VON DER EINEN HAND - I - Roman von U.M.Wippich ## "... seid still

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VON DER EINEN HAND - I Roman von U.M.Wippich
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"... seid still ihr, weil nun alles weint ?"
"Ach Unsinn - wir, wir sind nur still,
weil es die Zeit ist und weil's kühl,
doch dicht an dicht
die Leben sich hier verborgen weben.
Du siehst doch, wie wir sind !"
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Da fällt man VON DER EINEN HAND
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nur in die andre, und man stand –
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noch liegt darin auch im Moment ein Schreck,
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doch mal auch Trost :
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man wollte grade weg.
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Ganz ohne Not
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kommt auch mal vor :
man springt
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und das gelingt...
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So ist es halt beschaffen und es geht,
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solange seine Möglichkeit besteht,
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so zwischen andern ihren Sachen
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sich eine Lebens-Wohnung aufzumachen.
(HerbstLahn - U.M. Wippich)
Prolog -------------------------------------
Das schöne Fräulein Narwarinne schaut und schaut - sie kommt von weiter-her: Liiv Land - so lieb wie sandig. Ihr Geleit ist:
ein Kaufherr der Hanse mit kostbarstem Pelz-Hut aus Marder - ein Pope - ein Karthäuser-Abt - und ein kleiner
Jacobiter-Bursche, der eifrig über ihre Schulter späht - der wohl noch nicht die große Welt gesehen hatte - und die ist hier.

Ihre Stadt hinter ihr ist nicht groß, liegt anscheinend am Meer auf dem Horn, einem Skopus, geschützt – diese Klippe
erinnert an jene von Pangö, wo es von der Insel Öösel so nah zum Land der Rootsi, Bistum Lund, ist, daß man hinschauen
kann - aber da steht weder noch stand da ein Ort oder eine solche Burg. –

Der Weg, steil hinauf – oder ein Bach, steil hinab? – jedenfalls es schlängelt sich dort ocker - zuunterst durch Weiden mit
Zäunen, dann folgt Allmende mit verstreutem Gebüsch, zuoberst dann Wald um die Burg - ein recht finsterer Wald - und es
scheint – tja, man weiß nicht genau - dort einen großen Lint-Wurm zu geben, ganz hinten im Wald, da sperrt jedenfalls
irgend etwas den Rachen weit auf. –

Da ungefähr kommen sie her. - Es scheint nicht so einfach zu sein, da hinauf, denn dieser Weg ist ganz leer und diese
Mauern sind mächtig - so wie die Burg-Städte in Miniaturen von einst, welche man malt oder beschreibt, bis ein Reicher sie
ganz genau baut. 
Nur so wie Narva sieht es auch wieder nicht aus. Sie enthält etwa vierzig Zimmer in acht festen Gebäuden Balkon-Galerien zum Hof, bunte Dächer, blaue und rote von Ziegeln, feuer-gesichert, man ist reich dort, war heiter. –

Narwa, von dort allerdings käme gelegentlich eine Narwarinne hierher, denn unser Mann im Liiv-Land ist ein Kaufmann
und Ratsherr da. 
Allerdings kann dahinter genau-so-gut noch seine große Stadt noch liegen und dies ist nur ihre südlich notwendige
Vor-Burg, Hüter der Küste zum Peipsi-See hin – mit dem Burg-Wart, der winkt, wenn man fortgeht, und dem Bell-Fried der
grüßt, wenn man heimkehrt – und natürlich hat's oben-auf Wimpel - ganz fein - und zwei Maien, sie winken und grüßen von
Frieden – und ein riesiger Frei-Baum am Weg weist zum Tor. 
Unter dieser Burg auf der Klippe gegenüber im Flachland liegt ähnlich später Iwan-Gorod, Sünt Johanns-Burg, eine an
Kirchen und Mauern als größer erkennbare Stadt im Dunst des goldnen Horizontes, dorthin zu fahren müßte weiter, aber
viel einfacher sein. –
=***=
"Die Miss-Lü'e - de Misse-Lü'e!!! - sie kommen - sie sind schon vom Berg!" - hört man die lütken Krotten schreien. Aber noch hat
man Zeit an der Welle, denn die schreien laut und recht frühzeitig, um einander erstmal selber zusammenzuholen und sich das
anzuschauen. Das Jahr 1427 war bisher schon recht angenehm für die Armen verlaufen, denn der Bischofs-Wechsel war vollbracht und wie in
Friedens-Zeiten konnten wieder alle ihre Feste begehen und der Arme bekam dann sein Recht über das mittlere Maß hinaus.

Auch die Sünt-Georg Ritter-Wih-Nacht 23.April der Ritter ist schon ein Freuden-Tag vieler Familien.

Der Sünt Gregorius-Tag der Scholaren und Jugend am 12.Hornung war vorbei - mit vielerlei ABC-Schützen Segnung andre hatten's im Herbst - und Sünt Gertruden-Saatgut-Miss in Horstmar 17.Hornung gefolgt von Sünt Josefs-Tag - und
Sünt Benedict-macht-Wortelen-dick eröffnet das "Saihen".
Dann folgten die Passions-und Oster-Tage, wo die Sünder des Jahres sich im Hohen Dom zu Münster am Ende des nun
vergehenden Jahres zum Buß-Stehen am Grün-Donnerstag trafen. Während-dem haben die Gemeinden ihre
Grablege-Mysterien aufgeführt – das war natürlich arg, wenn man da gerne mit-gespielt statt hier gebüßt hätt - was, weil sie
hier nun dies Jahr nicht teilnehmen konnten, besagte öffentliche Sünder teils mehr kränkte als das Buße-Stehn im Dom.
Denn obwohl man sich im Rituale wirklich Mühe machte, ihre Reue anzuknüpfen an den Ernst des Gedächtnisses an Dessen
Leid, der ihrer Begnadigungen wegen Sich geopfert hatte, und im Moment so manchen wirklich ganz ergriffen weinte, trafen sich
doch allzuviele wieder da, als daß sie nicht in Kürze eine Art von Freundschaften daraus entwickelt hätten - wodurch dann
manche grad erreichte Reue bald im Oster-Glück der Oster-Neujahrs-Stadt Münster versank. 
Auch das Mai-Fest Virgatum war vergangen, wo die halbe Gemeinde mit Lehrern und Schülern und fröhlichem Singen die
Ruten zur Schul-Zucht und die Maien für die Pfingst-Saison in der Mark schneiden ging und dann bis in die Nacht tanzte.
 Auch die Wochen ab der Litania maior der Kaufleute und Grund-Eigentümer - mit Geistlichen-Tausch zwischen Sünt
Marien und Sünt Brixien Gemeinde - einmal rund um die Gemarkung, am Sonntag vor Christi Himmelfahrt 
und Hillig Geist Fest Pfingsten begingen besonders die vielen Spitäler der Region und bei uns auch Haus Geyst - und bis
zur Woche des Fronleichnams-Opfers aller Stände, mit dem Sonntag der Legions-Eggeröder Marien-Tracht und der
Lichter-Prozession der Jungfrauen-Schaft, nach der man die Opfer-Fahrer für Fulda, Aachen, Rom, San Diego sowie die
Saison-Arbeiter in andere Regionen für "tüsken Saihen und Maihen" verabschiedet hatte, waren dies Jahr sehr schön. 
Johanni-Nacht zum 24.Juni war mit ihren Höhen-Feuern und übermütigen Feuer-Sprung-Tänzen dann noch sehr lebhaft
geworden, nach dem Pfarrei-Opfer zum Billerbeck Sünt-Jan-Dom am Sünt Jans Tag - aber wie man so schön sagt: Sünt
Peter stoppt, was Sünt Johanni laufen heißt. 
Die Pauls-Freien Brixies zogen dann ihrerseits singend von überall her am 30.Juni St.Pauli-Tag im Gefolge des
Burg-Mannen-Opfers aus Nienborg wie jedes Jahr in Stern-Fahrt nach Münster zum Patronats-Fest des Hohen Domes und
eröffneten mit dem Synod dort die Saison der Kirchweih-Messen. 
Das nächste Opfer ging wieder mitten in der Nacht am 2.Juli zum Lieb-Frauen-Tag einerseits mit den
Über-Wasser-Eigenbehörigen nach Münster, andererseits am frühen Morgen mit Gemeinde Sünt Brixien nach Eggerode ab.
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Die Lieben Damen in Asbeki hielten ihr Schul-Patronat an Sünt Margareten 20.Juli, der Nothelferin mit dem "Wurm", die
für-bitten soll, daß nicht grad nun – bewahre und Der HERR davor - eine sommerliche Pestilenz wie Kornengel,
Kinder-Lähmung und Schlag in die Ernte-Zeit einbricht.  Die Gemen-Legion beging gleich danach zum Auftakt der "Maihen" am 22.Juli Sünte Madeleinen Tag, ab dem nun die
Fahrenden Gesellen der Gegend allmählich für die Ernte-Arbeiten heimkehren müßten. In dieser Art war so das ganze Jahr gut eingeteilt, wann es von wo nach wo die sichersten Straßen gab, dann nämlich brachten
Leute ihre Kinder zum Lernen oder Kranke nachhause oder man besuchte Verwandte, regelte Vermögens-und
Erb-Angelegenheiten, konnte bestimmte Dinge oder Haustiere bestellen oder gleich erstehen, traf die eigenen Kreise zum
Nachrichten-Tausch, schloß sich den Opfer-Zügen anderer Orte zu einer Weiter-Fahrt an und war sicher im Rahmen von Kultus
und Hilligem Jahres-Ablauf - beieinander geborgen.
Nun hatte man aber auch wieder einen Markt-Tag vonnöten, denn es gab Neues zu kaufen, verkaufen und tauschen. –

In Colna-Burg in der Schilder-Gaß – da gründete eben erst anno 1380 Meister Willem von der Gaffel Sattler, Schilderer,
Wappen-Sticker, Anstreicher-Maler und Glasmaler, eine Schule für Schildereie – er konnte jeden Menschen wie lebendig
abkonterfeien, und sie schufen in jenem Jahr für die Lieben Frauen Sünt Claras zu Colna-Burg eine neun Fuß breite Schilderei. –
All-jährlich findet in Colna-Burg nun die Miss für Schilder und Bilder statt, sie waren zum Bestellen oder Kaufen ausgestellt an
Klein Sünt Martin, an Sünt Maria ad gradus, an der Stifts-Kirche, hinterm Dom und im Dom-Hof, in Hillig Geist Kirche innen. –
Das war gelegentlich der Großen G"TTES-Tracht von Colna-Burg, dann führten sämtliche Nationen, Gaffeln, Orden und Stifte
der Bürger alle Reliquien mit sich, beginnend am Dom – ein gewaltiger Fest-Zug, das Hillige Drei-Gestirn der 3-Künninge, der
Goldenen Sünt Ursulas 11.000 Jungfrauen und der Legionäre Sünt Gereon-318-Kohorte geleitend – zum Bayen-Tore hinaus die
15.000 Fuß außen am Wall herum, zum Türmchen-Tor wieder hinein und zurück zum Dom - dann ist die Stadt geschmückt mit
Ketten aus ausgeblasenen bunten Eiern, Maien-Grün, Fähnchen und Wimpeln, alle Hilligen-Bilder in den Fenstern, alle Chöre
und Musikanten im Zug – dann gab es Fest-Essen und Bier mit Limonen und Muskat auf allen Straßen und Gassen und jederlei
Spaß.
Und dann stellten die Schilderer und die Maler, die Sattler, Fenster-Maler und Bild-Stickereien all ihre Werke des Jahres zur
Schau und nahmen Bestellungen an. Ebenso bestellt man da auch neue Reliquien für's Go-Gericht.
Colna-Burg ließ deshalb auch immer wieder nach Gräbern der Hilligen 11.000 Goldenen Jungfrauen suchen, unterstützt von
fromm meditierenden Konventualen und natürlich den sich erbuitten lassenden Erscheinenden selber. Erst anno 1348 fand Abtei
Sünt Maximin noch-einmal 130 Gräber. Die klugen Jungfrauen waren sehr beliebt bei den Scholaren und fahrenden Rittern, aber weil sie auch resolut und unbestechlich
sind und außerdem so viele, wovon immer welche Zeit hätten, sich um einen Eid zu kümmern, ob es wahr ist, was die Ordalien
amgeht. Man traute dem Eid bei allzu-oft angerufenen Hilligen nicht mehr so, seit man sich klar machte, daß ein aufgerufener Seliger
möglicherweise nicht zugehört hat, weil er nur an einem Ort zugleich sein kann. –
Also bietet die Kaufmannschaft Abhilfe durch gezieltes Suchen nach noch nicht verehrten, also wenig beschäftigten Seligen im
Himmel – kanonisiert müssen sie aber sein, sonst erkennt die andere Gerichts-Partei sie nicht an. –
Dagegen, wenn man krank ist und möchte Unterstützung im Bitten um Heilung oder dergleichen, wird auch nach wie vor jemand
wie der ehrwürdige Bischof Erpho am Grabe in Münster besucht, auch wenn man nie beantragt hatte, ihn selig zu sprechen. Die Gläubigen im Erd-Zustand und die Seligen im Himmel-Zustand bilden eben eine echte Gemeinschaft. 
Colnaburg ist in dieser Hinsicht auch auf juristische Ordentlichkeit bedacht, und weil es sich in der biblischen Erwähnung
um eine wirklich sehr kurze Bemerkung über die Weisen handelt, denen die Geburt des Hilligen Erlösers eine Fahrt, Suche
und Anhuldigung wert war, aber man nicht in jeder Beziehung der orientalischen Überlieferung trauen muß, daß es drei
Küninge gewesen seien, die so-und-so hießen und für ihren Glauben viele Jahre danach starben, und also geneigt sein
müßten, diese Welt-Stadt als ihre neue Residenz zu behüten. Da hat man in den zu Mailand erbeuteten und von höchster
Stelle zugewiesenen Schrein noch jemanden bei-bestattet, der näher als zweifellos verdienstvoller Hilliger im Abend-Land
bekannt ist. –
 Und eben einmal im Jahr haben alle Hilligen in Colnaburg Ausgang und werden außen-herum um die ganze Festung
mitgenommen. In diesem Umkreisen des eigenen Ortes liegt eine uralte Tradition und sogar das Reich der Tiere handelt instinktiv ähnlich, es
erwirbt ja auch ein Revier gewissermaßen aktuell für die Bewohner. Dabei darf ruhig Freude und Vergnügen vorherrschen, denn
auch das prägt viele Einzelheiten ein, und indem es auch Mühe bereitet und ordentlich müde macht, bindet es die Beteiligten
enger aneinander. Im Grunde also benötigt man dafür Begründungen kaum, denn man täte es gern sowieso. Um so einfacher ist
es, wenn man zusätzlich eine gute Begründung dafür hat, sich alljährlich den Ort des Zuhauses persönlich zu erwandern. In Schüöping aber holt man sich auch Anregung zum Mysterien-Spiel in Colna-Burg. Sie ist ist anstelle der Hillig-Kreuz-Fahrt
nach Jerusalem einst wohl von den Alt-Vorderen ein Hillig-Blut-Ritt jährlich gelobt worden, bis zu den Klausneren im Burloe
und man geht nicht genau auf der äußersten Kante der Gemarkung entlang, sondern macht den Zug etwas kleiner, aber eben
durch die Gemeinde – dafür gibt es Kapellen-Stationen, wo die Prozession innehält und zu bestimmten Themen betet –
zwischendurch wird gesungen.
Daß hierbei auch ein jeder wie die Colnaburger seine Hilligen mitbringt, wird eigentlich noch vorausgesetzt. Es soll auch
vorgekommen sein, daß Einzelne dann unterwegs tauschen, weil sie den Eindruck gewannen, daß ihr Hilliger mit ihnen einfach
nicht warm werden wolle – soll besagen, daß sie einen Prozeß hatten und genau wußten, daß der andere schwindelt, aber er hatte
seine Darstellung auf die Reliquie beschworen und konnte nun gehen und trotzdem ist nachher nichts Einschlägiges passiert, was
erwiesen hätte, daß er es gewagt hatte, zu lügen. Unter Seiner Eminenz Otto Grave von der Hoie dem Bischof v.Münster allerdings sollten wir im Münster-Land uns mit dem
Volk in Colnaburg weniger befassen. Das Reich der Weser – so eins war vorstellbar – ab Fulda, Corvey, Hervurth, Paderborn
inmitten, Minden, Verden, Hoia, Osnabrück, Bremen, Hamburg, Norden überhaupt, das sollten wir mit Bistum Münster nach
Westen hin ergänzen – sie sagten: abrunden. Schilderer-Meister Roberto war nun vor Wochen zum ersten Male dagewesen. Bezahlt hat ihn der Ehrenwerte Rat im Wigbold
und der Liebe hoch-wohl-geborene Grave Eberwyn v.Bentheim, aber erstmal nur, daß sie zur Vorstellung bringeen, was für
Schönes man im Wigbold gerne angeschafft gesehen hätte und bereit ist, etwas beizusteuern - denn richtig schildern sollen sie für
diese unsere Kirche hier, und die ist Sache der Abtei in Hervurth und auch des münsteraner Bischof-Stuhls, und der ist nun grade
neu bestiegen – anders-herum, nun wieder Colna-Burg wie früher zugewendet – und: Moerss ist eben genau neben dem
Hervurther Kelter-Hues am Rhein-Hafen nahe Duisburg immer der Nachbar gewesen. Sie hatten wieder diese Mappen mit, mit vielen Bildern - und davon hatte Matha schon-mal zwei vorweg gesehn. Man sprach
dabei von vielen Send-Briefen, Empfehlungen des Lieben Meistern von Jan-Hendrik, Bestätigungen gut getaner Werke
anderswo, und zufriedener Gemeinden, die so etwas bereits investiert haben, und der Unbedenklichkeit solchen Ansinnens vor
der Hilligen Inquisition. –
=***=
Matha Laurenz-Tochter hockt mit andren großen Kindern auf der Welle-Treppe, um möglichst vieles zu sehn. - Es geht ja nicht,
daß sie's nicht wüßten - die kleinen Krotten hatten sie geholt. –
Die kleinen Krotten wimmeln überall - man sieht sie nie, so "überall" sind sie. "Wenn man was dazu sagen darf, dann müssen
kleine Krotten auch in unser Bild hinein." - denkt Matha laut, "Es gibt ja nichts, was die nicht sehn." - Ein fremder Junge in
Kapuzen-Kutte, etwas jünger als sie – so erinnert sie sich - so war Jan-Hendrik angekommen – er steht plötzlich neben ihr.
Weißt du, das war ich! - sagt Jan. –
Schon verstanden. – sag ich. –
Hast du ´ne Ahnung - sagt er. - Also, ein fremder Junge in Gugel und kurzer Kutte, Farben-Reste drauf und auf den harten
aufgeschrammten Jungen-Knien, hat sich dazugesellt. "Na klar - laßt mich man machen, ich werde einer derer sein, der mahlt.
Also gut, zwei Kurze. Das geht. Die krieg ich garantiert dazwischen, findet Ihr nur wen, der dafür zahlt." –
Das ist nur knapp geschwindelt, denn man hörte "malt", er sagt mahlt, ein kleiner Angeber-Trick unter den Schilderer-Novizen,
die zunächst nur Farben anzureiben, Pinsel zu reinigen, Lein-Öl und Eier zu beschaffen und einen großen Schilderer auch sonst
viel zu bedienen hatten. -Man war ja schließlich auch vom Fach und durfte ab und zu schon etwas selbst zuende malen - erklärt
Jan - es macht sich aber unzweifelhaft gut, schon mit 11 Jahren als Maler-Meister dazustehen. Manche bestellen dann ein
Bildchen kleiner Schwestern für die Suche nach ´nem Eh-Gespons - oder für das eigne Söhnchen zwei feurige Ritter an die Wand,
ein Blumen-Schild für einen Laden – drei blaue Fenster-Bretter, rote Pfosten, oder so - was er aus Farb-Resten vom
Pinsel-Ausputzen gegen eine Woche schön Satt-Essen malt. –
Andere Fräuken hätten nun schon mit Ah und Oh reagiert, aber die vier Lieben Jungfräuken hier ließ es ganz kühl, die hatten
wohl beruflich schon mehr mit uns Schilderern zu tun. – also denkt Jan-Hendrik damals: - Schade – da wird es schwieriger
werden, mir hier eine Woche Satt-Essen zu ergattern. - Diese Jungfer Matha hat aber etwas Anderes gemeint - nicht irgend so ein
Kinder-Blag, das auch sie mal war, man hat zwölf-jährig das Blagen-Dasein ja eben hinter sich – nein - sie überlegt, warum sie es
gesagt hat.
"Es soll doch ein Altar-Schild werden, heißt es, also - nä, beim Beten auf zwei Gören gucken, die nichtmal hillig sind? - Für
hillig muß man auch schon tot sein." sagt sie.
Der fremde Junge stutzt und sagt, das habe er nicht überlegt.
"Du trittst fast drauf, wenn sie mit Nüssen knickern, im Frühling stolperst du in die Grübchen, die sie in jede glatte Erde bohren zehn Haseln für 'ne große welsche Nuß - da stecken sie die Nasen dicht zusammen und vergleichen, was gewonnen werden soll.
Doch geht es auch, daß man nur um die Würfel-Nüsse selber spielt - in jedem Alter, doch treten tut man nicht auf Große - klar? Kannst' das malen?" –
"Was?" –
"Na, daß ein gutes Kind glatt mitten in der Stube umgetreten wird?" –
"Mal sehn" sagt da der Maler-Stift und skizziert mit dem kleinen Finger im Sand. "Wertes Fräuken - das ist ganz schön schwierig, wißt Ihr? - ein gemaltes Kind - ein gutes..." –
"Ja, ein gutes Kind ist immer brav zur Hand und dient zu irgendwas, was es schon kann" - spotten nun die drei andern an der
Brücke dazwischen "Es paßt schön auf beim Schreiben-Lernen." –
"Es heult nicht, wenn es was nicht kriegt oder wenn es mal wo-vor gerammelt ist." –
"Es teilt ohne zu geizen alles mit den Geschwistern!" –
"Es reißt sich kein Loch ins Knie." –
"Es meckert nicht, wenn's nach Deventer mitfahren muß." –
"Es holt sich nicht den Pips!" –
"...besonders nicht, wenn eben Ernte ist!" - übertrumpfen sie jetzt einander immer höhnischer. –
Und nun erzählen sie einander eine Weile das Neuste und Skandalöseste über ihre jeweiligen Geschwister, während Jan-Hendrik
nicht mehr weiter beachtet wird.
Wenn er im Ort bleibt, wird man alles auch nachher heraus-fragen können – wenn er nur durchreist, lohnt sich die Mühe
vermutlich nicht. Er ist bepackt wie ein Esel angekommen, da kommt also gewiß noch jemand hinzu und an dem kann man
gucken, ob sich die Bekanntschaft hier lohnt. Aber Jan-Hendrik hat doch das Gefühl, eine Freundschaft gewonnen zu haben mit
diesem Jüngferken hier. Durch diesen Disput zieht's dich erneut zu dem Tat-Ort hin. Du gehst zum Kirchen-Hügel hin, da, wo er selbst ein Skopus ist, ganz steil herab vom Kirch-Hof – die behäbig zick und zack
gelegte Treppe in Bastionen von Geländern, wo man auf der Mauer sitzen und nach allem drunten schau'n kann – dort unten in
dem Rund des hoch-bewachsenen Gemäldes Vielerlei-Grün-Sträucher an der Kessel-Wand – der tief-und-stärker-grün in Baum
gehüllte Weg der nun viel-braun-und-hell-und-dunkel-Glanz bewegten Welle in die weite Welt – sie könnte dich bis Basel leiten
– Welle, Vüchte, oder Ahuser Aa, Vüchte, Ijssel, Maas, Rhein – Schaffhausen – Basel – Rom! – sie besucht zwar unerkannt, weil
nach dem kleinen Stadt-Park dann heutzutage überdacht, zuerst die Stadt bis Schlüters Schwemme hin – doch schon da ist es
derselbe Spaß wie seinerzeit, wie allezeit, auf dem gewölbten Huf-Gesellen das steile tiefe Ufer ab-hinab und nachher
rau-rau-rauf zu reiten... –
Die Schwemme – als noch die Pferde die Menschen durch das Land transportierten - nicht umgekehrt – und als der Mensch zwar
eine Kirch-Turm-Uhr, doch trotzdem immer was zu warten kannte, also oft mal Muße hatte – da war die Schwemme ein beliebter
Sammel-Platz, gleich nach der Maut-Station. Eh - hiergeblieben! Das kommt später! Zuerst mußt du mir Jan zuhören und zu dem kleinen Inselchen im Teiche sehn, wie nett da dieser
Maien grünt! –
Im Welle-Diek und auf dem Welle-Inselchen, da spielt mit sich ein kleiner Maien-Baum in leichtem Wind – weht eben
keiner? – oh, das macht nichts, es ist bereit, das Bäumchen Mai, das Bäumchen Friede-diesem-Orte-hier – es könnte
spielen jederzeit, es hält sich so sehr leicht. –
"Mann, hätt' ich den so hübsch gehabt, so anno 1429 – den hätte ich bestimmt geschildert! Du hast doch meine Maien auch
gesehn? Hast du sie schon nachgezählt?" Ja, doch, die Maien – es sind Maien, kleine Bäume, Fest-Tags-Grün - zuerst fiel dir der Name nicht gleich ein, doch
dann hast du sie nachgezählt – du zähltest sieben. –
"Sieh besser hin, ich mein', ich malte neune ein", sagt Jan. Aha, du mußt es nochmal zählen. –
"Du meinst doch auch die Birken da am Horizont, so hoch, wie keiner hier als Birken kennt? Es gibt noch eine solche
Reihe - da ungefähr, wo Schüöping sich von Horstmar unterscheidet. –
Weißt du, was gut ist, 1999? - Wir können, wenn wir wollen, tausend Bücher haben, hier im Land – die Armen auch –
und können nach Millionen Texten fragen, wenn wir etwas wissen wollen. Alles zwar steht nicht darin – zum Beispiel wie du heißen würdest, Jan. Doch dies las ich: im Maien-Grün ist
Markt-Freiheit – so standen sie – da ist ja auch ein Roland und der Wimpel, der den Markt ansticht am Abend bis zum
Abend. Ich las es nach, man weiß das heut nicht mehr, warum, doch Fahne raus und Maien-Grün, das tun wir noch zu jedem
Fest – erzählst du ihm – kann sein, daß er das noch nicht wüßte.
Kann sein, du erzählst ihm was und er erzählt dir oder irgendwer Drittes erzählt schon von beiden. –
Gibt es wirklich die Scheidung der Menschen durch Zeit? –
Du denkst – du denkst er denkt Ach, hör'n wir auf, das groß zu trennen. Es gibt so viel, da könnte es wie damals sein und viel, was, wenn er heute
lebte, er auch wie heute machen würde. In mancher Hinsicht kann auch ein Gespräch zu recht die Jahre ignorieren –
die Menschheit webt sich ständig selber alte Fäden auch in neue Kleider weiter ein. Jetzt ist so etwa Vesper-Stunde und da scheint die Sonne auf die kleine Szenerie, wo du dir auch den Anfang jener
Dinge jenes Jahrs heut ausmalen kannst. –
Wenn eben keine scheint, zum Beispiel, kämst du morgen - das macht ja auch nichts: hier kannst du dir leichthin eine
denken, daß sie selbstverständlich irgendwann auch damals scheinen würde. Dieselbe Sonne jedenfalls malt aus der Morgen-Licht-Beleuchtung die Welle-Treppe winters kräftig wach, noch oder
wieder. –
Der viele Sand-Stein hier, den liebst du sehr auch anderswo, wie Edel-Samt in golden-weißem Licht – und
Samt-Stein-Schatten, manchmal lila, manchmal eher grün – und unten schimmert Welle-Wasser - sanft verwirrend klar
- gold-bräunlich seiden-glänzend, welches unten aus der Kirche kommt, und jedes Steinchen, jede Kleinigkeit ist
deutlich anzusehn - es fließt ? - nein rieselt ? –
Nein, so kann man das auch nicht nennen: es steht auch nicht, es ist recht flach und klar auf seinen Kieseln und dem braunen
Algen-Flaum - ja: es ergänzt sich aber ständig Ergänzen ist das rechte Wort – fast unmerklich und leise ist hier ständig frisches
Wasser da – "Wie eben das, was eben aus der Kirche kommt." - sagt Jan:
"Es hält sich still, wenn einer sich verstecken muß." schließt Matha ihre kleine Litanei. Ja, denkt Jan-Hendrik, das ist es - Verstecken – leise, zur Verfügung stehn wie dies. –
Das ist ihm auch schon oft passiert, besonders, als sie mal mit Hayums mitgezogen sind – doch anderen auch. In manchen Landen reist man besser mit einer Hanse, in andern besser mit einer Schul. Und schon kommt ihm ein Bild hervor. Sie waren damals schon aus Böhmen beinah raus, mit wunder-schönen Bild-Kopien aus Prag und einem guten Vorrat
Farb-Pigmenten, da hätt' sie's nach Hussiten fast bei Regensburg erwischt. Da streunten noch die Geißler-Züge! –
Die ganze Karawane hatte sich versteckt um eine Brücke und jeder hielt den Atem an – ganz unbemerkt die ganze Nacht - doch
schließlich war er eingeschlafen, an des Meisters Mantel-Saum geschmiegt, er war grad acht. –
Im Schlaf die hier so mörderische Leisen hörend - in Wechsel-Sang geleiert bis zur Trance, von Menschen, die besinnungslos auf
sich und auch auf alles schlugen, das man ihnen zeigte – das prägte ihm ein Fürchten ein, das lange immer wieder leise bebte,
wenn er nur daran dachte - und eins der Leisen blieb ihm haften:
"... bis neun Monat kamen hin - kü-riä-laiiii-son"
Sag, woher hast-du's? - Oder singt ihr das noch eurer-zeit? Nein , du hast es jetzt aus der Limburger Chronik. – erinnerst du dich. Sag bloß, diese Chronik gibt es noch – ich hörte von ihr durch den Ritter de Turre. Also - es ging ungefähr so:
...bis neun Monat kamen hin - kü-riä-laiiii-son"
daß sie sollt gebäää-ren das Kindelein - kü-riä-laiiii-son
da sie das Kiiiin-delein gebären sollt - kü-riä-laiiii-son
und nieman' sie behausen wollt - kü-riä-laiiii-son
gein Beeet-lehäm sie kommen was - kü-riä-laiiii-son
der rööö-misch-Kaiser g'beut ihr das - kü-riä-laiiii-son
es war ein groß' Volk kommen dar - kü-riä-laiiii-son
daß ihr'r da nieman' nahme wahr - kü-riä-laiiii-son
die eeeeee-del Küniginnen - kü-riä-laiiii-son
mocht keiiii-n Herberg gewinnen - kü-riä-laiiii-son
wie der Wind da her heuh-te - kü-riä-laiiii-son
und Schnee und Regen streu-te - kü-riä-laiiii-son
ihr' weißen Hän-de sie da wand - kü-riä-laiiii-son
daß sie Her-berge nit da fand - kü-riä-laiiii-son
do zwischen Häu-sern war ein Dach - kü-riä-laiiii-son
do hätt' sie bei ein Krip-pen-G'mach - kü-riä-laiiii-son
do sie ihrs Kiiiind-leins dar genas - kü-riä-laiiii-son
do war sie Magd als sie 'vor was - kü-riä-laiiii-son
und nachher nur noch hin und wieder "laiiii-son - laiiii-so - laiiii-se ...- von ferne. –
Aber nicht die waren ferne, sondern er war tod-müde - er nickte immer wieder ein: doch ja-nur-keinen Mucks! Diesen Wihnachts-Teil der Leisen konnte er nachher auswendig von dem langen Gesang, vielleicht, weil es ihnen betreffs
"Wind-her-Heuhen" und dergleichen Nöten ähnlich ging, und teils hat er es auch nicht verstanden - es klang geheimnisvoll, grad
in dem Leier-Ton: was hatten wessen weiße Hände da zu winden - eine nicht-Herberge? - ein Zwischen-Dach? - ach ja – "do
hätt sie bei" - der Lauteste heulte immer das "do" so dominierend - dabei-war, "enn'r Krip-pen G'mach" - erst hat er verstanden
"Gerippen Ge-mache", also ein Rohbau, erst das Gerippe der Hütte schon fertig-gemacht? Noh! was sonst!? - und "do" war sie alls-schon-mal Magd? - weiß man das? –
Auch Künninginnen fangen klein als Mägde an, bei ihres Gatten Burg, soweit er als Acht-Jähriger es gehört, er traf schon öfter
welche an den Wasch-Treppen unterwegs - ja, sowas tun die, im Norden, als ganz junge Bräute – auch das Kudrun-Spiel-Lied
singt was darüber. –
Also das leuchtete ihm sogar ein: wenn man so nirgends hin kann - und wär' man Lieber-G"TT Selber - dann fällt einem am
ehesten noch ein Unterschlupf ein, wo man schon-mal gedient hat, denn da gibt es immer ein paar Lieblings-Ecken zum
rasch-mal-Verpusten – solche hatte er auch. –
Aber das ist ja das Ärgerliche in fremden Ländern, daß man grad so etwas nicht dort schon weiß. Dann braucht man schnell Freunde bei den örtlichen kleinen Krotten, die einem so etwas zeigen könnten – man braucht
wenigstens ihre Huld. Na, jedenfalls unter solcherlei Erwägungen war jene Nacht vorbei-gegangen und sie lebten noch - und früh am Morgen machte er
ganz vorsichtig die Augen auf, weil nun Krotten da tuschelten, Vorsicht! - jetzt war man entdeckt an der Brücke - jeden Moment
konnten sie los-johlen und sie jetzt verraten dem sich geißelndem Tod! Doch da sah das Wasser unter der Brücke auch so schimmerig braun-golden aus, und so sich-ergänzend - und ganz inmitten eine
Ente darin - sich spiegelnd zu einem Ritter-Gesicht ergänzt - er schrak auf - dann erst konnte er es definieren, daß das kein Ritter
im Wasser war - davon erwachte er ganz. Und dann erst sah er auf die herbei gelaufenen Kinder jenes Ortes und daß im Moment hier nur er erwacht war: Ja - nun schliefen
die Großen - erschöpft von der ängstlichen Nacht, weil's jetzt hell war. –
Schnell legte er den Finger auf die Lippen, damit sie leise sind, und schlich leise von Meisters Mantel weg zu ihnen hin und mit
ihnen aus der Hör-Weite der Brücke - und sie waren auch zu neugierig, um Krach zu machen, und fragten ihn erstmal aus: das
übliche Zeremoniell unterwegs –
Acht-Jährige fahrender Leute testen sie immer zuerst aus. –
Also er äußerte sich als "gerettet-und-froh". Sowas muß man je vor Ort wählen, wie man zuerst auftritt - der erste Eindruck - es könnte schief-gehn für die ganze Hanse, darin
war er schon Profi, schon drei Jahre dabei. Es konnte sein, daß sie sofort den Feld-Schütz alarmieren oder zur Abwechslung einmal selber Fremde-Jagen üben. –
Man wär auch nie so ganz gewiß, wer kurz vorher den Ort passierte und etwas angerichtet hat, was alle Fremden dann entgelten
müßten, weil das "auch-ein-Fremder" war – als sei man dadurch gleich verwandt und hafte mit allen. Er erfuhr aber damals nun nebenbei, daß diese Geißler Illegale waren und seit Johanni-Nacht hier unterwegs - es wären auch
diesmal so etwa ihrer fünfzehn aus diesem Dorf dann mit durchgegangen - die säh' man nicht wieder, das war genauso wie
Tanz-Wut – sie hopsen sich aufgeregt bis in den Tod. Also 15 Leute mitgegangen? Das hieß, dachte er praktisch und auch schon erfreut: für gut 15 Arbeiten fehlte es sofort an Aushilfen hier - gar nicht schlecht für
ein paar Tage Brot, unterwegs. –
Paar Tage danach würde ein anderer schon diese Arbeiten mittun. Der beste Moment ist das frischeste Loch.
Er überlegte nun eilig, was er betonen sollte, wer seine Leute hier seien – "ein Sach Hayums mit 'nem
Sünt-Bernhards-Schilder-Konvent dabei - und fünf Egiptier auf dem Wege nach Drei-Marien Über Wasser" oder "ein Fünft
Gesandtschaft von Fürst Michail dem Egiptier auf dem Wege zu ihm in Avignon mit Kontakt-Interessenten" - naja, Avignon war
damals schon nicht mehr überall aktuell, konnte sehr schiefgehn - oder man sagte "ein Konvent - ihr wißt schon, so
Schilderer-Leute, Sünt Berhards-Bede - mit so'n paar armen Handels-Leuten auf dem Rückweg aus dem Liivi-Land, ein bißchen
ab vom Weg gekommen, wißt ihr" –
Bei so etwas war es sehr wichtig, nicht mit Zahl und Art der Mitreisenden zu lügen, kleine Krotten entdecken so etwas immer
sehr bald - plumpes Schwindeln, das nehmen sie übel. - Entscheidend war, welche man in den Vorder-Grund stellt - das hat er
seinem Lieben Herrn Meister abgesehn, und bisher war es immer das Beste, darin Auswahl zu haben, also gemischt durch die
Lande zu fahren. Bei diesen Krotten damals waren es besonders zwei, die das Sagen hatten, zwei feinere. –
Der eine wollte wohl eben zur Schule und hatte eine Schrift-Rolle in seiner Hand, schon ganz ein Herr - ohne Spott gesagt - das
Kerlchen war gar nicht so groß, aber die anderen folgten ihm gerne - und der andre - etwas jünger noch, wohl dessen
Milch-Bruder von der Amme oder sein Prügel-Knabe, der war sehr unbefangen wie sein Schatten dabei - muß ein sehr
vornehmer Stall gewesen sein, hat er damals gedacht - der amtierte ja schon. Trotzdem war das Herrchen und sein Schatten noch richtig einer von den kleinen Krotten, denn das ist eine Alters-Frage und ein
fünf-jähriger Fürst hat ja auch nicht immerzu Dienst, dann treibt er sich samt seiner vornehmen Kluft genau wie alle im Dorf
seiner Amme herum - oft ist sein Schatten ihr eigener Sohn – und so wohl zufrieden guckte der auch. Also bei diesen ging es ihnen sehr gut, sie wurden nett versorgt und sicher geleitet. Diese wird er malen, wenn je zwei Krotten ins Bild kommen sollten. Jetzt muß er nur Modelle finden - und dann müßte man
noch derartig gut malen können - und das in der neuen Materie Öl-Farbe. Das Zeug ist aber mancher-orts teuer und vorläufig ist
er hier immer noch nur der Farben-Anreiber und keiner, der richtig so etwas malt... Aber er hat schon hier Lein-Olie gerochen, Sand-Boden ist gut dafür, und wer es hat, der kocht damit. Sie haben soviel davon da, wo der Fläss-Leinen wächst, daß sie's beinah verschenken - und das gibt prima Farben - Farb-Pigment
hat er genug oder wird welches suchen - unangenehm fällt ihm kurz das lästige Fein-Mörsern ein. Nun ja, die Großen schubsen ihn noch immer dahin, wo es lästige Arbeiten gibt - und er? –
Jan-Hendrik zieht sich seinerseits schon seine Nachfolger heran, zwei 6jährige Findlinge aus Prag.
Und nun - die kleinen Krotten, sie sind "niemals" da, wenn sie sich Hände Waschen sollen und dann mit "Hände-vor" beim Garn
Aufwickeln Helfen, oder sonst sowas, was eilt. -
Das drehn sie lieber Goessen Herrn Opa an, der kann noch Hände halten - so - und stundenlang. Oder sie sollen das Essen zum Arbeiten bringen - dann steht's wo im Gras, weil sie spielen oder sie kommen nicht weiter wegen
einem ihnen zu großen Rüden, der sie stoppt. Und denkt man grad, daß sie beschäftigt sind, man könnte eben mal mit Kunz etwas reden, dann kichert's im Gebüsch - sie sind
schon wieder hier. Er hört sich schon nörgeln wie die großen Gesellen: "Nie sind sie da, wo man sie braucht." Seit er die zwei kleineren Lehr-Buben des Meisters unter sich hat, ist er fast schon dabei, ein Großer. Sie sind im Allgemeinen alle etwas schmutzig und fast nackt in den Kleidern der Großen, sie können peinlich leise sein - mit
esel-großen Ohren auf und lauschend - grad jetzt auch - du denkst, die backen Kuchen oder murksen etwas mit 'nem Beutel
Farben-Sand - die Überraschung kommt, wenn sie dich etwas reden hören, was nicht genau-so war, dann tönen sie voll
Zeugen-Stolz den abgelauschten Vorgang wörtlich her. Aber seßhafte Krotten - kommt ein Wanderer von fern, ein Wagen etwa oder Reiters-Leute, und sei's, man sieht nur Staub, oder
Vögel steigen überm Venn - hört ein Klirren - da prescht die ganze kleine Hanse aus den Ecken vor - dorthin, versperrt den Weg
und fragt, ob sie was helfen sollen - für'n bißchen Süß-Holz oder so - sie wüßten hier Bescheid! Der Fahrende wird nun bekiekt, wie er mit kleinen Krotten so verfährt, die um ihn wimmeln, das wird dann rasch bekakelt gefällt er gut oder ist bekannt, bringt man ihn jubelnd ein - gefällt er nicht, wird ihm der Weg verlängert, das Jubeln ändert sich in
warnendes Johlen - und ein paar der größeren Krotten eilen quer durch die Büsche schon leise voraus, um den Fahrenden
anzumelden, ob's ein Günne ist, ein Vertrauter der Straßen - wer mit Besuch zu rechnen hat und wie. Schon manches Mal sind sie damit bös reingefallen, wenn sie nichts zu geben hatten, aber den Eindruck erweckten, sie wären
so-welche, die zahlen - sie werden auch sehr leicht Erpresser und Wegelagerer. Sie können aber auch ganz human sein, wenn man gleich ehrlich ist und sie sehen die Not. Es kommt vor, daß sie dann fünfzig
heimliche Wanderer durch ihr Gebiet durchschleusen, so haar-scharf vorbei an den Schlag-Bäumen und Häschern. –
Kann auch sein, daß sie wen quälen, doch der merkt es sogleich, denn richtig falsch sind sie selten. "Solange es Krotten gibt, die kleinen Kurtchen oder Gretchen, kommt niemand ungesehn an uns vorbei." hört er Jungfraue Matha
passend dazu überlegen. "Der Rest ist einfach: die Großen sehn die kleine Hanse von überall lostrampeln - wer grad was
unterbrechen kann, der folgt von fern und orientiert sich auch - wer nicht weg kann, bemerkt, wo sie hingehn und fragt dann und im Nu weiß es jeder. - Naja, nicht jeder - einzelne haben sich grade das Recht auf Nachricht verdorben - - - die warnt man
auch nicht, wenn ein Brett auf sie fällt, die läßt man unvorbereitet." "Ja", stimmt er bei "das ist bei uns ganz genau wie bei euch." Nun erst fragt sie ihn, wer er eigentlich ist.
"Och" sagt er, "der Jan-Hendrik bin ich, komm von der Schilder-Hütten-Meisterei der Goes, grad kommen wir von großer
Hilligtums-Fahrt, mein Lieber Herr Meister, die zwei Kurzen und ich - bleiben wohl jetzt eine Weile bei Euch von Sankt Brixt." –
"Ah," sagt sie erleichtert, "dann gehört ihr ja schon zum Sünt Annen-Vikar." –
Ja, das stimmt und es paßt sich gut, daß sie hier die Sünt Annen-Kirmes pflegen, diese Hillige mag er, "Sünt Anna im grünen
Schutzmantel - nicht so Sankt Anna selbdritt ohne Männer dabei" warnt er sogleich - und sie nickt, als sei das doch
selbstverständlich. Das gefällt ihm. Es ist schon-mal richtig und gut, mit wem reden zu können, angekommen zu sein – in ein Wasser zu schauen und so zu tun, als
sei man zuhause. Wer sie ist, darf er so Jungfern nicht fragen – wahrscheinlich sagt es ihm doch nichts - er wird's schon erfahren, sie bleiben ja
hier. - Als Matha sich kurz vergewissert hat, daß sie allein sind, riskiert sie's und sagt: "Und ich bin die Matha Laurenz-Tochter
von den Sünt-Pauls-Freien Brixis." –
Also eine Pauls-Freie, davon hat er schon gehört, arme Luder, zumeist, ohne Sippen und Stamm - aber manche machen sich ganz
gut heraus - sind sehr geschickte dabei - aber sehr unterschiedlich. Die andern drei Jungfrauen bei Matha finden es schon langweilig mit ihm, weil er statt ihrer die Quelle so lange betrachtet und
Matha derweil wie ein Wasser-Fall plaudert - der fiel ja immer etwas ein. – gerade erzählt sie, wer alles noch Mantel-Hillige
sind: Maria, Lydia, Ursula. –
Er fügt hinzu: Moses, Elias, Elisäus –
- sie sagt: Ach - Männer auch? – und so fort. Sie wollten dann lieber Ausschau halten gehn – man erwartet ja Besucher und Händler des Sommer-Jahrmarkts – und wenn hier
als Vorhut einer Gesellschaft ein Sünt Blärnds-Eleve dabei ist, dann mußten die ja alle schon ganz in der Nähe sein.
Also trödeln sie los, um nach denen zu spähen, welche es Neue gibt - wer die sind. Die ganze gemischte Reise-Gesellschaft trifft nun kurz nacheinander um den Stadt-Wall herum an der Welle hier ein. Jetzt aber
sind sie wirklich alle zugleich angekommen – nicht sehr fern – an der Langen-Hiägge - ist gegenwärtig der Karren-Platz frei, und
mit lautem Gejubel bringen die kleinen Krotten sie ein. –
Überall guckt wer aus den Häusern. Die nackten Füße der Kinder, Hunde, Schwienken durchwirbeln den Staub, achten nicht der Bepflanzung des Stücks am Weg,
und reflektiv heben sich überall Harken, Schaufeln, Hämmer, Sägen, Spindeln oder Stöcke der "Brüllt soch nicht so"
schimpfenden Leut von dem weg, was sie gerade tun, denn die sind ja nun doch genauso erfreut und begierig –
nur-man-zeigt-es-nicht-so, es heißt jetzt: "Momang! Wa'tt-man-eben, kumm gliks we'er torüch." Und schon fliegen bei etlichen Knechten und Mägden gute Vorsätze samt den Werkzeugen hin und sie nehmen ihr
Torheits-Recht des Gesindes in Anspruch, hier stets Kinder zu bleiben, rennen gleich in Richtung Welle, um erstmal zu gaffen. –
"Die Miss-Lü'e - de Misse-Lü'e!!! - sie kommen – sie sind schon vom Berg!" -
Ah - ja! jetzt fällt's dir auf - es sind die einst berühmten "Zwei Städte des weisen Kaisers Maximianus", die Legende des klugen
und des dummen Ritters, wie man es in der früheren Latein-Schule zum Sprache-Üben immer hörte, auswendig lernte, abschrieb
und schließlich vorzulesen erlernte – sie illustrieren die Wege der Entscheidung für den schmalen Weg zur engen Pforte eines
Himmel-Reichs:
"... die eine auf der Spitze des Berges, wo alle, die hinkamen, einen Reichtum an Schätzen finden und dort-selbst ihr ganzes
Leben lang bleiben könnten. Und zu dieser Stadt führte ein enger und steiniger Weg, und auf diesem hielten drei Ritter die Wacht
mit einem großen Heere - und alle, sofern sie über diese Straße daherkamen, mußten gegen sie kämpfen oder ihr Leben und alles
verlieren. Auch hatte der Künning in jene Stadt einen Seneschall gesetzt, der Ankommende ohne Ausnahme aufnehmen und ihren Stand berücksichtigend - sie herrlich bewirten sollte. –
Er hatte aber auch unter jenem Berge eine andre Stadt in ein Tal bauen lassen, zu welcher ein ebener zum Gehen anmutiger Weg
führte. Aber es lagen drei Ritter an jenem Weg, welche alle, die vorüber kamen, freundlich aufnahmen und sie nach eines jeden
Gefallen bedienten. In die Stadt selber hatte er aber auch einen Seneschall bestellt, der alle, die in diese Stadt oder die Nähe
derselben kamen, ohne Ansehen der Person ins Gefängnis werfen und sie sämtlich bei der Ankunft des Richters dem-selbigen
vorführen mußte - der Richter aber sollte niemanden verschonen. ...
Hierauf zogen die zwei auf der Straße, bis sie den Kreuz-Weg erreichten - da sprach der Kluge: Schau, lieber Freund - wie du
siehst, sind hier die zwei Wege ... – der Dumme sprach: Jedoch der hier sieht besser aus, ihn werd ich gehen..." – Der Kluge da
war mehr freundes-treu als weise und ging wider besseren Wissens dann doch mit dem Dummen auf den bequemeren Weg – sie
beide kamen also um. –
Da lernt der eine ab, daß er nicht treu, doch dafür klug sein will – der andre sagt sich, gut – getreu zu sein ist ihm der höchste
Wert und kostet eben trotzdem Strafen in der Welt des Rechts – die Möglichkeit zu mehr Erbarmen bleibt ja immer un-einklagbar
offen.
*

Ja, da oben links sind auch sie hergekommen, wo im Ort in der Richtung der feste Weg nach Horstmar nah an dem
9-Quell-Kessel des Leer-Bachs vorbei führt: dieser Kreuz-Weg kreuzt grad hier und einer sieht dies ständige Kommen und
Gehen - und dort gehn hinterm Hügel, Ufer, Wall oder was es ist - die Gruppe Liiven mit der Narwarinne, ganz nah noch
hinter diesem Klugen und dem Dummen her.

Zu diesen aber schauen die Begleiter nicht, sie reden miteinander über einen Mann, der hingerichtet worden ist und eben
stirbt – kein richtig böser - nein, er lächelt fast begeistert, sowohl erschöpft als auch erleichtert, daß es schon geschafft ist,
fast noch aufmunternd - sondern wohl am falschen Ort ein sonst ganz Richtiger gewesen – da holt ein Distelfink- buntes
Himmels-Flügelchen des andern Mannes Seelchen ab. –

Der Hanse-Fürst, er trägt der feinen Rock aus Gold-Brokat - die beiden Geistlichen: der Kloster-Bruder trägt eine
Kapuzen-Form, die man Karthause nennt, der andere, da scheint das eine auch ein Popen-Hut aus feinem Pelz zu sein in
Schwarz, sein an sich finsteres Gesicht schaut voller Mitleid und Erregung aus dem schwarzen Bart heraus und dort hinauf.
–

Der Narwarinne Kleider - und sie ist ziemlich jung dazwischen – genauer gesagt wirkt sie mehr klein - sind die einer
Jung-Ehefrau, sehr zierlich und lieblich und feinstes weißes Linnen ihr Turban - aus roter Seide oder baum-wollen leuchtend
krapp-rot gewirkt, golden gelb wollen ihr Wind-Fang.–
Aber nicht-doch – gelb! - ist das nicht die Farbe der Sünderin? – doch nein - ihr Blick - ganz friedlich und völlig ruhig – prüft
etwas in der Ferne: "Ich wußte", das sie alleine interessiert. –
Die großen Männer aber zeigen auf den "greisen Sünder" mit dem Seelchen, das sich seines Abholers erfreut, und ja, sie sprechen
über den - und so wie sie schaut ja auch keine Sünderin - nein, eher eine treue Schwester. Sie könnten wohl Verwandte sein, die
zögernd in der Ferne warten, was geschieht
Also Gelb?  Man trug damals, wie du weiterhin nachlernen kannst – nur zwei-drei Fach-Bücher weiter steht dies ja - Rot und Gelb für
die Stadien freundlicher Liebe – ebenso sind es die Haus-Farben derer v.Bentheim, hier Vogt ab 1427 – und sie kann auch –
fällt dir selbst ein - am Ort tief-Nord-Ost, wo sie steht, die Sonne der Sommer-Sonn-Wende meinen, denn dort ungefähr
hinterm Horizont kommt die Narwarinne her, mit dem Kopftuch Turban einer Wirtin im Bauern-Hof jener Zeit für die Reise
versorgt. Also arm waren sie keinesfalls hier.
Aber du malst auch mal selber ein Bild, da beschenkst nach Lust und Zuneigung die Gemalten mit Samt und Seide,
falls du es hinkriegst. Und schreibst du ein Märchen, ist es noch leichter, den Dingen jede Art Wert zuzuweisen. - Was
sollte den da von seinerzeit hindern, seine Grablege-Szenen mit dem Schönsten und Besten zu versehen, einfach
ausgedacht, wie es Künstler-Art ist? –
Aber – der da war doch vom Handwerk her – sieh, sonst malt er Fenster-Rahmen und Mitgift-Kisten, es soll glatt sein
und eben, weil das länger vorhält, kein Pinsel-Relief von Öl-Farb-Verschwendern. Und wenn man kaufmännisch denkt,
was so Farben auch kosten – andererseits, wenn man für soviel Quadrat-Meter zierlichst geschilderte volkreiche Tovel
der Stifter ist, ist man nicht ganz arm im Moment – aber dann kann man erwarten, daß gemalt wird, von was für
Produkten der Wohlstand wohl kommt. –
Denn das soll es auch künftig. –
Ziemlich sicher hat der begabte, der das hier malte, genau instruiert worden, was es werden soll – nur das Wie konnte
er noch entscheiden – das kennst du ja auch von: "Bitte mal mir ein Pferd für übers Sofa zu hängen."Garantiert soll er auch Beispiele nutzen. – Ja. –
Ob sie da reiten mit der Narvarinne? - ob sie wandern? – Vielleicht fahrn sie auch Boot? - Man sieht sie ja alle nur halb – sind sie
in einem Hohl-Weg hinterm Wall oder Hügel? – nein-nein, das eher nicht – es ist - sie alle hier durchwaten grad ein brust-hohes
Wasser! –
Am Rand von Schagern, kurz vor Horstmar, da liegt Niedern, obgleich es erhöht und ein Aussichts-Punkt ist - und da genau ist
der Punkt, wo du sehn kannst, daß diese "untere Stadt" gar nicht 1 Stadt mit Wall ist, sondern hintereinander in Linie Horstmar
Sankt Gertrud, Laer Sankt Bartholomäus und hinten Altenberge – im Dunst des Horizonten schwebt ein weißes Hochhaus
Münsters noch – das gab's noch nicht - der ganze Weg nach Münster als "die 3 Herbergen" anzuschauen. - Sieh mal an – das
war denn ja schon richtig politisch gemalt, es hieß doch, die am Weg ins Verderben sind gastlich und nett, deshalb will doch der
Dumme dahin. –
Also sie schauen ein Land, ganz woanders als das, wo sie sind, der Dicke Krieger im grünen Kittel, dessen Helm am Scharnier ein Ammons-Horn - schön geschneckt ist, und der Edel-Herr hinter ihm mit dem ernsten Gesicht und sehr vornehmen
Zylinder-Hut und scharlach-rotem Samt-Jackett – fast eines Künnings würdig – sie stehn genauso tief im Wasser, falls das da
kein Hohl-Weg ist.
Ach ja, deine Bücher und Lexica – wer war das noch mit diesem super-Zylinder? Etwas gewaltiger noch, doch, das hast
du gesehn. Vielleicht hilft es weiter, hier mehr zu verstehn? – Ein englischer oder französischer Künning damals, einer
hatte so einen gewaltigen Hut – Jan van Eyck, malt der nicht so einen? - als Bräutigam in London auch, aber in
Schwarz? – Dann käm auch Burgund infrage – nachher haben sie – ganz in Schwarz - diese über-breiten unterm Kinn
befestigten Schirme auf - ganz überzart und eng gewandet schreiten sie – das ist hier auch mit drin. Der Hanse-Fürst zeigt aber an dem Niedern ganz vorbei und weist hinauf – falls das Handzeichen nicht Winkel-Haus oder 2 oder
ein V oder eine Hand-Spanne Länge bedeuten soll – als ob er - "Ihr wißt nicht, wo er weht" - einen Wind gerade prüft, wo die
beiden Ritter-am-Wege-Kreuz schon näher dran sind und der eine derer späht, es mag auch sein, er salutiert vor großem Glanze –
also über die noch hinweg zeigt der Fürst. –
Durchqueren sie etwa den Jordan, wie man so sagt, vom Land der Lebenden in das Land des Todes? – Oder umgekehrt: das Land
des Lebens, wo die Zeit schon aufgehoben ist, das erste Paradies und jene andre Welt – liegt das im Vordergrund? Dazu fällt dir
was ein, was diesen Ort ja auch betraf, diese Wieder-Täufer-Zeit. - Aber halt – das ist gut hundert Jahre danach hier gewesen,
sagt deine Literatur, doch trieb es dann wieder etliche von hier ins Liiv-Land hinab. – Man fuhr ja nach Livland "hinab". Nord lag
damals noch Unten im Welt-Bild, so wie die Flamme der Kerzen zuunterst bläulich ist und kühl.
Süden war "oben", und heiß – und Rom. –
Danach kannst du die Schilderei ordnen, auf einen Haupt-Altar gestellt sieht man gen Osten, zur Linken ist unten,
Nord, das paßt zum Lauf der Vechte und zuäußerst liegt beidseits der Westen in der Gemarkung.
Du stellt es dir fest aufgestellt vor, den Altartisch zu einer Kabine abschirmend, es paßt mit den Maßen genau, dann
sind um den Priester die goldenen Szenen und zu den Chor-Gestühlen beiderseits zeigen Marien ein liebliches Bild. Die
Kirche ist ausgerichtet nach Winter-Sonnwend, nicht genau Ost.
Maria Empfängnis – ein Stübchen mit was man so braucht - schauen dann die nördlich dasitzenden Ältesten an, etwas
für Kaufleute und Handwerker des Wigbolds, die Initiatoren – sie liegt im Süd-Osten, und wenn man vom Ort aus in
die Richtung denkt, über Eggerode hinweg, den kleinen Marien-Ort, käme Stift Asbeck, da lebten ihre Nichten,
Schwestern, Tanten, Töchter, Groß-Mütter, soweit von Adel, in der Ausbildung oder im Außen-Dienst angestellt. Jesu Geburt mit dem herrlichen weiten Land von hier und dem singenden Himmel schauen die südlich sitzenden, im
Nord-Westen, über die jagd-fähige Stroenfeld-Mark hin gedacht – etwas schön für den örtlich-ländlichen Adel um
Stockum. Dort sind die Damen-Stifte Metelen, Langenhost und Borghorst nicht fern. - Ja, das macht Sinn. Ja, und von "da unten" an der Ost-See, da kam jetzt wieder eine Narwarinne, da ist in diesen Jahren vor 2000 nun
wieder deine eigene Familie hinauf nach hierher gekommen – nicht gleich direkt – an war vertrieben - aber schließlich:
ihr seid angekommen, kann man sagen. –
Alles schließt sich in dir wie zu Kreisen. - Lockt dieses Bild dort etwa sich sein Volk auch immer wieder her? – Das
Bild ja sicher nicht, doch all die Leben dieser dargestellten Leute – die es beleben mit ihren Wünschen, die es wollten,
die es malten, die da abgebildet sind. –
Du weißt nun derart viel von allen Dingen - auch von Zeiten, Orten findet sich so viel zusammen – niemals zuvor hat
jemand derart viel zugleich erfahren können, um daraus zu folgern, nie konnten derart viele und sogar Arme soviel
lernen und auf ihre Herkunft rückwärts schauen – nie soviel wissen, wer wo wie lebt, was er ißt und anzieht – doch
schon verliert die Schilderung der Dinge zugleich nun die, um die es geht: daß es bestimmte Menschen sind. –

Ganz anderseitig von der Narvarinne, da liegt ein Hain im Abend-Gold am Himmel – auch dies auf einen Anhöhe vor
dichtem dunklen Wald, da steht geheimnisvoll ein heller grauer Kasten-Wagen oder Sarg, in ihm gebettet – krank
verkrümmte, blasse und durchbohrte Hände, bloße Brust, geneigt das Haupt zu einer Frau, die eilig redet oder fleht, noch
immer ganz geduldig freundlich mit dem Blick bereit – der uns bekannte Mann vom Mittel-Kreuz.

