichtige Gedanken, die bei der Entwicklung von Schulungsmöglichkeiten für
Lehrer berücksichtigt werden müssen.
Im dritten Kapitel präsentieren Pilar López García-Gallo, Dolores Ramírez Mittelbrunn
und Soraya Peña de Camus Saez die pädagogischen Erfahrungen am Naturwissenschaftlichen
Museum in Madrid. Die Beschreibung zahlreicher Aktivitäten und Materialien bietet viele
Anregungen für eine kreative Nutzung in verschiedenen Umgebungen, lässt aber auch
14
nachdenken über die Merkmale einer effektiven Methodik, die sich auf aktive Teilnahme und
langfristige Entwicklung der Fertigkeiten gründet. Die Autoren verweisen auf Schulungskurse
für Lehrer und machen wichtige Vorschläge für die adäquate Vorbereitung der Lehrpersonen –
eine sehr positive Darstellung, berücksichtigt man die nachweislich limitierten
Lehrererfahrungen und Fachkenntnisse. Zwei Aspekte der von den Autoren vorgeschlagenen
Schulungsmethoden sind besonders beachtenswert: einerseits das Gleichgewicht zwischen der
inhaltlichen Ausbildung, die sich darauf konzentriert, die Lehrperson mit den Sammlungen des
Museums vertraut zu machen, und der theoretischen Ausbildung, die sich auf die dem Lernen in
Museen zugrundeliegenden pädagogischen Prinzipien konzentriert; andererseits wird die
Ausbildung in der Projektplanung betont. Letztere hilft den Lehrern besonders, die verschiedenen
Parameter, die zur Zusammenarbeit mit Museen gehören, verständlich zu machen und ermöglicht
ihnen, mit Projekten zu experimentieren, die sie in ihrer Schule durchführen können. Diese
Ausbildungsmethode ist der Ausgangspunkt für wichtige Überlegungen im Bereich
Lehrerausbildung – sowohl im Kontext des europäischen Projekt-Teams als auch für die
Lehrerausbildung im Allgemeinen. Die drei Hauptkomponenten für die Entwicklung von
Lehrerkompetenzen zur Nutzung von Museen als pädagogische Quelle sind: a) Gleichgewicht
zwischen Inhalts- und Sammlungswissen, b) methodische Kenntnisse und c) Kenntnisse in der
Projektplanung (und Bewertung). Kenntnisse in diesen drei Bereichen gestatten der Lehrperson
nicht nur die erforderliche Vertrautheit mit einem bestimmten Museum zu entwickeln, sondern
auch die Fähigkeiten, die für die Nutzung eines anderen Museums in oder außerhalb der Region
notwendig sind.
Im vierten Kapitel erörtert Enrico Miotto die Probleme der naturwissenschaftlichen
Ausbildung und Erziehung aus Sicht eines Museumspädagogen und auf Grundlage langjähriger
Erfahrung in der Arbeit mit Schulen am Museum für Wissenschaft und Technik ‘Leonardo da
Vinci’ in Mailand. Sein Beitrag enthält interessante Überlegungen über die verschiedenen, häufig
komplizierten Aspekte der Arbeit im Bereich Bildung in Museen und ist für Museumspädagogen,
die Programme für Schulen entwickeln ebenso interessant wie für Lehrer, die Lehr- und
Lernmethoden kennen lernen, die sich gewöhnlich von den eigenen unterscheiden. Nach Miotto
funktioniert das Museum als Lernquelle anders als eine Schule; dies sollte im Kontext der
Zusammenarbeit zwischen beiden Institutionen als Bereicherung und nicht als Gegensatz
gesehen werden. Bildungsprozesse in Museen basieren auf der visuellen und multi-sensorischen
Erforschung von Objekten und Phänomenen, einem Prozess, durch den die Schüler von einem
ausgebildeten Pädagogen geführt werden, der als 'Facilitator [Vermittler]' und nicht als Lehrer
fungiert. Ausgangspunkte sind Objekte und Fragen, auf die die SchülerInnen/BesucherInnen
ihren eigenen, individuell angepassten Weg zum Erforschen und Begreifen aufbauen. Der
informelle Charakter des Lernprozesses und die Gelegenheit, originalen „Objekten“ zu begegnen
und erstrangige Phänomene zu beobachten, haben einen immensen Effekt auf die kognitiven und
affektiven Aspekte der Schüler. Deshalb hat ein Museumsbesuch als eine Einführung in ein
neues Thema gewöhnlich eine sehr viel bessere Wirkung als ein Besuch, der zum Abschluss
eines Themas durchgeführt wird. Ersterer will visuelle Stimuli bieten und das Interesse für
weitere Untersuchungen und Überlegungen wecken; letzterer hingegen zielt auf die
Konsolidierung des Wissens ab. Die Zusammenarbeit zwischen Museumspädagogen und Lehrern
ist daher für die Integration beider Ansätze wichtig, ohne jedoch die Programme oder Ziele des
Lehrers oder die originären Ausbildungs- und Erziehungsmethoden des Museums aufzugeben.
Im fünften Kapitel stellen Zita Felfoldi und Judith Holler ihre Arbeit am
Naturhistorischen Museum in Budapest vor. Die ausführliche Beschreibung des Museums,
parallel zur Beschreibung weiterer in das Projekt einbezogener Museen in anderen Kapiteln,
verfolgt zwei Absichten: der Leser soll allgemeine Kenntnisse über den Kontext erhalten, in dem
die Bildungs- und Erziehungsarbeit entwickelt wird; die Lehrperson, die im Rahmen des
europäischen Projektes mit dem ungarischen Naturhistorischen Museum aus der Ferne arbeiten
15
will, soll mit Hilfe der Website des Projektes und den Lehrmitteln unterstützt werden. Die
Vorstellung der beiden Programme (’Sehen, Hören, Fühlen’ und ’Achte auf Deinen Weg’) zeigt
zwei interessante Beispiele für die Arbeit mit Schülern im Museum und die Arbeit in der Schule
mit Unterstützung der Museumspädagogen. Die Autoren verweisen auf die aktuellen
Anforderungen an die Bildungs- und Erziehungsarbeit (in Ungarn wie in anderen Ländern), die
mit Hilfe einer Reihe von Mitteln und Umgebungen reiche Erfahrungen für Schüler entwickeln
soll. In diesem Kontext können ähnliche Aktivitäten wie die hier präsentierten von Museen
und/oder Lehrern verwendet werden, um Stimuli und Erfahrungen der Schüler zu fördern.
Bildungsangebote von Museen und deren Problematik ist eines der Themen, die Etienne
Bolmont und Francis Colson im sechsten Kapitel analysieren. Die Verschiedenartigkeit der
Museen und Bildungsaktivitäten in Frankreich fordert (wie in anderen Ländern auch) Vielfalt
hinsichtlich Quantität und Qualität des Bildungsangebots. Die Lehrkräfte sollten nicht nur danach
streben, große Museen zu besuchen, oder sich von räumlichen oder logistischen Problemen
entmutigen lassen; letztere stellen sich vor allem für Schulklassen, die große Museen besuchen.
Die Vielfalt sollte definitiv als Pluralität der Inhalte gesehen werden, die Lehrer kreativ
verwenden können, die imstande sind, lokale Ressourcen auszuschöpfen und zu nutzen,
insbesondere durch die Entwicklung von Synergien. In diesem Zusammenhang sind die
Empfehlungen der spanischen Partner bezüglich eines Ansatzes zur Lehrerausbildung als
fundamentale Voraussetzung anzusehen. Die Ausbildung der Lehrer darf sich nicht nur auf das
Kennenlernen der Sammlungen beschränken; sie muss sich ebenso auf die pädagogische
Methodik der Nutzung von Museen konzentrieren und Lehrer mit Kompetenzen ausstatten, die
ihnen ermöglichen, verschiedene Museen zu nutzen. Im Anschluss an die theoretischen
Überlegungen schlagen Bolmont und Colson verschiedene Aktivitäten vor, die auf der Basis von
Arbeiten mit Museen am Ort durchgeführt werden können. In der ersten Forschungsphase des
europäischen Projektes (2002) wurde vom französischen Partner in Zusammenarbeit mit einigen
Schulen im Raum Nancy bereits mit diesen Aktivitäten experimentiert, um sie in der zweiten
Phase (2003) für weitere Experimente mit Schulen in den Partnerländern zur Fortführung
vorzuschlagen.
Forschung ist eine grundlegende Komponente des europäischen Projektes; sie soll
Materialien entwickeln, die Lehrern in ganz Europa an die Hand gegeben werden können.
Aktivitäten mit Museen werden von allen Partnern in Zusammenarbeit mit Schulen geplant und
ausgeführt. Ein weiteres Beispiel einer solchen Arbeit wird im siebten Kapitel vorgestellt: Jef
Van Den Bosch und Filip Cremers präsentieren die Ergebnisse einer Zusammenarbeit der
belgischen
Lehrerausbildungsstätte
Katholieke
Hogeschool
Kempen
mit
dem
Spielkartenmuseum, die sich auf die Nutzung eines Museums für den naturwissenschaftlichen
Unterricht konzentriert. Van Den Bosch und Cremers stellen weiteres Material für die
Experimente des europäischen Projekts mit Schulen zur Verfügung; Materialien, die von jedem
Lehrer, der sich für diese Themen interessiert, als Grundlage für die Planung pädagogischer
Projekte verwendet werden können. Die Autoren zeigen Inhalte und Materialien für
multidisziplinären, museumsbasierten Unterricht, die einerseits auf dem interessanten Ansatz des
niederländischen Lehrplans basieren, der - insbesondere in den Fächern Geografie, Technik und
Naturkunde – die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler aktiv für Tätigkeiten wie Forschen,
Beobachten, Handeln und Bewerten nutzen will; und andererseits die stimulierende Sammlung
und die Erfahrungen des Museums van de Speelkaart im Bereich Erziehung und Bildung
(beachten Sie, wie Druckereiarbeiter für Bildungszwecke genutzt werden). Ein Punkt in diesem
Kapitel, der die Rolle des Lehrers bei Museumsbesuchen betrifft, verdient besondere Beachtung:
der Lehrer fungiert nicht nur als Begleiter seiner Schüler, sondern wird ermuntert, präsent zu
sein, an Prozessen und an den von beiden Einrichtungen organisierten Ausbildungskursen
teilzunehmen.
16
Literaturhinweise
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Sekules, V. and M. Xanthoudaki (forthcoming) (eds) The School, the Teacher and the Museum:
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drei Sprachen, englisch, französisch und italienisch, ab Anfang 2003 auch unter
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Tickle, L. and M. Xanthoudaki (1998) Primary Teachers and the Hunt for Knowledge, paper
presented at the European Conference of Educational Research ECER 98 (European
Educational Research Association, Ljubljana, Slovenia, 17-20 September), onlinePublikation: http://www.leeds.ac.uk/educol/ecer98.htm
Xanthoudaki, M. (1998) Educational Provision for Young People as Independent Visitors to Art
Museums and Galleries: Issues of Learning and Training, Museum Management and
Curatorship,17 (2), Seite 159-172.
17
1. KAPITEL
Der Unterhaltungswert von Museen: über die schwierige Beziehung eines Museums zu
seinen Besuchern
Filip Cremers
Museum van de Speelkaart, Tournhout, Belgien
1.1 Einführung
Der französische Philosoph und Wissenschaftler Blaise Pascal (1623-1662) behauptete einst "der
Mensch schafft sich sein Elend selbst; er fühlt sich rastlos, wenn er in einem Raum verharrt"
(Pensées, 143). Die Bedeutung dieser Aussage liegt auf der Hand: der Mensch ist ständig auf der
Suche nach Unterhaltung und Ablenkung; er führt Krieg, spielt Karten oder fängt Bälle.
Manchmal entscheidet er sich allerdings auch, ein Museum zu besuchen.
Noch lastet man Museen an, nicht auf Besucher aus zu sein. Sie würden sich lieber ihrer
selbstgefälligen Abgeschiedenheit hingeben, gerade so, als wären sie nur für eine Handvoll
Spezialisten oder ihre eigenen Angestellten da. Doch auch wenn sie ihre Pforten öffnen und sich
bemühen, an Popularität zu gewinnen, bleibt der größte Teil der Bevölkerung unbeeindruckt und
damit dem Museum fern3. Einer der Gründe für dieses Verhalten scheint die seltsame Beziehung
zwischen Museen und ihren Objekten zu sein. Das Museum entfernt das Objekt aus seiner
ursprünglichen Umgebung und isoliert es in einem scheinbar neutralen Raum. Jetzt, da es seiner
Offensichtlichkeit beraubt ist, ist das Objekt auf Erläuterungen angewiesen; dies kann
gelegentlich eine diffizile Aufgabe sein.
Im Zusammenhang mit der verstärkten Bildungsmission der Museen in aller Welt, möchte
ich Probleme erörtern, die die Beziehung des Museums mit seinen Besuchern betreffen und dabei
mit museologischen Argumenten über Objekte beginnen. Können Museen ihre ungünstige
Stellung – als Sammler wunderlicher und unverständlicher Objekte – in einen Vorteil
verwandeln? Welche Freiheiten darf sich ein Museum mit seinen Objekten nehmen? Sind
Objekte tatsächlich so wichtig wie allgemein angenommen? Der Philosoph G.W. Leibniz schlägt
einen Weg vor, wie Museen ein breiteres Publikum ansprechen können. Und schließlich, wie
steht's mit Kindern? Sollten sie anfassen dürfen, was sie wollen, um der einmaligen
pädagogischen Erfahrung willen?
1.2 Das originale Objekt
Ein Objekt, das man ins Museum gestellt hat, ist nicht mehr Teil seiner ursprünglichen
Umgebung und dient seinem ursprünglichen Zweck nicht mehr. Obendrein ist es häufig
beschädigt oder unvollständig und/oder seine Bedeutung nicht ganz klar. Objekte sind
buchstäblich hinter Glas isoliert. Wandteppiche werden immerhin noch an die Wand gehängt,
wenn auch nicht an die Wand in dem Schloss, in dem sie ursprünglich hätten hängen sollen. Sie
zeugen nicht mehr vom Reichtum und Geschmack ihrer Besitzer, sind keine Kriegsbeute mehr
und schützen auch nicht mehr vor Kälte.
Mit dem Verschieben eines Objektes aus seiner ursprünglichen in eine andere Umgebung
beraubt man das Objekt auch unmittelbar seiner Funktion, und schafft gleichzeitig das Problem,
3
Untersuchungen der Europäischen Union ergaben, dass nur in einem von neun Ländern mehr als 50% der
Bevölkerung (im Alter von 15 bis 75 Jahren) mindestens einmal pro Jahr ins Museum gehen (Dänemark, 55%), in
Spanien und Italien weniger als 30%, in Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien zwischen 30 und 40%, in
Finnland und Belgien zwischen 40 und 50%. Die hier angegebenen Zahlen sind weder besonders genau noch
besonders aktuell; sie stammen z. B. für Spanien aus dem Jahre 1990, für Belgien aus dem Jahre 1998, wobei für
Belgien nicht so genaue Aufzeichnungen vorliegen wie für die Niederlande. Wichtig ist an dieser Stelle nicht die
Genauigkeit der Daten, sondern das, was sie implizieren: die Mehrzahl der Europäer geht überhaupt nicht ins
Museum, und gelegentlich heißt "mindestens ein " buchstäblich 'nur ein' ... (aus: Kultur-Statistik in der EU, 2000).
18
den ursprünglichen Kontext und den Zweck des Objektes erklären zu müssen. Sogar Museen, die
Objekte in situ ausstellen, haben dererlei Probleme. Bergwerksmuseen können beispielsweise
(ohne größere Anstrengung) Tagebauausrüstung ausstellen, jedoch Schächte nur selten oder nie
zugänglich halten. Was bleibt, wenn das Museum die wichtigsten Teile seiner Sammlung nicht
zeigen kann? Religiöse Sammlungen in ehemaligen Kirchen werden vielleicht in passender
Umgebung ausgestellt, jedoch ist der weltliche Besucher kaum mehr in der Lage, Engel von
Heiligen zu unterscheiden. Eine Holztreppe in einem historischen Gebäude kann vielleicht
erhalten und nach hitzigen Debatten mit der zuständigen Feuerwehr auch zur Schau gestellt
werden, allerdings nicht ohne die erforderlichen Notausgänge, Feuerlöscher und
Betonunterbauten angebracht zu haben.
Stücke, die im Museum enden, erfahren deshalb eine Wertsteigerung. Allerdings sehen
auch billige und schäbige Haushaltswaren besser aus, wenn man sie hinter Glas in Szene setzt.
Indem sie Teil einer Ausstellung werden, wird ihnen Bedeutung zuteil; ein Vorgang, der – nicht
ganz zu unrecht – an den laienhaften Glauben erinnert, man sammle am besten alles und prüfe
zweimal, ob man etwas wegwirft. Marcel Duchamp (1887-1968) wies nach, dass selbst ein
Urinal mit Bewunderung angestarrt wird, wenn es in einem Museum ausgestellt ist.
Der museologische Wert ist nichtsdestotrotz relativ. Viele Objekte, die zufällig in einem
Museum landen, hätten genauso gut ganz verschwinden oder ganz andere Objekte sein können.
Die meisten Objekte schaffen es nicht einmal bis in ein Museum. Der Selektionsprozess mag klar
definiert und gut begründet sein, aber in der Realität sind andere, entscheidendere Faktoren
wesentlich wichtiger und lassen häufig die bewusste Entscheidung des Museums von
untergeordneter Relevanz werden. Wenn ein originales Objekt überlebt und dem Markt zur
Verfügung steht, muss das Budget des Museums immer noch den Kauf gestatten. Dabei muss der
Wert, den der zeitgenössische Museumsexperte dem Objekt beimisst nicht notwendigerweise
dem Wert entsprechen, den dessen Vorgänger oder unsere Vorfahren dem Objekt beigemessen
haben. Im Ägypten des 19. Jahrhunderts pflegten Maschinisten ihre Lokomotiven mit Mumien zu
befeuern, während in der heutigen Zeit ein Mumienfund in den Zwanzig-Uhr-Nachrichten
gemeldet wird. Man könnte behaupten, dass praktische Gründe zu einer solchen Sorglosigkeit
führten; schließlich war damals Treibstoff nur schwer erhältlich und der "wahre" Wert der
Mumien noch unbekannt. Doch impliziert dies gleichzeitig, dass der Wert von Objekten weder
eindeutig bestimmt noch beständig ist und, mehr noch, dass einzigartige Objekte nicht immer so
einzigartig sind.
Das Geburtshaus Mao Tsetungs (1893-1976) wurde auf dem Höhepunkt seiner Karriere
in ein Museum umgewandelt; jährlich besuchten drei Millionen Menschen das Haus. Um die
große Anzahl Besucher bewältigen zu können, bildete man kleine Gruppen und führte diese der
Reihe nach umher. Gleichzeitig wurde das Anwesen selbst angepasst: "Das Museum wurde in
zwei identische Bereiche unterteilt: sämtliche Ausstellungsstücke wurden dupliziert, so dass
mehr Gruppen gleichzeitig durchgeführt werden konnten" (Leys 1976, 115). Das revolutionäre
China hat maximalen Durchsatz durchs Museum zustande gebracht; Authentizität zählte nicht,
erfüllte doch das Duplikat den gleichen Zweck.
Wenn Authentizität keine Bedeutung mehr hat, fehlt zum Nachbessern und
Verschwindenlassen von Objekten nur noch ein kleiner Schritt. Das Objekt kann ohne weiteres
einfach entfernt werden, wenn z. B. ein bestimmtes Individuum in Ungnade fällt. In China
reichte – wie einst in der Sowjetunion – die politische Macht bis in die Vitrine im Museum.
Retuschierte Fotos, verbrannte Archive und zerstörte Statuen wurden gemeinhin akzeptiert, wenn
sich die politische Richtung änderte. Der Fall der Berliner Mauer (1989) brachte eine radikale
Änderung in der Handhabung dieser Dinge, allerdings erst nachdem die bekannten
Säuberungsaktionen einmal mehr ihre Dienste geleistet hatten. Da verschwanden ganze
Sammlungen oder wurden den Blicken entzogen.
19
Westliche Museen haben stets Einzigartigkeit und Authentizität besonders betont und
versuchen, das 'Echte' und keine Duplikate zu zeigen. Dieser noble Anspruch wird jedoch im
Alltagsleben nicht von gleicher Wichtigkeit empfunden. Einzigartigkeit spielt bei vielen
Objekten lediglich eine untergeordnete Rolle: Gebrauchsgegenstände, Maschinen, Grabbeigaben,
Spielzeuge, Käfer, Masken; alles wird in einer Vielzahl hergestellt und ist durch ein einziges
Beispiel darzustellen, das alle anderen, gleichartigen Objekte vertritt. Warum dann ausgerechnet
ein bestimmtes originales Objekt im Museum landet, kann oft nur dem Zufall zugeschrieben
werden.
Andererseits sind Duplikate gelegentlich besser als das Original. Anthropologische
Anordnungen in Museen bestehen heutzutage meist aus Kopien, da die originalen
Schädelfragmente viel zu wertvoll sind, als dass man sie transportieren würde. Die Herstellung
mehrerer Kopien erleichtert Forschungs- und öffentliche Bildungsarbeit und macht das
Ausstellen an verschiedenen Orten möglich. Dank moderner Techniken können Fotos und
Zeichnungen praktisch perfekt vervielfältigt werden. Sobald sie ausgestellt sind, können auch
Experten oft nur schwer feststellen, ob es sich um Originale oder Reproduktionen handelt. Es
gibt natürlich auch Fälle, in denen Authentizität von höchster Bedeutung ist, beispielsweise bei
Gemälden, religiösen Kultgegenständen oder Objekten, denen außergewöhnliche Kräfte
zugeschrieben werden.
Nichtsdestotrotz ist Originalität selbst ein limitierter Begriff – das wird bei
Restaurierungsarbeiten offensichtlich. Darf man Fragmente oder Ruinen vervollständigen? Wenn
ja, wie? Was ist mit Gebrauchsspuren, die darauf hinweisen, dass das Objekt benutzt wurde?
Was, wenn die Gebrauchsspuren bereits beseitigt wurden? Menschen, die Objekte restaurieren,
finden kreative und vernünftige Lösungen für diese Probleme. Dennoch ist es unmöglich, das
Objekt in seine 'reine' Form zurückzubringen, d. h. in seinen Originalzustand. Praktisch jedes
Objekt wird beschädigt oder benutzt sein, deshalb darf man "original" nicht mit der
"ursprünglichsten Form" gleich setzen, sondern mit dem Zustand, in dem das Objekt seinerzeit
gefunden wurde. Abnutzungserscheinungen und Fehler erhöhen den Wert des Objektes und
tragen dazu bei, die ganz eigene Geschichte des Objektes zu erzählen. Originalität kann auch bei
Kopien zu einem Thema werden – kein Museumskurator würde z. B. je auf die Idee kommen, die
römische Kopie eines griechischen Originals wegzuwerfen.
Kopien und Reproduktionen haben noch einen weiteren Vorteil: man kann sie im
Museumsshop verkaufen. Im wahren demokratischen Geist des Museums können die Besucher
ihre eigene Sammlung aufbauen oder den Stein von Rosette in ihren eigenen vier Wänden
studieren.
Computer öffnen die Türen sogar noch weiter und gestatten dem Besucher, die Objekte
und sogar die Innenansichten der Objekte unabhängig und intensiv zu untersuchen, was in
herkömmlichen Ausstellungen nicht möglich war. Dies brach eine delikate und wichtige Debatte
über den Wert virtueller Besuche im Vergleich zu herkömmlichen, realen Besuchen vom Zaun,
insbesondere angesichts der bizarren Tatsache, dass manch einer interessierter auf den
Rechnerbildschirm starrt, als auf das direkt daneben ausgestellte Original.
1.3 Das erklärte Objekt
Was wird ausgestellt? Was macht bestimmte Objekte so wichtig, dass man sie ausstellt? Das
Auswahlkriterium liegt nicht so sehr im Objekt selbst, als vielmehr in seinem Wert, seiner
Authentizität, seinem Zustand oder seiner exemplarischen Funktion. Das Objekt zeigt mehr als
nur sich selbst, es reflektiert Bräuche, Geschichte oder Kultur. Es schafft Bezug zu einem
bestimmten, häufig nicht mehr bestehendem Kontext, aus dem das Objekt entfernt wurde.
Durch das 'Isolieren' von Objekten in Museen werden erklärende Bemerkungen
notwendig. Erläuterungen (gleich welcher Art) geben an, was der Besucher sieht oder sehen
20
sollte und sollen besonders dann helfen, wenn die Bedeutung eines Objektes nicht erkannt oder
eigene Interpretationen nur schwer entwickelt werden können.
Zweifelsohne sind zusätzliche Informationen unabdingbar, wenn es um Objekte aus
anderen Kulturbereichen oder längst vergangenen Zeiten geht. Die Eigenart von Erläuterungen,
auf die gleichen Schemata und Gepflogenheiten zurückzukommen, lässt vermuten, dass die
Menschen auf der ganzen Welt gleich sind und gleich waren. Ein derartiger Ansatz dient dem
Bildungszweck eher und stützt sich für die Beschreibung von Objekten auf westliche Kriterien,
damit sie von Besuchern ohne spezielles Wissen über die Sammlungen verstanden werden
können. Nicht immer wird jedoch dieser Zweck befriedigend erfüllt. Die Verwendung von
Terminologie ist, wie z. B. die populäre Bezeichnung "Idol", häufig missverständlich oder falsch.
Der Besucher erhält den Eindruck, dass das Objekt erklärt wird, jedoch ist der Inhalt der
Erklärung nur selten hilfreich, ebenso wenig wie das Schildchen mit dem Künstler- und
Gemäldenamen am Rand des Gemäldes dem gewöhnlichen Besucher helfen kann, das Objekt zu
verstehen.
Erklärungen sind auch vonnöten, wenn Objekte, Konzepte, Bedeutungen ausgestellt
werden, die nicht einfach präsentiert werden können. Auch wenn die zahlreichen Dinge in den
Glasvitrinen zu dieser Annahme verleiten mögen – vieles kann nicht einfach gesammelt werden.
Ein Esslöffel kann in den Bestand aufgenommen und ausgestellt werden, jedoch nicht die
Mahlzeit; eine Spielkarte kann gerahmt werden, jedoch nicht das Kartenspiel. Nur zu oft
repräsentieren Objekte nur einen kleinen Teil eines größeren Prozesses oder umfangreicheren
Kontextes. Wie kann man diese Dinge präsentieren oder sammeln? Das Aufzeichnen und
Präsentieren von Bildern, Tönen, Gerüchen oder das Hervorrufen von Gefühlen und
Impressionen ist nur indirekt hilfreich, und der rekonstruierte Event kann dem Besucher dennoch
durch die Finger gleiten.
Texte sind das herkömmliche Mittel, um Objekte zu erklären; allerdings stellen sich bei
der Verwendung von Texten im Museum Probleme wie z.B.: Fehler des Autors, Experten mit
ihrem Hang zu Gründlichkeit und Fachjargon, Verwendung des falschen Designs mit einem
modernen Mangel an Klarheit, falsche Platzierung, so dass die Erklärungen entweder die Sicht
auf das Objekt versperren oder so weit entfernt sind, dass nicht klar wird, zu welchem Objekt sie
gehören.
Texte sind nicht so populär wie allgemein angenommen; die Mehrzahl der Besucher
verliert nach dem ersten Teil der Ausstellung schnell das Interesse. Lediglich 65% der Besucher
lesen maximal 60% des angebotenen Textes, von dem nur 10% in Erinnerung bleiben (Janssen
1994). Das heißt, dass ein beträchtlicher Teil der Erklärungen niemals gelesen wird. Gleichzeitig
können Texte auch destruktiv sein: Je länger der Besucher liest, desto kürzer betrachtet er das
Objekt.
Daneben sind die von einem Museum bereitgestellten Informationen niemals neutral,
sondern haben praktisch immer eine tieferliegende Bedeutung. So können beispielsweise die
Erklärungen, die schildern, wie das Leben früher war, den primitiven und abergläubischen
Charakter hervorheben. Die Natur wird als wundersam oder geordnet präsentiert, mit Arten und
Unterarten. Das Museum stellt sein Prestige (mit bedeutenden Kunstwerken) oder seine Courage
(mit kontemporären Künstlern) zur Schau.
Nichtsdestotrotz reflektieren Texte die Mission des Museums und seine
Annäherungsweise an seine Sammlungen. Neben scheinbar hilfreichen Informationen (in der
Regel ein traditioneller, kurzer Überblick über die 'festen/gesicherten' Fakten, wie z. B. die
Abmessungen des Objektes, der für den Besucher meist ohne Bedeutung ist) sagen die
Erklärungen auch viel über das Museum selbst aus, über seine Konservierungsmethoden, seine
Gönner, die Geschichte des Objekterwerbs etc. und präsentieren eine Menge Wissen sowie
Geschmacksaspekte und Arbeitsmethoden. Diese Aspekte sind oft kaum wahrnehmbar; dennoch
sind sie ebenso real und untermauern die Museumsautorität.
21
Kurzum, Texte werden genutzt, um den Forschungsfortschritt mitzuteilen, das Objekt zu
identifizieren, die Expertise des Museums zur Schau zu stellen; außerdem sind sie ein Kriterium
für den Besucher. Dennoch bemühen sich nur wenige Museen, derartige Informationen
regelmäßig zu aktualisieren.
1.4 Das virtuelle Objekt
Das International Council of Museums ICOM [Internationaler Museumsrat] definiert Museen als
eine "für die Öffentlichkeit zugängliche, gemeinnützige und dauerhafte Einrichtung im Dienste
der Öffentlichkeit und ihrer Entwicklung, die gegenständliche Beweise der Menschen und ihrer
Entwicklung zum Zwecke der Forschung, Ausbildung, Erziehung und Unterhaltung erwirbt,
erhält, erforscht, kommuniziert und ausstellt.” Den Zweck "Unterhaltung" ausdrücklich zu
erwähnen, heißt, es darf wieder gelacht werden! Ein Museum muss unterhalten können, diese
Vision entspricht genau der heutigen Unterhaltungskultur, in der langatmige Diskussionen,
schwierige Syntax und trockene Informationen zunehmend durch hochkarätige und leicht
verdauliche Unterhaltung unterminiert werden.
So werden statt Texten andere Mittel verwendet, um die Objekte aus ihrer Isolation zu
holen, in Bezug zu anderen Objekten zu präsentieren und Umgebungen zu schaffen, die die
ursprüngliche Umgebung des Objektes rekonstruieren. Tierparks scheinen für diese
Entwicklungen zugänglich zu sein. Käfige mit unechten Pflanzen gelten als altmodisch; heute
lässt man den Besucher lieber in einen Miniatururwald eintauchen, in dem die Tiere "frei"
herumlaufen dürfen. In manchen Museen stehen Repliken zur Verfügung, so dass der Besucher
die Objekte berühren und benutzen darf. Manchmal geht die Inszenierung indes so weit, dass
sogar die Speisekarten der Restaurants des Museums entsprechend angepasst werden.
Besucher scheinen – einer Abwechslung nie abgeneigt – diese Art von Fortschritt zu
schätzen. Die neuesten Medien bieten Museen die perfekten Lösungen: sie können problemlos
Objekte duplizieren oder archäologische Überreste in intakte Städte verwandeln. Es kann sein,
dass der Besucher oftmals nicht einmal registriert, dass diese Medien ein falsches Gefühl des
Vorhandenseins und der Zugänglichkeit entstehen lassen – schließlich ist er daran gewöhnt, die
Welt durch diese "Brille" zu betrachten.
Diese ewig fortschreitende Technik – in manchen Ländern finanziell von der Regierung
abgesegnet – erobert die Museen im Sturm. Die bisherige Aversion gegen Duplikate und Kopien
wird bedeutungslos angesichts der Tatsache, dass das Internet selbst die abgestumpftesten
Besucher mit der virtuellen Welt versöhnen kann. Diese scheint langsam, aber sicher gegenüber
den Museen mit "echten" Objekten an Bedeutung zu gewinnen, in dem Sinn, dass sie einen
Komfort und eine Zugänglichkeit bietet, die von einem anderen Medium kaum zu übertreffen
sind.
Eine Kostprobe der Möglichkeiten der virtuellen Realität gibt es bereits in Institutionen,
die sich auf Rekonstruktion und Imitation spezialisiert haben, wie beispielsweise Wachsmuseen.
Zugegeben, zwischen Wachsmuseen und Computern ist ein gewaltiger Unterschied – doch
Wachsmodelle imitieren eine nicht sichtbare Realität mit alten Techniken, genau wie virtuelle
Bilder mit neuesten Technologien eine Realität hervorbringen, die es nicht gibt. WachsmodellSammlungen sind ein Mix aus Realität und Fiktion, versuchen aber trotzdem, mit "echten"
Kleidern und Accessoires eine gewisse Authentizität zu schaffen. Gleichzeitig gehen sie über die
Realität hinaus, denn sie schönen unansehnliche Aspekte und zeigen explizit, was man nicht sieht
bzw. nicht sehen kann. Niemand will schließlich wirklich in die Hände eines grausamen
Serienmörders fallen ...
Wachsmuseen sind nicht die einzigen, die die Realität verschleiern, auch "traditionellere"
Museen rekonstruieren die Realität. Im The Cloisters (New York) wurden Elemente europäischer
Bauwerke des Mittelalters zu etwas rekonstruiert, das es nie gab, nie geben konnte, jedoch
vielleicht in einer anderen Welt hätte geben können. Es ist vermutlich kein Zufall, dass besonders
22
die Vereinigten Staaten und Kanada Meister auf diesem Gebiet sind, schließlich müssen sich in
diesen Ländern die traditionellen Museen mit zahlreichen Vergnügungsparks, Fantasiewelten (z.
B. Disney), "Believe it or not"-Museen (die die unglaublichsten Dingen zeigen) oder Museen der
Art "die größten Verbrecher der Geschichte" (einschließlich kompletter Rekonstruktionen)
messen (Eco 1985, 7-70). Hiervon ließen sich europäische Foltermuseen inspirieren.
Die virtuelle Realität ist für Museen eine große Unterstützung und gestattet ihnen,
“perfekte” Rekonstruktionen herzustellen, auf deren Grundlage der Besucher reflektieren und
mehr lernen kann. Das bedeutet keineswegs, dass sie die Realität ersetzt, sondern eine Erfahrung
am Bildschirm und aus zweiter Hand bleibt. Computer gestatten allerdings, Forschungs- und
Bildungsprozesse zu personalisieren und dem individuellen Kenntnisstand anzupassen und
erlauben eine stärkere Teilnahme und Interaktion. Die verletzlichsten Objekte können außer
Reichweite und sicher vor Beschädigungen aufbewahrt werden und sind doch stets online
verfügbar.
1.5 Das sensationelle Objekt
Die Realität im Museum kann noch weiter modifiziert werden. Eine Ausstellung kann zu einem
sensationellen Erlebnis werden und einen Mix aus Bildern, Tönen, Licht und Farbe bieten, der
Besucher überwältigt und in eine andere Welt entführt; das Ergebnis ist ein
vergnügungsparkähnliches Erlebnis, untermalt mit der neuesten Technologie. Das ist nicht billig
(das Museum of the Moving Image [Museum der bewegten Bilder] in London musste Bankrott
anmelden) und bereits unmittelbar nach der Eröffnung veraltet (das ausgezeichnete
Weltkriegsmuseum "In Flanders Fields" in Ieper arbeitet seit seiner Eröffnung an einer
Fortsetzung). Beide Wege sorgen für öffentliches Interesse, wenn auch nur vorübergehend.
Es ist nicht ganz klar, ob Besucher auf diese Weise mehr lernen. Es mag für Menschen,
die auffällige Filme und Spezialeffekte gewöhnt sind, ein angenehmerer Lernprozess sein.
Jedoch ist es für ein Museum schwierig, in der kurzen Zeit eines Museumsbesuches ein
Frontalerlebnis anzubieten, für das es atemberaubende Methoden wie z. B. Gedärme,
Todesängste und Wahnsinn einsetzen müsste! Es ist möglich, kurzlebige Impressionen zu
kreieren, klare Illusionen mit Bezug zur Realität; je näher man jedoch an die Effekthascherei von
Horrorsammlungen, Horrorfilmen und Spukhäusern rückt, desto dünner wird das Eis. Dies
impliziert, dass in diesen Museen die Rolle des Objektes zugunsten der beabsichtigten Erfahrung,
die mit verschiedenen Mitteln geschaffen wird, ins Abseits geschoben und dem originalen Objekt
eine attributive Rolle innerhalb der Szenerie zugewiesen wird.
Gleichzeitig haben verschiedene Museen den Ansatz des sogenannten "Edutainment" –
der als Unterhaltungsprogramm servierten Bildung und Erziehung – gewählt. Im Kampf um die
Aufmerksamkeit des Publikums besteht die Gefahr, dass die pädagogischen Werte den
sensationellen geopfert werden, denn auch Museen glauben an Sensationen. Es kann ein Detail
sein: Ein Drehtisch im Schaufenster lässt den Umsatz um 30% hochschnellen (Museumvisie
2001, 9). Dinge, die funktionieren oder sich bewegen, sind ein Segen fürs Museum. Dinosaurier,
die ihre Beine heben und brüllen können, ziehen mehr Aufmerksamkeit auf sich als ein Haufen
blasser Knochen.
Ein sehr extremes, inspirierendes und unglaublich interessantes Beispiel für das
sensationelle Genre ist die Ausstellung "Körperwelten", die erstmals Ende 1997 im
Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim und später an verschiedenen Orten zu
sehen war (Brüssel und London, 2002). Überall war sie Gegenstand von Kontroversen. Der
Anatom Gunther von Hagens zeigte menschliche Körper, die er mit seinem eigenen Verfahren
präpariert und konserviert hatte.4 Dieses Verfahren ermöglicht ihm, Organe oder ganze Körper
4
Bei der sogenannten Plastination werden Körperflüssigkeiten und Fett durch Azeton, und anschließend durch
Polymere ersetzt. Die Plastination findet im Vakuum statt. Plastinierte Körper können wie synthetisches Material
23
aufzuschneiden und zu zeigen. Mit einem Sinn für makabere Inszenierungen werden diese
Körper in suggestiven Posen dargestellt – inspiriert unter anderem von Andreas Vesalius (15141564) und Michelangelo (1475-1564); was normalerweise im Verborgenen bleibt, wird hier
Schicht für Schicht offenbar wie z. B. der Mann, der seine eigene Haut wie ein Jackett über dem
Arm trägt.
Die traditionelle museologische Langweiligkeit kann mit dieser Art des
Katastrophentourismus nicht konkurrieren. Die Ausstellung zog in Mannheim mehrere
hunderttausend Besucher an und blieb schließlich 24 Stunden am Tag geöffnet. Die
wirtschaftliche Auswirkung (eine weitere moderne museologische Tugend) war immens,
lediglich Mannheims Taxifahrer und Kneipenbesitzer beschwerten sich über das Spektakel.
Grumblers Anschuldigung, Von Hagens sei geschmacklos und neige zur Perversion, wurde
übertönt von der Aufregung, die die Ausstellung entfachte.5 Der Künstler hat sicherlich keinerlei
Skrupel, andere zu provozieren, was sich auch an der ungewöhnlichen Vermarktung und den
ausgesuchten Ausstellungsorten bemerkbar macht. Auf das Museum in Mannheim folgte ein alter
Bahnhof in Berlin und der Keller eines Schlachthofes in Brüssel. Tatsache ist, dass alle Objekte
dieser Ausstellung kreiert wurden. Von Hagens hat die menschlichen Überreste für diesen Anlass
einer speziellen Behandlung unterzogen, in Scheiben geschnitten, aufgeschnitten,
zusammengefaltet und aufgehängt. Eine künstliche Anordnung von Materialien, die einst
lebendig waren. Auch in diesem Fall wird das Objekt gänzlich in den Hintergrund gedrängt. Die
Präsentation steht im Vordergrund, anmutig und grausam zugleich. Die Ausstellung ist "mirabile
visu", ein faszinierender Anblick. Trotz der Gerüchte ist "Körperwelten" höchst instruktiv und
zielt bewusst auf die breite Öffentlichkeit. Jung und Alt können mit eigenen Augen sehen, was
bisher das exklusive Privileg einer Handvoll Forscher war.
1.6. Das wissenschaftliche Objekt
So kontrovers sie auch sein mögen, die "Körperwelten" haben ihren Platz im Museum zu Recht.
Ist das Museum nicht der würdige Nachfolger der "Wunderkammer" und der
Kuriositätensammlungen vergangener Jahre (Pomian 1987)? Und ist es – seit dem
Emporkommen der modernen Wissenschaften – nicht die Aufgabe der Museen, zu sammeln, zu
präparieren, zu zeigen, zu erstaunen und zu erziehen? Ist es nicht ein ehrenvoller Salut an die
Pioniere, die menschliche Körper öffneten, um sie von innen zu sehen, statt die Wahrheiten aus
der Literatur des Altertums zu übernehmen? Und sollten Museen nicht auch die ersten sein, wenn
es um neue Präparations- und Ausstellungsverfahren geht?
Der deutsche Philosoph G.W. Leibniz glaubte bereits im Jahr 1675, dass die Museen
wissenschaftliches Interesse und pädagogische Ausstellungen mit sensationeller Unterhaltung
kombinieren sollten (Leibniz 1971, 562-568). Leibniz war Zeuge, wie an der Seine in Paris ein
spezieller Anzug vorgestellt wurde, mit dem man auf dem Wasser laufen konnte. 6 Dieses
Beispiel an Einfallsreichtum brachte Leibniz auf den "schönen" Gedanken, wissenschaftliche und
Kuriositätensammlungen in größere, öffentliche Ausstellungen umzuwandeln. Sein "Museum"
würde ein Ausstellungspark oder -jahrmarkt werden, in dem wissenschaftliche Entwicklungen
sowie die neuesten praktischen Erfindungen präsentiert und in verständlicher Form erklärt
würden. Damit auch die breite Masse angesprochen wurde, bot er sensationelle, amüsante
Unterhaltung (Feuerwerk, Wunderlaternen, Maschinen, Akrobaten, fremde Tiere, Theater,
oder Holz weiter verarbeitet werden, d. h. sie können z. B. in Scheiben geschnitten werden. Siehe:
www.koerperwelten.com
5
Auf jeden Fall tat er moralische und juristische Bedenken ab. Man sagt, von Hagens habe illegal Leichen aus Asien
und Osteuropa importiert, und eine Besucherin habe die Leiche ihres an Krebs verstorbenen Vaters wiedererkannt,
der wollte, dass sein Leichnam für Forschungszwecke zur Verfügung gestellt wird ...
6
Offenbar handelte es sich um Ledergeschirr, das über Kreuz an einer hölzernen Boje befestigt wurde, und in dem
ein Mann saß, der einen Airbag um die Taille und flügelähnliche Flossen an seinen Knöcheln befestigt hatte.
24
Wettervorhersagen, Konzerte und andere Sensationen der damaligen Zeit). Der wissenschaftliche
Park musste finanziell unabhängig sein, um Einflussnahmen durch Behörden zu vermeiden und
langfristig lebensfähig zu sein. Leibniz hatte hierfür eine einfache Lösung: Spielhallen. Die
lasterhafte Spielsucht diente so einem sinnvollen Zweck, und man könnte auf nützliche Weise
von menschlichen Schwächen profitieren.
Dank der vielfältigen Angebote und Unterhaltungsmöglichkeiten würde er in der Lage
sein, die breite Öffentlichkeit anzusprechen, inklusive Frauen und solcher Menschen, die sich
normalerweise von Naturwissenschaften nicht in den Bann ziehen lassen. Es wären keine echten
Museen, aber hinter der glitzernden Fassade würden Wissenschaftler an ihren Sammlungen und
Erfindungen arbeiten. Leibniz schlug vor, diese Jahrmärkte auf verschiedene größere Städte zu
erweitern. Solange der Mensch sich in einem Raum rastlos fühlt, bieten museologische Parks
Unterhaltung und sinnvolle Zerstreuung.
Wie viele seiner Vorschläge, wurde dieser "schöne" Gedanke Leibniz' nicht ausgeführt,
da sich weder Geldgeber noch Gönner fanden. Dennoch hatte er Recht, was die Art und Weise
anbelangt, wie der Unterhaltungswert das Interesse an Museen und sogar an wenig interessanten
Themen anregen kann. Unterhaltung bedeutet Konsum, und natürlich hatte der praktisch
denkende Leibniz auch die wirtschaftliche Seite im Auge. Trotzdem wurde gleichzeitig die
andere Absicht nicht in den Hintergrund gedrängt. Mitten im Vergnügen wurde gesammelt,
geforscht, entdeckt und am menschlichen Schicksal gearbeitet. Leibniz befürchtete sogar, dass
wichtige und unschätzbare Informationen wegen unzulänglicher Berichte und unzureichender
originaler Feldarbeit verloren gehen könnten. Er hatte das Gefühl, man dürfe keine Zeit verlieren.
Man könnte argumentieren, dass das von Leibniz vorgeschlagene Jahrmarkt-Modell leicht
die ICOM-Definition des Museums, das sammelt, präpariert, prüft, zeigt und erklärt, erfüllt.
Diese alte Idee, Unterhaltung und Sammlungen zu kombinieren, ist eine verlockende Antwort auf
die Probleme des Museums der modernen Zeit. Wenn das Museum seinen Unterhaltungswert
ausschöpfen würde, wäre es finanziell lebensfähiger und würde ein breiteres Publikum erreichen.
Museen können lebendig und sensationell sein, ohne ihren wissenschaftlichen Status aufzugeben,
und müssen hierfür keine Unordnung in ihre Objekte bringen.
1.7 Das Objekt für Kinder
Auch wenn ein Museum keinen Ehrgeiz hat, als Jahrmarkt zu fungieren, ist es doch schwierig,
das richtige Gleichgewicht zu finden. Ohne Besucher gibt's kein Museum, doch wie weit sollte
man gehen, um Besucher anzuziehen? Wo ist die Grenze zwischen einer wissenschaftlichen
Einrichtung und einem Vergnügungspark? Kein einziges Museum scheint bereit zu sein, etwas
zu unternehmen, um mehr Besucher anzuziehen, auch wenn heutzutage keiner mehr mit Farben
oder Spektakel verschreckt wird. Museen sind – zu Recht – vorsichtig, denn sie sind verpflichtet,
für ihre Objekte zu sorgen und in wissenschaftlich-seriöser Form zu informieren. Das Sammeln
und Erhalten von Objekten verträgt sich nicht immer mit dem Zeigen und Erklären der Objekte
auf trendige und ansprechende Art. Manche Objekte dürfen buchstäblich nicht ans Tageslicht
kommen, um nicht beschädigt zu werden, bei anderen muss man mehr als vier Zeilen schreiben,
um sicher zu gehen, dass die Erklärung richtig interpretiert wird.
Geht es um junge Besucher, liegen die Dinge allerdings anders! Bei Kindern zahlen sich
die traditionellen Bedenken und Restriktionen aus. Verkleidet als Römer oder Mönche stören sie
die heilige Ruhe des Museums. "Nicht berühren" hat seine Bedeutung verloren, seit MitmachWorkshops angeboten werden. Museen stellen monströse Sandkästen bereit und lassen die
Kinder in Ausgrabungsaktivitäten schwelgen. Was gefunden wird, darf als Souvenir behalten
werden. Die Tatsache, dass es der archäologischen Erfahrung an wissenschaftlicher Präzision
