Bandscheibenprothese

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Bandscheibenprothesen – Entwicklungen und Trends
Vor allem an der Halswirbelsäule ersetzt die Bandscheibenprothese eine zunehmende Zahl an
Fusionen. Dies liegt vor allem an der viel häufigeren Indikation für eine Bandscheibenprothese
an der Halswirbelsäule im Vergleich zur Lendenwirbelsäule. An der Halswirbelsäule kann eine
Prothese auch erfolgreich in mehreren Segmenten angewandt werden. Auch entspricht der
Zugang zur Implantation einer Bandscheibenprothese an der Halswirbelsäule dem
Standardzugang, der auch zur Dekompression und Fusion verwendet wird.
An der Lendenwirbelsäule ist die Charité-III-Prothese zwischenzeitlich in den USA von der
FDA zugelassen worden, für die Prodisc L ist die IDE-Studie positiv abgeschlossen worden,
und mit einer end-gültigen FDA-Zulassung wird in den nächsten Monaten gerechnet. Einige
neue Prothesenmodelle sind auf den Markt gekommen. Neuere Entwicklungen erlau-ben ein
Einsetzen von schräg seitlich.
Die Bandscheibenprothese an der Halswirbelsäule
Während an der Lendenwirbelsäule die Indikation für eine Bandscheibenprothese auf
Kreuzschmerzen durch Bandscheibendegeneration beschränkt ist, besteht an der
Halswirbelsäule ein sehr viel weiteres Indikationsspektrum. Beim Bandscheibenvorfall mit
Zervikobrachialgie oder auch neurologischen Ausfällen wird in den meisten Fällen die
Bandscheibe von ventral ausgeräumt und der Sequester entfernt. Klassisch wurde dann als
Bandscheibenersatz entweder ein Beckenknochen, ein Cage oder auch ein Pallacosblock
verwendet. Letztlich führte dies zu einer Fusion.
Heute ist es möglich, statt einem rigiden Implantat eine bewegliche Bandscheibenprothese zu
implantieren und so die segmentale Beweglichkeit zu erhalten. Eine Indikation für eine
Halswirbelsäulen-Bandscheibenprothese stellen daher sowohl ein Bandscheibenvorfall oder
eine Spondylose mit radikulärer Symptomatik als auch der rein axiale Schmerz durch
Bandscheibendegeneration dar. Bei einer ausgeprägteren spinalen Stenose mit Myelopathie ist
hingegen die Bandscheibenprothese weniger geeignet, da hier eher großzügig dekomprimiert
werden muss und eine segmentale Ruhigstellung vorteilhafter erscheint. Insofern sind eine
deutliche Myelopathie sowie kyphotische Fehlstellungen für die Bandscheibenprothese nicht
geeignet, und hier ist nach wie vor die Fusion die bessere Wahl.
Die Dekompression und Fusion an der Halswirbelsäule ist natürlich ein seit 50 Jahren
bewährtes Verfahren (Smith und Robinson 1955, Cloward 1958). Sowohl die klinischen
Ergebnisse als auch die Fusionsraten sind an der Halswirbelsäule mit der Fusion gut, sodass
zu Recht gefragt werden kann, welchen Vorteil die Bandscheibenprothese bringen soll. Die
Antwort hierauf liegt neben der besseren Mobilität insbesondere bei Mehretagen-operationen
vor allem in dem Problem der Anschlussdegeneration. Nach einer Fusion an der
Halswirbelsäule beträgt die Inzidenz einer schmerzhaften Bandscheibendegeneration im
Nachbarsegment bei 2,9% pro Jahr. Dies entspricht etwa einer kumulativen Rate von 25%
über einen 10-Jahres-Verlauf (Hilibrand 1999). Die relativ hohe Inzidenz an
Anschlussdegenerationen ist in ihrer Ursache noch nicht vollständig geklärt. Vermutlich
spielen sowohl der natürliche Verlauf der Bandscheibendegeneration als auch die benachbarte
Fusion eine Rolle. Biomechanische Studien weisen auf jeden Fall sowohl eine veränderte
Beweglichkeit im Nachbarsegment als auch eine Druck-erhöhung im Nachbarsegment um
ungefähr 50% nach (Eck 2002). Es war daher die Erhaltung der segmentalen Beweglichkeit
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schon ein längerer Wunsch.