Er ist umgeben von verschiedenen, sich sehr bekümmert stützenden oder traurig hin und her neigenden Leuten – einer neigt
sich abschirmend um das Gespräch – und eine braune Nonne schaut verstohlen durch die Büsche zu dem dritten Mann an
seinem Kreuz, dem jungen dunklen Unfrisierten, dem – als seine kleine Seele sich schon sträubt, dem Höllischen zu folgen,
daß der ihm einen neuen Körper zuweist, dem für Leiden – noch immer ausholt und sich etwas nehmen will, was nicht für
ihn daher-getragen wird. 
Wenn da die Narwarinne Schwester ist von dem gediegenen, schon ehren-grauen, zutraulich zum Guten hoch-gebogenen,
aus redlichen Motiven ins Gesetz gestürzten Schächers, dann ist ganz einleuchtend, daß auch die immer Wilden eine
Schwester haben, deren Herz um ihren Bruder jammert, doch die sich damit nur verbergen kann in Abgeschiedenheit. Es ist
ihr Recht, noch hier an ihm zu hängen, sagt der Meister, die Füße stehn ja schon am rechten Ort am Hilligen Grab - und der
darin hat noch zu tun, nimmt noch Beichte entgegen, wie's aussieht – der dort Aufgebahrte!
Ach – sie stehen hier um Beichten an? –

Zu Füßen sitzt dort hirten-gleich ein Rats-Herr im Gefels – kann sein, dabei – kann sein, er schaut hinüber ruhig zu – in dem
Brokat und weißen Schuten-Hut wird er nicht hier beim Schweine-Hüten sein, so sitzt er feiertags mitunter draußen in der
Wehrsche Mark und lauscht, ob er die Glocken hört, Sankt Brictii oder Sankte Margareten Asbeck, vielleicht bei Ost-Wind
die von Osterwick. Er denkt sich dann die Menschen froh, beim Essen um den großen Tisch, beim Schwatzen auf den
Plätzen um die Häuser stehend – bei Christen-Lehre aufmerksam, ob nicht ein Kind sich mal verspricht und es würd drollig
– er horcht, ob er die Rüdee raus-kennt, wo sie sind und welcher grade Ton angibt – er späht nach Vögeln, ob sie sammeln
oder ziehn – weil Frühling ist, da sollten Schwalben kommen – und später wird er viele Nachtigallen bei sich haben – alles
kann noch wieder werden, weil der Gütige hier in dem Grabe liegt und nicht sogleich zu richten anfing. –

Und aus dem Wald kommt fast verschattet zögernd dieser Diener aller, die da sterben, der Kauf-Herr Rats-Herr mit
Theriak-Spezereie? –

Der Priester mit dem Hillig Kranken-Öl und dessen Minoriten-Pater für die Sünden-Vergebung - sehr schön ernst - und nur
als Angebot. Herbst – wenn er dröhnt in den Wäldern um dein nächtliches Fuhr-Werk, wenn du besorgt zu erfassen suchst, ob es kracht und
Geäst sperrt den Weg und du müßtest es vom Wagen runter, da ran, ganz alleine, und das sperrige naß dich piekende immer
plötzlich peitschende Unzeug da räumen - falls es nicht dich schon erschlug. –
Herbst, wenn du aufstehst und der Rauhreif beißt dir aus allem, was du anfassen mußt, in die Finger, aus der Pumpe kommt Luft,
denn am Hahn starrt das Eis – und dein Reisig im Feuer am Weg in der Nacht brächte Qualm mehr als Feuer und Wärme – da
ist es bald soweit, daß jeder seinen Nächsten liebt, der dann noch da ist und der wärmt ihn auf. –
 Herbst ist die Zeit der Samariter, Leute, die man sonst nicht mag, doch die nun manchmal auch ganz menschlich werden
und dir die umgestürzte Karre wieder aufzurichten helfen. Wer keine zu erwarten traut, deckt sich mit Laub zu und geduldet
sich Kumpel Erde, daß es tagen wird trotz aller Nebel – du willst leben, mußt zwar nießen, aber morgen könnt es
weitergehn. –
All dieses hat die Welt gekannt - auch schon als diese Narwarinne reist – wunderlich, wie sauber noch ihr weißer Turban
leuchtet, und wie ungetrübt die Farben ihrer Kleidung sind. Es ist vermutbar, daß sie noch gerastet haben, wo es üblich ist, etwa
beim Mervelder Hof zu Haus Alst hinter dem Berg – vortags vielleicht auch in Curia Falken-Hof Rheni – in einem Stifts-Hof wie
Langen-Horst – bei einem der Freiherrn – bei befreundeten Schulten – in einer der städtischen Bergen reihum. –
Die Welt hat zwar auf Schritt und Tritt schon feste Häuser für Gäste - doch es ist wie mit den Appel-Bäumen an den Chausseen,
die ein jeder schon jemandem einen gehören und von einem zweiten gepachtet auf jeden Apfel einzeln harren – erst müßte man
wissen, wer die Narwarin ist und wessen die Hanse ihrer Begleiter, bis dahin siehst du nur, daß sie nicht wie die Niemands die
Nacht auf den Bäumen verharrten. –
Auf die Kastanie – gäb es sie - da würden sie nicht steigen, um für Nachts den Weg des Wolfs zu meiden, denn sie
bricht. – Kann nicht passieren – wächst hier noch nicht. - Nun ja, der Herbst - wenn gradmal keine Schule ist - der
hatte dann die ersten Tage, sich wieder mit dem Höhlen-Leben vertraut zu machen, so mit Reparieren und Schnitzen,
Basteln und Reden, Märchen und Grusel-Geschichten erzählen – und die Kastanie zu erbeuten! –
Was bei Jan wohl im Herbst diese Schnitzerei anfing, vor 500 Jahren? Einen Herbst hat er auch. -Wer Gebrechliches schont,
kann auf Zwirn Girlanden daraus knüpfen und trotzdem für Tage die Hütte verschönern. –
Dafür hatten wir Eicheln, und die nahmt ihr ja auch für die Köppken der Schafe und die Fäustken der Puppen und für die Kette
dazwischen – kleine Löffel und Schälchen – und die Runkeln-Laterne, hast du die vergessen? – Sünt Marten Geleit, ein klein
Lichtken vom Span innen drin – und da schleicht man im Dustern und erschreckte durchs Licht-Loch die Nohberschap, machte:
Buhu! – Schwatte Klaas hol de Kuh oawer Ju! – und überschlug sich vor Kichern beim Wegrennen über sonstwas-und-nix und
bekam gleich im Dunkeln seine Tracht Prügel verpaßt, wenn man nicht sehr schnell wieder aufgesprungen ist.
Der Herbst mit seinem frühen Abend, wo ein Mensch doch noch nicht müde sein kann, das war die Zeit zum
Räuber-Fangen-Spielen, Lauber-Hütten-Bauen - aus den herrlich bunten Blättern Linien Häufeln, Wege lernen, wie die liegen,
Vater Mutter Kind und Onkels spielen, oder einfach – eh sie nützlich wird und jemand holt sie weg – in einen Haufen schmeißen
unter Bäumen und den Adler legen – all sowas – und erinner dich, richtig Zeit war da nicht, denn das Schlachten lag auch hier,
im Herbst – unsere Heimkehrer kamen und voll war die Dorf-Straße des Begrüßens der Nachbarn und Freunde, und man saß
unter den Dach-Traufen auch im Regen noch draußen, um alle zu sehn – und bis das alles herum war, war Winter schon da. –
Vor nicht sehr langer Zeit sah das völlig anders aus, als der Altar entstand, da kamen erst seit langem wieder Wege-Karten auf.
Da ist man trotzdem unbesorgt gefahren und gereist und kam sogar überwiegend an. Man hielt sich an bestimmte Wege und
wußte oft nicht, daß ein zweiter in der Nähe geht und wer da sonst noch lebt. –
Es gab auch Regeln: geh nicht vom Weg ab – halt dich unterwegs nicht auf mit Einmischen in Angelegenheiten derer, die am
Wege leben - geh nur an Furten über Wasser – fahre nicht mit Unbeherrschten... –
Entfernung machte kaum "Probleme", denn es gab nur diese Art, zu reisen. – Einmal Hillig Land und wieder heim zu
Fuß bemaß man als 3-Jahre Fahrt, mit dem Schiff war das Fahren zwar schnell, doch auf den Wind wird doch wieder
gewartet. Das Geheimnis war der Gehorsam, daß jeder irgendwem gehört und irgend-wer gehört zu dem und hilft dir
weiter fort. Genau wie du gefahren bist, gab es Gesellen-Gruppen für die große Tour, der Ausdruck Hanse war zuerst für das - und
diese kennen einen Kenner für direkt die Gegend, wo du hin willst.
Es ist dasselbe für den Ort, wo du wieder zuhause sein willst – du hast das Einleben üben können, bist fast ein Profi geworden -
denkt sie – gar viele Umzüge hast du gezählt, beim ersten, naja, noch das Baby, eher selbst das Gepäck, denn viel mehr als das
Leben und euch hat euch Krieg und Besiegt-Sein nicht mehr gelassen – und zuletzt, da brauchtest du einen riesigen Wagen – und
es ist nicht das Zeug, das man in soviel Zeit doch wieder hat – es sind all diese Orte und Menschen in dir nun. – Wie schön war
es stets, wenn ein Kenner dich einführt im neuen Ort. Das bräuchtest du auch bei der Heimkehr in den Ort ihrer Väter...Und eins ist passiert – das Gefühl, ein bestimmten Alter zu haben - das zog nicht mit um. –
So reist die kleine Narvarinne ja mit Geleit von starken Hanse-Über-Bringern auch von sonst-wo daher. Sie kann die
Seefahrt über Lübeck, Lauenburg und Lüneburg gefahren sein – genauso-gut irgendwie über Regensburg fahren – das
wär ihr als Neu-Fahrer nicht einmal klar, denn man schließt sich wo an und vertraut und es dauert in jedem Fall Zeit.
Und es wirkt auch nicht so, als seien diese ihre eignen Leute, weil: jeder schaut völlig woanderhin – sie schaut auch
nicht auf dieses Land, ob es besonders. – Jene begutachten etwas, und sie? -.
- Ja - zu wem schaut die Narwarinne hin ? Da sind Scharen von Leuten, die da kommen, die da sind oder die eben geh'n - ja, ihr Blick überquert eine Menge von Menschen,
aller Nationen und Berufe – die dort auch ihrer Wege gehen, teils beschäftigte, teils schauende Menschen wie hier, Arme und
Reiche - da biegen Verfolgte um eine Ecke am Stadt-Turm und retten wohl wen – dort tagt ein Gericht und wie's aussieht, beklagt
sich ein Schweinchen, ein Borg, ob vergossenen Blutes – oder es ist des Gerichtes Problem – und dahinten erwacht ein Betäubter
– beraubt oder verwandelt? – wohl beraubt liegt er da und ihm fehlt auch ein Stiefel am Fuß - seinen anderen trägt ganz auf der
anderen Seite ein rauher Geselle, der auf drei Stellen einen Gefangenen wegschleppt – der bemerkenswert eilt, aber doch wieder,
als wolle er Schluck-auf kurieren, hastig einmal ums Eck - man sieht Gaffer, Bestrafte, Vollstrecker, Unbeteiligte, sogar heitere
Derbe - Mitleidige und Mit-Leidende, sieht Geburt und auch Sterben, Sehnsucht und Kraft, die man ersehnte – man sieht Blumen
und Wälder, und Katze, Rüde, Pferd - und sogar ganze Tage, sieht Jahrhunderte Mensch?
– Doch das schaut sie nicht an. Diese Burg auf dem Skopus – der Klippe, woher sie kommt - ist in bunten Legenden von Gestern gemalt - diese Stadt im Tal aber
ist wie von heut - ihre Türme und Wälle fern und zart bläulich im Dunst – wie unterstrichen vom Hacken einer Ferse zweier zu
Haken gebogenen Beine - wie auf einem Tablett serviert.
- Doch ihr Blick geht ja davon ganz weg, ja – nach wem oder was schaut denn sie? Ganz auf der andren Seite dieser Szene – da werden Menschen grad befreit - und auf den ersten Blick: es eilt: - aus jenen altem
schatten-dunklem Haus mit Zinnen schlägt die Lohe blau heraus, doch ist es düster drin, nur züngeln Flammen schon um die
Ober-Schwelle – und dieses Tor davon, es ist herausgefallen, die Flügel zweier solcher Türen bilden eine schwanke Brücke über
einen Schlamm im aufgeriss'nen Hügel - darunter wühlt der schwatte Rüde sich hervor - ah, ein brennend Sumpf-Haus, so ein
Schwel-Brand wie im Heidekorn-Venn? - Der flinke Retter stabilisiert die schwanke Überbrückung mit dem drauf gestellten Fuß
und reicht den Unbekleideten, die aus dem Tor strömen, aufmunternd helfend die Hand.
Es scheint aber auch nichtmal heiß zu sein: sie haben nur nichts anzuziehn – im Blau der Flamme ist es ja auch nicht so heiß sie haben leichte Unter-Kleidung an: die ist noch weiß, und ihre Haare wirken unverbrannt – tja, rein und sauber sind sie
irgendwie. –
Und direkt fliehen tun sie nicht aus dem Gebäude wie ein Kerker, gewiß ist dies kein Ausbruch ihrerseits - nein, eher wißbegierig
schaut die junge Frau um jenen älteren Mann herum, heraus - die Hand auf seinem Rücken wie zum
Halt-laß-mich-mal-bitte-selber-sehn! - und ebenso die hinter ihr versuchen alles mitzukriegen. Unsicher sind sie – eng gedrängt
– verschüchtert, das mag sein – verwundert - neugierig - vom Tageslicht geblendet – naiv - verschlafen - ja, von alledem etwas. Im Haus sind auch noch welche drin, am Gitter-Fenster einer Wächter-Stube – der eine scheint ein Künning mit der Krone, er
schaut raus, bestimmt wird er auch gehn – die andern: sie schlafen drin - der eine das Gesicht auf diese Fenster-Bank gebettet,
als sei er übers Starren in die Freiheit schließlich eingeschlafen - sie bleiben da, sie leiden nicht - sie wissen nichts. –
Und auf den Zinnen oben springen Kobolde – so kleine Höll'sche – klein und aufgeregt herum - mit Stein und Bogen in den
Händen, ein dritter bringt von hinten Pfeile aus dem Vorrat - sie sind vom Rauche schwarz und wie geschrumpft - und diese
trauen sich nicht, auf diesen schönen Herrn in Rot und Licht zu zielen - etwas hemmt sie - genauer gesagt schauen sie
schwermütig auf den fröhlichen Helfer und das, was er tut. –
Jedoch die alte Ovel-günne ist das nicht, es muß der Heid-Berg sein, am Elsen-Grund der Vechte – ist es ein Bild, das einst
geschah? - Es ist ja eine Schilderei, also was heute Reklame-Grafik macht – was schildert es und wofür kann das Annoncierung
sein? – Und hier: der erste der Befreiten, er späht mit seinen hand-beschirmten Augen zu ihr hin - direkt zu ihr so, über alles weg
– so wie benommen noch von dem, was er erlebt
- und etwa so: "Man hat das alles wohl gewußt - und ich hab's nur geglaubt." Zu so etwas, zu ihm schaut sie hinüber - die kleine Narwarinne - so: "G"tt-sei's-gedankt: dem ist nicht wirklich was passiert. - So
muß es sein."
#***#
Du siehst viel zu wenig - sagt Jan - etwas war immer schon da, um es zu schauen – doch solltest du es wiedergeben – na? was ist
zu sehn? – versuch du, es zu schildern.
Doch dann im Himmel-Zustand hast du Zeit und du schaust – erlebst, wie diese schönste deiner Hochzeits-Kisten eines Tages
auch alt ist - und die Farben entblättert - irgendwer hat sie schließlich für's Feuer genommen, gebraucht – na-gut, das gönnst du
ihm wohl, denn das Leben geht vor – doch die Art, wie sie achtlos mit Äxten - nur aus Wut auf den Reichen, der's hat, dein so
akkurat gutes Schild vom Rat-Haus zerhieben, aus Haß – das tat weh. –
Es gab ja immer mal ein Werk, das hat dir selber auch gefallen – und die Zeit ging drüber - und hin. Doch grad dadurch – da
staunst du des Tags wo von allem noch dies überstand, ist geblieben – daß da überhaupt etwas ist - und nun, da möchtest du auch
dies-Tages noch einmal auf deines zurück-kommen – denn dann wurde eins nach dem andern von niemand erwähnt - und dann
war ich vergessen – doch ist's 209-mal mein menschliches Gesicht – und dazu noch das Wie! – sagt er. "Noch kläglicher, wie ich es seh' – sollte man nicht einfach Kunst großer Meister vereinen, um sie neben-einander zu sehn und
verstehn?" – sagt er, wandernd mit Meister und Kleinen zur Schüöp'n Miss heran, schon um Horstmar herum und nun erstmal
bergauf – ihre Pack-Pferde müde, und die Wanderer meist schon verdrossen und still von dem Weg.
Der Schulze vorweg, hoch zu Roß, übergibt das Geleit an den nächsten, die meisten gehen einfach weiter daher, um im
Rhythmus zu bleiben – und der Jan hat sich auch schon die Beutel der Kleinen an dem Stock aufgeschultert, sie sind müde des
Gehens, man hat schon bemerkt, daß der Sand hier das Reich übernimmt, so ein Fein-Staub umwogt sie am trockenen Tag. Sie haben gerade ein großes Lehr-Jahr gehalten und sind rund um die Länder gekrochen, um von allen zu lernen, was gut sei und
schön – all die Bilder-Kopien und den Hausrat kann das Maultier kaum tragen. Klar, daß Jan es heute lieber hätte, wenn man
dafür nicht so ewig weit hätt laufen müssen. –
Und der Meister entsetzt sich: "Aber Junge, was soll das? - ihr werdet ärmer, wenn ihr Bild nur noch sammelt, vergleicht und
alles dann von da weg bringt, wo es entstanden war und der Ikone, einem Gruppen-Lebens-Wesen, ihren Beter wegnehmt." "Eine Freundschaft verödet, redet man über den andern schon mehr als mit ihm. Meint Ihr das, Lieber Herr Meister?" "Ja – und so manches, das scheint mir nicht gut da zur Zeit, wo wir waren. Für ´ne alte Lure der Römer – da sucht ihr noch wen,
der sie spielt, daß sie auflebt, wofür sie gemacht war" – murrt er – "doch ihr seht sie nicht mehr, die Musik, die ich geschildert
habe in dem Bild – ich spiel Euch doch auch! – und du weißt nicht-einmal, wer sie gespielt hat, die Musik in dem Bild – aber ich
hab sie dazu gebracht! - wieso kommt keiner, tanzt mit mir ? – Siehst du unser Mysterium nicht? - sind all diese Menschen, die
horchenden Ohren, dies Land - die ich dir vorstelle, sind das für dich nur-so-Leute-an-sich – und sonst nichts? – Wir lebten und
liebten vor Jahren – ihr morgen – und ich malte uns alle nun doch auch für dich!" – und der Jan ist nun still, denn es geht nur
bergauf und der Staub wird ganz arg. Und er schämt sich ein bißchen, sich so produziert zu haben. Seit sie die Florentiner trafen, hatte er gedacht, es gibt nichts Wichtigeres anzufassen, als die Neue Zukunft – er natürlich, denn er
war schon fast erwachsen – und das hieße, alles kritisch anzufassen, mächtig einzuteilen, wer zur Hölle, wer ins Fegefeuer, wer
zum Himmel-jetzt erhoben werden soll.
Die jungen Herrn zu Pferde, lustig, fröhlich – redeten so souverän und strahlten, während sie die Leiden aller Welt aufsagten, die
sie abzustellen planten - unbekümmert klang es, wo sie wen verstießen, den er dachte, der sei groß. - Sie hatten eine Woche die
Straße mit ihnen geteilt, sie sprudelten und rauften spaßend, fochten morgens mit den Degen, ehe es ans Frühstück ging – sie
aßen sowieso erst abends, ritten unruhig herum, weil ihnen alles hier zu langsam ging. Woher sie kamen und wohin sie wollten, hat er ganz vergessen, sich zu merken. Junge Kaufherrn waren sie, aus uralten Familien
des Südens, Vom Hilligen Vater wußten sie des Klatsches mehr als nur zuviel und es schien, daß es nicht geben könnte, das sie
respektierten, es sei denn ihr Lieber Padrone der Ghibellinen zuhaus in Florenz. Allen Mädchen und Frauen der
Wanderer-Karawane hatten sie schon fast den Kopf verdreht mit ihrem frohen Getöse und mit ihrem Ständchen zur Mitternacht
vor der Schlaf-Karre der vier hier Schönsten alle Mann aus den Träumen geweckt. –
Und über Nacht war'n sie weg.
Das Essen hat auch Jan geschildert – die Erwartung, denn der Deckel, den der Engel da vom Grabe hebt, scheint ihm der
Anbeginn der Fest-Mahls-Tovel, und darüber sieht man Gärtner Jesus vor der Magdalene mit dem Becher in der Wiese stehen, so
als rührten sie die Frage an, ob Kommunion für alle mit dem Wein so heils-notwendig ist – oder ob das Brot es schon vereint. –
Man fragte es da grad. –
Doch ein Inbegriff von Essen und der Kraft, die es verleiht, bleibt "Pferd". Genau das sollte ich malen und hab es so gelernt – sagt Jan – nachher wollte man aber beinah lieber als alles andere noch so ein
Pferd von mir haben und suchte den passenden Hilligen danach erst aus. Hab mich nie entscheiden können, ob das nun
vorzuziehen ist. Kennst du mein letztes Pferd, das von Münsters Hohen Dom?
Das Drei-Einigkeits-Steigen der Pferde zu Pauli Bekehrung im Münster-Dom? – denkst du – "Eine tolle Moment-Aufnahme!
Man weiß nicht, ob es einer ist, wo Mann samt Pferd sich so völlig wandelt – sowas als Zeichnung erfinden, das könnte ich nie.
Die Bekehrungs-Idee dieser Art – ohne Pferd – ja, dann ist auch Sankt Pauli Bekehr bei uns in den Samberg
gezeichnet?" – das ist ganz rechts zuunterst, zwei Wächter – ja natürlich, so zeigt sich Umwandeln eventuell auch –
wenn man's weiß.
Eigenartig, wie die vorderen Wächter da liegen – zuerst nach links und von hinten sehr plump wirkend ein fast burlesker, aber
unsympathischer Kerl in Zivil, wirkt auf den ersten Blick fast, als sei er von dieser durchbohrt, während – schaut man wieder die Spitze dieser Waffe wie irgendwie tückisch und heimlich auf den munter dem Grabe Entspringenden zielt, aber da liegt, als
ob er trunken und satt auf seiner Saufeder schläft – und er sieht Ihn Er eilt schon direkt zu ihm – hebt an, etwas sehr Freundliches zu ihm am Boden zu sagen. –
Und dann da erwacht er – nun nach rechts herum liegend, doch wie hinter den eiligen Jesus geworfen, als Gefallener,
Siecher-Mann, auf: in ganz anderer Kleidung, richtig als Kämpfer und Schütze mit Handschuh gerüstet und fertig – Pfeil und
Bogen vor sich hingestreut, betäubt gewesen, entwaffnet, um 1 Stiefel beraubt und nun blind oder staunend, hält sich den
verbundenen Kopf "Hab's kapiert!" - es ist das einzige von 209 Gesichtern, das apellierend in die Gemeinde – oder wenn als
Kabine gestellt, begreifend auf sich selbst der linkerseits noch der Verhafter war – den anderen 1 Stiefel an – hinaus zu
schauen "pflegt". - Kannst ja kommen, wann du willst...
Du meinst den Bauern-Bot. Man kann auch das Gleichnis vom barmherzigen Samariter dran zeigen, sagt Jan - wobei Jesus den Priester und der Engel den
Samariter spielt, weil darin eben keine Kritik an Priester und Diakon liegen soll, daß gesagt ist, daß sie den Geschlagenen
einfach nicht sehen, aber der Samariter ist grad genau drauf gestoßen. Wer den Landstrich hier bewohnt, kann das gut verstehn,
daß man vieles nicht sieht ehe man schon fast drauf-tritt.  Aber Apostel Sankt Paulus schreibt, daß dieser erste, dem Jesus erschien, Kephas war – und zu allerletzt sah er Ihn:
erschien ihm – es war wie Fehl-Geburt – umsonst zunächst.
Aber auch schrieb Sankt Paulus nach Macedonien:


Zieht an eine Waffen-Rüstung G"TT, damit ihr bestehen könnt gegen listige Anschläge Satans. - Ja,
wir kämpfen nicht mit Fleisch und Blut, sondern mit Mächten und Gewalten, nämlich mit Herren der
Welt, die in dieser Finsternis herrschen - mit bösen Geistern unterm Himmel. –
Darum ergreift die Waffen-Rüstung G"TT, damit ihr Widerstand leistet am bösen Tag, alles
überwindet und das Feld behaltet. So steht nun fest, an euren Lenden umgürtet mit Wahrheit, angetan
mit dem Panzer Gerechtigkeit. - Vor allen Dingen aber ergreift den Schild des Glaubens, mit
welchem ihr auslöschen könnt alle feurigen Pfeile des Übels, und nehmt den Helm Heil, das Schwert
Geist, welches ist das Wort G"TT: betet immerzu Bitten und Flehen im Geist und dazu wacht im
Gebet für alle Hilligen mit aller Beharrlichkeit – und für mich, daß mir gegeben werde das Wort,
wenn ich öffne den Mund...
Das war an die Philipper – Philippi ist die Hafenstadt des Großen Alexander in Macedonia, woher der kam, nach
dessen Vater Künning Philipp so genannt. –
Moment – Philipp? – Ein Philipps-Kruzifix ist auf der Tovel zentral, Apostel Philipp steht im Chor in dem Apostel-Fries nah dem
Altar und spricht "...von dort wird er kommen, zu richten die Lebendigen und die Toten" - zu Prophet Maleachi: "Dann komme
ich zu euch im Gericht und ich trete auf gegen die Übel-Täter, Ehe-Brecher und Meineidigen." –
Wenn die Altar-Schilderei rund-um gestellt den Altar mit der Hilligen Wandlung abschirmt, schaut der erwachte Verwandelte
auch direkt zum Apostel Philippus empor. Hat aber Schüöping soviel für Herzog Philipp v.Burgund bedeutet? –
Woher soll ich das wissen? – Er bedeutete uns was - sagt Jan - ich hab doch auch das Apostelfrues nicht gemalt - das wollten die
Schüöp'n Leut so gemalt haben, nach 50 Jahren mit meinerTowel.
Ein anderer Philipp als "der Gute" fällt dir hier wirklich zu der Zeit nicht ein, ganz nah und zumal mit derartig
gut-andalusischen Pferden und mit Fördern der Künstler und Meister, Jan van Eyck, Robert Campin, Roger zur
Weyden arbeiten für ihn. Er regiert mit fast 50 Jahren sehr lange, bis 1467 – er erlebt selber den Aufstieg und Abstieg seines großen Konzepts. –
Er regiert auch Holland – teils 1429 aus seiner Mutter Margarete v.Baiern ererbt, teils ab 1433 samt Seeland von Haus
Wittelsbach Baiern erobert - er könnte den balduin-flandrisch-byzantinischen Doppel-Adler versuchsweise führen. Holland ist
verschwägert mit unserem damals neuen und mächtig gewordenen hiesigen Vogt Advocaten Eberwyn Graf v.Bentheim - weiß
Jan - Und er war links der Ems schon ab Deventer unser Nachbar geworden. Ein paar "kleinere Philipps" finden sich um den Rhein nahe Wied, wo 62 Hervurther Wein-und Eisen-Berge zwischen anderen
stehn, Andernach gegenüber – direkt zu uns besteht die Beziehung, weil dorthin fährt der Meier Leutesdorf in einem von ihm
anzumietenden 4-Ruderer die jährliche Ernte und sie lagert bei Duisburg im Kelter-Haus der Abtei, wo der Meier von Stockum
alle 5 Jahre ein Schiff für ab Duisburg zu beschaffen und auszustatten hat, ihm obliegt der Vertrieb der Produkte – und unser
Zehnt umfaßt jährlich 2 Tovel-Metze für Abtei Hervurth – es wird also ziemlich sicher auch Eisen gewonnen, verarbeitet und von
Haus Stockum vertrieben – bis nach Augsburg anscheinend. –
Doch die südlichen Philipps haben mit uns anscheinend sonst wenig zu tun – Haus Stockum und die andern haben damals noch
keine eingeheiratet und wenn, nicht so hochrangig zum Altar passende..
Aber du denkst bei "Philipp" an einen prächtigen neuen Wallach aus Polen, mit Hufen wie Tellern und raben-schwarz,
der auf dem Hof zum Kauf zu Gaste war - wie er – ganz frisch kastriert – noch nicht so spürend, ob ihm da etwas fehle
– sich mit der Vorder-Hand in die Krippe stellte, um alls-gleich in dem Stalle die Macht anzutreten.
Und er schüttelt die prächtige Mähne und singt – bestimmt so ein feuriger Kerl! Ja. Da ist aber andererseits der Boß der Herde, Eddi, und Frühstück gibt's im Stall zuhaus, die kleinen sehr begehrten braunen
Krümel zwischendurch. –
Ganz frei dazwischen wandert klein und alt und zottlig-friedlich unser Lieblings-Pony Philipp mit dem
Doppel-Bein-Bruch durch die Gänge, der kleine Veteran, und ihm gelten keine Regeln mehr. Sein Job war früher:
Kinder in die Büsche werfen, bis sie frei zu fallen lernen, eh' die Pferde höher werden. –
Philipp also hört den Eddi fröhlich essend schnurpsen und bewegt sich rasch zu ihm – da nimmt der große Eddi eine
tüchtige Portion der so beliebten Krümel in sein Schmuse-Maul und sprüht sie für den kleinen alten Philipp griff-bereit
für dessen Lippen rüber vor die Füße. - So regiert Eddi auch, indem nur er die Seinen kennt. Wer aber den Philipp nicht
kennt, ist nicht Boß hier im Stall – es ist einfach so. Klein Philipp wird ihm vermutlich nichts zum Danke geben
müssen, und dem Neuen wird er nicht zum Rivalen. –

Das Propheten-Fries mit dem Credo wurde aber erst 1512-20 mit dem neuen Chor gemalt, als alle ihre Chor-Nische aus dem
halben 8-Eck bilden sollten wie Des Isernen Kaiser Karl selig Tauf-Kapelle Aachen ein volles 8-Eck ist – da ist immer noch
Philipp-verehrend gedacht - wie an einen eigenen Barbarossa, den man wieder-ersehnt: "er wird wiederkommen zu richten"?
–
Es ist auch - sagt nun Jan - reitend auf einem Pferd – gehend bei einem Pferd - ich würde sogar sagen: sogar liegend unter einem
Pferd - denn welcher Reiter war nicht auch schon einmal dort? - wie ein anderer Ort als derselbe Weg ohne es. - Das Pferd als
Platz ist selbst ein Ort, wie einer, den du träumen darfst, jetzt noch bis dorthin so zu gehen - und dann – wir werden
weiter-sehen". –
Du wirst dir nicht vornehmen, daß es dabei bliebe – denkst du.
Aber hätte denn ein Maler-Geselle damals selbst reiten dürfen? Drauf zu sitzen ist gar nicht das Wichtigste – erwidert eifrig der Jan - es am Zügel zu halten – oder auch dich an den Zügel zu
halten, strahlt ganz genauso auf euch aus, besonders der einfache ruhige tief unter-greifende Gang für die längeren Wege – der
macht das Pferd mehr zum Pferd als die vielen Figuren.
Ja, denkst du – leuchtet dir ein – obwohl du dich in dem Moment auch erinnerst, daß auf dem Land es wohl ganz sicher
ist, daß ein jeder, der dran kommt auch drauf war, auf Pferden – wo man unter sich ist. Diese Zeit-Verschiebung beim Pferd auf dessen Zeit-Gefühl nimmt dir jede historische Mühe, immer zu wissen, was Innen, was
Außen, was Vorher, was Nachher mal war oder sei. Zeit-Verschiebung ist etwas ähnlich der Liebe – des Pferdes Aufmerken, es
geht um Einzelheiten. - Wenn einer liebt, dann findet er ganz viele Feinheiten heraus – und alles scheint ihm oder ihr Beweis des
Muß zum Lieben. Das Pferd hat viele Eigenheiten, es nützt dem Reiter, sie zu kennen – zum Beispiel, was es "immer" scheut. –
Nur, diese Art Liebe bringt das Pferd genauso und viel schneller auf: Es unterscheidet an den Reitern bald, welches Hinweise an "uns" sind und welches einfach nur, daß der da lebt und sich bewegt.
– Es deutet auch Behinderte genauso einfach mit, es kritisiert sie gar nicht- ebenso interessiert es am Künning nichts Anderes als
an sonstigen Menschen – es bezieht nicht Partei.
Wenn Künning Salomo zuviel des Guten, also übel tat, dann war es, daß er seine Pferde häufte, wodurch er bei 3.000 schließlich
gar keins näher kennen konnte und so bei aller Weisheit dieses nie erfuhr – die Zeit nach Maß des einen Pferds. –

Mit seinen 1.000 Gattinnen war es so ähnlich – sein Vater David hat von seinen Frauen noch Erzählens-Wertes, Sohn
Salomo – da kennt man nur die Anzahl und daß anläßlich für eine, welche die Pharao-Tochter war, der Millo gebaut wurde.
Du schaust dir in der Schilderei die Pferde nochmal näher an. –
Also bitte! - es sind keine 3000 und auch nicht zu exzessiv dargestellt. Paßt du gut auf, sind es für 17 Reiter 12 Pferde und davon
nur 1 ganz gemalt, um die Rasse als andalusisch edel zu definieren, von den andern oft nur soviel, um unsere Leder-Manufaktur
an Zaum-Zeug zur Geltung zu bringen. Man lebt eben hier vielfach vom Schustern und möchte es dem Segen G"TTES empfehlen.
–
Genauso die Textil-Industrie, man sieht schöne Brokate, feine Wolle und Leinwand, Baumwolle auch, und manche im
Bild bleiben ihr Muster erwartend schraffiert bestehen. –
Es kam nicht. =***=
"Ja – habt Ihr gesehn" – zeigt Jan-Hendrik gleich nach Überschreiten der Gemarkungs-Maute in Schaghorn seinem Lieben Herrn
Meister beim Weiter-Gehen seine Reiter-Skizzen vom Inthronisierungs-Zug Seiner Eminenz Bischof Hendrik vMoerss, er hatte
sie schon koloriert – "keins hat ein gleiches Zaum-unnd Sattel-Zeug an – es gibt gold-farbene, rote und schwarze Leder mit
Beschlägen, teils kostbar, teils schlicht – alles von unserer Gaffel, das stellen die im Wigbold hier genauso her. Die Rasse –
dezent rams-nasig und in vier bis fünf Farben – sehr vornehme modern, Andalusier-Pferde – die hatten sie ja auch in der
Remonte hier bei den Köttern von Gemen, hat mir ein kleven Knappe in Münster erzählt - In der gemalten Gang-Phase erweisen
einige Pferde wohl Reverenz, während die Reiter anscheinend innig plaudern oder anders-wie abgelenkt sind. Und der vordere
bischöfliche Schimmel - und der des Erf-Exen – diese erkennt man doch ganz genau, nicht? - in diesem Blatt ist es das einzige
genügend komplett gemalte Pferd – in Haltung des Stadt-Siegel-Schafs von denen. Wißt Ihr, Lieber Herr Meister, ich dacht mir –
wenn wir das dem Ehrenwerten Rat von Schüöping gleich anbieten, werden sie Euch sicher gut aufnehmen." –
Der Meister begutachtet das Blatt und sagt: "Sehr ordentlich, also für Pferde, da hast du Begabung – an den Händen, da mußt du
noch was arbeiten, guck doch mal hin, Junge, Hände sind sie in Ruhe und nie gleich und man gibt sich Zeichen damit, die eine
ganze Sprache ersetzen, im Ausland anderer Sprache oder wo es zu laut ist – aber mach eine Einzel-Schilderei von dem hier,
dem weißen Schaf – ein Auszug, schau mal, so" - er umrahmt, was er meint, mit dem Daumen-Winkel –
"Der Einfall ist gut, mein Jan, den für's Wappen verschenken wir. Das Andere heb man noch auf. Könnt gut auf den
Kalvarien-Berg mit rein. - Wird sehr echt aussehn." –
"Ja, Lieber Herr Meister, und" – grinst Jan-Hendrik schaden-froh – "habt Ihr in Erinnerung, wie die Posteriores in Warendorf
von Varken entlehnt sind?" –
"Naja, ich bekomm' sie auch nie so besonders hin, eben, ich möchte nicht, daß man das nachher von unserm spricht, also fix,
Junge, mach den Auszug fertig in Rötel, Kohle, Kreide und als Aquarell, das schaffst du noch, dann holen wir die anderen noch
allemale bis zur Welle ein, ich kenn da einen kurzen Weg." –
Sie bitten den Schulten, sich kurz setzen zu dürfen und Jan-Hendrik macht das Blatt schnell fertig. Dann folgen sie. –
Jan-Hendrik war eben einige Wochen vom Meister in der Warendorfer Maler-Werkstatt gelassen worden, um etwas dazuzulernen
über Bild-Aufbau eines Grab-Lege-Mysteriums und die hiesigen Bezugs-Quellen für Farben, Öle und dergleichen, und hatte ihn
abgeholt zur Inthronisierungs-Feier in Münster, um dann einen Auftrag nach Schüöping anzunehmen.
Seine Eminenz Hendrik Grave v.Moerss war 18 Monate lang von den Ratsherrn der Stadt daran gehindert worden, nach dem
wirtschaftlich günstigen, aber auch sehr energischen Bischof Otto Grave v.d.Hoie sein Amt anzutreten, aber nun war alles
geklärt. – Da standen Handels-Beziehungen nach Bremen hin gegen solche nach Colna-Burg hin auf dem Spiel und ein Bruder
Tiderik Grave v.Moerss regierte schon Erz-Bistum Colna-Burg – manche wollten nicht soviel Verfügungs-Macht hier
hinein-wirken haben.
Schüöping wird ganz interessant, es sieht dem neuen Bischof mehr erfreut entgegen, weil der Vorgänger ihnen ja Krieg gebracht
hatte und die großen Kanzleien aus der solmsschken Zeit nach Horstmar gezogen, das Wigbold eifersüchtig abgeschottet und die
ahauser Burg OvelGünne niedergelegt. Die Mehrheit der Gemeinde sind ja Freiherren, Schulten-Hansen und Bauern. Die hoffen
bestimmt nun auf wieder gute Tage. Des Grave v.Solms tapfere Agnes - Erbin von Falkenstein, wo die Maas gen Britannien im
Insel-Gewirr hinausströmt - sie ist verehelicht mit Rudbrecht V Grave v.Virneburg im Wiedischen Gebiet am Rhein, wo unserer
Äbtissin Leutesdorfer Wein- und Eisen-Berge Nachbar sind. Der Erb-Sohn heißt schon Philipp – was so gut wie ein Programm
ankündigt. Ein Burgunder-Reich ab links der Ems Nordsee bis herunter nach Avignon ans Mittel-Meer, das wäre vielen lieb und
ganz natürlich. Man ist die Strecke oft gefahren. –
Allerdings Abtei Hervurth als oberste Landes-Herrlichkeit und Wirtschafts-Grund der meisten Freiherrn-Güter, der
Metze-Schmiede und so beschnuppert eine andre Möglichkeit, sich Frankreich zu verbünden, wenn es nicht so träge wäre –
momentan sitzt der Dauphin verlegen still und duldet es, daß der englische Thron einen eigenen Künning v.Frankreich in Paris
und Orléans zu sitzen hat. –
Nur schade noch, daß Herzog Philipp v.Bourgogne noch mit den Engländern paktiert. Ja - und der Weih-Bischofs-Wechsel von Inquisitions-Dominikanern zu Minoriten wurde still-schweigend auch mit Erleichterung
zur Kenntnis genommen. –
Man ist ja gerne recht-gläubig, aber daß das mit soviel Kleinkram zu tun haben soll, geht einem nicht so schnell ein. Warum sich nicht einfach der hilligen Geheimnisse freuen? –
Darüber philosophiert der Liebe Herr Meister mehr oder weniger allein vor sich hin, während Jan-Hendrik, sein Großer, mit
halbem Ohr zuhört und nur Ja-ja und ach-tatsächlich? - einfügt, wenn er eine Pause hört. Die genannten Orte bedeuten für ihn nur wieder endlose Märsche, falls man sie aufsuchen wollte – also so gerne zockelt
Jan-Hendrik nicht umher – dagegen, hätte man so ein Pferdchen, ganz ein ehrliches – dann säh das völlig anders aus, denkt er
und gibt sich Mühe mit dem polster-weichen Schwung der Rücken-Linie und den festen, raum-greifenden Fesseln und Hufen –
seine ganze Sehnsucht legt er da rein, besonders, seit er die lustigen jungen Herren aus Florenz gesehen hatte. Wenn dort die
Kauf-Herrn reiten – warum sollten nicht dereinst auch Schilder-Meister diese Ehre haben? =***=
In anno 1427 ist wieder einmal die Saison, daß vor Sünt Annen Kirmes Schüöp'n Umdracht naht.
Laurenz ist mit Öhm Akku zur Straße aus Asbeki gegangen, um ihre Dienste als Führer durch die Gemarkung anzubieten. Die
Wege sind nicht so ganz gründlich befestigt und mit tiefen Gräben – wo Übertretende Wasser sich selbst ihre Wege gegraben
haben – immer wieder unübersichtlich durchkreuzt. Natürlich kommen Einheimische damit zurecht, aber es schützt sie vor
eiligen Fremden, daß es sich öfters verändert. –
Und – naja – wie es das Strand-Gut-Recht an den Küsten gibt, gibt es das ähnlich zu Lande, wenn die Fracht irgendwohin den
Boden berührt – nur 10 Hand-Breit über der Erde ist es zur Passage frei – Straßen, die nicht glatt passierbar und befestigt sind,
wurden hier immer wieder der Raub-Ritterei verdächtigt. Leute verlieren hier leicht die Orientierung, weil es rund-herum licht
bewaldet und sanft wellig ist – nur selten erlaubt eine Stelle, sich etwas im Voraus zu orientieren. Also berührt hier so manches
den Boden. Wenn der eine Bewohner sich eine Ableitung lästiger Wasser gegraben hat, stören sie bei Hoch-Wasser den andern.
Gräbt dieser sich eine Entlastung und wallt sich die Gebäude ein, erwischt es einen nächsten.
Das ist noch nicht ganz begreifbar, ob es dafür Regeln gibt, wohin Wasser ausweichen, und die verschiedenen Grund-Eigner sind
dafür auch nicht immer zu gewinnen, es überhaupt anzusprechen. –
Darüber - und über die geeignetesten Wege für schwere Wagen in diesem Jahr - reden Öhm Akku und Laurenz am liebsten. Ihr Schaden ist es ja nicht, daß man hier hindurch immer einen Scout braucht. Sogar einige Schulten leiten ihren Titel vom
Pfad-Finder ab. Längere Strecken sind ziemlich morastig, Wagen der Besucher fahren sich leicht fest oder kippen mit zu hoher Ladung um,
Pferde geraten mit den Hufen in die Riesel-Gräben – wenn Öhm Akku und Laurenz dann schnell zur Stelle sind, ehe es ein
Grund-Eigner mitgekriegt hat, fällt oft ganz schön was freiwillig an sie ab, haben sie heraus-gefunden. Andernfalls verlöre der
Wagen ja möglicherweise das Ganze. Sie kennen die ganze Gemarkung genau. An der Gemarkungs-Grenze angekommen brauchen sie nicht lange zu warten, denn sie treffen die Quartier-Macher der neuen
Eminenz Weih-Bischof Antonius. Der schaut sich zur Zeit seine Gemeinden der Reihe nach an und man ist recht gespannt, wie es
nun wieder mit Minoriten weitergehz, nachdem die vorherige Eminenz ein Prediger-Bruder war.
Ein Vetter der Lieben Frau Mutter Aleidis ist Minder-Bruder, und Laurenz freut sich: "Jetzt sind wir wieder dran, Lieber Herr
Öhm." –
"Wart man ab," dämpft ihn der Onkel – "beide Armuts-Orden sind als Antwort die auf sich von der Mehrheit der Gemeinden
absondernden Radikalen entstanden, die einen wie die andern ziehen für die Lehre vor, daß der Fromme arm wie Jesus lebe,
legen Wert auf genaue Kenntnis der Einzelheiten des Glaubens und möchten verhindern, daß nur getreue, aber an der Lehre
unbeteiligte Einzelne wegen Verirrungen ihrer Herrschaft zu Schaden kommen und gar des Paradieses verlustig gehn." "Prediger-Brüdern untersteht aber doch das Hohe Glaubens-Gericht des Hilligen Stuhls, unser Onkel Minorit ist munter wie die
freien Vögel," - sagt Laurenz –"Minder-Brüder sind so fröhlich." – "...und kamen damit schon öfters in Konflikte." –
"Prediger-Brüder trauen aber auch den Ritter-Orden im Ganzen nicht so ganz über den Weg, besonders, seit die deren
Rävala-Truppe erschlagen haben – anno..." –
"Ach, diese Geschichten laß man ruhen, das ist längst beigelegt." –
"Aber der Edle von Fiefhusen, als er hier durch-kam, hat gesagt: Die Ritter-Orden zur Versorgung des durch die Welt pilgernden
fahrenden Volkes prägen unsere Region genauso wie die Fürsorge der alten Abteien und der Chor-Herren für die seßhaften
Eigen-Behörigen ihrer Ländereien. –
Und so hab ich es in Varlar gehört: es sind ja nicht gleich alle Leute gelehrt, da muß auch nicht das Ordens-Haus selber arm
bleiben." –
"Wenn es die Stifte nicht gäbe, würden die Höfe jeden Monat einem anderen Ritter zu-behören, wegen der vielen Fehden im
Lande." "Das sagen die Lieben Frauen in Asbeki auch, hat Matha gesagt: Wie kann einer so unbedacht sein, gar kein Land für die ganze
Gemeinschaft besitzen zu wollen?" Öhm Akku und Laurenz sind schon sowieso bitter arm und möchten lediglich mit allen Seiten gut auskommen.
"Wat Ju nich' all'ns wejt't, min Laurenz," mahnt ihn der Liebe Herr Öhm Akku – "So verrückt sind die Armen-Orden auch
nicht. Jeder Mensch ist durch seine Verwandten mit irgendeinem dieser Orden näher verpflichtet. - Sie wollen nur nicht vom
vielen Verwalten gehindert sein, sich um ihre apostolischen Dienste zu kümmern. Grund-Besitz bindet doch viele
Erhaltungs-Pflichten an eine Region, weil die Eigen-Behörigen Schutz für ihre Existenz durch die Besitzer brauchen und ohne
die Erben selbst nicht die großen Hospitäler, Schulen und Erschließungs-Projekte erhalten könnten. Du siehst doch, wie die
v.Hake und Brüning zugrunde gehen, wenn sich durch zu viele Heer-Züge niemand mehr um die Liegenschafts-Behörigen
kümmert." –
"Aber wie halte ich sie auseinander? Der Hillige Winn-Fries Abt Bonifatius, den sie in Dokkum umgebracht haben, ist doch
bestimmt ärmer durch die Lande gereist wie der Hillige Bischof Liudger, der hier-herum alle seine Verwandten zu wohnen hatte
– den hat hier auch keiner derschlagen." "Och, da kann ich dir was sagen, paß acht: ich orientier mich einfach am Gründer, aus welchem Stand dieser herkam. Der
Hillige Wynfrith Bonifatius aber kam als Abt und vom Hilligen Stuhl in Rom als Erz-Bischof von Mainz in die friesischen Gaue,
der war für eine Geistlichkeit, deren Waffe im Geistlichen liegt und die nicht Heer-Folge zu leisten brauchen, weil es das
Fried-Recht gibt. Benediktiner sind aus Latifundien-Wirtschaften – das sind römische Land-Güter - entstanden und zur
Urbar-Machung neuer Erb-Lande da, für die anvertrauten Bauern-Völker, damit die Menschen alle eine Nahrung haben und
Überschuß für die Städte, See-Fahrer und Regierungen beschaffen, und daß die Hilligen Gräber der Ehrwürdigen Väter auch
immerzu ihre Memorie haben. - Unser Hilliger Bischof Liudger kam von Künning Iserner Kaiser Karl selig aus, das war eine
hiesig mit Jagd-und Weide-Gründen begüterte Graven-Freiherrnschaft, die waren in der Nähe herumschweifender räuberischer
Küsten-Fahrer für einen wehrfähigen Orden. –
Seither wurden Bischöfe Heer-Führer. Wilhelmiten sind aus ritterlichen Pilgern her, die sich oft kämpfend und darbend vergessen haben und im Alter dessen schämen –
um nicht auf den Straßen in irgendeiner Einöde der Fremde allein zu verkommen, wenn man denn endlich zur Ruhe kommen
möchte oder Buße tun muß, sie wollen nun das Erbe der Sippe nicht weiter schmälern, also nichts kosten, - Deutsch-Herren,
Liiv-Herrn und Johanniter sind aus dem Landes-Adel, Norbertiner aus dem Klein-Adel in Land und Stadt zum Schutz der Wege
dessen, Pflege, Versorgung, Besuch und Ehrung des Hilligen Grabes und der Rechte. – Die alle kennen nichts anderes als das A
und O, daß einer die Lande besitzen muß, um darauf Leben auch der Armen zu sichern. Aber Minder-Brüder aus der fahrenden Kaufmannschaft der Städte und Häfen sind ja nie Bauern gewesen und Prediger-Brüder
aus seßhaften Dom-Herren waren schon Pfründner aus Ministerialen-Familien ohne viel Land, beide kennen sich ohne
Eigen-Land besser aus. – Eh – ja – so ähnlich." – "Aber Stift Borghorst ist mehr norbertinisch wie Varlar, hab ich gehört. Wie
kommt das?" –
"
Die Cappenberger Graven wie der selige Götz und der selige Otto in Varlar waren hier als Brüder der Arnsberger einst große
Herren im ganzen westfälischen Land. Sie schenkten ihre 105 hiesigen Ritter dem Bistum als Burg-Mannschaft – man darf ja
Eigenbehörige nicht opfern, wenn man sein Erbe den Armen opfern will. Zum Beispiel die bischöfliche Tovel-Rünne zur Nien-Borg und die zu Horstmar – das sind ungefähr die 30 aus dieser Region.
Viele kamen durch Kaiser Barbarossa aus dem Suur-Land hier herunter hinzu. –
Stift Borghorst neben Stemwert gehört aber – das weißt du doch? – dem Norbertiner-Bistum in Magdeburg zu, es sind keine
Hiesigen darunter, sondern das ist deren Straße und Haus-Kloster der alten – eh" – er schaut vorsichtig, daß ihn niemand hört
–"der alten Billunge. Die geben Geleit und Station für alle von der Norbertinischen Kongregation, was für den Weg nach
Avignon zum Hilligen Stuhl dort sehr praktisch war.""Aha. Ja." – Laurenz senkt jetzt auch die Stimme, denn davon hat er schon gehört, daß man diese nicht mehr erwähnen solle, um
keine Geister zu rufen – "Gibt es davon noch welche?" –
"Ich hab was munkeln hören, daß es da unten im Westerwald im Engers-Go noch einen Rest Billunge gibt, da bei Leutesdorf am
Rhein, wo uns der Wein und das Eisen her kommt – aber quatsch das nicht rum, es sind brave und fleißige Leute." "Das hab ich in meinem ganzen Leben noch nie gehört. - Bist du aber klug!" – preist Laurenz den Lieben Herrn Öhm und dieser
lächelt amüsiert – Laurenz ist ganze elf Jahre alt, mit seinem "ganzen Leben". –
"Und woher kommt unsere Umdracht?" – fragt Laurenz gleich weiter, als sie in Gesprächs-Entfernung jeder ein Leit-Pferd des
schweren Vierer-Gespanns mit dem Kanzlei-Hausrat Se8iner Eminenz an der Hand haben und es geschickt über die zerfahrenen
Strecken lenken. "Bei dieser Umtracht" – erklärt der Liebe Herr Öhm dem wißbegierigen Neffen geduldig - "nehmen unsere Reiter hier jährlich
das Kreuz – so wörtlich – und erfüllen ein Versprechen, das - wohl keiner weiß, seit wann - versprach, daß immer welche dieses
tun, in jener ersten Zeit, da hieß das, nach Jerusalem zu ziehen und sich drum kümmern, daß auf irgendeine Weise jeder Sünder
diese Chance habe, dort Vergebung seiner Sünden zu erlangen – seien sie auch noch so schwer." –
Indessen ist Seiner Eminenz Quartiermacher Ritter v.Sasse näher zu ihnen geritten und möchte auch Unterhaltung für unterwegs,
dies Thema wird Seine Eminenz sicher auch interessieren.
Der Alte da scheint recht kundig zu sein: "Das wüßt ich auch gern, meine Leut zu Keppel stellen ja dies Jahr die zwei Wachen
dafür." "Eh, ja, also – also die Fahrt nach Jerusalem war zur Vergebung mancher Sünden immer als verdienstliches Werk ausgelobt
worden und viele hier gingen damals auf Sünt Biärnds Begeisterung ein. Man weiß es ja, daß die Vergebung auch auf andre
Weise zu erlangen ist – doch dies versprach man eben einmal für sein Haus und im Vertrauen darauf, daß die Kinder lieben
werden, was der Vater einst begann – und sein Wort muß man halten, sonst verliert man den Segen. –
So bleibt der eine Bauer und der andre Schneider und ein dritter Ritters-Mann und jeder opferte dafür so manches, was ihm auch
mal lieblich vorgekommen wäre. Was man nicht jetzt versuchen kann, verschieben sie zum Himmel-Reich. - Ganz klar, daß umso
mehr nun sicher werden sollte, daß jeder das dann auch erreichen kann. Seit nun die Fahrt nicht weiter nach Jerusalem zu fahren hat, sind diese Versprechen mit höchster Erlaubnis umgewandelt
worden und man darf das Wort als gegebenes Wort auch anderswie wörtlich erfüllen. Also nehmen sie hier jährlich unser sehr
großes und schweres Sünt Hülpe Kreuz auf die Pferde – am Tage Divisio Apostolorum oder nahebei – und bringen es feierlich
um die Gemarkung bis zum Burloe – zu den Klausneren – und zurück – 26 Reiter und 2 Wachen – und dann teilen sie sich zu
zwei-und-zwei und tragen die Fackeln mit Licht von der Ewigen Lampe hinaus zu den Häusern und Höfen der Sommer-Nacht. –
Anstelle der Predigt singen die Spiel-Leute nach der stillen Messe des Morgens danach die Saga vom jähzornigen Ritter Ballin,
der so furchtbare Sachen verbrach und zur Buße, um wirklich ein andrer zu werden, bekam er beim Pönitentiar den Auftrag, ein
lebendes Flämmchen vom Hilligen Lande zu holen und in die heimische Kirche zu bringen. – Hin-zu brauchte er nur drei Monate
– zurück-zu aber 87 Anläufe und mehrere Jahre. Es ist hierzu dann vorgesehn, daß von allen Höfen und Häusern her die Einwohner zu der Früh-Messe kommen, mit Lichtern aus
diesen Fackeln. Die Beteiligung ist aber nicht allzu stark – das war immer schon so, außer wenn viele sich für etwas schämten. –
Anschließend wird ein Asperges gesungen und mit Wasser gesegnet, dann beginnt auch schon baldigst die Markt-Vorbereitung
des Ortes." –
"Aha, so läuft das ab. Habt Ihr in der Gemarkung denn auch soviel Pferde?" "Och - die Pferde für die 2x13 Reiter – die werden immer irgendwie beschafft." – antwortet vorsichtig der Öhm – "Man kriegt sie
zuweilen gehuert ja auch für einen Tag. Es ist ja mehr eine Ehren-Sache, haben sie an der Welle gesagt. Selbst im Jahr als die Ovel-Günne entfestigt worden ist, sind von
den Höfen der auswärtigen Besitzer die Pferde und Reiter gekommen und da war früh-morgens die Apostel-Divisions-Messe
proppe-voll – ist doch nich' für uns, sondern für'n Leiwen G"TT." –
Das ist hier aber ja-praktisch, so besehen – denkt Laurenz - mit den vielen Herrschaften und Schulten auf so engem Raum und
gemeinsamer Kirche: Mit wem auch immer sich's – behüte – mal irgendwer verdorben haben könnte – mit allen kann's keiner
zugleich verdorben haben. –
Die Kaufleute mit den Meistern vom Wigbold haben nun vor, für alle eine schöne Hillig-Grab-Schilderei zu stiften – eventuell
kann man auch diese zur Hillig-Kreuz-Umtracht mitnehmen, sagten sie, eine Schilderei ist ein Bild, auch ein Kruzifix ist ein Bild.
–
So etwas muß aber erst noch gemeinsam beschlossen werden – die ehrwürdige Tradition zu verändern hat manche schon ganz
abgeschafft – und diese Wig-Paol-Börgers kennen sich mit der Ehre von Reitern noch nicht derartig aus. Sie hatten ja keine
jährliche Umdracht versprochen. –
Sie haben auch ihre Ehre, das schon – man ist sich ganz einig: ein Wort ist ein Wort.
=***=
Nun biegen sie mit dem Zug auch schon um Schulte Wasser-Künnings Herbergs-Hof ein und verabschieden sich schon da, wo
der Weg wieder ganz fest ist und gehen andersherum heim, um den Lohn zu Frau Aleidis am Kirch-Hof nachhause zu bringen,
war heute mal wieder ganz gut ausgefallen, drei Denare Münster-Penning für jeden und einige schöne kleine Seiden-Tüchlein,
ein Kettchen Glasperlen mit Rosen und Kreuzchen drauf – gesegnet zum Gebets-Gebrauch – und man kennt neue Leute schon
vor den andern im Ort.
Des Graven v.Stemwert Pagen – heute sind es drei – sie hocken unten an der Welle, haben flache kleine Hölzken-Plättken an der
Mauer passend zugeschliffen, pitschern damit um die Wette, welche wohl am meisten hüpfen – juchzen leise, kichern vor
Vergnügen. Ein Stücksken weiter legten sie sich einen Ast hinüber, woran die Scheibsken hängen-bleiben - und wer verliert, muß
sie dann wieder holen gehen, der wird naß. An sich sind sie ja vier, nur einer ist heute nicht mit – sie heißen immer Jaan und Hein und Claas und Pitt. –
Die vier, die heißen immer so – geht einer fort und einer kommt in dessen Position, dann heißt er so, wie der, der frei ward, und
jeder hat die eignen Dienste. Es sind Burg-Männer-Söhne. Jan und Hein bedienen bei Essen und Kleidung, Claas beim Reiten
und Pitt bei den Waffen. - Meist bleiben sie ein halbes Jahr, das beginnt aber jeweils der Reihe nach sechs Wochen später. So
lernen immer drei den vierten an - normalerweise. So gibt es immer Jaan und Hein und Claas und Pitt. –