fehlt und sich deshalb eine gewisse Nähe zu Indiana Jones' Zerstörungsgehabe nicht leugnen
lässt, interessiert hier nicht. Ungeachtet der Feuerschutzvorschriften wandern sie mit Kerzen oder
Öllampen im Museum umher, und können die Entwicklung des künstlichen Lichts aus erster
25
Hand miterleben. Campieren ist gestattet, und kann in einem fremden Raum mit obskuren
Objekten zu einem aufregenden Erlebnis werden – auch wenn es bedeutet, das Sicherheitssystem
für eine Weile zu deaktivieren.
Es scheint, dass Museen weniger Skrupel haben, wenn es um Kinder geht. Da dürfen
Objekte angefasst werden, Duplikate sind überaus nützlich und Vorschriften werden gelegentlich
außer Acht gelassen. Schwierige Themen wie Steuern oder Magnetismus können plötzlich in
verständlicher Weise erklärt werden. Museen würden alles tun, um ja nicht steif oder langweilig
zu wirken – was man Schulen nachsagt – und präsentieren sich deshalb als attraktive Alternative:
klasse Ding, da darf man alles selber ausprobieren!
Workshops für Kinder und Jugendliche entsprechen genau dem Leibniz-Projekt. Sie
kombinieren Spaß und Ernsthaftigkeit und verwandeln die heiligen Hallen respektabler Museen
in richtige Vergnügungsparks. Sie versöhnen die komplizierten und widersprüchlichen Aufgaben
eines Museums. Workshops für Kinder und Jugendliche sind die idealen Labor- und
Versuchsbedingungen, in denen ein Museen mit seinen Besuchern experimentieren kann. Kinder
sind schwierige, aber auch anerkennende Besucher und sie sammeln – wie Museen – für ihr
Leben gerne. Freuen wir uns also, dass es sie gibt. Jedes Museum sollte sich aufmerksam um sie
kümmern.
Literaturhinweise
Eco, U. (1985) In het hart van het rijk: reis in de hyperrealiteit, in Eco, U. “De alledaagse
onwerkelijkheid”, Amsterdam.
Janssen, D. (1994) Tekst in Musea. Omgaan met informatie in het museum, Eindhoven.
Leibniz, G.W. (1675/1971) Drôle de pensée touchant une nouvelle sorte de
REPRESENTATIONS (plustot Académie des Sciences, September, 1675), veröffentlicht
in: Sämtliche Schriften und Briefe. Vierte Reihe. Politische Schriften. Erster Band
1667-1676, Berlin 1971, Seite 562-568.
Leys, S. (1976) Chinese Schimmen, Amsterdam 1976 (2. Ausgabe).
Museumvisie, Vol.25 / No. 4 (Dezember 2001), Seite 9.
Pomian, K. (1987) Collectionneurs, amateurs et curieux, Paris, Venise XVI-XVIIIe siècle, Paris.
26
2. KAPITEL
Museen und Schulen: Blick auf eine Beziehung
Traudel Weber
Deutsches Museum München, Deutschland
2.1 Einführung
Die Beziehung zwischen Museen und Schulen in Deutschland blickt (wie in manchen anderen
Ländern auch) auf eine lange Tradition zurück. Schon im Jahre 1826 wurden Kinder zur
Teilnahme am sonntäglichen Unterricht im Senckenberg-Museum in Franfurt am Main
eingeladen. Am Ende des 19. und im frühen 20. Jahrhunderts öffneten naturgeschichtliche und
-wissenschaftliche Museen als erste ihre Sammlungen und Ausstellungen für die breite
Öffentlichkeit und formulierten einen Bildungsauftrag. In München gründete Oskar von Miller
das Deutsche Museum der Meisterwerke aus Wissenschaft und Technik, das einem breiten
Publikum maßgebliche Entwicklungen auf diesen Gebieten nahe bringen sollte. Man zeigte die
Maschinen in Aktion, um das Verständnis für deren Funktionen zu erleichtern. Mit viel Liebe
zum Detail wurden Dioramen erstellt, die die Ausstellungsstücke in ihrer ursprünglichen
Umgebung zeigten, während Repliken, Vorführungen und Experimente den Besucher neugierig
machen, seinen Sinn für die Anstrengungen und sein Interesse an naturwissenschaftlichen
Phänomenen entwickeln sollten. Miller wurde von Georg Kerschensteiner unterstützt, seinerzeit
ein bekannter Lehrer und die Leitfigur einer neuen pädagogischen Richtung, der "Arbeitsschule".
Beeinflusst von John Dewey wollte Kerschensteiner im Schulunterricht mehr "Anschaulichkeit"
einführen – ein Thema, das auch heute wieder an erster Stelle steht. Er war überzeugt, dass
Museen erheblich zur Bildung beitragen können, indem sie (neben anderen Methoden)
"Anschaulichkeit" verwenden, in einer Zeit, in der das Konzept des neuen Museums die breite
Öffentlichkeit und viele Schulen gleichermaßen anzog.
In den 1970er Jahren wurde Bildung zu einem zentralen Thema in der Museumsdebatte,
und es entstand das Buch "Das Museum: Lernort contra Musentempel" (Spickernagel und Walbe
1976), das bereits in seinem Titel die beiden dominanten Ansätze anklingen lässt. Ein Ergebnis
der Debatte – die für Kunstmuseen möglicherweise mehr Herausforderung barg als für
naturgeschichtliche, naturwissenschaftliche oder technische Museen – war die Gründung von
sogenannten museumspädagogischen Diensten und ein kleiner Fortschritt in der Überzeugung
und Bereitschaft, in Museen Pädagogen einzustellen. Die Mehrzahl der Personen, die in diesen
Diensten oder als Museumspädagogen arbeiteten, waren (und sind immer noch) ausgebildete
Lehrer! Dies impliziert die Tendenz, zwischen Schulen und Museen eine starke Beziehung zu
schaffen.
1976 gründete das Deutsche Museum das Kerschensteiner-Kolleg. Das Kolleg ist mit
Räumen für einen Wochen-Aufenthalt ausgestattet und sollte Schulgruppen einladen, es zu
nutzen (Gottmann 2001). Allerdings besuchten seinerzeit etwa 20.000 Schulgruppen jährlich das
Deutsche Museum. Dies bewog das Kerschensteiner-Kolleg zu der Entscheidung, statt Klassen
Lehrer und sonstige Pädagogen anzusprechen, und damit Zielgruppen, die als Multiplikatoren
agieren würden.
Frank Jürgensen (1995) stellt fest, dass Schulgruppen ungefähr 20% der
Museumsbesucher ausmachen, und damit den prozentual größten Anteil an Museumsbesuchern
in Gruppen. Andererseits zeigt eine Studie des Instituts für Museumskunde (Hagedorn-Saupe
2001), dass Schulen die wichtigste Zielgruppe von Museen sind – gefolgt von Touristen und
Kindern allgemein – obwohl Museumsbesuche normalerweise relativ kurz dauern, verglichen
mit der Zeit, die im Unterricht verbracht wird. Die Museen beschäftigen sich mit ihrer Beziehung
zu Schulen und den Möglichkeiten, wie beide kooperieren können, um ihren gemeinsamen
27
Bildungsauftrag zu erfüllen. Welche Rolle soll oder kann das Museum in dieser Beziehung
spielen? Die Rolle reicht vom Museum als "besonderes Klassenzimmer", das nichts anderes ist
als ein verlängerter Arm der Schule und die gleichen Methoden verwendet, bis hin zum Museum
als pädagogisches Mittel, mit dem die schulischen Lehr- und Lernmethoden unterstützt und
ergänzt werden können.
2.2 Lernen im Museum
Die Entwicklung von Ausstellungen wurde im 19. Jahrhundert im Kontext von Kommunikationsund Lerntheorien gesehen, die dem Lernenden/Besucher eine ziemlich passive Rolle zuschrieben.
Man nahm an, Wissen sei objektiv und informationsbezogen, Kommunikation verlaufe linear
von oben nach unten und das Museum habe die Rolle der Autorität inne (Hooper-Greenhill
2000). Inzwischen haben sich Lerntheorien gravierend geändert; pädagogische Prozesse wurden
systematisch untersucht. Formale Bildungseinrichtungen wie beispielsweise Schulen, Colleges
und Universitäten haben begonnen, über die Wirksamkeit verschiedener Unterrichtsmethoden,
verschiedener Lernansätze und über die Verwendung bzw. Relevanz von Unterrichtsmaterialien
für bestimmte Altersgruppen nachzudenken. Hooper-Greenhill argumentiert beispielsweise:
“Der Begriff der "Bildung" wurde vertieft und erweitert, nachdem man anerkannt hat,
dass Lernen und Lehren nicht auf formale Institutionen begrenzt, sondern ein
immerwährender Prozess ist, der an unzähligen, informellen Orten stattfindet. Formale
Bildungsprozesse sind nur ein kleiner und nicht immer effektiver Teil der Lernprozesse,
die im Leben notwendig sind, und die sowohl den Erwerb von Wissen und Erfahrungen
als auch die Anwendung vorhandener Fertigkeiten und Kenntnisse beinhalten” (HooperGreenhill 2000, 2).
Es ist ein grundlegendes Merkmal dieses neuen Ansatzes, den Lernenden als aktiv am den
Lernprozess beteiligt und das Lernen nicht mehr nur als passive Aufnahme von Informationen zu
betrachten. Lernen ist kein linearer Prozess, sondern wird von vielen Faktoren wie beispielsweise
Umgebung, Erwartungen und bisherigem Kenntnisstand des Lernenden beeinflusst. Ausbildung
und Erziehung betonen jetzt vermehrt konkrete (statt wie bisher abstrakte) Erfahrungen, und der
Prozess der Wissensaneignung wird wichtiger als die Anhäufung von Wissen:
“Fähigkeiten, die zum Lernen und Ergründen von Studien befähigen, sind wichtiger als
das Aufzählen von Fakten.” (Hooper-Greenhill 1987, 42).
Wie lernt der Besucher nun im Museum? Nach Feber (1987) sind Museen Orte, die
Möglichkeiten zum Lernen bieten, jedoch keine Schulen sind. Der Besucher lernt, indem er sich
umsieht, selbst bewertet und auswählt, was er oberflächlich oder genauer kennen lernen möchte,
indem er beobachtet, beschreibt, bespricht, was er sieht, Beschreibungen liest und Verbindungen
herstellt zwischen dem, was er sieht und seinem eigenen Leben. Währenddessen konstruiert der
Besucher seine eigene Bedeutung des Objekts. Das Museum als Ort des informellen Lernens, des
Lernens im eigenen Tempo und aufgrund zahlloser, unterschiedlicher Voraussetzungen.
Was kann ein solcher Ort heute zu den Ansprüchen formeller Bildungseinrichtungen wie
Schulen beitragen? Kirk stellt fest, dass die Veränderungen bei den Lern- und Lehrkonzepten
auch einen starken Einfluss auf den Unterricht in Schulen haben. Jetzt ...
“... wird der Lernende durch entdeckende Arbeit aktiv in die Entwicklung seiner
Fähigkeiten und seines Verständnisses involviert. Das am besten geeignete Lernmilieu ist
deshalb jenes, in dem der Schüler zum Denken, Ableiten, Hypothetisieren, Kritisieren,
Spekulieren, Bewerten, Vorstellen und zu Kreativität angeregt wird; die günstigste
Strategie für den Lehrer ist, die Schüler zu verschiedenen Arten von Entdeckungen
anzuregen, die das ganze Spektrum investigativer Fähigkeiten fordern” (Kirk 1987, 19).
28
Dennoch, so Kirk, fehlt in den meisten Schulen das notwendige Material für derartige
Unterrichtsprozesse. Museen mit ihren Sammlungen können deshalb eine wahre Schatzkammer
für Schulen sein, da sie nicht nur derartiges Material anbieten, sondern auch Möglichkeiten für
Erfahrungen und entdeckendes (investigatives) Lernen bieten. Hooper-Greenhill betont einen
anderen sehr wichtigen Aspekt in Bezug auf den Wert von Museen: die Präsenz der Objekte, das
“Echte”, die Basis, auf der das Museum neue Interpretationen möglich macht. Eine – nicht nur
für Kinder – besonders nachdrückliche Erfahrung in einer Welt, die mit TV, Radio, Computern
und Zeitungsartikeln mit vorgekauten Interpretationen der Welt überladen ist (Hooper-Greenhill
1987). In dieser Hinsicht erreicht das Museum einen sehr hohen Grad an “Anschaulichkeit”,
indem es Dinge in ihrer wahren Größe oder als kleinere Nachbildung zeigt. Der Schüler kann die
verschiedenen Materialien, aus denen die Objekte gemacht sind, sehen, riechen und manchmal
sogar anfassen. Die Authentizität des Echten ruft Bewunderung, Neugier und den Wunsch, es zu
berühren, hervor und genau diese Vielzahl der Reaktionen fördern das Lernen durch Entdecken,
wobei die persönliche Erfahrung die Grundlage für die Entwicklung des Verständnisses ist
(Matthes 1998).
Museen sind Orte, an denen Erfahrungen gemacht werden, kognitive, soziale und auch
affektive Erfahrungen. Echte Dinge sind dreidimensional und können das räumliche
Vorstellungsvermögen von Kindern – eine Fähigkeit, die zunehmend verkümmert – positiv
unterstützen (Zöpfel 2002). Museen bieten viele Möglichkeiten, ein Objekt mit seinen
präsentierten Inhalten nicht isoliert zu erleben, sondern in der Gruppe zu diskutieren. Indem der
Schüler/die Schülerin seine/ihre Eindrücke von sich gibt, präsentiert er/sie sich selbst und
identifiziert sich damit gleichzeitig innerhalb der Gruppe, was als Ganzes das Verständnis und
die Identität fördert (Larcher 1988).
2.3 Naturwissenschaftlicher Unterricht in Schulen
1997 wurden die Kenntnisse und Fähigkeiten deutscher Schüler an weiterführenden Schulen in
naturwissenschaftlichen Fächern in den TIMSS-Studien durchschnittlich bewertet. Seitdem
konzentrieren sich die Diskussionen darauf, wie diese Leistungen zu verbessern sind. Eine der
vorgeschlagenen Lösungen basiert auf den Verbesserungen, die man erwartet, wenn Kindern –
bereits in jungen Jahren – die Möglichkeit gegeben wird, wissenschaftliche Phänomene und ihre
jeweiligen technischen Anwendungen kennenzulernen.
In der Grundschule werden Naturwissenschaften oft als Teil der „Heimat- und
Sachkunde“ gelehrt, die auch lokale Geschichte, Geografie, Verkehr, Ernährung, Arbeit etc.
umfasst. Als Reaktion auf die TIMSS-Studien wurden in manchen Ländern die Lehrpläne für
Grundschulen überarbeitet (bzw. die Ergebnisse der TIMSS-Studien in laufende Änderungen
eingeschlossen) und der Anteil des Unterrichts in naturwissenschaftlichen Fächern in den ersten
Schuljahren erhöht. Dennoch – das Problem, dass Grundschullehrer Generalisten sind, bleibt und
konnte auch von neuen Lehrplaninhalten kaum geändert werden. Während ihrer Berufausbildung
können angehende Lehrer neben den Pflichtfächern auch unter verschiedenen zusätzlichen
Fächern wählen. Das heißt, dass die Kenntnisse in Naturwissenschaften und Technik sehr
unterschiedlich sein können und die Fähigkeit, die Fächer kompetent zu unterrichten, nicht
immer garantiert ist. Lehrerfortbildungsstätten bieten zusätzliche Kurse in Naturwissenschaften
und Technik an; diese haben jedoch nur eine sehr limitierte Kapazität. Neben der fehlenden
Kompetenz verfügen viele Schulen auch nicht über die erforderliche Ausrüstung, um
naturwissenschaftliche Fächer oder technische Themen lebendig zu unterrichten, Schüler zum
Entdecken zu motivieren und sie neugierig auf das Thema zu machen. In diesem Zusammenhang
können Technik- und Naturkundemuseen sowohl die Expertise als auch die Mittel bereitstellen,
mit denen Lehrpersonen ihre Kenntnisse und Fähigkeiten auf diesem Gebiet verbessern können
29
und sie könnten (neue) Programme für Schüler anbieten, die das Museum als Ort für Erfahrungen
in Naturwissenschaft und Technik nutzen.
2.4 Wie Schulen Museen nutzen
Die meisten Museumsbesuche von Schulgruppen können in zwei Kategorien unterteilt werden:
a) eintägige Besuche im Museum mit Ausflugscharakter und ohne spezifischen Zweck, und
b) Besuche mit einem genau definierten pädagogischen Ziel. Besuche der zweiten Kategorie
bieten eine Grundlage, auf der eine Beziehung zwischen den Lerninhalten und den Erfahrungen
eines Museumsbesuches entwickelt werden kann, insbesondere im Hinblick auf diese drei
Punkte:
a. Wenn ein neues Thema im Unterricht eingeführt wird, kann der Museumsbesuch die
Schüler motivieren, sich auf dieses Thema zu konzentrieren. In diesem Fall soll der
Besuch vor allem das Interesse wecken und den Schülern die Möglichkeit geben, beim
Betrachten der ausgestellten Objekte Fragen zu formulieren; Fragen, die in den meisten
Fällen nicht sofort im Museum beantwortet werden können, sondern Ausgangspunkt für
weitere Diskussionen und Arbeit im Unterricht sein können.
b. Im Verlauf des Unterrichts über ein bestimmtes Thema kann der Museumsbesuch den
Schülern die Möglichkeit bieten, die ausgestellten Objekte auf Grundlage des bereits
erlernten Wissens zu interpretieren. Sie können das, was sie bisher gelernt haben, mit den
in der Ausstellung vermittelten Informationen vergleichen. Sie können ihre eigene
Interpretation bestätigt finden und gleichzeitig sehen, dass verschiedene Interpretationen
möglich sind, es keine alleinige Wahrheit gibt. Das kann die Entwicklung neuer
Standpunkte fördern und so die Diskussion im Unterricht voranbringen.
c. Am Ende einer Unterrichtseinheit kann der Museumsbesuch zur Wiederholung dessen
dienen, was die Schüler im Unterricht gelernt haben und ihnen einen lebendigeren
Eindruck des Themas geben. Dies scheint insbesondere für naturwissenschaftliche
Themen relevant zu sein, z. B. für physikalische Phänomene und deren Anwendungen in
technischen Neuerungen (Matthes 1998).
Das Arbeiten in Gruppen mit zwei bis drei Schülern bewährt sich häufig als wirksame
Methode, eine Ausstellung zu erforschen und im Museum zu lernen. Wenn Schüler z. B. die
Funktion eines unbekannten oder vielleicht seltsamen Objektes entdecken, beschreiben und
herausfinden sollen, ist es wichtig für sie, dass jemand dabei ist, dem sie ihre Gedanken und
Beobachtungen mitteilen und mit dem sie über ihre eigenen Interpretationen diskutieren können.
Die Anweisungen, wie Aktivitäten im Museum auszuführen sind, müssen flexibel gestaltet
werden, damit die Schüler ihre eigenen Fragen formulieren, ihre eigenen Beobachtungen machen
und ihre eigenen Interpretationen entwickeln können. Offene Fragen zu beantworten macht die
Schüler selbstbewusst und enthusiastisch, z. B. „Was meinst du, woraus das gemacht ist?“ oder
"Was würdest du mit dem Objekt machen, wenn es dir gehören würde?" (Cole 1984). Solche
Fragen ermuntern die Schüler auch, persönliche Verbindungen zu dem Objekt herzustellen; dies
hilft ihnen, das Gelernte besser und länger zu behalten.
Viele Lehrer wollen Informationen und Unterstützung haben, wenn sie einen
Museumsbesuch planen. Das bezieht sich nicht nur auf Unterstützung im Hinblick auf die
wissenschaftlichen Inhalte, sondern auch auf praktische Hilfe bei den Kleinigkeiten, die für das
erfolgreiche Lernen ebenfalls wichtig sind. Wichtige Punkte, die einen Museumsbesuch zum
Erfolg werden lassen, sind z.B.:
30
a. Unbekannte Umgebungen sind für Kinder nicht nur aufregend und motivierend, sondern
können auch ablenken, besonders kleinere Kinder. Sie können sich aus 'banalen' Gründen
unwohl fühlen, z. B. weil sie nicht wissen, wann und wo sie etwas zu essen bekommen
werden, wo eine Toilette ist oder weil sie nicht wissen, was von ihnen erwartet wird, wie
sie sich benehmen sollen und wie lange sie bei den einzelnen Objekten verweilen dürfen.
b. Kinder gehen mit zwei verschiedenen Agenda auf den Museumsausflug: Die
'kindzentrierte' konzentriert sich auf das, was die Kinder im Museum tun werden –
Objekte sehen, Spaß haben, Geschenke kaufen und für einen Tag dem Schulalltag
entfliehen. Die andere Agenda bezieht sich auf die Erwartungen, die die Schule und das
Museum haben: die Kinder gehen davon aus, dass sie etwas lernen und Leute treffen, die
im Museum arbeiten. Das Ergebnis eines Besuches wird vom Wechselspiel zwischen
diesen Erwartungen und dem tatsächlichen Ausflug bestimmt (Falk und Dierking 1992).
c. Oftmals sind sich die Lehrpersonen ihrer eigenen Erwartungen nicht bewusst und geben
beispielsweise an, der Besuch solle eine andere Gangart haben und eine soziale Erfahrung
sein, geben jedoch Arbeitsblätter an ihre Schüler aus, die zeigen, dass es sich um einen
lernorientierten Besuch handelt. Bailey berichtet über Forschungsarbeiten von Jeanette
Griffin, die zeigen, dass bei einem Museumsbesuch die Zielsetzung der Lehrperson die
Zielsetzung der Schüler beeinflusst und umgekehrt (Bailey 1999).
Die Vorbereitung und die Identifizierung eines genau bestimmten Zieles sind äußerst
wichtig für den Erfolg eines Museumsbesuches.
2.5 Angebote des Deutschen Museums für Schulen und Lehrer
Die meisten pädagogischen Aktivitäten des Deutschen Museums unterliegen der Verantwortung
der Hauptabteilung Programme, wobei jedoch zahlreiche weitere Abteilungen des Museums mit
ihrer Arbeit zur Entwicklung der Programme beitragen. Die wichtigsten Aktivitäten und
Initiativen, die das Museum anbietet, sind:
2.5.1 Das Kerschensteiner-Kolleg
Das Kerschensteiner-Kolleg wurde 1976 vom Deutschen Museum gegründet und mit
Hotelzimmern, Labor und Konferenzsaal ausgestattet. Die Mehrzahl der Kollegbesucher sind
Lehrer, die entweder im Beruf oder in der Ausbildung stehen, sowie Studenten, Wissenschaftler
und Museumsmitarbeiter. Die Kurse dauern gewöhnlich eine Woche und zielen darauf ab,
Naturwissenschaften und Technik nicht nur als wissenschaftliche Inhalte, sondern auch als Teil
der Kulturgeschichte darzustellen. Die Kursangebote für Lehrer dienen der Auffrischung
technischer und naturwissenschaftlicher Kenntnisse; das Vertiefungsthema wird jeweils im
Vorfeld von den Teilnehmern festgelegt. Die Kursinhalte sind mit den Ausstellungen im
Museum verbunden und sollen die Lehrpersonen mit dem Museum als Lernort für Gruppen
vertraut machen. Die Kurse beinhalten auch Informationen über die mögliche Form und den
möglichen Ablauf eines Museumsbesuches.
2.5.2 Veröffentlichungen
Der Ausstellungskatalog des Museums dient der ersten Orientierung, was im Museum zu sehen
ist. Darüber hinaus enthalten die Führer zu einzelnen Ausstellungen, zusammen mit einer CDROM, eine komplexere Beschreibung der Inhalte. Lehrpersonen können sich mit einer Reihe
kleiner Hefte mit dem Titel "Wissen Vertiefen" über die gewählte Ausstellung des Museums oder
das gewählte Thema informieren und bei der selbstständigen Vorbereitung des
Museumsbesuches helfen lassen. Lehrer an berufsbildenden Schulen können die Reihe "Modelle
31
und ihre Rekonstruktionen" verwenden. Jedes Heft beschreibt ein historisches Objekt, z. B. den
Jacquardwebstuhl, die historische Situation, in der es entstand, technische Details und eine
Anleitung, wie die Schüler selbst eine Nachbildung (in einem kleineren Maßstab) anfertigen
können. Durch das Rekonstruieren von Objekten, die nicht allzu komplex sind, können die
Schüler einen genauen Einblick in technische Probleme und deren Lösung gewinnen, und so die
komplexen Artefakte moderner Technik leichter verstehen.
Viele Schulen fragen auch nach den "Forscherbögen für Kinder", die die Kinder auf eine
Entdeckungsreise führen und mit Hilfe verschiedener Fragen motivieren, bestimmte Objekte
genauer zu betrachten. Die Lehrer verwenden diese Bögen häufig als spielerische Einführung in
ein neues Thema oder um eine Verbindung zwischen dem in der Schule Gelernten und dessen
Verwendung im Alltag – heute und damals – zu schaffen.
2.5.3 Geführte Rundgänge
Das Führungsbüro ist nicht nur für die Buchung und den Ablauf geführter Rundgänge
verantwortlich, sondern auch für die Fülle der angebotenen Themen und die qualitative Leistung
der Führer. Für Gruppen gibt es drei verschiedene geführte Rundgänge: a) Besuche in einer
einzigen Abteilung, mit einem der Mitarbeiter im Vorführ- und Aufsichtsdienst, b) geführte
Rundgänge in verschiedenen Ausstellungen, um einen allgemeinen Überblick über die
Sammlung zu erhalten und c) sogenannte “Fachführungen“, die sich mit einem ganz speziellen
Thema befassen.
2.5.4 Schulmitgliedschaften
1999 begann das Deutsche Museum ein neues Projekt, das die Zusammenarbeit mit Schulen
intensivieren sollte: "Museumsmitgliedschaft für Schulen". Inzwischen nehmen mehr als 350
Schulen aller Schularten (Grundschulen, weiterführende Schulen etc.) und aus vielen Regionen
Bayerns daran teil. Jede Schule bezahlt pro Schüler und Jahr eine geringe Gebühr und erhält für
alle Klassen freien Eintritt ins Museum sowie kostenlos geführte Rundgänge und
Sonderprogramme. Das Projekt wurde mit gewissen Erwartungen sowohl seitens der Schulen als
auch seitens des Museums entwickelt: die Schulen erwarten, dass sich das Museum mehr
bemüht, ihre Bedürfnisse zu identifizieren und zu erfüllen, während das Museum hofft, die
Zusammenarbeit zu entwickeln, die erforderlich ist, damit mehr Schüler erreicht und zu ihrer
naturwissenschaftlichen und technischen Bildung beigetragen werden kann. Beide Institutionen
hoffen auch, im Bezug auf Lehr- und Lernmethoden voneinander lernen zu können.
2.5.5 Sonderprogramme für Schulgruppen
1998 begann das Deutsche Museum, Sonderprogramme für Schulgruppen zu entwickeln. Die
Initiative berücksichtigt Beobachtungen über das Verhalten von Schulkindern bei geführten
Rundgängen bzw. das Verhalten von Kindern, die das Museum ohne besondere Zielsetzung und
Strukturierung ihrer Aktivitäten erforschten.
Mit den Sonderprogrammen wollten wir die Schüler motivieren, einen tiefergehenden
Kontakt mit den Ausstellungsstücken zu entwickeln; wir wollen ihnen helfen, sich einzubringen
und Fähigkeiten zu entwickeln, die sie befähigen, in ihrem eigenen Tempo zu lernen und ihnen
nicht zuletzt die Möglichkeit geben, praktische Erfahrungen zu sammeln. Zwei
Museumspädagogen begleiten die Kinder bei den Sonderprogrammen, die aus drei Elementen
bestehen:
a. Ein Museumsmitarbeiter zeigt und erläutert einige Maschinen in Aktion.
b. Mit einer Kartensammlung, die sowohl offene als auch geschlossene Fragen umfasst,
werden die Kinder aufgefordert, bestimmte Objekte zu suchen und zu erforschen. Sie
arbeiten in Zweier- oder Dreiergruppen, damit sie ihre Ergebnisse diskutieren können.
32
Die Gruppen können selbst entscheiden, wie viel Zeit sie für eine Karte aufwenden
möchten (solange sie tatsächlich beschäftigt und nicht untätig sind). Am Ende berichten
alle Gruppen ihren Mitschülern.
c. Die Kinder nehmen an praktischen Aktivitäten teil, z. B. werden im Programm über
Wiegen und Messen kleine Waagen gebaut.
Ein Sonderprogramm wird im Folgenden eingehend beschrieben:
2.5.5.a “Licht an! Im Reich von Licht und Schatten“
Dieses Sonderprogramm führt die Kinder durch die optische Abteilung des Deutsches Museums.
Im ersten von drei Ausstellungsräumen werden mit Hilfe vieler interaktiver Ausstellungsstücke
die grundlegenden Eigenschaften des Lichts erläutert: lineare Ausbreitung, Reflexion, Brechung
etc. Im zweiten Raum werden insbesondere Modelle gezeigt, die das Auge, seinen Aufbau und
die optischen Merkmale seiner Funktion zeigen; Experimente veranschaulichen Sehdefekte und
erläutern, wie sie korrigiert werden können. Am Ende des Raumes werden Elemente optischer
Geräte ausgestellt: optische Gläser, einfache optische Gegenstände wie Linsen, Prismen etc., und
ihre Eigenschaften erklärt. Im dritten Raum gibt es verschiedene optische Instrumente zu sehen,
z. B. alte Lichtmikroskope und moderne Elektronenmikroskope.
Das Programm wurde entworfen für Schüler, die die dritte Klasse der Grundschule bzw.
die zweite Klasse (6. Klasse) an weiterführenden Schule besuchen, weil die Lehrpläne beider
Klassen Themen wie Aufbau und Bedeutung des Auges, Erforschung der Ausbreitung des Lichts,
Spektralfarben, Spiegelungsphänomene und Symmetrie behandeln. Die Fragen auf den Karten
sind unterschiedlich schwierig und eignen sich für Schüler der dritten bzw. sechsten Klasse.
Obwohl bereits viele Experimente in die Ausstellung integriert sind, die per Knopfdruck aktiviert
werden können, haben wir uns entschieden, für das Programm zusätzlich Experimente zu
entwickeln.
Eine unserer freien Museumsmitarbeiterinnen, die Physikerin ist, hat drei Dunkelkästen
gebaut, mit denen die Kinder einige Eigenschaften des Lichts kennen lernen können. Ein
Dunkelkasten enthält z. B. Materialien zum Erforschen von Linsen: konkave und konvexe
Linsen, Brillen und mit Wasser gefüllte Gläser mit unterschiedlichen Durchmessern. Die Kinder
arbeiten selbstständig und beobachten, was mit dem Lichtstrahl passiert, der durch die
verschiedenen Linsen fällt und sortieren die Linsen in Sammel- oder Zerstreuungslinsen. Wenn
nötig, erhalten die Kinder Hilfe vom Museumspädagogen oder von kleinen Heften neben den
Dunkelkästen. Die Schüler können außerdem verschiedene Vergrößerungsgläser ausprobieren
und den Zusammenhang zwischen Brennweite und Vergrößerung herausfinden. Kinder mit Brille
können erfahren, welche Art von Linse zur Korrektur ihres Sehfehlers verwendet wird und so
eine persönliche Beziehung zu dem physikalischen Phänomen Linsen aufbauen.
Der zweite Dunkelkasten dient der Erforschung von Reflexion und Diffraktion. Die
Schüler lernen verschiedene Spiegel kennen und sehen, wie der Lichtstrahl abgelenkt wird; sie
erforschen experimentell die Grundlagen des Reflexionsgesetzes; dabei wird keine
Fachterminologie verwendet. Mit Glasquadern werden die Schüler animiert, die Beugung des
Lichtes zu erforschen.
Der dritte Dunkelkasten ist für Experimente mit Licht und Farbe gedacht. Die Kinder
können mit verschiedenen Prismen das Licht in seine Spektralfarben zerlegen und wieder zu
Weiß vereinigen. Mit einem ganz einfachen optischen Gerät können die Kinder das Bild eines
Löwen nur mit einem Stift auf ein weißes Blatt Papier übertragen. Schüler lieben dieses
Experiment! All diese Experimente sind ein Anreiz, die Phänomene weiter zu besprechen.
Der (normalerweise) erste Teil des Sonderprogramms – Vorführung der Maschinen in
Aktion – ist in der Abteilung Optik nicht einfach durchzuführen. Stattdessen werden die
optischen Phänomene durch Aktivitäten veranschaulicht, bei denen die Schüler selbst
33
Lichtmikroskope und Binokel verwenden können, um kleine Tiere in einer Erd- oder
Wasserprobe zu entdecken oder sich von den Strukturen und Farben in Mineralien verzaubern zu
lassen.
2.5.5.b So funktioniert das Programm
Am Anfang des Programms wird der Gruppe in der optischen Abteilung eine kurze Einführung
in das Thema und in die Ausstellung gegeben. Mit Fragen wie z. B. "Woher kommt Licht?"
"Was ist Licht?" etc. verschaffen sich die Museumspädagogen einen ersten Überblick, wie viel
die Schüler bereits über dieses Thema wissen. Dann wird die Klasse in zwei Gruppen aufgeteilt.
Eine der beiden Gruppen wird in Zweier- oder Dreierteams aufgeteilt, die damit beginnen, die
Ausstellung mit Hilfe der Fragekarten zu erforschen. Einige Schüler der anderen Gruppe
beginnen mit den Experimenten in den Dunkelkästen, der Rest arbeitet mit den Mikroskopen.
Nach einer Weile tauschen die beiden Gruppen. Am Ende der Aktivitäten findet sich die Klasse
wieder zusammen, und die Schüler berichten über ihre Erkenntnisse; gegebenenfalls ergänzen die
Museumspädagogen weitere Informationen. Das Programm dauert - je nach Interesse der Kinder
– eineinhalb bis zwei Stunden. Bisher haben viele Schulklassen an dem Programm
teilgenommen; dies beweist sowohl das hohe Interesse seitens der Lehrer, als auch die
Notwendigkeit, den Unterricht in naturwissenschaftlichen und technischen Fächern zu
unterstützen.
2.6 Schlussfolgerungen
Im Zuge der obigen Diskussion und Darstellung der Bildung und Erziehung in
naturwissenschaftlichen Fächern und der Bildungsarbeit in Museen kristallisieren sich
verschiedene Punkte heraus:
a. Museen sind sich oftmals eher als Schulen ihres Potenzials bewusst, zur Bildungsarbeit in
naturwissenschaftlichen und technischen Fächern beizutragen.
b. Lernprozesse in Schulen und Museen werden beeinflusst durch Veränderungen in den
Kommunikations- und Lerntheorien, die dem Lernenden eine aktive Rolle zuschreiben
und Lernen als nichtlinearen Prozess sehen, dessen Erfolg durch freie Wahlmöglichkeiten
und selbstgewähltes Tempo steigt. In den Museen werden gegenwärtig
Ausstellungsdesign und Lehrmethoden verändert, während sich in den Schulen die
Unterrichtsmethoden ändern – beides ist ein Hinweis auf das neue Verständnis des
Lernprozesses.
c. Museen bieten sehr spezielle Möglichkeiten zum Lernen. Das Ausstellen echter Dinge
trägt in hohem Maße zur Anschaulichkeit bei, durch die die Fähigkeit zum investigativen
Lernen entwickelt wird; das unterscheidet sich oft von den in der Schule angebotenen
Möglichkeiten.
d. Obwohl Schulen Museen sowohl für Ausflüge mit Schülern als auch für die
Weiterbildung ihrer Lehrer nutzen, nutzen sie doch nur einen sehr kleinen Prozentsatz des
Bildungspotenzials der Museen für Schüler bzw. Lehrer.
Literaturhinweise
Bailey, E. (1999) School Group Visits to Museums, unveröffentlichter Bericht.
Cole, P. (1984) Piaget in the Galleries, Museum News, Oktober.
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34
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Museen, Inst. für Museumskunde (ed) Museumspädagogik in technischen Museen.
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Hagedorn-Saupe, M. (IfM) (2001) Museum Visits in Continental Europe: Statistics and Trends,
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Zöpfel, H. (2002) Interview in Süddeutsche Zeitung, 27. März.
35
3. KAPITEL
Bildung im Naturwissenschaftlichen Museum in Madrid
Pilar López García-Gallo, Dolores Ramírez Mittelbrunn und Soraya Peña de Camus Saez
Naturwissenschaftliches Museum in Madrid, Spanien
3.1 Einführung
Zeitgenössische Museen gelten als wichtige Kultur- und Kommunikationszentren – eine
Funktion, die besonders dann relevant ist, wenn es um naturwissenschaftliche Institutionen wie
beispielsweise das Museo Nacional de Ciencias Naturales (MNCN) in Madrid geht. Die Gründe
hierfür liegen in der modernen Gesellschaft und ihren wissenschaftlichen Errungenschaften, die
unseren Alltag bestimmen. Es ist wichtig, dass die Gesellschaft, die breitere Öffentlichkeit, eine
'Wissenschaftskultur' entwickelt, das heißt einen Vorrat grundlegender wissenschaftlicher
Kenntnisse über die stetigen Fortschritte in naturwissenschaftlichen Disziplinen wie z. B.
Ökologie, Umweltwissenschaften, Biotechnologie oder Gentechnik, die erforderlich sind, um –
unter anderem ethische – Entscheidungen treffen zu können.
Das MNCN gehört zum Consejo Superior de Investigaciones Científicas (Höchster Rat
für Wissenschaft und Forschung) und zum Ministerium für Naturwissenschaften und Technik.
Mit mehr als 200 Jahren Geschichte gehört das MNCN seit seiner Eröffnung im Jahre 1771 zu
den wichtigsten Forschungszentren für natürliche Ressourcen in Spanien und besitzt eine der
besten und umfangreichsten Sammlungen an Exemplaren aus dem Bereich Naturwissenschaften.
Über sechs Millionen Insekten, Weichtiere, Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel, Säugetiere,
Fossilien, Steine und Mineralien sind ein Erbe mit großem historischen und wissenschaftlichen
Wert.
Die wichtigste Funktion des zeitgenössischen MNCN ist die Verbreitung und Vermittlung
wissenschaftlicher Inhalte. Die Bildungsarbeit des Museums hat starke Wurzeln und reicht bis
fast in die Jahre der Gründung zurück; 1787 etablierte sich das Studium der Naturwissenschaften,
das Museum bot Unterricht in diesen Fächern an und förderte so wichtige wissenschaftliche und
akademische Arbeiten. Die Bildungsarbeit ist nicht nur auf das universitäre Niveau ausgerichtet;
schon im 19. Jahrhundert hat man höheren Lehranstalten in ganz Spanien Kopien von Objekten
angeboten und Lehrer ausgewählt, die beim Sammeln und Bestimmen der spanischen Fauna
mitwirken durften.
Als Fortsetzung dieser Bildungsarbeit, allerdings mit einem modernen pädagogischen
Ansatz, wurde 1990 die Abteilung für Öffentliche Programme geschaffen, die verschiedene
Programme und Aktivitäten für den informellen Unterricht und die Verbreitung von Wissen
entwickelt hat. Von Anfang an war es das Hauptziel der pädagogischen Aktivitäten, die
Öffentlichkeit zur Teilnahme zu motivieren. Besondere Aufmerksamkeit schenkt man den
Schulen, die das ganze Jahr über in großer Zahl das Museum besuchen. Spezielle
Unterrichtsprogramme wurden entwickelt, wobei der passende Kurs von Lehrern und
Museumspädagogen am Anfang des Schuljahres gemeinsam ausgewählt wird.
Die Präsentation der Angebote, Aktivitäten und Materialien des Museums in diesem
Kapitel soll die gewählte pädagogische Methodik und den Beitrag des Museums zum Lehren und
Lernen in Schulen analysieren.
3.2 Komm' ins Museum! Bildungsprogramme für Schulen
Im Laufe der Jahre wurden verschiedene Programme für Schulen entwickelt; sie bilden den
Inhalt der Bildungsprogramme für Gruppen. In diesem Rahmen wurden zahlreiche Materialien
und Aktivitäten entwickelt:
3.2.1 Der Bildungsprogramm-Führer
36
Der Führer "Komm' ins Museum" wurde erstmals 1996 veröffentlicht. Er soll Lehrern helfen,
Museumsbesuche für Gruppen vorzubereiten. Der Führer wird jedes Jahr im September an die
Schulen versandt und informiert Lehrer und Gruppenleiter über die Bildungsprogramme, die für
jede Klasse angeboten werden, über permanente und temporäre Ausstellungen, Workshops,
geführte Rundgänge, Materialien, Kurse etc.; außerdem enthält er Richtlinien für die
Organisation eines Besuches.
3.2.2 Der Pädagogische Führer
Dieser Führer informiert ausführlich über die Inhalte der permanenten Ausstellungen und die
ergänzenden pädagogischen Aktivitäten und soll das Verständnis für das Museum als
pädagogische Ressource und die enge Zusammenarbeit zwischen dem Museum und den Schulen
fördern. Der Führer konzentriert sich auf den Beitrag des Museums, folgende Fähigkeiten und
Kenntnisse zu entwickeln, die während des gesamten Unterrichtszeitraums gefördert und
gefestigt werden:
a. quantitative und qualitative Beobachtung, die wiederum beim Identifizieren,
Beschreiben, Vergleichen und Klassifizieren hilft;
b. Förderung des wissenschaftlichen Arbeitens durch die Verwendung verschiedener
Quellen, Datensammlungen, Interpretationen;
c. Vertrautheit mit wissenschaftlichen Methoden;
d. Vorstellung der geologischen/historischen Zeit;
e. geografische Lokalisierung von Dingen;
f. Vorstellungsvermögen an Hand von Modellen;
g. räumliche Darstellung;
h. Naturformen (Pflanzen, Tiere und Mineralien) identifizieren und klassifizieren ;
i. Verwendung natürlicher Ressourcen mit Hilfe alltäglicher Situationen identifizieren;
j. Zusammenhang zwischen Umweltbedingungen und der Entwicklung von Lebewesen;
k. dynamisches Konzept der Natur;
l. Beiträge von Wissenschaft und Technik zur modernen Gesellschaft erkennen und
schätzen;
m. Förderung der Teamfähigkeit und ihrer Anwendung für Gruppenaktivitäten.
Die Pädagogischen Führer sind ein nützliches Hilfsmittel für den Lehrer, der das Material
in jedem Stadium für seine Schüler verwenden kann: vor, während und nach dem Besuch im
Museum. Die Führer sind in vier Teile mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten gegliedert:
a. Der Führer für die Lehrperson umfasst Orientierungshilfen für die Organisation eines
Besuches und die Entwicklung seiner pädagogischen Zielsetzung, sowie allgemeine
Informationen und Museumspläne, eine Präsentation der permanenten Ausstellung und
ergänzende Unterlagen, die sich auf bestimmte Ausstellungsthemen beziehen.
b. Die Aktivitätsbögen für Schüler mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden für
verschiedene Altersgruppen sollen einen Überblick über die Inhalte der Ausstellung
geben.
c. Die Forscherwege konzentrieren sich auf bestimmte "thematische Reisen" innerhalb des
Museums; als Grundlage verwenden sie Arbeitshefte für verschiedene Unterrichtsstufen,
und umfassen Materialien für die Schüler sowie Unterlagen für die Lehrperson.
d. Der Workshop-Führer beinhaltet allgemeine Informationen über ergänzende Aktivitäten.
In der Einführung wird jeder Workshop vorgestellt, wobei Thema, Zielsetzung,
Methodik, Material, Lernschritte, sowie die Anpassung des Workshops an
unterschiedliche Niveaus und die Arbeit in der Klasse im Mittelpunkt stehen.
37
3.2.3 Geführte Rundgänge
Die geführten Rundgänge im Museum werden seit 1990 angeboten und sollen für die
Lehrpersonen eine Hilfe sein, die keine Fachkenntnisse über die Museumsinhalte bzw. die
entsprechenden wissenschaftlichen Themen haben. Die geführten Rundgänge werden von
spezialisierten Museumspädagogen gemacht und auf die Altersgruppe der Schüler abgestimmt.
Sie dauern eine Stunde und sind für Schulgruppen mit maximal fünfundzwanzig Schülern
gedacht.
3.2.4 Senioren zeigen Kindern und Schülern das Museum
Die Idee, Senioren als freiwillige Museumsführer zu engagieren, kam von der spanischen
Seniorenvereinigung und dem Kultusministerium und wurde 1994 umgesetzt. Dieser kostenlose
Service wird alternativ zu den professionellen Führungen mit ausgewählten
Museumsmitarbeitern angeboten und richtet sich besonders an Gruppen, denen die
professionellen Führungen zu teuer sind. Die freiwilligen Museumsführer arbeiten donnerstags in
den Abteilungen der permanenten Ausstellung sowie dienstags in den temporären Ausstellungen.
Sie begleiten Gruppen mit maximal zehn Kindern, so dass zufriedenstellende Ergebnisse
gewährleistet sind.
3.2.5 Workshops für Gruppen
Aktive Teilnahme und Lernen durch Entdecken sind die wichtigsten Merkmale der
pädagogischen Methoden der Workshops für Schulen. Unterstützt von den Museumspädagogen
arbeiten die Schüler an bestimmten Aufgaben, um die Konzepte der Naturwissenschaften und der
wissenschaftlichen Methodik zu studieren und zu begreifen und ein Bewusstsein für die Umwelt
und ihre Anforderungen zu entwickeln. Diese für jede Stufe unterschiedlich komplex
konzipierten Erfahrungen helfen den Schülern, mehr über die Arbeit von Wissenschaftlern
herauszufinden und die Exponate des Museums kennenzulernen.
Die Workshops sollen keine autonomen oder unzusammenhängenden Aktivitäten sein,
sondern sind Teil eines Aktionsprogramms mit einer klaren pädagogischen Zielsetzung. Die
Workshops, die auf den permanenten Ausstellungen aufbauen (Hernández 1994), beziehen sich
unmittelbar auf den Inhalt des Museums und entwickeln kreative Fertigkeiten, historisches
Bewusstsein und Verständnis für die Ausstellungsobjekte, ohne langweilig oder ermüdend zu
sein. Die Erfahrungen der Vergangenheit haben gezeigt, dass Schüler, die an solchen Aktivitäten
teilnehmen, nicht nur das Museum attraktiver finden, sondern auch die neu erworbenen
theoretischen Konzepte konsolidieren.
Dank der Laboraktivitäten können Prozesse und Reaktionen untersucht werden, die allein
mit den ausgestellten Objekten schwer zu verstehen wären; außerdem können Objekte und
Materialien gehandhabt werden, die es aufgrund ihrer seltenen Verwendung in der modernen
Gesellschaft außerhalb des Museum oft nicht mehr gibt.
Die Workshops werden ergänzend zum Besuch der Museumssammlungen angeboten.
Einige finden in einem speziell eingerichteten Bereich, der die "Fünf Sinne" genannt wird, statt
und richten sich an Kinder, Grundschüler, Schüler weiterführender Schulen sowie Studenten.
Weitere Workshops finden in den Abteilungen der Ausstellung statt. Daneben werden seit 1997
monografische Workshops angeboten, die sich auf temporäre Ausstellungsstücke konzentrieren;
diese sind als Zusatz-Module zur Ausstellung konzipiert.
3.2.6 Pädagogische Methoden der Workshops
Es ist wichtig, die Methodik der Workshops in den Mittelpunkt zu rücken, nicht nur um den
gewählten pädagogischen Ansatz zu betonen, sondern auch um die Elemente zu beleuchten, die
38
für die Entwicklung weiterer Aktivitäten des MNCN und anderer Museen signifikant sind. Die
wichtigsten Ziele der Workshops sind:



eine Vertrautheit mit dem Museum als Ganzes herzustellen und Aspekte zu zeigen, die
gewöhnlich nicht bekannt sind, z. B. Forschungsarbeiten und Sammlungen
thematische Aktivitäten anzubieten, die vor allem Beispiele aus der Sammlung
verwenden, und für verschiedene Stufen und mit unmittelbarem Bezug zum Lehrplan
erstellt wurden
das Bewusstsein der Schüler für die Welt der Naturwissenschaften und eine positive
Einstellung gegenüber der Umgebung zu fördern.
Während des Workshops wird der Schüler zum Protagonisten seines Lernprozesses; die
Aufgabe des Museums beschränkt sich darauf, die Schritte jeder Aktivität zu verfolgen und
gegebenenfalls auftauchende Fragen zu klären, d. h. die Rolle des Mediators im Lehr-LernProzess zu übernehmen (Martínez 1996). Eine solche Rolle gestattet den Schülern, ihre eigenen
Kenntnisse zu reflektieren und zu vertiefen (Paillardon 1996).
In den Workshops werden verschiedene Materialien verwendet, z. B. Exemplare aus
verschiedenen Sammlungen, audiovisuelle Einrichtungen, Anschauungsmaterial, Fragenkataloge
etc.
3.3 Grundschullehrplan und Museumsworkshops
Der Unterricht in den Grundschulen unterteilt sich in Spanien in drei Abschnitte7:



Der erste Abschnitt (für Schüler im Alter von 6 bis 8 Jahren) dient dem Erwerb
grundlegender instrumenteller Fähigkeiten sowie deren Anwendung, um einen
Grundstock an kulturellen Kenntnissen zu schaffen
Der zweite Abschnitt (im Alter von 8 bis 10 Jahren) soll neue Arbeitstechniken einführen,
die den Kontakt mit der Umwelt und deren Interpretation ermöglichen
Der dritte Abschnitt (im Alter von 10 bis 12 Jahren) betrifft die Periode, in der das
Interesse und die Neugier der Kinder über die unmittelbare Realität hinausgehen.
Auf der dritten Stufe ist Kenntnisse der Umwelt ein Lehrplanbereich, der die Fähigkeiten
zum autonomen Handeln in der Umwelt, zur Selbstidentifikation innerhalb sozialer Gruppen,
zum Untersuchen, systematischen Forschen und Problemlösen entwickeln soll; außerdem soll er
die Fähigkeiten fördern, die für verantwortliche und kritische Teilnahme, Anerkennung sozialer
Unterschiede und Solidarität gefragt sind. Der Bereich Kenntnisse der Umwelt konzentriert sich
auf die Untersuchung von Themen wie:

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






7
der menschliche Körper
die Landschaft
das physische Medium
Lebewesen
Werkstoffe und ihre Eigenschaften
Bevölkerung und menschliche Aktivitäten
Maschinen und Geräte
soziale Organisation
Kommunikations- und Transportmittel
historische Veränderungen und aktuelle Geschichte
Organisches Gesetz 1/1990 der Allgemeinen Gestaltung des Bildungssystems.
39

historische Lebensformen und Landschaften.
Die Inhalte werden in Fakten, Konzepte und Prinzipien sowie Prozeduren, Einstellungen,
Werte und Regeln unterteilt.
Workshops im Museum werden von den Lehrpersonen vor allem innerhalb des
Schullehrplans eingesetzt, als ergänzende pädagogische Quelle. Bei der Entwicklung der
Workshops berücksichtigt die Abteilung für Öffentliche Programme nicht nur die Themen der
Ausstellung, sondern auch den Schulzyklus und die entsprechenden Lehrplaninhalte. Die
folgenden Beispiele zeigen, wie Museumsthemen, pädagogische Prinzipien und Lehrpläne in
Workshops für Schulen 'übersetzt' werden.
3.3.1 Der Weidenbaumfalter
Dieser Workshop wurde zum ersten Mal 1991 durchgeführt, als es noch keine speziellen
Räumlichkeiten für derartige Aktivitäten gab. Er wurde in der Abteilung Geschichte des Lebens
und der Erde abgehalten, einem Bereich, der der Entstehung von Insekten gewidmet ist und von
Besuchern damals kaum oder gar nicht beachtet wurde. Man entschied sich, den Workshop in
diesem speziellen Bereich abzuhalten, da er sehr weiträumig war und man überdies auch die
Abteilung wiederbeleben wollte. Zum Erfolg des Workshops trugen verschiedene Faktoren bei:
Es ging um ein sehr klassisches Thema (den Lebenszyklus von Insekten), jedoch mit einem
neuen Element (dem Falter Cerura iberica, einem Insekt, das nur auf der Iberischen Halbinsel
heimisch ist); ferner waren Insekten vorhanden, die die Kinder untersuchen konnten und die im
Labor des Museums gezüchtet worden waren. Diese Umstände sind anscheinend ideal, um
sowohl die allgemeine Zielsetzung für alle Workshops zu erreichen – d. h. die
Forschungsarbeiten und Sammlungen des Museums bekannt zu machen – als auch die spezielle
Zielsetzung für diesen einen Workshop zu erreichen: die einzelnen Phasen der Metamorphose
von Insekten auf der Grundlage realer Beispiele zu vermitteln.
Der Erfolg des Workshops und die rege Teilnahme der Schulen halfen, die Bedeutung
derartiger Aktivitäten für Schulen hervorzuheben und führten dazu, dass man einen permanenten
Bereich für pädagogische Aktivitäten einrichtete: die "Fünf Sinne". Der Name des interaktiven
Bereiches ist eine Anspielung auf die Vorgehensweise der pädagogischen Abteilung, bei der
möglichst immer alle fünf Sinne eingesetzt werden.
3.3.2 Verwandel' dich in einen Dinosaurier
Dinosaurier sind Erfolgsgaranten für jedes Alter. Hier wollten wir auf unterschiedlichen Niveaus
möglichst ausführlich und gründlich auf die große morphologische Diversität der Dinosaurier,
ihre Ernährung, Lebensweise und Fortpflanzung, die Entwicklung der Flugfähigkeit und ihr
Aussterben eingehen. Dramatische Darstellungen, plastische Elemente und Geräusche helfen bei
der Veranschaulichung des Themas. Ein von uns geschriebenes Lied über Dinosaurier hilft den
Kindern, die unterschiedlichen Konzepte wie beispielsweise fleisch- oder pflanzenfressende
Dinosaurier zu begreifen und zu lernen; zudem treten die Kinder mit Masken, langen Schwänzen,
einem Teil einer Pflanze, einem Stück Fleisch aus Plastik oder einem Ei in der Hand in eine
Landschaft ein, in der der Knall eines herabfallenden Meteoriten "ihrem Leben ein Ende setzt
und sie als Vögel wieder auferstehen lässt".
3.4 Vorbereitung und Ausbildung der Lehrer
Die effiziente Vorbereitung und Planung ist, ebenso wie die vorherige Kontaktaufnahme
zwischen Schule und Museum, von grundlegender Bedeutung für den Erfolg eines
Museumsbesuches. Die Lehrperson kann sich bei dem vorbereitenden Besuch und dem ersten
Kontakt mit dem Museum informieren und ein Bild machen über die Zugangsmöglichkeiten,
Verfügbarkeit von Ausstellungsstücken, Unterrichtsmaterialien und die innerhalb der Aktivitäten
40
untersuchten Themenbereiche; so wird gewährleistet, dass der Besuch bestmöglich genutzt und
eine Verbindung zwischen den Vorbereitungen im Unterricht, dem Besuch und der
anschließenden Vertiefung geschaffen werden kann.
Damit sich die Lehrperson entsprechend auf die Nutzung des Museums vorbereiten kann,
wird ein Ausbildungskurs angeboten, der sich auf die pädagogischen Programme für Schulen
bezieht und gleichzeitig die wichtigsten wissenschaftlichen Konzepte untersucht, die von der
Ausstellung thematisiert werden. Auf letztere richtet sich die Präsentation und Anwendung
ausgewählter Objekte – einige sinnbildliche und sehr bekannte Objekte, die aber alle für die
junge Generation attraktiv sind. Der Kurs ermuntert zur Nutzung der permanenten und
temporären Ausstellungen, die die wichtigsten Bestandteile des Besuches bleiben.
Der Ausbildungskurs will in erster Linie dazu beitragen, ein Bewusstsein und eine
positive Einstellung gegenüber der Wissenschaftskultur im Allgemeinen und den
Naturwissenschaften im Besonderen zu schaffen; dabei wird die Rolle miteinbezogen, die diese
in der modernen Gesellschaft und auf allen Ausbildungs- und Erziehungsniveaus spielen. Die
spezifischen Bildungsziele des Kurses sollen:
a. das Museum zu einem regulären Lehr- und Lernmittel machen, das zur systematischen
Zusammenarbeit zwischen Museen und Schulen ermutigt, indem es gegenseitige
Erfahrungen fördert
b. naturwissenschaftliche Themen mit Hilfe der Sammlungen und unter Berücksichtigung
verschiedener Ausbildungsniveaus und –ansprüche untersuchen
c. die bildungsrelevanten Angebote des Museums eingehend untersuchen, um auf dieser
Grundlage Museumsbesuche zu planen, die dem jeweiligen pädagogischen Kontext der
Klassen angepasst sind.
Der Kurs richtet sich in erster Linie an Lehrer von Grundschulen und weiterführenden
Schulen sowie an angehende Lehrer und Schulgruppenleiter. Er dauert fünfzehn Stunden, von
denen dreizehn Stunden theoretische und methodische Themen behandeln und die verbleibenden
zwei Stunden der Projektplanung gewidmet sind. In der ersten von drei Phasen besuchen die
Lehrpersonen das Museum und lernen permanente und temporäre Ausstellungen, Workshops und
Lehrmittel kennen. In der zweiten Phase erstellt jeder Lehrer einen individuellen Vorschlag für
einen Museumsbesuch mit seinen Schülern, den er/sie dann in der letzten Phase des Projektes
durchführen muss. Während der Realisation ihres Projektes müssen die Lehrpersonen auch die
Fortschritte und Ergebnisse ihres Besuches und ihrer Arbeit bewerten. Das von den Lehrpersonen
geplante Projekt wird, ebenso wie die Ergebnisse der Bewertung, als Kursarbeit eingereicht. Auf
dieser Grundlage wird vom Museum und vom Mitorganisator des Kurses, der Offiziellen Schule
der Biologen der Stadt Madrid ein Zertifikat vergeben. Der Kurs ist vom Bildungs- und
Kulturausschuss der Stadt Madrid innerhalb des Programms für Lehrerfortbildung anerkannt.
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42
ANHANG: MNCN-WORKSHOPS FÜR KINDER IM VORSCHUL- UND GRUNDSCHULALTER
JAHR
BEZUGSAUSSTELLUNG
von
bis
1991
1999
1992
1999
1993
1999
1995
2001
1996
1998
2002
1998
1998
1999
1999
2002
1999
2002
2000
2002
2000
2002
2000
2002
2000
2001
2001
2001
BEZEICHNUNG
Der Weidenbaumfalter
THEMA
Der Lebenszyklus des Cerura iberica und von Insekten im
Allgemeinen
Geschichte des Lebens und der Erde
STUFE
GS
Mein Freund, der Gorilla
Das Leben einer bedrohten Art
“
GS
Ich komme aus der Steinzeit
Das Leben unserer prähistorischen Vorfahren
“
VS/GS
Mit allen Sinnen
Die fünf Sinne bei Mensch und Tier
Verwandel' Dich in einen
Dinosaurier
Biovielfalt, Ernährung und Fortpflanzung der Dinosaurier
Im Angesicht des Mondes
Der meteoritische Ursprung der Mondlandschaft
Klick!
Nahrung, Nahrung...!
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Ohne Ausstellungsbezug
Geschichte des Lebens und der Erde
Meteoriten: Nachrichten aus der
Fremde
Physikalische Grundlagen der Photografie und Bildentwicklung
Die Überlebensstrategien des Homo heidelbergensis
Bilder für die Wissenschaft
Atapuerca: unsere Vorfahren
Artenvielfalt und Taxonomie von Wirbeltieren und Wirbellosen
Alle permanenten Ausstellungen
GS
VS/GS
GS
GS
VS/GS
GS
Karneval der Tiere
Ähnlichkeiten und Unterschiede verschiedener Tiere
“
VS/GS
Die Körper-Maschine
Vergleichende Anatomie von Wirbeltierskeletten
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GS
Auf dem Land
Kartenlesen, Orientierung, Gesteine und...
Ich bin ein Vulkan
Vulkanische Materialien und Eruptionsprozesse
Die komische Kartoffel
Spielereien mit DNA und Pflanzenbiotechnologie
GS = Grundschule
Geschichte des Lebens und der Erde
Leben mit dem Vulkan
Biotechnologische Menüs
VS = Vorschulalter
GRAU: Workshops für temporäre Ausstellungen
WEISS: Workshops für permanente Ausstellungen
43
GS
VS/GS
GS
4. KAPITEL
Museen und Schulen: Zum Beispiel das Museum für Wissenschaft und Technik in Mailand
‘Leonardo da Vinci’
Enrico Miotto
Museo della Scienza e della Tecnologia di Milano ‘Leonardo da Vinci’, IT
4.1 Einführung: Das Museum und seine Sammlungen
Das Museo Nazionale della Scienza e della Tecnologia (MNST) entstand 1953 nach dem Modell
klassischer, traditioneller Museen, die naturwissenschaftliche und technische Objekte ausstellen
(wie z. B. das Science Museum in London und das Deutsche Museum in München). Die
Sammlung unterteilt sich in 28 Abteilungen in drei Gebäuden. Jede Abteilung enthält permanente
Ausstellungen mit Objekten zu Themen, die von drahtloser Kommunikation bis Metallurgie und
vom Schiffsbau bis zur Eisenbahn reichen; im Mittelpunkt der Sammlung steht jedoch eine große
Abteilung, die sich den Modellen Leonardo da Vincis widmet, die nach Zeichnungen seines
Codex gebaut wurden8.
Seit der Gründung des Museums zählt die Bildungsarbeit in den naturwissenschaftlichen
Bereichen zu den Hauptzielen; das Museum entwickelte enge Beziehungen zu Lehrern und
Schülern. Heute wird das Museum jährlich von 200.000 Schüler besucht, bei stetig steigenden
Teilnehmerzahlen.
Seit Anfang der 1980er Jahre gibt es im Museum ein Physik-Zentrum, das speziell für
Lehrer und und die weite Verbreitung experimenteller Aktivitäten konzipiert ist. Die 1980er
Jahre waren für viele Museen des 'traditionellen Ansatzes' eine wichtige Zeit der Reflektion und
Veränderungen im Bezug auf ihre Methoden der Popularisierung naturwissenschaftlicher
Bildung, die auch vom Aufkommen und Erfolg von Science Centers beeinflusst wurde. Am Ende
dieses Jahrzehnts wurde am MNST der erste Aktivbereich eröffnet, der sogenannte
Wissenschaftliche Animationsbereich bzw. das Interaktive Labor9, das ähnliche
Ausstellungsstücke wie das Exploratorium in San Francisco enthielt. Später wurden weitere
Aktivbereiche eröffnet. Für diese versuchten wir (obwohl im Modell der Science Centers stets
auf Ausstellungsstücke Bezug genommen wurde), direktere Verbindungen zwischen den
Charakteristika des Museums und seinen Sammlungen herzustellen und gleichzeitig eine
Methodik zu entwickeln, die sich vom Hands-on-Ansatz unterschied. Ich werde diesen Punkt im
Folgenden noch ausführlicher beleuchten.
4.2 Pädagogische Aktivitäten mit Schülergruppen
Die Pädagogische Abteilung ist für die Aktivitäten von Schulgruppen zuständig; sie entwickelt
die Aktivbereiche, plant pädagogische Aktivitäten und Ausstellungen, Sonderveranstaltungen,
organisiert Schulbesuche und entwickelt das Arbeitsprogramm für etwa achtzig
Museumsanimatoren und -führer.
Die meisten Klassen besuchen das Museum nur einmal pro Jahr. Bei ihrem Besuch im
Museum kann die Klasse wählen zwischen:
a. einem zweistündigen Besuch in einer oder mehreren Abteilungen der permanenten
Sammlung (diese Möglichkeit wird bisher nur von sehr wenigen Klassen gewählt)
b. einem einstündigen Besuch in einer Abteilung der Sammlung plus einer Stunde in einem
Aktivbereich
c. zwei Stunden im Aktivbereich.
8
Mehr Informationen über das Museum und seine Sammlungen finden Sie im Internet unter www.museoscienza.org
Die Bezeichnung des Bereiches ist immer noch Gegenstand von Diskussionen - obwohl wir genau wissen, um was
es sich handelt.
44
9
Gegenwärtig sind die folgenden sechzehn Aktivbereiche in Betrieb; sie sind wochentags
nur für Schulen und am Wochenende für alle Besucher zugänglich:
a. Seifenblasen
b. Licht
c. Farbe
d. Die fünf Sinne
e. Bewegung
f. Chemie und Biologie
g. Elektrizität, Magnetismus und Halbleiter
h. Telekommunikation
i. Energie: von der Sonne zum Menschen
j. Die sagenhaften Maschinen des Leonardo da Vinci
k. Keramik in der Antike
l. Metalle
m. Papier
n. Ein See … der Begeisterung!
o. Orientierung
p. Internet
(einen kurzen Überblick über die einzelnen Bereiche finden Sie im Anhang am Ende dieses
Kapitels)
Das Museum konzipiert Aktivitäten, die direkt mit den in der Ausstellung gezeigten
Objekten und Auslagen verknüpft sind; oftmals liegen die Aktivbereiche direkt neben der
Abteilung, auf die sie sich beziehen. So wird explizit eine Verbindung zwischen den historischen
Objekten und den dazugehörigen Phänomenen geschaffen; die sonst 'stummen' Objekte in den
Glasvitrinen werden lebendig.
Ähnlich wie in vielen anderen naturwissenschaftlichen Bildungseinrichtungen ist das, was
wir in den Animationsbereichen vorschlagen, in erster Linie ein Erforschen in Form einer
Sequenz von Erfahrungen und Aktivitäten. Die Ausgangspunkte sind ein Phänomen mit vielen
Elementen oder ein Objekt-Symbol und eine Frage. Beides stimuliert die Entfaltung einer Folge
von Phänomenen und/oder Aktivitäten, die konzeptionell miteinander verbunden sind. Jedes
fundamentale Element eines Phänomens, das beim Experimentieren mit einem Ausstellungsstück
erkannt wird, kann auch anhand anderer Ausstellungstücke behandelt werden, so dass eine
bessere Verständlichkeit gewährleistet ist. Auf diese Weise kann ein Pfad entwickelt werden, der
verschiedene Phänomene verbindet. Am Ende einer Sequenz steht ein neues Phänomen oder
Objekt, an dem eine weitere Sequenz beginnen kann.
Der Begriff "Phänomen" wird in diesem Zusammenhang definiert als "etwas, das
passiert": es kann z. B. das Erscheinen eines farbigen Schattens sein, das Entstehen einer
Tonvase auf der Drehscheibe, die Herstellung von Papier, die Absorption der von einem Ofen
abgegebenen Infrarotstrahlung.
Der Schwierigkeitsgrad der Sequenzen wurde untersucht. Das Phänomen, mit dem die
Sequenz beginnt, sollte nicht für alle Schüler gleich sein, sondern die unterschiedlichen
Erwartungen der Schüler berücksichtigen und ihre Interessen abwägen: Grundschüler und
Schüler weiterführender Schulen haben unterschiedliche Interessen und Erwartungen. Der für die
unterschiedlichen Altersgruppen verwendete Ansatz unterscheidet sich nicht nur hinsichtlich
Sprache, Voraussetzungen oder Ausführlichkeit der Erklärungen, sondern auch hinsichtlich des
Ausgangspunktes der Aktivität.
Die gleiche Methode des Erforschens kann auch auf ein Objekt der Ausstellung
angewendet werden, das in gewissem Sinn aktiv wird. Der Animator fordert die Schüler auf, sich
an diesem Prozess zu beteiligen und die verschiedenen Teile des Objektes, deren Funktionen,
45
andere, dem untersuchten Objekt ähnliche Objekte sowie das der Funktion des Objektes
zugrundeliegende Phänomen anzugeben. Solche Prozesse sollen auch emotionale Erfahrungen
der Schüler hervorrufen – z.B. eine Überraschung wegen eines unerwarteten Effektes, oder die
Freude, etwas selber gemacht zu haben. Wenn Schüler die Möglichkeit haben, sich emotional zu
beteiligen, werden Verständnis und Aufnahme gefördert, und die Schüler können sich das Erlebte
lange merken.
Die Aktivitäten in den Aktivbereichen werden ständig von den Museumsanimatoren
begleitet, deren pädagogische Methoden sich auf folgende drei Grundregeln stützen:
 Live-Vorführung des Phänomens bzw. Anleitung der Schüler, damit sie es selbst tun
können;
 Schüler (bzw. Besucher) bitten, das Phänomen zu erläutern und dabei insbesondere die
fundamentalen Elemente hervorzuheben;
 Ergänzende Erläuterungen aus erster Hand hinzufügen.
Die verwendete pädagogische Methodologie gründet sich auf die Tatsache, dass der
Museumsanimator der 'Facilitator [Lernförderer]' und nicht im herkömmlichen Sinne der Lehrer
ist. Deshalb darf er/sie keinen Frontalunterricht mit der Gruppe abhalten bzw. sich nicht auf
irgendwelche Konzepte beziehen, die durch Beobachtung oder aktives Experimentieren nicht
erforscht werden können. Selbstverständlich kann ein schwierig zu erforschendes Konzept
vertieft werden, wenn es aus einer Frage abgeleitet wird, die die Mehrzahl der anwesenden
Personen zu beschäftigen scheint. Trotzdem sollte die Antwort innerhalb des Prozesses weder
zuviel Zeit in Anspruch nehmen, noch zu sehr ins Detail gehen. Wird eine Frage, die sich auf ein
nicht erforschtes Konzept bezieht, zu häufig gestellt, so ist dies ein Indiz, dass ein
Ausstellungsstück zur Klärung dieser Frage entwickelt werden sollte.
Die Anwesenheit des Animators gestattet eine größere Freiheit bei der Entwicklung der
Ausstellungsstücke und Aktivitäten. Hands-on-Objekte werden nach bestimmten Anforderungen
entwickelt: sie müssen z. B. widerstandsfähig sein, sie müssen von einem nicht vorab instruierten
Besucher verwendet werden können und das untersuchte Phänomen unmittelbar zeigen.
Derartige Anforderungen schränken die Anwendungsmöglichkeiten in manchen Bereichen ein
(es dürfte z. B. schwierig sein, sich ein Hands-on-Objekt zur Papierherstellung vorzustellen).
Hier übernimmt der Animator eine weitere wichtige Aufgabe. Er bzw. sie muss die potenziellen
Schwierigkeiten des Prozesses, d. h. die Verständnisprobleme des Schülers erkennen, besonders
jene, die den Museumsmitarbeitern, die das Ausstellungsstück konzipiert und entwickelt haben,
augenfällig und simpel vorkommen. Gelegentlich werden Phänomene oder Konzepte als
selbstverständlich hingenommen und deshalb nicht explizit von den Mitarbeitern präsentiert, dies
ist jedoch nicht notwendigerweise auch für die Zuhörer oder Teilnehmer an einem Prozess der
Fall. Durch eine Reflektion der Schwierigkeiten können die Aktivitäten verbessert und
Ausstellungstücke geändert oder neu konzipiert werden.
Der Einsatz von Museumsanimatoren kann gleichviel Probleme schaffen wie lösen. Eine
effiziente Interaktion zwischen Besucher und Animator sollte ebenso angestrebt werden, wie ein
individuelles Tempo beim Rundgang durchs Museum. Trotzdem besteht in vielen Fällen, in
denen der Animator den Besuch leitet, die Gefahr, dass der Stil zu didaktisch (und damit dem
Schulunterricht zu ähnlich) wird. So kann der Besucher nicht seinen eigenen, seiner Neugier
entsprechenden Pfad durch die Phänomene wählen und gehen, sondern ist gezwungen, dem Pfad
des Animators zu folgen. Der vom Animator gewählte Pfad würde freilich je nach Typ des
Besuchers modifiziert, doch bleibt in diesem Fall die 'Entscheidungsmacht' beim Animator, was
in der Folge die Zusammenarbeit beim Lernen in gewisser Weise verhindert.
Probleme können sich bei der Ausbildung der Animatoren/Führer ergeben, die – beim
MNST – in der Mehrzahl Universitätsstudenten mit sehr wenig Erfahrung sind und wenig
Gelegenheit für einen andauernden Aufenthalt im Museum haben.
46
4.3 Die Beziehung zu Lehrern
Lehrer und Museumspädagogen arbeiten beide auf dem Gebiet der naturwissenschaftlichen
Bildung, allerdings in unterschiedlichen Lehr- und Lerngefügen. Am MNST hat man (mit
anderen Museumspädagogen) verschiedene Überlegungen angestellt über die Merkmale des
Lernens, das innerhalb der Beziehung zwischen Museen/Science Centres und Schulen stattfindet.
Diese Merkmale sind (für die Gegenüberstellung wurden etwas überspitzte Begriffe verwendet):
Formales Lernen
(typisch für den Schulunterricht)