In den späten 80er Jahren hat Brian Cummins in England die so genannte Bristol-CumminsProthese im Frenchay Hospital in Bristol (UK) entwickelt. 1991 wurde die erste BristolCummins-Prothese bei 20 Patienten implantiert. Diese Prothese wurde dann 1998 und im Jahr
2000 weiterentwickelt, zunächst zur Prestige-I- und dann zur Prestige-II-Prothese. Im Jahr
2000 wurde dann die erste Bryan-Prothese, bestehend aus Titan und Poly-urethan, von Jan
Goffin in Belgien implantiert. Im Jahr 2002 kam die PCM (Porous Coated Motion) auf den
Markt. Die ProDisc C folgte dann im Jahr 2003.
Die Implantation einer Bandscheibenprothese erfolgt von ventral nach Ausräumung der
Bandscheibe und Dekompression des Spinalkanals. Die Bandscheibenprothesen haben eine
ausreichende Primärstabilität, sodass ohne Schanzkrawatte nachbehandelt werden kann. Eine
gewisse Schonung in den ersten sechs postoperativen Wochen ist anzuraten, danach ist wieder
eine normale Belastung möglich. Zwischenzeitlich haben viele Studien gezeigt, dass eine
Beweglichkeit in der Extensions- und Flexionsrichtung von 6–12° und eine Beweglichkeit
beim Lateralbending von ±5° mit verschiedenen Prothesentypen erreicht werden kann
(Porchet 2004, Mehren 2005, Delemater 2005, Shim 2005). Leider kann die Beweglichkeit
aber nicht in allen Fällen erhalten werden. Bei manchen Patienten kommt es zu heterotopen
Ossifikationen mit Ausziehungen an den Wirbelvorderkanten bis hin zur kompletten
Überbrückung der Bandscheibenprothese und somit letztlich zur ungewollten Fusion. Nach
einem Jahr liegt die berichtete Fusionsrate aufgrund heterotoper Ossifikationen zwischen 0
und 13°. Heterotope Ossifikationen sind bei allen Bandscheibenprothesentypen beschrieben
worden. Bezüglich der Beseitigung von Nacken- und Armschmerzen zeigen prospektiv
randomisierte Studien mit Bandscheibenprothese versus Fusion zumindest gleich gute
Ergebnisse wie bei der Fusion (Delemater 2005) oder bessere Ergebnisse als mit der Fusion
(Sasso 2005).
An der Halswirbelsäule besteht derzeit ein zunehmender Trend von der Fusion zur
Bandscheibenprothese, wobei selbstverständlich die Fusion dennoch eine gute und bewährte
Methode bleibt. Ob die Bandscheibenprothesen das Problem der Anschlussdegeneration
tatsächlich langfristig verhindern können, kann heute noch nicht gesagt werden. Hier bleiben
Langzeitstudien abzuwarten.
Die Bandscheibenprothese an der Lendenwirbelsäule
An der Lendenwirbelsäule besteht eine gute Indikation für eine Bandscheibenprothese bei der
schmerzhaften Bandscheibendegeneration in einer oder zwei Höhen bei intakten
Facettengelenken. Eine mögliche Indikation besteht bei schmerzhafter
Bandscheibendegeneration in drei oder mehr Höhen, einer leichten Facettendegeneration
sowie einer leichten Instabilität (Postdiskektomiesyndrom). Kontraindikationen stellen eine
spinale Stenose, eine Spondylarthrose sowie eine Instabilität oder eine Spondylolyse dar.
Ebenso ist eine Osteoporose eine Kontraindikation.