"Genauso wie später die in dem Lied, die immer auf Kaper-Fahrt fahren, Bärte tragen, fauligen Schiffs-Zwieback essen,
Tod-und-Teufel nicht fürchten?" - überlegst du
– und Jan sagt: Ach, sowas sagt man bei euch im Jahrhundert? – Mag wohl sein, paßt gut auf sie.
Heut steht aber nichts von alledem an.
Die vier Pagen sind also heute für sich, dort im Bach, sie haben jetzt Freizeit, denn der Liebe Herr Grave v.Stemwert als Schulte
Schüöping, der er noch ist, sowie Erf-Exe und Holz-Richter in dem Stroenfeld und der Wersche Mark ist mit Geistlichen Herren
unterwegs, mit Seiner Eminenz dem Weih-Bischof Minorit Anton. Sie haben eine andere Strecke Wegs als der Kanzlei-Troß, der
ja vor ihnen ankommt und alles vorbereitet. Sie lieben es, sich zwischendurch noch zu Pferde zu tummeln und ein bißchen um
die Wette Gelände zu reiten, weil ihre edlen Pferde das städtische Ruhig-Verhalten nicht allzugut leiden mögen.
Auf schwierigeren Strecken geht es wieder gemütlich im Schritt, man läßt die Pferde sich sättigen und bespricht dies und das.
Unter anderm wird die Spende einer guten großen Holz-Tovel behandelt, dieses liegt nicht zum Finden im Sand oder wächst so
frei pflückbar am Anger. Eiche soll es werden, abgelagert, gute grade Bretter ohne Ast und Krümmungen. Am liebsten sucht ein Schilderer sich diese
Bäume selber aus. Nun ist man im Moment mit solchen Eichen knapp versorgt, erst kürzlich wurden wieder Schiffe für Duisburg
gebraucht – eins muß man, drei kann man genausogut brauchen - es gäbe aber noch eine passende, doch grad auf Bischofs
Eigen-Gut Volmer in Heven-Ramsberg, bei der Werschken Mark. –
Es geht um einen Grenz-Bestand: "Zur Zeit markiert grad diese Eiche dort des Grundstücks Ecke, man wird anstelle ihrer einen
Grenz-Stein setzen. – Dies Holz wird man gegen fertig abgelagertes aus dem Vorrat für Wein-Fässer beim Wagner vor Duisburg
tauschen können, weil so eine Schilderei ganz eben erst geschliffen werden kann, wenn das Holz völlig ruht, hat die Gaffel
verlangt" –
"Wer ist die Gaffel?" –
"...na, so Zunft, Gilde, Gewercke" –
"Aha, ja - man weiß sowas nicht, aber will sich darüber im Moment auch nicht streiten, die Gunst der Gaffeln ist zur Zeit ein
heikles Ding." Seine Eminenz, der Weih-Bischof Antonius war bislang Lektor der Minoriten zu Münster und hat sich mit derlei Problemen
bisher nicht beschäftigen müssen, er findet es sehr interessant, daß man sich hier im verregneten Hinterland des Vechte-Bogens
mit Schiffs-Bau und Wein-Fässern abgeben muß – weit und breit ist doch kein Meer oder Strom. –
Erklärt mir doch, was habt Ihr mit der Schiffahrt zu tun?" –
Der Grave v.Stemwert stutzt – ach ja, natürlich, das kann der Geistliche Herr aus den Minoriten nicht unbedingt wiessen, was
Abtei-Gerechtsame von Hervurth betrifft. –
"Das hat – mit Verlaub – mit unserer reichs-unmittelbaren Belehnung in Hervurth zu tun. Eine Kammer, die zu Ehren der Sünte
Pusinna von Kaiser Ludwig teutonicus an Hervurth gestiftet wurde, gab der Abtei duas casas dominicatas aus Reichs-Gut zu
eigen, Arenberg und Leutesdorf im engers-Go, mit alten Namen Queranberg und Lidwinesthorp auf Drängen seines EhGemahls
Emma selig. Die Lieben Fräuken erwarben mit eigener Hände Arbeit noch vom seligen Godfrid und anderen weitere Berge hinzu, wie
Wienes-Wald und Huenberg-Huemeriche. Allein schon die Curia Leutesdorf versorgt 14 Wingerte in sechs Gemarkungen. Dann
kam noch die Curia Gudulas-Heim sive Gülleshem hinzu, wo die Ehrwürdige Mutter Abatissa mit 60 Pferden alle drei Jahre ihre
Kanzlei zu Verwaltung einreiten läßt, nach einer Nacht verteilen sie sich zu je secjs oder sieben Pferden zur Inspektion dort. Ein alter Kontrakt verleiht den Aufgaben-Bereich des Meiers zu Stockhem, seit Kaiser Ludewig pius, dieser fiel eines Tages mit
dem des Schulte Schüöping zusammen, und unser Haus war zugleich Advocatus der Abtei.
Der Meier zu Stockhem jedenfalls hat seit Menschen-Gedenken im Rahmen der Wein-Fahrt-Fron an die Lieben Frauen
Sünte-Pusinnas-und-Unser-Lieben-Frau Maria zu Hervurth alle fünf Jahre ein Schiff zu beschaffen und auszustatten, welches
vom jeweiligen Meier zu Gündeleshem die Güter des Vier-Ruderer-Rhein-Schiffs ab dem Kelter-Hause bei Duisburg übernimmt,
dem die Villicatio Scopinge mit 1-Pferd-Rhein-Fuhre-Fron schon in Leutesdorf jährlich beim Beladen beisteht – Ihr wißt ja,
Vertrauen ist gut... Es ist einerseits Wein, und andererseits Roh-Eisen, etwa Kupfer und ein Geringes an Silber, das man dort schürft.
"Unser kleineres Schiff verteilt die Waren zum Verkauf und nimmt einiges Eisen zur Weiter-Verarbeitung hierher – seht, unsere
sogenannten Tovel-Metze, hier," – und er zeigt sein großes Busch-Metz her, ein leichtes, geschwungenes All-Zweck-Gerät, mit
dem er unterwegs schon gelegentlich Äste aus dem Weg geräumt und Himbeer-Hecken durchreitbar geschlagen hatte. "Es ist
kein eigentliches Schwert, also ehren-frei von jedermann führbar, darum heißt es Metz." –
"Heißt man dies nicht anderswo Säbel?" - fragt skeptisch der Geistliche Herr Tiderik Hensonis, der neue Pastor. – "Soviel mir
bekannt ist, sind die aus dem Sarazenischen und erheblich schwerer und zählen als Waffen," – erläutert der Grave v.Stemwert "Dieses hier ist eher das, was früher ein Saks geheißen wurde. – Ja, und wenn der jährliche Bote der Abtei visitiert, kommt die
Abtei und seit Godefridus der Meier Stockhem für die Gemüs-Schüssel dessen Beherbergung auf und auch der Meier Sifridus zu
Leutesdorf ist dabei Befehlshaber der Curia, und der Meier zu Arensberg beliefert Verpflegung mit Getreide und Fleisch und ist
zuständig für die größere Menge an Spann-Reep." –
"Spann-Reep?" fragt Seine Eminenz neugierig. –
"Ach so, das sind diese wasserfesteren Seile in der Schiff-Fahrt. - Auch sind dort einige niedere Gerichtsbarkeiten der Abtei und
eine eigene Kapelle zu Hiseren-Berg sive Isenberg bei Gierend, wo man Eid ablegen kann." –
"Das ist ja eine ganze Zweit-Niederlassung. Wo liegt das denn überhaupt?" –
"Ach, da fährt man von hier aus nach Stockhem Werne an die Lippe, zu Schiffe dan Lippe-abwärts in den Rhein, dann an der
Anlege-Stelle Kelter-Haus wechselt man auf den starken Vier-Ruderer in den Rhein aufwärts,vorbei an Festung Colnaburg" –
Seine Eminenz fragt: "Vier Ruder ist stark? Das ist doch nur ein größeres Ruder-Boot als eins mit zwei?" –
"Oh, ich bitte Euer Eminenz um Vergebung, das kennt ja nicht jeder. Euer Eminenz haben doch gewiß irgendwo die Legenda der
11.000 Güldenen Jungfrauen in einem Bild gesehen? Diese benutzten Trieren - sind Drei-Ruderer, davon faßt eine etwa 1.000 transportierbare Personen oder entsprechend viel
löschbare Ladung – die Drei bezieht sich auf über-einander sitzende Reihen Ruderer – das Abtei-Schiff hat vier solcher Reihen.
Dafür hat es aber viel Tief-Gang und dient nur dem Pendel-Verkehr zwischen dem Kelter-Haus und Engers und deshalb stellen
wir das leichtere Schiff nach eigenem Ermessen für die Fahrten in die Lippe, die Ruhr, die Maas, die Vechte und so weiter. - Das
hat die Abtei niemand sonst aufgetragen als demjenigen, der den Titel Meier Stockhem innehat. –
Eh – ja, und wir sagen hier herum Colnaburg zu Köln. – Die rechnen uns zum Einzugs-Gebiet Sünt Gereon vor den Toren, und
die sagen Colnaburg. – Also daran vorbei und vorbei an Bonna bis rechts Andernach liegt – da links ankert das Abtei-Schiff vor
Engers. Zubringer-Boote holen alles über und ab dann geht es wieder zu Lande weiter." –
Seine Eminenz findet das hoch-interessant, denn sein Amt wird ihn sicher gelegentlich bis dicht an die Ruhr und den
Nieder-Rhein führen. Jetzt wird er dort sicherlich einiges gleich besser verstehen, wenn er soviel über Schiff-Fahrt und
Manufakturen schon hier in Ruhe erfragen kann.
Er möchte darüber etwas mehr wissen, sagt er, um es richtig in seinen seelsorglichen Aufgaben zu berücksichtigen. Er steht auf
dem Standpunkt, daß die Predigt auch immer gut Beispiele aus dem Alltag verwenden kann, um die Menschen zu erreichen.
Nun passieren sie auch gerade Farwerks-Kotten im Stroenfeld bei den abgelegenen Renn-Schmieden, wo soeben das
Zimmermanns-Werk aufgeschlagen ist, und er fragt, was hier so eigenartig riecht. Der Grave v.Stemwert fragt, ob Seine Eminenz
wohl an einem kleinen Fußmarsch gelegen sei, denn man sieht, daß dieser das stramme Reiten weniger als sein edles Pferd
verkraftet hat, daß er sich nach festem Boden unter den Füßen geradezu sehnen muß – und er nickt auch erleichtert. Minoriten
pflegen unberitten in Sandalen durch die Lande zu fahren. Er sah im Vergnügen der andern persönlich mehr eine Buße, die er
dem hohen Amt schuldig sei. Ihm tut so ziemlich jeder Knochen weh von diesem Ritt. Er läßt sich vom Pferd helfen und sie hobbeln die Vorder-Beine der Pferde mit einer kurzen Seil-Schlinge, sodaß sie nach
Vergnügen fressen, aber nicht weit entlaufen können. Er kann kaum stehn, als er am Boden ist. Gut daß sie nicht gleich in den
Ort gegangen sind. –
Das Reiten, da es zum Amt gehört, muß er sich eben erst angewöhnen, und es war für den Anfang eine gewaltige Strecke vom
Minoriten-Haus Münster hierher und dann zuletzt noch in Trab und Galopp. Sein Pferd wußte allein, was es machen muß – er
war mit Festhalten beschäftigt..Unterwegs hat er aber selber gesehen, daß mit Wagen hier wenig erreichbar ist.
Der Grave geht mit dem "Tovel-Metz" voraus und führt sie zu einem qualmenden Haufen – der nächst-gelegenen Köhlerei im
dortigen Busch, einem wahren Urwald. Der beizende Geruch wird immer stärker, zumal ihn ein Wind-Stoß direkt auf sie richtet.
So etwas habe seine Begleiter alle noch nie aus der Nähe gesehen. –
"Hier kommt die Holz-Kohle für den Hammer her und Terpentin und Holz-Geist und Teer – am Hammer wird Eisen für unsere
Metzen noch einmal nach unserem alten Spezial-Rezept verhüttet, daran wird immer weiter verbessert – seht mal hier, Euer
Eminenz" – er hält ihm sein Tovel-Metz zum Anschauen hin, das Heft mit dem flachen Knauf-Teller voran – "Seht Ihr diese
Schlangen-Linien? – Man muß es leicht im Licht bewegen, so – seht Ihr? –
Ja, das entsteht daraus, daß wir mehrere Eisen-Stangen miteinander verflechten, solange das Eisen noch glüht – das tun die
Sarazenen auch und die in Toledo – und das wird zusammen-gehämmert, bis es eine flache, glatte Schneide ergibt. Dafür muß
man so ein Eisen noch ein bißchen umlegieren, also irgendwas zusetzen – wir gewinnen eine gewisse Menge Find-Eisen aus dem
Witten Venn und da herum oder kaufen etwas hinzu, aber das, was genau hinein muß, ist ein secretum des Gießers, das kennt nur
diese Familie." –
"Und nur, damit es so ein Muster hinein-kriegt? – Sieht nett aus, ist aber wohl ziemlich umständlich – könnte man es nicht
einfach – wie heißt das noch – punzen?" –
"Oh, das geht nicht um das Muster – es geht um den Gebrauchs-Wert – aber bitte, kommt erstmal rasch aus dem Qualm hier
wieder raus, Euer Eminenz schöne Haube wird schon ruß-beschlagen und Geruch könnte sich in die Gewänder festsetzen, das
geht schwer raus." – sie ziehn sich wieder zu dem Roh-Bau zurück und schütteln erstmal die brokatenen und wollenen Schopen
aus.
"Laßt uns noch ein wenig auf diese Lichtung gehen," bittet Seine Eminenz, während ihre Schopen am Balken-Werk aufgehängt
etwas lüften –
"Also wozu macht man das mit so Stangen?" –
"Der Unterschied ist in der Vielseitigkeit: so ein gutes Busch-Metz soll doch schneiden, aber auch hacken und auch mal hebeln
können – seht, so – und so – und sowas auch," – er säbelt einen kräftigen Span aus dem Balken der Hütte, hackt einen
mittelstarken Ast vom nächsten Baum und fegt mit der Schneide blitz-schnell alle Blatt-Zweige herunter, kappt ihn und
überreicht Seiner Eminenz einen handlichen Wander-Stab, schaut sich etwas um und bohrt mit der Spitze an einem alten Baum
ein wenig herum und fördert rasch, bevor die Bienen aufmerken können, mit schnellender Bewegung eine Honig-Wabe zutage,
die er unter alle verteilt.
"Seht, Euer Eminenz, so ein gutes Eisen muß hart sein – seht Ihr, keine Kerbe und ich führe es schon viele Jahre immer mit – und
scharf – schaut, so" – er wirft ein Büschel Gras in das kleine Wässerchen bei ihnen und hält dies mit der Schneide auf, wodurch
bereits das Gras entwei-geschnitten weiter-schwimmt – "und dann muß es auch noch elastisch sein, seht mal, so" – er legt es auf
die Erde – mit dem Knauf auf einen liegenden Balken – stellt sich mit den Schuh-Spitzen darauf und schnellt sich wippend hoch,
dann nimmt er es wieder zur Hand und zeigt, daß es sich nicht ein bißchen verbogen hat. "Oh hört einmal" – sagt Seine Eminenz erfreut "Es leben ja Menschen hier – wo sind die?" –
Der Grawe v.Stemwert bringt sie um ein kleines Gebüsch und da sehen sie in eine kurze Allee, an deren Ende ein Tor zu einem
Haus führt. Es ist ein schöner Sonntag April, und ein Stück weiter haben sich heute je sechs oder sieben Jung-Knechte und eine Groß-Magd
eine Sand-Bahn geglättet - ein Loch in der Mitte – und knickern mit Hasel-Nüssen um den Pott. Ab und zu hört man ihr "Oooh!" von dort, wenn eine gute Chance knapp daneben ging - ansonsten sind sie leise. Das spielen Große wie Kleine in jeder freien Minute, noch lieber als Pitschern. –
Sie sind so vertieft, daß sie die Angekommenen jetzt erst bemerken, als die elegant-spitze Holz-Pantine sich über das
Klicker-Loch stellt – da fahren sie hoch. Er geleitete seine Fahrt-Gesellen dahin und die werden sofort von den Spielenden gespannt betrachtet, einige stehen sogar auf,
erkennen den Lieben Herrn Graven - sofort rennt einer ins Haus und ruft: "Unse' Leiwe Hiär Grawe un so fiene Lüe!" – die
anderen entschuldigen sich verwirrt und wissen nicht, wofür genau. Es hätten Räuber kommen können und sie hätten nichts
gehört. –
Da erscheint schon die Farwerks Kötterin und reibt sich noch beim Laufen die Hände am Rock trocken.
"Was erlauben die Herrschaften, das ich für Euch tun kann?" fragt sie. Seine Eminenz der Bischof Antonius erinnert sich, daß das Amt ihm einen Ring zum Begrüßen verlieh und hält ihn ihr unsicher
hin mit der Hand – sie stutzt und dann schüttelt sie ihm freundlich die Hand und sagt: "Euer Gnaden möchten vielleicht einen
klaren Trunk Wassers - usse Beke is'n bitken to schlammicht tom Drinken – seid Ihr – behüte - beraubt worden?" –
Da müssen sie lachen, denn sie haben vergessen, daß ihre Röcke und Hüte noch im Balken-Werk flattern und lüften, also alle
mehr oder weniger im meist roten Unter-Flanell vor ihr stehen. Sie klären sie auf, daß sie eben den Meiler besucht hatten und ihre
Rauch-Portion nicht sehr dem gewohnteren Weihrauch um Seiner Eminenz entspricht. Sie schickt die Großmagd danach und
bittet die Gnaden, Eminenzen und Liebden oder was es alles sind, in die Diele, da ist es ohne Wind schon ganz angenehm, zumal
hinten der große Kessel kocht. Sie wollen sich nicht lange aufhalten, denn sie werden ja erwartet. Also nehmen sie einen Trunk aus Wasser und Wein entgegen
und lassen dafür aus lauter guter Laune einen Utrechter Gold-Gulden da, wofür der Liebe Herr Grave die Kötterin bittet,
gelegentlich einen kleinen Anbau zu errichten, falls die Herren besuchsweise einkehren wollen, gelegentlich einer Pirsch, nicht
sehr aufwendig, nur etwas Stroh aufschütten und ein reines Tuch darüber bereithalten. –
Kötterin Farwerk stimmt unter Vorbehalt zu, daß ihre Herrschaft zu Osterwiek es gestatte. Man ist mit so etwas grundsätzlich
vorsichtig, klar.
Beim langsamen Weiter-Reiten gen Wedem-Hove Sünt Brictii läßt sich Seine Eminenz Bischof Antonius die Schüöp'n Umdracht
noch etwas erklären, warum zu diesem Datum und nicht im Hillig-Kreuz Monat Mai oder September. Grave v.Stemwert erzählt:
"Eine Novene vor San Diego ist am 16.Juli Tag nach Divisio Apostolorum das Sünte Reinilde Gedächtnis und somit war es
Namens-Tag Kanzler Reinalds v.Dassel, des Colnaburgschken Erz-Bischofs, und direkt vor der Schüöp'n Sünte Annen Miss, in
Erinnerung der Translatio Ankunft der Hilligen Drei Künninge in Colnaburg, die seine Neffen, unsere Herren Ahnen der Graven
v.Stemwert die Freude hatten, zu geleiten". –
"Wer ist das?" fragt Seine Eminenz. –
"Wer? Kanzler Rainald?" –
"Nein, Reinilde." "Sünte Reinildis mit allen, die bei ihr waren, wurde etwa anno 700 in brabantisch Saintes in ihrer Kirche von Räubern beim
Beten ermordet. - Anno 866 wurden sie zur Ehre der Altäre erhoben," erläutert der neue Geistliche Herr Kaplan nun auf Wunsch
des neuen Geistlichen Herrn Pastors dem neuen Weih-Bischof, der ja auch seine Visitations-Reise durch das Bistum macht, um
sich über den Stand religiöser Gebräuche zu orientieren.
Alle drei sind zufällig neu. Doch der Geistliche Herr Pastor trat sein Amt schon letztes Jahr an. So ganz zufällig sind sie nicht neu - neue Regierung - neue Mannschaften. Dabei kommen sie ins Gespräch über die geplante Schilderei von Sünt Brixi Gemeinde. –
"Was habt Ihr Euch denn so vorgestellt, was das Haupt-Thema werden soll?" fragt er weiter. "Nun, da haben wir zu Maria Verkündigung immer ein Mysterien-Spiel Annunciata - das richten unsere Boten-Gänger aus den
Köttern aus. Text und die Gewänder stellen uns die Damen von Asbeki im Wechsel zu den Damen zu Metelen zur Verfügung, mit Erlaubnis
der Kollatorin Abtei Hervurth, weil hier in den Stiften ja unsere eigenen Schwestern und Tanten und Töchter des Sprengels
leben. –
Wir dachten, damit es gemeinsamer sei, sollte diesmal für die Schilderei jedes Kloster eine der beteiligten beiden Darsteller
selber bestimmen und ausstatten - der Schilderer wird ja etwas länger verweilen und zwei oder mehr Jahre hier ansässig werden,
weil es neuerdings Aufträge genug hier gibt, wovon er sein Brot gewinnen kann - er soll sich hier etwas heimisch machen, ehe er
die Schilderei bis ins Einzelne festlegt - es soll für lange sein. –
Ja, und dann das Weihnachts-Mysterium soll nur die Ucht darstellen" –
"Ucht?" –
"Na – wie sagt Ihr? Christ-Mette? Ja, also die und das ist hier Ucht - weil hier doch die Vuchte ihren Anfang nimmt - und wird
von Abtei Hervurth festgelegt, wer es darstellt - Mariens Himmels-Mantel und Jesu roter Kragen haben auch diese der Gemeine
gestiftet - an Marien-Festen legen wir das blaue Gewand der Marien-Statue an und das rosen-rote Jesu an Hoch-Feiertagen dem
großen Kreuz. - Ja. Und das sind die Außen-Schildereien." –
"Wäre dieser Schuppen dahinten nicht ein herrlicher Ort für ein Krippen-Spiel?" - regt seine Eminenz der Weihbischof an. "Nun ja – die Kötterei könnt es ausrichten helfen, kein schlechter Gedanken sie werden ja wegen des Rußes hier nicht allzuviel
ins Gemeinde-Leben einbezogen und kkönnten auf diese Art auch mal Station werden" – antwortet Grawe v.Stemwert. - Er mag
diese einsame Kötterei. "Ja, vielleicht – man wird sehn. Die Innen-Seite soll ganz Unserm Lieben Herrn Jesus gewidmet sein, wie Er unter uns in diesem
alten Orte und unserer Geschichte weilt. - Da haben die Bauern, Bürger und land-Eigner der Gemarkung schon einen großen
Beitrag zusammen-gestiftet - aber mit Verlaub - wir hoffen auch - in aller Bescheidenheit - auf eine Spende Seiner Eminenz
Grave v.Moerss, daß es um so prachtvoller werde, weil es grad zufällig mit seiner Inthronisierung zusammenfällt." - Seine
Eminenz Weih-Bischof Pater Antonius schaut etwas skeptisch amüsiert in halber Nein-Bewegung –
"Ich geb' zu," sagt der Geistliche Herr Pastor Tiderik, "die Kaufleute und Gaffeln des Wigbolds tragen sich schon einige Jahre
mit dem Plan einer dem eignen Wohl-Ergehen angemessenen Altar-Schilderei in der Art wie der Meister von Soest - nachdem die
Niederlegung der Burg und Befestigung des Wigbolds nun ein Menschen-Alter lang her ist und es allen Brot-Erwerben jetzt gut
geht. - Doch fehlte der Gemeinde in dieser Hinsicht bisher die Einigkeit, wir sind ja in besonderer Situation durch die Zweiheit
der Grund-Herrschaft in Dorf und Wigbold und die Vertretung derartig vieler Zuständigkeiten. –
Aber jetzt, nach dem Wechsel der Orientierung nach dem uns geläufigen Nieder-Rhein hier sind sich alle leichter einig geworden
- das meinte ich, motiviert die ganze Angelegenheit neu." Und nachdem sie einige andere Themen behandelt haben, kommen sie wieder auf einen Punkt zurück. "Die besonderen Feste des
Jahres hier in Schüöping sollten irgendwie auch im Altar ihren Niederschlag finden, und da ist die friesische
Nachbarschaftlichkeit, die fränkisch karolingische Gründung, die sächsisch-ottonische Beteiligung, die Nähe zu Kaiser Lothar,
normannischem England, Heinrich dem Löwen und" – der Geistliche Herr Pastor Tiderik wagt es vorsichtig und ganz wie
nebenbei – "den Billungern, und – ja, und gegenwärtig, natürlich - die Regierung der Lützelburger Künninge." – keiner
beanstandet etwas, also fährt er rasch fort: "Irgendwie scheint auch jeder einen Schulten hier gelassen haben und das bedingt,
daß der Ort allen verpflichtet ist - in einer gemeinsamen Kirchen-Gemeinde - was einigermaßen seltsam, aber lehrreich ist. –
Andere Orte haben Beziehung zu einer Dynastie alleine - und wenn die ausgetauscht wird, bleiben sie auf diese zentriert und
lassen keine andere gelten - dagegen dieser Ort verkraftet, daß sie alle irgend-eine Geltung beibehalten." –
Hm. Ein paar der Dynastien zu erwähnen, könnte bewirken, daß alle es für ihre auch wollen. Es wird also sehr volk-reich, fällt ihm ein. –
"Im Übrigen ist die Bitte geäußert worden, daß auch der münstersche Bischof selbst in dem Bild mitspielen solle, also, wenn Ihr
so gut sein würdet, wenigstens dem Schilderer für das Motiv Modell zu stehen, besonders" - hier zaudert er verlegen – "seiner
Eminenz Schimmel und Zaum-Zeug, wenn's recht ist."
Seine Eminenz Weih-Bischof Anton nimmt es weniger kompliziert als erwartet: "Das ist aber auch ein Pferd!" sagt er – das hat
er gehört - und verspricht, daß er es ermöglichen werde.
"Doch wenn, dann bringt auch die Vertreter der Abteien Hervurth und Corvey. Ich bin nur gespannt, wie der Schilderer uns in
den Passions-Bericht unterbringen will." –
"Ganz zentral und hoch achtbar - dafür werde ich schon sorgen," lächelt der Geistliche Herr Tiderik, "die Mysterien schreibe ja
letztlich ich inhaltlich vor und die Meister gestalten die Dialoge. Damit sind wir bisher immer am besten gefahren, seit ich
hierhin kollatiert worden bin. Es wäre doch machbar, daß die Eminenzen in der Rolle der jährlichen Umdracht erscheinen, das
ist eine achtbare Rolle und echte Lokal-Tradition." –
Tradition? - du stöberst im Bauern-Kalender und triffst auf den Datums-Spruch: 15.6.-25.7. "Tüsken Saien und Maien / is herüm van
Sünt Vit / bes to Jacobi so de Tid" - 15.7. Divisio Apostolorum – da ist Zeit für so manches, und da fällt dir eine Notiz aus der
Vergangenheit Schüöpings ein: An einem 16.Juli. nach dem 30-jährigen Krieg fand wieder die jährliche Schüöp'n Umdracht statt,
mit 25 Reitern, 2 Wachen, eine Hillig-Kreuz-Prozession, zu Pferde, das war 1664 – und da war es eine beliebte Gepflogenheit,
genauer gesagt, eine Art Zins der Kloster-Brüder an die Schüöp'n Gemeinde, der Gemeinde anläßlich des Eintreffens im Kloster Klein
Burloe mit einem Faß Bier zu erfrischen. Jenes Bier damals war ein sehr leichtes etwa 2-prozentiges Bauern-Bier, das übliche
Haus-Getränk. Sie hatten diese "Kreuz-Fahrt" sicherlich nicht ungern – wenn auch infolge eines alten Gelübdes - unternommen, waren
bis dorthin aber gewiß auch etwas müde und mußten ja auch noch ebenso feierlich zurück-reiten - wie auch immer, sie trafen wohl
etwas zu forsch ein und bekamen eben ihr Bier nicht, diesmal. –
Dabei scheint es seit den Kreuz-Zügen – seit man die Kreuz-Tracht anstelle der Hillig-Land-Fahrt auf Dauer einführte,
um ein Gelübde der Vorfahren nicht zu verletzen - bisher immer geklappt zu haben. –
Nun aber wurden sie sehr unwirsch und rissen den Kloster-Brüdern aus Enttäuschung einen Zaun um und ritten ihnen
ins ernte-bereite Getreide-Feld, mit oder ohne das schwere Kreuz – und dann kehrten sie eben wieder heim. –
Dann gab es einen Prozeß und sie mußten natürlich Schaden-Ersatz leisten, klar. –
Du kennst selber die fröhlichen Reiter von hier – denen war's das glatt wert, - sagt Jan. Du bist auch selber ein bißchen geritten und hältst wie ich das Pferd aber für ein Wunder der Natur, das wie kaum ein anderes
Tier zu des Menschen Ergänzung geschaffen wurde. Es geht für dich, es sieht für dich, es nimmt dich einfach hin, stuft dich ein
als ihm über- oder unterlegen in der Rang-Ordnung und stellt weiter keine Ansprüche – es sei denn, du bringst ihm solche bei.
Das Pferd spricht nichts, doch es redet mit den Ohren und dem Blick und dem Hinter-Teil – auch mit dem Fuß – es ist oft ganz
zufrieden in sich vertieft, doch nimmt es dich hinein in seine Welt-Anschauungen. Manchmal passiert es auch umgekehrt und du
nimmst es unter deine Freunde auf. - Dies Land ist weit und flach, und nachdem es die Versumpfung – nicht zum wenigsten
mithilfe des Arbeits-Pferdes – überwand, grünt es und verlockt zum Reiten, und das Pferd wie sein Halter kennt den Jubel des
Beherrschens der Möglichkeiten, sich gemeinsam zu bewegen, führt zum inneren Frei-Raum und läßt dich selbst in einer halben
Stunde an weite Wege denken, die dir zu Fuß niemals denkbar erschienen – es könnte immer so weiter-gehen. –

Man weiß in diesem Land daß auch der Liebe Herr Jesus ritt: Nur ein-einzig-mal wird das zwar beschrieben, doch da ist es
für Reiter merkens-wert: er setzt sich auf ein noch nie berittenes "Junges einer Eselin" – also auf ein als störrisch bekanntes
Maul-Tier – und dies läßt sich ohne Umstand von ihm reiten. – Niemand außer dem, der's aus höheren Gründen kann - soll
das besagen - setzt sich auf ein unberittenes und unbekanntes Reit-Tier – und das duldet das sofort. Nach aller normalen
Erfahrung gibt es das nicht außer bei Dem, Der auch dem Wasser-Sturm-Pferd der Tiefe einfach befehlen kann, es solle sich
beruhigen – wie die Psalmen es sagen.

Denn hier wie sonst überall auf der Welt braucht es einige Vorbereitung und Gewöhnung, ehe ein Sturm mit jemandem auf
seinem Rücken einverstanden ist. Es ist ein Bild darin von der Beherrschung der eigenen Triebe und Gefühle: Das Pferd, wenn sein Reiter und es alle
Möglichkeiten beherrschen, kann laut und leise sein, kann schwere Baum-Stämme schleppen oder leicht über immense Distanzen
hin-rasen, kann steigen und kämpfen, zierlich-mächtig tanzen, kann vertrauen bis in den Tod, kann sich voll gehen lassen oder
darüber hinaus dasselbe weiter-machen, wo es von Natur aus nie versucht hätte, weiter zu machen - alles dies kann es auf einen
geringen Hinweis hin tun oder lassen. -
So freust du dich – wie andre sicher auch – wenn auch verwundert, als du in die Kirche kommst, wo gleich ein feiner Schimmel
lockt, es näher anzusehn. – Bist du näher, vergißt du den Schimmel und erfreust dich am Lieben Herrn Jesus und den vielen
liebevollen Situationen dabei. Genau besehn sind es die Heils-Ereignisse in einer Welt, die weiter-geht, obwohl inmitten ihrer die Erlösung waltet - und ihre
Reiter sind von solcher Vielfalt wie die Menschen hier. –
Sieh mal:
Hier hinter den Kreuzen scheint der Künnings-Weg zu verlaufen, der alte obere, der ab Hove Dillmann durch Tink, bei Üing
nach Süd-Ost über den Jor, die Rockeler-Beke, führt und es geht über Darveldt auf Bilrebeke zu – oder einer biegt nach
Süd-West um Cuelbeki vor Hölschkers herum, durch Schulte Sieverdt zu Stricks Schwemme und Eckrodt bringt dich über die
hier mit dem Dan, der Burloer-Beke, im Mysterien-Spiel Sünte Annen zum Jordan vereinigte Vuchte – vorbei an Messingk bis
Werensmann am Iisenlande zu und zu den 3-Hölscher nach Westen. Sie scherzen manchmal: ich fahr mal eben den höllischen
Weg über'n Jordan und die Frauen schimpfen: damit macht man keine Scherze! Um diese Kante herum wird aber auch eifrig geschmiedet und manchmal läuft eine Wochen-Reise lang ein Schmelz-Ofen hier,
abhängig davon, wieviel Holz das Holl-Tingk aus der Mark freigibt. Da gibt es die verschiedenen Szenen der Passion un Glorie, aber überall auch welche, die so ganz was Anderes beschäftigt, sie
reiten eventuell öfters diese Künning-Straße längs, um ihre Bewaffnung, Rüstungen, Huf-Eisen zu ergänzen – Maß-Anfertigung.
Man kann da reden. Und bis oben isern zu-gepanzert ist der eine, aufrecht, gradeaus und angst-frei – ohne Krone, doch ein Künning wie der Iserne
Kaiser Karl selig. –
Auf der isernen Stange in seiner Rechten - ganz oben - steckt wie ein Reichs-Apfel ein giäler Buschen Ysop oder Schwamm –
aha, der mit dem bitteren Essig der Linderung schrecklichen Durstes - und der noch am Kreuz ungebesserte Räuber versucht ihn
zu greifen. – Nach Gold griff er stets – oder schnappt seine Hand nach dem goldenen Haar Magdalenas, das im Abend-Licht der
Wunder-Perücke Fraue Freyas gleicht? –
Ah, sind das da unten dann die mythologischen Schmiede Ewaldi? Er ist wie jener Loki zu portraitieren, hat man von Jan-Hendrik erwartet – und sie mußten ihm erst diese Sagen des Nordens
erklären. Die Isen-Berge liegt ferne südlich am Rhein, wo der Wein auch geholt wird in den Vineae und Mane-Werke der Lieben
Frau Abbatissa von Hervurth. –
Nur der wachsame Hirt in der Rolle Sünt Nikodemi paßt noch auf ihn auf. Und nun weiß er des isernen Reiters Kirchen-Namen, Sünt Stephaton, so, wie es einen Sünt Longin mit Lanze gibt, der Legionär
und selber blind war und zu dessen Heilung ein anderer ihm die Lanze führte, die ins Herz des gestorbenen Jesus stach – und
einen Haupt-Mann Sünt Longin, der zugleich begriff, daß da wirklich ein G=ttes-Sohn starb, weil es finster war und die Erde nun
bebte, als das Licht wiederkam, sodaß Gräber aufsprangen – und der gerechtere Schächer hieß kirchlich Sünt Dismas.
Dein Jan kommentiert: Ja, das auch, dieses war eine Rolle, doch jeder hier stellt gleich mehrere dar und zudem – es sind Leute,
die kenn ich, die von hier, die es aufführen wollten, damit ich sie male – fällt dir dazu nichts ein? – Und natürlich auch Pferde,
schon, weil die Darsteller es nicht ohne sie aufgeführt hätten, es gehört doch zu ihnen selbst. Sie verehrten das Pferd nicht – es
war einfach dabei. Jeder ist einzeln, und du gehst auf dem Fuß-Tapfen des Schilderers mit, setzt die Personen in eine einsame Landschaft
heraus Und nun siehst du sie reiten, wie ein Maler sie einfing, ihre rauhe Schönheit und freie Gebärde, ihre Herkunft erstaunt
dich:
Steppen-Reiter, um nicht Mongole zu denken? – Friesen-Häuptling? – ein Landes-Bischof auf Mission? – ein Iserner
Kaiser Karl selig in Eisen-Rüstung mit seinem Knappen hinter ihm? –
Und dann wieder, Jan ganz klar gegenwärtig, der sehr elegante Liebe Junker Erf-Exe mit Schmuck-Axt und sein Page,
winzig sich am Pferd orientierend im Gewühle – und Pilatus, der Richter, der nun nicht selber reitet, sondern hinter
seinem Drosten aufsitzt. Es gibt so viele Titel und es ist auch sehr verwirrend, daß man aus so vielen Zeiten und Ereignissen Texte nehmen und
dem Bild nach illustrieren könnte. –
Man keine Sorge, sagt Jan Hendrik – ich wurde nur von Hand zu Hand geschoben, jede gab mir was zum Leben, und wess' Brot
ich eß, dess' Lied sing ich doch auch. Du weißt ja nun schon ungefähr, daß hier die verschiedensten Kreise eine Straße durch Schüöping liegen haben – werd nicht
nervös, wenn du die Trachten nicht gleich alle zuordnen kannst. Ich hab einfach gezeichnet und nachher gefragt und wegen des
Nächsten Verlangen dann dies und das anders gestaltet – ich hatte doch gut zwanzig Jahre damit verbracht, das alles
kennenzulernen und zu kombinieren.
Nicht mehr geistig-würdig-schön und eindrucks-voll wie linker-seits der unter der Vollmacht des Baldvinischen
Doppel-Kaiser-Adlers hände-waschend philosophierende Was-ist-schon-Wahrheit-Pilatus, sondern nun nur noch der
nun etwas zerknitterte Mensch, einer, der andre braucht - er wird als erster zum Treff dreier Künninge kommen. –
Sonderbar, hab ich "am Tage der dritten Umdracht gesagt, die ich hier erlebte? "– denkst du - sie haben hier nicht nur
soviel Schulten – hier haben auch vier Drosten zu tun, vielleicht wegen eines mit diesem vereinigten anderen Amt? –
Einer stand im Volk des Gerichts-Hofes, ein zweiter Droste, riesig hilfsbereit, aber eigenartig, wie er mit einiger Verrenkung
zugleich das schwere ungefüge Kreuz mit-trägt, den Hilligen Delinquenten Jesus aufrecht hält und noch die kleinen Kinder
schützt, daß der Längs-Balken sie nicht von ihrer Brücke fege – und auch die beiden Kinder, wie sie friedlich, freundlich,
unbefangen in der Menge Tor-Volks dastehn, so, als wenn da kein Gedränge wäre – der dritte bringt reitend Richter durch die
Gemarkung und ein vierter begleitet die Bischöfe unter das Kreuz – jeder ein anderer, nur alle mit Rot im Gewand und dem
ähnlichen schwarzen Ballon-Topf-Helm auf. - Der Liebe Herr Meister hat Jan-Hendrik geraten, sich bildlich früh genug darüber
Gedanken zu machen, denn beim Duc de Berry haben die Limburger Brüder Drei-Künninge-Verehrung für das Tres Riches
Heures gemalt und nun will er ein zweites, wo nämlich vorher diese Drei einander begegnet seien. –
So etwas läuft unter den Schilderern wie eine Jahres-Aufgabe herum – wie ein zu lösendes Rätsel, denn dazu gibt es weder
Bibel-Text noch Legenda noch Vor-Bilder, die man zu Hilfe nehmen könnte. Alle Schilderer und auch die malenden Bohemiens
schicken Vorschläge hin – alle verwirft er bisher. Jan-Hendrik soll aus der Umdracht her – weil sie da uralte Trachten anziehen –
die Herrschaften malen, am Sammel-Platz, wie sie zufällig kommen. –
=***=
Da ist es nun und er staunt. Und wo du hin-suchst – alle sind von dieser Welt, doch so, wie ganz woanders hergekommen, jeder einzig, keiner furchtbar oder
böse – dieser Anstreicher von Wand und Mobiliar, er liebt da seine Menschen und sein Lieber Herr Jesus macht da alles mit in
Liebe, fast Begeisterung – er packt sein Kreuz, als wolle er gleich einen Drachen steigen lassen – folgst du der Linie, dann steigt
der auch und strahlt am Himmel auf mit ihm daran! –
Und dann, wie flink Er nach dem letzten Lächeln schon die Leute aus der Unter-Welt befreit, wie frei Er aus dem Grabe beinah
fliegt und rennt und da – mit Stab-Hoch-Sprung anscheinend nimmt Er Anlauf, und steigt energisch zum Himmel wie einfach
die Treppe rauf, um immer bei allen Seinen ganz nahe zu sein. –
"Find's heraus..." 
"Übrigens in unserer Amts-Sprache sind die Buerschapen noch die Legionen" "Legionen? - Dann hättest du heute 7 aus ursprünglich 12 Legionen dargestellt? – 3 Legionen stehn für 36
Tausendschaften!" –

"Das glaubst du doch selbst nicht." –
"Schonmal von Erwartungs-Wert gehört? "

"Nach der bewahre uns-o-Herr – Schwarzen Pestilenzia trugen alle Reisige Leut Schopen – das ist eine Motze, Jacke, Rock
– und Panzer – das ist Rüstung – und Hauben – meint Helm oder Waffen-Hut" –
"Hast du Schauben hier Schopen genannt?" 
"Ja, wieso?" –
Jan Hendrik hat Träume, irgendwas hat er gegessen, das war wohl nicht gut in der Eile –

"Na warum hießen die Schopen wohl so? Die Solms-Hervurthschken Mane-Werke haben auch Anderes als nur Wein
hergestellt. Heißt der Homburger bei Euch später nicht nach dem Ort, der diese Hüte gemacht hat?" – "Oh – meinst du? es gab Herrn, Ritter, Knechte und zu jedem Reisigen rechne 2-300 Manne mit Hauben, die sind mit 1 schon gemalt wie
318-Kohorte Abraham mit 1 Abraham auf dem Altar steht Sünt Gereon-Kohorte ." –
"Na? Das ist doch ein Markt? – und außerdem, wer sagt dir, daß es die Legionen zu einer Zeit gemeint hätt. Vielleicht
wurd man nach 12.000 Jungs der Legions-Pflichten ledig?" –

"Na hört einmal, das geht zu weit - wie sollte das zugehn, wer kalkuliert eine Villicatio wie Bierde oder Eckrodt auf 12.000
im Lauf der Jahrhunderte?" –
"Wenn die 100 pro Jahr an die Römer absandten, sind es nur 120 Jahre, 4 Generationen, velleicht lieh man sich Jungs
und gewann so das Land punkte-weise? – ist doch machbar?" 
"Hm, jede Legion hat heute ja noch eine Schützen-Bruderschaft - außer Tingk..." "...dafür die zwei in der Stadt, Bürger-Schützen zum Wigbold und Peter-Paul zum Kirchspiel Schüöping"
"... die nennen sich aber selber die vom Ober-Tor." –
Jan vermerkt blei-müde, daß dies Gerede da irgendwie nicht in seiner Zeit handeln kann –
"Lasterhusen - das gibt es nicht mehr – aber klar, bei euch gab es die noch, da stehn sie ja über-deutlich - ganz vorne,
einer süfft und sie spielen, wo heute die Messing-Höfe Legionen von Blumen und Schul-Bäumen ziehen – und bis zu Tummels
hinüber, wo Legionen von Schweinen die Bestimmung zur Mahlzeit erreicht".
"Sagtest du Tumel wie Tumelicus, der Sohn Herrm des Harzers, des Cheruskers?"
"Dem Herm sein Broder, der dann römisch Flavius Tigestes hieß, der ritt bestimmt auch unter Caesar Germanicus hier anno 15
und 16 hindurch, als der sich den Namen für Rom neu erwarb, er diente unter ihm." –
"Das war da mit der Reiter.-Kohorte des Pedo von Vetera her?" –
"Wat?" –
"Na Vetera, Birten, der große Friesen-Markt am Rhein, den anno 880 die Nord-Mannen abgeschlachtet haben." "AdXantos Basilica in honorem sancti martyris Mallosi, vom Hillig Grab Sünt Victor,." –
"Wat?" –
"Mann du weißt aber gar nix: Vetera Birten am Rhein, war Bertunense oppidum vorzeiten, das Troja der Latein-Scola mit
Griechisch-Magister! – dann ist der Rhein herumgewandert und macht Biorzuna-Bislich zu ´ner Insel." –
"Ach so, das Xanten, nicht Sünt Revilien Colnaburg, wo die 11.000 Güldenen Juffern bewahrt sind." -–
" ... was auch ad Santis geheißen wurde.""Aha, das war der dann wohl bei dem Pedo – aber Sohn Tumelicus der Herzogin Thiusnelda des Herzogs Armin kannst du ja doch nicht wissen, das Buch des Rtters Tacitus wird doch erst 1507 in Kloster Corvey wieder entdeckt"
– ah, jetzt ist Jan Hendrik sich sicher, anno 1507 rechnet höchstens Itzig, der Herden-Vermittler, der noch Alexander-Zeit
rechnnet, und immer 321 zuzählen muß, denn jetzt ist doch – ist doch – mann, wie müde ist er – anno 1427, und 80 Jahre später
kann er nicht träumen – oder doch? "Das war Annales. - Die Germania war schon gefunden." – mischt sich die Stimme von Magister Regiomontanus ein.
"Und jetzt paß mal auf. - Also, wenn das Laster-Husen im Bild genau da unten, westlich ist, Altar nach Osten zeigt – rechts
herum südlich ist Heven, stimmt. - Dann käme links von Haltern - Ha-lecteren, Legden? – Ha-Lechtern: Lichter - Hand-Laterne
– o ja, das Ding auf dem Kopf, mit beiden Händen auf dem Kopf fest-gehalten, fast einer Koch-Mütze ähnlich, nur gestreift – das,
was im – ach ja - im Halterner Altar Sünt Peter dem Malches samt Frisur herunter-haut." –
"Solche ohne Schädel-Kalotte – wie Sünt Denis anzuschaun - sind auch noch hierbei: einer im Volk vor dem Ecce Homo und
einer am Kreuzweg, dann soll das also eine Laterne darstellen? – aber Knecht Malchus verlor doch ein Ohr!" –
- Ist das doch, ein Or - sowas nannten wir Oer, hat uns der jüdische Kaufmann für zum Mitnehmen nach Schüöping – für den
Buern-Boten besorgt – erinnert sich Jan halb erwachend und tastet gleich erschrocken nach dem Kopf und Ohr, ob alles
dran-geblieben ist, dann döst er wieder ein – und murmelt: "war sehr schön und sehr praktisch. Normalerweise hing's an einem
Haken mithilfe dieses Dings da." –
"Siehst du? - Andere nannten sie Maor oder Moers, das meint Leuchter. Also auch ein Or." –
"Komisch, unsre Mohren, die sind Schwarze." –
"Und andre Moiren weben Schicksal aus" –
"Aber noch etwas sah so aus, auf das wollte ich auch damit angespielt haben. Du bist doch Feldscher – sahst du in unsern
Schriften unseren Schädel-Kalotten-Repositeur, dies hohe Gestell?" –
"Da gab es doch ein Ereignis im Leben des Freundees der Minne, der die Imitatio Christi zuerst geschrieben hat – er brauchte
mal eine Schädel-Operation, um das Kopf-Mark zu reinigen, es war irgendwie krank." –
Kenn ich nich', denkt Jan-Hendrik im Traum, aber das interessiert ihn, er schläft wieder zuhörend weg –
"Manchmal trugen
die Brüder vom gemeinsamen Leben ein Karthäuser-Habit."