Lehrperson leitet den Prozess
Basiert auf der Klasse oder Art
der Schule
Durchgeplant
Direkt und strukturiert
Obligatorisch
Sequenziell
Erstens: Konzepte – zweitens:
Beispiele – drittens: Experiment
Kaum unerwartete Ergebnisse
Soziale Aspekte nebensächlich
Nutzer kann den zeitlichen
Ablauf nicht bestimmen
Bewertet und beurteilt
Informelles Lernen
(typisch für verschiedene Situationen
und Orte wie beispielsweise Museen,
Science Centers, Themenparks,
Multimedia und
naturwissenschaftliche Lehrmittel
etc.)











Lernende bestimmt den Prozess
Außerschulische Aktivität
Nicht durchgeplant und
episodisch
Indirekt und ohne Regeln
Freie Wahl / freiwillig
Zwanglos, unstrukturiert, nicht
sequenziell
Praktische Erfahrung kann
dominieren
Viele unerwartete Ergebnisse
Soziale Aspekte sind wichtig
(gemeinsames Lernen)
Nutzer bestimmt den zeitlichen
Ablauf
Weder bewertet noch beurteilt
Bei einem vom Lehrer innerhalb seines Unterrichtsprogrammes geplanten Besuchs der
Schulklasse im Museum besteht die Tendenz – und erfordert es wohl auch - ein formales
Lernsystem zu übernehmen, das auf einem Theorienkomplex aufbaut, der sich von dem des
Museums unterscheidet. In diesem Fall kann es zu einem Konflikt zwischen den Erwartungen
des Lehrers und den Vorschlägen des Museumspädagogen kommen, und/oder zwischen dem,
was der Lehrer unter Labor- oder experimentellen Aktivitäten versteht und was im Museum und
in den Animationsbereichen passiert.
Der Lehrer kann sich z. B. nach einem Besuch erkundigen, bei dem der
Museumspädagoge möglichst viele Objekte zeigen, möglichst viele Informationen geben und
möglichst viele Experimente in den Aktivbereichen vorführen soll. Dies unterbewertet jedoch
Aspekten wie die aktive Teilnahme der Schüler oder deren Fähigkeit sich zu konzentrieren und
aufmerksam zu sein. Andererseits verlangt ein Museumsbesuch umfangreiche Vorbereitungsund Organisationsarbeiten seitens des Lehrers, sowie gewisse Ausgaben der Schülereltern,
deshalb ist die Forderung, möglichst viel zu sehen und zu tun verständlich. Die beste Lösung
wäre jedoch eine gemeinsame Diskussion von Lehrern und Museumspädagogen über den Weg,
47
wie man im Kontext des vom Museum gewählten Ansatzes und der eigenen Bedürfnisse die
besten Ergebnisse erreichen kann.
Ein anderes wichtiges Thema ist der Zeitpunkt des Museumsbesuches. Oft planen ihn
Lehrer am Ende eines bestimmten Themas ein, um die Kenntnisse der Schüler zu festigen und
praktische Beispiele für das, was im Unterricht theoretisch besprochen wurde, zu zeigen. Die für
die Museumsaktivitäten angewandte Methodik empfiehlt jedoch Besuche, die in ein Thema
einführen: durch die Vorführung von Objekten und Phänomenen, die später im Unterricht
analysiert und ausgewertet werden.
4.4 Vermittlung der Geschichte der Naturwissenschaften
Der historische Charakter der Museumssammlungen veranlasst Lehrer häufig, nach der
historischen Dimension der gelehrten naturwissenschaftlichen und technischen Inhalte zu fragen.
Dies ist schwierig, besonders bei kleinen Kindern, die nicht in der Lage sind, zeitbezogene
Konzepte zu erfassen, und daher kaum zwischen den Fünfzigern und den Zwanzigern oder dem
18. und dem 19. Jahrhundert unterscheiden können.
Das Problem, die Geschichte der Wissenschaften zu verstehen, war Anregung für ein
experimentelles Projekt mit sieben Klassen aus weiterführenden Schulen verschiedener nord- und
süditalienischer Städte. Internet und e-Mail waren die wichtigsten Mittel beim Aufbau eines
Netzwerkes zwischen den Teilnehmern, wobei für 'Meetings' auch 'Chats' verwendet wurden, um
ein positives Klima für die Zusammenarbeit zu schaffen.
Das wichtigste Ziel war die Entwicklung eines virtuellen Technikmuseums: Die Schüler
wurden gebeten, zu Hause alte Gegenstände zu suchen, die dann zusammen die
Museumssammlung ergeben sollten. Die Schüler füllten für jedes Objekt Informationsbögen aus,
indem sie ihre Eltern, Großeltern etc. befragten. Im nächsten Schritt mussten die Schüler unter
Berücksichtigung der gesammelten Objekte entscheiden, welche Themen die verschiedenen
Abteilungen des Museums behandeln sollten. Die Auswahl der verschiedenen Abteilungsinhalte
war besonders aufschlussreich, da die Schüler in verschiedenen Fällen nicht dem traditionellen,
in Museen verwendeten Ausstellungsmodell folgten: eine Abteilung des Museums wurde z. B.
einem Fest am Anfang des Jahrhunderts gewidmet, eine andere den Gegenständen, die in einem
Zimmer eines Ingenieurstudenten in den 20er Jahren gefunden wurde. Die Auswahl gründete
sich hier auf Narration und die Tendenz, dem gewählten Zeitraum eine affektive Dimension
zuzuschreiben.
4.5 Lehrerbildung
Lehrer an Grundschulen sowie Lehrer der ersten beiden Klassen an weiterführenden Schulen
fragen häufig nach Unterstützung für den naturwissenschaftlichen Unterricht in der Klasse, in
Form von Ausbildungskursen mit Schwerpunkt auf Experimenten oder in Form einer das
gesamte Schuljahr währenden Zusammenarbeit mit dem Museum, mit praktischen Hinweisen
und Vorschlägen von den Mitarbeitern des Museums. Manche Lehrer fragen sogar danach, die
Laboreinrichtungen des Museums nutzen zu dürfen, um ihre eigenen Experimente auszuführen.
Dies wird zu einer Art kontinuierlicher Unterstützung (oft aus der Ferne). Das Museum
organisiert Ausbildungskurse für Lehrer und stellt Lehrmaterial zur Verfügung (als Download
auf der Website des Museums). Außerdem organisiert das Museum seit fünf Jahren eine
Sonderveranstaltung "Wissenschaft unter 18"; diese soll Lehrer unterstützen, die in der Schule
intensiv experimentieren. Die Schulen können eine Woche lang die Räume des Museums nutzen,
um ihre Projekte auszustellen und anderen Schülern und Besuchern zu erklären.
Die Nachfrage nach dieser Ausbildung steigt stetig; allerdings begrenzen oft
organisatorische und finanzielle Probleme die Möglichkeiten, diese Nachfrage zu befriedigen.
4.6 Schlussfolgerungen
48
Der geführte Rundgang, die traditionellste Form pädagogischer Aktivitäten im Museum,
befindet sich aus Sicht der Pädagogik in einer Krise, erfreut sich jedoch weiterhin einer
starken Nachfrage seitens der Schulen. Die neuen Formen der Zusammenarbeit mit
Schulen fordern von Lehren und Museumspädagogen neue Arbeitsmethoden. Neue
Erfahrungen sind die Basis für weitere Überlegungen; sie tragen dazu bei, dass Normen
aufgestellt werden, mit denen gearbeitet werden kann. Noch ist die Situation offen und
flexibel und lässt glücklicherweise Spielraum für weitere fruchtbare Zusammenarbeit.
Anhang: Kurzer Überblick über die Aktivbereiche des Museums
Seifenblasen
Glaubst du, dass alle Seifenblasen rund sind? Denk' nochmal nach. Tauche einfach
dreidimensionale, geometrische Rahmen in eine Seifenlösung und lass dich überraschen, welche
faszinierenden, farbenprächtigen geometrischen Formen sich bilden. Wir wollen herausfinden,
wie man dreidimensionale Seifenblasen und Seifenblasensträuße macht, Seifenblasen in anderen
Seifenblasen, eckige oder dreieckige Seifenblasen in runde Seifenblasen... oder alle möglichen,
selbst ausgedachten Formen bildet.
Licht
Wie entsteht Schatten? Licht, das auf einen Spiegel, eine Glasfläche, ein mit Wasser gefülltes
Gefäß trifft. Was passiert? Kann man Licht messen? Unsere Animatoren beantworten gerne diese
und andere Fragen und beleuchten den wissenschaftlichen Hintergrund der verschiedenen
Ausstellungsstücke des Aktivbereiches.
Farbe
Was ist Farbe? Wie unterscheiden wir verschiedene Farben? Wie benennen wir Farben? Welche
Verbindung gibt es zwischen Licht und Farbe? Dies sind einige der Fragen, die ihr mit Hilfe der
Spiele und der unterhaltsamen Aktivitäten dieses Labors zu beantworten lernt. Für ältere Kinder
werden auch die Konzepte angesprochen, die für den Vierfarbendruck, die Technik eines
Videogerätes oder die eines Computermonitors relevant sind.
Die fünf Sinne
Was sehen deine Augen? Was kannst du durch dein imaginäres Auge sehen? Was fühlen deine
Hände? Wie wird Stimme übertragen? Was ist Geruch und Geschmack? Kannst du sehen, was du
hörst? Die Antworten wollen wir mit Hilfe verschiedener Experimente herausfinden.
Bewegung
Ist eine gerade Straße immer der schnellste Weg, um dorthin zu gelangen wo man hin will? Auf
wie viele verschiedene Arten können sich unbelebte Objekte bewegen? Warum fällt der schiefe
Turm von Pisa nicht um? Warum gehen Schiffe nicht unter? Verschiedene Ausstellungsstücke
helfen dir, die Gesetze von Bewegung und Kraft herauszufinden.
Chemie und Biologie
Diese beiden Wissenschaften sind unschlagbar, wenn es um den Einblick in die Welt um uns
geht. In diesem Labor kannst Du die Eigenschaften der Luft, die du atmest, des Wassers, das du
trinkst und der Nahrung, die du aufnimmst, erforschen. Die Experimente reichen von
mikroskopischen Untersuchungen über das Sichtbarmachen bestimmter Eigenschaften mit
Farben bis hin zu Energiegewinnung aus Früchten und obstbetriebenen Uhren.
49
Elektrizität, Magnetismus und Halbleiter
Was ist ein Blitz? Was haben eine Glasflasche und der Arbeitsspeicher eines Computers
gemeinsam? Wie klein ist Mikroelektronik? Das sind nur einige der Fragen über Elektrizität,
Magnetismus und Halbleiter, die wir dir beantworten möchten. Und es gibt noch mehr ...
Von Marconi zum Handy – Telekommunikation im Alltag
Erzeugt ein Gasfeuerzeug Radiowellen? Welche Eigenschaften von Wellen sind für die
Kommunikation wichtig? Wie können wir ein Signal mit Hilfe von Wellen übertragen? Welche
Signale widerstehen Störungen am besten? Der Schwerpunkt liegt auf dem Kennenlernen der
Prinzipien und Entwicklungen der Telekommunikation.
Solarenergie – Von der Sonne zum Menschen
Wie groß ist die Sonne? Was ist Sonnenschein? Warum werden Treibhäuser so warm? Kann
Licht Informationen übertragen? Was sind Solargeneratoren und photovoltaische Zellen? Was
machen sie? Bei schönem Wetter starrt das Labor ... in die Sonne!
Leonardos sagenhafte Maschinen
Hältst du dich für einen neuen Erfinder? Möchtest du mehr über Leonardo da Vinci herausfinden,
den in der Toskana geborenen genialen Erfinder, der 25 Jahre lang in Mailand lebte? Möchtest du
seine Maschinen ausprobieren oder lernen, wie man sie baut? Möchtest du andere bedeutende
Konstrukteure der italienischen Renaissance kennen lernen, die Wegbereiter für Leonardo
waren? Komm mit!
Metall- und Töpferarbeiten in der Antike
Dieses Labor gibt einen Einblick wie Kulturen der Antike – insbesondere die Etrusker und
Römer – Metall bearbeiteten und Tonwaren herstellten, die sie im Krieg, bei der Arbeit und im
Alltag verwendeten. Präge dir eine eigene Münze mit dem Labor-Logo! Oder graviere ein Stück
Blech mit deinem Lieblingshelden aus der griechischen Geschichte und nimm' es mit nach
Hause!
Papierherstellung
Dies ist ein unkonventioneller Ansatz zu Themen, die in der Abteilung Grafische Kunst
ausgestellt werden: Druck und Papierherstellung von der Antike bis zur Gegenwart.
Ein See ... voll Begeisterung!
Du kannst ein Modellboot in einem Pool steuern, dessen Segel sich mit jeder Brise aufblähen.
Oder das Boot mit Hilfe elektronischer Geräte akrobatische Stückchen vorführen lassen. Du wirst
dich sogar großartig amüsieren ... auf dem Meeresboden! Hast du je einen Taucher in seinen
Tauchanzug steigen sehen, oder bei der Arbeit beobachtet? Komm mit und schau's dir an! Wenn
du willst, kannst du selbst einen Taucheranzug anziehen, und Schwimmflossen und
Tauchermaske ausprobieren.
Wege der Menschheit
Die Notwendigkeit, die Welt zu erforschen, veranlasste die Menschheit, immer größere und
leistungsfähigere Transportmittel zu entwickeln, um auf und über Meere zu reisen, Kontinente zu
entdecken und neue Siedlungsorte zu finden. Die jungen Besucher lernen die vier
Himmelsrichtungen, den Nordstern, die Längen- und Breitengrade kennen und erfahren, wie man
einen Kompass baut. Von der Orientierung auf See bis zur Orientierung auf Land war die Reise
der Menschheit geprägt von faszinierenden Entdeckungen.
50
Die Welt des Computer. Vom Internet zur virtuellen Realität
Wie werden Daten im Internet versandt? Wie sendet man einen virtuellen Brief? Oder das Layout
einer Internetseite? Was ist eine Suchmaschine? Und wie wird sie verwendet? Dieses Labor
umfasst praktische Erfahrungen mit den wichtigsten Möglichkeiten des Internet und behandelt
die wichtigsten Befehle, die du kennen musst, um im Internet surfen zu können! Viel Spaß beim
Surfen!
51
5. KAPITEL
Entdeckungen mit den fünf Sinnen
Zita Felfoldi und Judith Holler
Ungarisches Naturhistorisches Museum, Budapest, Ungarn
5.1 Einführung
Das ungarische Naturhistorische Museum enthält eine öffentliche Sammlung. Seit seiner
Gründung vor 200 Jahren erfüllt es drei Aufgaben: a) Sammlung, Erhaltung und Schutz der
Schätze der Natur, b) wissenschaftliche Untersuchung und Erforschung von Naturphänomenen
und Objekten und c) Ausstellung wertvoller Stücke aus der Sammlung sowie Verbreitung
naturwissenschaftlicher Inhalte. Die Sammlungen des Museums sind der Öffentlichkeit seit 1811
zugänglich. Die Forschungstätigkeit am Museum richtet sich traditionell auf die Bereiche
Mineralogie, Paläontologie, Botanik, Zoologie und Anthropologie.
5.2 Der neue Ansatz im Ausstellungsdesign: Ausstellungen als wichtigstes
Kommunikationsinstrument des Museums
Ein neues Kapitel in der Geschichte unserer Ausstellungen begann 1996 mit der Eröffnung des
jetzigen Ausstellungsgebäudes. Es war der Bruch mit der Tradition des objektzentrierten
Ausstellungsdesigns: die ausgestellten Stücke – sie zeigen Naturprozesse und -gesetze –
umfassen eine kleinere Anzahl originaler Objekte, verwenden allerdings mehr interaktive
Einheiten, die zum Verständnis beitragen sollen und Anordnungen mit Ton-, Licht- und
Farbeffekten, die eine komplexere Erfahrung ermöglichen. Die wichtigsten Prinzipien des
Ausstellungsdesigns sind Interaktivität und ein spielerischer sowie ganzheitlicher Ansatz. Neben
dem dargebotenen wissenschaftlichen Wissen bieten wir einen Ort, wo Naturphänomene
historisch, literarisch und ethnografisch interpretiert werden können. Dies wird am besten durch
die im Jahre 2000 eröffnete Ausstellung veranschaulicht, in der die Besucher Charaktere aus
Legenden und Volksmärchen treffen können. Es ist eines der wichtigsten Ziele des Museums,
dass Kinder die Ausstellungen verstehen und genießen können, indem es ihnen eine Umgebung
'wie zu Hause' anbietet. Naturgemäß sind Kinder die ersten, die sich von den interaktiven
Tätigkeiten fesseln lassen. Die mystischen Wesen, die sie im Museum sehen, wie z. B. den
Kobold aus einer Mine, sprechen vor allem die jüngere Generation und zudem das Kind in uns
allen an.
Die neue Ausstellung, deren Schwerpunkt die Geschichte des Museums ist, enthält zwei
parallele Ebenen: Eine für erwachsene Besucher und eine für Kinder, wobei die Kinderebene keine
vereinfachte Version der Erwachsenenebene ist. Die Museumspädagogen, die die beiden Ebenen
entwickelten, haben vielmehr in jeder Einheit einige wenige Ideen ausgewählt, die es wert sind, der
jüngeren Generation erklärt zu werden und helfen, die Essenz der wissenschaftlichen Arbeiten in
den Sammlungen zu verstehen. So findet man beispielsweise in der Einheit, die die Komposition
und Logik der Sammlung darstellt, eine kleine Kommode mit der Aufschrift "Mach deine eigene
Sammlung". Sie hilft, die einer systematischen Sammlung zugrunde liegenden Prinzipien in
spielerischer Form zu vermitteln.
5.3 Permanente Ausstellungen
5.3.1 Mensch und Natur in Ungarn: Historisch-ökologische Ausstellung
Diese interdisziplinäre Ausstellung folgt der Naturgeschichte des Karpathischen Beckens, das als
ökologische Einheit betrachtet wird; sie beginnt mit dem Erscheinen des Menschen in der Natur
und reicht bis zur Bildung zivilisierter Gesellschaften und der Gegenwart. Die Ausstellungsfläche
beträgt 800 Quadratmeter; die Ausstellungsstücke zeigen, wie der Mensch sich natürliche
52
Ressourcen zunutze machte und gleichzeitig seine natürliche Umgebung veränderte, sogar
massiv schädigte. Die Ausstellung stellt nicht nur Fakten, Prozesse und Auswirkungen dar,
sondern diskutiert auch Lösungswege. Die Botschaft dieser historisch-ökologischen Ausstellung
wird durch spektakuläre, einzigartige Objekte, realistische Umgebungen und Originalfotografien
veranschaulicht. Durch den Einsatz interaktiver Einheiten ist die Ausstellung obendrein leicht zu
verstehen.
5.3.2 ’Immerblühender Blumengarten’
In den Säulen, die die Galerie der Ausstellungshalle tragen, findet man eine Auswahl kostbarer
und besonderer Minerale und Bergkristalle (auf ungarisch "Minenblumen") aus der Region des
Karpathischen Beckens.
5.3.3 Die ’geliebten Sphären’: Naturschätze des Karpathischen Beckens
Die spektakuläre Ausstellung, die im Millenium-Jahr eröffnet wurde, lässt die Welt der Legenden
und Märchen auferstehen. Die Besucher werden durch eine Schatzmine, eine Drachenhöhle,
einen Zauberwald und ein Dorf des 13. Jahrhunderts geführt. Neben den kulturhistorischen
Aspekten der Naturschätze, die in den ungarischen Legenden, Volksmärchen und Liedern
erscheinen (Kräuter, Bäume, mystische Tiere, Drachenknochen, Bergkristalle) vervollständigen
aktuelle Erläuterungen die Ausstellung. Die Ausstellung stellt Naturwissenschaften, Künste und
Mythen nebeneinander.
5.3.4 ’In einem fernen Land’: Museumsabenteurer der letzten zwei Jahrhunderte
Die Ausstellung erinnert an die Gründung des Museums vor zweihundert Jahren und zeigt die
wichtigsten Stationen seiner Geschichte, die Reisen, auf denen Objekte gesammelt wurden und
die Expeditionen. Die Besucher können einen Blick hinter die Kulissen und auf die
wissenschaftlichen Arbeitsprozesse werfen, die in den Sammlungen stattfinden. Sie werden in
die Arbeit des Museologen eingeführt: Prüfung, Organisation und Analyse der
Sammlungsstücke. Der Besucher kann zwei Wege durch die Ausstellung wählen: einen für
Erwachsene und einen für Kinder. Beide Ebenen sind interaktiv und spielerisch. Auf diese Weise
können Kinder und Eltern die Ausstellung genießen.
5.3.5 Der Entdeckerraum: Ein Hauch Natur
Seit Jahrzehnten erforscht der Mensch die Umwelt, oft als Außenstehender. Da die meisten
Menschen in der Stadt wohnen, lernen sie die Natur aus Fotografien, Büchern, Zeitschriften, per
Fernseher oder Video kennen. Kinder lernen häufig in der Schule, wie Vögel, Knochen oder
Pflanzen aussehen, aber sie kommen selten so nahe an sie heran, dass sie sie berühren, riechen
oder hören könnten. Im Museum werden nur wenige Tausend der Millionen Ausstellungsstücke
gezeigt, die die Sammlung enthält, und sie dürfen nur betrachtet werden.
Andere Gesetze gelten im Entdeckerraum, der 1992 eingerichtet wurde. Hier darf alles in
die Hand genommen und genau angesehen werden. Die Kieferknochen eines Wals, der Schädel
eines Elefanten oder ein ausgestopfter Bär sind so schwer, dass niemand sie hochheben kann –
doch sogar den jüngsten Besuchern macht es Spaß, die Samen in der 'Aschenputtelschale' zu
sortieren. Die Kiste mit der Fledermaus ist vielleicht das Beliebteste. Jeder kann den Igel
streicheln, trotz der Stacheln am Rücken. Die gefriergetrockneten Pilze sehen lecker aus. Die
aufgehängten Vögel sehen aus, als ob sie sich im Aufwind ausruhen würden, bereit, jeden
Moment wegzufliegen. Die Steine erzählen die Geschichte von Millionen Jahren, die vergangen
sind. Sie zeigen uns Lebewesen, die vor langer Zeit ausgestorben sind. Glitzernde Mineralien
ziehen uns förmlich an die Regale.
Auf den wenigen Quadratmetern können nur einige lebendige und unbelebte
Ausstellungsstücke gezeigt werden, dennoch findet jeder – vom Großvater zum Urenkel – etwas
53
Faszinierendes. Exotische Stücke und kaum erforschte Objekte aus unserem täglichem Leben
können hier nebeneinander betrachtet werden. Dieser Raum spricht (außer dem Geschmackssinn)
alle Sinne an. Fortwährend sind Tiergeräusche vom Band zu hören, die Gerüche in den
"Schnupperfläschchen" sind oft schwer zu bestimmen, und im Geheimschrank kann jeder
ausprobieren, wie gut er mit den Händen 'sehen' kann.
Der Entdeckerraum ist für Schulen an Wochentagen nach Vereinbarung geöffnet und
bietet Aktivitäten von Vorschul- bis Oberschulniveau (für Einzelpersonen und Familien ist der
Raum am Wochenende geöffnet):