Die Implantation der Bandscheibenprothese erfolgt über einen vorderen Zugang. In der Regel
wird ein horizontaler kurzer Schnitt am Unterbauch angelegt und die Wirbelsäule dann
retroperitoneal erreicht. Die Implantation einer Bandscheibenprothese erfordert einen
stationären Aufenthalt von etwa fünf bis sieben Tagen und eine Schonung für etwa sechs
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Wochen. Das Tragen eines Mieders oder dergleichen ist nicht notwendig. Mehrere Studien
haben gezeigt, dass die Beweglichkeit postoperativ zumindest erhalten oder aber verbessert
werden kann. Die durchschnittliche Beweglichkeit nach Implantation der ProDisc L beträgt
im Segment L5/S1 etwa 8°, im Segment L4/5 etwa 10°, im Segment L3/4 ebenfalls 10° und
im Segment L2/3 12° (Tropiano 2003, Bertagnoli 2002). Radiostereometrische Vermessungen
bei Patienten, denen intraoperativ Metallkugeln in die benachbarten Wirbelkörper implantiert
wurden, zeigen eine signifikante Zunahme der Beweglichkeit nach Implantation einer
Bandscheibenprothese zwischen dem ersten und dem sechsten Monat nach Implantation
(Ordway 2005). Die zu erwartende postoperative Mobilität hängt dabei auch mit der
notwendigen Distraktion zusammen. Je schmaler der Bandscheibenraum präoperativ war und
je mehr Distraktion zur Implantation der Prothese notwendig war, desto geringer ist die
postoperativ zu erwartende Beweglichkeit (Prahdhan 2005). Die Ergebnisse zweier USZentren aus der prospektiv randomisierten Studie ProDisc L versus Fusion (FDA-Studie)
zeigten bei 127 Patienten mit Prodisc versus 53 Patienten mit Fusion vergleichbare Werte
bezüglich des Oswestry-Index und der VAS in beiden Gruppen. Die Patientenzufriedenheit
war allerdings mit 87% in der Prodisc-Gruppe signifikant höher als in der Fusionsgruppe
(62%) (Zigler 2005). Nach der Charité-Prothese hat jetzt auch die ProDisc-L-Prothese im
Jänner 2006 ein FDA-Approval für die Studienresultate an insgesamt 292 Patienten an 17
Spitälern in den USA erhalten. Die vorläufige FDA-Zulassung setzt allerdings noch eine
Fertigkeitsprüfung der Prothese selbst voraus, sodass die endgültige Zulassung erst in den
kommenden Monaten erwartet wird. Auch andere neuere Bandscheibenprothesen wie die
Maverick, eine Metall-Metall-Prothese mit nach dorsal verlagertem Rotationszentrum, oder
die FlexiCore durchlaufen derzeit randomisierte Studien zur Erlangung der FDA-Zulassung in
den USA.
Neue Trends und Entwicklungen versuchen derzeit, den geraden Zugang von vorne zu
vermeiden und einen mehr seitlichen Zugang zu ermöglichen. Hierdurch wird der Zugang
etwas erleichtert, und es wird weniger Präparation an den Gefäßen notwendig sein.
Andererseits ist die Platzierung der Prothese auf diese Art schwieriger, sodass heute noch
nicht abzusehen ist, ob sich die schräge Implantation durchsetzen wird.
Autor:
M. Ogon, J. Meissner, A. Chavanne, A. Tuschel
Korrespondenzadresse: Prim. Doz. Dr. Michael Ogon, III. Orthopädische Abteilung,
Schwerpunkt Wirbelsäule, Orthopädisches Spital Speising, Speisinger Straße 109, 1134 Wien
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Literatur beim Verfasser
or020612
Der zervikale Bandscheibenersatz mit der ProDisc C
Der zervikale Bandscheibenersatz hat sich in den letzten Jahren zunehmend etabliert und
stellt mittlerweile in der operativen Behandlung der symptomatischen zervikalen
Bandscheibendegeneration eine Alternative zur ventralen Fusion an der subaxialen
Halswirbelsäule dar. Dabei kommen derzeit mehrere Implantat-Typen zur Anwendung. Eigene
Erfahrungen mit der ProDisc C werden dargestellt.
Die anteriore zervikale Dekompression und Fusion (ACDF) galt in den letzten 50 Jahren und
gilt auch heute noch als so genannter Goldstandard in der operativen Therapie der
degenerativen Halswirbelsäulenerkrankungen. Die Resultate der ACDF sind exzellent, gute
bis sehr gute klinische Ergebnisse in 80 bis 90% der Fälle wurden bereits mehrfach und in
großen Serien publiziert. Damit ist dieses Operationsverfahren die erfolgreichste Prozedur,
die ein Wirbelsäulenchirurg seinem Patienten anbieten kann.