"Diese Kapuzen mit lang herab hängenden Zipfel da hinten, die heißen Karthaus – wie es der Kloster-Bruder bei der
Narvarinne hat, derselbe, der für Billerbeck auch beim Sankt Ludgerus-Zyklus am Sterbe-Bett des Hilligen steht, und der
ganz verhüllt bei der Predigt Johannes des Täufers zuhört". –

"So Gewänder trug man auch in der großen Chartreuse." –
Wo ist das denn? Klingt nach Heil-Trank burgundischer Märkte, so grün, so wahnsinnig scharf – er muß husten, bleibt aber
benommen. "Damals gab es aber weder schon Minorit noch Karthäuser - bei Sankt Ludger, da hatte man Benediktiner, Chor-Herren und
Chor–Frauen, und es gab noch vorläufig letzte orientalische Kloster-Brüder hier, die dann Iserner Kaiser Karl selig für sein
Reich nicht wollte. ." – Aber das kannst du, Jan-Hendrik, nicht wissen. Was hast du gedacht? – fragt sich Jan und sagt: "Na hör mal, soviel weiß ich
aber auch, daß es zur Zeit von Jesus überhaupt keine solchen Kloster-Brüder gab. Unsere Kunden wollten doch die Ereignisse
Jesu gerade genau auf sich hier beziehen, weil sie jeder Zeit gelten. – Und bei uns gibt es doch aber Karthäuser und ihr Gründer
Sünt Bruno vom 6.Oktober ist geboren ganz nahe von hier – in Colna-Burg – und dessen Zeichen ist ein Stern – hast du den
gesehen, den ich bei der Taufe Jesu in den Himmel eingemalt hab? - manchmal gruppieren sich sieben Sterne um sein Haupt –
vielleicht bezogen auf sein Kopf-Weh."
– oh ja, Kopf-Weh, das hat er ziemlich, ob er worüber gestolpert und auf den Kopf gefallen sein mag? – Keiner hörte, daß er
etwas gesagt hat. Komisch. "Und beim kleinen Düsseldorf steht eine Karthause. Du findest G"TTES-Liebe dort und großen Frieden. Wenn ich den Namen
Bruno oder Brüning malen sollte, hab ich einfach das gemalt. Sie fanden es so gut. - Siehst du? Da, in Haverbeck? Und da, in
Ebbinghoff? - Die gab es. – Auf dem seinen Grund ist das Wigbold des Bischofs unter-gekommen." - "Ach so. - Aber das paßt
doch auch auf Saint Denis-ohne-Haupt, Patron von Rheine und Reims." –
"Kannst ihn auch Tünnes nennen. Klingt genauso." "Stimmt. - Weiß man inzwischen, wer die Imitatio von sich geschrieben hatte? - Kenn ich den?" – fragt Jan Hendrik verträumt.
"Und kein Wort fällt leer in die Nicht-Existenzen zurück" - murmelt Reb Hayum Itzig.
"Kurz gesagt – so kannst du auch wissen, wer die Nachfolge Christi zuerst schrieb, wessen Feuer du spürst, wer das lebte" erwärmt sich der Erzähler.
"Also, während unser Jan noch bewußtlos da liegt und sein Meister mit einigen Fahrenden Brüdern und dem Schagerner
Feldscher seine Platz-Wunde versorgen, nachdem er ganz unglücklich über eine Wurzel auf einen Baumstumpf geknallt ist mit
allem Gepäck und in Hast, kannst du dies schon erzählen, denn es wird noch für ihn viel Bedeutung bekommen" sagt der
Kapuziner.
Jan Hendrik kann sich nicht drauf konzentrieren, wer da redet und hört sich's im Feld-Rain am Großer-Schutz-Engel-Platz
eingangs Schüöping an wie ein Erzählerken zum Schlafen:
"Geert Groote aus Deventer schrieb diese Lehre von der Imitatio DEI - der Nachfolge Christi – jetzt vor etwa 90 Jahre
- Anno 1340 - ist Geerit zu Deventer geboren, er wurde erst später ein großer der Frommen, zuerst sah er mehr Spaß
an dem Amt, Delegierter des stadt-Rats für die Papst-Residenz in Süd-Frankreich zu sein – er wurde selbst nie
Karthäuser, doch gewann seinen Glauben bei ihnen. - Er war ein ganz normaler Genießer voller Lebens-Freude und
hatte eine gute kirchen-amtliche Karriere beim Hilligen Stuhl zu Avignon, hat praktisch alles mitgenommen, was
Leuten Spaß macht in dieser Welt, nahm seine schwere Kopf-Erkrankung auch mit Mut wie eine Kühnheits-Probe hin.
–
Nicht etwa diese hat sein Leben ernster gemacht, sondern später das Erlebnis seines ins Selige sich verwandelnden
Studien-Freundes. Sein bester Freund war deren Abt geworden. Das hat ihn arg gewundert und auch neugierig
gemacht, er schloß sich eine Weile dort zum Kennen-Lernen an. –
Dann zog er wieder heim und gründete ein Haus zum Wohnen mehrerer, wie heutzutage Wohn-Gemeinschaften aus
Einzelnen entstehen, die alleine irgendwo zu leben leid geworden sind. 50 Jahre alt, angegriffen und unter Predigt-Verbot verketzert gestorben, erlebte Geert es nicht, als die päpstliche
Rechtfertigung kam. All dies vertraute er persönlichen Notizen, Schriften und Vorträgen an, doch er wollte nicht mit
den Texten genannt sein, er hatte der Welt den Abschied gesagt. "Freund der Minne" heißt er bei seinen treuesten Freunden, denn bei ihm hat das Fromm-Sein auch Freude gemacht. Sein kleines Buch hat Thomas a Kempis verbreitet, ein ganz braver stiller Kloster-Bruder, der von vornherein auf die
Welt wenig sah. - Es ist in etwa 100 Sprachen übertragen worden und als Jugendliche bekamst du es für den Preis
einer Suppe. Es ist sehr gerne und sehr viel gelesen worden, auch von euch in der Jugend hat's richtig geholfen - noch
jetzt kann man es ganz einfach kaufen.
Doch zurück zu dem Jan Hendrik, der noch daliegt: man beschloß, ihn einfach ein Stück weit zu tragen, denn hier kann einer
nicht bleiben. Die laufende Unterhaltung geht ungerührt weiter.
"Das möchte ich wohl glauben, daß es jeder gern las! - Heils-Ereignisse sind doch nicht irgend-wem-wann-wo unter-anderm
passiert! - Es geht doch um nur immer uns, also jetzt euch, die ihr lebt!" - murmelt Jan-Hendrik dazwischen. – "Bei uns heißt
es: Vier Bücher von der Nachfolge Christi. Weil's nicht lang ist, schreiben sich viele es ab, das eine oder andere oder alle." –
unterhält sich der eine, der ihn trägt, mit dem anderen weiter. Jan Hendrik bekommt nur so Stimmen und Themen mit, kann sich nicht konzentrieren wer spricht.  "Unser ganzer Freundes-Kreis und mein Lieber Meister hat es als Stunden-Büchlein genutzt immer bei sich getragen. Auf
den Rastplätzen bilden sich kleine Leser-Kreise am Lager-Feuer, wo es einer den andern vorlas, besonders bei Reise-Verbot
wegen – bewahre uns – Pestilenzen oder in Überflutungs-Gebieten, wann immer es etwas zu warten gab. Um dies
4-Büchlein schart sich unsere Bewegung der frohen Modernen Demut von Deventer aus – und mit Deventer haben wir
jährlich direkt zu tun: Hand-Dienst, Spann-Dienst, Einkaufs-Fahrt für Abtei Hervurth - was man so oder so finden kann, wie
das Verpassen des Abmarschs am Rast-Platz. 
Und schon anno 1401 gründet Domherr Hendrik v.Ahaus in Münster ein Haus solcher Brüder vom gemeinsamen Leben –
statt der theo-unlogisch entgleisten Beguarden und Beguinen hat man nun wieder Kommunen Allein-Stehender und für
Berufs-Tätige ohne Haushalt in den Wieken und Städten eine anständige Adresse für kurz oder lang, reich oder arm." –

"Ja, Heils-Momente, sie finden immer gerade jetzt statt, wenn du mitgehst, und wir sind des Einen Haupts Jesu Leib für
das Leben der Welt". Richtig - sagt sich Jan-Hendrik - wenn du mitgehst - er spürt, daß ihm die Lebens-Geister inzwischen zurück-gekehrt sind und der
schon anfängt, es gewissermaßen gemütlich zu finden, daß zwei andere ihn mal tragen.
Einen Moment noch will er warten, aber dann wird er sich melden und wieder selber gehen und nachher fragen, wo sie sind und
was passiert ist – und, hm – wer er ist, o je – wenn die ihn fragen? – Wer ist er denn bloß? Wie heißt er? –
Nicht nervös werden, erstmal ganz ruhig, irgendwer bist du. Tiderik thor Weyden? – Auch schonmal gehört, irgendwer ist das –
das war in – in – er kommt nicht drauf. - Ach du je, gar nicht so einfach, erstmal nochmal dösen – bist ja behütet –
Heils-Ereignisse, schönes Wort – ach Lieber Herr-G"TT, ereigne mich heil! – und er schläft nochmal ein. "So lehrt man es doch – oder lehrt Ihr es nicht mehr? – Wißt Ihr, was Euch anscheinend fehlt? Ihr nehmt die Sache nicht ernst,
die Ihr lernt. - Es wird auch bei unserem Hilligen Bischof Lugderus ebenso einen wie den Karthäuser gegeben haben, wie die,
die wir heute dazu bitten würden, beste Beter der Zeit." –
Was für Karthäuser? – Jan Hendrik versucht, ein Auge zu öffnen, um etwas zu sehn – schwarz – Woll-Tuch – Kopf da drunter –
Zipfel dran ganz lang wie'n Steert – er kann die Gesichter nicht sehn, denn er sitzt irgendwie rückwärts auf den verschränkten
Armen zweier schwarzer Gestalten, die rüstig marschieren und anscheinend ununterbrochen reden – er dachte immer, Karthäuser
seien Schweige-Klausneren? –
Jedenfalls scheint er ihnen nicht schwer zu sein, einer hat noch sein Gepäck an der Stange neben ihm baumelnd über die Schulter
gelegt – aber sonst sieht er mit Mühe nur sandiges Gras unter sich: Wegerich, Quecken-Gras – hm, lecker, aus Quecke hat er viel
gekocht unterwegs - ist nur `ne Schinderei mit dem Mörsern zuvor - aber Mörsern ist seine zweite Natur – Mahlen und Mörsern –
wieso eigentlich? – Dann nickt er wieder kurz ein und bekommt nur fetzenweise mit, was um ihn ist - vermischt in wirre Szenen,
die er träumt. 
"Doch-doch, wir lernen es noch wörtlich genauso, vom Haupt und den Gliedern und dem Brot, das zum Leib wird, den man
hergeben kann für das Leben der Welt. – Nur" ... –

"Ach, das weißt du ja auch - im Moment, wo man's bräuchte, gab es zu wenig Quer-Verweise zu diesem vorher, also wissen
zu wenige sich etwas darunter vorzustellen." –

"Aber zu Jans Zeit lag es fast genauso wie heut, oder?" 
"Du kannst deinem Jan also dieses erzählen. Diese Welt von heute hat so viel mehr Menschen als seine haben wird – und sie
hat Kreise, die niemals einander begegnen, und auch die kleinste Familie geht völlig verschiedene Wege – und jede dieser
Welten ist voller Informatio, also vermißt keiner das, was den andern bewegt. –
Die Bilder-Mappe ist hingefallen und die kleine Gruppe um Jan legt ihn ins Gras und hilft, es wieder einzusammeln, dabei
breiten sie sie interessiert auf die Weide am Weg aus und betrachten sie ein bißchen. Den Frauen scheint das weniger interessant,
denn sie drängen zum Rast-Platz, um alle Hausarbeiten beginnen zu können und ziehn ihre Kinder und Ehemänner mit. Zurück
bleibt eine kleine Gruppe Männer mit ihren Gehilfen.
"Und man läuft auseinander, weil die gemeinsamen Träume zu wenige werden" - denkt der Kapuziner vor sich hin ud schaut den
Geschäftigen nach. –
"Und dann schaust du dir doch noch einmal dieses Tovel-Bild an, diese Menschen darauf. Das sollen diese Ballhorn.-Lateiner
sein, die noch nicht die Eleganz einer Cicero-Formulierung entzückte?" - wundert sich Magister Regiomontanus, der hier
mitgereist ist, um nachher nach Breen weiterzufahren und sich im Norden in Stellung zu begeben.
Daß dieser sich wundert, darüber staunt Reb Hayum Itzig von Stemwert schon gar nicht. Diese Fahrenden Scholaren glauben ja
auch schon, daß sie Hebaisch richtiger erlernen könnten als die Juden selber. Da ist allerhand in Bewegung geraten - das kommt
von der Karls-Universität in Prag her und die hat es aus gewissen Kreisen um Florenz her.
Zur Zeit leben jüdische Gemeinden ganz arglos alltäglich die Thora in Ur-sprache und für sonst Mame-Loschen benutzend,
lehren es einander mit ich-tue, du-tust und sie wissen noch immer nicht, wie "Hebräisch eigentlich" funktioniere, wenn man es
mit ich-töte, du tötest später angeblich erst richtig erlernt? – und erstmal dies Kirchen-Latein, mit ich-liebe, du-liebst - alles nicht
klassisch genug? –
Reb Itzig hat sich mehrmals +überreden lassen, sich Toveln anzusehen - eben weil gelegentlich auch die Vermittlung eines
geschickten Schilderers ein bißchen einträglich für ihn sein kann - er erwirbt sich Sachverstand für das Gebiet und reist ja
gegenwärtig mit einem Schilderer-Meister mit der ganz neuen Ölfarben-Technik. Das ist ganz nett, man könnte sich mal ein
Himmlisches Jerusalem in die Sukke einmalen lassen. Diese Farben halten anscheinend sehr gut. Bis Sukkoth-Fest ist grad noch
Zeit, daß es trocknen könnte, überlegt er bei sich und schaut sich deshalb aus demAugenwinkel die ausgebreiteten Probe-Bilder
des Meisters ganz genau mit an. - Warten sie da im Bild alle in einem Jammer-Tal darauf, daß sie bald in den Himmel
entweichen, oder verlangt es die hier nach den Freuden der Hellenen-Welt, nachdem jemand ihre jetzigen Herren vom Sockel
stürzen muß? –
Ja, mit viel Mühe – dieses steigende Pferd da, dieser lebhafte Reiter im Rück-Blick erfaßt, das klingt ganz ein bißchen
an den Großen Alexander an – aber sonst? –
Oder hätten da Bonzen "wie immer nur Bonzen" zu zeichnen verordnet? –
Sonst geht der Schilderer doch in die vielen Details – etwa menschlich nicht auch? Da sind doch hie und da auch solche, die man die Kleinen Leute nennt, auf Schildereien: sie stehn auf Zehenspitzen in der
zweiten Reihe oder so und möchten wie Zöllner Zachäus nur etwas auch-sehen – sie würden nicht etwa Aufstand machen oder
murren – sie sind von den Großen die Kleinen, aber immer noch weitaus größer als die Frei-Linden auf jenen Weiden. Vielleicht
sind sie die Mautner am Weg-Zoll gewesen? Klein sind hier nur vier: Engelchen, Teufelchen und die zwei Seelchen, die sie holen.
"Da bedeutet klein aber nur, daß sie unsichtbar sind" - weiß nun Jan wieder zu melden. Das Zensuren-System, es verhindert die Triebe – du hast es, Sprachen zu lernen, nicht so sehr in der Schule genossen –
obgleich du da gerne gelernt hast. Aber hinterher und freiwillig hast du noch ziemlich viele der Sprachen gern kennen-gelernt, dich fast wie der
Assyrer-Künning Assurbanipal empfunden, was er keil-schriftlich und irgendwie andachts-voll hinterließ:
"Klein warst du, Assurbanipal, als du noch lerntest auf dem Knie deiner Mutter, und dumm warst du..." "Aber nun bin ich der erste aus meinen Vätern, welcher das Lesen und Schreiben beherrscht –
auf mein Geheiß fliegen Vögel des Himmels – auf mein Wort hin läuft ein Wild übers Feld." Dieser Künning war noch beim Wundern, wieso dieses geht. –
Er macht mit dem schrauben-zieher-förmigen Stichel - so zack-zack - paar Zeichen -||, abgemacht, daß dies "Vogel"
bedeute – und der dem er es stumm überreichen läßt, schaut darauf in sich den Vogel, der fliegt oder futtert oder stiehlt
Obst oder knabbert am Ohr-Läppchen seines Besitzers.
Eine ganze Tisch-Runde konnte erzählen, wie jeweils ihr Vogel war, wenn sie es lesen, und auch er – und auch so
ähnlich, wenn er aufschreibt: Wild. Sofort sieht jeder auch eins, Reh-Wild, Hirsche, Löwen, Sauen – und das alles sich
verhalten und noch mehr – ja, welch ein Staunen. Am Anfang ging er noch an das Fenster und vergewisserte sich, ob
da auch draußen all diese Vögel und so ein Wild ist – es war doch eben erschienen? Ja, und nun hast du das Gefühl, diesmal hast du das Thema und Worte, hast genügend Papier. Aber hast du noch jemand, für den du erzählst? –
Manchmal gibt es ja wen - doch man müßte ihn treffen.
Ja - sagt Jan-Hendrik sich, nun richtig erwachend - genau das ist's bei mir. Ich werde nicht nur mörsern, Farben oder Essen
machen, Kisten streichen, Wände muster-färben –
Nein, ich werde etwas mehr, ich habe Bilder-Welten in mir - große Welt, als ich geboren wurde, war chaotisch und es liefen alle
aus-einander mit-einander zu-einander durch die Tage meiner Zeit – Abbruch, Aufbruch. Ja, ich hätte den Impuls, in Farben aus-zusprechen, irgend-wann, wovon ich spüre oder weiß – ich werde einmal nicht nur "Hier
gibt's Hering schon ab Oktober!!!" illustrieren. Einmal werde ich den Ort bewohnen –wenig Lohn, aber werde es dürfen – einen Ort ganz Mensch zu malen - so wie ich.- Ich tu
sie lieben, so wie ich, und das mal ich für Lieber G"TT – für DICH - geschildert, es wird niemand richtig so ansehen - aber doch
werden sie kommen und gehen, genau solche Menschen, wie ich sie hier aufrief: so schöne wie eben geträumt.
Und nun meldet er sich bei den Helfern, mit frischer Stimme und dankt und mag laufen. Sie setzen ihn vorsichtig ab – siehe an,
und es geht. Sie beglückwünschen ihn und er kann wieder sehen, ach da sind sie noch, unweit dort, wo er saß und das Pferdchen
kopierte. –
Und sein Lieber Meister, da ist er und nickt nur gerührt: "Wußt'ich's doch, weil: du bist zäh." Du lasest in diesem Jahrhundert ein Wort eines estnischen Pastors Brinkschmidt – also aus der Narwarinne Land:
"Inimene saab rahu, kuna rahu tuleb tema juurde - Jemand kommt zum Frieden, weil zu ihm der Friede kommt
– so, wie einer in das Zimmer tritt und die Decke ausbreitet über mir. –
Darin liegt die Weihe dieser Nacht, daß uns mit dem Kind in der Krippe G"TT besucht hat. So kann Nacht wieder
werden, was sie ursprünglich war: die wundervolle Möglichkeit, sich aus dem Tag zurückzunehmen, wo der uns zuviel
wurde, das Hinein-und-Zurück-Fallen in die Hand des Schöpfers. –
Und viel wichtiger: so kann Tag wieder werden, ein neuer Morgen der Schöpfung. Dämmerung kündigt ihn an, Sonne erhebt sich am Horizont, man kann es wagen, noch einmal anzufangen. –
Was für eine Entdeckung: ein Tag! - Sei er, wie er wolle – bringe er, was er bringen mag – es kann nur
gut werden
– wir sind die Menschen - G"TTES Menschen!" –
Und du fragst Jan: "Meinst du das?" –
Und er zitiert: "Komm doch und sieh." –
=***=
Jetzt ist die große Jahrmarkts-Hanse wirklich angekommen, denn übermorgen ist ja schon Sünt Annen-im-grünen-Mantel Tag.
Eine große gemischte Hanse Schilder-Gesellen, Sünt-Bernhards-Brüder, mit Koch und Dienern, Reise-Karren und Zelten, und
fahrende Gesellen - mit einem Theriaks-Kramer und Musikern und Handels-Volk, mit deren Frauen und Kindern, mit Ochs und
Esel, Rüde und eignen Schwieneken und sogar einem Bär-und-Affe - eben, so Kloster-Brüder-Brüder, sogar mit einem
3-Künninge-Vikar für die Sünt Brixien Kirche dabei - Gruß aus Colna-Burg von Seiner Eminenz dem Erzbischof Tiderik Grave
v.Moerss, dem Onkel Seiner Eminenz Hendrik des neuen Bischofs zu Münster. –
Es werden mehr als hundert sein, fast so, als wenn die Hohe Frau zu Hervurth durchzieht, doch nicht wie sie zu Roß und schnell
vorbei - nein - diese kommen wieder und auf länger. Erst morgen wird Sankt Annen-Markt gestochen - am Welle-Teich ist
immer Erst-Asyl. Wenn Markt ist, darf ja jeder – auch der schon Verfehmte und der von irgendwem für Schuld Verfolgte -sich frei bewegen und
dort noch etwas für sich tun. Vom Himmel fallen kann er nicht, so reist der Kluge etwas eher unauffällig an und wartet im Asyl
der Welle. Diejenigen lagern also jetzt nahe dem Teich - grad vor dem Wigbold und der Kirche, packen ab, stellen die häuslichen Einheiten
rast-mäßig auf: Planwagen, Stellwände, Dach-Gestelle. –
Unverzüglich richten sie ihre Koch-Stellen her, zumal man hier reines Trink-Wasser kriegt, füllen Schläuche und Kessel frisch,
loben anerkennend das schöne frische Quell-Wasser. Sie schütten es sich gleich beim Trinken mit vollen Händen über den Kopf
und die Haare, ziehen sich an Kleidern das Mögliche rasch vom Leibe, weil man hier wieder waschen kann. Die Fahrts-Leiter der offiziell Angereisten sind zugleich erstmal mit ihren Passeporten und Breven beim Burg-Mann, dem Edlen
Herrn Torck aus Asbeck hier, und weisen diese Hanse als bevollmächtige von Abtei Hervurth aus, ebenso, daß es vom Bistum
bestellt ist und drittens dem Graven von Bentheim bekannt, der sie als Schulte Schüöping an der Gemarkungs-Grenze am Wehr
ja abholen ließ. –
Man ließ sie aber nicht gleich beim momentan brach-liegenden OverKemping lagern, denn das überlegt man sich noch. Zur Zeit
ist ja viel Platz an der Vechte, neu ist der Burg-Wart hier mit des BurgManns Advocatus, weil grad vor 35 Jahren die
OvelGünne-Burg erneut und ganz und gar entfestigt worden ist. –
Nicht wenige im Ort sind heut noch sehr verstimmt, wenn sie das neue Tor passieren. Man muß es ja unweigerlich, da vorbei
kommen, wo vor kurzem noch kein Tor-Turm stand. - Die Eltern der Groß-Eltern wußten ja noch, daß die
Stockhem-Höhen-Burg aus Zeiten Künnimg Heinrich des Vinkelaere der v.Leer Advocati schon einmal entfestigt wurde, das ist
grad hundert Jahre her. - Dann gab's die Herrn von Solms als Advocati und Schüöping-Villici – das sind Schulten. Damals war Seine Eminenz Ludwig Land-Grave v.Hessen Pro-Nepos Sünte Elisabethen - nicht gar so zornig. Er mußte das
Bistums-Volk auch aus einer Hungers-Not und dann während der – bewahre uns Der HERR vor ihr – Schwarzen Pestilenz –
hüten und versorgen – ihn hat man posthum geliebt. Aber sehr entschlossen war seine Eminenz Bischof Grave v.d.Hoie, unser Landes-Herr im Wigbold, diesmal gewesen, ein für alle
Mal mit der "Wege-Lagerei" in diesem Bistum aufzuräumen, dessen Import-Abwehr-Mauten derzeit gegen Norden hoch und
gegen Colna-Burg hin günstig lagen, deren Straßen extra schecht waren, weil jedes Fracht-Gut, das den Boden berührt, dem
Land-Eigner zufällt – wort-wörtlich.
Man hat diese Maotte gebannt, geächtet und verhanst – "zu Himmel, zu Lande, zu Wasser" böse-gesprochen - ein
3-Welten-Exempel statuiert, "sie nicht wieder zu errichten in Ewigkeit" - jedenfalls vorläufig nicht - sodaß die Befestigung und
die Maotte komplett demontiert worden waren, die Steine fürs neue Wigbold-Tor genommen und die Balken nach Loon weg
geschafft und dort sind sie verbaut wurden - eine Tag-Reise weit weg. Nun ja, es war auch ein ziemliches "Ding" vorgefallen, bei v.d.Hoie – zuerst, denn so aus heiterem Himmel tut man Orten so
etwas doch meistens nicht an... - vielleicht sollte man auch ungeweihte Bischöfe als Löse-Geld-Gefangene besser nicht in den
Budden-Turm sperren... – aber an den Leuten lag's nicht. Dann stiegen die Mauten zum Nieder-Rhein hin und die nach Bremen
hin sanken.
Aber jetzt war eventuell beiderseits etwas günstig – Moerss liegt ja wieder zum Nieder-Rhein hin, das heißt Geldern, Flandern,
Brabant, Colna-Burg und Burgund - und das Leben geht weiter - und es ist eine "ganz neue" Zeit. Mal wieder. Naja – man muß das alles abwarten. Jedenfalls wirkt es sich auch am Sünt Annen Markt aus. Jan-Hendrik, weil er zugänglicher ist, wird von ein paar alten Ratsherren und Bauern, die gemeinsam auf einer Bank am
Stadt-Tor dem munteren Treiben bedächtig zuschauen, darauf angesprochen, was es Neues gibt im großen Handel. So genau weiß er das wirklich nicht, aber durch das gemeinsame Fahren kennt er natürlich wen, der wen kennt und holt den
Vater des Gewürz-Kramers zu ihnen, hockt sich aber zuhörend auch selbst nahebei auf seine Fersen, weil er denkt, man könne
auch solches Wissen eventuell noch gut brauchen. "Was meint Ihr, dieser Wechsel im Bistum, von der Weser zum Nieder-Rhein – also eins muß man dem van der Hoischken ja
lassen – der Haushalt Seiner Eminenz soll ja wieder saniert sein." –
"Seiner schon. Vorher stand sich manches aber besser in Graven-Hand." –
"Ja-ja, man hat von dem Wechsel der münster-bischöflichen Befestigungs-Linie gehört – Euch hat es damals anscheinend als
erste erwischt?" –
"Naja, zuerst haben wir gedacht, wir hätten es mit der Maut-Erhebung vielleicht zu doll getrieben, aber als er dann die ganzen
Burgen parallel zur nördlichen Äbtissinnen-Straße abgeräumt hat, um aus dem Material dann die Zölle gen Nieder-Rhein,
Brabant und Flandern hin zu befestigen, sahen wir ja, daß ein Prinzip darin steckt." –
"Tja." –
"Ja-ja..." –
"Oh ja." "Ach ja? – Nun ja, doch – leuchtet mir ein. –
Es sind ja auch ganz andere Waren auf dem Markt, wenn alle Beziehungen sich um Weser und Bremen nach dem Norden
orientieren, andere, wenn man mit dem Zentrum Colna-Burg des Westfälischen Dritt-Teils enger verbunden lebt – das bedeutet
in Westfalen, Flandern, Brabant oder Pfalz, Elsaß oder zur See Leon, Aragon, Kastilien, relativ sichere fast interne
Handels-Beziehungen" – er macht eine kunstvolle Pause und horcht – noch keine Reaktion - "Ihr erinnert Euch? – Ihr werdet's
an den Waren sehen, das ist jetzt alles wieder da wie in Vorkriegs-Zeiten. Allerdings der Krieg Englands - mit Burgund
verbündet - gegen Frankreich steht gerade in der Krise, ob sich Frankreichs Künningtum noch aufraffen wird oder in Kürze
erlischt. –
Kann es sein, daß ich auf dem Weg nach hier Rosen-Ritter sah?" - auch das überhört man geflissentlich – nicht, daß man darüber
nichts wüßte – aber geht das hier gleich jeden Durchreisenden an? 
Flandern – Geldern – Ponthieu mit französisch beanspruchter Krone seit anno 1340 – Richards und Edwards Weiße
Rosen-Allianz York – Cambridge – Clarence - Mortimer gegen Johns Rote Rosen nun mit Gent – Lancaster – Guienne –
Somerset – Bedford – Gloucester – Henne-Go - Kastilien – Portugal zusammen-geheiratet 
Schon läßt sich ahnen, wer diesen Bruder-Krieg zu überstehen bereit ist: Frankreich auf dem Kontinent wird der lachende
Dritte werden und wieder frei. –
Kein Kommentar, sie warten - wie beim Würfel-Spielen: du bist nochmal dran. –
Also fährt er etwas enttäuscht fort: "Von der Hanse her sind aber auch die Kontore des gotischen Drittels im Baltikum in engerer
Beziehung zu Westfalen als die des wendischen mittleren Nordens um Lübeck, das man verdächtigt, seine anderen Partner zu
benachteiligen und das einigen zu stolz darauf ist, neuerdings kaiserlich zu sein. –
Ein viertes Drittel bahnt sich an. –
Ach, es ist viel komplizierter," sagt der Gewürz-Kramer schließlich und läßt das Thema fallen. Er wechselt nun das Thema und fragt, ob es hierzulande ein Schöffen-Gericht gebe, obwohl der Herr Advocatus nicht mehr ein
Herr v.Solms ist. "Ach – habt Ihr in letzter Zeit von ihm – unserm meine ich - gehört?" –
"Ja, er starb vor – eh – naja, fast zwei Jahr ist es her, in Zütphen Gelder-Land – er möge ruhen in Frieden." –
"Amen." –
"Ja. - Also seine Tochter Agnes ist jetzt eine v.Bronchhorst in Borkeloo bei Zütphen." –
"Ach, dat treue Achnes! – gibt es Nachkommen von ihr?" – der Gewürz-Kramer lacht: "Ihr wollt mich auf den Arm nehmen,
oder? - Ihre Tochter Gisberta ist doch Eure Liebe Fraue Gravinne v.Bentheim worden. Solltet Ihr gerade das nicht erfahren haben? –
Und die Tochter Hedwig ist das versprochene Eh-Gemahl des Otto v.Diepholz, die Söhne – davon ist einer versprochen an die
Tochter s'HeerenBerg. Das solltet Ihr doch längst wissen." "Ach du meine Güte ja natürlich! - Kam mir doch immer schon vor, als ob ich's wüßte. Muß es einfach vergessen haben." Jedenfalls gibt es noch Schöffen in Scopen-Go, und weil das gut klingt, behielt man es bei, die sind erblich und permanent
dienstlich im Umstand beim Go – so eine Art Meßdiener der Graven. –
Wenn der Rat sich berät, sind sie natürlich in Amts-Tracht dabei. –
Weil sie mit der Solms-OvelGünne in Gebrauch gekommen sind, tragen sie noch als Buße - sozusagen wegen Widerspenstigkeit
- am Gewand eine Schöpf-Kelle aus Zinn: einen "Schöpfer", die haben sie verkleinert an die Hut-Krempe gesteckt und servieren
daraus Willkomm-Korns. –
Nun sind die heimlichen Lacher auf ihrer Seite. Während der Rat und die Geistlichen dann mit dem Planungs-Meister der Schilderer-Hanse nieder-sitzen und erst einmal zur
Begrüßung schmausen - Kleriker im Extra-Raum – und über Einzelheiten verhandeln, sitzen schon die Schilderer-Gesellen im
ganzen Ort fleißig herum und machen Skizzen von der Bevölkerung, und deren "Hänschen" probieren unsere kleinen Krotten
aus, wie es hier zu leben ist. Sie lernen vieles ganz genauso wie die herkömmlichen Maler. Auch das Beschildern von Häusern, Waren-Angeboten und
Nachrichten wird wie die Nadel-Malerei, die textilen bemalten Wände und die Leder-Bearbeitung immer anspruchsvoller. -
Während die Maler der 7-Freien Künste festen kompositorischen Regeln folgen und ihre Themen aus der reinen Vorstellung her
illustrieren, haben die Kunden der Schilderer praktisches Interesse daran, daß es das Anzuschauende wirklich auch gibt, wo sie
sind. Die Schweine-Züchter firmieren mit den mächtigsten Sauen – die Pferde-Züchter mit andalusischn Streit-Rossen - der
Moritaten-Erzähler zeigt auch die Orte und die Leute, von denen die Rede ist, und das Interesse an Realitäten-Schilderung wächst
allgemein. Auch die Mysterien-Spieler wollen Dekorationen zu ihren Themen – vergängliche Schönheit für 1-2 Jahre, aber wetter-fest. Ihre Frauen sind weiter an der Welle und waschen die Kleider, und Matha nun auch gern dabei, denn jetzt läßt sich ja Vieles
genauer erfahren.
Jungfer Matha will jetzt mehr von der Narwarinne hören, die sie gemalt gesehen hatte: "Was wird das denn für eine Schilderei zu
dem Altar? - Diese schön schauende Dame mit Turban - wer ist das – wo lebt sie?" - fragt sie herum. Die Hanse-Frauen denken nicht einmal kurz drüber nach, "die wissen nicht, was sie meint", denn diese Mappen mit Mustern zu
Schildern, die hat doch jeder, das ist doch nur Arbeit der Kloster-Brüder oder der Gaffel Dekor - jeder macht was, was gebraucht
werden kann.
Andre haben bunte Arznei-Steine gekocht oder Bild-Brote gebacken, wieder andre reisen mit Kunststückchen rum und kaspern
auf einem Seil oder bieten kleine seidene Tücher an. Muster, Modelle, damit tauschen die Meister so rum, wer was hat - jeder hat welche da. –
"Das sind gar keine richtigen Leute, es ist doch Malerei," heißt es, "irgendwer wird's sein" - und "wieso Narwarinne?" Kann sein - muß nicht, egal.
"Es ist ja nichtmal angefangen - was du schon wieder weißt," tadelt die Ramschultene sie, "Viel mehr interessiert die Frauen
heute ja schließlich, ob man hier gute Buch-Asche kriegt, und sie freuen sich auf endlich mal Salz, das wir haben." "Stimmt," sagt die Frau Pulcinella von den Comödianten, "Salz und Buch-Asche könnten wir dringen brauchen - wochenlang
gab's keins unterwegs, doch an der Lippe haben es Hiesige schon gesagt, daß im Norden links-der-Ems immer Salz wär." –
Wettringen hat tatsächlich ein Salt-Hues, aber es gibt auch nebenher-welche Bauern mit Sole für hier. Einige der angereisten Frauen haben auch jetzt schon eine Bleek-Wiese erspäht, wo ein Segel-Tuch wittet.
Einige wollen gern welches für ihre Wagen - ob wir auch Bädemse zu verkaufen haben. "Bädemse ?? - wat'tn dat ?" fragte Drüksken sofort.
"Na Bärmse - wie sagt man - Beider-Wand - Leinen mit Wolle verwebt, sowat chuut Festes." Da sieht man doch, wie unwies diese Fremden sind, denkt Lisbet stolz und schrubbt, damit sie nichts gehört haben muß.
Unsere Wand ist aber nur reinstes Leinen für Geschäfte, auf Gewebe-Vermischen stehen hohe Strafen und Verkaufen geht
überhaupt gar-nicht, es ist ja der Wert. Auch die andern an der Welle haben es schön überhört. Wernsings Trine murmelt nur kalt: "Och, das ist Männersache." –
Tiarksenas Drüksken seufzt nun ein bißchen - hält inne - sie kann nicht zugleich rubbeln und nachdenken.
Ihr fällt ein, daß es schon eigenartig ist: jeder Faden gutes Leinen gehört zur Zeit dem Narwa-Kalev drüben, in Liivland, nichts ist
für hier - man darf hier Baum-Wolle tragen, englische Wolle oder Nessel oder sonstwas, sogar Seide, wenn man hat, aber kein
Stück Leine-Wand. "Aber bei denen von Borken hatte jeder Manne schon welches an, auch schon Drosten zu Fische-Ringe tragen es als Uniform
zum Topfhelm, zu Wolle Rot, und an der Lippe habn's gesagt: die Lieben Damen von Hervurth und dergleichen geben's ihren
Zofen auch – sogar bei den Klarissen." behauptet jetzt Frau Pulcinella. Darüber weiß man hier nichts, es ist lange her, daß die Damen selbst hier waren. "Offiziell ist deren Wolle eher schwarz" - sagt sie so auf ungefähr und denkt: doch hinter der Klausur? - da weiß man's nicht. Die haben schon das andre Leben zu entbehren, es heißt, die können Samt und Seide tragen, wenn's ihnen hilft - meist gönnt
man's ihnen ja. Es sind ja Herrschafts-Damen unter sich. Recht viele kommen schon als kleine Mädchen dort hinein und ziemlich sicher bleiben
sie, auch wenn man mit Berufung etwas Andres meint - oft sind es überzählige Erbinnen –
In Heiden-Ländern wären sie getötet worden, bei Sarazenen in den Harem eingesammelt - also so beseh'n ist Hervurth
vorzuziehen und sicher macht man's ihnen hübsch - denkt Matha. In Metelen-Stift und in Stift Asbeke, da hat sie schonmal öfter selbst zu tun, das ist ganz anders, die Lieben Damen ziehen da ein
und aus, wie die Konvente nach Augustiner-Regel es können – die meisten, es ist mehr ein vornehmes Pensionat und sie sind
manchmal jahrelang nicht da, und sie behalten ihr Vermögen. Sie lehren einen Weiß-Stickerei, wenn man dafür was tut, etwa Beeren sammeln oder Nachrichten bringen. - Um dahin zu gehn,
braucht Matha aber schon ein Breve von der eigenen Sünt Brixi-Pastorat, deshalb nennen die Lieben Damen von Metelen sie
gleich einfach "die Brixi" und die in Asbeck "lütt-Bridged", dorthin hatte der Vogt sie als 6-Jährige mitgenommen, als ihm
spendabel zumute war, und er ließ sie was lernen. Das schuf ihm Verbündete. Unser Lein-Wand wird restlos in Tonnen gesteckt und ab Münster nach Gotland verschifft und von da an die Kontore dicht vor
der Grenze nach Holmgard und Wladimir, und selbst Antwerpis Hafen bezieht keins von hier, sondern Metzen und Stifte, die
schmieden wir auch. Wir beschaffen uns dafür Find-Eisen aus Finnland gegen Leder-Beutel, Sättel, Leder-Wamse und
Zaum-Zeug aller Art. Aber wer hier sozusagen Bank-Noten herstellt, näht sich natürlich selber keine Kleider daraus. - Fremden erzählt man darüber
gleich gar nichts. Man muß ja keinen in Versuchung führen, denn Leinen zu bleichen geht ja auch nicht unsichtbar - grad Segel-Tuch ist weiß und
groß - und jedes Eckchen Schwemm-Land in der Unter-Stadt ist hier besteckt mit weißen Bahnen. Das können sie nicht gesehen
haben - die Fremden dürfen immer nur im Dorf Stockhem wohnen – und: als die ersten kleinen Krotten sie gemeldet hatten,
wurde gleich die Stadt verschlossen, damit sie gar nichts daraus sehn. Doch wer es kennt, kann Leinwand ja auch hören und Frau Pulcinella hat nur auf Verdacht gefragt. Web-Stühle rattern hinterm
Stadt-Tor und auf vielen Bauern-Höfen, das erkannte sie sofort. Und hatte nicht grade Wernsings Drüksken ausgekochtes Flachs-Garn ausgeschrubbt ? –
Sofort wendet sich die Unterhaltung nun doch gerne dem Thema der Bild-Meister zu.
"Was wird's denn kosten sollen?" - das ist eine praktische Frauen-Frage, nicht: was soll drauf stehn. –
Eine antwortet: "Soviel ich weiß: Einmal zeichnen sie vieles umsonst - so das Allgemeine und Landschaft - und einmal Portraits gegen Bezahlung. Es können etwa 400 Leute ins Bild, heißt es! Auch ganz-wenig an Spende genügt - die Leute baut man eben
ganz-wenig dazwischen ein." So etwas gab es noch nie: eine Schilderei für die Kirche – und in so ein Hilliges Bild darf der ganze Ort rein! Kaum ist das gesagt, sind auf einmal die kleinen Krotten von der Welle verschwunden, jeder nachhause, erzählen, denn die
lungern natürlich auch an der Welle am Waschplatz herum, angeblich zum Helfen. Die Verständigeren können schon einiges
spülen - kaum daß sie es können, müssen sie schon - die kleineren patschen etwas abseits im Schlamm oder "waschen" sich
Löwenzahn-Kränzchen in einem Ledereimer am sicheren Ufer, nicht grad da, wo Gewaschenes sauber sein soll. So ein Schild in unserer Sankt-Brixi-und-Marien-Kirche also - dann wird der Liebe-G"tt bestimmt ganz viel besucht von groß
und klein - und Matha auf dem Kirchhof auch! Es wird bestimmt schön Arbeit geben, Kinder hüten und dergleichen – es kämen
fein viel Leut vorbei. Das Schönste ist ja, daß es für den Besuch dieser Kirche sogar 40 Tage eher Himmel gibt, Ablaß - 40 Tage weniger zu warten, eh
man sich freut und all seine Lieben wieder sieht! –
Ach ja. Das wissen die ja nicht. Das wird ihnen nun sofort auch noch erzählt, und ja - es interessiert! "Es ist uns - seit schon gut hundert Jahren, aus Avignon - verbrieft, es heißt, der Altar soll darum jetzt neu-neu entstehen, zum
zweiten Jubel-Jahr seitdem – ach nein, zum dritten, es wird ja schneller abgefeiert. Das nächste wird schon 1415 wieder sein.
Wer es einrichten kann, kommt ja seither mindestens alle vierzig Tage zur Heilgen Messe" - man will ja nur nicht in Verzug
kommen, mit dem schnelleren Himmel-Reich, hinterher. Ja, doch, es interessiert. Die Neuen fragen gleich nach en Bedingungen, Pater-Nosters, Aves, ob was noch – und einige andere, die schon jährlich hier
waren, erläutern es schon: Sakramente-Empfang auch. –
"Habt ihr hier herum denn auch Minoriten? - Ich suche den Groß-Poenitentiar?" fragt die neue Columbine der Comedia nun.
Die Bürgerinnen sehn sie erschrocken an: "Na hör mal,so ein Jungfer Wichtken – gleich einen Minorit müßt Ihr haben?" Ehe sie antworten kann, bemerken sie Jungfer Matha, die ja fast gleich-altrig ist und so unbeteiligt tut, und sie winken das Thema
rasch wieder mit einem Augen-Dreh verstohlen ab. Minorit - das ist doch für schwere Sachen, etwa wen Dot-Geschlagen-Haben oder n'bitken außer-eheliche Beziehungen ...
Als ob Matha so etwas nicht doch auch schon gehört hätte, aber da war sie kleiner. Man erörtert hier "so etwas" aber nicht in so großer gemischter Gruppe von Leuten und mit den kleinen Krotten dabei. Es ist ebensowenig geeignet wie etwa, ob jemand mit ihrem Ehe-Gespons etwa Glück gespürt hat. Keiner rechnet damit - wer es
hat, sollte still sein. Nonnen haben überhaupt gar keinen. Weil nun eine Pause peinlich ist, plaudert Matha nun eilig los und erzählt noch etwas Neues: "Seit anno 1426 ist Stadt-Schüöping
eine Vryheit, eine Freiheit, das heißt vom Gerichts-Tag befreit - zum Beispiel die Erbhufe Eyßing zu Ebbinghoff liegt in der
Freiheit Scopinge - das ist im Kleinkram nun vom Go-Gericht zur Sante Welle unabhängig - deren Männer brauchen nicht zum
Tie. Das kann nämlich manchmal auch zu viel werden, wenn es viele Urkunden zu testieren gibt. Vorher waren sie ja jedesmal zum
Sand-Well berufen worden und gleich jedesmal für Tage." Trine denkt an ihre Männer und das Tagen und brummt: "...un' alls gliks besuopen torüch!" Drüsken sagt bewundernd: "Woher die dat immer gleich so weiß und hersagen kann. Sie geht doch gar nicht zur Schule." Elsbeth weiß es genauer: "Aber ihr Bruder, der Laurenz - und dem hört Matha die Haus-Aufgaben immer ab - die lernt viel
schneller mit als er selber." "Jau, dat heff'k auk so maaket," meldet sich die Schulte-Water-Künninginne von seitlich, die gleich mit drei Mägden hier ist, die
ihr waschen helfen, während sie das Zeug sortiert und anweist, was zu holen ist. –
Die Columbine fragt: "Wos-hot's-g'säät?" - was sie gesagt habe, weil dies Platt ihr ungeläufig sei, sie ist heute "Hessin" - die
Harlekine übersetzt es ihr in Kölsch-Akzent, das ist ein kleines Spiel von ihnen. –
Nun reden sie von ihren Brüdern, die verschollenen sind mit dem Vater, ob sie vielleicht auch auf diesen Markt hin kämen - und
so kommt man wieder in Gang und von einem auf's andre – und vom Thema Leine-Wand schön wieder weg. –
Matha hätte lieber doch noch etwas ausgesponnen, was am Altar ins Schild rein sollte, ihret-halber, zum Beispiel auch so
Frau-Leute wie die hier von dieser Welle – und wie diese das wohl fänden. Sie kann es sich schon lebhaft vorstellen, etwa wenn die Nachbarschaft mal wen bestattet, oder wenn sie - um jemanden zu heilen
– den guten Antoniter-Theriak vom Club-Haus holen - man spricht ja Klapp und denkt an Lepra-Klappern – stimmt aber nicht,
das ist das andere - wär aber schön so, im Altar? - sie schwärmt es nun der Drüksken vor, weil die ihr immer gern zuhört - nicht
unbedingt, daß Drüke ihr stets folgen kann, was sie da meint, doch Drüke hört es gern, wenn Matha redet. Also die kleinen Krotten, die dies soweit mitbekommen haben, erzählen es nun gleich den anderen - ganz so, als wisse es Matha
schon ganz genau - sie hatte ja mit dem Jungen geredet - und die größeren würdigen es als "mal wirklich besonderen" Altar -
und schnell war es herum, zu den Vätern, Müttern, Ammen, Brüdern, Schwestern, Tanten, Omas, Opas, Vettern, Basen, Öhms
und kranken Freunden - auf den Wegen, Feldern, Weiden, in der Wersche, im Stroenfeld, kletterte mit flinken Jungs-Füßen bis
zum Stein-Bruch im Berg, zu den Hirten und Knechten, krabbelt unter Kühen hindurch zu Mägden "Ich weiß etwas, was du nicht
weißt" - die eben melken und mit halbem Ohr zuhören, weil sie mit dem Kuh-Schwengel kämpfen - hängt sich an Mütter-Schürzen
in Küchen, wo Abend-Essen vorbereitet wird, mit "Maman - so hört doch mal, ich weiß etwas!" - hastet mit Geschwisterchen im
Hucke-Pack hinaus nach Heven, Ramsbiäk, Giämen, Tink, Haverenbeke, hin zu den Einzelhöfen – natürlich auch wer nach
Eckrodt - eben jeder im Verteiler-Kreis zu seinen best-geeigneten Leuten für erhebliche Neuigkeiten –
"Jawoll, das klingt, als kann's was werden !" – "Ik weet't nich – all so'n nie-mood'sch Tüech" – "Wen interessiert das schon." –
"Ich glaub's nicht, weil: das gab's noch nie!" –
Die kleinen Krotten freun sich nicht so sehr auf die Schilderei, sondern auf die herrlichen Debatten, die das mit sich bringen wird,
was Leute da, wenn's lebhaft wird, versehentlich verraten werden: "Da kannste wüe'klich wat bi liän'n!" Öhm Haio vom Ramschulten Hove spottet: "Das wär doch wohl mehr was für die Abtei Werden, nix für so hergelaufene
flamsch-bohemische Fremde, wie schon uss'n Hilligen Ludgerus sagt: Wat nich is, dat kann noch Werden! - aber eventuell wird
er sich interessieren – wenn es ihn interessiert, dann ist es schon wichtig genug – man richtet sich vielfach nach ihm. =***=
Gegen Engel des Herrn am Abend sieht man überall an den Ecken die Männer nun darüber kür'n, ob's was ist, und die
Nachbarschaften sammeln Meinung. Einige aber im Wigbold essen eilig eine "Unterlage" und gehen dann zur
Rats-Versammlung in das Rats-Haus. In der Rats-Stube hat man sich zusammen-gesetzt, um das Bild zu beraten, und was dies betrifft, geht es sehr geschäfts-mäßig
zu: der Ehren-werte Meister hat da viele Mappen auf den langen Tisch gebreitet, Vorlagen, Kopien, Skizzen, die Bestellenden
suchen Szenen aus, welche den Rats-Herrn, den Schöffen, den Schild-Fähigen und dem Geistlichen Herrn Pastor Tiderik Henson
gefallen. Auf dem Ehren-Platz in der Rats-Stube sitzt heute der Sehr Ehren-Werte Schilderer-Meister des Jahres, Roberto. Er ist sehr
standes-bewußt, muß aber nun auch viel reisen, denn er hat gleich mehrere Altäre in Auftrag genommen und überall kleine
Gruppen Meister-Schüler gelassen, die schon etliche Vorarbeiten erledigen: Tovel zubereiten und grundieren, Orts-Bewohner
skizzieren, Landschaften auch, und die Lage der Höfe samt derer Felder Namen sowie lokale Sagen erfassen. Jan-Hendriks Meister ist dessen Lehr-und-Wander-Jahrs-Freund und er hatte ihn gebeten, um dies alles zu bitten für das, was ihm
vorschwebt, was er hier zu machen gedenkt. Es ist einfacher, wenn es der Meister des Jahres wünscht. Dessen Hand wird benötigt für die Bild-Konzeption, welche Vorlagen hinein-kompiliert werden sollen, Entwurf, wieviel und wie
groß im Bild etwas sei, und wohin was in das Ganze, Gesichter und Körper-Stellung der Haupt-Personen und für die
End-Abnahme, wenn es soweit fertig ist, daß er mit sicherem Strich das Ganze nochmals vervollkommnet.
Und deshalb auch: ob die Gaffel es überhaupt annimmt - als Auftrag – sie können es nämlich verweigern, zu tun. Er wird, wenn
ja, dann hier drei-mal benötigt. Während er den örtlich best-erreichbaren Lidwinen-Dorfer Hervurth-Wein in sich zur Wirkung kommen läßt, nachdem er
ausdrücklich dem beliebteren Bier abgewunken hat, muß er wie überall erstmal die Prozedur überstehen, daß der Rat aussucht,
welche Bilder von anders-woher im Altar zitiert werden sollen.
Das ist eben Mode geworden und zwar nicht grad das, weswegen er zu Malen angefangen hatte, aber es gibt ihm auch mitunter
Ansporn, die bunten Wünsche der Kundschaft harmonisieren zu wollen - es gibt ihm Ideen für größere Werke. Manchmal hat ja auch dieser und jener schon große Werke auf Fahrt gesehen und zuhause erzählt, sodaß auch der ganze Ort dann
grad so etwas will. Vorsichtshalber hat er deshalb größere Mengen Kopien dabei - es erleichtert das Bestellen und ist in der neuen
Öltechnik auch sehr einladend anzuschauen. Jede Gemeinde, jeder Rat, sogar fast jeder Ritter will jetzt diese Art Schilderei.
Die mitgebrachten Beispiele sind aus halb Europa. Alle Maler lernen ja zunächst auf ihrer Walz auch durch Besuch der Werke
großer Meister und Kopieren – viele Schilderer nicht minder. Manchmal handelt es sich aber um Zitieren der Werke Anderer, nur
um einen Namen zu zeichnen. - Jedesmal, wenn das Vorlagen-Aussuchen dran ist, vergeht aber ziemlich viel Zeit damit, daß die
Betrachter erst einmal alles sehn wollen und dies erst in sich aufnehmen müssen, dann am liebsten alles haben wollen und bis
dahin langwierig diskutieren. Da sieht man nun auch Abzeichnungen großer byzantinischer Mosaiken an, deren viele auch
Venedig für den Markus-Dom bestellte, damit Meister aus Byzanz damit Wände und Gewölbe schmücken, weil von
Konstantinopel nichts mehr zu besuchen sein wird – Sarazenen sind da schon bald drin und ganz nah. Viele Zeichnungen sind auch nach Fresken angefertigt, andere nach Wand-Teppichen und andere nach Bildern und Miniaturen
und sie haben auch zwei schöne Stunden-Bücher mit.
Also ne, denkt der Wand-Meister Eisingk begeistert, wat gifft et doch för schine Menschken un' Wänder up de Wiält - so'nn poar
dervo' moet ik moal utproveeren füör de Tapisserei. Andere sehn sich bedächtig an, wie unterschiedlich Menschen Jesus malen.
Man meint grad nicht, daß sie denselben meinen.
Wieder andere bemerken sogleich gemalte Pferde - egal, wer drauf-sitzt, einer zeigt auf's Alexander-Mosaik: "Dat is wat Fienes,
sou einen hat auk usse niewe Leiwe Hiärr Grave! Den magg ik woll auk an Fier-Dagg ankieken!" –
"Nä, kiek-äss düssen Schimmel hier, dat is' Klasse - kann men so'n Piärd auk bestell'n?" –
Also betreffs der Pferde sind sie schnell einig geworden, jeder will welche auf das Bild – nachher sind es schon 14 bis 16, die als
unbedingt selber als Reiter vorkommen wollen. Öhm Haio findet im Stunden-Buch eine Szene an einem Burg-Tor, oben sieht man einige Damen schauen, wer da kommt, und
unten im Tor drängeln sich die einander Begrüßenden.
"Weißt du noch, Bernd," sagt Visingk zu seinem Nachbarn "wie sie unsre OvelGünne damals eingenommen haben und
verlangten, daß jeder, der sich retten möchte, nackig vor die Tore kommt?" –
"Nich' ganz nackig" sagt Bernd, "ich war dabei, wir durften uns dann doch was umtun, unten-rum." –
"Ja-ja, das mein ich gar nicht, aber kiek mal hier, dies Tor - und da oben die lüttken Wichtken - da hatten wir aber noch unsere
Männer am Steine-Werfen, nur die Geschosse gingen uns allmählich aus." –
"Und die sah auch ganz anderster aus, unsere OvelGünne, da hat mein Vater selig noch selber mit dran gebaut - kiek mal da,
hier waren Eck-Türmkes und da war oben drauf noch ne Tür weiter hinten." –
"Ja, und da war noch im Daumen rechts die vergitterte Stube dran gebaut, mit so'nem schwarzen Schiefer-Dach, damit er nicht
brennt." –
Auf einmal läßt die ganze Versammlung die schönen Bilder-Mappen der großen Kunst beiseite liegen und alle sehen auf das
kleine Blatt des Stunden-Buches und jeder weiß was von der Ovel-Günne, wie sie war. Es war ja schon die zweite Burg im Ort
gewesen und man hatte sie zwar schnell doch sehr solide aufgeschlagen, Herr - von - du weißt schon - hatte davon richtig
Ahnung, wie man eine Motte ins Wasser baut - es war nicht einfach, diese zu erobern - und seine Otten-Stein, die war überhaupt
nicht stürmbar gewesen. Der Meister Jan-Hendriks schaut dezent hinüber, um was es da geht – ach, die Kopie aus Hamburg Sünt-Petri, so ein billig
Blättchen mit fast nichts drauf, nur rechts am Rand ein skizziertes Burg-Tor und Menschen, die sich darin zum Ankömmling hin
drängeln - doch wie sie so darin etwas völlig Anderes bemerken und beschreiben, denkt er es sich schon gemalt und überlegt, ob
man nicht überhaupt die Leute diskutieren lassen sollte, und das dann aus den Vorlagen entlehnen. Schon hat er es sich aufskizziert, Burg mit Leuten an dem ausgerissenen Tor, wie sie sich da halb-nackt ergeben – drin brennt es,
fällt ihm ein, das macht sie eiliger. In einem andern Bild läßt es sich vielleicht brauchen. Er räuspert sich und sie fahren etwas
verlegen mit den Köpfen wieder auseinander, setzen sich - wenden sich wie ertappte Schüler wieder den Bilder-Mappen auf dem
Rats-Tisch zu, schieben sie einander im Kreis herum zu. "Mann, kiek mal heer, wat för'en Sattel! - da makk ik ju solidere," brummt der Sattler, um etwas zu sagen.
Von der Burg zu reden ist noch zu frisch her, man hat ein für allemal diese Burg neu zu bauen verboten und den Graven du-weißt-schon - durfte lange keiner erwähnen. Er hat ein Bild mit Reitern entdeckt, wo der Themen-Schwerpunkt nicht eben das Reiten war – da ist das einigermaßen realistisch
gemalte Pferd etwas zu theoretisch gesattelt. –
"Och - aber der Reiter, wie der da drauf sitzt, damit kommt er auch nicht klar. Und wie das aufgezäumt ist – das Pferd kann ja
kaum damit drei Schritte laufen." –
"N'bitken fründlikker könnten diese Engelkes mir schon gefallen." –
"Sagg-e-moal, haben die für die Lieben Hilligen da in Florenz gar nichts Besseres anzuziehen wie arabische Kaftans?" Gerade ein bißchen lustiger geworden erschrecken sie wieder, weil es doch ein Kirchen-Bild werden soll und man darüber nicht
zu urteilen hat –
"Dessen Wirklichkeit ist innerlich" hat der frühere Geistliche Herr damals mehrmals zitiert, als sie sich anstelle des schon sehr
dunklen und kaum noch erkennbaren Fresken aus der Bauzeit der Kirche ein Tovel-Bild wünschten, "und jede Form von Eitelkeit
ist hierbei völlig unangebracht. - Allerdings, wahre innerliche Schönheit und etwas von Wert, das hat der Liebe Herr-G"TT
durchaus verdient – Er hat sie geschaffen," hat er dann hinzugefügt, als ihm einfiel, wie kostbare und schöne Ausstattungen in
den Kirchen wiederum auch das Gemüt eines Beters erheben.
Die Kaufleute und Handwerker kamen ja etwas mehr herum, nachdem es dem Bistum wieder besser ging.
Aber der Meister ermuntert sie jetzt auch, ihre Meinung ruhig zu äußern, denn er lege Wert auf genaue Details, weil ihn deren
Abwesenheit – müsse er gestehen – auch ständig irritiere, wenn er länger darauf schauen müsse - "und wir möchten uns doch mit
allen Sinnen des Betens erfreuen." – Und schon geht es wieder halb-laut weiter: "Solch-ene Rüstung wie die da, die gibt es ja gar
nicht – der kann ja nix kieken." sagt der Kirchspiel-Schult, als er nun einen Eisen-Hut-Mann sieht, von dem knapp nur
Nasen-Spitze und Kinn herausschauen. –
"Doch, bei den Engländern, hab ich in Deventer welche bei den Burgundern dazwischen gesehn." –
"Aber der sieht dann ja gar nichts." –
"Braucht er auch nicht, hat's ja nur mit Unterlegenen zu tun ...." –
"Öh, übrigens, ich hab so einen mit meiner Rüstung gekriegt, als ich ein Jahr - ihr wißt ja, wegen der Sache mit dem Asbecki
Knecht - bei den Brabanzonen abgetaucht war, ehe Unser Eminenz Otto – er ruhe in Frieden - verstorben war." –
"War das nicht anno 1391 Eminenz Heidenreich, der Wolf?" –
"Na hör mal, für wie alt hältst du mich?" –
"Ach, und Ihr konntet damit laufen, ohne vor eine Wand zu stoßen?" –
"Bei Engländern fällt mir ein - ich hab gehört, daß die Franzosen sich wieder erholen, sie warten nur darauf, daß der Dauphin
sich mal aufrafft und – was meint Ihr?" - plötzlich wird es lebhaft –
"Halt dich da lieber stille" - murmelt sein Nachbar eilig mit Blick auf den Gast - "Burgunder, Engländer, Franzosen - das geht
uns gar nichts an." –
"Wenn du meinst - aber hab du mal meinen Auftrags-Radius - das geht mich jede Woche an. - Ich trau mich kaum noch bis nach
Brügge rüber." –
"Wißt Ihr," - unterbricht sie Schultengerd "den hier sollten wir für den Lieben Herrn Jesus nehmen! Er sieht so anders aus, so
richtig wie es sich gehört, so freundlich und geduldig, so" - und er verstummt, vertieft sich wieder in das Bild. Es zeigt eine
Kreuzigung, darüber schwenken Engel Weih-Rauch, darunter sind einige der Hilligen Freunde Jesu und Seine Hillige Mutter und
aus der rechten Hand Jesu läuft etwas Blut dem guten Schächer zu, direkt in dessen atemlosen Mund. An Farben ist das alles
leuchtend prächtig abkopiert.
Der Geistliche Herr Pastor Tiderik spitzt die Ohren - wie der Liebe Herr Jesus auszusehen hat, das geht ihn schließlich ganz
besonders an, er muß ja schließlich davor nachher immer die Hillige Messe lesen. Er winkt, daß man ihm dieses Blatt bitte reichen solle, "böhmisch, Prager Schule 1412", ist darauf notiert.
Oje - ihm sagt das was, besonders, wie er das mit der Blut-Kommunion sieht - das wird ja wohl grade jetzt nach der Verbrennung
des Hus zu denken geben. Gehört etwa dieser Schultengerd auch zu diesen Abweichlern? –
Nein, das hätte er schon gemerkt, religiös zu eigenmächtig sind sie hier nicht, nur eben wie überall ein bißchen schwer davon zu
überzeugen, daß alle zehn Gebote zum Halten gedacht sind, besonders auch das sechste. –
Oder wollen die Besucher unter dem Vorwand des Malens hier etwa die Rechtgläubigkeit der Gemeinde testen?
Nein, der Prediger-Bruder ist doch als Weih-Bischof jetzt längst woanders und die Inquisition hat hier gar wenig zu tun. Er nimmt das Blatt und zeigt es etwas tadelnd dem Meister, der es erschrocken erkennt und dem Gesellen es gleich wegzubringen
winkt, seinerseits diesen tadelnd fixierend. Nun aber reagieren die Männer am Tisch brummig: das Gesicht wollen sie, wenn das der Schultengerd nun eben gerne hätte.
Man stiftet schließlich auch reichlich für das Werk dabei - auf was Anderes, als war er meint, haben sie gar nicht geachtet! Wer versteht denn hier was von all dem theologischken Fienkroam?
"Wozu fragt Ihr denn erst, wenn unser-einer denn doch nichts zu melden hat?" - sagt der Schultengerd zornig. Es sieht so aus, als wollten sie glatter-dings deshalb nun gar alle die Sitzung verlassen. Der Geistliche Herr Tiderik disputiert leise nochmal mit dem Meister und der schickt den Lehrling, es nochmal zu holen.
Sie decken mit andern Bildern die verdächtigen Partien ab und besehn das Gesicht noch einmal. Irgendwie stimmt's schon. Dies Gesicht - ein edel geschnittenes etwas mehr normannisch dunkler im Typ, war besonders angenehm und auch neutral genug,
leicht im Halb-Profil nach links geneigt, und aus des Schilderers Sicht geeignet, in mehrere Stituationen kopiert zu werden.
"Das Haupt-Bild soll ja einige Stationen des Kreuz-Wegs bis zur Himmel-Fahrt Christi um das zentral gestellte Kreuz vereinen,
haben wir" – dabei nickt er zu Jan-Hendriks Meister hin, der einige Plätze weiter unter den Leuten am Tisch steht – "uns
vorgestellt, das ermöglicht eine größere Beteiligung von Personen, wie bei einem Mysterien-Spiel, das ich in Brügge sah. Der gemalte Herr Jesus kann sicherlich dieses leicht ausländische Aussehen haben." sagt er zum Geistlichen Herrn.
"Ja", befindet dieser, "das grundsätzlich Andere Des Erlösers, der zu uns gesandt ist, ist auch dadurch gezeigt – Er sollte ja auch
nicht zu erdrückend wirken, sondern so, daß man Ihm beruhigt nachfolgen mag." Meister Roberto schaut daraufhin etwas irritiert auf ihn. - Wenn er in Gedanken am Arbeiten ist, sind das Überlegungen, die er
sich meist erst bei anderer Gelegenheit macht – wenn er allein ist – gelegentlich – naja, eher sehr gelegentlich in letzter Zeit. Gewiß, er ist gelehrt und beabsichtigt auch, die ganze Fülle ikonographischer Symbolik zu berücksichtigen. Er gehört auch dem
Dritten Orden an und erfüllt nichtmal ungern seine Gebets-Pflichten darin. –
Also zu dieser Gemeinde ist die Bewegung der Devotio von Deventer wohl auch schon gedrungen, diese Sehnsucht nach
Schlichtheit der Andachts-Formen: "Konzentration auf die Beziehung zwischen Seele und Herr". –
Aber er kommt ja soeben aus Böhmen und sah die Raserei, die so etwas los-getreten hatte, als man ihnen den Jan Hus entzogen
und ihnen die tschechische Eigen-Nationalität auch der Religion bestritten hatte - und wie diese sanften lieben Bilder-Gesichter
unbesehen aus dem Kirchen flogen und durch Soldateska beiderseits zuhauf in Flammen aufgingen, bei den Empörern nur, weil
sie von Kaiser Karl des Habsburgers Malerei-Kunst-Schule her kamen – bei den andern: nur weil sie in Kirchen unwilliger
Untertanen hingen. –
Schließlich brach ein Wüten gegen Menschen wie Bilder über alle hinein. Daher hatte er ja dieses Bild rasch in Farbe auf Tuch
abkopiert und gut versteckt in der Kleidung mit sich genommen – das erstaunliche Verzeihen in diesem Gesicht hatte ihn
irgendwie sehr berührt, inmitten der Verwüstung der Gemeinde, wo er es fand. –
Über mehr hat er da auch nicht weiter gedacht - weil er schon selbst mit dem Jan von dort weg fliehen mußte - als daß es
ansonsten ein seinen technischen Vorstellungen sehr nahestehendes Gemälde war, in Farben-Schönheit und Genauigkeit. - Dieser
grals-trunkene gute Schächer allerdings, der dem Geistlichen Herrn Pastoren gleich aufgefallen war, hat ihn auch etwas
erschreckt, aber wenn's da so steht, wird es eben kopiert - das machen bei ihm Hand und Auge schon ganz von alleine, seit er bei
den Kaiser-Karl-Bohèmiens zu Prag eine Zeit mit-lernen durfte.
Und dies verlangt hier auch niemand zu malen – man könnte die drei Kreuze etwas mehr auseinander-setzen, und – naja, ihm
wird schon etwas einfallen.
Schultengerd aber hört und sieht weiter gar nichts um sich herum, er schaut schon wieder vertieft, so als sehe er mehr darin, fast
so, als frage er diesen schon etwas und er spreche schon mit ihm. Für seinen Teil hat er gewählt und weiter keine Wünsche an das
Bild. Ganz entspannt steht er da.
Der Geistliche Herr stutzt leicht verwundert. Daß der Mann anständig ist, ist bekannt, aber ob er auch fromm ist, hat er sich ehrlich gesagt, noch nicht gefragt. Auch Meister
Robert schaut nun noch einmal auf ihn hin, so etwas aus dem Augen-Winkel, um ihm die Unbefangenheit nicht zu verwirren: auf
dem Mann, wie er da steht, mit dem grauen, aber noch rötlichen Kinn-Bart, im grauen Mantel-Kleid mit rotem Wind-Fang,
blauer Schaube und Doppel-Absatz Holz-Pantinen, die direkt an die baumwollenen Bein-Kleider angewirkt zu sein scheinen, mit
solidem Leder-Gürtel für die Geld-Katze daran. Links stützt er sich auf einen Geh-Stock, rechts hält er ganz selbst-vergessen so
eine Art von Beutel, in dem man sonst eins dieser dicken Stunden-Bücher aufbewahrt, die man aber auch zu allerlei sonst
brauchen konnte. Das gäbe einen guten Josef ab: ein grund-solider Handwerks-Mann und doch versteht er, mehr zu sehen – denkt
er und leise fragt er jemanden in seiner Nähe, wer das ist und wie er heißt.
Die anderen sind schon bei andern Bildern oder diskutieren etwas, an was sie da eine Abbildung erinnert hatte. –
Doch, dieser Mann Schultegerd ist nicht zu irritieren, er hat sein Bild gefunden. Der Geistliche Herr Tiderik Hensonis denkt, es wird ja nicht schaden, wenn an dem Bild wenigstens einer schon durch das
Gesicht Jesu anfängt, zu beten. Eigentlich sollte es ja auch so sein, denkt er für sich persönlich und auch wiederum dienstlich.
Aber sie werden sich wenig hineinreden lassen, auch wenn er der Geistliche Herr genannt bleibt - seit dem Schisma und all den
Aufregungen durch des Bischofs schwere Eingriffe in den Ort und das Selbstverständnis der Gemeinde ist das Interesse an
Religion merklich gesunken - auch bei ihm, wenn er ehrlich ist. Er hat schon das peinliche Gefühl, skeptisch zu werden.
Wenn nun diese neue Art Bild spendiert worden ist, hat man ihn nicht gefragt, und ihm sind sie nicht recht. Er wird natürlich
dazu freundlich etwas predigen, aber über das Offizielle Wohlverhalten Verlangende hinaus fällt ihm eigentlich auch nichts dazu
ein. Früher - da bestellten nur die Fürsten die Hilligen Bilder, auch wohl-habende Geistliche manchmal - und sie stellten nur Hillige
dar, jene Welt, wie sie ist. Das hier war verwirrend, all die inner-weltlichen Sonder-Wünsche, die er schon gehört hat – man solle
nur ja recht genau ihre Tuche und Leder-Waren darstellen und daß der Ort ganz genau drauf zu sehn ist. Dabei gibt es keine
einzige Stelle, von der aus man ihn überblickte bis zur Gemarkungs-Grenze – aber wenn das Wigbold-Gewinkel mit seinen
lübischen schmalen rosa, blauen und gelblichen Giebeln gemalt wird – so als Hinter-Grund etwa – dann will der Ramsberg und
Eckrodt die schon halb zugesagte Spende zurück-ziehn – ja. - Haben sie gesagt. –
Und wenn das eine oder andre bessere Herren-Haus drauf käme, wollen alle rein – und wenn die Fraue Lisbeth hier die Jungfrau
Maria spielen wollte, würde die alte Frau Trud dasselbe wollen, weil sie an der Welle mehr zu sagen hat - und sie waren drauf
und dran – hat er von der Pastorat her gesehen – sich darüber höchst unfromm die nasse Wäsche um die Hauben zu schlagen. Er würde natürlich seine Vorbehalte hier nicht grad sagen. Aber daß jetzt Gaffel-Meister in die Künninglich hervurthschke
Kirche das Ihre eintragen, daß ihr mitunter noch recht biderbes Mysterien-Spiel hier gemalt verbleiben soll - vermutlich werden
sie es hinterher nicht mehr aufführen wollen, denn gemalt ist so gut wie geschehn, werden sie sagen. Andererseits, wenn sie es aufführen, das Mysterien-Spiel vom Leiden und Sterben und der Grab-Lege des Herrn, dann passiert
immer wieder auch mal, daß es entgleist und nachher werden eventuell wieder Darsteller in Verwechslung der Dinge verprügelt,
wenn die Leute sich zu sehr in die Lage des Kar-Tags versetzen. Manche führen sich dann ja auf, als hätten sie es an dem Tag zum ersten Mal überhaupt gehört, daß Jesus gekreuzigt wurde und
als wäre das die Lehre, daß hier mal wieder ein guter Mann unschuldig umgebracht worden ist – durch die Regierung - und damit
jede Art von Unglück angefangen habe – also grad das Gegenteil der Botschaft. –
Vielleicht wär es kein Schaden, es gemalt abzutun. –
Daß Er auferstand, daß Er bei uns ist, daß damit schon das Ende aller Leiden angefangen wurde, daß Er ja wiederkommen wird das ist doch schwer zu vermitteln. Er kann es auf Lateinisch singend verlesen und an den Hoch-Festen in jeder Art Deutsch auch
erläutern - aber begreifen kann er es auch nicht. - Manchmal hat er so gar keinen Eindruck davon, etwa nicht hier alleine zu stehn
mit der Gemeinde. Irgendwie muß er sie aber durchbringen, seine Gemeinde, sodaß man sagen kann, daß sie sich trösten und ordentlich führen.
Aber viermal im Jahr zu ihnen über Glauben zu reden, scheint ihm reichlich viel – zu studiert kann's nicht werden – ihn hat zwar
seine gelehrte Tante aus den Schwestern vom Gemeinsamen Leben zu Deventer der Begabung wegen zum Pastor von Depenhem
vorgeschlagen, was er nicht wurde, sondern durch den Bischofs-Wechsel mit v.Bronckhorster Hilfe plötzlich über die
Vikariats-Pfründe hierher kam, aber wie Gemeinden einen anzugucken pflegen, wenn es eine Predigt ist - das mußte er zuerst
noch zu verkraften üben. Sie nicken nicht, sie freuen sich nicht, sie schmunzeln maximal kurz, wenn er es fröhlicher überbringen will oder sich verhaspelt
– und sie weinen nicht. –
Es sieht manchmal grad aus, als sei er ganz allein hierher gelaufen gekommen mit etwas Überflüssigem, und so, als habe er
soeben ganz privat den Lieben G"TT erfunden - das, was hierherum schon jeder selber habe, weil: er ist ja nicht von hier – die
ferne Abtei hat ihn hierher präsentiert, ein Kaiser Ludwig hat sich das vor fast 600 Jahren ausgedacht. Doch andererseits haben sie dann doch hingehört, aber nur so geguckt, wenn sie versammelt dasteh'n. –
Er kann erst wieder selber beten, wenn er sich nach der Predigt umdreh'n darf und weiter zelebrieren. Jedoch bei Taufe, Verseh-Gang, Beichte und alltags – da ist es ganz umgänglich hier und oft erlebt er sie als wirklich sehr
gläubig und fürsorglich und voller Vertrauen. - Seine Bezüge bringen sie ziemlich genau und ohne Diskussion – darin liegt ja
grad auch ihre Distanzierung zum Amt. Er dient den Gemeinds-Männern hier, um gültig beten und segnen zu lassen. Sie können
es sich gewöhnlich auch leisten. Wer er ist, was er glaubt oder lehrt, interessiert sie nicht sehr. Er solle die Unwissenden lehren,
den Nachwuchs zumeist. Ihm wäre auch das Gesicht von dem Bild – Jesu Gesicht - gar nicht wichtig gewesen, so sah Er sowieso nicht aus und beim Gebet
stellt er sich kein Bestimmbares Aussehen vor. –
Und er hat von klein auf gelernt, damit umzugehn, daß man Hillige Dinge gleich gar nicht als Abbilder nimmt, so verschieden
geglückt sind die frommen Ergebnisse. Es gibt wirkungs-starke Gesamts und gar prächtige Stätten, wo andere beten – das schon, aber das Hillige wird aber nicht hilliger
davon und die Hillige Wandlung ist überall gleich das eigentliche Wunder. - Man bestellt sich zum Dank und Gedenken ein Bild
- mancher müht sich auch selbst, wie der neue Kaplan - mancher begnügt sich mit drei gemeißelten Zeichen auf einem mächtigen
Stein für ein Denk-mal - und dem Frömmeren sind sie das Zeichen, gleich nach innen zu Worten und Gedanken überzugehen. Drin in der Seele ist aber Bild gar kein Problem, wenn er betet. Betet man oft genug das Brevier und die festen Texte, sieht man sie auch nicht mehr an, denn sie stärken durch Dauer - ihr
geläufiges Perlen bezeugt und bewirkt eine Tröstung – wie ein Wandern durch die Gemarkung – nur der Neuling sagt: Oh –
schön! und: schau doch mal – da! –
Wenigstens weiß er das: er war auch einmal Neuling - und davon zehrt er schon lange. Doch wer weiß - es ist bei anderen vielleicht doch anders – vielleicht finden andere zu den Hilligen Inhalten leichter durch
Bilder. Wünschenswert findet er es nicht, fällt ihm ein, daß man sich beim Gebet an ein Ding dieser Welten gewöhnt.
Er zum Beispiel hing früher sehr an seiner ersten Stola. Sie war am Rand bestickt mit 15 kleinen Perlen. Wenn er die Beichte
aller hörte und alles etwas lange währte und es nicht mehr auszuhalten war, was er da alles anzuhören hatte, dann wanderte er mit
den Fingern um die Perlen auf dem Saum und dachte sich, er wandere mit dieser großen Karawane anderswo dahin. Man war am Strand und lauschte Wogen-Rauschen - war im Wald und hörte nur das Unter-Holz vom Stroenfeld - war in der
Welle-Quelle drinnen, dachte sich dort große wunderbare Höhlen voller Edelstein und Zwergen, Welle-Wächterkes - stieg auf die
höchsten Berge, die er kennt, dort schaute er sich um und - hörte Sünder an, als sei man unter sich und dieses seien alles ihre
letzten Worte. Dann taten ihm die dummen Sünder immer wieder leid - es ist doch dumm, die Sünde, doch leider lernt man langsam, er ja auch.
–
Das funktionierte aber nur, solang er diese Stola hatte und seine Finger jede Perle kannten - auch als sie eine nach der andern mal
verloren-gingen - er hatte sich so ganz daran gewöhnt.
Doch eines Tages brauchte er dann doch mal eine neue Stola und es fiel ihm anfangs nicht einmal auf, was mit ihm war. Er fand
es nicht mehr so natürlich, daß von 14 Leuten 12 so ungefähr dieselben Sünden abzugeben haben - er kam gedanklich nicht mehr
aus der Gegenwart heraus - er fand, sie riechen irgendwie, und daß der Sitz viel besser passen sollte - und daß sie aufhörn soll'n
zu sündigen oder wenigstens damit, es wieder aufzusagen und dann noch alle nacheinander wieder – o wieviel "unandächtig bei
der Andacht" kam zu Ostern da zusammen! Er fand sich selber schließlich besser - selbst seine Sünden waren interessanter - und ihm tat nun der Sünder nicht mehr allzu leid
in seiner Dummheit, was er sich da antut - fast fand er schon, was alle tun, das könnte nicht mehr wichtig sein. Dann stieß er mal auf ein Gedichtken der Araber, das ein befreundeter Con-Frater in alten Manuskripten las und ihm
gezeigt hat: Das Dschamal - Camelus
Das Blut steigt ihm zu Kopfe / - so trägt der leicht sich hoch
und scheint sich riesig, / da es Sterne um sich sieht.
Und ißt es, kommt es ganz von Sinnen, / stellt sich ins helle Lampen-Licht:
- ihm scheint der Stern die Lampe ihm / - und Schein sich um ihn rum verbreitet - auch scheint ihm, daß hier um ihn her
bald alle seines Anblicks würdig sind.
Sie waren ungefähr zugleich Geistliche Herren geworden und er nach hier und jener Con-Frater in die Pfründe von Sünt
Margareta Asbeki gekommen, daher traf man sich manchmal zur Erholung oder auch amtlich. Man kennt sich dann eben. Als
jener ihm das Gedichtken zeigte, lachten sie noch, denn sie fanden es in einem Heilkunde-Buch für die städtischen Frauen, als ein
Rezept gegen Wallungen, das man aus Kamelen gewinne. Sein Con-Frater aus Asbeki hatte mehr an Sprachen Interesse und bemerkte, daß es nur nach Wörter-Liste unbeholfen übersetzt
in das Latein und dann ins Deutsche kam und hat rekonstruiert, wie wohl der Urtext lautet. "Ja, man kann nicht vorsichtig genug
sein mit Rezepten andrer Länder", sagte der damals und er hat geschmunzelt, daß die Gefahr ja nicht groß sei, daß die Damen
von Asbeki es nehmen, denn es fehlt hier herum an Kamelen – und dergleichen angeregtes Geplauder. Dann hat jener ihn noch durchs Brook bis an die Wersche Mark heim-geleitet und man sprach über Amts-Angelegenheiten - wie
sich die Kompetenz verschoben hat, vom Arche-Diakon zum General-Vikar, und was zum Offizial gekommen ist und wie man
sich jetzt zum neuen Weih-Bischof zu stellen gedenkt, hier in dem Dekanat. Eventuell wird Pater Anton - Minorit und "Bischof
von Athyra" mit dem Bischof wechseln, dies Titel-Bistum in Thrakia soll er ja nicht mehr innehaben, heißt es - es heißt, er wolle
es nicht, doch er amtiert noch hie und da. –
Doch wird es wohl im Konvent von Münster wieder einer kriegen, die Rede ist von Pater Johann Fabri genannt Smed, weil es
vom Engers-Go im Westerwald ist, wo das Eisen her kommt - doch es käme in Frage, daß die Prediger-Brüder von Wesel auch
wieder einen stellen und hier das Glaubens-Gericht wieder verstärken - und so, dergleichen – naja, was es da so an Themen gibt.
Noch mit diesem beschäftigt wanderte er also durch die Weersche und es war etwas spät, man sah Sterne aufgehn in der Nacht und da fiel ihm das Dschamal auf einmal ein. Wie war das noch? - Das Blut steigt ihm zu Kopfe / - so trägt der leicht sich hoch / und scheint sich riesig, / da er Sterne um sich
sieht. - nein, das war's nicht, da war noch was mit Schein – ach ja: Und ißt es, kommt es ganz von Sinnen, / stellt sich ins helle
Lampen-Licht: / - ihm scheint der Stern die Lampe ihm / - und Schein sich um ihn rum verbreitet / - auch scheint
ihm,
daß hier um ihn her / bald alle seines Anblicks würdig sind. Ja, so Leute gibt es, denken im Amt bald wer weiß was von sich, Hoch-würden - hoch - Würde - würde - und wieder tasteten
seine Finger unwillkürlich nach der Stola, stellten verwirrt fest, daß es ihre "Anhalts-Punkte" nicht mehr gab - wie er die Perlen
immer genannt hatte, und hätte nun fast wieder aufgehört, weiter zu denken, dabei war er eben lebhaft beim Kamel verblieben
und wollte sich soeben überlegen, wieso das Wort für Groß-Mut sich grade an Kamele anknüpft – hat er gehört – und wieviel
Schein schon seine eignen Werke kennzeichnet – und wann zu Unrecht. Da blieb er mitten in der Wersche stehn und fragte sich, wieso er sich derart geändert haben sollte, seit es diese Stola nicht mehr
gab. Was hindert ihn, sich eine Wüste vorzustellen, wo nachts die Karawane unter Sternen wandert, wie er hörte: weil es tags zu
heiß zum Fahren sei - was hindert ihn, sich vorzustellen, sie fänden einen kranken Mann da liegen, so ganz verloren und alleine?
- Das konnte man hier genauso haben, wo er steht. Man könnte drüber fallen, ohne den zuvor zu sehen und läg er nur drei Büsche seitwärts, da müßte er schon seufzen, rufen oder
sowas oder bis zum Morgen warten, andernfalls - den würde niemand sehn. -
Auf einmal ging ihm auf, daß das Gleichnis von dem Mann am Wege, dem jener Samariter aufgeholfen hatte, von der Liebe
dessen, der da lag und doch gefunden wurde, handelt - die andern beiden hatten ihn ja wirklich nicht gesehen, wird doch
ausdrücklich gesagt. –
Das wollte er gleich nächstens bei der Billerbeker Calende auch mit den Konfratres mal durchgehn, dachte er, indem er wieder
weiterging - das mit der Stola: wie riskant es ist, wenn man sich etwas angewöhnt zum Beten oder Denken, was einen
Gegenstand benötigt, der schon morgen fehlen könnte - oder so ein Bild. Seit jener Nacht ging es ihm wieder besser und er war nicht mehr so gereizt, weil ihm nichts einfiel - ihm fiel ja wieder irgend
etwas ein seitdem. - Anderer-seits – deshalb ist es ihm jetzt auch wohl eingefallen – dies darzustellen, diesen Mann am Wege –
das wär sein eigner Wunsch ans Bild. –
Es war ihm wie seine Bekehrung im Gleichnis. Ja, das könnt ihm gefallen, doch - er fühlt sich gerüstet, erneuert, beschützt und mit ganz neuen Waffen des Glaubens versehen aber – in einem Passions-Pfingst-Zyklus-Bild – da ist ja kein Gleichnis drin vorgesehen: "Es sprengt die Thematik". Doch dritter-seits – wenn es da steht, Hunderte von Jahren – es hätte doch gar kein Leben-Jesu-Evangelium gegeben, wenn mit
der Ausleuchtung der letzten 5-7 Wochen Jesu auf Erden schon alles gesagt war. Ob Meister Roberto das wohl in dies Bild hinein kriegt? Er wird ihm gern die Pose dazu stehen für den siechen Mann, der unter die Räuber fiel – aber anstelle des Priesters soll er Jesus
Selber malen – und einen Engel für den Leviten, der den Kranken nicht sah – er soll gut anschauliche Gründe hinein-malen,
warum dies so war, daß die Chance, ihn zu finden, nur bei dem Samariter gegeben war, denn Vorsehung gab diese Chance,
geliebt zu sein, heute dem –
ja – so ungefähr – damit ihn einer auch von Natur aus lieben kann - weil er gar nicht so falsch ist, wie man sich zu denken
gewöhnt hat, weil sie einen immer ärgern. Nun erst wird er wieder aus dem Überlegen hoch-geschreckt. "Was ist denn der Nutzen davon, sich wen von rück-seitig malen zu
lassen? - Zahlen die dafür auch?" - staunt plötzlich ziemlich posaunen-deutlich der Schreiner-Geselle vom Brökers, der zur
Vertretung seines Meisters gekommen ist. "Sehr berühmt ist zur Zeit in Italien der Fresken-Maler Dschotto - schreibt sich Gi-otto wie G – i – und Otto, ist ein Name. - Er
führt in seinen Szenen das Bewegtere ein," erklärt einer der Brüder Meister-Schüler, dem der Meister zum Erläutern das Wort
anweist, "eben wie wirklich die Situationen so sind, daß nicht alle nach vorn sehn und auch Volk dabei ist." –
Hm. Volk! – da käm's nicht so drauf an? - sofort wird schon wieder gemeutert, daß hier da ja keiner auch so vollständig von
hinten gemalt drauf sein solle.
Wenigstens ein bißchen vom Gesicht müsse drauf, auch bei ganz kleinen Spenden, sagen sie – denn was soll denn die Familie
sagen: alle können später ihren Opa vorzeigen, nur dessen seine Enkel nicht! Man wundert sich aber nicht darüber, daß "Dschotto" auch ein Name sei, sondern: warum er Leute ganz von hinten malt, also das
hat er noch nicht beantwortet. Das holt den Geistlichen Herrn nun aus seinen Gedanken zurück – stimmt ja, es werden Spätere kommen und die möchten auch
hierzu Beziehung haben, wenn man denn schon überhaupt für alle ein Gedenk-mal malen ließ. Man kann dann auf irgendwann
Verstorbene zeigen wollen und für ihre Armen Seelen beten und diese Väter, Mütter, Geschwister selig dann ansprechen, einem
hier ein bißchen beizuspringen. Das ist es Ach da, diese Bilder, man ist in der Rats-Stube wieder eifrig geworden und blättert weiter darin - und alle reden angeregt und
teilweise mehrere zugleich. Ein bißken wurde auch dem Weine zugesprochen und ein Biß-ken in den Korn getan, das lockert auf
– und mancher mehr als anfangs stellt sich als eigentlich auch wirklich frommes Herz heraus. Der Bruder erklärt geduldig weiter: "Maestro Giotto ist eben zur Zeit sehr berühmt, und er zeichnet auch Leute in die Szenen, von
denen man nur den Rücken sieht, wie es eben im Leben auch vorkommt, denn das hillige Geschehen soll uns in dieser Gegenwart
gezeigt sein, wo wir Menschen uns bewegen und richtig, daß es alles Leute sind. - Als es geschah, was die Hilligen Schriften
bezeugen, waren es einfach die für den Lieben Heiland gegenwärtigen Leute - gute, mittlere, böse - aus dem Galiläa und dem
Juden-Land." - "Wie denn?" –
"Etwa so einfach Leute wie hier? - Aber das waren außer den Jüngern doch nur Jodischke und Römers! - Wir haben aber kaum
welche hier wohnen." –
"Aber das ist doch nur wie im Mysterium vom Leiden Unseres Herrn Jesus Christus, das kennt ihr doch, wo das Hillige Spiel
vorgetragen wird und jeder liest darin eine Rolle - nur eben gemalt." –
"Oawer dat Beld is' wat anners: dat bliwt,- un' noahher - denn kümp' wer inne Kiäken un' kiekt op dat Beld un' seiget am Ende
mi, wie ik ve'leicht n'betken suupe, da in Lasterhusen - und denn denkt he, so bün ik – un' denn köjpt he nix miähr bi mi." beschwert sich Kraffelds Heinti, der im Mysterium immer die führende Rolle bei den Würfel-Spielern spielt. - So festgelegt
darauf, das will er nicht werden. Der Geistliche Herr Tiderik sieht, wie sie eifriger werden und mehr an die Sache denken, die gemalt werden soll. Bestimmt darf er auch etwas wünschen, was rein soll – ja, er möchte das Samariter-Gleichnis mit drin haben, denn jetzt könnte er
gut etwas darüber predigen, über die dankbare Liebe dessen, den doch jemand findet und rettet - wie der nun großmütig sein wird
mit den Unterschieden, die sonst Samariter – etwa so ähnlich wie Ost-Friesen - doch haben. Erst muß einer einen gerettet haben,
bis man ihn auch lieben will. –
Nein, genauer: es ist ein Gebot, das heißt, von Natur aus käme man gar nicht darauf, daß das wichtig ist - man muß
Gelegenheiten zur Verfügung stellen, wobei einen ein anderer retten würde, um auch Leute zu mögen, die einem weniger liegen
oder die man gewöhnlich kaum sieht, weil man ja für alles seine eigenen Leute da hat - oder einfach den Mangel so durchsteht. -
Ja, er wird mal mit dem Meister reden, der soll es irgendwie so malen, daß Unser Herr Jesus selber - sehr schön und sehr eilig des
Wegs wegen - den, der da liegt, gar nicht sieht - und der Levit hinterher, der hat zum Beispiel grade etwas zu tragen und muß
ganz genau darauf sehn, wo er geht, deshalb sieht der nicht zur Seite. Ja, und dann muß man Leute daher-kommen sehen mit etwas zum Verkaufen - Öle und Wein - und daß die grad genau auf den
stoßen, der verwundet da liegt. Der Tinken Bote, der in letzter Zeit im Passions-Spiel immer die Geißel zu schwingen beauftragt war, beschwert sich nun auch:
"No'här steih ik do ass-wie moalt un' prüggel hunne'de von Joahr'n up Ussen Leiwen Heiland erüm - un' jümmer ik - denn denket
no'här de Lüe, ik bün a-soo ene." –
"Nä? Sagg-ik-auk – un 'n Joden speel ik auk nich' op eewich - ik heff noch nie wem wat ´toen." –
"Fragen wir doch einfach dazu einen von den Stemwertschken von der Haverbecker Miss, v'leicht den Kalmen Rose" - schon
protestieren mehrere: "Nöö, dä is' jo nich'-emoal vun hier-wech, dä sün'n jo iä'schd mid'dem oalen Godschkalles hie-här
´trokken." –
"Und ich hab gedacht, nur wir dürfen drauf, die es bezahlen. - Die Jüngers war'n doch auch zuerst alles Jodischke-Lü'e - dann
müßten die doch jeden spielen - und wir nur die paar Römer-Leute." –
"Nänä, wat ju da vertellst, de Hillige Josep en Jodischker, oder de Hillige Mudder Anna?! - dat senn' doch Hillige-Lü'e! - da
kannst' doch kinnen Jodischken für nehmen – und - vun dene dät's doch kin-een." Da könnte was dran sein, denkt der Geistliche Herr Pastor, daß diese für kirchliche Bilder nicht zu gewinnen sein würden - schon
gar in diesem Zusammenhang. Man traf sich zwar alltags und hatte auch im Speziellen nichts gegen irgendwen, manche Frau-Leute sagten auch, daß sie viel
schöner singen beim Beten - und hie und da war auch einer von ihnen im West-Werk zu sehn, dem die Predigt hier besser gefiel
als das Lernen beim Rebbe da drüben in Ahus. Alle paar Monate pflegt daher der Geistliche Herr Tiderik dieser-seits und auch der Rebbe Meister Heyman derer-seits schon die
Gemeinden zu mahnen, gefälligst bei den eigenen Leuten zu beten. Bei der – bewahre uns G"TT davor - Schwarzen Pest seinerzeit hatte man sich hier auch nicht so gegen Juden versündigt, sonden
sie flohen teils hierhin hinaus aus dem Rheinischen weg - aber keine Ursache zu Überhebung - als es mit Kaiser Baldwin von
Flandern aus gegen die Ungläubigen losging, seinerzeit - keine Familie würde dafür die Hand auf Petri Grab legen wollen, daß
nicht die eigenen Väter genau wie die andern hierzulande eine Menge Familien erjagt hatten, die doch niemand-nichts zuleid
getan hatten, sondern sogar selber auf Befreiung des Hilligen Landes hoffend viel gestiftet hatten, um die Ritter und
Mannschaften auszurüsten. Deren Memor-Buch gedenkt aller Erschlagenen namentlich, Ort für Ort, jedes Jahr, das weiß er - und gäb es das Buch nicht,
wär's der Erinnerung von Jahr zu Jahr nur noch schlimmer und furchtbarer, weil dann ganz allgemein. Wenn handels-mäßig nämlich mit der lübischen Hanse mal etwas nicht mehr rechtens klappte - seit das Wendische Dritt-Teil um
Rostock immer mehr das Gotische im Baltikum und das Westfälische bis Frankreich hinüber benachteiligte, war schon gar keiner
links der Ems ganz abgeneigt, sich guut zu vertragen mit nicht ganz aktuell Recht-Gläubigen, sei es Friesihischken oder
Jodischken oder Moskowitern - denn gekocht wird doch immer mit Wasser - und was die modernen Devoteschken des
Marien-Walde bei Nordhorn anging, die sich wirklich um das Frömmere kümmern, so sagen die: "Wenn man mal absieht vom
Weltlichen: ist es Recht, Liebe und Freundlichkeit Unseres Herren mit kopflosen Greueln zu predigen?" "Ouh ja - nee, o'er so'n Giämschken Geerd - denn isses Bild-Wiärks glicks vull" - lenkt der friedliche Isermann nun die
Gesprächs-Richtung um, denn in unangenehmer Erinnerung aus seiner Kindheit ist es noch, daß sie seinerzeit - kurz nach der
nächsten großen Pestilenz von 1385 - das Mysterium auch zu spielen angefangen hatten, mit richtigen Juden in den ausgesucht
jüdischen Rollen wie Hohe-Priester und Händler im schreienden Pöbelicum. –
Und hinterher sind die Emotionen durchgegangen und einige dumme Burschen haben jene am stillen Samstag ganz real dafür
verprügelt - das war ganz unrecht und ganz schlimm. Und dann bekam man wie zur Strafe einen neuen Münster-Bischofs-Herren, einen der Graven v.d.Hoie, also der Weser, welcher
schon deshalb nicht zum Bischof geweiht wurde, weil man keiner Succession mehr ganz vertraute - er war auch noch für
Osnabrück gesetzt von einem dritten Sünt Peter auf Erden, Johann, den sie später See-Räuber schimpften und hingerichtet haben,
aber der für eine echte Hilfe grade deshalb doch der Richtigere war – und das soll unsereins versteh'n! –
Und dieser Grave Otto von der Hoie war in unserm Ort recht bald ein harter Herr Bischof, belagerte und stürzte seinen Advocatus
im Scopin-Go - trug schweren Krieg in unsern Ort und anderswo. –
Naja, nachdem gleich zu seinem Amts-Antritt anno 1392 - Graf Adolf v.Cleve ihn zu Cappenberg überfallen hatte, mörderisch
dorthin gelockt – "wie weiland Armin der Kerusker" - hat er mal die schwarzen Kloster-Brüder reden hören: Unter dem
Vorwand, man brauche sein Urteil, luden die Parteien ihn 6 Tage nach seiner Wahl durch das Dom-Kapitel zur Propstei
Cappenberg zum Übernächtigen ein, nachts raubte ihm ein Heer-Haufe Pferde, Gepäck und das Leben mehrerer Geleiter. –
Er konnte nur knapp, zu Fuß, durch das ihm nicht geläufige Anwesen bis zur Burg Botzlar bei Selm fliehend sein Leben retten. Also er lebte dann doch, um sein Amt anzutreten, aber geweiht wurde er nicht, auch nicht später. Meuchlerisch war das schon. So weit hätten es die Cleveschken ja auch nicht zu treiben brauchen. Deshalb hatten ja auch der unsere Liiebe Solmschke Herr und der Liebe Stemwertschke Grave sich gedacht, es sei kein Sakrileg,
ihn zu Lösegeld-Haft von der Straße zu rauben und ein bißchen einzusperren, bis bezahlt ist. Das war schon so verbreitet - warum nicht auch den für die zerstörte OvelGünne löhnen zu lassen? - seinen Leuten an der Weser
ging's doch gut, die würden zahlen und es nichtmal merken. Das war denn wohl ein heftiger Irrtum. - Es war zwar tatsächlich kein besonderes Sakrileg, und er fügte sich auch ganz ruhig der
ritterlichen Haft auf der Burg, doch dann sah ihn der Solmsksche in Burg Stemwert mit dessen Eh-Gemahl heiter am
Brett-Spielen, wo die doch dem Stemwertschken zu eigen war, dachte daran, daß dieser nicht zum Bischof geweiht war und daß
die Geweihten es auch derzeit nicht so mit der Keuschheit hatten, wie sie sollten, und er verstand das irgendwie miß und wurde
äußerst ärgerlich, verlangte, ihn im Turm für Räuber zu verwahren, im tiefen Budden-Turm - da hielten dessen Leute und ganz
Münster aber nun gar nichts mehr vom Bezahlen und zogen mit mehreren Heeren zum Sturm gegen die Stemwertschke Festung und Unser Lieben Frau Äbtissin, dessen Base, sprach den Bann-Fluch über Stemwert aus. Da wurde es umgekehrt teuer. - Damals hat man ihn auch vom Hof weg zum Rammen verpflichtet, den Giämenschken Geerd...
Am Ende blieb alles am Solmskschen Graven hängen, der wurde aus allen Ämtern und Besitzungen und auch der Otten-Stein
gejagt - aber die war nicht zu stürmen. Zwei ganze Jahre hielt Münster-Bischof Grave Otto sie umzingelt zur Aushungerung. Nachher, heißt es im Volke, bot Bischof Grave Otto den Damen den freien Abzug oft genug an, wohl eben doch eingedenk des
Brett-Spiels mit der lieblichen Fraue Gravinne v.Stemwert, daß sie jede mitnehmen können, was sie zu tragen vermöchten, es
werde sie niemand hindern, sich zu entfernen und anderswo in Frieden zu leben statt hier zu verhungern. Da schien ihnen Hunger doch nicht mehr der geeignete Tod und die Damen und Frauen kamen heraus. Das tapfere Jungfer Agnes, das muß man ihr lassen, hätte es längst gut haben können als Herrin in Stemmert oder woanders, aber
blieb bei dem Vater in Not. Als sie nun kam, war ihr Bündel beträchtlich: sie trug ihren Vater am Bischof vorbei, nicht etwa heimlich, sondern ganz kühl und
offen, sie sagte: Das ist eben das, was ich an persönlicher Habe besitze: mein Löwe - ich hab Euer Wort - geh ich nicht jetzt,
dann stirbt er mir bald – und man sah, daß der Liebe Herr Solmsschke Grave schon fast bewußtlos-herunter-gehungert war - alle
sagten, er habe sein Essen am meisten an alle verteilt. Da tat's dem Bischof wieder leid um diesen sturen Löwen – ein guter Feind ist schließlich auch schon so vertraut, daß man ihn
eigentlich schon mehr als andere liebt - und, eingedenk, daß diese ihre Weg-Lagerei mit schlechten Wegen, und hohen Mauten an
jeder Hecke und Strecke vor Jahren ja grad auf des bischöflichen Vorgängers Johann Poto von böhmisch PotenStein Wunsch hin
angefangen hatten. Das seit damals ständig mehr verschuldete Bistum hatte sich seit Jahren nicht darum gesorgt, wovon seine Lehns-Leute denn
überhaupt leben sollten. –
Bischof Otto ließ jedenfalls Frau Agnes mit ihrem "Bündel" frei abziehn und fragte ihn jemand danach, dann sagte er, sie habe
wahrscheinlich nur ihren Löwen mitgenommen, so genau habe er da nicht nachforschen wollen. Es muß ihm auch zu denken gegeben haben, denn direkt schlecht behandelt hat er die Besiegten dann nicht. Er hielt auch
vier-mal den großen Synod ab, um zu klären, was für hier nun gelte, solange das mit Rom weiter im Unklaren schwebt. –
Seine Eminenz Gerhard der Bischof von Minden, sein Bruder, half schließlich, auch das mit dem Bann über Grave Stemwert
auszubügeln. Unsere Sitten sollten sich wieder auf das Wesentliche besinnen und darin könnte er es nur loben, wenn man sich die
Devotischken Frommen anhöre, die Brüder und Schwestern vom gemeinsamen Leben aus Deventer her. Drei Jahre danach siedelte dann auch Dom-Herr Hendrik v.Ahaus das Fraterhaus in Münster an, noch ehe ein Konzil es lobte, so
zu leben. –
Also manches ging dann doch für uns ganz günstig aus – aber eben um manches trauert man noch immer: wie soll sich das Volk
beschützen ohne jemals wieder eine eigne Burg? –
Und auch das höfisch Leben da, es hatte so gut angehoben, viele lebten gut von diesem mit – und was ist nun? –
Das Wigbold, das Bedarf der Burg versorgte, welches wenig Länderei zum Leben hatte – das war nun arg in Hungers-Not
zunächst, bis etwas mehr an Rittern aus der Nien-Borg dann hierher residieren kamen, denen war das an der Tovel-Rünne viel zu
eng umher. –
Naja – dann irgendwann, dann kam man wieder besser hin. Man lebt hier schließlich miteinander - denkt seinerseits der riesig gebaute Giämschke Gerhard mit dem so rosig freundlichen
Gesicht unter dem unförmigen schwarzen Drosten-Hut, den sie immer gern holten, wenn es ein Tor auf-zurammen bedurfte - und
man möcht auch zurechte-kommen mit den ganzen Leuten. Die Strafe für das Juden-Jagen 1350 und 1385 – was er als solche sah - die führte Der Himmel selber an der ganzen Hilligen
Kirche aus, denn kurz danach kam das große Schisma über die Welt, da war das große Unheil 40 Jahre, daß man dann in 40
Jahren überhaupt nie mehr wußte, wer im Stand der Gnade lebte. Sünt Peter auf Erden irrte unerkannt durch's Land - der eine zu Avignon am längsten: 14 Jahre - und zuzeiten noch der andre zu
Rom, der schon so greise - aber auch. – Manche taten ja s, als kümmere es ihre Seele nicht mehr besonders über die Bannerei und
Ächterei seit es ab Künning Ludwig v.Baiern Wittelsbach irgendwie auch überhand nahm. –
Doch wenn einem 12 Priester feierlich die Kerzen vor die Füße werfen und in gemeinsamer Formel den großen Bann aufsagen –
das geht einem irgendwie doch in die Knochen und man ist es gern wieder los, hat der Liebe Herr Grave v.Stemwert einmal
seinem Kutscher gestanden. Er weiß es selbst - sie wurden alle hin-bestellt und mußten Zeugen stehen.
Beim automatischen Bann – gleich nationen-weise – trat dieser Ritus ja so nicht mehr auf.
Juristisch aber zeigte sich im kleinen Rechts-Alltag das Faktum des permanent möglichen Bann-Zustands doch als schwere
Belastung. Gerade die Hanse brauchte Frieden im Recht und die Ehrbarkeit, ob sie vorliegt, sogar im Frei-Gericht des Go war der
eine und andere nicht mehr sicher ein Schild-Freier. –
Viele kehrten sich nun ab von jeder größeren institutionellen Verknüpfung an legitime Successionen und dergleichen und hielten
sich dann lieber an die zentralen Inhalte des Glaubens, neigten der Innerlichkeit und Mystik im Einfachen zu – oder wurden
Sektierer des anderen Papstes, zum Beispiel: uns hat Avignon ja nicht gestört, daß der Hillige Stuhl von Rom nun da zu erreichen
sei – weiß man doch, daß Hillige Väter auch schon früher manchmal lange ganz woanders wohnten. Die Gemeinschaft hielt nun dort ein Frater-Haus in Münster, doch wie Kleriker und Chor-Herrn und die Chor-Frauen getrennt -
und in Genügsamkeit und Maß liege der gerechtere Reichtum für alle. –