Kinder im Vorschulalter können die Unterschiede zwischen der Lebensform und der
äußeren Erscheinung verschiedener Tiere an Hand ausgestopfter Tiere erforschen und
mit speziellen Spielen untersuchen.
Grundschüler erforschen verschiedene Themenbereiche mit speziellen, für ihr Alter
entwickelten Aktivitäten, schriftlichen Anleitungen, kleineren Forschungsarbeiten in
der Bibliothek und Tests mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden.
Oberschüler vertiefen ihre Kenntnisse oder erwerben neue Kenntnisse in speziellen
Gebieten der Naturwissenschaften unter Anleitung eines ausgebildeten Führers.
5.4 Pädagogische Veröffentlichungen für Lehrer und Schüler
Die Mehrzahl der Ausstellungen sind für das selbstständige Entdecken konzipiert. Vor diesem
Hintergrund bittet das Museum die Lehrperson, die Gruppe zu ermuntern, die
Veröffentlichungen des Museums zu nutzen, um das individuelle Verständnis zu fördern. Diese
Vorgehensweise trägt dazu bei, dass auch eine größere Zahl von Schülern effektiv arbeiten kann,
da individuelle Aktivitäten wegen der begrenzten Anzahl der Museumspädagogen nicht immer
möglich sind. Lehrmittel helfen, dieses Problem zu lösen, und unterstützen Lehrer, damit sie das
Museum unabhängig nutzen können.
Es gibt viele verschiedene Veröffentlichungen:
5.4.1 Aktivitäts- und Veranstaltungsprogramm
Zweimal jährlich veröffentlicht das Museum ein Programm mit Ausstellungen, Events und einer
Zusammenstellung der neuen Publikationen und verschickt es an alle Grundschulen des Landes.
Wir ermuntern die Lehrer, sich mit dem Museum in Verbindung zu setzen (anzurufen, oder
besser, zu besuchen) bevor sie es mit der Klasse besuchen, damit sie einerseits ihre Bedürfnisse
deutlich machen und die jeweiligen Umstände erläutern können und sich andererseits über
Ausstellungen und Lehrmittel informieren können.
5.4.2 Die Lacertina-Reihe und andere pädagogische Veröffentlichungen
Die Bildungsabteilung erstellt die Lacertina-Reihe, eine mehrbändige Veröffentlichung mit
Hintergrundinformationen und methodischen Diskussionen, die sich auf die Ausstellungen
beziehen. Die meisten Bände konzentrieren sich auf die historisch-ökologische Ausstellung
Mensch und Natur in Ungarn. Andere enthalten Material über nicht gezeigte, aber ebenso
wichtige Sammlungen. Diese Bände sind für Leser, die sich für Naturgeschichte und
Naturwissenschaften interessieren; für alle, die mehr lernen möchten, sind auch Tests enthalten.
Manche Bände richten sich insbesondere an Lehrer und Schüler und sind gelegentlich
auch von Lehrerausbildern und aktiven Lehrern geschrieben. Z. B. finden sich in Band 4
methodische Ideen für die Erforschung des Ungarischen Naturhistorischen Museums mit Kindern
im Vorschulalter. (Museumsbesuche passen zum nationalen Lehrplan für die Erziehung von
Kindern im Vorschulalter.) Der Band umfasst Anleitungen für Spiele, Aktivitäten und
Diskussionsthemen wie auch ein kurzes theoretisches Kapitel über die Lehrerausbildung.
54
Andere Bände für Schulen konzentrieren sich auf bestimmte Themen des nationalen
Lehrplans wie beispielsweise Mensch und Gesellschaft, Mensch und Natur, Lebensweise und
praktische Kenntnisse, auf historische Anthropologie für Schüler im Alter von 11 bis 18 Jahren,
auf die Nutzung der permanenten Ausstellung mit spielerischen Aufgaben, Quizspielen und
Puzzles, die nur durch aufmerksames Beobachten und Untersuchen der Ausstellung gelöst
werden können oder auf den Orczy Park, einem der größten und schönsten Gärten in Budapest,
der jetzt ein Erholungsgebiet für die Anwohner ist.
Eine weitere Veröffentlichung Drachen, Riesen und andere mystische Wesen widmet sich
der Ausstellung 'Geliebte Sphären' und enthält Informationen und Lehrmittel für die Lehrperson,
um die Vorbereitung und die Arbeit in der Klasse mit jüngeren (6-11 Jahre) oder älteren (12-16
Jahre) Kindern zu fördern.
5.5 Pädagogische Programme des Naturhistorischen Museums: Fallstudien
Aus den zahlreichen pädagogischen Programmen des Museums möchten wir hier drei
Aktivitäten vorstellen, die die Bildungsabteilung entwickelt und ausgeführt hat.
5.5.1 Drachen, Riesen und andere mystische Wesen: Abenteuer in der Ausstellung Geliebte
Sphären
Der Aufmarsch der Charaktere ungarischer Legenden und Märchen in der Ausstellung inspirierte
die Entwicklung einer Abenteuerreise, die die Kinder hiermit bekannt machen soll. Alle
Teilnehmer erhalten bei Antritt ihrer Reise einen Talisman – wie Märchenhelden, die zu einer
Reise aufbrechen – der sie vor Gefahren schützt und ihnen bei Schwierigkeiten hilft. Die
Aufgaben sind auf eine Schriftrolle geschrieben, die ein mittelalterliches Setting suggeriert.
Die „Abenteurer” müssen mit Hilfe einer Beschreibung aus dem 18. Jahrhundert einen
Kobold in einer Mine finden, zwischen Edelsteinen nach unpassenden Gegenständen suchen, die
"Küche" des 12. und 13. Jahrhunderts kennen lernen und die legendäre Kreatur suchen, die in
den Sümpfen lebt. Außerdem können sie ihre Geschicklichkeit bei verschiedenen Aktivitäten
ausprobieren: Fische im See fangen und die in den Schnupperfläschchen versteckten Pflanzen an
ihrem Geruch erraten. Einen Preis erhält, wer alle Aufgaben lösen kann: einen Halbedelstein, der
aus dem Schatz des Drachen ausgewählt werden darf.
Die Aufgaben und der Weg sind so konzipiert, dass sowohl kleinere Gruppen (z. B.
Schulklassen) als auch mehrere hundert Teilnehmer an den Aktivitäten teilnehmen können. Die
Reise führt durch die gesamte Ausstellung, wobei die letzte Aufgabe im Obergeschoss gestellt
wird, mit Blick auf den darunter gelegenen Märchengarten. Die Teilnehmer müssen pro
Ausstellungseinheit zwei Aufgaben lösen und benötigen für jeden Abschnitt ungefähr gleich viel
Zeit; dabei erhalten sie einen guten Einblick in die gesamte Ausstellung.
Jede Aufgabe nimmt ungefähr 30 Minuten in Anspruch. Nach unserer Erfahrung
verbringen die Besucher ungefähr zwei Stunden im Museum. Sowohl Kinder als auch Eltern
stellen gerne selbst etwas mit ihren Händen her; der Weg enthält deshalb eine stille Aktivität am
Ende der abenteuerlichen Reise. Die Teilnehmer können ein Papiermodell eines Grubenhauses
aus dem 12.-13. Jahrhundert bauen und mit den ausgeschnittenen Figuren einer Familie in
Alltags- und Festkleidern dieser Zeit schmücken. Diese Aktivität ist optional und bezieht sich auf
ein Ausstellungsthema – sie ist aber nicht direkt mit der Abenteuerreise verbunden.
5.5.2 Schauen, Hören, Fühlen: Spiele mit allen Sinnen
Der Ausstellungsteil wurde ursprünglich für die Ausstellung über die Museumsgeschichte In
einem fernen Land geschaffen, speziell für die Einheiten über die Expeditionsreisen unserer
Forscher zu fernen Kontinenten. Dieser Teil der Ausstellung zeigt die Szenen einer Expedition;
mit Hilfe von Objekten, Farben, Gerüchen, Geräuschen und Formen werden die Merkmale
55
verschiedener Regionen der Welt dargestellt: Balkan und Zentralasien, Süd- und Südostasien,
Australien und Neuseeland, Nord- und Südamerika und Afrika.
Hören, Riechen, Schmecken, Berühren und Sehen sind gefragt, um sich an den Stationen
des Weges zu orientieren und die gestellten Aufgaben zu lösen. Der Schwierigkeitsgrad
entspricht den Kenntnissen und Fertigkeiten von 6- bis 10-Jährigen; da das Programm auch für
Familien angeboten wird, sind auch einige schwierigere Fragen enthalten, um die Eltern ebenfalls
zu motivieren.
Die Kinder gehen bei dieser Aktivität auf eine imaginäre Reise um die ganze Welt. Bei
der Abreise erhält jeder einen Pass, in dem jede gelöste Aufgabe mit einem Stempel quittiert
wird.
Bei der ersten Station, Asien, gilt es, Fossilien zu jagen; dies ist ein Bezug auf die große
Sammlung an Dinosauriern aus dieser Region, die das Museum beherbergt. Die Entdecker
können in einem Sandkasten nach Knochen, Mollusken, Schneckengehäusen und
Korallenstücken graben. Das erste Objekt, das gefunden wird, führt den Teilnehmer zur nächsten
Station. Z. B. führt ein Korallenstück den Teilnehmer nach Australien, wo er Geschmack und
Geruch des dort heimischen Eukalyptus kennenlernt. Als nächstes fischen die Teilnehmer
Holzfische und -schildkröten, die auf der Unterseite den Namen einer Pflanze oder eines Tieres
tragen. Die Kinder müssen entscheiden, ob das jeweilige Tier bzw. die Pflanze in Australien
heimisch ist oder nicht. Eines der Tiere, der Hase (Oryctolagus cunciculus), wurde von Europa
nach Australien gebracht. Dieser Hinweis führt zur nächsten Station, Europa, wo die Kinder
einen Sumpf überqueren müssen: einen Pool mit seichtem Wasser, in dem sich helle,
nachgebende Stellen (die sumpfige Gebiete kennzeichnen) mit dunklen, harten Stellen (die
Grasbüschel kennzeichnen) abwechseln. Hier gibt es nun einiges über Sümpfe zu erfahren.
Von Europa geht es weiter nach Afrika, wo man die Gerüche heimischer oder in Afrika
angebauter Pflanzen kennen lernt. Jeder kennt Kaffee, Kakao, Tee und Minze. Bei Diskussionen
an dieser Station lernen die Kinder, welche Pflanzen ursprünglich aus Afrika stammen, jedoch
auf anderen Kontinenten weiter kultiviert wurden. Kaffee z. B., eine in Afrika heimische Pflanze,
wird in großen Mengen in Süd- und Mittelamerika kultiviert; der Weg führt die Reisenden somit
als nächstes auf den amerikanischen Kontinent.
Die Kontinente sind logisch miteinander verbunden. Wenn der Reisende in seinem Pass
fünf Stempel und Asien, Australien, Europa, Afrika und Amerika verlassen hat, kann er seine
Reise in die Antarktis fortsetzen und dort bei einem Glas Limonade mit Eis dem Walgesang
lauschen. Die letzte Station wurde durch den heißen Sommer 2002 inspiriert.
5.5.3 Das Museum in der Schule: Der Achte-auf-Deinen-Weg-Sumpf
Wir werden oft von Lehrern gebeten, Museumsaktivitäten in der Schule durchzuführen.
Selbstverständlich ist es unmöglich, Originalobjekte in großer Zahl aus dem Museum zu
schaffen; so verwenden wir außerhalb des Museums häufig praktische Anschauungstücke aus
dem Entdeckerraum. Dieses Material ist besonders gut für eine einstündige, informelle und doch
eingehende und pädagogisch wertvolle Diskussion geeignet. Trotzdem wollten wir ein schöneres
Umfeld für diese Diskussion schaffen, in der die Kinder aktiv lernen oder sich gegenseitig etwas
beibringen können.
Ein Lehrer trat an die Bildungsabteilung mit der Bitte heran, eine Aktivität über das
Thema Wasser und Sumpfland für die vierte Klasse durchzuführen. Aus dem vorbereitenden
Gespräch mit dem Lehrer ging hervor, wie vertraut die Klasse mit dem Thema war, was die
Schüler bereits durchgenommen hatten und die Zielsetzung der Aktivität, die Festigung der
Kenntnisse der Schüler. Man entschied sich, eine Art Brettspiel zu entwickeln, weil es die
Möglichkeiten bot, eine angenehme Lernumgebung zu schaffen und die gesamte Klasse
einzubeziehen.
56
Das Spiel findet in einem Sumpf statt. Die Fragen und Aufgaben handeln von Tieren,
Pflanzen und Menschen, die in und am Wasser leben und natürlich vom Wasser selbst. Wir
malten den Verlauf des Spiels auf ein großes Tuch. Die Fragen und Aufgaben wurden auf Karten
geschrieben; Requisiten wie z. B. Samen, Früchte von Pflanzen, Knochen wurden hinzugefügt,
außerdem Papier, Stifte, Schere, Kleber und ein Stück Kordel.
Die Auswahl des Teams ist ein Spiel für sich. Jedes Kind bekommt einen Tropfen
ätherischen Öls auf seine Handfläche. Wir verwenden drei oder vier verschiedene Öle; die
Mitglieder eines Teams müssen sich gegenseitig am Geruch erkennen und zusammenfinden.
Jedes Team wählt einen Namen und ein Mitglied, das ein "lebendes Pfand" ist.
Die Teams ziehen abwechselnd Karten. Damit das ganze Team mitspielen kann, muss
immer ein anderes Mitglied die Fragen beantworten. Die Fragen auf den Karten sehen z. B. so
aus:
Beispiel 1:
Unten auf der Karte steht der Name eines Tieres.
Vorsicht, sag’ den Namen nicht laut!
Spiele das Tier, damit dein Team herausfinden kann, um welches Tier es sich handelt. Dabei darfst du
keine Töne von dir geben; Du kannst aber die Objekte auf dem Tisch als Hilfe nehmen.
MOSKITO
Wenn dein Team die Aufgabe richtig löst, dürft ihr 4 Schritte weiterrücken.
Beispiel 2:
Macht eine Wortkette, die sich auf Wasser bezieht.
Jedes Wort (außer dem ersten) muss mit dem letzten Buchstaben des vorangehenden Wortes beginnen.
Wenn dein Team eine Wortkette mit mindestens 8 Wörtern bilden kann, dürft ihr 3 Schritte
weiterrücken.
Der Verlauf des Spiels führt die Schüler durch einen Sumpf, der natürliche Grasbüschel
und sumpfige Gebiete enthält, wie ein echtes Sumpfland. Die „Pfänder” müssen auf ihren Weg
achten, denn wenn sie auf ein sumpfiges Gebiet treten, können sie „einsinken” und das Team
muss eine Runde warten. Das Spiel dauert ungefähr eine Stunde, und kann jederzeit unterbrochen
oder nach Belieben der Spieler bzw. wenn genug Zeit zur Verfügung steht weitergespielt werden.
Die Eindrücke des Spiels sind positiv. Das Spiel macht den Schülern Spaß und sie bitten
darum, weiterspielen zu dürfen; es gelingt dem Spiel, die Schüler zu fesseln. Die Fragen und
Aufgaben sind so konzipiert, dass sie dem Kenntnisstand und dem Alter der Teilnehmer
entsprechen. Bisher wurden keine Schwierigkeiten berichtet. Das Spiel gibt dem Lehrer
außerdem eine Methode an die Hand, die er sowohl im Museum als auch in der Schule zum
Lehren und Lernen zahlreicher Inhalte für verschiedene Altersstufen verwenden kann.
57
5.6 Die permanente Ausstellung und der Nationale Lehrplan (Nationale Curriculum-NC)10
5.6.1 Das Museum als Ort für Bildung und Erziehung
Der Inhalt des Nationalen Curriculum (NC) fordert ebenso wie die Notwendigkeit, die
Fertigkeiten und Kenntnisse von Schülern zu verbessern, Schritte in Richtung modernerer
Methoden und pädagogischer Hilfsmittel. Der Lehr- und Lernansatz des NC in Bereichen wie
Landes- und Weltkultur, Umwelterziehung, Kommunikation, physische und mentale Gesundheit,
verlangt Bildungsprozesse außerhalb der Schule. Informelle Orte – wie z. B. Museen,
Büchereien, die Architektur und Kunst der vom Menschen geschaffenen Umwelt,
wiederaufgebaute Dörfer und Parks – bieten die Grundlage für personalisiertes Lernen zwischen
den Generationen sowie Hilfsmittel für die Erziehung in Literatur, Sozial- und
Naturwissenschaften, visueller Kultur oder Technik. Im letzten Jahrzehnt haben Museen eine
zunehmend wichtigere Aufgabe für die Erziehung der Jugend, insbesondere der Schulkinder
übernommen.
In diesem Kontext wird die Beziehung zwischen diesen beiden Arten von Einrichtungen
von beiden Seiten anerkannt. Einerseits würdigen zahlreiche Lehrer die Rolle der permanenten
und temporären Ausstellungen unterschiedlicher Museen für die Entwicklung einer einmaligen
intellektuellen und emotionalen Erfahrung. Originale Objekte können besondere und nicht
ersetzbare pädagogische Mittel sein, die eine gründliche und detaillierte Beobachtung fördern,
die nicht nur für die Entwicklung der Fertigkeiten wichtig ist, sondern auch die Erfahrungen und
das Vorstellungsvermögen der Kinder verstärkt, vertieft und erweitert. Gleichzeitig tragen die
mit der Ausstellung verbundenen Aspekte (Spektakel, Placement, Beleuchtung) zur Entwicklung
eines ästhetischen Verständnisses bei. Andererseits räumen die Museen ein, dass Bedarf besteht
für eine bessere Zugänglichkeit des Museums für die Öffentlichkeit. Man bemüht sich, das
Museum in einen Ort "umzuformen", der für Schulklassen geeignet ist und besondere
außerlehrplanmäßige Aktivitäten und Unterhaltungen bietet, ohne jedoch seine traditionelle
Aufgabe des Forschens und Erhaltens abzuwerten.
Das ungarische Naturhistorische Museum hat das Potenzial, diesen Anspruch zu erfüllen.
Die permanente Ausstellung Mensch und Natur in Ungarn beleuchtet z. B. die Entwicklung der
Beziehung zwischen Mensch und Natur im Karpathischen Becken und in Ungarn aus vielen
verschiedenen Perspektiven. Die Themen der Ausstellung geben direkt oder indirekt Gelegenheit,
verschiedene Bereiche des Lehrplans zu lehren und zu lernen (Landes- und Weltkultur,
Kommunikation und Umwelterziehung); außerdem helfen sie, die Voraussetzungen für eine
Verbesserung der Fertigkeiten zu implementieren. Die Ausstellung zeigt, wie sich
Veränderungen unbelebter Umweltfaktoren auf die belebte Natur auswirken, die gegenseitige
Beziehung und die kurz- und langfristigen Auswirkungen des menschlichen Einflusses auf das
organische System der Natur. Sie fördert das Bewusstsein der Schüler für die natürliche und
künstliche (vom Menschen geschaffene) Umwelt, zeigt Wege zum Schutz der Umwelt auf und
motiviert – unter Berücksichtigung des Alters – die Schüler, sich zu engagieren. Die Ausstellung
beeinflusst Intellekt und Emotionen, und wirkt so auf Umweltbewusstsein und -einstellung der
Schüler.
Im Folgenden wird analysiert, wie die permanente Ausstellung Mensch und Natur in
Ungarn mit den Lehrplan-Bereichen Mensch und Gesellschaft, Mensch und Natur und
Lebensweise und praktische Kenntnisse verknüpft werden kann. Es werden Ideen präsentiert, wie
die Möglichkeiten, die ein Museum bietet, sowie deren Anwendungen in der Erziehung und
Ausbildung größere Anerkennung finden können.
10
Dieses Kapitel basiert auf der Publikation Kanczler Gyuláné (1997).
58
5.6.1.a Der Bereich ’Mensch und Gesellschaft’ und die Ausstellung
Der Lehrplan-Bereich Mensch und Gesellschaft geht über die Gebiete Geschichte,
Gesellschaft, Ethnologie, Heimatkunde, Ethik, Psychologie etc. hinaus und integriert Kenntnisse,
die sich auf den Menschen als soziales Wesen, auf menschliche Beziehungen und Institutionen
beziehen. Die Kombination der aus diesen Gebieten abgeleiteten Kenntnisse formt den Lehrplan
als Ganzes. Dieses komplexe Material muss jedoch als Teil bestimmter Fächer wie z. B.
Sozialkunde, Kenntnisse über die Menschheit, Geschichte etc. bereit gestellt werden, die auch
von regionalen Lehrplänen sowie außerlehrplanmäßigen Aktivitäten bestimmt werden. Die
Ausstellung des ungarischen Naturhistorischen Museums gibt den Lehrern die Möglichkeit, diese
schwierige Aufgabe auszuführen.
Das Ausstellungsmaterial, in dessen Mittelpunkt die Naturgeschichte Ungarns von der
geologischen Vergangenheit bis zur Gegenwart steht, lenkt die Aufmerksamkeit auf die
Veränderungen in der Beziehung zwischen Mensch und Natur. Der Prozess dieser
Veränderungen ist offensichtlich mit sozialen Beziehungen verknüpft. Die Ausstellung ist ein
gutes Beispiel, wie die Vergangenheit dargestellt werden kann, indem man über die traditionelle
Spezialisierung der Fächer hinausgeht und welchen Effekt Museen auf die Entwicklung eines
verantwortlichen Umgangs mit der Zukunft ausüben. Die Besuche in der Ausstellung tragen dazu
bei, die in den Lehrplänen aller sechs Klassen enthaltenen Themen zu fördern:




Kenntnisse über die Menschheit und das eigene Ich
Wissen erwerben und verarbeiten
Orientierung in der Zeit
Orientierung im Raum
5.6.1.b. Der Bereich ’Mensch und Natur’ und die Ausstellung
Ziel dieses Bereiches ist es, ein Grundwissen über die Methoden des natürlich-wissenschaftlichen
Verständnisses zu erwerben, indem kognitive Vorgänge wie Beobachten, Beschreiben, Vergleichen,
Zusammenfassen, Strukturieren, Messen und Experimentieren kontinuierlich praktiziert werden. Mit
diesen Methoden werden die Fertigkeiten und Gewohnheiten der Schüler identifiziert und
verbessert; außerdem werden das Erwerben und Strukturieren von Wissen, das Erkennen einfacher
Zusammenhänge, das Verstehen und Anwenden der erlernten Informationen und das effektive
Studium spezieller Themen ermöglicht.
Folgende allgemeine Anforderungen für Entwicklungsfortschritte in der ersten bis
sechsten Klasse können durch einen Besuch der Ausstellung befriedigt werden:




Erwerb, Verarbeitung und Anwendung von Wissen;
Vertrautheit mit dem Gebiet: „der Schüler kennt die grundlegenden Eigenschaften der
wichtigsten Materialien (auf verschiedenen Organisationsebenen) seiner Umwelt";
zeitliche Orientierung und Naturphänomene: „der Schüler hat eine Vorstellung der
Veränderungen und der Evolution des Lebens auf der Erde, und ist sich über die
Änderungsvorgänge bei den Lebewesen bewusst”;
räumliche Orientierung, Raum und Naturphänomene: „der Schüler ist mit der Welt, die
ihn umgibt, vertraut”.
5.6.1.c Der Bereich ’Lebensart und Praktische Kenntnisse’ und die Ausstellung
Die Anforderungen dieses Bereiches sind im Lehrplan-Bereich Technik und Hauswirtschaft
integriert. Das Ziel des Bereiches Technik ist es, die Entwicklung des Kindes in eine Richtung zu
lenken, die es ihm ermöglicht, in Harmonie mit der Umwelt zu leben, und die technische Umgebung
zu verstehen, zu schätzen und auf humane Weise zu formen. Die Schüler müssen die Eigenschaften
von Materialien kennen lernen, wobei die Umwandlung der Materialien mit ihrer Verwendung, den
59
verschiedenen Anforderungsebenen und den Gefährdungen durch technische Prozesse in
Zusammenhang gebracht werden muss. In der Ausstellung können die Kinder etwas über ihre
Vorfahren und ihre Umwelt erfahren, die eine organische Einheit bildeten, die Nutzung des
gemeinschaftlichen Wissens zum Häuserbau und zur Herstellung von Utensilien und Werkzeugen
unter Verwendung von Materialien aus ihrer Umgebung. Sie können den Prozess nachvollziehen,
der zu den Umweltproblemen unserer Zeit führte. Die Ausstellung lässt sie erkennen, dass sie
mithelfen müssen, eine Lösung für diese Probleme zu finden.
Folgende Anforderungen für die erste bis sechste Klasse können durch einen Besuch der
Ausstellung befriedigt werden:



Entdecken der Beziehung zwischen Technik und Umwelt in bestimmten Fällen;
Probleme erkennen und analysieren;
Vorbereitung auf ein autarkes Leben, Aufgaben der Haushaltsführung und das rationale
Management des Alltags.
Literaturhinweise
Kanczler Gyuláné (1997) (ed) Together with elementary school children in the Hungarian
Natural History Museum. A guide to museum visits for teachers, Budapest,
Naturhistorisches Museum.
60
6. KAPITEL
Praktische Erfahrungen mit Museen
Etienne Bolmont und Francis Colson
I.U.F.M. de Lorraine, Nancy, Frankreich
6.1. Einführung
Die Beziehung zwischen Schulen und Museen ist im Zusammenhang mit ihren jeweiligen Zielen
zu sehen, die jedoch häufig die Entwicklung einer Zusammenarbeit zwischen diesen beiden
Einrichtungen behindern. Schulen richten sich an Zielgruppen, die in Jahrgangstufen eingeteilt
sind. Sie übermitteln und eine Botschaft, die sich auf den offiziellen Lehrplan stützt und
bemühen sich bei der Vermittlung der Inhalte um didaktisch begründete Kohärenz. Das Museum
andererseits ist ein Ort, an dem man nach eigener Wahl lernen kann; es ist zugänglich für alle,
die es wünschen, und es spricht ein gemischtes Publikum an. Seine Kohärenz ist eher punktuell
und auf die behandelten Objekte bezogen.
Unsere Überlegungen in diesem Kapitel basieren auf der Sichtweise der Schulen; sie
sollen definieren, was die Lehrperson und ihre SchülerInnen von naturwissenschaftlichen und
technischen Museen bei der Planung und Durchführung eines Besuches erwarten dürfen.
Im allgemeinen sollte ein museumsbezogenes Projekt aus einem Problem/einer Hypothese
entstehen, die in der Klasse gestellt wird; die gestellten Fragen sollten während des Besuches im
Museum (ganz oder teilweise) beantwortet werden; das Museum wird zur dokumentarischen
Recherche für die Untersuchung der Frage verwendet. Im Anschluss an den Besuch basieren die
Antworten der Schüler auf den im Museum durchgeführten Arbeiten und den durch die
Aktivitäten und Experimente gewonnenen Informationen.
Wir möchten eine strikte Trennung zwischen Museumsaktivitäten und Arbeit in der
Klasse vermeiden: im Gegenteil, Synergien sollten gesucht und zwischen den beteiligten
Akteuren entwickelt werden. Die Arbeit in der Klasse kann Themen betreffen, die mit mehr
Disziplinen als denen des Museumsbesuches verbunden sind, z. B. kann die Arbeit mit
wissenschaftlichen oder technischen Inhalten auch historische Aspekte beinhalten, Förderung
von Schreib- oder Sprechfertigkeiten oder Aktivitäten zum Messen oder Klassifizieren betreffen
etc.
Folglich können wir Museumsaktivitäten nicht unabhängig von der Arbeit in der Klasse
betrachten; die Lehrperson kann ihre Schüler nicht einfach für eine bestimmte Zeit an den
Museumspädagogen "übergeben" und anschließend den Besuch im Unterricht mit völlig anderen
Inhalten vertiefen wollen, ohne zu berücksichtigen, was die Kinder entdeckt haben. Ebenso darf
das Museum keine pädagogischen Aktivitäten durchführen, ohne Faktoren wie z. B. das Alter der
Schüler und den Kenntnisstand oder die Art und Weise, in der sie wissenschaftliche Inhalte
aufnehmen und ausdrücken, zu berücksichtigen.
6.2 Museen als pädagogische Ressourcen
6.2.1 Vielfalt der Museen – Vielfalt der pädagogischen Angebote
Müssen wir – wenn wir einen Museumsbesuch planen – unterscheiden zwischen Museen, die die
Geschichte von Wissenschaften und Technik betreffen, und Orten, an denen man Wissenschaft
entdecken kann? Tatsächlich gibt es einen wichtigen Unterschied im Gegenstand ihrer Studien –
der z. B. beim Musée des Arts et Métiers (Kunst- und Handwerksmuseum) und dem Palais de la
Découverte (Palast der Entdeckungen) in Paris oder im Musée du Fer und im Aquarium in Nancy
deutlich zu Tage tritt.
Andererseits können Museen, die sich nicht ausdrücklich naturwissenschaftlichen und
technischen Inhalten widmen, dennoch ein echtes Interesse an der Vermittlung solcher Inhalte
61
haben, wie es bei historischen Museen beispielsweise dem Musée Lorrain in Nancy der Fall ist.
Kunst- und Volkskundemuseen können Orte sein, wo man relevante Informationen über das
Alltagsleben in früheren Zeiten findet. Auch alte Fabriken oder ausgediente Industriestandorte,
die neuerdings renoviert wurden, sollte man hier hinzuzählen - sie bieten viele Anreize zum
Lernen. Wenn wir versuchen, eine Gesamtprozedur zu definieren, sollten wir verschiedene
Einrichtungen berücksichtigen, die Lehrer als pädagogische Ressource verwenden können.
Ein zusätzliches Problem in Bezug auf die Nutzung von Museen durch Schulen ist deren
inhomogene Verteilung, d. h. größere Städte sind gewöhnlich privilegiert. Räumliche und
finanzielle Gründe können hin und wieder verhindern, dass ein Besuch in einem großen Museum
mit einer umfangreichen Sammlung und zahlreichen Aktivitäten organisiert werden kann. In
diesen Fällen sollte man andere Orte mit Bezug zu Wissenschaft und Technik berücksichtigen,
einschließlich kleiner Museen in ländlichen Gebieten. Natürlich kann es vorkommen, dass diese
Museen keine festen Mitarbeiter haben oder dass sie nicht entsprechend auf einen Schulbesuch
vorbereitet sind. Wenn unser Ziel die Entwicklung gemeinsamer pädagogischer Projekte
zwischen Lehrern und Museumsmitarbeitern ist, wie können dann die Lehrer von den Schätzen
dieser kleinen Museen profitieren, wenn sie häufig alleine dastehen?
6.2.2 Vielfalt der Inhalte – Vielfältige Anreize
Wissenschafts- und Technikmuseen stellen eine große Anzahl alter Objekte aus, die häufig nach
Themen wie Energie, Kommunikation, Optik, Astronomie etc. zusammengefasst sind. Diese
Präsentationen umfassen mehr oder weniger lange Zeiträume und zeigen Objekte, deren echte
Existenz (wie es auch mit vielen Prototypen geschieht) und Verbindung mit dem Nutzer für uns
unklar bleibt. Beaune schreibt dazu:
“Klassische Museumschronologien basieren auf zwei Prinzipien: Das Objekt wird seiner
Umgebung entrissen (oder in einer nicht authentischen Rekonstruktion seiner Umgebung
gezeigt). Erneutes Auftreten, eine andere Facette dieser Sicht der Geschichte: Das Objekt,
das durch seine exemplarische, originale Qualität – häufig mit einer Verwechslung dieser
beiden Begriffe – definiert wird, dient dazu, die Geschichte seiner vorhergehenden
Formen wieder entstehen zu lassen” (Beaune 1998, S. 459).
Die Besucher müssen häufig eine beträchtliche intellektuelle Anstrengung leisten, um ein
Objekt rekonstruieren zu können und in seinem technischen Zusammenhang und einer
Umgebung einzuordnen, die, wie Deforge (1985) argumentiert, mit der Verwendung, Produktion
und Vermarktung des Objektes verknüpft ist und das Objekt in einem diachronischen Kurs vor
dem Hintergrund der Reihe vorhergehender Versionen darstellt. Man kann dies nicht
zusammenfassen, in dem man Objekte mit gleichen Funktionen, eingeteilt nach ihrem Alter,
gegenüberstellt, sondern muss in der Präsentation die Beständigkeit und Unterbrechungen
darstellen, die für die Entwicklung technischer Objekte charakteristisch sind. Daneben ist das
Objekt nicht die einzige Möglichkeit, technische Geschichte zugänglich zu machen; auch der
Herstellungsprozess kann ein Kriterium für eine Präsentation sein.
Ein Technikmuseum erhebt natürlich den Anspruch, umfassend zu sein; dennoch müssen
Besucher – in unserem Fall die Schüler – die wichtigsten Fakten und Erfindungen bei der
Entwicklung eines Gebietes erkennen können. In diesem Prozess muss der Schüler den Status des
Zuschauers aufgeben und zum Akteur werden; er kann anfassen und handhaben, experimentieren
und Hypothesen durch Entdecken überprüfen. Auf diese Weise ermöglicht der Zugang zu den
Objekten in signifikantem Maße die Entwicklung von Wissen.
Die Lehrer, die im Gebiet Lothringen arbeiten – aber auch Lehrer an anderen Orten –
haben eine große Auswahl an Museen und Standorten, die sie nutzen können. Bernard Gille
(1978, S. 106-111) schlägt eine interessante Einteilung für Technikmuseen vor:
62
6.2.2.a Technikmuseen
Dies sind Museen, die das ganze Spektrum der Technik beherbergen, oft in Verbindung mit
Museen für Naturwissenschaften / Geschichte der Naturwissenschaften und/oder Museen, die
sich auf eine bestimmte Technik oder ein spezielles Technikgebiet spezialisiert haben, z. B.
Landwirtschaft, Minen und Bodenschätze, Wehrtechnik, Transport, landwirtschaftliche Produkte,
Textil, Eisen- und Stahlindustrie, Uhrmachertechnik, Glas, Fotografie, Kommunikation,
Druckwesen etc.
6.2.2.b Naturwissenschaftliche Einrichtungen
Naturwissenschaftliche Einrichtungen wollen durch das Popularisieren der Naturwissenschaften
die Öffentlichkeit in Wissenschaftskultur bilden. Man erwartet, dass Phänomene hinterfragt
werden, für die es naturwissenschaftliche Erklärungen gibt, oder – und das ist das mindeste – die
Besucher in Staunen versetzt werden. Hier gehen die Besucher oft über den Zuschauerstatus
hinaus; sie werden zu Akteuren und nehmen an interaktiven Experimenten teil.
Die Fachgebiete, an die man sich annähert, können, ebenso wie die Komplexität der
angebotenen Erklärungen, auch dazu führen, dass die Beziehung zwischen diesen Orten der
Information und Dokumentation und des Lernens hinterfragt wird, insbesondere wenn man
bedenkt, dass große Museen häufig sowohl naturwissenschaftliche Einrichtungen als auch
Museen für Technik und Wissenschaftsgeschichte sind. Beispiele sind das Aquarium, der
botanische Garten etc.
6.2.2.c Ehemalige Werkstätten, Fabriken
Das können auch Sägewerke, Brauereien, Ölmühlen etc. sein.
6.2.2.d Andere Museen
 Kunstmuseen, mit einer Sammlung an Bildern und Objekten.
 Archäologische Museen, mit Bildern und Ausgrabungsobjekten (Werkzeuge und
hergestellte Objekte).
 Heimatkundemuseen, die sämtliche Aspekte des lokalen Lebens in den Bereichen Kunst,
Geschichte und Archäologie umfassen.
 Ethnografische Museen.
6.2.3 Die Praxis der Zusammenarbeit zwischen Museen und Schulen: Planung eines
Besuches
Besuche im Museum sind häufig eilige Angelegenheiten, ohne ausreichende Vorbereitung im
Unterricht und ohne vorbereitendes Treffen zwischen Museumsangestellten und Lehrperson.
Als Konsequenz sind Ausführlichkeit und Umfang der Erklärungen nicht immer an das
Verständnisniveau der Schüler angepasst – seien es die Texte, die das Objekt begleiten oder die
verbalen Erklärungen des Museumspädagogen – und vermindern so den Nutzen des Besuches
bzw. bergen sogar die Gefahr, dem kulturellen Bewusstsein, das wir entwickeln wollen, entgegen
zu stehen. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, die Aufgaben beider Parteien zu formulieren –
die der Lehrperson, die ihre Schüler ins Museum begleitet und die des Museumspädagogen, der
in der Lage sein sollte, sein Wissen und seine Methoden an die Schüler anzupassen, an die sie
gerichtet sind.
Einen Besuch ins Museum zu planen heißt, folgende Punkte zu berücksichtigen:

Die Kenntnisse, die bei einem bestimmten Publikum/ einer bestimmten Klasse vorhanden
sind.
63


Die Strukturierung der Ausstellungsstücke, so dass Begreifen und Lernen möglich sind
und Interaktionen zwischen Besuchern und Museumspädagogen stattfinden können.
Die Möglichkeiten, das Thema im Unterricht nachzubereiten.
Es heißt auch, bestimmte Parameter zu berücksichtigen, z. B.:
a. Welche Themen werden behandelt?
b. Hat das Museum Museumspädagogen?
c. Werden die Informationen in klarer und verständlicher Form vermittelt und auf die
jeweiligen Niveaus angepasst?
d. Können den Schülern Experimente gezeigt bzw. von ihnen selbst durchgeführt werden?
e. Kann das Museum in die Schule kommen?
f. Ist das Museum in der Nähe der Schule?
g. Wie viel kostet der Besuch?
6.3 Der Lehrplan in Frankreich
6.3.1 Allgemeine Merkmale
Der französische Lehrplan enthält offizielle Anweisungen, die sowohl die Lehrinhalte als auch
die Lehrziele hinsichtlich Know-how und Einstellungen definieren; außerdem enthält er
Richtlinien für die Entwicklung von Prozessen, die die Vermittlung der Lehrinhalte und das
Erreichen der Lehrziele ermöglichen.
In Frankreich umfasst die Grundschule die Vorschule bis zum "zweiten Jahr Mittelstufe"
(CM2) und richtet sich an Schüler im Alter von zwei bis elf/zwölf Jahren.11 Der Lehrplan wird
vom Ministerium für Nationales Bildungswesen festgelegt. Die neueste Version stammt aus dem
Jahre 1995, allerdings findet seit Beginn des Schuljahres 2002/03 eine Umgestaltung statt
(Bulletin Officiel hors série n°1/14-02-2002). Der Lehrplan bestimmt die Inhalte, Stundenpläne,
Prozesse und Ziele, die am Ende jeder Stufe erreicht sein müssen. Innerhalb dieses Lehrplans
sollten die Lehrer in der Lage sein, die Fortschritte ihrer Schüler im Kontext der Lehrprojekte
definieren zu können.
Die gegenwärtige Lehrmethode – die auch im neuen Lehrplan (Curriculum) eingesetzt
wird – ist inspiriert vom Projekt Main à la Pâte (praktische Erfahrung). An dieser Initiative, die
von der Wissenschaftsakademie unterstützt wird, nimmt eine begrenzte Anzahl freiwilliger
Lehrer teil; sie findet jedoch, da sie sich auf einen aktiven Prozess stützt und Sprachunterricht
betont, große Unterstützung in Frankreich. Dieses Vorgehen wurde 2000 offiziell im Rahmen des
Programms "Neugestaltung des Unterrichts in naturwissenschaftlichen und technischen Fächern"
gebilligt und bildet die Grundlage für den neuen Lehrplan für Naturwissenschaften und Technik,
beeinflusst darüber hinaus aber auch andere Disziplinen.
11
Die Grundschule in Frankreich ist in drei große Zyklen oder Stufen unterteilt: Die erste Stufe entspricht
der Vorschule für Kinder im Alter von 2-5 Jahren; es gibt vier Niveaus: sehr klein, klein, mittel und älter
(gewöhnlich wird die Vorschule drei Jahre lang besucht). Die Grundausbildung entspricht den ersten beiden Jahren
der Grundschule und umfasst das erste Jahr (CP) und das erste Jahr Grundschule (CE1). Die Konsolidierungsstufe
schließlich umfasst drei Stufen, das zweite Jahr Grundschule (CE2) und das erste (CM1) und zweite Jahr
Zwischenstufe (CM2). In manchen Schulen werden diese Nicveaus in gemischten Klassen zusammengeführt, in
denen manchmal Schüler aus zwei verschiedenen Stufen sind. Nach der CM2-Klasse besuchen die 11-12jährigen
Kinder die Unterstufe einer weiterführenden Schule.
64
Der Lehrplan aus dem Jahre 1995 war noch für das Schuljahr 2001/02 gültig; folgende
Schwerpunkte galten für die naturwissenschaftlichen und technischen Fächer (3. Stufe):




Lebewesen
Himmel und Erde
Materie und Energie
Objekte und technische Lösungen
6.3.2 Der Lehrplan 2002
Die Neufassung des Lehrplans ist von Arbeiten inspiriert, die innerhalb des im Juni 2000
erstellten Umgestaltungsprogramms durchgeführt wurden. Insbesondere galt im Bereich
Naturwissenschaften und Technik für die Reform folgender Ansatz:
“Das neue Lehrprogramm für naturwissenschaftliche und technische Fächer konzentriert
sich stark auf einen experimentellen Ansatz. Das dargebotene Wissen wird besser
aufgenommen, da es sich auf Fragen stützt, die während der Vorführung, Beobachtung
oder Messung gestellt werden. Dieser Unterricht behandelt auch wichtige ethische
Probleme unserer Zeit, auf die Kinder besonders empfindlich reagieren (Wirtschaft,
Umwelt und Gesundheit)” (Consultation sur les nouveaux programmes, 3).
“Die Schüler stellen sich selbst Fragen, handeln überlegt und tauschen sich aus.” (Plan de
rénovation, BO n°23, 1106).
6.3.2.a Der Lehrplan 2002: Projektorientierung in Stufen
Der Lehrplan wird in Form von Projekten organisiert, deren Entwicklung bereits in der
Vorschule beginnen sollte. Naturwissenschaftliche und technische Projekte basieren auf
folgenden Themen:
Entdecken der Welt der Lebewesen
Materie
Objekte und Werkstoffe
Entdecken von Lebewesen
und Pflanzen
Informations- und
Kommunikationstechnik
Entdecken von
Gegenständen,
Sicherheitserziehung
65
Experimentelle Wissenschaften und
Technik (2,5 bis 3 Std./Woche)
Materie
Energie
Physik
Entdecken mit den Sinnen Materie
Konsolidierung
Biologie
Entdecke die Welt
Grundkenntnisse
Entdeckung der Welt
(3 bis 3,5 Std./Woche)
Multidisziplinär
Kindergarten
Einheit und Vielfalt von
Lebewesen und Pflanzen
Menschlicher Körper und
Gesundheit
Umwelterziehung
Himmel und Erde
Technik
Räumliche Lokalisierung
Zeitverständnis
Entdecken von Form und
Größe
Kennenlernen von
Mengen und Zahlen
Von bekannten zu
unbekannten Räumen
Zeitverständnis
Von Menschenhand
geschaffene Welt
Informations- und
Kommunikationstechniken in
der experimentellen
Wissenschaft und Technik
(Geschichte und Geografie)
(Mathematik)
6.3.2.b Ziele und Prozesse des Lehrplans
Hinsichtlich der Zielsetzungen für experimentelle Wissenschaft und technische Aktivitäten legen
wir den Schwerpunkt auf jene, die mit der Nutzung des Museums verbunden sind:
Ausgangssituation
Fragen
Vorherige Ideen
Auswahl der Fragen
Untersuchungen
- Direkte Experimente (nach Möglichkeit immer zu favorisieren),
die von den Kindern konzipiert und durchgeführt werden;
- Konkretisierung (Suche nach der technischen Lösung);
- Direkte Beobachtung oder Beobachtung mit Hilfe von
Instrumenten, mit oder ohne Messung;
- Recherche mit Hilfe von Dokumenten, Fragen und Besuchen
Aufbau von Know-how, Wissen und kulturellen
Vergleichswerten, wie im Lehrplan vorgesehen.
Der Lehrplan bestimmt:



“Die Begegnung mit empfohlenen Büchern festigt das erworbene Wissen und
hilft, Lesestrategien zu entwickeln, die der Spezifität dieser Texte entsprechen.
In der Regel muss der Schüler aktiv werden; deshalb sollte die Lehrperson nur
ausnahmsweise die Experimente selbst durchführen. Dennoch ist es wichtig, dass
der Lehrer in regelmäßigen Abständen wesentliche Punkte zusammenfasst, damit
die Experimente ihre volle Bedeutung erhalten und Schlussfolgerungen gezogen
werden können.
Der sichere Umgang mit fremden und der französischen Sprache ist ein wichtiger
Punkt. Befragung und Austausch, Ergebnisvergleich und die Gegenüberstellung
mit bereits bekanntem Wissen sind verschiedene Möglichkeiten, Methoden der
geleiteten Diskussion, die Wissen bilden soll, kennenzulernen. Während des
gesamten Schuljahres führen die Schüler ein Notizbuch, in dem sie die
Experimente und Beobachtungen eintragen. Die schriftliche Arbeit ermöglicht
nachhaltige Reflektionen und führt gleichzeitig Disziplin und Präzision ein.
66

Das Lesen wissenschaftlicher Unterlagen wird eingeführt, indem die Schüler mit
eine neue Art wissenschaftlicher Texte erhalten: Datenblätter, Berichte über
Experimente, erläuternde und argumentierende Texte, Zahlentabellen …”
(Horaires et programmes, BO hors-série n°1, 14/02/2002, pp 86-87).
Diese Präsentation berücksichtigt einige Aspekte der experimentellen Methode. Im
Rahmen eines konstruktiven Ansatzes werden Fehlannahmen der Kinder berücksichtigt, die in
der Fragephase genutzt werden und eine Bedingung für die Strukturierung der sich
anschließenden Forschungssachverhalte sein können.
6.3.2.c Arbeiten mit Museen
Eine Arbeit mit Museen kann in den Bereichen Forschungsarbeiten anhand von Dokumenten,
Fragen und Besuchen stattfinden. Allerdings sollte, wann immer das Thema dies erlaubt, die
Arbeit mit dem Museum in vielfältiger Weise geschehen und nicht auf das Forschen in den
Dokumenten des Museums beschränkt sein. Die Lehrperson sollte sich bemühen, Aktivitäten in
den Rahmen eines aktiven Prozesses mit Experimenten und Vorführungen zu verlegen, der den
Objekten, die im Museum zu sehen sind, eine Bedeutung gibt.
Die dritte Stufe des Lehrplans behandelt verschiedene Aspekte der Wissenschaft und
Technik, von denen wir an dieser Stelle nur die vorstellen möchten, die bei der Arbeit mit dem
Museum relevant sind:
 Materie
Zustand und Zustandsänderungen
Mischungen und Lösungen
 Einheit und Vielfalt von Lebewesen und Pflanzen
Entwicklungsstufen eines Lebewesens
Bedingungen für die Entwicklung von Pflanzen
Evolutionsmerkmale bei Lebewesen
 Umwelterziehung
Ökologischer Ansatz für die lokale Umgebung
Rollen und Plätze von Lebewesen: Begriff der Ketten und Nahrungsnetzwerke
Anpassung von Lebewesen an Umweltbedingungen
 Energie
Einfache Beispiele nutzbarer Energiequellen
Energieverbrauch und Sparmaßnahmen
 Himmel und Erde
Licht und Schatten
Zeitmessung
 Von Menschenhand geschaffene Welt
Hebel und Waagen; Gleichgewicht
Mechanische Objekte; Übertragen von Bewegung
Herstellung technischer Gegenstände
6.3.2.d Weitere relevante Gebiete
67
Geschichte ist z. B. eine Disziplin, die leicht mit Wissenschaft und Technik verbunden werden
kann. Im Geschichtsunterricht können verschiedene Zeiträume und die jeweiligen technischen
Leistungen erörtert werden, z. B.:





Prähistorische Werkzeuge, Eisenbearbeitung
Abteien und Kathedralen im Mittelalter
Neue Vision einer Wissenschaftswelt in der Neuzeit und das Interesse an Technik im
18. Jahrhundert
Industrielle Expansion im neunzehnten Jahrhundert; Arbeitsbedingungen
Wissenschaftlicher und technischer Fortschritt im 20. Jahrhundert.
Für die Aktivitäten, die zur Lösung des Problems führen, kann ein interdisziplinäres Projekt
zwischen Wissenschaft, Technik, Geschichte, Geografie und Kunst entwickelt werden.
68
6.4 Museen als Lehrquellen in der Schule
Museen können auf verschiedene Weisen als Lehrquellen für den naturwissenschaftlichen und
technischen Unterricht genutzt werden: für dokumentarische Recherchen, für Workshops mit
den Schwerpunkten Herstellung und Handhabung von Objekten, zum Erleben originaler
Objekte, zum Überprüfen und Bewerten des erworbenen Wissens oder als Orte
wissenschaftlicher Forschungstätigkeit und kultureller Öffnung gegenüber fremden
Zivilisationen. Folgende Beispiele präsentieren Ideen für den Arbeitsprozess innerhalb eines
museumsorientierten Projektes:
a. Das Museum als Ort der Dokumentation und Ausstellung. Es verschafft Zugang zu
originalen Objekten und ermöglicht die Handhabung von Modellen oder Simulationen mit Hilfe
von Computern oder Videos. In diesem Kontext würde die Lehrperson von einem Problem
ausgehen, dessen Lösung (oder Elemente der Lösung) im Museum zu finden wären. Das
Problem kann dazu führen, dass man eine bestimmte Technik sucht, z. B. "Wie wurde ein
Gegenstand aus Bronze gemacht?" oder "Wie erzeugt man mit stehenden Bildern den Eindruck
der Bewegung?". Der Lehrer beginnt mit einem unbekannten Objekt und befragt die Schüler
über dessen Funktion, Material, Verwendung etc. Die Antworten der Schüler werden
klassifiziert und ihre Vorschläge unter Verwendung der Ressourcen des Museums und des
historischen Kontextes bestätigt. Beginnend mit einer bestimmten Aufgabe arbeiten die Schüler
mit Klassen und chronologischen Reihen von Gegenständen, die wiederum weitere
Forschungsaktivitäten auslösen.
b. Das Museum als Ort der Umsetzung von Ideen und der Herstellung von Objekten. Im
Zusammenhang mit einem lehrplanübergreifenden Themenkomplex Kunst und Geschichte
können die Schüler z. B. die Farbglas- oder Glasmosaikkunst kennenlernen und sich mit
Werkzeugen und Werkstoffen vertraut machen; hierbei können sie die Schwierigkeiten
herausfinden, die sich beim Umformen von Werkstoffen oder beim Zusammenbauen ergeben.
6.5 Beispiele für Aktivitäten mit Museen
Die beiden folgenden Aktivitäten wurden von den Autoren konzipiert und bilden die
Grundlage für die Forschungsarbeiten im Rahmen des Europäischen Projektes12; sie können aber
auch Ideen für Arbeiten in anderen Schulen oder Museen sein. Die Schwierigkeit – zugleich
aber auch das pädagogische Interesse – liegt in der Tatsache, dass alle Antworten bezüglich der
vorgeschlagenen Aktivitätsfelder bei einer ganzen Reihe von Museen, spezialisiert oder nicht, in
nächster Nähe oder großer Entfernung zur Schule, ja sogar im Ausland gefunden werden
können. Es kann die Möglichkeit bieten, z. B. Kontakte herzustellen und Lehrmaterial (z. B.
Ausstellungskataloge) zu erhalten, auf dessen Basis das Thema dann in der Klasse weiter vertieft
werden kann.
6.5.1 Beispielaktivität 1: Formteile
Die erste Aktivität hat folgende Schwerpunkte:
 Wissenschaftliche Inhalte: fester und flüssiger Zustand, Schmelzen, Erstarren
 Technische Inhalte: Werkstoffe. Formteile herstellen und aus der Form entfernen.
Bain-Marie (Wasserbad)
 Technische Konstruktionsverfahren
Die Aktivität wird in sechs Phasen in der Schule und im Museum durchgeführt.
1. Stunde: in der Klasse, 1 Stunde
Ausgangspunkt: Die Lehrperson zeigt im Unterricht eine Statuette, eine Waffe oder ein
Bronzewerkzeug (der Gegenstand kann aus einer privaten oder aus der Museumssammlung
stammen).
Schlüsselfrage (Problemlösung): Wie konnten unsere Vorfahren so einen Gegenstand herstellen?
Ideen, Konzepte und Irrtümer: Die Kinder werden ermuntert, ihre ersten Gedanken
aufzuschreiben. Die Antworten werden eingesammelt und gegenübergestellt. Durch die
Gegenüberstellung und die Diskussion über das Thema können einige offensichtlich falsche
Antworten ausgeschlossen werden; dabei wird eine Liste mit Vorschlägen erarbeitet, die die
Grundlage für Experimente und dokumentarische Recherchen bildet.
Lösungen suchen (erste Vorschläge): Lehrer und Schüler erörtern, ob die vorgeschlagenen
Lösungen mit Hilfe von Experimenten überprüft und die dargelegten Ideen so bestätigt werden
können.
2. Stunde: im Museum
Verbindungen mit der Geschichte: Wie können die Schüler die Techniken herausfinden, die für
die Herstellung von Objekten eingesetzt wurden? Die dokumentarische Recherche ist ein
wichtiges Verfahren und bietet die Möglichkeit eines ersten Kontaktes mit dem Museum. Im
Museum können die Schüler Informationen über verschiedene Techniken suchen und
Anhaltspunkte für die Lösung des Problems finden: modellieren, schmieden, profilieren, formen,
zusammenbauen etc. (bei dieser Aktivität wird das Wachsausschmelzgussverfahren besonders
hervorgehoben).
3. Stunde: in der Klasse, 1 Stunde
Auswahl der Technik: Die nachfolgenden Aktivitäten konzentrieren sich auf Formarbeiten und
beginnen mit einigen Fragen:
‘Welche Eigenschaften muss ein Werkstoff haben, damit er als Form verwendet werden kann?’
‘Können wir eine Form herstellen?’
‘Welche Beschränkungen gibt hinsichtlich des Materials, der Form etc.?’
Die Schüler arbeiten an Formtechniken: der Prototyp, der zu formende bzw. zu pressende
Gegenstand (welches Material, mit welchen Werkzeugen?). Wachs- und Gipsgussverfahren. Der
Gedanke der Serienfertigung wird formuliert (die nicht-verlorene Form).
4. Stunde: in der Klasse, 1,5 Stunden
Workshop: Formherstellung
5. Stunde: in der Klasse, 1,5 Stunden
Simulation: Bronzeformarbeiten mit Wachs. Vorführen eines Videos über die Rekonstruktion
dieser Technik durch Archäologen. Entfernen des Gussteils aus der Form. Probleme und
Lösungen.
70
6. Stunde: im Museum, 1,5 Stunden
Synthese: Die Klasse geht wieder ins Museum und sucht weitere Antworten. Das Forschen im
Museum regt zu Vergleichen an: Arbeit im Unterricht und Ergebnisse – Vorgehensweise unserer
Vorfahren. Welche Ähnlichkeiten, welche Unterschiede gibt es?
Weitere vertiefende Arbeiten
Wiederverwendung, Bewertung: Andere Werke können gezeigt werden. Durch die Feststellung,
wie sie gemacht wurden, wird eine Wiederverwendung möglich (z. B. mit Dichtungen).
6.5.2 Beispielaktivität 2: Visueller Eindruck der Bewegung
Bei dieser Aktivität können zwei Prozesse verfolgt werden. Im ersten Fall kann die Arbeit mit
einem Besuch in einem Kinomuseum (oder einem anderen Museum) beginnen, wo die Schüler
eine Aufstellung von Objekten in Bewegung machen würden. Sie können verschiedene
Lösungen beobachten, ihre Arbeit mit Photos dokumentieren, oder vom Lehrer vorbereitete
Aktivitätsbögen verwenden, mit deren Hilfe sie sich auf bestimmte Aufgaben oder Ziele
konzentrieren können. Wieder in der Schule, würden sie im Unterricht die Museumsaktivitäten
reflektieren und sich auf die verschiedenen Funktionen konzentrieren, die sie bei den Objekten
entdeckt haben (Drehen, Verstecken, Zerlegen der Bewegung in Sequenzen). Die Lösungen
würden mit Hilfe verschiedener Materialien, Arbeiten an der Täuschung und Analyse der
Technik gefunden werden.
Im zweiten Fall kann die Arbeit in der Klasse beginnen; ein Beispiel für einen
technischen Gegenstand (vom Lehrer hergestellt oder mitgebracht) wird vorgestellt. Während
der Zweck des Gegenstandes erforscht und der Gegenstand in Aktion versetzt und analysiert
wird, tritt dessen Hauptzweck deutlich zu Tage: in Bewegung setzen oder die Illusion der
Bewegung vermitteln.
Mit einer Situation anzufangen, in der das Problem des Inbewegungsetzen-Prozesses
gelöst werden muss, ist der Ausgangspunkt für Aktivitäten, die zur Lösung und zum Begreifen
und Lernen der Lösung führen. In diesem Zusammenhang hat der Besuch des Museums einen
spezifischen, ergänzenden Zweck:


er bietet Quellen, die den Kindern wie oben beschrieben bei der Lösung des Problems
helfen;
er kann die Grundlage für die Bestätigung der Arbeiten der Kinder sein, indem eine
Reihe technischer Lösungen aus verschiedenen Epochen erforscht werden.
Die Schüler können in der Schule eine Ausstellung mit ihren eigenen Werken durchführen;
dabei besteht die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit dem Museum (durch Leihgaben oder
Teilnahme).
6.6 Weitere Themen
Die vorgeschlagenen Projekte können auch andere Themen (und Disziplinen) behandeln, z. B.:



Geschichte des Lichts
Entwicklung von Messinstrumenten und Normen (Zeit, Gewicht, Länge …)
Entwicklung von Dingen des täglichen Lebens: Werkzeuge, Küchengeräte etc.
71

Kleidung
6.7 Schlussfolgerungen: Vorschläge, Ideen und Ziele
Museen funktionieren, wie aus den vorstehenden Beispielen hervorgeht, als pädagogische
Unterstützung und können im Rahmen der Umsetzung des Lehrplans genutzt werden. Museen
können ein wichtiges Lehrmittel sein, das auch bei sonstigen pädagogischen Aktivitäten oder
Projekten, die z. B. Fakten oder Gedenkdaten betreffen, eingesetzt wird (Ecole de Nancy
anniversaire, Jean Prouvé, Victor Hugo, etc.).
Auf jeden Fall müssen Lehrprojekte eine Strategie für die Nutzung der Ressourcen
integrieren, die ein Museum in folgenden Kontexten bereithält:








Grundschulprogramme
empfohlene Prozesse
Situationen der Problemlösung
Mittel zur Berücksichtigung der Konzepte der Schüler finden
experimentelle oder produzierende Aktivität entwickeln
Suche nach den im Museum enthaltenen Lösungen
Prozess definieren, der für kleine Museen geeignet ist
den Bestand an regionalen Möglichkeiten feststellen.
Literaturhinweise
Baune, J.C. (1998) Philosophie des milieux techniques. Champ Vallon.
Deforge Y. (1985) Technologie et Génétique de l’objet industriel, Paris, Maloine.
Gille, B. (1978) Histoire des techniques. La Pléiade, Prolégomènes, pp 106-111.
Horaires et programmes d’enseignement de l’Ecole Primaire (2002) in Bulletin Officiel du
Ministère de l’Education Nationale, Hors-série n°1, auch auf der Website des
Ministeriums für Erziehung und Bildung verfügbar:
http://www.eduscol.education.fr/D0027/default.htm
Le Sueur, B. (1997) Épistémologie et didactique ;de l’histoire des techniques: l’exemple de la
navigation intérieure in Histoire des sciences and des techniques dir. Jean Rosmorduc,
CRDP de Bretagne, Seite 303-318.
Plan de rénovation de l’enseignement des sciences et de la technologie à l’école (2000) in
Bulletin Officiel du Ministère de l’Education Nationale, Nr. 23 vom 15/06/2000, Seite
1105-1111.
Der französische Lehrplan steht auf der Website des Ministeriums für Erziehung und Bildung
zur Verfügung:
http://www.eduscol.education.fr/D0027/default.htm
Die neue Fassung des Lehrplans finden Sie unter
http://eduscol.education.fr/D0048/r_prim.htm
72
7. KAPITEL
Die Aktivitäten im Museum van de Speelkaart im Kontext des flämischen Lehrplans für
Grundschulen
Jef Van Den Bosch
Katholieke Hogeschool Kempen, Belgien
und
Filip Cremers
Museum van de Speelkaart, Tournhout, Belgien
7.1 Einführung
Auf Grundlage des flämischen Lehrplans für Grundschulen und dessen Zielsetzung hinsichtlich
der Erziehung und Ausbildung sechs- bis zwölfjähriger Kinder schlagen wir fünf Aktivitäten
vor, die im Museum van de Speelkaart (Spielkartenmuseum) durchgeführt werden können. Diese
Aktivitäten können auch Ausgangspunkt/Anreiz für die Entwicklung der Arbeit von Lehrern
und/oder Museumspädagogen in jedem beliebigen Naturwissenschaftsmuseum sein. Das Kapitel
will eine Arbeitsmethodik vorschlagen und die Möglichkeiten erörtern, wie ein Museum
multidisziplinär verwendet werden kann.
7.2 Naturwissenschaften im flämischen Grundschullehrplan: ‘Orientierung in der Welt’
Die flämische Regierung arbeitet mit einer Aufstellung festgelegter Ziele (die Zuschüsse,
Zertifikate etc. für Schulen bestimmt), die am Ende der Grundschule erreicht sein müssen. Die
‘Orientierung in der Welt’ ist einer der Schwerpunkte dieser Ziele. Die Realität – die Welt –
wird in verschiedene Fachbereiche unterteilt: Existenz, Gesellschaft, Technik, Natur, Zeit,
Raum, Musik etc. Eine Einführung in die naturwissenschaftliche Ausbildung und Erziehung
findet sich vor allem in den Bereichen Geografie, Biologie und Technik. Die Arbeit der Schüler
im Rahmen der naturwissenschaftlichen Ausbildung soll Anreiz sein, um:
a. mit Materialien zu experimentieren, sie einzuteilen und Änderungen festzustellen;
b. physikalische Phänomene zu untersuchen und die eigenen Annahmen zu überprüfen;
c. vorhandene Kenntnisse über Materialien und über Bewegungsaufbau, -erhaltung und
-prinzipien anzuwenden, wenn sie eine Konstruktion oder Präparation durchführen;
d. selbst einen einfachen visuellen Plan auszuführen;
e. mit Hilfe vorhandener Kenntnisse und Fertigkeiten eine Konstruktion vorzubereiten,
aufzuzeichnen oder zu bauen;
f. die Vorteile der technischen Entwicklung schätzen;
g. zu prüfen und zu entscheiden, welche Objekte Anwendungen von Hebeln, Umlenkrollen,
Linsen, Zahnrädern, Lagern etc. sind;
h. zu entscheiden und darzulegen, welche Energiequellen für Produktion, Transport, zum
Herstellen elektrischer Verbindungen, zum Ingangsetzen von Systemen, für
Kommunikation verwendet werden;
i. zu erfahren und darzulegen, wie und mit welchen Materialien verschiedene Objekte
hergestellt sind;
j. eine gefundene Lösung zu bewerten;
k. genau und mit Hilfe aller Sinne zu beobachten;
73
l.
m.
n.
o.
p.
q.
Informationsquellen richtig zu verwenden;
eigene Methoden mit den Methoden anderer zu vergleichen und zu bewerten;
Informationen zu ordnen, zu analysieren und zu klassifizieren;
nach einem selbstgewählten Kriterium zu ordnen;
nach gemeinsamen Eigenschaften oder Merkmalen einzuteilen;
mit Hilfe von Worten, Zeichnungen, mathematischen Tabellen oder grafischen
Darstellungen über eine Beobachtung zu berichten, die sie bei einer Vorführung, einer
Führung, einem Experiment etc. gemacht haben.
7.3 Zweck und Ziel des Lehrplans
Neben den allgemeinen, von der flämischen Regierung festgelegten Zielen – die jede Schule
erfüllen muss – werden von den einzelnen Schulnetzwerken zusätzliche Lehrpläne entwickelt,
die häufig unterschiedliche Zielsetzungen haben. Hinsichtlich der naturwissenschaftlichen
Ausbildung haben unabhängige (katholische), kommunale und offizielle (staatliche) Schulen
ihre eigenen Zielsetzungen, die sich jedoch nicht wesentlich unterscheiden.
Die Schüler werden im Rahmen von Natur und Geografie in die naturwissenschaftlichen
Methoden eingeführt. Sie experimentieren mit Materialien aus ihrem Umfeld, erforschen
Naturphänomene, lernen Werkstoffe und physikalische Aspekte ihrer Umgebung kennen und
verstehen. Dies ist die Grundlage für die Untersuchung der physikalischen Eigenschaften, Farbe,
Lösungsfähigkeit, Druck, Brennbarkeit bestimmter Materialien, und der Fähigkeit, physikalische
Phänomene zu untersuchen und eigene Annahmen zu überprüfen.
Außerdem lernen die Schüler in Technik grundlegende technische Prinzipien kennen (wie
Festigkeit, Gleichgewicht etc.). Mit diesen Erkenntnissen können sie einfache technische
Vorgänge durchführen, z. B. Dinge in Bewegung setzen oder auseinander nehmen. Sie
untersuchen Konstruktionen, Objekte oder Produkte aus bestimmten (Roh)Stoffen und lernen die
Beziehung zwischen Energie und Produktion kennen; außerdem erfahren sie, wie mit Hilfe
bestimmter Geräte die menschlichen Fertigkeiten bzw. diese Geräte selbst auf Grundlage
naturwissenschaftlicher und technischer Prinzipien verbessert werden. In diesem Fall ist der
Prozess von besonderer Bedeutung: das Problem wird erfahren, die Lösung formuliert,
entwickelt und ausgeführt, das Produkt ausprobiert und bewertet.
7.4 Das Museum van de Speelkaart
Das Museum van de Speelkaart enthält eine umfangreiche Sammlung an Druckereipressen, die
die Entwicklung der Drucktechnik von der Erfindung des Drucks im 15. Jahrhundert bis ins
20. Jahrhundert zeigen. Darüber hinaus hat das Museum eine große Vielfalt an
Fertigbearbeitungsmaschinen aus der Druckindustrie und eine der weltweit größten Sammlungen
an Spielkarten.
Das Museum bietet viele Anreize zum Lernen durch Entdecken und für Arbeiten, die die
Schüler durchführen können, z. B. eine funktionsfähige Dampfmaschine in einem speziellen
Dampfhaus oder die Spielkartensammlung. Die Schule kann den Besuch im Museum mit
Aktivitäten im Workshop kombinieren oder das Auditorium besuchen, das alle Arten von
Multimediatools bereit hält.
Ausgebildete Museumspädagogen des Museums helfen den Schülern beim Besuch;
allerdings ist auch die Anwesenheit des Lehrers auf jeden Fall erforderlich. Die Lehrer haben
außerdem die Möglichkeit, an einem eintägigen Ausbildungskurs teilzunehmen, der vom
74
Museum in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Lehrerausbildung an der Hogeschool
Kempen konzipiert wurde. Jedem Lehrer, der sich für einen Schulbesuch anmelden will, wird
nahegelegt, an diesem Ausbildungskurs teilzunehmen, bei dem kreative Tools, die Nutzung des
Workshops, die Vor- und Nachbereitung des Museumsbesuches und die Integration der Inhalte
im Mittelpunkt stehen.
Neben den Museumspädagogen beschäftigt das Museum auch ein zuverlässiges Team
altgedienter Fabrikarbeiter, die Führungen anbieten und detaillierte Informationen über die
Ausstellungsstücke geben können. Durch die Anwesenheit dieser Spezialisten entsteht das
Gefühl, dass das 'Museum lebt', denn die meisten von ihnen haben in der Druckindustrie – dem
bedeutendsten Industriezweig der Stadt – gearbeitet. In manchen Bereichen wird der Besuch im
Museum durch diese Spezialisten besonders wertvoll. Sie sind nicht nur Techniker, sondern auch
Zeugen der Vergangenheit in einem Industriezweig, der rasanten Änderungen unterliegt.
Das Museum konzipiert in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Lehrerausbildung des
KHK-HGT Lehrmaterialien in einem 'Museumskarton', der an die Schulen verschickt wird und
auf diese Art das Museum in die Klasse bringen kann.
7.5 Aktivitäten im Museum van de Speelkaart
Die Besuche im Museum und die Aktivitäten sind ein anspruchsvoller Weg,
naturwissenschaftliches Lernen zu entwickeln. Die Schüler sollen nicht nur mit einem
praktischen Ansatz beschäftigt werden; es soll auch der Kopf 'angeschaltet' werden. Die
Begegnung mit den Ausstellungsstücken muss Bestandteil eines umfassenderen Lernprozesses
sein.
Die nachstehend vorgeschlagenen Aktivitäten sollten, obwohl sie sich speziell auf
technische und naturwissenschaftliche Inhalte konzentrieren, Bestandteil interdisziplinärer
Lehrprojekte in Grundschulen sein. Mit anderen Worten, auf Basis technisch und
naturwissenschaftlich ausgerichteter Themen können die Schüler auch Bereiche wie Geschichte,
Biologie, Geografie, Mathematik sowie alle möglichen kreativen Aktivitäten erarbeiten.
Andererseits sollten die folgenden Aktivitäten nicht nur auf die Durchführung im
Museum van de Speelkaart begrenzt sein.12 Die Lehrperson sollte die Anleitungen kreativ nutzen
und gegebenenfalls auf andere Museen übertragen.
7.5.1 Bewegung
Die Aktivität soll:
a. Verständnis fördern und hervorheben, dass all diese Ausstellungsstücke Anwendungen
von Hebeln, Umlenkrollen, Rädern, Zahnrädern und Lagern sind;
b. Beispiele anführen für die Anwendung von Hebeln, Umlenkrollen, Zahnrädern etc. in der
Umgebung des Kindes;
c. Hebel, Umlenkrollen, Zahnräder, ein Fahrrad etc. benutzen, um die Fertigkeiten der
Schüler zu fördern;
d. feststellen und darlegen, dass Holz, Kohle, Gas und Öl Brennstoffe sind, die in Energie
umgewandelt werden können;
e. Recherche mit Hilfe verschiedener Quellen und über unterschiedliche Themen anregen,
z. B. über Erfinder wie Leonardo, Gutenberg und James Watt.
12
Diese Aktivitäten werden mit einer Reihe von Grundschulklassen als Forschungsarbeit im Rahmen des
Europäischen Projektes in der ersten Projektphase durchgeführt (2002).
75
Zu verwendende Ausstellungsstücke: Druckerpresse und Dampfmaschine.
Anwendungen in der Umgebung des Kindes: Fahrrad, alle Arten von Transportmitteln, Mixer
etc.
Geschichte: Druckerpresse (15. Jahrhundert), Leonardo (15. und 16. Jahrhundert),
Dampfmaschine (16. Jahrhundert).
In der Werkstatt des Museums van de Speelkaart können die Schüler Maschinen sehen
und ausprobieren und ihre eigenen 'kreativen' Maschinen bauen, z. B. mit Hilfe alter Materialien.
Der Museums-Workshop bietet die Möglichkeit, mit vielen verschiedenen Materialien und
Einrichtungen zu arbeiten, die normalerweise in Schulen nicht verfügbar sind. Die Schüler
können auch die zum Verkauf angebotenen Bausätze (von verschiedenen Herstellern)
verwenden und versuchen, ihre eigene Maschine 'in Gang' zu setzen.
Die Nachbereitung und die Erstellung eines Berichtes können nach dem Museumsbesuch
im Unterricht stattfinden.
7.5.2 Druck
Die Aktivität soll:
a. inspirieren und veranschaulichen, dass technische Fähigkeiten und die Form des
menschlichen Körpers die Grundlage allgemein bekannter Geräte ist;
b. zeigen wie der Mensch seinen Körper als Gerät verbessert hat, indem er neue Maschinen
erfunden und verwendet hat;
c. darlegen, wie physikalische Phänomene aufgezeichnet und gemessen werden können;
d. den Schülern helfen, verschiedene Erfindungen zeitlich einordnen.
Ausstellungsstücke: verschiedene Pressen, wie beispielsweise eine alte Spindelpresse für
die Wein- und Papierherstellung und/oder eine Kniegelenk-Presse.
Anwendungen (Druck und Druckausübung): alle Arten von Druck, eine Waage,
Fingerabdrücke, der Abdruck eines Lippenstifts auf dem Gesicht, Stempeln (Prägen) etc. All
diese Anwendungen können im Museums-Workshop mit Hilfe des Materials im
Druckuntersuchungskarton erforscht werden. Zu einer interessanten Untersuchung führt der
Spiegel-Effekt beim Druckprozess.
Geschichte: an Hand von Darstellungen alter Pressen (Wein, Papier, Drucken etc.) kann
die zeitliche Einordnung diskutiert werden.
7.5.3 Farben
Die Aktivität soll die Schüler anregen:
a. einfache Experimente mit Licht und Farben durchzuführen, mit schrittweiser
Vorgehensweise: Frage formulieren, Annahmen treffen, Experimente mit einem
veränderlichen Faktor ausdenken und durchführen, Beobachtungen und Ermittlungen
darlegen, Ergebnisse interpretieren und Schlussfolgerungen ziehen;
b. Ausstellungsstücke anzusehen und dabei insbesondere auf die für Kunst- und
handwerkliche Gegenstände verwendeten Techniken und Materialien zu achten.
76
Ausstellungsstücke: Beispiele für Farb- und Schwarzweißdruck, Spielkarten, ein Film,
der Kartenspielertricks mit farbigen Karten zeigt etc.
Anwendungen: alle Arten von Farbdruck, Farbfernsehen und -film etc. Die Schüler
können im Museums-Workshop Experimente mit einem Overhead-Projektor, Farbfiltern,
Rastern, Dunkel und Hell (Braille-Farbdarstellung) ausführen; außerdem können sie das
Herstellen und Mischen von Farben experimentell ausprobieren.
Nachbereitung: nach dem Besuch können die Schüler ihre eigenen Spielkarten entwerfen
und nur mit Hilfe der Elementarfarben bemalen. Schöne Effekte werden erzielt, wenn
Keramikfliesen als Druckwerkzeug und verschiedene Pigmente verwendet werden.
7.5.4 Materialien
Die Aktivität soll:
a. inspirieren und Ansporn sein, die für ein Artefakt verwendeten Materialien zu
erforschen;
b. zeigen, dass sowohl Material als auch geeignete Verbindungen für die Festheit und
Verwendung einer Konstruktion wichtig sind;
c. den Unterschied zwischen natürlichen und künstlichen Materialien deutlich machen.
Ausstellungsstücke: verschiedene Kartensets, Pressen, Maschinen. Viele verschiedene
Materialien: Stahl, Eisen, Holz, Papier, Pappe, Stoff, Leder, Elfenbein, Rinde, Müll, Kunststoff,
Glas etc.
Anwendungen: Jedes Material hat seine eigenen Anwendungsgebiete, die sich je nach
Funktion, Festigkeit, Kosten und Aussehen unterscheiden und berücksichtigen, wie es mit
anderen Materialien verbunden werden kann: z. B. durch Kleben, Schrauben, Nageln etc. Im
Museums-Workshop können die Kinder mit den Techniken und Materialien experimentieren, die
sie in den Ausstellungsräumen gesehen haben. Die Schüler bewerten Materialeigenschaften und
geeignete Verbindungen.
Nachbereitung: Bau eines Ausstellungsstückes mit Hilfe von Karten, PVC-Flaschen,
Streichhölzern, Strohhalmen, Metall etc.
7.5.5 Beobachtung und Wahrnehmung: “Echt oder unecht”
Die Aktivität soll den Schülern helfen:
a. genau zu beobachten;
b. klare Fragen zu formulieren;
c. aus einer Folge von Hypothesen und deren Bestätigung Schlussfolgerungen zu ziehen;
d. zu erfahren, dass Realität und Wahrnehmung nicht das Gleiche sind;
e. zu erfahren und wiederzugeben, wie Künstler Probleme auf kreative und originelle Art
lösen.
Ausstellungsstücke: ein Film, der verschiedene Tricks mit Spielkarten zeigt. Spezielle
Karten für Zauberer etc.
Anwendungen: Menschen können Dinge beobachten, die nicht real sind. Unsere
'Wahrnehmung' beruht auf Tradition, Psychologie, Vorlieben, Intelligenz, Bewegung,
Ablenkung und sogar Geschlecht.
77
Nachbereitung: Verschiedene Kartentricks lernen. Einige basieren auf Ablenkung,
schnellen Bewegungen, Psychologie etc. Die Schüler können mit diesen Tricks eine Zaubershow
vorführen.
78
Quarta di copertina
Ein Ort zum Entdecken ist das erste Produkt des dreijährigen europäischen Kooperationsprojektes ‘School-museum
collaboration for the improvement of the teaching and learning of sciences [Zusammenarbeit zwischen Schulen und
Museen zur Förderung des Lehrens und Lernens naturwissenschaftlicher Inhalte] (SMEC)’, das Ende 2001 mit
Unterstützung des Sokrates/Comenius-Programms der Europäischen Union begann. Das Projekt ist eine
Zusammenarbeit von Museen und Bildungseinrichtungen aus sechs europäischen Ländern:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Museo Nazionale della Scienza e della Tecnologia ‘Leonardo da Vinci’, Koordinierungsstelle, IT
Deutsches Museum, DE
Institut Universitaire de Formation des Maîtres de Lorraine, FR
Istituto Regionale di Ricerca Educativa (IRRE) Lombardia, IT
Katholieke Hogeschool Kempen, BE
Nationaal Museum van de Speelkaart, BE
Magyar Természettudományi Múzeum (Naturhistorisches Museum) HU
Museo Nacional de Ciencias Naturales, ES
Der vorliegende Band stellt die Projektphilosophie und die pädagogische Methodik vor. Die einzelnen
Kapitel sind Reflektionen über die Nutzung von Museen für die naturwissenschaftliche (und interdisziplinäre)
Bildungs- und Erziehungsarbeit, die von Museen, Schulen und Ländern in verschiedenen Zusammenhängen
wirksam und kreativ genutzt werden können. Die in den Kapiteln enthaltenen Themen und Ansätze decken ein sehr
breites Spektrum ab und reichen von theoretischen Diskussionen bis hin zu Vorschlägen für praktische Aktivitäten,
die in der Schule bzw. im Museum durchgeführt werden können. Die Zielgruppen sind Grundschullehrer,
Beratungslehrer, Lehrerausbilder und Museumspädagogen. Es sollen nicht nur Mitglieder der Partnerinstitutionen,
sondern auch Fachleute aus Schulen, Erziehungs- und Ausbildungseinrichtungen und Museen in Partner- und
anderen europäischen Ländern angesprochen werden.
Weitere Informationen über das Projekt und die Partnerinstitutionen finden Sie auf der Website:
www.museoscienza.org/smec
Die Autoren
Etienne Bolmont und Francis Colson, Institut Universitaire de Formation des Maîtres de Lorraine, Frankreich
Jef van den Bosch, Katholieke Hogeschool Kempen, Belgien
Filip Cremers, Nationaal Museum van de Speelkaart, Belgien
Zita Felfoldi und Judith Holler, Magyar Természettudományi Múzeum (Naturhistorisches Museum), Ungarn
Pilar López García-Gallo, Dolores Ramírez Mittelbrunn und Soraya Peña de Camus Saez, Museo Nacional de
Ciencias Naturales, Spanien
Enrico Miotto, Museo Nazionale della Scienza e della Tecnologia ‘Leonardo da Vinci’, Italien
Salvatore Sutera, Museo della Scienza e della Tecnologia ‚Leonardo da Vinci’, Milano, Italien
Traudel Weber, Deutsches Museum, Deutschland
Maria Xanthoudaki, Museo della Scienza e della Tecnologia ‚Leonardo da Vinci’, Mailand, Italien
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