Warum soll man also alternative Methoden wie den zervikalen Bandscheibenersatz in
Betracht ziehen? Der Ansatz dieser Überlegungen liegt in der Tatsache, dass Spondylodesen
grundsätzlich einen Einfluss auf die benachbarten Bewegungs-segmente haben. Seit den
publizierten Studien von Hillibrand (1999) und Goffin (1999) gibt es Hinweise auf eine
progrediente Degeneration der Anschlusssegmente nach ventralen Spondylodesen an der
Halswirbelsäule. Der zervikale Bandscheibenersatz kann – so weit die Theorie – im
Gegensatz zur Fusion die segmentale Beweglichkeit erhalten und dadurch die vermehrte
mechanische Belastung und Degeneration der Anschlusssegmente vermeiden.
Weitere Vorteile des Bandscheibenersatzes liegen in der fehlenden Notwendigkeit der
postoperativen Immobilisation (Orthese) und damit auch in der schnelleren Reintegration der
Patienten in das Alltags- und Berufsleben.
Die Indikationen sind für die ProDisc C (Abb. 1) in Tabelle 1 zusammengefasst und gleichen
denen der zervikalen Fusion mit Ausnahme der zervikalen Myelopathie, die in unserer Studie
als Ausschlusskriterium für die Prothese galt. Weitere Ausschlusskriterien für die
Implantation der Prothese sind neben der Osteoporose: rheumatoide Arthritis, Infektionen,
Tumoren, Trauma, symptomatische Facettengelenksarthrose, sys-temische Grund-erkrankungen und Schwangerschaft.
Die präoperative Diag-nostik beinhaltet die klinisch-neurologische Untersuchung,
Röntgenaufnahmen der HWS in zwei Ebenen inklusive Funktionsaufnahmen und eine
Kernspintomographie in T1- und T2-Wichtung sagittal und T2-axial. Die
Computertomographie kann hier eine sinnvolle Ergänzung darstellen, insbesondere wenn es
um die Differenzierung von knöcher-nen versus diskogenen foraminalen Stenosen geht.
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Operationstechnik
Die Patienten werden in Rückenlage auf dem Operationstisch positioniert und der Kopf in
leichter Reklination gelagert. Nach Darstellung des betroffenen Bandscheibensegmentes im
seitlichen Strahlengang erfolgt die Zugangsplanung. Eine transversale Hautinzision ist
kosmetisch von Vorteil und kann nicht nur bei monosegmentalen Operationen, sondern bei
schlanken Patienten auch für Zugänge bis zu drei Segmenten angewendet werden. Die
Hautinzision sollte dabei die Mittellinie um ca. 1 cm überschreiten, um die zentrale
Implantation der Prothese zu gewährleisten. Danach werden Platysma und oberflächliche
Halsfaszie durchtrennt. Am medialen Rand des M. sternocleidomastoideus erfolgt die meist
stumpfe Präparation in die Tiefe. Hier wird zunächst das Bandscheibensegment aufgesucht
und unter Röntgenkon-tr-olle im seitlichen Strahlengang markiert. Danach Ablösen und
Lateralisieren des M. longus colli sowie Einsetzen des Retraktors. Die Wirbelkörperschrauben
werden unter Röntgenkontrolle parallel zum Bandscheibenfach gesetzt und sollten möglichst
die Kortikalis der Wirbelkörperhinterkante erreichen. Die Distraktion des Segmentes erfolgt
über die Wirbelkörperschrauben mit einem speziell für die ProDisc-Implantation entwickelten
Distraktor. Die Diskektomie und die Dekompression der neuralen Strukturen werden
grundsätzlich unter mikroskopischer Sicht durchgeführt. Nur unter mikroskopischer Sicht
können eine sichere Dekompression und Schonung der neuralen Strukturen gewährleistet
werden. Im Anschluss startet die Prozedur für die Implantation der Bandscheibenprothese.
Das ausgeräumte Bandscheibensegment wird parallel distrahiert für die Implantation einer
Probeprothese in der adäquaten Größe (Abb. 2). Die Probeprothese ist mit einem justierbaren
Stopp an der Vorderkante versehen, um eine Migration in den Spinalkanal zu vermeiden.