Jeder-einer ist berufen, G"TT zu lieben, friedsame Gerechtigkeit von Jesus abzulernen und in sich zu horchen nach dem
lieblichsten Lied einer Freude am Gütig-Sein, Helfen, Verzeihen und Neubeginn. - Es komme nicht auf die Weihen und das
heroische Ausmaß büßender Askesen an, sondern auf ein Herz in der Nachfolge Christi - erklärten die und weihten sich
höchstens zum Diakon, damit man predigen kann. –
Ob sich deshalb Seine Eminenz Herr Bischof Otto Graf v.d.Hoia nicht hatte weihen lassen? Aber so richtig beschaulich war er wohl doch nicht geblieben, falls er es anfangs mal war: "Herkules-Hektor" – so heidnische
Helden der Griechischen Saga, das steht über ihn auf seinem Grabe. Dieser Herr Cuuless war wohl ein Kraft-Kerl vom Lande,
hat mal über Nacht einen riesigen Stall ausgemistet - alleine, erzählen Scholaren aus Vreden. –
Also nach der Eroberung, da war es hier aber gar nicht sauber, sondern dann erst ein Sau-Stall. –
Die Ovel-Günne war innen so höfisch eingerichtet gewesen, bunte Gras-Fenster, Gobelins an den Wänden mit lieblichen Gärten
und Szenen, leuchtend mit Blumen bemalte Gerätschaften, vergoldete Kanten, Porzellane aus China, zierliche Hündchen für
drinnen und starke Rüden für draußen zur Wache – gewaltige Rü'en. Alles hatte so eine Feinheit und Freiheit geatmet, jeder hat
sich gefreut, dort der Diener zu werden – aller Herren Länder Sprache und manch großer Gesang schallte hervor und es duftete
immer nach südlichen Gärten im Haus. –
Ach ja. Und am Schluß wuchern Brennesseln wieder und am Balderjahn jammern die Kater des Nachts, als hätt man kleine
Kinderken verstoßen...
Ach viel ist nicht, wie's einmal war, unser Klausneren-Wald Klein-Burloe am Kerspel südlich Eggerode wird auch nicht mehr so
respektiert wie ehedem, denn gar manche der Büßer Ritter sind auf die Dauer recht unwirsch geblieben.
Das kann man auch wortlos. "Seine Eminenz v.d.Hoie strukturierte dann rundum das tief verschuldete Bistum neu um: er bekämpfte aber zuvorderst
ausgerechnet unsere OvelGünne hier," erzählte kürzlich der Kanzlei-Sekretär Krefftingk dem Asbekischken Burg-Mann Herrn
v.Torck am Tore, als er hier durchreiste, um nun anderswo in Stellung zu gehen – hat er zufällig gehört.
Klar – neue Regierung, neue Secretarii in der Kanzlei. –
Wenn's nichts wird, kommt er wohl hierher. Er hat hier schon noch Verwandte unter den Verwaltungs-Beamten und die werden nicht immer gleich alle gewechselt, daher
sagt er noch "uns" und "wir", denn aus Billrebeki her sind schon mehrere hier.