Über die liegende Probeprothese erfolgt danach die Präparation der benachbarten
Wirbelkörper mit dem Meißel. Dieser Schritt wird unter ständiger Röntgenkontrolle
durchgeführt (Abb. 3). Im Anschluss wird die ausgewählte und in der Applikationszange
fixierte Prothese unter Röntgenkontrolle in den Zwischenwirbelraum implantiert. Ein
Softdrain kann abschließend prävertebral platziert werden, der Wundverschluss erfolgt mit
resorbierbarer Naht.
Postoperative Behandlung
Nach der Operation verbleibt der Patient für zwei bis vier Stunden im Aufwachraum. Die
Mobilisation beginnt in der Regel noch am Operationstag. Die Anlage einer zervikalen
Orthese ist in den meisten Fällen nicht erforderlich, lediglich bei Patienten mit lokalen
Nackenbeschwerden kann für die ersten Tage postoperativ eine weiche Orthese verordnet
werden. Die Reintegration in das Berufsleben erfolgt je nach Beruf zwei bis sechs Wochen
postoperativ. Klinische und radiologische Kontrollen werden in unserer Klinik nach sechs
Wochen, drei, sechs, zwölf und 24 Monaten durchgeführt.
Eigene Daten
Seit Oktober 2003 haben wir im Rahmen einer europäischen Multicenterstudie an 60
Patienten die mono- und multisegmentale Implantation der ProDisc C im Bereich der
subaxialen HWS C3–C7 durchgeführt. Das Patientengut bestand aus 29 Frauen und 31
Männern, das Durchschnittsalter betrug 42 Jahre (29–67). Bei allen Patienten führte die
symptomatische, therapieresistente Bandscheibendegeneration mit oder ohne Radikulopathie
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zur Operation. In fünf Fällen handelte es sich um eine Anschlussdegeneration nach bereits
stattgehabter Fusionsoperation.
Im Rahmen der klinischen Untersuchungen postoperativ werden die Patienten nach der VAS
und des NDI (Neck- Disability-Index) bewertet. Bisher konnten 48 Patienten mit einem
Minimum-Follow-up von drei Monaten nachuntersucht werden (3–27 Monate). Dabei zeigten
sich eine durchschnittliche Reduktion des Nackenschmerzes von 6 auf 2 nach VAS sowie eine
durchschnittliche Reduktion der Brachialgie von 7 auf 1 nach VAS. Der NDI konnte im
Durchschnitt von 50 Prozent präoperativ auf fünf Prozent postoperativ gesenkt werden.
Die radiologischen Kontrollen mit Standardaufnahmen der HWS in zwei Ebenen inklusive
Funktionsaufnahmen (Reklination/Inklination) zeigten bei den meisten Patienten (>85%) eine
erhaltene segmentale Beweglichkeit. In zwei Fällen zeigte sich eine Sinterung der Prothese in
den Wirbelkörper. Ossifikationen mit ventraler knöcherner Überbrückung des
Zwischenwirbelraumes konnten wir bisher in zwei Fällen beobachten.
Diskussion
Der zervikale Bandscheibenersatz erscheint derzeit als sinnvolle Ergänzung bei der operativen
Therapie der symptomatischen Bandscheibendegeneration der Halswirbelsäule. Die zum
jetzigen Zeitpunkt vorliegenden klinischen Ergebnisse sind vergleichbar mit den Resultaten
nach ventralen zervikalen Fusionsoperationen. Vorteile der Prothese liegen in der Erhaltung
der segmentalen Beweglichkeit und in dem Verzicht auf eine postoperative Ruhigstellung
(Orthese). Nachteile der Prothese sind einerseits die noch sehr hohen Kosten (ca. 2.000 Euro)
und andererseits die Tatsache, dass die ProDisc C für postoperative MRT-Untersuchungen
nicht zugelassen ist. Die Frage, ob der zervikale Bandscheibenersatz tatsächlich die
Degeneration der Anschlusssegmente aufhalten bzw. positiv beeinflussen kann, ist zum
jetzigen Zeitpunkt noch nicht zu beantworten. Darüber sollten uns die folgenden Studien in
den nächsten Jahren Aufschluss bringen.
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Autor:
Dr. Frank Grochulla, Orthopädische Klinik Orthozentrum München (Chefarzt Prof. Dr. H.M.
Mayer), Harlachinger Straße 51, 81547 München
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Erste Ergebnisse mit dem Prestige-C-Diskusersatz
Den Goldstandard bei der chirurgischen Behandlung des zervikalen Diskusprolapses stellt
nach wie vor die Versteifung eines Bewegungssegmentes nach vorheriger
Bandscheibenextraktion dar. Die Implantation einer Prestige-Prothese bietet im Gegensatz
zur Verblockung zweier Wirbelkörper den Vorteil einer dauerhaften Beweglichkeit des
operierten Segmentes.
Die Standardtherapie zervikaler Bandscheibenvorfälle stellt seit den 50er Jahren die
Operation nach Cloward und Smith/Robinson dar. Mit dieser heute mikrochirurgisch
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durchgeführten Operation gelingt es, durch Entfernung der Bandscheibe und Sequester sowie
Osteophyten die typische Symptomatik eines zervikalen Bandscheibenvorfalls wie
Zervikobrachialgien, Paresen und Gangstörungen zu beseitigen, jedoch gibt es die
Problematik, dass benachbarte Segmente nach einiger Zeit, wie im Folgenden beschrieben,
ungünstig beeinflusst werden können.
Pathologie
Durch den üblichen neurochirurgischen Eingriff wird das entsprechende Bewegungssegment
verblockt und daher bewegungsunfähig. Diese fehlende Bewegung wird, um die
Gesamtbeweglichkeit der HWS gewährleisten zu können, von den benachbarten Segmenten
kompensiert. Der Bewegungsumfang dieser Nachbarsegmente nimmt dadurch teilweise
signifikant zu. In der Folge kommt es zur Erhöhung des intradiskalen Drucks und somit zu
einer deutlich erhöhten Belastung der Bandscheiben, welche die Auf-gaben des verblockten
Segmentes übernehmen. Diese Folgewirkungen können zu einer schnelleren Degeneration der
Bandscheiben führen und unter Umständen einen erneuten Diskusprolaps, diesmal in einer
benachbarten Etage, bewirken.Dies ist in bis zu 25 Prozent der operierten Fälle zehn Jahre
nach einer Versteifungsoperation in der Halswirbelsäule nachgewiesen worden.
Geschichte
Brian Cummins nahm sich dieser Problematik an und entwickelte Ende der 80er den Prototyp
der Prestige-Prothese. Nach mehreren Verbesserungen und Überarbeitungen steht die
derzeitige Entwicklung in der 5. Generation. Die bisher durchgeführten Studien zeigten gute
Ergebnisse, sie liegen jedoch bislang nur von älteren Generationen der Prestige-Prothese vor.
Die heute zur Verfügung stehende Prothese (siehe Abb. 1) trägt den Namen Prestige Prothese
LP® cervical Disc und wird seit September 2004 an der Universitätsklinik für Neurochirurgie
in Graz implantiert.
Indikationen
Die Indikationen zur Implantation einer Prestige-Prothese sind folgende:
therapieresistente Radikulopathie mit oder ohne Sensibilitätsstörungen in 1–2 Segmenten bei
intakten Facettengelenken. Dringliche Indikationen für eine Operation stellen Paresen und
Gangstörungen dar, ebenso wie Symptome einer zervikalen Myelopathie, gesteigerte Reflexe,
pos. Babinski oder unerschöpfliche Cloni. Neurogene Blasen-Mastdarm-Störungen bedürfen
höchstdringlich einer Operation, stellen jedoch ebenfalls keine Kontraindikation für den
Einsatz einer beweglichen Prothese dar.
In jedem Fall ist der Nachweis einer pathologischen Veränderung (Diskusprolaps, Sequester,
Osteophyten) in entsprechender Bildgebung mittels eines MRT der HWS zu erbringen.
Weiters ist die Durchführung eines HWS-Röntgens mit Funktion zum Vergleich der HWSBeweglichkeit prä- und postoperativ notwendig.
Operation
Der operative Zugang zur Implantation einer Prestige-Prothese entspricht dem von Cloward
beschriebenen Verlauf. Nach Freilegung der HWS wird die Bandscheibe mitsamt dem
Diskusprolaps, dem Längsband und den Osteophyten entfernt, sodass es zu einer
Druckentlastung des Myelons und der Nervenwurzeln kommt. Danach wird die Implantation
der Prothese vorbereitet und die Prestige-Prothese korrekt positioniert.