"Er befestigte sich mit dem Material unser Wigbold-Tor und Vreden, kaufte Burg Ahaus, besiegte dann in Fehde die
Tekelen-Burg, Burg Bevergen, die Cloppen-Burg, Burg Friesoythe und die Schnappen-Burg bei Barßel – Moment: sechs
Burgen - stimmt - also all unsere Freunde, erwarb all ihre Ämter und Städte, bezwang siebtens die OttenStein mittels zwei
Jahren Hungern-Lassen und kaufte im Schreckens-Glanz alles zu einem geschlossenen Land-Strich zusammen für's Bistum.
Dadurch verlegte er die Zoll-Linie, die nach Nord-Ost zu bestand, gegen den Nieder-Rhein hin. 
Dann befestigte er Ahaus,, Otten-Stein, Horstmar, Meppen, Cloppenburg und Vechta stärker. 
Und dann legte er plötzlich auch Wert auf Recht-Gläubigkeit – wohl wegen des Constanzer Consiliums, und er setzte einen
Prediger-Kloster-Bruder zum Weih-Bischof ein – weil er selbst das ja nicht konnte, Weihen, Firmen und dergleichen - und
leitete Wieder-Versöhnung mit den Besiegten ein, und hieß auch jeweils unter Aufsicht der Inquisition zur Rekonziliierung
alle Sünder an Grün-Donnerstagen wieder nach Münster zum Sankt Pauls-Dom bestellen." Ach ja, weiß er noch - wef man dort alles traf! - Natürlich wußte man das, denn es hat dort auch halb Schüöping antreten müssen,
soweit es auch nur im entferntesten zu tun gehabt hatte mit der Geisel-Haft des Bischofs im hiesigen Budden-Turm des
Stemwerters und dergleichen unfreundlichen Akten - dabei war man doch Lehns-Mann und wurde gar nicht gefragt, wenn's ums
große öffentliche Sündigen ging. Nun ja - aber die kleineren öffentlichen Sünden in Sachen Trunk und Liebes-Trank, das konnte man nicht leugnen, die mußten ja
auch zum Pater hinter der Uhr, wenn nicht nach Rom – aber Rom? Avignom? Aragon? – Joi, wohin dann damit? – also doch
hinter die 3-Künninge-Uhr zum Hohen Dom - der Vorteil war immerhin, daß man denn wieder mal reinen Tisch gemacht hatte.
Naja, das war ja nun auch wieder eine Weile her, inzwischen ist so ziemlich jeder auch seines Banns oder der Ächte wieder
anständig ledig geworden, Seine Eminenz Bischof Otto verstorben und Seine Eminenz Bischof Hendrik auch wieder richtig
geweiht - in Teligt - und nach einigem Zögern andert-halb Jahre später auch in Münster eingelassen worden. –
Den Nieder-Rheinischken Graven v.Moerss wollten nämlich nun wieder die Zünfte der Stadt Münster nicht, wie den zuvor der
Adel ablehnte, nämlich nun, um nicht für Colna-Burg zu sehr abhängig zu werden, wo als Erz-Bischof nach ihrem Onkel Friderik
jetzt Tiderik, des Hendrik Bruder, ist. Aber Schüöping hatte schon immer mit Tiderik-Familien zu tun - uns täte es ganz gut bekommen. –
Das war also ja nun wieder ein schöner Tag gewesen, als der neue Bischof sein Amt antrat - und er, der Giämenschke Gerd, war
als Banner-Träger dabeigewesen und konnte gut all die Bischöfe und Äbte und Herzöge sehen - hat ihm sehr imponiert. Ihn hatten sie in ein sehr schönes blau-weißes Gewand gesteckt, mit weiten Leinwand-Volants an Armen und Beinen und blauem
Kleid darüber, weißer Binde um das Haupt - doch statt des Banners eine Hellebarde und den schwarzen gold-gepunkteten
s'Heere-Bergschken Schild - mehr aus Verlegenheit, denn solmsksche Löwen-Banner gab's ja nun nicht mehr und andre wollte er
zuletzt nicht schwingen. –
Ihm fiel nun der Grab-Spruch Seiner Eminenz des Bischofs Otto ein, welchen ihm kürzlich einer der Vredenschken Scholaren
übersetzt hatte: - "Otto decessit, en sub petra requiescit... Otto entschlief und unter Felsen nun ruht er , der Kriege Walter er
tat solches wie ein Herkules Hektor und Erweiterer, der Burgen Entvölkereraller - Ast magnatorum - mächtigen Recken" "Ast magnatorum! - Sowas gibt es in Latein?" hatte er sich gewundert - damit necken ihn nun immer die Scholaren alle und
nennen ihn den "grauten Ast" – und denn noch weiter:
""Victor et Pavor horum - Sieger und Schreckens-Glanz - nun denn, milder G"TT, wolle ihm zeigen Dein wohlwollend Antlitz."
– Schreckens-Glanz - sowas wie Alp-Traum! - darf man das einer Armen Seele auf den Stein setzen – einem geistlichen Herrn,
selbst wenn er nicht geweiht ist? –
Doch alle Schüöpinge, die fanden es ganz recht geschrieben so, weil es ja eben stimmte - die sagen, unser "Ast" ist so ein schöner
Kerl. - Wenn's was zu freuen gibt, da muß er hin, da hat man halt ein bißchen dran gedreht und kurz den Dienst getauscht - es
gibt im Ort ja soviel Herrn und Trachten wie man will - ein freier Mann wie er konnt' sich pro Tag für guten Lohn verdingen. –
Ach ja, und manche erfrischende Keilerei, die macht man auch mal nur zu Übungs-Zwecken mit und ohne ausbedungene Heuer –
da war doch kürzlich – bunte Bilder des Erinnerns häufen sich, gemischt aus Spaß und Arbeit... –
Derart vertieft in seine Träumereien schreckt er plötzlich hoch – sie sind ja noch im Rat-Haus – meiner Treu – da muß er richtig
eingeschlafen sein! "... und sonst sind doch immer auch nur Hillige in die Kirchen gemalt, wegen - weil - man muß sie da immer beim Beten ansehen
und kann sie um 'ne Füörsprach anfragen - aber wenn da der Schulten Biärnd - oder ik - ik weet nich ..." –
Und da ist es auf einmal ganz still in der Rats-Stube. – Jetzt erst fällt es ihnen allen auf: man hat doch in der Kirche seit Urzeiten
keine noch lebendigen Leute auf die Altäre gemalt oder geschnitzt gehabt - und schon gar nicht sich selber, am Ende noch in
Arbeits-Zeug? Darf denn sowas? –
Die beiden Wandmacher Gesellen, die ihre Meister hier vertreten, witzeln verhohlen: "Siehste - so kommste besonders schnell in
den Himmel und denn kannste gleich in'n Ruhestand gehn - so kommt denn auch der Herr Otto noch mal in den Himmel: wir
malen ihn uns einfach da hinein" - was ihnen einen scharfen Blick seitens des Geistlichen Herrn einträgt. Der Meister macht es öfter so, daß er auf Fragen von vielleicht dümmerer Art jemand aus dem Gefolge antworten läßt.
Er wartet dann ab, wann das Gespräch den Meister braucht. Also: jetzt ist er nötig - alle schauen abwechselnd ihn und den Geistlichen Herrn Tiderik Henson an und dieser ihn - das braucht
ja wirklich eine Erklärung. Man hatte schließlich vom Flamen Melchior Broederlam die "Flucht nach Ägypten", aus Siena den
"Einzug in Jerusalem" des Buoninsegna - einfach weil er so hieß, und einen Wandteppich "Christi Geburt" aus Notre Dame de
Beaume in Burgund, ein Altar-Tuch aus Narbonne "Kreuzigung" - einiges aus dem Fresko des Giotto zur Gefangen-Nahme Jesu
- einiges aus einem Grab-Lege-Fresko und anderen Fresken des Simone Martini in Avignon - und die Art Hillige Familie und
Engel, wie sie kürzlich er selber, Robert Campin aus Tournai, als Weihnachts-Altar gemalt hat, noch so ein bißchen
Verschiedenes, das böhmische Jesus-Gesicht - und einige Privat-Studien des kürzlich verstorbenen Meisters Hubert van Eyck,
geboren vor 57 Jahren, vergangenen Herbst entschlafen zum Meister aller Meister am 18.September, zweiter Lamberti-Tag einem großen Festtag in Brabant, anno 1426. –
Er sagt, diesem seinem verehrten Meister zuliebe wolle er sich bemühen, daß sie ein möglichst vollkommenes Werk zu dessen
Gedächtnis und Verdienst bekommen sollen, soweit es an ihm liege. Unter derlei Artigkeiten geht man dann auseinander. Und draußen ist es inzwischen schon wieder heller Tag.
Ohne es zu bemerken haben sie eine ganze Nacht darüber beraten und kommen nicht einmal angetrunken nachhause. –
Und das Woldtweringkschke Eh-Gespons - als sie wieder an der Welle sind und unter dem Frauens-Volk darüber küren bemerkt trocken, daß sie jetzt doch wohl glaube, daß sich da außergewöhnliche Dinge anbahnen, wenn ihr Liebes Eh-Gemahl so
gar nichts getrunken hat, obwohl er die halbe Nacht im Wigbold auf dem Rat-Hause mit alle-Mann-hoch tagte. –
=***=
Da hast du einst in der Jugend ein abschließbares Tage-Buch bekommen –
Stift Metelen hatte solches um 1430 aber auch schon, nur buchte man Stunden, nicht Tage. – sagt Jan.
Die eingetretene Jungfer Matha hat so einen Raum noch nie gesehen und schaut sich erstmal alles genau an. Da siehst du,
vermerkt sie - eine junge Frau, die ganz vertieft in einer Kammer sitzt, den Rücken zu den Fenstern - das gibt mehr Licht in das
Buch, das sie liest. –
Ein leichter Wind-Hauch streicht durch die Studier-Kammer von Mutellia Sünt Cornelius und Cyprian - und die Liebe Jungfraue
Maria Gertrud, die dort im Psalterium lernt, vermerkt nebenbei, daß jemand in die Lese-Kammer gekommen sein muß. Aber
noch schaut sie nicht hin, denn hinter ihr steht ja das Tinten-Glas und ab und zu leiht es sich wer kurz mal aus. Zwei Bücher sieht sie, ein kleineres liegt hinter ihr auf dem Tisch auf dem hübsch rosigen Seiden-Tuch, in das sie es wohl zu
wickeln pflegen, wenn die Tinte trocken ist – das auf ihrem Schoß hat einen teuren Leder-Beutel, den während des Lesens die
Katze scharf bewacht - bestimmt, damit da keine Maus einschleicht – derer ist gar eine schon darin? Sie sieht, daß beide Bücher hübsch mit Initialen und mehr-farbig geschrieben sind, Drucke gab es zu ihrer Zeit selten, und ob
mehr Bücher im Raum sind, bleibt anheim-gestellt, denn sie ist vor Eile schon mitten hinein gelaufen und sieht die zwei Wände
hinter sich im Moment nicht, dreht sich auch nicht um, weil da vorn ja Jungfrau Marie Gertrud sitzt und es wäre unhöflich sich
neugierig um-zugucken. Weil diese aber noch gar nicht reagiert, peilt Jungfer Matha ganz vorsichtig unter den Wimpern, wieweit sie unauffällig schauen
kann. –
Was hinter der jungen Frau wie eine Sitz-Bank aussieht, wird anderswo als Lese-Ablage verwendet, vor der mehrere Leute zum
Abend-Gebet neben-einander lesend knien können. Das tun sie manchmal auch nachts, wenn eins krank ist oder ein Sterben ins
Haus kommt, denn es steht vor dem Kamin, der dann Licht gibt. Im Moment ist es noch hell und er kann ausbleiben, da steht ein Blase-Balg drin. – Oh nein, es ist ein Drei-Bein-Stühlsken - für
die Jungfer oder Fraue Lehr-Meisterin, wenn sie da zusammen lernen. –
Sie nutzen den Kamin überhaupt als Kathedra? – er ist ja gar nicht bißken schwarz - wie tapfer! – sie frieren lieber, um zu
lernen! - fast hörbar seufzt die Jungfer Matha: ...muß das herrlich sein – so immer weiter lernen zu dürfen! –
Im Himmel, wenn sie selig sein und sich was wünschen dürfen wird, dann wird das ihr bereitet sein.
Sie freut sich jetzt schon drauf. Es gibt diese Bänke auch für einzelne Personen - aber durch ein schön-gewirktes darüber gebreitetes rosen-farb Tuch mit einem
blauem Kissen drauf und einem umlaufenden Gitter auf drei Seiten gleicht es auch einer Thron-Bank für mehrere Thronende, die
nicht zu sehen sind. Auf dem Gitter darum sitzen zierliche Tiere geschnitzt– eins ein schwarzes Hündken, eins ein goldenes
Löwken – man müßt es näher angucken – vielleicht bedeuten sie etwas? Also die Bücher – das kleine auf dem Tisch kann auch das eigene Stunden-Buch jener gelehrten jungen Lieben Jungfraue Marie
Gertrud sein, die sicherlich hier schreiben lernte und die nun hübsch und zierlich ihr eigen Buch mit zweien Farben und Initialen
versieht, ebenso wie die Bücher anderer Leute, einfach weil "man" überhaupt nur so schreibt, wo sie lebt. Bestimmt ist das dahinten der ihr eignes Stunden-Buch. Da schreibt man sich die wichtigen Gebete ein und dann noch, was man will, hat sie gehört. Es hieß da auch, vor fünfzig Jahren
und überhaupt je früher, da habe es das noch nicht gegeben, daß soviel gelehrte Menschen eigne Stunden-Bücher hatten.
Sie hätten sich damals nicht soviel für Schreiben oder Lesen selber interessiert, weil man zurechtkam, wenn es einer im Ort
konnte. An vielen Höfen wird auch heute noch lieber gejagt und gespielt, herum-geritten, nach dem Rechten gesehn, die Gerichts-Tage
besucht und sich unterhalten statt still zu studieren, was geschrieben ist oder auf-schreibbar wäre. Viele schreiben sogar jetzt Ereignisse der Reihe nach als Chroniken auf, wie der neue Geistliche Herr Kaplan. Auch die von ganz
früher und anderswo, die sie in Erfahrung bringen können – sonderbar. Der Liebe Herr Öhm Akku sagt das und er findet es bedenklich, weil nun ja die, die schreiben und lesen, Heimlichkeiten vor den
anderen haben, die auf sie Treue gelobt haben und momentan dienen. Er ist ja Kutscher, und in seiner Jugend, da hörte er alles
Wichtige mit. Ein bißchen später hörte dann der Haus-Page weiter mit, dann mal die Zofen usw – es war einfach alles
gemeinsam. Alles bei G"TTES-Tag-Fahrt zu Betende lernte man auswendig, hatte er gesagt, oder es wurde im Wechsel vor-und
nach-gesprochen. Genauso jeder tradierte Form-Text der anderen Tag-Fahrten. Alle Verträge waren mündlich gültig. - Alles Sonstige wurde landein landaus erzählt. Abteien haben Bücher, dicke Folianten und Berge von pergamentenen Schrift-Rollen auch, wird erzählt. Manche Häuser wie die
Pastorat, die Rats-Stube, Haus Rockel, Haus Wersche, Haus Keppel und Haus Geysteren beherbergen sie auch, denn zum
Feld-Ziehen, Fahren und Reiten wollte man sie nicht mitnehmen, wenn man es doch mündlich wissen konnte.
Manch eines war einfach für nichts mehr zu gebrauchen, das lag denn eben stumm dabei mit herum. Man hob sie trotzdem für
jemand auf, der etwas davon kennt. So ging es auch mit Anschreiben in einer Sprache oder Schrift, die im Moment keiner lesen
konnte. Weil es sie nun-mal gab, lernte man immer mal die Worte heraus und schrieb sie ab, wenn sie brüchig wurden. Erst wenn ein Zweifel aufkam, ob eine Sachlage so oder so gewesen war, dann suchte einer wieder wen, der es zu lesen
unternimmt. Man sandte etwa jemanden dann mit dem Schreiben dahin, wo es her kam und fragte, ob was Wichtiges drin stehe –
hat der Kanzlei-Junge Hiärm ihrem Laurenz erzählt. Jungfer Matha also steht und wartet gelassen, wann die Liebe Jungfraue Marie Gertrud fertig mit dem Lesen sein und merken
wird, daß sie sie sprechen möchte. So steht sie, bis es dunkel wird. Erst nun schaut jene Liebe Jungfrau auf. Also Jungfer Matha findet, daß es mit dem Lesen ein Wunder sein muß. Wohin mag sie gefahren sein – in welche Zeit – an
welchen Ort – zu wem? Dann lächelt die Liebe Jungfraue Marie Gertrud überrascht, daß da die Jungfer Matha steht – sagt "Kind! Matha! Du mußt
hungrig sein – wie lang bist du schon dagestanden? Verzeih mir, ich war weit weit fort!"
Und sie schenkt ihr ihren Apfel, der am Wasch-Tisch liegt, spült sich die Finger ab und gibt ihr dann die Hand, umarmt sie und
stellt Fragen über Fragen, wie es allen ihren Lieben geht und Mathas Leuten und dem Kaufmann Bennelken und überhaupt im
ganzen Ort. Seit sie zehn-jährig ist, muß sie hier immer leben, damit sie unberührt – wie man so sagt – in eine Ehe gehen kann –
dafür darf sie nach Herzens-Lust lernen und hat die Gebets-Stunden im Haus mit all den vornehmen Lieben Damen. – Seine
Eminenz zweiter Grave Günther v.Schwarzeburg, der Erz-Bischof, der sie für diese Gemeinschaft einsegnete, hatte sie eigentlich
erst in Borghorst aufgenommen, aber ihr Heimweh war einfach zu mächtig, da machte es die Familie möglich, hier nach Mutellia
zu weechseln – aber immer noch für sie zuständig ist Seine Eminenz Erz-Bischof in Magdeburg Sünt Mauritz-Bistum, Grave
Günther v.Schwarzburg und immer sind es weiße Prämonstratenser da seit Sünt Norbert. –
Manchmal reist er hier durch und verweilt zwei bis drei Tage, in Borghorst bei Stemwert, deren 21.Günther, Onkel seines
Großvaters selig war Gegen-Künning, als Künning Ludwig der Bayer im Bann blieb, aber ganz kurz, und er starb schon im ersten
Jahr der – bewahre uns G"TT vor ihr – Schwarzen Pestilenz, er ist verwandt mit Seiner Eminenz Wilbrand Bischof v.Minden, der
vorher Abt zu Corvey war und sich so gern als Friese fühlt - und einer kann auf ihrer Strecke bis nach Böhmen an die Grenze
Mährens Geleit bekommen. –
Auf dessen Straße sind auch Jan-Hendrik und sein Meister nach hierher gelangt. So interessante Dinge kann man hier erfahren - du gehörst gleich dazu – doch die Liebe Jungfraue Marie Gertrud hängt nunmal
sehr am Ort ihrer Amme und ihren Spiel-Gefährten, wie ihrer Milch-Schwester in Ramsberg Schüöping, sie sagt: Rames-Pferche,
es habe hier ehe-dem richtige Widder und Schafe gegeben, denn Curia Dieckhoff gab jährlich 2 Bocks-Haut an Abtei Hervurth
und 12 Varken und Käse, als es noch nicht Mutellia gab. –
Sowas weiß die! – Mutellia – das sei Metelen - ist 50 Jahre später als Hierwe gestiftet – das sei Hervurths Stifts Name. -
Und nachdem Jungfer Matha einiges hat fragen dürfen, was man hier lesen kann oder weiß, wird wieder sie ausgefragt, auch
nach den Katzen und Rüden und ob es am Heidberg noch unheimlich sei. Dabei war erst vorgestern Frau Aleidis hier gewesen und sie hat von ihr schon über alle das Neuste erfahren. Aber es ist doch ein Tag und ein Buch später! –
Immer wenn sie etwas liest, geht sie mit voller Seele hinein. –
Deshalb hat Matha auch ruhig gewartet, denn ihre Frau Mutter Aleidis sagt immer, daß man Träumende nicht abrupt wecken
darf, denn sonst könnten deren Seelen-Vögel sich verwirren, wer dran ist, die sind mitunter ganz arm dran – das Schwälbchen
Wach-Sein oder das Birk-Huhn Schlaf. –
Ja, sie kennen solche Erschreckten, die bei Tag ihre eigenen Leute nicht kennen. Nachdem Matha alles berichtet hat und die Bestellung auf sortierte bunte Fäden zum Sticken entgegen-genommen hat, wandert
sie in die Nacht, von der Kerze bis zur Pforte der Abtei geleitet, dann geht sie den gewohnten kurzen Weg nachhause ohne Licht
und ganz allein und stellt sich vor, was jene wohl gelesen hat, denkt immer daran, wie wunderschön diese Studier-Kammer ist. Am Kirch-Hof angekommen sieht sie noch Jan-Hendrik mit Laurenz auf der Mauer hocken, geduldig ihre Pulver im Mörser
reiben und der Welle lauschen. –
Voll des Erlebnisses geht sie zu ihnen und schildert alles, bis jeder es genauso vor sich sieht, auch diese raffiniert verlegten
schönen Fliesen, das Kammer-Gärtken mit den kleinen Wachholder-Bäumchen, das Alabaster-Krüglein auf dem Sims, die bunte
Majolika-Vase mit Hündchen und Vogel, das geheimnisvoll verschlungene Muster auf dem Schränkchen - und das alles da - aber
vor allem das kleine Büchlein auf dem Tisch dort. So etwas würde Jungfer Matha auch sehr gerne schreiben können – auch wenn der Liebe Herr Öhm Akku darüber immer
kopp-schüddelt. –
Sie kennt so schöne Gebete und Verse – wie herrlich muß es sein, sie alle in zierlichen kleinen Leitern über die Seiten steigen zu
lassen und wie zu hören, wenn man es liest. Matha kennt ja schon Lesen und Schreiben ein bißchen, aber nicht so schön und noch nicht den Trick, wie man auch das Lied
hinein verzeichnet. So läßt du auch das eine und das andre ein und auch gedeih'n, um zu begreifen, mit was im Bilde des Jan – und die
bestellende Kundschaft seiner Schilderei – wo-dran rührte, anderen Sorgen macht oder sie freute – bis es fertig war, fiel
es schon von einer Hand in die andere. Das ist doch alles mit gemalt – sagt Jan – Siehst du das denn nicht, nur weil es in der Kirche steht und Bibel-Themen sind? Wir dachten so: Zu Jesu Zeit war Sein Ereignis einfach mitten drin in aller Welt, wo sonst noch viel zugleich stattfand –
Er kam in die Welt, doch nicht die Welt nahm Ihn auf. –
Und wie malt man das: die, die Ihn aufnahmen, bekamen die Macht, G"TTES-Kinder zu sein? Ich malte also ein Sekunden-Buch für alle - samt der Notizen, wer bei uns Welt ist – der Text war uns doch klar, den es
illustrierte. Und weil Jesu Ereignisse ein Glück für die Welt sind, andernfalls es sie ja nicht mehr gäbe, sind natürlich die Guten
da drauf: wir, die Erlösten. Nun durfte ja wieder gelebt, geliebt und vertraut werden – dies kommende glückliche Dürfen kennzeichnete ich. .Bist du das Kind eines Dorfs, einer Klein-Stadt, kam kaum einer von euch in der Zeitung vor außer: wurde 80-jährig
oder: Laus-Buben oder: da: der zwölfte beim Fest-Umzug – ja, aber auch nicht jeder. Siehst du – sagt Jan – genau, so ein Zwölfter, der bat mich besonders: Hinterlasse mich freudig –
Nur meine Freude an mir war doch wahr - also wir spielten es doch auch in den Mysterien und bauten Krippen zu Weihnachten
nach Vorbild der Minoriten auf, machten uns alles daran klar, daß es Leute wie wir sie sind, waren, denn Er lebt .Er war nicht
jemand von früher, so ein gewesener Held – nämlich Er ist immer da! Und das haben wir gebraucht, weil eben damals so viel auf einmal passierte. Durch die vierzig Jahre mit verdoppeltem Kirchen-Oberhaupt – erzählt Jan, nachdem nun doch jemand wissen wollen könnte,
wieso ihm die verdoppelte Kirche etwas Besonderes war und deren Einigung eine große Erleichterung schien - also zwei
gleichermaßen irgendwie gültigen Hilligen Vätern, diesmal eigentlich keiner richtig ein Gegen-Papst – derer es bald tatsächlich
bald den vorläufig letzten gibt - und dem Wissen, daß man ohne die geringste Schuld daran dadurch ständig automatisch im
Bann des einen oder des anderen lebte – wenn man es genau nahm – deprimierend für Fromme. Er, Jan, nimmt es eben genau: Und mancher, der nicht tagtäglich daran erinnert sein will, verringert einfach das Genau-Nehmen
und sein wahres Interesse an Glaubens-Inhalten betreffs Succession der Bevollmächtigung, dadurch bedingte Gültigkeiten von
Zeichen für höhere Realitäten, Recht und Gesetz, hielt sich an Riten und Äußerlichkeiten fest und erzählte seinen Kindern schon
gleich nichts, damit sie nichts fragen, was er nicht ändern könnte. Dreißig gute Jahre unter Kaiser Karl dem Habsburg-Lützelburger, das lag genau davor. Der begann aber als Gegen-Künning
eines von vornherein und noch mehr-hundert Jahre im Amt gebannt gewesenen Kaisers - ? - Königs Ludewig. –
Und unklar, wieso Kaiser – ob das geht, daß einer sich in Rom mal eben von zwei Bischöfen als solchen krönen ließ. Den
jedenfalls unterstützte eine Richtung der Minoriten. - Ab Kaiser vierter Karl war alles jedenfalls wieder normaler. Er war gewissenhaft und klug als Künning, und wurde vom Hilligen Vater gekrönt - er gründete die Prager Bohemiens – als der
Hillige Stuhl noch in Avignon war, vor den Toren Burgunds - und das war schon fast wie ein gehabter Traum geworden. – Aber
dann war Künning Wenzel dran und das schlug ziemlich fehl, auch anfangs Gegen-Künning Sigismund ward ein Problem – kein
Böhmer würd' es anders nennen.
Er, Jan, kannte viele alte Leute, die Kinder waren, als das war. Das lebt noch in ihm.
"Gewiß stand der Hillige Stuhl dort nicht gut in Avignon, auf dem Grundstück von anderen Mächten, und große Hillige wie
Catarina di Siena flehten und bettelten um seine Rückkehr nach Rom – es drohte eine rein französische National-Kirche zu
werden und gar noch weniger als das - und man hätte uns andere Menschen vergessen, die nicht nationalen wie uns, die
reichs-unmittelbaren - und die noch nicht informierten der Heiden, sie hätten dann keine Heimat für alle bekommen ...
Ja, schlimmer: wir hätten uns eine andere Kirche erst anschaffen müssen?" – so hört er einen alten Minoriten zu dem andern
überlegen. "Das alte Rom, die Stadt der Welt, zählte ja nicht als Nation. Und war seit Augustus nie Hauptstadt einer einzelnen Nation. Wir neun von zehn ohne Seßhaftigkeit, die zählten zu keiner
Nation, und so sehr viele Völkchen zählten zu anderen Nationen - all die durch – bewahre uns HERR – Pestilenzen nun
Vaterlosen der Straßen - die ohne Grundstück waren die ohne Kirchen-Sitz, und kein Kirch-Hof hätte uns dann noch begraben –
unsere in jene Welt voraus-gegangenen Eltern der Waisen, sie hätten vergeblich gewartet, daß wir uns in ihrem Paradiese sehen.
–
So sah das für uns wirklich aus." – verzagt der alte Schäfer. "Und wenn schon hier nichts ganz so sicher war, so sollte einem Menschen wenigstens noch bleiben, daß er nächstes-mal im
Ewig-Leben alle wieder treffen kann. Da muß man schon sein Leben soweit gestalten können, nicht im Bann zu leben und gar wie
der arme Kaiser Ludwig unbeerdigt aufeinander schrecklich warten zu müssen" - klagt dann ein Bäcker ihm. "Und es war anders, als wenn früher einer nur einen Gegen-Papst aufstellte, was schon sehr oft geschah - denn das ist Parteiung
und da zählt als der Richtige, wer zuerst und richtig gewählt war, oder die bemessene Mehrheit der Wahl-Männer oder wer den
so nennt, ob er dazu geeignet war. - Aber diese waren beide von denselben Wahl-Männern gewählt, nur einer unter
Lebens-Bedrohung und der andere frei." – so ungefähr erzählten sie ihm. –
Am bittersten klagt sich ein kleiner treuer Advocatus aus, den er ganz nah vor Laer getroffen hatte: "Es war leider nie abgeurteilt
worden, daß etwa eine aufgezwungene Wahl nicht gültig wäre, zumal die gewählte Person da nicht mit aufgezwungen worden
war – nur dessen Nation. –
Dagegen half der Glaube nichts. - Wer treu zu sein gewöhnt war, war in juristischer Wahrheit von keinem der beiden dispensiert
– ein Paradox war es, das dann auch jedes Rechts-Urteil schwächte, weil niemand im Gerichts-Hof im un-gebannten Zustand
war, und was nach Jahr und Tag dazu auch noch automatisch die Ächtung und Vogel-Freiheit eines jeden bedeutete. –
Eigentlich hätte es niemandem mehr erlaubt, irgendwen zu beherbergen, zu versorgen oder auch nur zu begrüßen – außer uns
untereinander, die Leute der Straßen und der außen-liegenden Brunnen der Nacht, die ohne Namen unter der Sonne ihre
Verbannung absitzen oder gleich nie wo zuhause sind. -Ja, ungefähr – es war 40 Jahre lang eigentlich jedes Urteil nichtig, jedes
Erben nicht möglich vor allen Gerichten in den Nationen – zumindestens gab es den Zweifels-Vorbehalt. Diese Gesetze über –
behüte – Ächtung und Bann, die waren ja gültig. –
Niemand war tauglich, den Seßhaften andre Gesetze zu geben, ehe nicht wieder nur einer den Hilligen Stuhl bestiege und das
Consilium riefe, zusammen die Dinge zu ordnen. – Nur wo das vor-karolingische Recht noch bestand, etwa unser
Sachsen-Spiegel, da war noch ein Recht, das die Schild-Fähigen erbten. –
Wir nach dem Konstanzer Konzil waren wie einer finsteren Nacht entronnen, denn so wichtig ist Recht für die Leben. Niemand
hat das geahnt, als es war. Mit Acht und Bann gab es wohl auch zuvor viel zu viel Kummer, aber diesmal war es irgendwie
schlimmer für uns.Die Rechts-Gelehrten in Paris verglichen die ganzen Gesetze, die's gab und sie meldeten es den an der Rekonstruktion
beschäftigten Konzils-Vätern, ob eine Maßnahme reichte. Künning Sigismund versetzte große Ländereien, um mit dem alles zu
finanzieren und drehn, was getan werden mußte, um diese Verdopplung, die inzwischen sogar verdreifacht war, zu beheben.
Als es geschafft war, interessierte sich eigentlich erstmal keiner für ihn, denn die Menschen begannen zu laufen, um nun aber
ihre Verhältnisse wieder zu ordnen. Ein Großteil verschwand von den Straßen, indem sie ja nun wieder Wohn-Rechte erbten.
Für die Appellationen der Go-Gerichte wurden nun erst die 14 Freistühle Dortmund gesetzt und das Erz-Bistum Colna-Burg,
denn auch da gab es Verwirrung, wenn sie zwar in Ehren-Recht etwas gültig entschieden, aber der Fall Rechte berührte, die
untauglich waren, aber dennoch nicht nichts. Nimm an, der eine von drei Brüdern erbte ein Haus, das er mit Personal zu Lehen
erhielte – sein Lehns-Geber im Bann – was ist dann? –
Nimm an, zweie spenden einander das Ehe-Sakrament, doch ein Geächteter ist nicht gültig, es zu attestieren – seine Kinder kann
man zwar taufen, aber als Bastard gezählt – Bastarde sollen dies und jenes zu werden nur dürfen, wenn sie gültige Dispensen
erlangen – von wem?" - so sprach er und dann schwieg er. Dir scheint, du begreifst, daß es etwas bedingte, warum die Schildereien juristisch mehr als ein beliebiges frommes
Bild Bibel-Darstellung sein sollten.
Eine Akte des Ortes steckt noch außerdem drin, wenn man vorweisen kann, daß Blic immer neben Haken und
Hakenfort zwischen Blic und Hackenfort lag. –
Und etwa ist alles konkret hier im Ort, übersetzbar für einen, der sich hier auskennt? –
Laß sehn: Also weiter links, wenn das Haverbeck ist, da ist schon noch etwas von Metelen, 889 Stift der Frau Friduwi und
Künning Arnulf für 15Damen und 4 Kanoniker und Dechant, Augustiner-Regel Mutellia an Pfarrei-Kirche Sanct Veit, anno 1100
Vits, wie Abtei Corvey - das Matte, Madden, aber das ist der Land-Tag der sieben Stämme Hessen! Lehns-Gericht – was siehst du? Anno1200-1250 Stifts-Kirche Sankti Cornelius und Cyprian, das Schüöpen Frei- und Go-Gericht
zum Sandwell tagt - ein Tie! – anno 1278 östlich Schulte Uesbeck für 15 Kirchspiele hier - 1282 Vikarie Trium Regum ist
3-Künninge, dann vor 1300 noch Vikarie Aller-Hilligen und 1310 Vikarie Aller-Seelen, 1341 Vikarie Johanni baptisti. –
Vikar der einen war häufig Pastor bei den anderen Kirchen: ein 5-Netz. =***=
Das Go-Gericht "Zum Sand-Well" tagt auch bis bei Wettringen hin, und auch Soest nennt ein Sandwell – oh ja: hier Sand, darauf
stehen sie – hier malst du eine Welle aus Gras – je da und da ein Bächlein überbrückt, unsere Welle-Quelle mit Ente drin - und
Leer-Bach mit der 9-läufrigen Quelle im Berg, richtig, der hier ist unter der Brücke - leer.
"Auf der Brücke" war oft auch ein Frei-Gerichts-Stuhl." erwähnt Jan. –

"Da gibt es noch die Gemarkung Banken-Breite und auch Dischken und Schilt-Stool – östlich davon ist heutzutage die
Berg-Kapelle, wohin alle am Sonntag nach Fronleichnam zur Hagel-Prozession gehen. Dann ging man da schon immer
hin?" - fragst du Jan. "Weiß ich nicht," sagt er – "hör mal, auch wenn ich im Himmel bin, ich muß nicht alles wissen! – ich wär doch nur ich! - erinner
dich, uns war alles, was ist, nur ein Jetzt - und bei uns war das Sandwell-Tie grade da."

"Und was malst du ein als Legions-Schild von Haverbeck, Havern-beke - Hafer? - Nein, haff, haben, Farren - nein, fern?
Vere ist auf estnisch Blut, aber nicht hier. - Latein: vere wahr - Was ist Wahrheit, sprach Pilatus – ah, da ist es ja: der
Hafen, das Hand-Wasch-Becken! – und Stock-um, da - der mit dem Stock der Leiter um?" "Ja, der am Kreuzweg, Stock war doch auch der Pranger, man kam in den Stock. Da war Pranges" - erläutert Jan. 
"Ja, klar und nun – von Tinge die Tie-Gänger, wer zum Gericht reitet – von Egge-rode die Ecke oder Hecke rot? – aber von
Schüöpin gibt es doch das Siegel mit dem Schaf für Scopinge - wieso ist hier nicht-mal an der Krippe ein Schaf zu sehn? Scopin-ge – Schafes-Gau?" "Na klar, das alte Siegel kenn ich auch. Also wenn du es ernsthaft wissen willst: als Lamm G"TTES, da hab ich lieben Den Herrn
Jesus gemalt – andererseits sind die Schafe sonst wir, denn guter Hirte ist Er. Das zeigt doch meine Schilderei ganz in der Mitte aller drin. –
Doch immer hinsehn: andererseits, ehrlich: kennst du Schafe mit Pferde-Schweif? –
Ich seh, du kennst noch welche von den alten Namen – skopus ist eine Klippe, darauf steht doch die Kirche, ich hab sogar zwei
Klippen als Gemarkungs-Namen mit "Horn" geschildert. –
Aber das gesamte Gebiet bis Ohne bei Wettringen ist doch das Schüöpin-Go - Scopa ein Besen, scoppio ich platze, scavo ich
grabe aus - Shop ein Kaufladen, to go shopping einkaufen gehen, Schiff, Schöffen, Schöpfen, Schöpfer – was soll man nehmen? –
Schopen – die Jacke, das Ärmel-Wams." Jan-Hendrik hat nach den Anweisungen des Lieben Herrn Meisters auf der getünchten Wand ihrer Unterkunft am Kirch-Hof eine
erste Skizze der vorgesehenen Altar-Schilderei angelegt, gleich zu den Himmels-Richtungen passend. Das Häusken ist zwischen
zwei äußere Streben der Süd-Wand so eingefügt, daß unterhalb des Kirchen-Fensters auch das Dach abschließt. Die Sünt-Pauls-Freien haben in letzter Zeit einige sich gut verbessern können und sind teilweise als Brink-Sitter in die
Gemarkung weg und teils ins Wigbold weiter gezogen, zwei auch nach Eckrodt und eine Familie als Haus-Diener nach Münster
in eins der Stadt-Häuser der Ritterschaft – einige Edel-Herrn und Kanzlei-Beamten haben in der Stadt Münster gastfreie Häuser
und manche verheuern sie auch zeitweise, ebenso in der Stadt Coesveldt. –
Also es gab soeben einige dieser Behelfs-Häusken neu zu vergeben und so bekamen die Schilderer eins mit gut Licht zum
Arbeiten, Tür an Tür mit Frau Aleidis einerseits und der Schein-Tür andererseits. Erfunden hatte diese Auffang-Siedlung für Menschen ohne Sippe vor nicht langer Zeit Seine Eminenz der Bischof v.Münster. Es
ist ein bißchen niedrig, aber immerhin hat jedes einen Heu-Boden und es gehört ein Gärtchen dazu – das ist natürlich nicht hier,
denn hinter dem schmalen Pfad beginnen bereits die Gräber der Pfarrei rund um die Kirche. Jede Seite hat vier Häusken aus rotem Back-Stein und einem schmalen doppel-bogigen Sandstein-Fenster neben der Türe sowie
einer Dach-Terrasse mit Zinnen. Sie bekamen gleich beim Einzug erklärt, daß die Türe und das Fenster in Gefahren-Zeiten
so-und-so vermauert wird und der Zugang dann nur über die Fall-Türe in der Dach-Terrasse sein soll. Jedes Haus hat auch einen
kleinen Felsen-Keller darunter, weil da früher Familien-Grüfte waren. Die teuren Toten darin wurden würdig verlegt, soweit noch auffindbar. Also sie tünchten es sich mit heller Lehm-Brühe neu an – von außen rötlich, innen hell mit etwas Leim-Zugabe, damit man
darauf Skizzen machen konnte - und richteten sich darin für einen längeren Aufenthalt ein. Man kocht hier gewöhnlich außen
unter dem vorgezogenen Dach. "Alles ein bißchen gewöhnungs-bedürftig," murmelte der Liebe Herr Meister am ersten Tag etwas verwundert – aber sie
gewöhnten sich tatsächlich rasch daran.
Es war ganz komfortabel, gleich oberhalb der klaren Welle, nach Süden zu und mit diesen Nachbarn, die eine Art Familie
bildeten, deren Mitglieder hier für Dienst-Leistungen vieler Art zur Verfügung stehend hier vor dem Tor wohnten, aber
kirchen-frei und niemanden zu eigen. Man entrichtete nur einen geringen Zins an die Pastorat, die es an Abtei Hervurth
weiter-verrechnete, nicht-einmal Heuer. –
Wer zu irgend-etwas begabt war, konnte so Fuß fassen und sich in die Gemarkung hinein bekannt machen. Wer das nicht
schaffte, verwahrloste wenigstens nicht, sondern durfte Bede nehmen. Also Jan-Hendrik soll zunächst – ohne es erklärt zu bekommen – an bestimmten Linien des Entwurfes Kreise oder
Strahlen-Kränze andeuten, nur innen-seitig – 25 Kreise und 5-mal Strahlen – die Form ergab ungefähr: /_|_/*i_|< und ihm
sagte das gar nichts. Dann sollte er ein paar Linien schräg über die Ecken ziehen – einige gerade so und so: >Mn`|h-+++`n|--n
und dann kam mit Kreide ganz großzügig über alles hinweg der obere und untere Horizont dazu, wonach der Liebe Herr Meister
erstmal eine Weile die Flächen vermaß und sich Berechnungen in den Bart murmelte, einiges notierte, an der Wand änderte und
so. Darüber wußte Jan-Hendrik schon Bescheid. –
Er machte so eine Skizze immer zuerst in Über-Größe, um dann abzuschätzen, wieviel von welchen Farben und Gold und Silber
bestellt werden müsse. Andere machen es zu klein und verkalkulieren sich oft, das gibt dann lästige Diskussionen.
Dieses sehr abstrakte Gebilde wurde dann auf die Holz-Toveln eingezeichnet und zu seinem Vergolder geschickt, denn alles
braucht seine Zeit und das ist dann schonmal bald erledigt. Seine Erfahrung sagt, daß ein Auftrag danach in jedem Fall beendet
werden kann, weil der teuerste Posten dann schon bezahlt ist.
Auch sind die Besteller dann meistens von jedem Stadium des weiteren Vorgehens schon angetan. Der eigentliche
Lebens-Uterhalt kann dann durch einfache Aufträge in den Häusern und Höfen recht niedrig gehalten werden, indem man überall
gegen Kost und irgendwelche Naturalien ein paar Maler-Arbeiten besorgt, herumgereicht wird, Ideen sammeln kann und dadurch
für das Hauptstück, dessen Öle ja langsam trocknen, immer wieder die Trocknungs-Pausen auch kriegt.
Das Wohnen ist das einzge wirkliche Problem und scheint für diesen Ort nun schon gleich gelöst zu sein. –
"Alle Orte sollten solche Übergangs-Stiftung haben", sagt er nun oft und preist es überall. –
Anschließend machen sie nun nach jeder Beratung, die diese Schilderei betrifft, gleich die dazu gehörigen Skizzen und Notizen
mit Rötel oder Kreide in die Wand, und ab und zu auf Papier ein kleines Aquarell für den Versuch, wie es aussehen wird - und
wenn die Wand unübersichtlich wird, übertünchen sie dies oder wischen einiges aus, nachdem alle Notizen in die Aquarelle
abgeschrieben sind, pro Beratung je einmal ein Ganzes. –
So können sie die Aufgabe lösen, daß von ihnen in diesen Jahren erwartet wird, mindestens dreierlei Ebenen zu berücksichtigen:
zweimal etwas aus den alten Zeiten und einmal aus dem Neuen Testament und das Ganze in die örtliche Gegenwart zu kleiden,
wozu einerseits die Berücksichtigung des Ortes und andererseits die der politischen Situation fixiert sein soll – Ort und Datum
also. Außerdem wollen die jeweiligen örtlichen Handwerke, Waren und Manufakturen vorkommen, und möglichst viele Menschen
wiedergegeben werden, die dafür etwas spenden, dann soll auch noch alles heils-mäßig abgestimmt werden, was gute Zahlen und
Symbole betrifft – also Jan-Hendrik bewundert seinen Lieben Herrn Meister gewaltig, wie er das alles der Reihe nach hin
bekommt.
Diese hier haben auch durchblicken lassen, daß sie wegen einiger schlechter Erfahrungen mit Eigentums-Unklarheiten auch noch
gerne ungefähr die Positionen der Gemarkungs-Stücke eingetragen haben wollen, also welches neben welchem liegt – wegen der
Prozesse und Erben. - Wirklich vorhandene Gebäude bräuchte man nicht ein-zumalen, denn das ändert sich alle Weile, aber Erbe
nie. Bald schon setzt eine mehr oder weniger unauffällige Wallfahrt der Schüöpen Leute in das Häusken der Schilderer ein, und schon
wollen sie als erstes wissen, womit der Name dieses Ortes gemalt werden solle – das Stadt-Siegel des Wigbolds zeigt ein
stehendes Schaf, aber die sind doch die Minderheit hier – rund 800 Kommunikanten leben hier, ungerechnet die in Eckrodt mit
eigener Kirche – die Abtei-Hervurth-Behörigen und Freiherren akzeptieren das Bürger-Schaf nicht, weil es ja erstens kaum ein
paar kleine Herden davon hier gibt und es in einem biblischen Bild kaum auf den Orts-Namen hier bezogen würde.
Für die Schulten kommt noch hinzu, daß sie zu so vielen auswärtigen Herrschaften zählen, wie hier Straßen Geleit haben, und
nur Sünt Brixius als Hovet-Herr der Kirche ist allen das einzig Gemeinsame aller – kommt aber im Thema nicht vor und Unser
Lieben Frauen Maria – dieser gehören ja schon die beiden Außen-Toveln zu und das ist nichts, was Schüöping allein
kennzeichnet. –
Also steht wieder eine debattierende Gruppe im Maler-Huesken und hält alle Arbeiten auf. Jan-Hendrik soll ihnen zeigen, was sie
als Orts-Wappen darzustellen vorhaben. Einer schlägt vor, die Besonderheit zu wählen, daß die Villicatio Scopinge jährlich zwei Tovel-Metzen an die Abtei Hervurth zu
senden habe – und die 1-Pferd-Rhein-Fuhre nach Leutesdorf, denn das sei hier herum wirklich etwas Besonderes. Jan-Hendrik
weiß nicht, was Tovel-Metzen sind, denn nirgendwo sah er jemanden, der eins benutzte und es so nannte. Konz Dillmanns lacht und sagt, dem könne abgeholfen werden und zeigt ihm sein etwa 1 Elle langes hand-breites
All-Zweck-Messer, das auch am Gürtel anderer hängt. –
Ach das ist das? – Jan-Hendrik fragt, ob sie es hier herstellen und deshalb jährlich zwei davon verzehnten, das bestätigen sie –
oh, sagt er, dann kommt es sowieso ins Bild als Teil der Trachten hierzulande. Er skizziert sich deshalb gleich die, die hier
hergestellt werden, es gibt längere und kürzere und welche mit einem eisernen Teller seitlich, der die Hand am Griff schützt. –
Deutsch-Herren-Knappe Sander v.Schöppingk bemängelt, daß es im Bild mit dem Säbel der Lithuanier verwechselt werden
könnte, wenn man nicht die Größe sieht. Also spielen sie wieder durch, ob man Scopinge oder Schüöping noch anderster zeichnen könnte – Skopen sind doch Seher,
Horo-skop guckt nach der richtigen Stunde. –
"Geht nicht" - sagt Blics Heidenric, "unser Name kiekt schon." Nun mischt sich die ruhige Stimme des Lieben Herrn Meisters des Jan – der eben eingetreten ist und ein bißchen zugehört hat hinzu: "Auch ein Ort zum Ausguck heißt Scopos. Das kann der Junge nicht wissen, in Jerusalem gibt es den Har Scopus, ein
Aussichts-Hügel im Norden der Hilligen Stadt - wir nehmen, Scopos, die Klippe, wie ja auch die Kirche fest aus ihrem Felsen,
dem Hor aufragt – für den Tag des Mysteriums ist Jerusalem hier und wer es in frommer Gesinnung besucht, wird auch seinen
Versprechens quitt, falls er früher versprach, jährlich Jerusalems Hillige Stadt zu sehen. Aber seht doch mal genauer hin: fällt Euch nichts auf an dem zentralen Schimmel dort? Für meine Begriffe zeigt Euer altes
Siegel nur ein Pferd: nicht das steigende Sachsen-Pferd, sondern das geduldige schöpfende Pferd der Göpel-Mühle, das gehende
Roß des Synod-Boten und Kundschafters - wir haben hier Ritter - Chevaliers - zuhauf, die in einzelnen Hof-Haltungen residieren.
In der Nienborg vor Heek bei Seiner Eminenz des Bischofs Tovel-Rünne residieren doch stets im Prinzip 32 bis 40 Ritter – wir
malen so ein Pferd." –
Jan-Hendrik überlegt, was er von Tovel-Rünne weiß – auch das Wort Tovel, wie bei dem Metz.
"Darf ich etwas fragen, Lieber Herre Ritter v.Sasse," hatte er diesen gelegentlich eines Auftrags, bei diesem in Haus Keppel eine
Kiste frisch mit dem Haus-Wappen – so eine Art Kamm - anzustreichen, gebeten und bekam es gewährt:"Was ist Tovel-Rünne?"
–
"Ach das ist eine Tafel-Runde, ein gemeinsamer Tisch ernährt eine Anzahl Leute zum Zweck eines gemeinsamen Unternehmens.
Ähnlich, wenn die Hanse eine Kauffahrt unternimmt, dann tun die Beteiligten jeder etwas vom Seinigen in den gemeinsamen
Kasten – das wird dann eingesetzt, um alles zu erledigen, Tauschgüter zu beschaffen, trandsportieren, beschützen – nachher wird
das, was damit erlangt wurde, wieder im selben Verhältnis ausgeteilt. Zwischendurch aber leben alle vom gemeinsamen Tisch
ungefähr gleich." –
"Als Burg-Mann am Nienborg-Tisch, muß man da eigentlich nicht selber wohnen?" –
"Anfangs ja, besonders, nachdem anno 1122 die Brüder Godfrid und Otto v.Cappenberg selig dem Bistum Münster 105
Lehns-Ritter überwiesen haben, da kamen als Tovel-Rünne 32 Ritter-Familien auf das bischöfliche Tovel-Gut in Bischof Ludwigs
Neue Burg also Nienborg. Ziemlich viele wohnen dann aber lieber wieder in Schüöping Ramsberg, Heven oder ihren anderen einzeln liegenden
Herren-Häusern, bei unseren Familien, weil es uns in der einen Burg zu enge würde, die dem Vita-communis-Vorbild des
Bistums nach gebildet war wie die Johanniter-und Deutsch-Ritter. So nah am heimatlichen Gut oder bei unseren Leuten mit den
in der himmlischen Weite gelegenen Gehöften ist es nicht so verlockend, in einer Art Kloster-Hof zu leben." – oh ja, das ist
Jan-Hendrik schon einleuchtend – herrlich weit ist es hier und jeder hat einen überschaubaren Kreis Nohbern um sich und den
Himmel drüber. "Überlegt auch, was so viele Edel-Herrn-Familien an Kindern und Dienerschaften haben, was die essen und dergleichen – das
müßte alles hingeschafft werden aus den Morgen-Gaben – wo sie liegen. Es ist doch einfacher, nah inmitten seiner Bede zu
wohnen. Wir meinen", sagt Ritter Sasse - "für die Heer-Folge sind wir ja immer per Ruf-Horn oder Flammen-Signal erreichbar und zu Beratungen kann man kurz hinreiten. Von denen, die dort in der Nienborg bleiben, können nun je zwei-drei Häuser
benutzt werden und auch das wurde bequemer. –
Wer zwischendurch den Kürzeren zog, war die Cité, das Wigbold der Händler und Handwerker, das eigens zu unserer
Ritter-Versorgung angelegt war, daß diese bei zu wenig Rittern am Platz verarmte, aber sie haben sich längst nach Neuem
umgetan, davon zu leben – man kauft englische Roh-Wolle an und sie verstehen sich auf das Wolle-Weben. Habt Ihr des
bischöflichen Herolds fein-weiße Schauppen mit dem Gold-Besatz beachtet? – Nienborger Manufaktur." –
"Ich meine, ich sah doch nahe Osterwick in der Mark einige Herden Schafe und Rinder?" "Ja, das schon, aber die Menge ist nur gering – zuviel Schaf und Schwein in der Mark macht doch das Gehölz kaputt. Außerdem – Osterwick – das ist doch ganz etwas Anderes." –
Ja, so in diesem Sinne, jetzt glaubt er zu wissen, was eine Tovel-Rünne ist und daß die Ovel-Günne so etwas Ähnliches beim
Graven v.Solms gewesen sei, ein Gäste-Haus für eine feste Anzahl wehr-verpflichteter und wohn-berechtigter Schild-Männer.
Sein Lieber Herr Meister ist inzwischen noch beim Thema Tiere: "...also ein Pferd. Aber was den Ochs-und-Esel an der Krippe
betrifft – das habt Ihr sicher schon bemerkt - das schildere ich nicht nach der Natur. Man bat uns hier darum, denn diese
trampeln alle paar Jahre zu Tausenden von Dänemark her über Flensburg hier ungefähr quer über die Hessen durch. –
Dort wandern zeitweise 50.000 auf einmal los wie vor Urzeiten das Auer - und über Xanten hin nach Colna-Burg genau hier
durch – und halte die mal von deinen Feldern und Gärten weg – und was sie aus den Wegen erst machen! – ein
all-mehrer-jähriger Horror, den hier keiner schildern mochte - denn: So gewaltsam sind nicht wir – haben sie an der Welle
gesagt - und wir müssen uns nach der Kundschaft auch richten." –
Oh ja, daran erinnert sich Jan-Hendrik plastisch, und sie hatten entrüstet die Fäuste samt dem, was sie grad rubbelten, in die
Seiten gestemmt, auch die zwei zierlichen Jüngferken aus Vosses Hues – neben Mersch-Huers an der Sassen Kople, mit den
Hovet-Banden ihrer großen Brüder – die ahmen immer nach, was die großen Frauen tun - die zu Besuch im Ort sind, weil sie die
Verwandtschaft der Cuppeline hier suchen, eine Gruppe Familien im Lehen der Ziegenhainer Graven oder des Erz-Bistums
Mainz. Wie auch immer, man hat einander natürlich gründlich ausgefragt – Sterner Bund – Ziegenhain – Ritter v.Sasse zu
Nienborg, aus deren Familie Stifts-Herren Sünt Patrokli zu Soest kamen - deren Kople – wer weiß? "Schafs-oder Ziegen-Herden gab es früher immer einige, zu denen wir zuminest gute Beziehungen hatten, denn in Zehnt-Abgaben
an Abtei Hervurth kommen Bocks-Häute früher hier immer vor und Käse auch, dazu brauchte man immer Schaf, Ziege oder Kuh
– oder wen, der es uns auf dem Tausch-Weg garantierte –
Villicus Oldinhove zinst ja auch Heringe an die Lieben Frauen zu Asbeki, ohne daß er Heringe züchtet – die Woll-Schafe aber,
die bringen jetzt die devoteschken Frater-Herrn unter, sobald sie auch Konventuale dabei haben, die Wollen-Weber sind und
dieses lehren können, aber dann werden bestimmt die im Nienborg-Wigbold es eifriger betreiben." –
"Wer weidet sie im nassen Venn beim Schwein?" – versucht sich einer der Gäste aus denen v.Cüppel-Erben zu beteiligen, aber sie
gucken ihn nur verwundert an - von den Anwesenden weiß keiner, was Schafe vertragen, so selten sind sie, aber daß die
Gemarkung aus nassem Venn bestehe, stimmt schon lang nicht mehr – das weiß man doch? –
Aber die aus dem Süden glauben ohnehin, daß gleich hinter Tremonia nur noch Küsten-Sümpfe kommen könnten und dann
gleich die friesische See folge. "Insgesamt zeigt die Schilderei sowieso unseren schönsten Schüöpen Himmel." – erklärt nun in die entstandene Stockung des
Gesprächs Junker Heidenric Sasse seinem Besucher aus Leer in Ost-Friesland, Verwandte von Rotmann und Hake, ten Orde,
oder Bürgerliche, die sich das Wigbold ansehn wollen, ob man hier schon wohnen und Geschäfte machen könnte oder gut in
Schreiber-Stellung gehen. –
Es ist eine Anzahl von Interessenten im Ort, um den Bischofs-Wechsel vielleicht für einen neuen Brot-Erwerb zu nutzen. Sie
haben in den verschiedenen gastfreien Häusern Unterkunft genommen – jetzt, wo es dem Bistum soweit gut zu gehen scheint –
manch einer hatte schon früher hier in einer Kanzlei zu Zeiten des mächtigen Advocatus v.Solms ihr Auskommen gehabt und
sind während der Ära v.d.Hoie nicht daran interessiert gewesen, bei ihm in Horstmare zu leben. –
Manche hängen eben an Schüöping doch noch sehr. Und weil sie ein bißchen Muße haben, und von dem geplanten
Schilderei-Werk des Ortes hörten, möchten sie sehn, was für ein Ding da in Vorbereitung ist. –
Es gibt solche Schildereien zwar schon länger, aber nicht viele – soll ja ein Wunder-Ding sein. "Moment, nochmal - den Himmel? – Aber da würfeln doch welche, einer süfft – na, sagen wir, er feuchtet sich mit Lust die Kehle
an – und drei dabei, sach-verständig Wand-Kramer – was tun die da? Sie warten, wer gewinnt, dann kaufen sie das Kleid?" –
wundert sich Kanzlei-Schreiber Lambert ten Oorde und schaut nochmal genauer hin - nein, falsch, der eine deklamiert ein Lied,
der neben ihm, der schwingt den Takt mit seinem Stab, der dritte wartet, ob ein Spieler den verspielten Stoff vielleicht beleiht. –
Welch lustig Völkchen, voller Eifer - sogar schön – denkt Junker Heidenric – denn der da zuvörderst - der Hübsche - das wird ja
wohl er. –
"Richtig, der eine Ort hieß – ja, den vergaß ich - der hieß Laster-Husen, das lag früher direkt vorm Unter-Tor, wenn mal der
Künning gefahren kam." "Na, richtig wie verwerflich sehn sie doch nicht aus." – unterhalten sich zwei andere – "Dafür habt Ihr hier sogar eine eigene
Legio?" - .
"Naja, einen Villicus gab es dafür nicht extra, denk ich, aber was hr denkt! Das hat doch nichts mit flottem Lebens-Wandel zu
tun. Früher war der Name hervurdisch Latester-Hus-Sohn, das ist der mit dem Laster-Veldt bei Curia Gronowe. –
Dazu gab's noch einen Middelste-Hus und ein Vüördster-Hus-Sohn, eben aus den drei Häusern, hab ich erst gedacht. –
Aber es ist viel einfacher zustande-gekommen: Hab extra an die Abtei Hervurth geschrieben und gefragt wegen derer alten Benennungen der Legionen hier. –
Die Hebe-Rolle aus der Zeit zwischen den Lieben Frauen Äbtissinnen Guteste, Goodesta – das ist Comtessa v.Sachsen - und
Schwanhilda – das ist, sie hieß nach Sünt Hilda - nennt 16 Stellen mit 8 Villicationen und Schulten: aber das waren bis zum
Isernen Kaiser Karl noch Namen aus der Angeln-Zeit,– und ein König von Essex London, da war der erste Getaufte Sebert die
Mission kam doch aus York – das hieß noch Eofer-Wic, und das benannten die gern mit ABC zum Beispiel:

1. das Zehner-K, Teen-Kej gesprochen Tie-in-Key, da war der Schulte für Könige und Graven von Wessex wie King Sint
Richard, der hillige Pilgrim, Vater von Sünt Willibald, Wunibald und Sünte Walburga, die nannten alles mit K –

2. Zu Cattle Hire-Halm, also wo man Zug-Vieh mietete, gesprochen th'Kättl-Hör-Häm, Scathe-Huern-Häm –
3. der Hafen E, Haven E gesprochen Häi-Wien-i – an der Vüchte, gesprochen Füchte - da hieß ein jütischker Küning v.Kent,
Canterbury zum Beispiel Ochta, dessen Enkel Ethelbert nahm die Taufe und sie nannten sich dann alle mit vorne E, von denen ist
auch der Name Horsa in Horst -mar und Er-ken-bert, der erste Bischof v.Minden her 
4. Laster Houton, the Last Hous Son, de Laateste-Hues Suen, des letzten Hauses Sohn, Ihr kennt doch Hutz und Hutzin als
Ausdruck für Bauern-Leute? –

5. Roma-Burg, gesprochen Rumass-Burgh, war das Zins-Land für den Hilligen Stuhl, man ist sich aber nicht ganz sicher
darüber, es kann auch Rubbans-Borough gemeint sein, ein Weide-Grund der Ravensburger - haben sie geschrieben –

6. Stock-Haven, gesprochen Stock-Ham, stock sind Lager, Vorrats-Häuser, ein Stapel-Platz wie in Bergen –

7. Hull Eick Turn, gesprochen Hal-ik-törn, Wende-Stelle um eine Hallig oder an einer hohlen Eiche, Loch-Bäume stehen ja
als Grenz-Mal sehr lange –

und 8. Keol-Bake-E, gesprochen Kuul-bäek-i, wie kalter Bach E, ein Bischof von Canterbury hieß Keol-Noth – die sagten,
das war noch, wo die mehr englische Kloster-Fräuleins in der Kellerei beschäftigt hatten.

Damals weilte auch noch der Edel-Herr Hardred im Rums-Borough, einer der Dreds - wie Cuthred, Withred, Baldred,
Mildred und Ethelred - außerdem lag dort noch das alte Belling-Houten, Läut-Haus-Sohn. 
Und Sebert Erbe, das sind Essex-Könige wie Sig-Bert, die alles mit S benennen. –

Aber einige andere Quellen hier gehörten als Weide-Gründe auch einmal zur Abtei Werden und vorher zu friesischen
Leuten des Hilligen Bischofs Liudger. Da war noch viel Platz zwischen, man baute Roggen an zum Essen und Brau-Gerste
für Bauern-Bier und Koit und beutete wilden Honig – zog Schwiene – und war berechtigt in der Wehrschken Mark und am
Stroem-Berg. Sie sagten, soweit man alten Überlieferungen von der welt vor der Abtei-Gründung glauben kann – und es
spreche ja nichts dagegen, daß hier schon ein erheblicher Nutzen an die damen gestiftet wurde. –

So waren das im Grunde 8 Villici im Dienst von 8 verschiedenen woanders gelegenen Stammes-Gründen her waren, die hier
beim Durch-Fahren zu Wasser oder Lande für den Weiter-Transport sorgen, also je eine Übernachtung.

Sie siedelten schön umeinander herum, sprachen Recht im Namen ihrer verschiedenen heimischen Gesetze bis auf solche
Fälle, wie sie nur der Landes-Eigner richten darf, wo es um Leib-und-Lebens-Strafen ginge.