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Studie
Innerhalb eines Jahres wurden an der neurochirurgischen Klinik in Graz 19 Patienten (11
Frauen, 8 Männer) einer Operation mit Implantation einer Prestige-Prothese LP® cervical
Disc unterzogen und dabei 22 Implantate eingebaut. Das Alter lag zwischen 31 und 75 Jahren
(MW 49,2a). Die Implantation ist in den Höhen C3/4–C7/Th1 möglich, wurde an unserer
Klinik jedoch nur in den Höhen C3/4–C6/7 durchgeführt. Die postoperative Verweildauer lag
bei MW = 5,05 Tagen.
Die Ergebnisse in der angeführten Tabelle vergleichen die prä- und postoperative
Symptomatik sowie den Schmerzmittelgebrauch vor und nach der Operation. Die bei allen
Patienten vorhandenen präoperativen Radikulopathien waren postoperativ bei mehr als 80%
der Patienten gebessert. Dabei konnte die Schmerzmedikation in 50% der Fälle abgesetzt
werden. Die übrigen Patienten konnten mit reduzierter Analgetikatherapie entlassen werden, 6
Wochen postoperativ benötigten nur noch weniger als 10% der Patienten Schmerzmittel. Die
Besserung der Paresen war nach Chi-Quadrat-Test hoch signifikant, die Patienten mit
bestehenden Restparesen bei Entlassung besserten sich durch konsequente Physiotherapie.
Die Ergebnisse der vorhandenen Sensibilitätsstörungen waren ähnlich gut, wobei sich
insbesondere die Parästhesien rasch, die Hypästhesien eher etwas verzögert besserten.
Gangstörungen besserten sich in allen Fällen sehr rasch, weitere Zeichen zervikaler
Myelopathie im Sinne von gesteigerten Reflexen, Reflexzonenausbreitung, positiver Babinski
etc. besserten sich verzögert.
In den postoperativen HWS-Röntgen mit Funktion nach 6 Wochen zeigte sich in allen Fällen
eine gute Funktion der Prestige-Prothese (siehe Abb. 2).
Komplikationen
Folgende Komplikationen, die auch bei Operationen nach Cloward in der Literatur mehrfach
beschrieben werden, traten in unserer Studie auf: In 10% der Fälle war eine temporäre
Heiserkeit durch typische Druckschädigung des Nervus recurrens – bei Verdrängung des
Ösophagus und der Trachea zur Präparation in die Tiefe – feststellbar. Diese Symptomatik
konnte jedoch durch logopädische Betreuung bei allen Patienten mit Heiserkeit gebessert
werden. Bei einem Patienten in der vorliegenden Studie entstand ein Duraleck ohne
postoperative Komplikation oder Symptomatik. Eine Prothese musste wieder ausgebaut und
durch eine Fusion mit einem Cage ersetzt werden. Grund war eine zu groß gewählte Prothese,
die in den Spinalkanal ragte und zu einer Kompression des Myelons führte.
Ausblick
Im Vergleich zur Standardoperation nach Cloward besteht bei Implantation einer PrestigeProthese kein erhöhtes Risiko für intra- oder postoperative Komplikationen. Die Besserung
der Symptomatik nach Implantation einer Prestige-Prothese ist mit den postoperativen
Ergebnissen bei einer Versteifungsoperation nach Cloward vergleichbar, jedoch bietet der
Einbau der Prestige-Prothese vor allem für jüngere Patienten den Vorteil, dass die
Beweglichkeit des operierten Segmentes erhalten bleibt und Nachbarsegmente nicht
überbelastet werden. Es bleibt zu hoffen, dass die Prestige-Prothese durch ihre bestehende
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Beweglichkeit die Rezidivrate von bis zu 25% in 10 Jahren postoperativ deutlich senkt. Die
bisherigen Ergebnisse lassen darauf schließen, dass junge Patienten mit intakten
Facettengelenken am besten mit beweglichen Implantaten versorgt werden sollten.
Autor:
E. M. Holl, S. Grossauer, W. Kreil, M. Krottmaier, B. Sutter
Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Bernhard Sutter, Auenbruggerplatz 29, 8036 Graz
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