Es ist deshalb hier ein Villicus-Pool,Wigbold – und um das zu zeigen, soll ich nicht ein paar Häuser vom Wigbold malen,
denn die würde man für ein Dorf halten können – sondern Wege, wo Könige und Boten einander begegnen. –
Da – seht, mach ich durch Kombination zweier Treffen von 3-Künningen hier." –
"Ach so ist das! – jetzt begreif ich" – sagt Schreiber ten Oorde – "die ersten Angeln, Jüten und Sachsen, die hier Saiso-weise ihre
Zelte aufschlugen, haben hier deren altes Englisch gesprochen und wie Künning Charle le magne hier seine Paladine
stationierte, das so ungefähr nach Gehör registriert – und ab dann bleiben ja Namen fest..." –
Junker Heidenrik klimpert inzwischen mit den Nüssen in seinem Spiel-Beutel herum, den Würfeln, denn dies ist nicht das, was
ihn irgendwann je interessiert hätte – das war doch ewig lange her, das – wozu sich Leute um sowas noch verrückt machen? –
Er dachte, dieser Anstreicher schwingt den Pinsel ganz ordentlich und das wollte er zur Unterhaltung seinem Besuch eben mal
zeigen. Aber Schreiber ton Oorde hat eben angebissen und wird nun sicher noch bleiben wollen. –
Der fröhliche Junker schielt zu den anderen hinüber und stellt fest, die würden auch lieber ein Spielchen machen gehen – geguckt
ist ja. –
Also, er winkt ihnen unauffällig zu und sie folgen ihm hinüber zum Tor-Haus, da ist ein kleiner Vor-Pavillion für gehobene
Bedürfnisse, ein Wein-Ausschank auch – das wird den Besuchern auch zusagen. –
Schreiber ton Oorde setzt sich bei Jan-Hendrik nun auf die Bank und fragt: "Es ist Euch doch recht, wenn wir noch ein bißchen
Wissen ausgleichen?" –
"Aber gern" – freut sich Jan-Hendrik und schenkt aus seinem Holder-Getränk beiden ein Schälchen ein.
Jungfer Matha hat da ein vorzügliches Rezept von der Lieben Frau Mutter Aleidis. "Davon abgesehen macht man sich nachher aus fertigen Namen auch wieder spaßige Deuungen zurecht – und das brauch ich ja
auch zum Malen von Namen" - sagt Jan-Hendrik den Gästen aus dem Katzenberg bei Ziegenhain Ein Laster ist ja auch - das wißt Ihr wohl auch nicht "beim Meister-Singen, wenn etwas reim-dich-oder-ich-preß-dich eigentlich
nicht richtig ausgedichtet war.
Tja – wenn einer denkt, man wüßte, was ein Laster war: kopf-lastige Verse, nach-lastende Silben-Häufungen, verunglückter Endoder Stab-Reim, nicht eingehaltenes Vers-Maß – Melodie, die nicht paßt – und auch: wer zu spät kommt, wenn schon das
Gemerck beginnen wollte - wer zu betrunken ist, streitet, die Aufführung behindert – all so etwas. –
Überhaupt, ein Gemerck der Besteller unserer Schilderei, Kirchen-Älteste, Patron – die Abtei Hervurth – jemand vom Bistum
und wegen der Recht-Gläubigkeit, die Handwerker-Meister unserer Gaffeln – anders gesagt Gilden, Zünfte, Gewerke, Gemeinde
– ein Gemerck benotet auch jeden Strich, den man bezahlt. –
Die schönste aller Hinweis-Schildereien muß es mehrfach in sich haben, woll?" Aha. - Man fragt sich – denkst du und antwortest dir gleich, was nun der Jan sagen müßte: "Nöh, ich nicht: nur du
fragst dich!" – und du: Na gut, ich – und ich in 1999 - frage dich, ob es da nicht auch andre Laster gab zu Eurer Zeit,
uns heute mehr geläufige und später viel geschilderte wie: Neid, Habsucht, Gewalt und Herrschsucht, Völlerei, Haß,
Hochmut – oder so. –
Laster nennt man natürlich auch anderswo so schlimme Sachen. –
Aber ein Schilderer wie meines-gleichen fragt sich sowas nicht – denkt wiederum Jan-Hendrik sich seinTeil - für das hat
niemand mich bestellt: ein Nichts, das gar nichts soll, gar noch für Beter hier zu schildern. –
Und du bedenkst noch mal, er wird doch lernen hier, er kommt zum Hören, was sein Auftrag ist, sein Ite-missa-est. –
Wer sich davor-stellt und er will gerad die Sünden lassen – meinst du, der will hier Tips für neue? –
"Aber last ist auch Letztes:Die Letzten werden Erste sein ist auch zitiert." – sagt er. "Habt Ihr gesehen, daß hier rechts der Auferstandene Jesus sich umwendet und links neu zu lesen Er es nun wieder ist, Der das
Jüngste Gericht leitet in der Herrlichkeit – unser Bruder? - Und so ist das Letzte nicht das Geringste." – und er denkt wieder
darüber nach, wie er den Schluß male. Du aber schreibst 1999 und du denkst: Herr Meister-Schilderer Jan, ich denke, Ihr dachtet nur: Ob es wohl 50 Jahre
aushalten mag, mein Werk? "Nein-nein – das machst du dir zu einfach" – meutert der - "ich hab mir ganz schön viel gedacht dabei – und nicht alleine ich,
komm mit – und nenn' mich einfach Jan, wenn's recht ist. Dich nennt man ja auch Wipp oder Angelika oder – irgendwie..."
Na gut, Jan – darf ich Meister Jan sagen? – schmeichelst du versuchsweise – Eine Frage hab ich noch vor allen
anderen: eins meiner Bücher berichtet, daß unser Altar-Bild eigentlich nicht das Bild eines Malers hieß, als es
entstand, sondern eine Schilderei vom Schilderer – was ist der Unterschied? =***=
"Tja, wie soll ich das sagen" – Jan ist zu dieser Zeit doch noch immer der Geselle – "also erstmal, Meister Jan solltet Ihr wirklich
nicht zu mir zu sagen, denn mein Lieber Meister steht doch neben mir - nehmt es mehr familiär, sowas liebt ihr ja wohl in eurer
Welt – sagt zu mir Jan, wie zu einem verschollenen Bruder. Manche studieren die 7 freien Künste – das steht auch den Edel-Herren gut an und selbst die Burg-Frauen können nach Regeln
einige davon ausüben, nur so zu – wie sagt ihr? "
– "Selbst-Verwirklichumng der Lebens-Art." "Naja" sagt Jan - "also: Dann gibt es die kanonisch festgelegten Gemeinschaften, die zum Beispiel von alters-her Grab-Stätten
mit einem Canon von Heils-Szenen zu verschönen - das bleibt in den Familien und war immer eine Art Bestattungs-Gaffel oder
-Bruderschaft. –
Unser-einer aber geht das Ganze von der Kunst des Dekorierens und Illustrierens her an, wir streichen alles an, was Farbe
braucht, und wenn es der Kunden-Wunsch ist, etwas zu gestalten, dann gibt es eben Begabtere und Andere. Ich bin da mehr zufällig dran geraten, wir hatten auch einen Kaufmann, einen Schmied, ganz verschiedene Leute dabei, es war
etwas Neueres und entstand aus der gewerblichen Herstellung der heraldischen Schilde für einheitlich gerüstete aangeheuerte
Bürger-Armeen des Städte-Bundes. –
Das ist so ähnlich wie bei den Brabanzonen, den Vitalien-Brüdern, die sich rüsteten, wie es jedem gefiel, die um eines
Hand-Gelds wegen alles Zuhause verließen und für beliebig wen kämpfen, aber dann von sogar denen, die sie riefen, ihrer
Disziplin-Losigkeit wegen gerichtet und von ordentlichen Heeren vernichtet werden müßten. Man wollte sie künftig gleich für den Auftrag-Geber erkennen – sogleich entstand großer Bedarf für Waffen-Röcke, Harnische,
Schwerter und Schilde. Laß mich kurz davon erzählen, was ich, Jan-Hendrik von euren Rats-Herren erfuhr und teils selber erlebte, als ich aus Ulm kam
und die vielen Länder und die Stadt der Welt sah..." "Stadt der Welt? Wart Ihr in Romaburg?" – würdest du den Jan gerne fragen. "Aber nein! – Colna-Burg – da ist die Welt: da sind die Gassen und Quartiere aller Völker" – sagt er – "Aber ich weiß es jetzt
schon genauer vom Herrn Stadt-Schreiber ten Oorde. Ich fragte ihn, ob er schon da war, und er erzählte." 
"Und vor dem Friesen-Tor der mächtigen Mauer außen sind um Sünt Gereon 318-Kohorte der Martyrer schon vor Karl des
Großen die Friesen vertreten, zu denen man darum auch mitunter uns alle links der Ems mitzählt"... –
"Oh ja," – schwärmt Junker Heidenrik Sasse nun draußen im weg Spazieren, der das Thema grad noch mit hört. "Alles, was
Handel und Wandel betrifft, interessiert sogleich die Freie Reichs-und-Hanse-Stadt Colna-Burg." Viel interessanter als die Frage, ob er aus dem Hause Sussex benannt, ob man also ein englischer Süd-Sachse gewesen wäre,
Sussex wird ausgesprochen: Ssasseks. In seiner Familie fragt sich das manchmal wer, wegen der politischen Arrangements zwischen Burgund, England und Frankreich
der Nachbar zu sein – aber so etwas fragt sich wirklich nicht er. –
Colnaburg der unzählbaren Kirchen-Quartiere aber – das ist wenigstens mal eine Stadt! Da ist im Gereons-Veedel schon immer
was los und er fährt gern recht oft mal eben hinüber. Drinnen geht es dagegen gleich in medias res – "In der Zeit der Rom-Kaiser ist Kaiser Constantin der Große als Sohn eines
Nord-Imperators zu Trier geboren worden, in der Nord-Residenz, wenn mehrere Kaiser den Thron teilten." –
"Ja, toll. Und fast noch zum Bistum der Augusta Treverorum gehört doch unser Leutesdorf am Rhein, deren Wege gingen zu
Lebzeiten des isernen Kaisers Karl bis zur Nord-See hier auch entlang, sogar sollte Bischof Liudger ein Erz-Bischof v.Trier
werden – wollte der aber nicht –
Aber später wurde der Altar der Ubier Colonia Agrippina Colnaburg mächtiger, in der noch nie ein Künning residierte außer
den Hilligen Drei-Künningen. Eine stolze Stadt voller Bürger, die schon anno 1190 mit zwölf Burgen, 13 Toren, 52 Türmen in den 3.Mauern bewehrte Festung,
sie bekam anno 1164 den Schrein der Hilligen 3-Künninge aus dem von Seiner Hoheit Künning Barbarossa eroberten Milano
seinem Kanzler Rainald v.Dassel – Erz-Bischof zu Colna-Burg – für den Hohen Dom überlassen, deren drei goldenen Kronen
kamen dann in das Wappen der uralten Frei-Stadt.." –
"Aber müßt Ihr denn den immer wieder erwähnen, den 3-Künnings-Zug?" "Ach ja, hab ich das? – kommt bestimmt auch nochmal, mir gefällt dies Geschehnis, weiß auch nicht warum – oder doch:
hört-mal, es gab nördlich der Alpen wirklich nichts, was dem glich." –
"Und genauso die Festung Colnaburg, keine größere Stadt, keine stärkere Festung überhaupt hier im Westen - begreift doch, das
hat was bedeutet für hier. –
Also hör erstmal kurz zu: Als anno 1002 Kaiser Otto der junge tot war und wurde dann nach Aachen translatiert, rastete er
zuerst zum Abschied-Nehmen noch in Sünt Severin, dann in Sünt Pantaleon und auch in Sünt Gereon. –
So, und da darfst du immer im Chor sagen: Sünt Gereon – das war auch "wir". Es ist unser Quartier dort, vor den Toren, nicht
drin, also freiwillig da. Gemäß der Hanse hat der Rat der Gaffeln die höchste Gewalt, und jede Gaffel wählt einen der ihren zum Rats-Herrn.
Auch die Ritter sind ein Handwerk für den Rat, ihre Gasse ist Am Himmel-Reich – das hat mit Euch in Eckrodt wohl auch zu tun,
sie ehren in Legio Eckrodt das Gnaden-Bild Liebe Fraue Maria Künningin vom Himmel-Reich - und beim Schulten Eggenrodde
in der Station kann man Eid ablegen auf Sünt Revilien - die Hilligen 11.000 Jungfrauen Sünt Ursulas - zu Colna-Burg und
Patrone der gelahrten Magistres zu Colna-Burg und Delft." –
"Schüöpen Sünt Brixius ist Patron der gelahrten Magistres zu Oxford. Der ist auch sehr klug." "Seht Ihr? Jeder hat da so seine Philosophici gut unter Obhut gestellt. Weil von Ur-Menschheits-Zeiten Kauffahrt, Markt-Handel und Handwerk aller Völker hillig war und deren Straßen und Märkte
Frieden tragen, gewähren sie Landes-Bischöfen oder anderen Landes-Herrschaften nicht jeden Zugriff in ihre alt mündlich
gesetzlichen Rechte. Frei-Städte sind wie Kirchen und Mühlen besondere Gebilde und ihre Bürger unterstehen keinem Land-Recht." "Aha. So war das. Dann ist Eckroth wohl wegen der Frei-Mühle bei Schulte Eggenrodde wohl auch vom Kirchspiel Schüöping
abgesondert worden? Und der gehörte Ritter Stric und der war auf Kreuzzügen mit und der schenkte der neuen Villicatio das
Grundstück mit seiner Hues-Kapelle und das Gnaden-Bild Sünt Marien vom Himmel-Reich – und der schenkte seinen Sohn und
die halbe Villicatio den Wilhelmiten, hat mir Bruder Jacob da erzählt und – eh" –
"Na-ja, da kenn ich mich nicht so aus. Jedenfalls, Seine Eminenz Bischof Engelbert der mindere, Grave vLützelburg und Falkenberg, erbaute anno 1261 den Turm zur
Riehle – hat man mir in Colnaburg erzählt - und den mächtigen Bayen zur Zwangs-Herrschaft über Stadt und Rat Colna-Burg,
das hat die aber schwer besorgt gemacht und den stürmten die Bürger dann sofort im folgenden Jahr und besaßen nun selber
zwei tüchtige Türme mehr zur Verteidigung der Stadt. –
Diese focht seitdem mit gedungenen Mannen, Rittern und stadt-eigenen Heer-Schild-Fähigen sowie juristisch gegen das
Bistums-Heer und dessen Advokaten. Seit kurz vor Ermordung des ersten, des Lieben Hilligen, Engelbert Grave v.Berg war der
bischöfliche Stuhl auch Herzogs-Stuhl Westfalens. –
Deshalb haben unsere Kreuzigungs- und Wacht-Legionäre auch die Bergischen Punkte am Schild." "Moment – die mit den 11-Punkten 4-2-2-2-1 gold-in-schwarz am Schild-Rand – es sind Schild-Nägel – das heißt doch manchmal
auch nachher s'Heeren Berg in Geldern, Berg zwischen Cleve und hier. Grafschaft Bergischkes Land trägt zwei beidseits gezinnte Balken und dazu den Rot-in-Weiß Limburgischen Löwen blau gekrönt
und Pfauen-Federn." "Nicht im Schilds-Rand, sondern deren auch Limburger Löwe ist belegt mit diesen Kugeln und ein Schild-Rand, der gehört zum
Bild Schild-im-Schild. – Habt Ihr es auch bemerkt, daß v.Duvenvorde bei Haag schwarzer Hut, gelber Aufschlag trägt?"
"Na schön, trägt er. Aber findet Ihr nicht, daß Ihr bei dem bißchen, was ihr von uns wißt, übrigens etwas kleinlich vorgeht?" "Verzeiht, so bin ich eben. Aber was soll ich machen? Wenn ich nicht kleinlich sammel, vergleiche und probe-halber zusammen-füge, weiß ich überhaupt
nichts von dem, was du für uns geschildert hast. - Das hieße, unser Pilatus?" -
"Also, was uns die Colna-Burger noch erzählten: Anno 1268 sitzt Seine Eminenz der Erz-Bischof Engelbert minor beim Herzog
Wilhelm v.Jülich in Burg Nideggen gefangen, er veranlaßt, durch Erstürmung der Colnaburg mittels einer Bresche bei der
Uelen-Port seine Frei-Pressung zu versuchen, ein Flick-Schuster bereitete es heimlich von innen-seitig vor. –
Wie Herzog Walram v.Limburg, die Graven Tiderik und Walram v.Falkenberg – Brüder des gefangenen Erz-Bischofs - und ihre
Mannen sowie die des Herzogs Tiderik v.Cleve – da, wo sie alle Brüder und Söhne Tiderik hießen - der aber nicht selbst da
war, mit den Pferden, die sie dafür abgesattelt hatten, leise durch die Lücke in die Festung schlichen. –
Den Wachen ist es nachts aber ganz entgangen, doch der Bürger Hermen Winkelbart bemerkte es und schlug Alarm und weckte
die ganzen Ritter der Rhein-Gaß: Matthes Overstolz, und die Judden, Hardefust, Hirtzelin, van de Anducht, Lyskirchen,
Kleingedank, Scherffgin – der mit dem größten schönsten Staffel-Giebel-Haus am Himmel-Reich, und denen gelang es, die
Eingedrungenen noch abzuschlagen, ehe alle in der Stadt waren." "Die v.Cleve" – fällt ihm auf, "haben das Cleven-Kreuz als Lilien-Haspel Gold-in-Rot vom Wimpel, den bei uns Jesus in der
Unterwelt als Sieges-Wimpel sticht." "Ja, warum nicht? - Das bunte Schwert an Gymirs Gehöft zeigt aber die Gilgen v.Ramsberg an - die Cleveschken, als ich ihre
Ritter in Münster sah, trugen den sonderbaren roten Stierkopf mit weißen Hörnern als Helm. Grave Adolf war doch eben erst anno 1417 Herzog v.Cleve geworden. Er hielt auch seine Hand über die v.Moerss als Bischöfe
und die flandrischen Schildereien. Grafschap Cleve ist doch sozusagen Binde-Glied zwischen Colnaburg, und Münster, Hessen
und Brabant." "Laßt mich noch etwas vom Colnaburg zu meiner Zeit erzählen. Für die Abtei Hervurth hatten ja auch welche jährlich Wein zu
fahren, da konnte man auch mal von Schüöping aus Colnaburg besuchen. Sie ist wie schon zur Römer-Zeit in vieler Bürger Veedel unterteilt, die alle ihre eigenen Kirchen haben. Man wohnt in abends
absperrbaren Gassen, die auch bei Unruhen und Aufruhr in der Stadt getrennt geschlossen werden können und ebenso, falls
noch einmal ein Feind eindringen sollte. Da haben auch alle Handwerke je ihre eigene Gasse. Jeder Gaffel gehört ihr eigenes
Bruderschafts-Haus, meist auch eine eigene Kirche."
"Ein Gaffel - ist das sowas wie anderswo Zunft oder Gilde - oder heute Gewerkschap?" "Wie Gilde, das kann sein - sagte ich doch schon – Gewerkschaft? Was ist das?" "Naja – nicht so wichtig. Gewerke. - Erzähl lieber erst weiter." "Außerdem ist eine Anzahl Bürger-Nationen immer zusammen-wohnend vertreten: Da gibt es die Walen-Gaß für die welschen
Bewohner – Franzosen und Italiener, die sind das, was für das Lateiner-Colnaburg Gallier und Römer sind - versteht Ihr das:
ein Wilhelm ist dort ein Guillermo.- Gi-jäer-moo!" –
"Ach ja?" –
"Ja, und mehr sowas. - Die Juden-Gaß gibt's schon seit Caesars Legionen, mit Gold-Schmieden, Pfand-Leihen,
Perlen-und-Edelstein-Händlern, Knopf-Manufakturen und Wechslern - die Sassen-Gaß für im weitesten Sinne die Sachsen, die
Straßburger-Gaß für die Pfälzer und die anderen Deutschen des Südens, in der Pelzer-Gaß findest du die Pelz-Händler der
östlichen Länder und deine Narwarinnen auch. Und um Haus Gent sind die Flamen zu finden, um Haus Brüssel arbeitet Brabant zum Beispiel Spitzen. Die längste dieser Gassen ist die Küh-Gass und ähnlich wie in Antwerpen.- na gut. Ihr möchtet etwas fragen?""Ja bitte - und was ist mit Sünt Bridged?" "Moment, Sünt Bridged, Brigida, Bride – Sünt Bridged of Kildaire – Ihr meint diese irische Abatissa? - Schottische Kaufleute
Englands beten und treffen sich in der Kapelle Sünt Bridged – das freut hier die in Legden, weil - mit den Hilligen Frauen
Brigida und Maura v.Tours konnten sie nicht so viel anfangen." "Mag sein, da weiß ich nicht besonders viel von. Das Kauf-Fahrer-Veedel um den Fisch-Markt betet in Groß Sünt Marten mit dem bestimmt 250 Fuß hohen Belfried – du, das ist
dir ein herrliches Werk! – Ein wahrer Meister baute das: es ist ein Kuppel-Bau ohne Sockel-Massiv, über einfacher Vierung –
von weither nahm man diesen zum Beispiel, auch der Belfried in Ypern und der Belfried Brügge, im flandrischen Nord-Venedig.
–
Übrigens, Liebfrauen im Brügge – ein reiner herrlicher Backstein-Bau, hat eine Höhe von 366 Fuß - und die Weber-Gilde dort
ist die mächtigste, anno 1302 besiegten ihre Kämpfer 1200 Ritter französischer Krone und eroberten 700 goldene Sporen." –
erzählt er.
"Was ist eigentlich aus diesem Boll-Werk, der Colna-Burg geworden?" - fragt Jan dich dann.
Soweit du weißt, gab es seitdem nur immer wieder nochmal, um Handels-Freiheiten und Rechte, Zwist mit dem
bischöflichen Stuhl. "Etwa 100 Jahre nach deiner Altar-Schilderei wollte ein Erzbischof v.Colna-Burg, wie es jetzt
heißt, in seiner Eigenschaft als Westfalen-Herzog zu Engern das ganze Erz-Bistum auch vom Hilligen Vater in Rom
ablösen," – erzählst du dem Jan, "und da hat das Volk mit den Gelehrten der Universität es verhindert. Colna-Burg ist nachher noch bis auf 83 Türme mit 42 Tor-Burgen verstärkt befestigt worden – stärker als Rom und
Byzanz – fünf Kilometer lang ist die Mauer von Rhein bis Rhein gewesen und so breit, daß Gärtner auf den Wällen und
Seiler auf der Höhe ihrem Handwerk nachgegangen sind – und im Jahre 1882 wurde plötzlich alles das entfestigt und
abgebrochen für den neuen Deutschen Kaiser Wilhelm. –
Nach dem Rücktritt des Enkel-Kaisers und einem bös verlorenen Krieg stellten Wissenschaftler der Kunst soviel wie
möglich von den Alt-Gebäuden wieder her – es stand noch Overstolz, Zum Scherffgin,
Am Himmel-Reich und die Küh-Gasse und einiges, im Minoriten-Kloster, dessen Kloster-Brüder Kaiser Wilhelms
wegen wie alle anderen Orden ausgewiesen waren, sammelten Gönner der Schönen Künste soviel wie möglich
Gemälde ein und auch eine deiner Schildereien kannst du heute da ansehn – den Billerbecker, heute "Halderner" Altar,
er kam sogar in den wunderschönen Dom und hieß eine Zeitlang der "Colna-Burger" Altar. –
Übrigens, das hohe Chor war vorher ja nur einfach durch eine Wand geschlossen worden - nun erst unter den Preußen
wurde dem Dom das Mittel-Schiff gebaut und dadurch Chor und Westwerk verknüpft. –
Bis dahin blieb das alles so, wie du es kanntest. Er wurde dann der nationale Dom des neuen Deutschen-Reiches und kam hoch in Ehre." – und du versuchst, auch
darauf ein bißchen mit-stolz sein zu dürfen – du hast ihn besucht und du hattest als Kind schon zuvor einen ganz
kleinen aus Papp-Maché und versilbert besehen... und ein en kleinen Löffel sahst du einmals: Köln Dom-Café II –
besonders dieses Dom-Café II - in dieser zierlich kleinen Schrift – das hat dir alles als Kind sehr imponiert. "Ach ja? – Aber das Herz der Frommen, die gegebenen Gelübde zu halten, die hat dieser Kaiser-Thron erstmal verboten und die
Orden alle fortgejagt, Waisen, Schüler, Kranke, Arme, G"TT-Sucher - die waren euch Späteren alle entbehrlich? - Und hat der
Dom denn jetzt Gemeinde? "–
Naja. Man behalf sich durch eifrige Fromme, die statt Orden Kongregationen gründeten, mit zeitlichen Versprechen. Später kamen aber auch viele Orden zurück. –
Den Dom besuchen regelmäßig zur Heiligen Messe höchstens 5% der um ihn wohnenden Kölner – heißt es. –
"Siehst du? Aber als er noch stand, wie er stand, Mitte offen - da war immer was los. –
Und woher kam dieser euer Kaiser Wilhelm zustande? "– will Jan nun noch erfahren. –
Nein, nach Kaiser Wilhelm und überhaupt neueren Zeiten ist dir gar nicht zumute, sein Vater wurde sprachlos und er
beinah gehörlos – sie haben sich haarsträubend therapieren lassen müssen, aber Kaiser können nicht ausweichen. –
Vielleicht nachher. –
Und hier - dort oben, oberhalb der Welle, auf der Kirchhofs-Klippe, wo der Dänen-gleiche Stufen-Giebel sich als
Silhouette einer Glucke ähnlich nach dem Küken-Volk umsieht – von hier besehen – zumal da auch die
Glocken-Meldungen den Tag noch würzen - da weiß ich, wenn man im Momente dieser Hitze eintritt, da wird es
überraschend kühl und trotz der Licht-Flut schattig, aber schimmernd. Eventuell sind Leute da – nicht alle aus dem
einen Grund – in einigen wie mir sind es vertraute alte immer gehörte Gesänge und Worte, die mächtig erinnern, falls
man dort mal nachsucht – es sind eben nicht diese selben Worte, an die man zuhause nun dächte. Wiederum – dieses Bild – in der Halle gestaltet ist's klein, prächtig bunt und zu zierlich, um viel mehr wahrzunehmen
als "schön". Gehst du näher, ist es höher und dann wieder gleich zu groß, um es nun wirklich anzusehn – die Gestalten,
schlank-füßig und ohne Pinsel-Spur dort aufgetragen, jedoch vom Firnis angeknittert, Pünktchen-Lichter ausgesät –
sie reichen direkt nur die große Menge des Karfreitag-Ostern dar, oder ihre Weihnachts-Seite, die man mehr von fern
am besten sieht, mit eben-diesem Land im Hintergrund, in dem wir leben.
Sonderbar - fällt dir ein - und du erzählst es dem Jan:
Als ich ein Kind war, war typischerweise die Kirche auch im kältesten Wintertag gar wenig geheizt, und falls doch, hat
sie es den Betern konsequent verheimlicht. Wärme steigt ja hinauf, aber wir knien unten und die Gewölbe sind riesig
und frei. Aber von der Zutraulichkeit her, da waren diese Hallen mehr noch vertraulich wie der wärmste heimische
Kamin. Das rote Ewige Licht verband sämtliche Kirchen der Jahre zu einem steten verfügbaren Heim – und man kam schon
herum, aus Versehen, hat aller Art Häuser beim Beten gesehen, hat ihre Schönheiten vorausgesetzt, daß welche sind
oder wenigstens dran gedacht worden war – auch von mir kam eine kleine Schilderei zu der Ehre, den Betern zum Start
eines Denkens zu dienen, und eine Krippe dieser gesonderten Welt um die Welt enthält einen zierlichen Hirten namens
Davids bester Freund Jonathan – auch ein Jan – dem ich ein Gesicht verleihen durfte. – eute von uns zweigten ihre
Wege immer mal ein bißchen nach hierhin beiseite, ein paar Minuten oder ein hastigerer Knicks und Blick und weiter es umlagerten Blumen von Großen oder Kleinen die Bet-Altäre. – Klatsch-Mohn, Margeriten und Korn-Blumen für
einen Tag, und sei es in einer Dose, die mal Erbsen barg, das Etikett schnell entfernt – auch Ehrenpreis,
Mause-Öhrlein, winzige der Glocken-Blumen, Gänseblümchen für drei Stunden, in etwas Moos gesteckt oder mit
Gräserchen flüchtig gesträußelt einfach so dahin-gelegt – auch wunderschöne teure große Garten-Sträuße in robusten
oder sogar guten Vasen – beste Gärtner-Blumen, Ritter-Sporn und Eisen-Hut und Akelei mit tränend Herzen neben
Rosen auf dem Hoch-Altar und nah dem Sakrament – Rainfarn-Sträuße gelb mit hohen Rispen-Gräsern, blauen
Distel-Köpfen zu Töpfe-Efeu oder Kränzen, mehr auf Dauer arrangiert beim Toten-Dank gefallener
Gemeinde-Männer: das war so ungefähr der Juli
Und in dem Sinne weiter, jede Jahres-Zeit, es lag ein Duft nach alledem auf jedem der Gebete, verhaucht in Weihrauch
eines Feiertages und dem zarten Zunder-Duft so oft gelöschter wie gebrauchter Kerzen – meist leuchtete auch eine
ganze Kompanie von Fürbitt-Lichtern aus der Fürbitt-Ecke noch hinein. –
Es kam, weil man das Haus als besten Vater – jeder – nahm, anstelle aller, welche man ersehnte – aller, die man gern
gesprochen hätte, noch vorhandener Gefährten ebenso wie nie gesprochener Personen, es gab doch viele Unsichtbare,
die man Menschen glauben konnte – Väter ganz besonders viel, als ich ein Kind gewesen bin, geboren anno
neunzehn-hundert-vierzig-fünf, wie dieser Jan es ausgerechnet hätte. – Nein, erstmal muß ich nochmal schauen, in die
Welt, die so geblieben ist wie damals bei der Schilderei.
Zuunterst geleitet sie – die Treppe noch, die steilere, die es vermutlich nicht schon anno 1429 auch gegeben haben
muß, den Austritt dieser fast lautlos daher-schwimmenden Wasser, die wer weiß wie lange schon immer recht
gleichmäßig friedlich und kühl flach dem Fels-Tore da entwandern. –
Die-selbe Quelle gab es - sie ist auch zitiert im Schilder-Bild. –
Man nennt die Art dieser so bunt und voll besorgten Toveln Armen-Bibeln, weil das Volk noch nicht in jedem Haus die
Bibel still in dem Regal zu stehen hatte – damit das Volk den Inhalt wüßte, weil das Volk nicht lesen konnte - wie man
sagt.
Bei dem ist Jan nicht einverstanden, rührt er sich in mir - und was ich seh und weiß: es war doch grad bei diesen Landen kein
Problem, zu wissen, was in Bibeln steht, weil man noch reichlich Leute traf und sprechen konnte. –
Keineswegs war Predigt, um dann sofort zu irgend-was davon zu laufen, weil sie schon die Stunde überschritt. –
Es war des Sonntags wegen strikt unmöglich, nichts zu wissen, was für Verse in den Bibeln stehn – man las sie nicht am Stück
wie andre Bücher, denn sie war kein andres Buch – offiziell war die lateinische Sprache zu so viel im Alltag vonnöten, auf allen
Ämtern, vor Richtern, in Schulen, zum gemeinsamen Beten. – Auch da ergab sich, daß die Vorstellungs-Welten der
Glaubens-Personen – die Berichte der Ritter vom Hilligen Land, das Erinnern der Mannen-Familien an ihre Ritter – eine Fülle
Balladen und Lieder – Namen verursachen Fragen – Krippen-Spiele mit allem, was schief-ging - Mysterien für die
Meister-Wett-Spiele bekannt hielt, was in der Hilligen Schrift steht. –
Und nach allem der eigentlich eifernde Ansturm auf den Druck-Text, der nun in Privat-Händen eines Volkes, das nicht mehr eins
bleiben wollte, festlegen sollte, daß ein bestimmter Vers aus den Worten des Lebens, genau-so übersetzt und durch Numerierung
erkennbar, sich auch ohne sie alle auffinden läßt und zur Wort-Waffe wird, weil geschrieben – ja, solch eine Bibel für Arme ist
erst recht niemals gemalt worden. "Unser" Jan hat "nur" beschildert - denkst du - was man ihn zu schildern hieß: wie aller Leute Heiland Jesus Christ in
diesem Ort zu Grab geleget worden wäre - jetzt, in seinem Jetzt - und wie und wo empfangen und geboren – und
zweifel-los ist nur das eine: Arme gab es, richtig Arme, jene vor dem Ober-Tor und Unter-Tor und Kirchen-Tor, doch
diese hatten ihre Hierarchie und ihre Tages-Müh vor Ort - die haben sicher weder seine Farben kaufen können, noch
das Blatt-Gold und das Silber dargeliehen, nicht das Bretter-Werk beschaffen könne, um darauf zu malen, nicht des
Schilderers Ernährung leisten sollen. - Ziemlich sicher hat der Spender ihrer Freitags-Hering-Schwänze oder
Sonntags-Brote Anderes bedacht als sie zu fragen, als er den Altar bestellte, als schon Warendorf und Hamburg und so
manche Kirche mit so Schildereien ausgestattet war. –
Als Jan etwa 1416 geboren wurde, waren fast so viele Menschen unstet wahllos auf den Straßen wie zur Zeit, als du
ankamst: man errechnete für 1414 ohne festes Zuhause etwa 90% - das hieß nicht unbedingt, wenn 10 zusammen
wanderten, daß davon 9 kein eigen Haus zum Schlafen hatten und das gleich überall zur gleichen Zeit – nein, nein, es
gab durchaus auch Gegenden, da lebten alle ruhig vor sich hin und merkten gar nichts, während sich anderswo die ohne
Obdach zu sehr vielen trafen. –
Es liefen viele von Zuhause fort, um wen zu suchen, der verschollen war und ihre Nachricht überbrachte wieder
niemand wem zuhause – und es war wie schon in der Bibel steht: Kein König war im Land – es tat ein Jeder, was ihm
grad gefiel. – oder der in der Fremde erfuhr nicht, daß zuhaus keiner mehr war.
=***=
Oft schon hat sich Jan-Hendrik nun die Leute besehen und überlegt, welchen er portaitieren würde, um Den Lieben Herrn Jesus
zu zeichnen – hin und wieder dachte er: der – oder der – und er machte sich Skizzen von vielerlei Männern, Edlen und Geringen,
sogar solchen von Prangern und Galgen – einen Sünt Dismas, den hat er gefunden – einen atem-beraubend frechen Burschen für
den Andern zur Linken ja auch. –
Aber sein Jesus, das ging einfach so nicht – immer fürchtet er auch, daß den jemand erkennt und den Gemalten schon kennt und
beim Beten verwirrt wär – und auch – etwas gar nicht Bedachtes, seit sein suchender Blick alle Menschen absucht und vergleicht
mit dem Du, das beim Beten ihm nah ist – da geraten auch Fraue Aleidis – Jungfer Matha – Frau Pulcinella und ihre Töchter und
manche Frauen – auch Kinder – dazu, und das geht ja nicht so, noch ist ein Bild-Jesus Mann und es steht so geschrieben, Er
damals war etwa dreißig Jahr alt. –
Nein, es ist schon richtig so, den Vorschlag aus dem Rat-Haus auszuführen und nur das fremde Bildnis Jesu ein-zukompilieren.
Und eines Tages hat Jan-Hendrik es in Angriff genommen, sich wirklich zu entscheiden, Jesu Angesicht in das Ganze zu legen –
schon das Wort in-Angriff-Nehmen kommt ihm heute zu grob vor – nein, er möchte es sanft und liebevoll betten in Olie – im
schönsten fein venezianischen Ölie wird er Ihn malen. Genug davon - sagt er sich - diese Quelle Welle hier weiß nichts darüber, sie kommt doch soeben erst hier auf die Welt, immer
hier - immer ahnungslos, ob schon vorher was war. Ach – ihr hauch-leises Dudeln und Tuscheln und Sintern im Scopos - sie
denkt nichts dabei, doch der Lauscher ergänzt es in Wort und in Imaginierung gemäß der Bereitscaft, zu wissen und ahnen. –
Und dort droben, da drinnen, ganz vorne – diese poetischen friedsam Gemalten, die hielten es noch nicht für schlimm vor aller
Ewigkeit, wie auch immer wir litten und kämpften. –
Es kommt ja auch darauf an, wen man sich vorstellt, er leide – und da ist sogar Jesus am Kreuz nicht-bei-der-Sache – Jan malt
es: Er denkt an etwas Gutes: an uns, an auch ebenso ihn noch, den Jan - daß da Gemeinde sein wird und Sein Leib also Hände
und Füße bewegen kann - trotz der drei Nägel. –
"Siehst du, jetzt komm ich Dir näher – komm Du so zu mir! " – sagt Ihm Jan.
Ja, als Schilderer kann er einfach einen Jesus darin zur Reklame schildern, daß Er sich trotz dieser Todes-Art vorrangig um den
anderen Sterbenden rechts bei Sich kümmert, dessen Seele hier ein bunter kleiner Engel holt. Dies alles aber um die Quelle Welle – eines ist gewiß: diese Quelle, dieser Himmel, ein Pfarrhaus hier dabei, die Kirche hier – dahinten eine Straße auch –
so ähnlich ein Hier-her-Weg links und rechts der Welle, eine Wasch-Treppe am Ufer ihres frischen Wassers war schon
da. – Der Mensch war schon geschaffen, war so weit gediehen, daß er freitags deshalb meistens Frieden hielt, daß er
hier oben betete, hier unten Recht und manchmal Unrecht sprach, dort hinten aber eine Grenze am Stadt-Tor stehen
hatte, zwischen dem Was-G"TTES-und-des-Bischofs-von-Münster-und-des-Kaisers-ist und
dem-Was-G"TTES-und-der-Abtei-Hervurth-und-des-Kaisers-ist.
Eins hast du 1999 doch den letzten 500 Jahren voraus – wieviel auch sonst sie damals uns voraushaben mochten, was
wir kaum begreifen werden: das Medium Photographie trägt dir Jans Schilderei fein in Szenen sortiert auf de Tisch,
und natürlich ist auch G"TT hier dabei wie überall, aber nicht in dem Sinne so konzentriert wie dort, wo man eben
nicht guckt, sondern betet. Die Beschaffenheit dieser Schilderei ist genau so, daß du doch nicht dazu kämst, sie wirklich ganz vor Ort zu studieren.
– sagt Jan - Die ganze Mühe am Detail wurde gemacht, um sie dann zu opfern, wie man Kerzen verbrennt – im
Jenseits, da würde es einen erwarten.
Schaust du in gotischen Kirchen die nicht messen wollende Sorgfalt an, Kapitälen in schwindelnder Höhe liebevollst
gearbeitete Bildhauereien zu geben, Fassaden in der Wetter-Seite über und über mit Tausenden - jede für sich kostbaren
– von Statuen zu besetzen – Sünt Petronilla Wettringen hat vor dem Bilder-Sturm über 600 Skulpturen außen drauf –
bestimmt auch Sankt Brictius eine Zeitlang nicht minder – vielleicht, bevor es abbrannte? –
Dies alles opfert doch – mit Dank oder Bitte verknüpft - sowohl der Stein-Metz als auch der Spender solcher
Geschenke für Den Lieben-HERR-G"TT, löste sich davon ganz – überließ es Ihm, wann und wie und wozu die
Vorsehung G"TTES es auflösen wird wie die Kerzen und Blumen. –
Auch Jan-Hendrik bringt alles, was an Müh und Liebe darin liegt und was nur Der Liebe-HERR ihn beim Arbeiten überlegen
sieht, als seine Gabe dar,
"Ziemlich sicher, daß es niemand mehr ganz im Einzelnen sieht "– sagt Jan - "doch das begreifst du noch nicht. " 209 mal ein Gesicht - nun ein Portrait für den Bild-Schirm - strahlt dich wieder an wie den, der es schildert – sein
Ausdruck im Blick, so viele Male unter vier Augen, deren zwei derselbe Mensch malt – Kleidung und Farben,
Haar-Tracht und all die zierlichen Anatomien, die Gebärden der Hände, die Stellung der Füße, der Winkel des Nackens
- alles, was zur Erzählung des bekannten Verkündigungs-Wortes konkretisiert werden muß, war doch Jan überlassen. Und dann wieder hat er zu berücksichtigen, was seinem Kunden auffiel und besonders gefiel: Die als Böse Definierten zertreten
kleine Blumen – definiert Gute und Arglose treten immer fein dazwischen. – beschließt dann Jan-Hendrik. Noch Böseres malt er nicht hier und wo man es ihm abverlangt, wird er ratlos - und dann blicken auch die andern Gesichte im
Bilde entmutigt - Köpfe sitzen ungenau auf fremde Körper auf-kopiert – sein Hilfs-Anstreicher vielleicht bringt die der Linie
nach unlogischen Übergänge zuende. –
Du siehst, Jan hat doch dies Großzügigere vor dem ihn-Einengenden erlebt.
So also kannst du deinen Jan in deinem Herzen deutlich eine Meinung haben hören.
"Das genügt aber doch?" – sagt er nun zu seinem Jesus beim Malen – er hat ja nun eine Weile mit dem 11-maligen Kopieren des
Gesichtes Jesu zu tun – "ist doch besser als nix?" "Die Seelen der Verstorbenen" – fügt er etwas später für dich hinzu - "dir ist solches nur selten wirklich geläufig, daß jede Seele
ein Punkt Du ist, der – einmal gezeugt, dann wirklich genau dieser bleibt – im Sterben mußt du eimal völlig als Du-Ich in den
Brenn-Punkt und wirst wieder entfaltet - die Voran-Gegangenen können zwar Kontakte mit den Späteren aufnehmen und auch
gedanken-schnell Menschen und Orte aufsuchen, wohin es sie wohl zieht und wohin man wohl mit ihnen redet – aber sie sind ja
nicht all-gegenwärtig und all-wissend wie Unser Lieber HERR-VATER alleine, das ist dir doch soweit bekannt." "Aber das Bild ist ja wirklich" – überlegst du - "des Menschen Seele, der es bildete – den er nachbildete - ist ja gar
nicht aus der Welt verloren." "Na klar", sagt Jan-Hendrik – "auch wird jeder, der hier mit mir von einer Hand in die andere fiel, seinen
Himmel-Zustand inzwischen haben, bis die letzten es sehen - also wenn einem so ist, als frage er einen, dann erzählt
man ihm eben auch etwas von heute und man erzählt es ihm in Kurzfassung vor." –
"Wie also wir an Kaiser Wilhelm kamen - vielleicht kann ich es jetzt versuchen, dir, Jan, zu schildern - was sag ich, zu
skizzieren: Es mag dich wundern, Jan: dein König Kaiser Sigismund hat dieses Haus v.Zollern grad zu deiner Zeit als
Burg-Graven zu Nürnberg dagehabt und diese waren richtig reich.
Dagegen Sigismund, zu Teurerem gerufen und geboren, der brauchte schon als Gegen-Künning seines Bruders Wenzel,
der er anfangs war, viel Geld für den vergeblichen Türken-Kreuzzug nach Byzanz und die Sache mit dem Konstanzer
Konzil und für das Bestechen des Einigungs-Papstes Johann und dergleichen.
Die Nürnberger Grafen v.Zollern liehen ihm Geld, wofür als Pfand er ihnen die für ihn nicht bereichernde Mark
Brandenburg gab. –
Er mußte sich nochmal mehr leihen anstatt es wieder einzulösen, so bekamen sie die und mit geeigneter Mannschaft
war sie bald schon saniert und ein großer Gewinn.
Einer von ihnen hieß Albrecht und wurde – nur etwa 50 Jahre nach deiner Zeit – kannst du es ergänzen - recht jung
Hoch-Meister der Deutsch-Ordens Ritter in der Marien-Burg.
In dieser Eigenschaft sagte er sich mit allem Ordens-Land vom Papst in Rom los und unterstellte sich als Herzog
v.Preußen der polnischen Krone. Später wurden Albrechts Nachkommen Kur-Fürsten und im Jahr 1700 Künninge und
nannten ihr Reich Preußen. Nur Bistum Ermland blieb bei Rom, auch nachdem sie wieder an Deutschland zurück kamen. Polen verlor die
Künnings-Krone, wurde geteilt, verlagert und sehr schlecht behandelt. Einige Herrscher wollten es ganz auflösen und
einer es sogar völlig versklaven, nachdem es rechtmäßig in aller Welt gar keine Sklaven mehr gab. -
Im Jahre 1804 nannte sich Josef, des Hilligen römischen Reiches Kaiser deutscher Nation nur noch neu Kaiser von
Öster-Reich und löste zwei Jahre danach das Hillige Römische Reich des Augustus endgültig auf. Frankreich hatte
kurz vorher mit Napoleon, einem Korsen-General gekaisert, Rußland genau im Jahre 1800 mit Alexander, einem Erben
der Romanow holstein'scher Herkunft, England mit Victoria Erbin vom Künningreich Hannover kaiserte als Empire
Groß-Britannia mit Indien und vielen Ländern, die im deiner Zeit noch nicht bekannt sind, daß es sie überhaupt gibt,
jenseits von Grönland. –
Erst danach kaiserte der Künning v.Preußen als neues nur Deutsches Reich. –
Die neuen Kaiser und was folgte, haben ab Napoleon dafür den jeweiligen Papst mehrmals erobert und ins Gefängnis
geworfen und ihm den Kirchen-Staat bis auf den römischen Stadt-Teil Vatikan verkleinert
– er durfte seit 1871 das Vatikan-Gebiet bis zum Jahr 1964 überhaupt nicht mehr verlassen. Den Bischöfen wurde jede
Fürsten-Gewalt aus Kaiser Karl dem Großen seit dem 1000.Jahr seiner Krönung wieder abgenommen samt solchen
Ländereien und alle Gelübde verboten, zu halten oder abzulegen außer dem neuen Fahnen-Eid. –
All diese parallelen Kaiser – es gab dann noch neue in Japan, Äthiopia hinter Ägypten bei den Quellen des Nil, im
Westen hinter dem Atlantik in Mexico – ach das kannst du nicht kennen, es liegt hinter dem großen Atlantischen Meer –
kennst du nicht? –
Aber die Inseln der Seligen, die kürzlich entdeckten, wo die großen Guanchen leben, die kennst du schon damals? - fragst du den
Jan und denkst dabei, es ist für ihn damals jedoch etwas weit weg, diese Inseln westlich vor Afrika. "Ja, mein Lieber Meister Hubert hatte Freunde in Valencia, ich meine, da war vor so etwas wie 13 vulcanischen Inseln im
West-Okeanos mit fast sieben Fuß hohen sehr tapferen Bewohnern des Künnings Tinerje der Tamaran die Rede. –
Anno 1393 sei dorthin ein Marien-Bild geschwommen – erzählen die Spielleute - und habe am Strande von Chimisay auf
Teneriffa viele Gebete wundersam erhört, wurde in einer Höhle verehrt, ehe jene Bewohner vom Christentum hörten – es hieß,
spanische Helden nahmen es ihnen deshalb fort, Luis de Castilia bekam vom Hilligen Vater das Künningreich zuerkannt über die
glücklichen Inseln – der de la Cerda, von der Borste - aber eine Pestilenz brach dann aus, bis es wieder in die Obhut der
Guanchen kam – oder so - wer hat sie gekriegt, diese Inseln, Genueser, Sarazenen, Valencia? "Der spanische Künning – ich glaube, Fernando der Katholische – und Isabella, die Hillige, soweit man weiß. "Welche Krone? Da sind doch vier spanische Kronen, Navarra, Leon und Aragòn, Castilia, mit Constantia der Pedro-Tochter –
weißt du, Lancaster - Rote Rose" Die von Castilia, die Krone blieb schließlich alleine übrig. Der Mann, der sie unglaublich reich machte, ein
genuesischer Seefahrer, ist gerade geboren, als deine Schüöpp'n Schilderei eingeweiht wurde. –
Die damals bald geborene, berühmte und kanonisierte Künningin Isabella war übrigens begeistert von deiner
Kategorie Schildereien und beschaffte dem Hofe eine ganze Sammlung derer.
Zwei Valencianer – Luis Dalmau und Jacomart Bacó - malten nach van Eycks Methode. Euer Meister von Eyck hatte
also auch Schüler dort und euer Meister Robert in Flémalle sowie der junge Kaufmann Rogier van der Weyden, dessen
Mal-Schüler und Nachfolger wurden Vorbild in Castilia – im für die aus 1250 schon alte Universität berühmten
Salamanca malte Fernando Gallego wie ihr, und ein ganzes Zentrum eures Stils strahlt von dort aus. –
Wir hatten nach deiner Zeit schließlich spanische Niederlande und damit das wieder hier. Die Kaiser der letzten 200 Jahre, also – von denen ich sprach - versuchten, die Religion ihrer Reiche in je eine neue für
das Reich umzugestalten und jeder wenigstens 70 bis 135 Nationen als ihnen folgend anzumelden – bis tief in Afrika
und in die muslimischen Lande sandten sie Forscher nach Nationen und verbündeten oder unterwarfen sich die, und im
ganzen Abendland suchte man bis in die abgelegensten Siedlungen Menschen auf, sammelte ihr Sprachen, Lieder,
Sagen und Trachten, bis herab zu kleinen Nationen, die 80 Jahre vorher aus zwei verlorenen Kindern entstanden
waren oder einer Sippe von 60 Seelen im tiefsten hinter-sibirischen Urwald. Mancher Krieg brach allein hierdurch schon aus – alles wurde gewaltig und schneller, und viel Jammer und Zweifel
an jeder Art Glauben wurde der Lehr-Inhalt vieler Schulen – das gefundene Gute auch oftmals bedrückend. Sechsmal
in den letzten 200 Jahren wurden den Menschen Bücher und viele Wörter verboten und neue gegeben. –
Weißt du – das Wort Krieg oder Heer wär's ja nicht, aber das Ding Krieg wär besser 6-mal gewaschen worden. Du überlegst dir nun doch, was es der Seele des freundlichen Schilderers Jan im Moment wohl nützen sollte, ihm unser
Jahrhundert-Gefühl ganz auszuschildern: "Ach – weißt du Jan, das ist alles sehr schwierig – erzähle lieber erst du, wie
es zu dieser Altar-Schilderei hier in Schüöping kam. Sie ist ja dann noch recht berühmt geworden und wurde viel
nachgeahmt." "Gut, sonst verstehst du mein Denken zu wenig, das ist mir natürlich aus meiner Umgebung gegeben - ich erspar dir mein Platt,
weil du ja darin neu bist und ich hab's auch erst einmal richtig lernen müssen, ganz zu verstehn – schließt Jan plötzlich für heut
das Gespräch – es war auch so viel!" =***=
Und du stehst inzwischen auf dem Schom-Berg in Rams-Berg und schaust dem gewaltigen Mäh-Drescher zu. Es sind trockene Tage dies Jahr - wie die 40-Sieben-Schläfer-Tage es an sich auch zu sein versprachen - doch derart
schwül, daß niemand weiß, ob es nicht gleich mitten in die prächtigen erwartungs-vollen Getreide hinein zu hageln und
zu donnern käme - die Stroh-Dienste rufen fast immer zu hektischem Fleiß. Du hast sie in der Nacht gehört, ihr Brummen fern und nah, und du hast sie gesehn bei der einsamen Arbeit im
Dunkeln. Du sahst bei der späten Fahrt zu einem Haus-Besuch bunte Lichter-Häuser wie ganze Geister-Burgen über
Felder schweben, ein jedes hat seinen hellichten Tag mitgebracht und vor sich auf dem reifen Felde liegen. -
Einsam still sieht das aus - trotz der Maschinen, weil es je nur einen Fahrer braucht, nur das man weitere auf andern
Feldern blinken sieht. Dann kommt dir auch auf der nächtlichen Straße so etwas entgegen - herrlich - riesig - unaufhaltsam und ziemlich
geschwind für die Größe. - Halt du dich schön am Straßen-Rand, denn so ein Friedens-Leopard braucht eine ganze
Breite auf, und eben so breit geht er auch das nächste und das über-nächste Feld radieren über Nacht - natürlich auch
tags, aber nachts ist es ganz etwas Andres, denn das gab's in der Menschheit noch nie: es mäht, drischt aus, trennt und
verpackt - tags und nachts - zeit-enthoben - arbeitet so ohne Unterlaß, solange der Vorrat da reicht. Kommst du morgen wieder vorbei, liegt hie und da in der Kurz-Frisur des geschorenen Ackers gewaltige, schon adrett
eingewickelte Ballen aus Stroh, während das Korn schon ganz woanders der Mühle harrt. Wenn es getan ist, wird die
Land-Jugend aus solchen Ballen ein Mama-und-Papa-des-Herbstes aufstellen, nahe Düster-Mühle an der großen Straße
von Gemen nach Ahaus, zum Gruß. Und im Vogelsberg sahst du vor Jahren sieben "glückliche Kühe" mit ihren Kälbern und ihrem Bullen zur Freude der
heimischen Stadt-Jugend grasen und sie brachten ihm solche - damals neuen - Stroh-Ballen zum Spaß, um zu sehn, wie
er kraftvoll und spielend die gebündelte Masse umherwarf - ein Wunder an Schönheit und Kraft - dabei waren sie
ursprünglich erst hergekommen, um den roten Schönen von der Altenburg beim - na-was-schon anzusehn - uraltes
Vergnügen der keimenden Jugend, sich beim Bullen, Hengst, Bock oder Hahn zu orientieren, was da so abläuft ... –
Dieses Tier - weiß man doch auch - ist so kräftig wie um seine Einzigkeit eifernd, und der Vorgänger dieses Roten hat eine Kuh,
die ihm verdächtig nach Bullen-Kalb roch, seinem und ihrem Sohn, auf die Hörner genommen und an die Stall-Decke gefeuert der Meinung, die hätte einen anderen Bullen neben ihm an sich gelassen. –
Und die andere Seite der Kraft ist die, daß sie andere reizt, sie der eigenen zu unterwerfen, was dazu führte, daß der Vorgänger
des roten Schönen von der Alten Burg von seinem Schweitzer nicht geachtet wurde, der des Nasen-Ringes wegen glaubte,
absoluter Herr der Kraft zu sein, der riß ihn rum und quälte ihn, bis sich der Starke von ihm frei-riß und vom Schweitzer nur die
Stiefel nicht zu Brei zertreten hat. Dies Bild eifersüchtigen Stiers allerdings wünschte Unser G"TT nicht von Sich "Sein Eifer sei Begeisterung, nicht Sucht "– sagt Jan nun doch wieder etwas dazu. -Dann fällt dir noch ein Bulle deiner
Kindheit ein, der lieh sich aus für's ganze Dorf. –
Er hat dir so imponiert, daß du vergessen hast, wie er hieß, denn so ganz vertraut konnte man ihm nicht werden. Damals, da war das Closed im Stall, in Höhe dieser Futter-Krippen ging die Rampe, und darauf ging man bis zum
Bullen und dann links ins "Häusken mit dem Plumps" - darin war es sommers dämmrig lau statt heiß, und irgendwie
intim - sonst war man nie allein im Hof, entweder traf sich alles in der großen fliegen-reichen Bauern-Küche oder wir
im Häuslers-Häusken wirtschafteten umeinander jeder seins herum. Und wenn es nicht um Essen oder Schlafen oder
Liege-Krankheit ging, war man meist draußen und vom ganzen Dorf zu sehen, was man tat - so war das Leben - so
waren Hunderte von Jahren. Nur unser Closed - das war Neu-Zeit, klug erdacht zum Gülle-Fahren hoch genug verlegt, den ganzen Kasten aus der
Wand direkt zum Wagen hinzuziehen war selbst Kindern leicht. Ein Sommer-Lichtstrahl flirrt - geradeaus und tanzend Staub erweisend - durch die Latten-Ritzen und ein Ast-Loch ein
- bemalt in der Ecke eine Batterie von kleinen etwas weißen Hänge-Matten - dieser dicken kurzen Ställe-Spinnen, die
sich darin reiche Beute Brummer fingen - mit eher goldenem Perl-Glanz - nun geradezu hübsch. - Aber vor alledem
mußte man vorher stets an dem Bullen vorbei, unserm, diesem gedrungenen schnaufenden Muskel-Paket. - Da gab es
Sommer-Tage, wo das ganze Volk beim Heuen war und alle Kühe auf der Weide, und nur der Bulle stand dann hier ein kurzer, sehr viel weiß mit etwas schwarz-bunt an-gesprenkelt, drall, kompakt von oben anzuschauen - rote Ringe
um das gelbe Augen-Weiß, die weich behaarten Ohren - das einzig immer Saubere an ihm - sowie der schweifend
Schwengel ander-seitig ständig unterwegs, die Fliegen wegzuschlagen. Kleinen Krotten wie dir schien es höchst unwahrscheinlich, daß der Ring an seiner Nase wirklich reichen würde, ihn
dort fest zu bannen. - Du gingst auf Zehenspitzen leise dran vorbei, dicht an der Wand und über ihm, vor seiner runden
Nase - ihn fest im Blick behaltend - und er dich auch, schon weil es sonst nichts Neues anzuschauen gab.
Du hattest stets Bedenken, er könnt Launen haben, weil - er guckte manchmal unwirsch oder schnaufte gar verdächtig.
Geradezu befreunden mochtest du dich nicht mit ihm, wohl aber spürtest du mitunter - dann sogar mit weichem
Herzen, daß er ein armer Bursche ist, auf seine Art, daß er auch gern Gesellschaft anderer Tiere hätte, jener auf den
Weiden - doch im Dienst der Pflichten eines Fasel-Ochsen mußte er sich oft allein bescheiden und nur warten, bis sie
für das Melken abends wieder-kehren und zu ihm.
Die Bäuerin hat in ihm Sicherheit und einen Zuverdienst - er zeugte gut schwarz-bunte Milchvieh-Kälber in die Welt
und gegen Geld lieh ihn das halbe Dorf sich aus. Auch Peter Bock war da zur Zucht in Dienst. Der Bock mit seinem undeutbaren Auge war dein Freund, er schubste gern und du
flogst gerne in die Wiese und ihr habt dann glocken-hell gekichert - er hat dir gut gedient und dich zum Fallen abgesichert bestimmt lag es an dem, daß du es endlos üben konntest: fallen und gleich wieder stehn - doch mit dem Bullen kamst du nicht zu
einer Freundschaft - das Höchste war ein Mitgefühl, doch immer auch bedrohlich, seine Bullen-Kraft zu wissen. Niemand
brauchte sie zu schildern, sie war einfach unverhüllt geblieben wie herangewachsen. Die Jungen sahen ihn mit leichtem Grauen und Respekt auch manches-mal beim Decken zu. Der Preis des Spezialistentums: eins kann er gut und soll es nun ausschließlich tun, infolgedessen ist er mehr allein als
jene, die zu andrem auserlesen sind? - mutmaßt der Jan. - In eurem Hof, wo du lebst, gibt es Schweine, Hühner, die
Kühe und ihren Bullen, den Bock Peter und ein Reit-Pferd namens Flamme und an Menschen die Bäuerin Minna mit
ihrer Tochter und dem jungen Bauern, Mägde, Knechte - besonders der Emile - und uns Einquartierte. Ihr habt es sehr
gut in dem Anbau-Häusken, ein eigner Speicher-Boden über den zwei Stübchen und ein Keller, ein Kirsch-Baum an
der Regen-Rinne, eine Wäsche-Wiese - ein Stückchen Garten gleich daran, und auch ein Recht, im Hofe alles
mit-zuleben. –
Du durftest sagen: unser Hof - am Kirsch-Baum hinterm Häusken war das Tor zu deiner Ritter-Burg durch eine zierlich
aus-gemauerte Öffnung – Ausgang der Regen-Rinne – angedeutet. Im Vor-Frühjahr die Dachtraufe vorn - aber auch
dein Burg-Tor hinten. Voller Eis-Zapfen war sie, zum Lutschen, und wenn der Frühling kam, blühten ums Haus dann
die Blumen – und gar prächtig war dann deine Burg, wenn die Kirschen nun blühten - nahrhaft, wenn sie reiften. –
Und du warst die Fee. Und drinnen, weil man nur vom Küchen-Herd her heizte, standen winters manchmal Samt-Bewüchse von dem Eis auf
der Tapete - Seiden-Blumen schönster Formen häuften sich am Fenster hoch - der Herd bot Platz für Töpfe, Pfannen,
Brat-Äpfel und Kaffee-Kanne - er regulierte sich durch Ringe auf dem Feuer-Loch, und unten war ein Back-Loch drin
mit Scheibe - 1950 sehr modern, solide, und ein Rüttel-Rost mit Asche-Sammler. Die spezifischen Geräusche alles dessen in Aktion war pralles Leben nach der großen Not nach jenem letzten Krieg.
Hier war auch Winter wunderbar zu haben, trotz der frechen Mäuse, die dies Stübchen mitbenutzen wollten und das Häusken
längst erobert hatten. Das war im Wesentlichen auch schon so, als ich die Schilderei geschildert habe - murmelt Jan ganz leise schau hin, hier siehst du gestern-morgen Arme an einem wahren Heute stolz und Künning sein. Es ist der Kaufmann,
Handwerker und Bauer, und der Grave nicht minder - jeder von Stand hier - ganz regulär auch sehr in Not gewesen - noch war
damals nichts geglättet, nicht half etwa jedem Geld, daß er ein täglich Essen kaufen könnte - noch war ein Jahr der Fehde, eins
mit Hungers Not aus der Natur und eins mit Räubern, deren fünf vernichten und verwüsten, wovon fünfzig essen könnten - immer
schön im Wechsel dran.
Und doch hat jeder seine Würde und sein wahres Festkleid an - denn fragst du wenn nach hundert Jahren, wer er war - er wird
sich kaum an Anderes erinnern als an Gutes, weil er lebend war.
Das Himmel-Reich ist nur dem Armen reich. Im Himmel-Reich sind Kleider in der frischen Farbe, flecken-los und unzerrissen wie gekauft und selbst genähte, nur von
Meistern. Und selbst des Himmel-Reiches Schächer sind nicht elend, die Täter sind nicht wüst und schaurig, denn die Liebe hat es damals
schon verziehen und das eigne Leid verklärt: das wird gelehrt. "Ich bin der Schilder-Mann - schilder, was soll, und was dem Leine-Weber richtig zur Reklame schien, damit man ihm
die Ware glaubte, war dem Himmel-Reich genauso würdig anzumalen - einladend, daß man sich danach sehnt, schon
hier darin zu leben" – sagt Jan geheimnisvoll - dann fällt ihm wieder was ein und er spaziert unvermittelt davon. =***=
Jungfer Matha träumt schon wieder übers Himmel-Reich, als sie daran denkt, und hört auch gar nicht weiter zu, denn ihr
kommen wieder die Bilder, während sie ganz vertieft ihre Dienst-Wäsche für die Lieben Damen von Asbeck rubbelt. Besonders
gebrechliche Leinen-und Spitzen-Gewänder gibt man gerne an sie und ihre Liebe Frau Mutter zur jährlichen Wäsche, denn sie
kennen einen Rück-Fettungstrick mit Bärlapp-Samen und einer geheimen Fett-Mischung, die Frau Adelaidis von ihrer Lieben
Frau Älter-Mutter unter dem Siegel der Verschwiegenheit erfahren hat. Jungfer Matha weiß das Rezeptum selbst noch nicht. Sie
wird es später erfahren. Flecken entfernen und Bleichen soll man es ja, aber nicht so rabiat, daß es nachher im Nu zerfspleißt. Sie hat für eine Zwölf-Jährige schon ziemlich viele ihrer Leute im Himmel, Vater auch. Ach, wenn man wählen kann, dann muß ins Schild der "wilde Liiven-Udo" rein - ja, ganz bestimmt war der vom Bant, da heißt
man Ado, Edo, Ido, Odo, Udo nach dem ABC. –
So hat es der Herr Vater mal gesagt, als er noch lebte. - Spielen soll den dann der alte Krieger Edo, dessen Sohn Hero Eden auch
ein Krott in ihrer Hanse gewesen war, so jemand ist aber nicht ihre Partie. –
Seit zwei Jahren geht schon die Beratung, wer sie ehelichen soll. Sie sind ja Pauls-Freie. Bei den andern Wichtken ist das längst
schon klar, jeder gehört ja gewöhnlich wem zu. An der Welle habn's gesagt, daß das Unangenehmste wär, daß man wen Bestimmten ehelichen will oder so und dann
nicht den mag, der es wird. Jetzt hatte der Schilderer-Novize Hinnerk sie gefragt, was hier die Ehe-Bräuche sind und sie erklärt: "Adel ehelicht nur Adel, das
kennst du bestimmt. Nonnen, Kloster-Brüder und Geistliche Herren heiraten das Himmelreich. - Schulten nehmen ihre Liebsten
aus den Schulten, Hervurthschke Bauern können am billigsten aus-ehelichen, Stemwertschke sind zur Zeit nicht mehr so begehrt
- Beutler bleiben bei Beutlern, Gaffeler bei ihresgleichen und sind spät dran, weil - die gehen lange auf die Walz und ehelichen
da beim Meister, wo sie bleiben wollen, ein - Weber verbleiben im Colnaburgschken Drittel, sie lernen zuhaus. - Die Kramer
fahr'n weit um 'ne gute Partie, damit steht oder fällt ihr Lohn und Brot. –
Und schlimme Deerns ehelichen gar nicht," fügt sie leise kichernd und errötend zu, nur weil sie es nicht lassen kann, ihre
Antworten immer vollständig zu geben.
Sie hat sich einiges schon ausgemalt, seit ihre Hanse Krotten Wichtken oder Jungen sind. Das kann sie gut erklären:
"Aber Peter-Pauls-Freie gehören - irgendwie - nur dem Pastor, und sie sind ziemlich arm, ziemlich viel. Manchmal sagen die anderen, frei sei schön blöd, so ein richtiges Pech, man zinst nirgendwo Zehnt - also braucht keiner die in
der Not zu versorgen, sagten die an der Welle. Bei den kleineren Bauern und Köttern geht's etwa so, wenn's der Öhm Hiärm
aufzählt." -
Matha sagt: "Sagt bitte mal drei-zehn ein-und-sechzig Lehen Edel-Herr von Steinfurt," – und er legt los:
"Anno 1361 Lehen Edler von Steinfurt - Conrad Overesch hat Zehnte von Nyenhoff to Sacmare anno 1361 Lehen Edler von Steinfurt Hues ton Lisnere, Hues to Hoginc /Heiginc und Hues tor Linden hat Albertus von Heek anno 1362 Lehen Edler von Steinfurt - das Gut zu Overesch hat Johann Overesch anno 1397 Lehen Edler von Steinfurt Dienst-Mannen sind:
Overesch, Culecamp, Burboem und Waterhues - die hat jetzt alle Johann Overesch -anno 1421 Lehen Edler von
Steinfurt Albertus von Buurse hat den Groten Leysner, Heyng und Linden im Kirchspiel..." er leiert das auf's Stich-Wort her und sie winkt: "Ja das - bis hier."
So weiß man, was in Akten ist, der Onkel Hiärm ist grade sechzehn-jährig und lernt auf Akten-Bursche, ein lebendes Register. Er
ist von Kind an kurzatmig und wird kaum etwas Anderes arbeiten können. Aber dies kann er gut. "...also Grote Leysners, Heyings und Lyndens ehelichen irgendwohin ins Buursene oder hierher. Vorher ehelichten sie 60 Jahre
im Heekschken herum," fährt Matha stolz auf ihre Kenntnis fort "Wer in Schutz kann, muß zahlen, zahlt er nicht, muß er fort
und das Haus zieht umher. Pauls-Freie aber – wie wir - dürfen bleiben, im Kirchspiel genau. Wird man außerhalb angetroffen,
ist es aus, außer man ist angehüert für wen unterwegs. Viele Peter-Pauls gehen als Nachrichten-Boten oder Sachen weg tragen. Ja" – seufzt sie etwas kokett "Man muß einfach mal raus dürfen hier." –
Aber sie meint das nicht wirklich. Sie hört es nur so von den Wigbolder Jungfern immer mal sagen, denen das all-abendliche
Verschließen der Stadt nicht gefällt. –
Jungfer Matha aber - vor der Stadt - ist nicht versessen auf das Straßen-Leben. 
Das war in allem Geschimpfe dazwischen immer ein Friede auf Erden! – Sankt Margaret legt den Gewitter-Drachen fest an
die Leine – Sankt Magdalen wirbt die Helfer – Sankt Anna im Grünen Mantel eröffnet die Ernte des Brots und Sankt
Christoph wacht, daß jetzt – behüte - der Schlag keinen treffe – Sankt Martha schließt schon mitunter das gedroschene
Korn ein und backt schon das erste. 
Wie kommt es – fragst du den Schilderer Jan – daß zwar hier eine Kreuzigung anzuschauen ist, aber dennoch genau so ein
Friede auf Erden – so ein wirklich mehr sanft-mütiges Glück. Dabei ist hier ja gar keine solche Sommer-Arbeit zu sehn niemand schleppt eine Garbe oder mäht dort ein Feld oder ißt, niemand stößt irgendwem in die Rippen und verweist stolz
auf die dräuende Wolke, vor der man doch alles in die Scheuer gerettet hatte –
Ist doch klar – sagt Jan zu dir – einerseits ist grad Frühling im Bild. –

"Stimmt nicht - deine Bäume stehn dunkel im Laub, deine Weiden sind grün, Blumen des Sommers sind's mehr als des
Frühjahrs gemalt." Jaja, das ist es nicht – ich male sie beschäftigt in der Welt – jeder hat etwas zu tun - denn aller Brot-Erwerb hat solche Tage
Hast-und-Glück – und trotzdem rennt nur einer – der Erlöser. Dieses setzt sich voraus und dann schildert die Schilderei, wer man ist – nicht was einer tut – auch die Schneider und Weber, die
Maurer und Schiffer, Ministeriale und Graven – jeder hat so etwas. 
(...) die ganze Welt war wieder frei hier - und es gab wieder herrliche Dinge zu tun. Nie wieder muß dein Bruder sich mit
Ratten um ein bißchen Essen anlegen, das die Kinder im Unter-Keller der Ruinen noch zu finden hofften, dort vor Wochen
erst von Geflohenen, Verschleppten und Verjagten grad vergraben, Eingemachtes und in Wachs-Tuch eingeschlagen – nie
wieder muß die Mutti nun um Brot-Karten durch große Flächen Trümmer gehen – nie wieder muß die Omi unbekannte
Sachen kochen aus etwas, das im Stadt-Park wächst keiner je gegessen hätte. Das neue Leben hier sah nicht nach sowas aus. –
 Der Friede hat sich erst an sich gewöhnen müssen. Jetzt war er spürbar da. - Nur manchmal stößt du – pilze-sammelnd in
dem nahen Wäldchen - noch auf einen alten Helm von der hoffentlich nun letzten Fehde (vom letzten Krieg) und hältst
erschrocken still und schaust genau hin, wo du auftrittst – wo Helm ist, kann auch leicht noch etwas liegen und das macht
Bumm und schon ist diese Welt vorbei –
 Dies alles ist vorbei und ist Geschehen - Erinnerung bedeckt es leis mit neuen Daten schon. – Vorbei ist auch, daß man
erklären muß, warum man beten ginge. - Hier darf man alles wieder, auch unbesorgt zur Kirche gehn. 
Vom damals erlernten Prinzip, stets zu wissen, daß man vom Aller-Hilligsten sich nicht weg-wenden sollte – hast du
erlernt, diese Häuser mehr zu erhaschen statt sie wie irgend ein Bau-Werk vergleichend zu sehn. –

War es leer, lag daher der Hauch von Gemeinde darin und sie war voll all jener, die hier schon lebten und die hier angerufen
worden waren und derer, auf die es noch harrte – und dir.

Also sind sie weder groß – weder klein – weder voll oder leer. - Manche könntest du daher auch gar nicht beschreiben – es
gab ja auch lautlos viel zu reden und horchen.  Sie sprach mit der Stimme der ernsten Pastöre deines Lebens, wie viel du gehört – und sie sprach mit den Stimmen der
Bücher zum Beten und auch Verse der Bibel – und sie sprach mit der Stimme von Vätern und andern, die du sonst nie
gesehn.

(...) mit Bedacht, daß konsequenter-weise die erfahrensten Flüchtlinge gleich draußen als Beter wie Dohlen anfliegen und
ein jeder sein Schmone Esre nickend und eilig aufsagt. Damit legt er hier Anker von vorher für später. 
Du warst hier nie allein – es war immer mächtig und ehrlich. -

Zur Kirche ist auch meistens ein Blick für den Himmel da draußen gebaut. Licht ist hier anders als sonst, weil hier nicht
gewöhnlich wer näht oder werkt. Diese Fenster sind Sender-Empfänger mit Licht, das G"TT hinein spielt. –

Man wanderte um sein Leben oder um einen Lebens-Unterhalt die-kreuz-und-die-quer durch das riesige Deutschland und
all-über-all, zog der Schule, dem Berufe, nach von Bleibe zu Bleibe, irrte sich öfters drüber, ob man nun bliebe – wurde
schon als Kind drauf vorbereitet, daß es möglich sein wird, daß von der Gemeinde keiner mehr bleibt als nur die gleichen
Worte und der selbe HERR. –

Das war alles noch frisch und uns "gestern" passiert, ist vorbei. 
Man ist niemals alleine - und so machst du es auch. Es ist früher Abend und nun bist du schon vierzig Jahre nach jenem und allein in der Kirche Sanct Brictii zu Schüöping – durch
die hohen Fenster in Fischnetz-Dekor bricht ein unglaubliches Blau um die Zeit. – Höchstens 15 Minuten, dann erlischt dessen
Leuchten zu Grau. Du läßt alles sinken, was du grad in der Hand hast zum Beten und du denkst, du mußt schauen – es ist wunderlich schön und sehr
rar, dieses Licht, dieses Blau. - Sonne ging nun schon hinunter mit letzten flammenden Lanzen aus den kleinen West-Fenstern
her, die verklärten die Bänke und Gänge mit feurigen Glanzen – nachmittags früh war ein leicht waberndes Licht-Meer
gewandert bis über den bunten Engel des Guten Schächers und die rechte Hand, das Haupt, den linken Arm des Gekreuzigten
und ließ es bis zum Herz aufleuchten – der andere Schächer, er muß es entbehren, aus dessen Seite leuchtet nur aus eigner
Lichtigkeit der rosen-rote Kragen des Verklärten die wieder-kehrende Freude her. – Ein Zufall sicherlich, doch ist es so. - Die
milchweißen weiten Gewölbe und Wände erschimmern, jedes Weiß und Grau etwas ergoldend, dezent vom Reflex dieser
eingewanderten Sonnen betont vor dem Schatten im hohen bedörnten Gewölbe darüber – diese selbe Art Sand-Stein, das in
Bröckchen auf manchen Äckern der Regen anscheinend unermüdlich an Vorrat hoch-schöpft – unscheinbar, grob-körnig, warmes
Hell-Grau hier zu reinen Mauern veredelt. - Keine Fläche ist einheitlich weiß über dem – es setzt sich durch..Nun aber tritt eine Pause des ziemlich zügigen Licht-Wechselns ein. Und als hätte es da noch geklingelt, wird's während des Blauens - ganz - still – - Anbetung – wie Erwartung im Haus – sogar die Dohlen vom Dach, die verharren ganz kurz – es wird noch mehr still:
Versenkung in das stark anwesende DU dieses Hauses –
Dieser Andre als du braucht gar kein Wort im Moment – einen Flügel-Schlag lang – wie ein Vorhang sich schließt. Doch ohne Wort hätte man dir nie von Ihm erzählt – es ist doch angenehmer, klar zu wissen, Wer es ist, vor dem du stehst. Und nun ist das Leuchten des Blau schon dahin, läßt dich los und du bist nun zum Umschauen geneigt, weil kein anderer da ist
außer Ihm und dir hier. –
Die hohen Gewölbe mit Ranken in den Winkeln der Rippen erleichtert sind weit in der Mitte, wie gewachsen aus Eichen kompakten alten, und wie Palmen auch zwei - die im Süd-Schiff sind steiler und schlank, das ist "Gotik", wie Buchen - die im
Nord-Schiff geräumig und breit wie ein Saal unter Linden, und dazwischen die Säulen, wie im richtigen Hain jede anders und
doch kaum zu merken, es sei denn, man sitzt hinter einer und kann etwas nicht sehen – erst recht nicht bemerkt man es gleich,
daß das Schiff sich zum Chor hin leicht weitet. Gehst du außen herum um das mächtige Haus, dann begreifst du fast nicht, wie das innen-drin liegt. Da hat es außerdem diese steinernen Ruder anliegen, nach Süden. Würde sie rudern, käm sie genau nach Osten zu liegen, denn
nach Norden ist's ohne. Diese Nischen da draußen – nach Süden am Bei-Boot vom Schiff – laden ein, sich dort unterzubringen und sich das Drin aus
dem Erinnern zu schaun. Es sollte sie geben, diese prächtigen steinernen Streben, schon optisch wie Flügel - mancher baute da
früher Kapellen, Zellen oder Armen-Häusken ganz einfach hinein. 
Du versuchst, alles dies - samt der Klippe, dem Skopus mit der Quelle darunter - von Grund auf zu begreifen. 
Ein Leben lang hast du die Geschichte der Zeiten nur als eine Art Gegenwart gelebt und nah an dich heran gezogen, bis du
sie schon selber sehen kannst. - Und wahrhaftig, diese als auch jene haben das Räume-Schaffen gut verstanden – der die
Zeiten hier vereinte, die an dieser Halle bauten, der beließ, was da noch war, und in Zahl und Maß ergänzte, was dies
Jahrhundert für die Gemeinde noch brauchte - der es unter ein Dach wie symmetrisch vereinte. – Und alle Fenster, falls
nicht etwas abgebildet ist, bezieht ein Fischer-Netz und auf dem Tabernakel wiederholen Rauten das mit Amethysten – sie
in dem Schlüssel-Loch klein, dunkel, fern und still den Herrn der Fischer auf sie warten. –
 Dies also ist der Ort der süßen Quelle, wo schon mehr-tausend Jahre lang der Mensch sich etwas sät und zieht weiter und
kommt wieder zum Ernten, ja, so im Juli – etwa jetzt –

Der klare wasser-treue Quell quoll einst gut verborgen, in einem weit-verzweigten Matsch-und-Moor - mit wenig
hasel-lichten Baum-Beständen - nur da, wo es schon höher trocken lag – der Weg hierhin war nicht sehr offensichtlich
aufzufinden. 
Im September - als man dann für den Sommer über Fehmarn, Lolland oder ähnlich hin-zog und dann bis über Winter hier
auch oftmals lange ruhte – da zogen unsre Männer erst gen Lolland oder Rügen – später weiter, Hering Fischen-Fahren und auf Wal und Robben - wenn das silberne Gewimmel an die Ostsee-Fläche stieß und man nur einzuholen brauchte, Netze
über Netze voll des Salz-und-Lebens-Mittels, worauf die halbe Erde harrte. Danach dann eilten sie zurück nach hier zu ihren
Frauen und Herden, und bald fror es auch hier - das war dann günstig für die Jagd. – Nur - großes Wild war nicht oft hier.  Zungen-gleich erstreckte sich die erste Tange vom Schüöpen Berg an den Vechte-Morast.

Wo etwas fester Boden nicht-besäbar steinig ist, da stehen aus den quader-großen Placken über Sandstein-Wällen
aufgestapelt riet-gedeckte Moerker-Höhlen, wo man die Geräte aufhebt, und worin man nachts auch selber schlafen kann,
wenn es sehr kalt ist. -
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Gekocht wird draußen und nicht täglich – einer nur bewacht das Dauer-Feuer der Gemeinde hier: der an dieser Quelle
wohnt. –
Zu unerfreulich sind die Moor-Kriech-Brände, sie gehen unten kriechend schwelend unvorhersehbar nach hier und dort,
vergiften Vieh und Schläfer, zerstören Vorrats-Deponien.
Wer ein Feuer braucht, der holt es sich von dort. Wenn er allein hier ausharrt, schärft die Sehnsucht nach den andren seine
Ohren und aus Murmeln Wassers, Feuers, wispern Laute, die ihm ordnen, was er weiß und spürt – wenn einer Rat sucht,
dann hört er sich ganz weise reden – wundert sich, woher er's wissen konnte. Bald ziehn auch andre her, um klug zu werden.
Man zieht sich Rinnen vom Rand der sandigen Tinge aus, bis man erforschte, wo ein Flußbett wirklich ist und konsequent
ein Abfluß draus entsteht. In Schilf und Woll-Gras kommt Struktur: wo etwas trocken wird, da steht auf einmal
Katzen-Busch und Hasel-Strauch, wird auch ein Birken-Baum mal stark und groß – doch noch lange schwingt die Erde bei
jedem Schritt und macht, daß man nie müde wird, zu gehn. An manchen Tagen – wochenlang – kann sein, daß Nebel, Wolkendecken, Regen und die Nacht stets sternlos ineinander
übergehen. –
Dann etwa wird es Mücken hier nicht dulden - dann haben auch die Menschen wenig Lust, noch hier zu sein.
Man legt, solange es nicht richtig regnet, ins Venn vertiefte Gänge, Schachte, Kuhlen, tiefe Rillen an, sucht festen
Untergrund, lockt so das Wasser aus dem Torf und kann ihn dann zum Brennen nutzen und darauf etwas Frucht anbauen.
Man schichtet sich aus Plaggen Wälle, Dämme hang-unter-wärts auf gegen Fluß und Bäche, verstärkt sie durch im Frost
ausgesprengte Sand-Stein-Brocken zu Wällen, damit sie nicht anschwellend alles von neuem verschwemmen und matschen.
Sie werden Ell benannt und später Aa und Bec –dämmt von Huflattisch, Bachbunge, Ehren-Preis, Nesseln,
Vergiß-mein-nichts Maus-Öhrlein, Lungen-Kraut und verschwenderisch Kräutern, umwucherte Wälle ab. Auf den
steinernen Wall klammert sich zierlicher Haar-Farn zwischen 9-farbige Flechten, Schwalben-Wurzeln geben gold-gelbe
Linderung für Geschwüre. In die Stich-Gräben und sommerlich trockenen Bach-Betten wuscheln sich die geflügelten Feen der Farne, Frühjahrs
sagen ihre Bischofs-Stäbe die kommende Geistlichkeit späterer Zeiten voraus. Man ißt sie erfreut, man probiert alles. Man holt sich Rasen-Soden von Hügeln und belegt sich Beete in leichter Hang-Lage damit, wo man wohnt - immer neu,
dorthin stellt man sein mageres Vieh, in die Woort und das Pferd oder Kuh, bis das Erde ist, worauf etwas Buchweizen
wächst, endlich hat man dann Brot und verbessert es weiter, bis dahin gibt's Brei oder Röst-Mehl mit Honig, Beeren,
Blatt-Gemüsen, Trocken-Fischen aus dem Vorrat, Vogel-Eiern – nie so viel, daß man sich traut, zu bleiben, bis auch
Weizen und die erste Gerste angeht – die für Haus-Bier-Suppe - und man vermehrt sich am Haus Gut-Hendrik und andere,
Melden, Kletten, Quecken, Gänse-Distel und eßbare Blätter. –
Später erst kommt auch der Roggen dazu, für ein herrliches Schwarz-Brot – aber auch eine brennende Lepra, das Sünt
Antonius-Füer. Wie Trost für die Betrübten sprießt dann Marien-Brand und fett-samiger Klatsch-Mohn, Korn-Blume blau,
Glocken-Blumen und Rapunzeln, auch Kamillen duftend in der Nähe – verheidete Sande ernähren dann wieder nicht viel.
–
Oben am Schüöp'n-Berg fließt die neun-fache Quelle, Hallic Teren - lichte Tränen - genannt.
Wenn der Winter dann alles vereist hat, ist hier nichts mehr zu ändern. Man sitzt – wer nun hier lebt - oft bei dem Hüter der
unteren Quelle des Feuers und Wassers, verborgen ist's wärmer, wo schon ein Lang-Haus aus Balken und Torf – ohne Dach,
als umfriedeter Garten - das ganze Volk aufnimmt. –
Wenn nun die Zeit drückt – sei es Winter und sonst, dann beginnt er als Skalde sein Lied, meist zu zweit singen sie Verse
um Verse – aus alledem, was man je wußte und hörte - er sagt es an, sie singen nach und es wird munter, man kriegt Spaß –
in hellen Nächten lang. So bekommt jede gehütete Quelle ihr Volk und sein Lied. –
Lang muß es sein, und manche schlafen dann gern, weil er ja nun wacht. Keiner braucht sich mehr ständig zu hüten. Etwa
fünfzehn bis vierzig Leute der Sippen sind hier zum Erholen. Für mehr reicht das Jagd-Gut nicht aus. Später deckt man den Garten für Regen und Schnee mit dem Riet, das hier wächst und mit trocknendem Lehm-Zeug aus den
schlammigen Gräben. Dort drinnen erstellt, bewahrt und repariert man zusammen Geräte und Waffen – man fertigt Kleider und schnitzt, unterhält
sich und schlichtet des Jahres Probleme. Einer – ein Grauer, der alt ist – wird Richter bei Streit. So machen es nun viele andere auch - und die Form überliefert der
Skolde, wie es "bei uns richtig" zugeht. Er garantiert hier den Frieden, er geleitet auch manchmal hier Fremde vorbei und er
führt Exkursionen, Nahrungs-Quellen zu entdecken. Dafür hütet der Graue die Quelle, und es bleiben schon genug Junge dabei. Über das Eis der gefrorenen Bäche kommen immer mal einige Händler vorbei und berichten von anderswo aus der Welt,
fragen an, ob sie dies oder jenes besorgen können. Dafür hat man schon eine Deponie hie und da und bietet nun Hering,
Bernstein, Meer-Helfen-Bein, Sau-Borsten, Schweins-Leder, Federn und Daunen, Birken-Bast und Flecht-Gewänder,
fein und schmiegsam durchgekaute Rinden-stoffe, Weckholder-Beeren – bekommt etwa nun auch ein Bienen-Volk mit
der Beute, lernt dieses zu hüten, hat Wachs, Licht und Honig dann auch. Und die Frauen stießen auf Ton-Erde und machen Schalen und Krüge daraus. –

Ein erster Schmied läßt sich das tückische Find-Eisen einsammeln, wo es nur die Vorbeigehenden rostend beißt und qualvoll
an Wund-Krampf umbrächte, und kocht schwarz schreibendes Eisen für Werkzeug daraus, Pflüge-Haken und Sakse, er
erfindet bald Sachen für vieles. –

Doch was heißt hier schon bald? 
Vorher vergehn immer erst Centurien, in denen alles sonst sich nur ähnelt, und man stapelt den trocknenden Torf, um
dazwischen in Ruhe zu leben. 
Solange man nichts selber hat, außer daß man eben lebt, kommt aber auch gar kein Volk, das schon besser lebt, in dies
Venn, sich Steuern abzuholen. 
Das Venn kann schöne Stunden haben, nun hast nicht nur du Lust, da auch länger hinzusehen - helle Morgen über
See-Rosen und Iris, schetternde Himmels-Ziegen, die in Balz vom Himmel stürzen, wer das Kunst-Stück lauter kann,
Eulen, die den Kopf umdrehen, stets verwundert mit den runden Augen plinkernd, ein Gesicht wie zwei, die unter einer
Decke küssen, Frosch-Konzerte wie ein Walzer – Vogel-Schwärme, die zu Gaste kommen, Störche stiefeln, Frösche suchen
sich zu retten – schwarze Wasser-Stellen mit betörend zartem vielfach rosa Grün und Flocken-Weiß und Zitter-Gras
umsäumt. 
Man holt die Wurzeln der See-Rosen, wenn sie vorbei treiben, ein und klopft die Köpfe der Binsen aus, aber zum Essen
wächst sonst hier nicht viel. Das erwartet man mehr von dem trockenen Land, wo man sommers hinzieht. 
Hohe Jagd ist hier kaum, noch am ehesten hat man Geflügel. Für die Kuh und das Reh reicht es nicht, was hier wächst, ist zu
hart oder sauer - und dem Schaf ist's zu feucht, also hält man sich Schwein oder Hühner und Gänse zuerst. –

Für die Pferde, die sommers wie winters viel helfen, ist das Gras und Heu von den Hügeln und sie weiden im Bruchwald.
Wenn erstmal Baldrian, Brennessel, Quecke angehen, kommt Hoffnung – sie werden nun bald vieles Land trocken-legen.

Vorher hat man es oftmals in Vorsommern vorsichtig abfackeln müssen, um einmal zu ernten. Es soll verschwelen – und
das stinkt ganz erbärmlich – doch der Anzünder bleibt in den weißen Schwaden, um sie zu bewachen und regeln und
löschen. Wartete man, bis ein Blitz in das trockene Ried geht, dann wär es zum Säen und Pflanzen zu spät, wird zu heiß,
kriecht nach unten, loht ander-wo aus. "Was siehst du im Feuer?" – fragt Jan-Hendrik leise den Wahrsage-Mann und er sieht es nun selbst:
Die gefackelten Beete, wenn es überall Zeit dazu ist, steigend rauchend im Herbste gen Himmel - bilden hoch eine schweflige
Wolke, und wo sie lagert, wird Sonne ganz stumpf - wie ein Mond ohne Strahl, es ist Dunst, der die Luft nimmt, und Dämmerung
im Tag - ist es Nacht, scheint kein Stern und der Mond glimmt nur ocker hindurch – wenn überhaupt. Aber das kann wohl die Höhen der Himmel gebrauchen, daß diese gelbe Wolke niedergeht. –
Nur wenig trägt dies Asche-Beet, dann nimmt man sich ein anderes und läßt das eine sich erholen, denn dieses wird dadurch
steril – das Land ist groß und leer zunächst. - So kann man sich die Stücke reih-herum durch Netze schmaler Trocknungs-Rillen
vorbereiten. - Ab Frühjahr zieht man zu den Weiden in den Norden, um die Pferde erfreuen - dort haben sie endlose Weiten voll
Gras und stets festen Boden unter den Hufen - dort weiden auch Rinder, und jenes Gras ist ihnen süß. Und Brust und Fell befreit sich im Rennen und wohligen Wälzen vom Staub der Torf-Ballen-Unterstände des Winters - und so
ähnlich erfreun sich die Menschen mit ihnen. –

Nur der Hüter der Quelle bleibt wieder nun hier - hütet mehrerlei Gräber, die die Fürsten herbrachten – alle hoffend auf
Gründung von Land eignen Rechts, wenn der Kaiser erst lebt. Ein Caesar namens Cai von der Julier-Sippe schien auch
geeignet dafür. –
Via Appia Nord - sozusagen - entwarf sich ihm auch schon von Xanthen bis Rheine auf die Mündungen Weser und Elbe zu, aber
wurd' nicht gebaut. - Mit Kaiser Augustus kam dann Enttäuschung und Aufstand, doch ab Tiberius fand man ein neues
Auskommen und verließ diese dürftige Gegend zugunsten des Rhein-Deltas oder zog auch nach Colnaburg fort. - Junge Leute
gehn bald gerne zur Römer-Legion, um nach 15 Jahren Dienst – irgendwo in der Welt – der großen Familie Land zu erwerben,
nachher gab es ja Recht auf den Wehr-Bauern-Hof: Insel-weise wird Land nun auf Dauer bewohnbar und sie nannten es Ora, die
Küste – und - sogleich mehr als früher verborgen - eine kleine Legion nach der andren entstand, geleitet jeweils vom eigenen
Schulten, nicht sehr weit von der Fern-Straße um die Fluß-Übergänge geschart. –
Man konnte Honig und Schweine verkaufen und Wege-Lohn hinzu-verdienen. 
Buch-und-Eich-Wälder im Busch machen Fortschritt und irgendwo mitten drin hat man sich jedem Zugriff entzogen. Man
konnte schon manchmal das ganze Jahr hier wohnen. Apfel und Rüben-Kohl mehren sich an und das Schwein wurde fett
hier - man konnte die Straße nun dauernd ernähren und man meldet in Nächten von Hügel zu Hügel, was woanders
passierte: Als der Kaiser von Trier aus zum Hallen-Bau aufruft, kommt ein Versammlungs-Haus auf die Klippe zur Welle,
eine Stauross – Tribüne des Richters und Graven – halb offen zum Richt-Platz - dem Triumph-Bogen ähnlich massiv, eine
Säule inmitten - gegenüber die Stätte zum Preisen der Ahnen und das Hillige Grab dreier Väter dahin - drumherum die
Spieker der bald 7-Legionen, auch welche für häufige Gäste und das alles umwallt. 
Leben wurde nach römischem Vorbild in große Land-Güter geordnet – es gab auch oft, aus Straf-Expeditionen, Sklaven nach Verdienst in den Steuer-Feld-Zügen, sie brachten das praktische Wissen über vieles ins Land. 
Es gab Zuzug aus Norden und die Franken, für Römer Germanen, wechseln über den Rhein weit nach Westen hinüber.
Legionen im Land, kaum schon seßhaft, werden oft ausgeraubt. Aber sie schließen sich weit-maschig zusammen und wehren
sich immer erfolgreicher und eher ihrer Haut. Ihre getrennte Lage - in je einem Hook Nachbarn zu dritt bis fünft – je 30 bis
50 Menschen ernährend, und ihr Not-Ruf-System erweiter sich um ein dröhnendes Horn. –
Jede Einheit mit Wällen und Wasser umgräftet – jede einzeln in der Ausstattung keine besondere Beute. Das für Angreifer zu
Pferde unübersichtliche Graben-Netz war nicht so leicht zu erobern und für Schiffe zu weit über Land, und ihre eigene
Landes-Kenntnis zwischen den Vehn ermöglichte es ihnen, mit der Zeit statt einer Via ein ganzes Bündel kleiner Fern-Straßen zu
legen, die einander nur selten berührten. Jede war in fester Hand einer Sippe und keine so groß, daß man aufmerksam würde,
wo's lang geht. Etwa zweihundert Siedler besuchen die Quelle zur Welle und dieser besonders gesicherten Stelle - sie bringen ihre
Wert-Gegenstände und Waffen da unter und dort residiert die beständige Mannschaft aus allen. Ebenso hegen sie ihre Weiden der Pferde gemeinsam und helfen einander geregelt reihum. Allmählich nimmt dann das Land schon das Aussehen späterer Zeiten an: lichte Gehölze, deren größere Bäume schon früh in
Gebrauch sind für Bauten und Boote, und ein Schmied und ein Köhler – auch ein Stein-Bruch beginnt - nur die Buche und Eiche
bleibt stehn zwischen-drin - verwirrende Reihen Gebüsch in der Nähe, verwickelte Pfade zu dem, was du eben noch siehst, und
oft sind sie überraschend zuende – dieser Pfad ging von Straße zur Arbeit und sonst nirgend-wohin – der Eindruck von Weite
wird niemals behindert, man sieht reichliche Himmel und vom Berg oft auch weit auf das Land, aber dennoch sehr viel nicht – zu
tief durchschneiden die buschigen Ufer kleiner Bäche das Land.  Ohne daß du die Regeln der Wetter begreifst, sind sie leer oder andern-tags voll und im Winter vereist glatter Weg, aber
auch täuschen Hecken mit Bäumen dir vor, dort sei ein Graben – nur da ist er nicht mehr – und da geht es hindurch - leichte
Wellen-Gelände um Äcker und Weiden zeigen wohl manchmal, was wächst, aber nicht, wo es bleibt. –
Und Jan-Hendrik sieht selbst, daß es goldene Himmel hier gibt, geht oder fährt hier herum und bekommt eine Ahnung von
Freude, die einem hier noch geläufig und selbstbewußt wird. –
Dieser Mann, den er für einen Weissager hielt, ist schon leise gegangen – man traut einem Fremden nicht gleich.
Jan-Hendrik bemerkt es, stutzt, schaut in die Nacht – die ist schwärzer als schwarz – lauscht – nur die Frösche vereinzelt zu hören
– also kann er's nicht lassen, schaut weiter ins Feuer und denkt: Was wird werden? 
Da ist es für zierlich gekleidete Menschen in Rüschen das Land "schaurig ist's, über das Moor zu gehen" – sie leben im
Haus an Kaminen besiedelt mit Geistern zum Fürchten, mit schaurigem Rüden-Düwel von Giämen und Witten Wiewern am
Berg, grönen Gästen im Stroenfeld – ihnen sind auch einst fünf Meilen und mehr schon zu fern, in die Kirche oder Arbeit zu
gehen – er sahst sie noch selber mal eben dreißig Kilometer zu Fuß einem sie sammelnden Wagen hinterher-gehn, um ihn
zur Rückfahrt noch gut zu erreichen. –
Immer noch stimmt es Jan-Hendrik, der "setzt seine Felder und Wiesen instand ", aber er braucht nicht mehr endlos die Steine
zu lesen, mit großen Maschinen bewegen dann Riesen die Erde von daher nach dahin, wenn er es braucht. Was hier grünt ist noch grün, und doch vielerlei Pflanzen, die der Mensch hierher trug, und zwar sah man zuzeiten mehr
Menschen in den Wegen und Feldern in Kolonnen zu Fuß unterwegs – die schluckt heute der Wagen - und das Feld macht sich
schneller allein. Aber organisiert wird es künftig wie heute, daß das Nötige irgendwer tut. –

Man hat wie früher seinen Mann auch in Rom, seinen Mann der Regierung und auch wen bei der Rats-Bank oder Uni, auch
in Wettkampf und Kunst – das gesamte Feld von Chauffeur bis Chef – das ist Fuhrmann bis Fürst - ist vertreten, aber hat
sein Zuhause - kommt wieder. Doch da ist auch die freundliche Stelle, wo"im Märzen der Bauer die Rößlein einspannt" – allerdings eines Tages der Zukunft,
nachdem er sein Rößlein nun selbst zieht - im Wagen das Pferd, um darauf woanders zu reiten, und er kann solchen Fuhrwerken
so vielen begegnen wie, als es noch umgekehrt ist und das Pferd so seinen Mann fährt. –
Darüber muß Jan-Hendrik so lachen, daß er sich beinah verschluckt hat. Noch immer liegt die Epoche der gemeinsamen Feste zwischen Säen und Mähen, weiterhin dicht nacheinander von den sieben
Legionen – dann als Schützen-Vereine erkennbar - und der Ort ist dann plötzlich entvölkert, die Kinder im Ferien-Lager im Meer
und die anderen in Aktivitäten, die Eltern auf dem halben Erd-Kreis verteilt – manchmal knüpft sich auch daran noch
Wirtschafts-Erwägung und Erkundung – da hat der eine der Nachbarn seinen Zweit-Ort in Kärnten und der andre in Baiern, der
dritte in einem See- oder Thailand – egal wie weit fort. Und auf einmal sind alle auch später ab Sankt Michels Tag wieder da – nicht etwa, daß jeder so lange weg wäre – nur man sieht
sich halt zwischendurch nicht. Daß der Stadt-Wall noch da wär, kann er da nicht erkennen, aber um so viele Häuser wie hier
noch hin passen, da müßt man ja Colnaburg sein, um den Wall drum zu ziehen. –
Kommt der Tod über wen, gibt man ihm noch die Ehre – bemüht sich also auch, viele Tage Lebens zu erreichen, schon weil das
tausend Jahre lang rechts-wichtig war. Es stört hier nicht viele, irgend jemandem zu dienen, weil: man könnte es wählen und das
tun sie da wohl, doch man sieht gar nicht, wen. Man hat aber noch seine "137" residierenden Künninge für eine Kaiser-Wahl da.
Doch das ist so zum Spaß - es kommt ihnen dabei mehr darauf an, wem einer dient und wozu, sagen sie – und sie haben gar
vielerlei Kleider. –
Und dann scheint ihm unglaublich, wie hell dann die Nacht ist – man kann alles erkennen im Ort. Nein – sagt er sich – mit diesem Feuer wird etwas nicht stimmen. - Jan-Hendrik hat etliche Jahre gebraucht, dieses Leben hier zu
verstehen – und wie er in das Zukunfts-Feuer schaut, da wird es wieder anders weiter-gehen. Vom Wander-Leben mit dem Meister zuvor durch diese große Welt – da ist er gewöhnt, von der Straße zu Städten zu leben, wo
man aber nach irgendwohin nur gehört, indem man sich einer Straße zurechnen kann. Zu seiner Zeit – die kennt er gut, nur seine allerdings – da gehen zwar große Trecks dieselben Wege durch die Länder, doch
übernachten werden sie getrennt. –
Butter-Träger, Töpfe-Transporteure, die Gesellen auf der Walz, die Sänger – der Nachrichten-Bote, der Gelehrte, der Geistliche
Herr und die Bede-Erheber – vom reitenden Kaiser bis zum gicht-kranken Armen auf Knien – die Fröner zum Dienste, die
Wechsler zum Zins, die Krieger zum Schlacht-Feld, die Knechte zum Heuen, die Kötter zum Venn, die Frauen zum Guts-Hof –
diese ganze Welt wandert, aber zweigt sich in Wege zu Herbergen weg, ein jeglicher in seinen Stall seiner Herde am Wege, seine
eigne Taberne hat jeder, seine Sprache ist die und verschieden. – Unterwegs kann man daher mit eigenen Leuten aus Spanien
oder Wladimir einfacher reden als mit dem Wanderer von nebenan. Doch es gibt schon ein Welsch und ein Rott und ein Platt
unterwegs, um in ganzen Regionen zu reden. –
Nur ein Teil der Menschen ist von den seßhaften Nationen durch geographische Grenzen vereint – der Geburt zugehörig –
doch die Mehrheit sind Schulen. Dem Jan-Hendrik sind die Nationen nicht derartig wichtig. Er kennt nicht seine Eltern, sondern nur seinen Lieben Herrn Meister, welcher ihn aufzog und welchem er dient – und da weiß
man, daß eines Tages der Weg sie entfernt, weil von dieser Art Werk eine Gegend nur wenige braucht und ernährt. –
Aber diesen Gedanken schiebt er meistens von sich weg. Hätte sein Meister ein Mädchen gezeugt und es fände sich, daß Der Himmel sie beide zu Ehe bestimmte, dann würde er der
sein, der bleibt, bis jener in den Himmel geht und der die Werkstatt mit dem Namen erbt. – Doch hat sein Meister keine Tochter
und anscheinend keine Stätte, denn in all den Jahren Wanderns war die Rede nie davon und wenn man auch bei manchen
mehrmals schon zu Gaste war, so doch niemals wo, wo schon der Rüde für ihn je gewedelt hätte, weil sein Herr mal wieder
heimkommt. Also Jan-Hendrik muß davon ausgehen, daß sie zur zählbaren Schar einer Straße gehören, immer zwischen den Seßhaften hin
oder her, wie es der Brot-Erwerb braucht. Da kehrte man ein und es braucht jemand jetzt Schilderei oder Farben-Werk gegen
Kost und Logis und Denare – sie weisen ihnen ein Kämmerchen zu oder gestatten, auf einem Grund-Stück zu lagern, und
während das eine entsteht, kann geschehen, daß auch weitere etwas bedürfen. Da malt man denn Kisten oder Haus-Wände bunt an mit der Qualität Farben, die sie einem anbieten können, führt einen kleinen
Vorrat Pigmente zum Handeln auch mit, den die anderen kaufen können, stellt sich aus Mineralen und Erden der Gegend weitere
selbst her – und sein Meister hat es schon gut, denn er sendet schon Boten und Nachricht weiträumig voraus, man spart ihnen
Aufträge auf wie einem bekannten Scholaren der Künste. Daher haben sie etwas mehr Zeit für das Leben in Orten gehabt – nicht soviel wie die anderen, die nur Moritat malen, wo die
Sänger hinkommen und das Werk auf die Schnelle gleich in Serie für eine Heerschar von Tinglern entsteht – aber mehr als die
Geringen der Gaffel, die nur halbwegs vernünftig ein Balken-Werk mit dem Ochsen-Blut sichern oder Wände zu kalken
verstehn. Doch beim besten Willen – selbst wo das Trocknen der Öl-Farben seine sechs Wochen benötigt, so lange wird einen
keiner ernähren – eher arbeitet man zwischendurch schon woanders und kommt für die Firnis zurück. Es kommt auch vor, daß der Meister die Firnisserei einem andern aufträgt, der etwa sechs Wochen später die Strecke
nachwandert und man kam nicht zurück. Auch kommt vor, daß man ihn nur erbittet, ein Bild anzulegen, das ein Geringerer fertigen möchte – die adeligen Häuser und die
Geistlichen Häuser haben da manche Talente, große Kaufleute auch, die vom Stand her zur Gaffel nicht fügen können, also
einiges gut begriffen und von anderem nichts. Mancher lädt sie im Gegenteil ein, ihnen ein fertig erstelltes Farben-Werk nochmal zu ändern, damit es mehr Pfiff hat oder weil
etwas darin auf einmal nicht opportun ist, zu zeigen – etwa bei Wechsel des Bischofs oder Abtes oder eines andren "von" im
selben alten "zu". Ähnlich geht es den Bild-Stickern und den Kunst-Sattlern auch, das gibt manchmal schön viel zu tun. Nur wenige haben auf lange Zeit ihren Erwerb durch denselben Auftrag-Geber sicher. Das heißt aber wieder nicht unbedingt, daß
diese dann lange wo wohnen, sondern der schickt sie eventuell hin und her durch sein Reich – kann auch sein, er zahlt spät oder
nie. Am sichersten lebt also sein Meister von der Änderungs-Schilderei, wo die Händler ein anders-wo oder anders-wann unnütz
gewordenes Original wem verkauften und nun soll es noch angepaßt werden.
Da ist es ihr Vorteil, daß sie schon Öl-Spezialisten sind – da kann man gut ändern – bei Ei-Tempera kann man nur ganz
übermalen, bei al fresco muß die ganze Wand abgeschlagen und neu gemacht werden. Da haben die Handwerker und Kaufleute
der Städte und Wieken auch den Wunsch auf Dekor, doch das Geld nicht für Künstler der Hohen Malerei – immer mehr bestellen
sie Schilderer zu sich, die ihnen Vorhandenes von Anderswo schlicht kompilieren. In der erstickenden Enge der Werkstatt möchte die Schneiderei etwa die Maria von Maria maggiore zu Rom auf eine Leinwand
des Raum-Teilers - oder den Gobelin von dem Einhorn einfach abkonterfeit für den Gemeinschafts-Raum haben oder ein
hübsches Ritter-Turnier in den Kratz-Putz des Wandes. Erste Wünsche nach richtiger Landschaft zum Sehen derer, die einer nur selten noch aufsuchen könnte – der Heimat, treten auf –
etwa für ein Hospiz in der Fremde das Land ihrer Väter. Dieses kann ein Schilderer aber nun nicht mehr alles selber besuchen für ein so kleines Entgelt, deshalb besuchen sie Märkte,
Jan-Hendriks Meister trifft andere dort, wo Vorlagen getauscht werden können und natürlich den großen nach der
G"TTES-Tracht zu Colna-Burg. Mancher Auftrag beschreibt nur ein Bild, daß es jemand wo sah und sie möchten es auch. Das ist natürlich ganz ungeahnt heikel – niemand beschreibt etwas im Wort, das man daraufhin als Kopie
malen könnte – im Gegenteil, so überträgt man ein Bild, dessen Abbild verboten bleibt, auf dem geistigen Wege – da
müssen die Attribute den Worten gehorchen, wie "Drei Hillige Madl - Sünte Kathrin mit dem Radl, Sünte Barbel mit
dem Turm und Sünte Margarete mit dem Wurm". Dem Schilderer bleibt überlassen, wie er das gestaltet, wo er seine Vorbilder direkt vor Ort hernimmt. Das ist ja noch leicht. –
Doch wer könnte ein ganzes Gemälde auf Beschreibung hin wieder so malen? –
Etwa "ein Haus" – ja gut, aber was für eins? –
Aber nicht alle sind kritisch, Hauptsache ist, daß es gut aussehen wird.
=***=
Jan-Hendrik sucht am nächsten Tag gleich schon frühmorgens nun selber nach Spuren. Ganz zuerst, als es dann Abtei Hervurth von dem Reich aus bekam, stand wohl ein niedriges Sand-Stein-Chor da, mit Altar,
etwas wetter-geschützt, gegenüber dem Turm, und um diese herum ein Ensemble von kleinen Kapellen. An das Chor schlossen sich einige Neben-Gebäude zur Mauer – kleine Ziegel-Kammern, die das Rüst-Zeug der Gemeinde und
Gebets-Gewand enthielten, dazu leichte Pavillons, ähnlich dem luftigen größeren Chor, darin thronte der Richter und überschaute
das Meß-Opfer auf dem Altar an der vorderen Hilligen Säule. Durch den Turm ging man unterhalb der offenen Toten-Richter-Kapelle von Nord-Westen hinein in den Hilligen
Kirch-Hofs-Bezirk. Dieser Turm da war neu und hieß Belfrid. Später kam da ein Tauf-Stein hinein, als man nicht mehr nur in der
Welle ganz taufte. Die Umfriedung war niedrig, dahinter die Wiese der Hörer – im Kirch-Hof war Sand auf der Erde. War ein
Mensch zu bestatten, sangen die God-Spels dessen Requiem in der erhöhten Kapelle über die unten versammelte Gemeinde
hinweg. Es kam eine fast unverlierbare Freudigkeit in dies Land. Manchmal gefällt es, sich Neuem zuzuwenden – dann wird es eben
besorgt. Darin ähneln sie bald jenen römischen Gütern, wo die Arbeits-Teilung allen soviel Muße erbringt, sich um vieles zu
kümmern, sich jemanden auszubilden, sogar zu studieren – und wenn auch dies Leben für manche sehr streng ist: niemand besitzt
etwas selbst, alles regelt ein Bund, jeder ist in mehrere Gruppen verknüpft – diese Erben und Schulen sind auf Dauer gemacht,
hat Mitglieder aller Stände im Hause und verelendet kaum noch. 
Früh schon sind alle Namen juristisch gefestigt, die Person und den Einzelnen schützt das vor Eh-Bruch und Mord. Niemand
erkennt unter ihnen den Künning des Jahres, es sei denn, er will. 
Sie erkennen wen über sich an – aber von sich aus, und gern darf der weiter weg wohnen. Man gibt ihm das Seine und
behütet das eigene Hab und Gut durch beständige Arbeit.  Das Gefühl einer Stadt tritt nicht ein, doch eine Civitas steht schon dahinter, ein Rat - benediktinische Regeln sind aus
diesen Milieus leicht zu verstehend Natur einer Wohn-Gemeinschaft für beliebig viele, wenn es lange gehen soll. -

=***=
Gegen Engel des Herrn am Abend schließt das Stadt-Tor und es wird still an der Welle, was man so still nennen kann. Die
Wäscherinnen aus dem Wigbold sind nachhaus gegangen und die Neu-Angekommenen hben ihre Schläuche und Fässer gefüllt. Einige Jungen vertreiben die Müdigkeit ihrer täglichen Arbeit durch lustiges Plantschen im Wasser und spritzen einander und
die paar Jungfräuken auf der Brücke an, die dort als Gruppe herumstehn und kichern. Sie haben einige kleine Geschwister dabei, die halbnackt am Ufer in Ringel-Reihn gehen und hüpfen, von einer Großen in
Mathas Alter geführt, und sie üben einen Runda-di-nella für Sünte Annen. Morgen werden sie schön geschmückt dafür sein. Die Fahrenden haben ihre Zelte und Zelt-Wagen fertig zum Rasten gestellt – aus dem Wigbold hinter der Mauer und den
Häuser-Gruppen in Dorf-Stockum hört man fern und nah das Geräusch sich zum Essen versammelnder Leute. - Jemand ruft
permanent einen Tiiimo, Tiiimo! – der, die oder das Timo ist wohl abgelenkt und kommt nicht heim. Matha denkt, wenn es eine dieser modernen Katzen ist – eventuell ein Bolz – dann kann sie lange rufen – die gewähren ihre
Anwesenheit nie auf Kommando. Überall an den offenen Feuern wird ein Essen bereitet, und mehrere Nachbarschaften im Dorf legen das Essen zusammen. Man
kocht viel vor dem Haus, denn für Herde gibt es die Abgabe eines Rauch-Huhns pro Haushalt. Auf der breiteren Bank vor
Mathas Häusken hat es sich ihre Frau Mutter mit zu sortierenden Glas-Perlen gemütlich gemacht. Gänse-Hirtin Hanna kommt
etwas später, Laurenz hockt fröhlich beim Feuer und gibt Ästchen hinzu, wenn er nicht flöte-spielt auf seinem Weiden-Pfeifchen.
Er soll Matha Bescheid sagen, wenn die vier Gäste ankommen. – Sie überlegt noch, ob sie von irgend etwas Eßbarem im Haus
genug haben, es außer dem Holder-Trank anbieten zu können – aber vor dem Markt-Fest kann man eigentlich gar nichts
entbehren außer den gesammelten Kräutern für Tränke. Aber sogar für diese hofft sie, sich Etliches eintauschen zu können. Sie wird – so G"TT will - vor dem Stadt-Tor ein Feuerchen unterhalten und den Besuchern der Sünt-Annen-Miss heißes und
kaltes Wasser anbieten und gegen Aufpreis einen Sünt-Annen-Kräuter-Trank bereithalten, "der laut Doctore Albertus schwache
ältere Mütter beim Gebären stärkt" – "nach alten Schriften der Hilligen gelahrten Lieben Fraue Ava von Göttwyg". Das wird Gefallen finden, zumal der neue Grave Erbe und Herr derer von Götterswiek ist, was fast ebenso klingt. Die Idee zu
solchen Tränken hat sie wirklich aus Manuskripten, die sie abzuschreiben lernten, als sie bei den Lieben Frauen lernen durfte. Sie
hat sich manche Texte damals eilig nochmal abgeschrieben, um gelegentlich jemanden danach zu fragen, was es wohl heiße –
wer diese Sprache lesen konnte. Da waren einige Beispiele für die heißen Kräuter-Tränke dabei und auch, daß man mit manchen Kranke heilen konnte – so G"TT
will. –
Aber was das für Kräuter wären, war ihr von den Namen her unklar: lateinisch benannt. – So hörte sie sich eben genau um,
welche Kräuter, die hier im Sommer wachsen, für die Menschen ungefährlich sind:
weiß-duftende Holder-Blüte, Weckholder-Beere, Zinn-Kraut und Lanzett-Wegerich, blaue Maus-Öhrlein, bunte Ochsen-Zungen,
zierliche Gänse-Füßchen- und Erdbeer-Blätter und Brombeer-Ranken, Ehren-Preis, Veronika, honig-süße
Heiter-Nessel-Blütchen und Dreifaltigkeits-Blümchen - manches hat man im Dorf schon zuhause benutzt, anderes sah sie den
Fahrenden ab, manche zeigten ihr Hirten, die für's Dorf Heil-Tränke machten. –
Dafür half sie ihnen, bestimmte Pflanzen zu suchen, bis sie die ganz genau auseinander-kannte. Aber andere suchen sie auch und
sie wachsen nicht überall jede. Dafür erlaubten die Hirten ihr auch, ohne zu lügen behaupten zu können, das eine sei ein Stärkungs-Absud für ältere Gebärende –
damit sie ihr kleines Geschäftchen zur Sünt-Annen-Miss aufbessern konnte. "Absud" bedeute nur so etwas wie abgekocht – falls
einer sie das Wort einmal frage, aber werben soll sie mit "Trank". Man soll es ihr nicht wegen zu fachkundiger Ausdrücke
neiden, weil ja kluge und gelahrte Heilkundige auch auf die Miss zu kommen pflegen - für die soll sie sich immer schön dumm
stellen, dann könne sie lange Freude mit ihrem Geschäftchen haben.
Bisher hat das auch immer gestimmt. Also mehr als einmal wird sie nichtmal Kräuter-Trank für ihren Haushalt plus vier Gäste entbehren können. Kräuter bekommt
man ja stets nur in deren richtiger Zeit, und nicht in jedem Jahr gleich gute von allen, wenn man sie umsonst nur durch
Selbst-Sammeln kriegt. Die Sünt-Annen-Miss liegt drei Wochen vor den Kräuter-Marien-Wochen, der Haupt-Sammel-Zeit
zwischen Hochfest Unserer Lieben Frauen Maria Entschlafung und Mariä Geburt und einen Mond nach Sünt Johanni
Heilkräuter-Bädern. Sünt Annen Tag ist einfach der Korn-Schnitt-Beginn und es gibt nun grad sehr viel schwerste und eiligste Arbeit für alle zu tun,
daher rufen die älteren werdenden Mütter recht angstvoll die Mutter Mariens um Hilfe an. - Nun einen Stärkungs-Trank für sie
anbieten zu können ist genau richtig und gefällt. Das hat Herr Öhm Akku auch schon bemerkt und sie gelobt und der Frau Mutter erklärt, daß man die besten kleinen Geschäfte in
den Lücken der größeren macht. – Er ist heute noch unterwegs, weil er sich als Ochsen-Knecht für anreisende Händler an der
Straße von Asbeke aufhält, wo die Wege sehr holperig werden und dabei ein heimischer Helfer viel nützen kann. Also kommen noch welche verspätet. –
"Matha – Matha – sie kommen!" - meldet jetzt der Junge und sie steigt eilig vom Heu-Boden herab mit noch ein paar
Fichten-Zweigen, die sie für besondere Feuer noch aufgespart hat. Sie findet das immer besonders festlich und wer weiß, wann
man sich wieder mal Gäste leisten kann. –
Da kommen sie also im Dienst-Kostüm an, Pulcinella rund und stattlich im geschürzten Brokat-Rock, vor ihr her die drei Töchter
in viol-farb, rot und blauem Wind-Fang und den eben heute gewaschenen weißen Kopf-Bünden um, Harlekine leicht klingelnd
aus dem Gewand – jede eine Leuchte in Händen – ein lieblicher Anblick zusammen - obgleich es noch lange nicht dunkelt. – Sie
bitten Matha, ehe sie bei ihr einkehren werden, ihnen die Kirche zu zeigen, wofür die Becher-Leuchten bestimmt sind. In der Tauf-Kapelle stellen sie ihre an Mathas Feuer angezündeten Lämpchen dann ab und beten für sich und ihre verschollenen
Männer ein kurzes Wort. Alle Fremden dürfen nämlich hier in der Tauf-Kapelle beten, sogar jüdische, wenn sie wollen. Sie ist mit Bild-Teppichen ausgekleidet, schöne Arbeit aus Flandern, die einen Pilatus bei der Hand-Waschung zeigen, ein
schöner Page hält ihm die Schale und ein zweiter gießt das Wasser. –
Auf der Bank vor der kaiserlichen Laube, in der er steht, sitzen zwei alte orientalische Männer, ein Türke und ein Aramäer, und
sprechen zueinander anscheinend darüber, und hinter dem vornehmen Pilatus steht dessen Frau Gemahl – die ist fast so in der
Tracht wie die schöne Narwarinne, denn ihr weißer Turban ist ähnlich so gelegt, daß ein Streifen der Stoffes herabfällt und um
das Kinn herum und über die Schulter nach hinten geht, aber ganz um den Hals herum. Dieser Teppich ist von den vielen Lampen hier schon ziemlich rußig dunkel geworden, sieht aber grad dadurch geheimnisvoll
aus. Auf der rundum offenen Laube zeigt zuoberst ein Vogel mit gebreiteten Schwingen den römischen Adler den Go-Graven an
und ein Wappen-Schildchen wohl den kaiserlichen Advocatus Pilatus im Dienst. Dieser ist kostbar in Pelzhut und Brokat
gewandet, soweit man das jetzt noch erkennen kann. Matha erklärt es ihren Gästen, daß sie beim Weihe-Spiel diese Laube nachgebaut haben und in dieser Art Tracht den Schüöpn
Pilatus spielen lassen. Alte Leute sagen, früher habe auch der Go-und Feme-Grave vom Sant Well ganz so ähnlich ausgesehn und
daher hätten ihre Väter auch diesen Wand-Teppich erstanden. Wie es heute ist, weiß sie nicht, weil nun natürlich nur Männer zum Go berufen sind. Sünt Brixien Kirche ist eine recht große zwei-schiffige Halle, die in der Länge drei-geteilt ist. - Um den Hoch-Altar nach
Süd-Osten zu sind die Vorsteher-Sitze – würden-dunkel eichene Bänke, die mit je einem geschnitzten Hand-Lauf pro Inhaber
unterteilt sind und unter den hoch-klappbaren Sitzen eine geschnitzte Steh-Hilfe haben. Die Ältesten sind ja meistens auch ältere
Männer, die weder auf der Erde sitzen noch langes Stehen vertragen. Ein kunstvoll durchbrochenes Gitter aus schmiede-eisernen Rosen trennt diesen Bereich von der Gemeinde-Halle ab, es ist nur
soviel ausgespart, daß man den Altar unter der rot-blau schimmernden Fenster-Rose geheimnisvoll beleuchtet sieht, und zu
seiner – also rechter-hand das hohe Sakramenten-Häusken auf seiner gemeißelten Säule daneben im Lichte einer Kette roter
Lampen, linker-hand der Kirchen-Patron Sünt Brixius in seiner Mitra und dem weitem Umhang und ein Knäblein auf dem Arm,
welches eine Hand erhebt und etwas redet, daneben ein Kohle-Becken mit gemalt rot-schimmernder Glut. Mathas Vater hat einmal dort drinnen helfen dürfen, einige Sitze neu zu beizen und er erzählte ihnen die Wunderdinge, was man
alles darin sehn kann, er sagte, Sankt Brixien Mitra und Mantel sei aus feinstem Sammet und Seiden, betreut mit Edel-Steinen und
bunten Emaillen und sein dunkles Gesicht sei sehr ernst und doch sanft wie der Hillige selbst – und doch sei es dort auch sehr
unterhaltend im Schnitz-Werk der feinen Bänke des Gemeinde-Rates, da gebe es allerlei Fabel-Gestalten und Tiere – richtig
lebendig geschnitzt, auch allerlei drollige und ernsthafte Gesichter der Laster und Tugenden, und etwas erhöhter neben dem
Altar des Bischofs Thron zur einen Seite, der Äbtissin Thron zur anderen Seite.
Und als Hilliges Häusken für die geweihten Öle einen steinernen Leviatan, der den Hilligen Weissager Jonas soeben zurück ins
Leben speit. Er hat gesagt, der Leviatan sei eine Art Lind-Wurm des Wassers, eine Stiftung der Schüöpn See-Fahrer.
Man sieht ihn ein bißchen durch das Kommunion-Gitter im Abend-Licht schimmern – er ist relativ groß. –
Er wußte es nicht genau, aber er glaubte, sie seien teilweise sogar ein bißchen vergoldet geschnitzt und gedrechselt und sehr alt.
Auch wenn es äußerst selten vorkommt, daß diese Fürsten diese Kirche selber besuchen, so ist man doch immer bestens gerüstet.
Wenn zur Spendung der Hilligen Firmung Seine Eminenz der Weih-Bischof Antonius, der Minorit aus Dortmund kommt, sitzt er
auf dem Bischofs-Thron, und wenn nicht er, dann auch manchmal des Bistums Arche-Diakon - und wenn die Abtei Herfurth zu
ihrem Send einen Arche-Diakon von Corvey sendet, dann sitzt dieser auf dem anderen Thron. - Falls die Hohen Fürsten wirklich
selber kommen sollten, hat der Kirchen-Schatz dafür besonders herrliche Kissen, Polster und Über-Tücher aus
blumen-gemusterter schwerer Seide, heißt es. Zu Mathas Zeiten war es noch nicht vorgekommen und wenn, dann würde sie das auch nicht aus der Nähe sehn. - Was nicht
jeder selber sehn kann, erzählt sie auch den Gästen nicht – sie weiß davon ja auch nur, was der Liebe Herr Vater Laurenz selig
ihnen erzählte, und was man sieht, ist schon das Schönste, was sie je gesehn hat. –
Da sind zum Beispiel auch in der Halle schöne Ober-Lichter aus blauem, rotem und weißlichem Glas, die in runden Medaillons
und langen Streifen geheimnis-voll über Zwerge und Riesen erzählen, das soll große Engel und Hillige darstellen und die
Legende vom Kirchen-Patron, dem Lieben Hilligen Bischof Brixius von Tours – sie weiß sogar, daß sich das anders spricht als
man schreibt, denn da steht es im Glas, damit man leichter Bescheid weiß. Die Halle hat einen richtigen Sandstein-Fußboden aus großen Platten und vollkommen geebnet, darüber ist feiner See-Sand
gestreut – dieser teurere helle. In die Halle hinein erstrecken sich von allen Seiten der Außen-Wände her aus der Nord-Seite die
ursprünglich sechzehn großen Herfuthschken Bauern-Kapellen, worin jede Familie - und die Schulten - ihr Hilligtum hat, was
man von der Tauf-Kapelle her aber nicht genau sieht.
Diese Zwischen-Wände sind teilweise sehr kunstvoll geflochten aus Weiden in vielerlei Mustern oder als Flecht-Zaun, zum
Schmuck hängen darin auch Ritter-Schilder derjenigen, die aus diesen Nachbarschaften schon hervorgegangen sind, sowie
Haus-Zeichen der Handwerks-Meister, denen man die zwölf neuen südlichen Kapellen neben dem Süd-Portal zuteilte, aber so,
daß ihre eine Galerie darüber bilden, ähnlich aufgeteilt, nur etwas kleiner haben – das macht und unterhält jeder Hof selbst. –
Dadurch ist unten noch Platz für Gemeinde. An den Festen der Miss sind ja viele Gäste dabei. Einige Bilder dort sind Weihe-Geschenke der Kauf-Leute und See-Männer, die
auch ein schönes Schiffs-Modell beigetragen haben mit einer kleinen Glocke, die ab Sünt Martin bis Sünt Nikolas abends
angeschlagen wird, zum Gedenken derer, die vom Herings-Fang oder anderen See-Fahrten noch nicht heimgekommen sind. Die Bauern des Kirch-Spiels bilden große Nachbarschaften für die Kapellen und so auch die Bürger des Wigbolds.
Wenn jemand gestorben ist oder ein Jahr-Gedächtnis zu begehen anliegt, stellen sie sich zum Memorien-Gebet ganz in die eigne
Kapelle hinein und der Geistliche Herr im Chor-Rock singt die Toten-Klage. In den östlichsten vier großen unteren Kapellen gibt es die Altäre der vier Vikariate: der zum Hilligen Krüss – mit dem großen
Prozessions-Kreuz für den jährlichen Hillig-Blut-Ritt zu den Klausneren im Burloe, der zur Hilligen Marien-Mutter Anna - mit
einer schönen Sünt Anna Figur im grünen Mantel, um Maria und Jesus und viele Kinder gelegt. – Diese Altäre sind soweit
vorgerückt, daß man sie auch aus der Tauf-Kapelle her sieht, und um Sünt Anna ist schon der Rosen-Bogen für die Miss fast
fertig gemacht – morgen kommen noch einige Körbe lebendige Blumen dazu, was ab Morgen-Grauen die Pfarr-Jugend in Feld
und Flur aus den Feld-Rändern sammelt und zu Girlanden und Torsten windet - Korn- und Mohn-Blumen, Winden und
Margariten halten ja nicht lange die Pracht – dann gibt es auf der – südlichen - Sünt-Annen-Seite noch den Marien-Altar mit der
sitzenden Lieblichen Hilligen Mutter Maria und auf der – nördlichen – der Kreuz-Seite den Johannes-Altar, etwas gruselig mit
dem Hilligen Haupt in der Schüssel.
Alle sind schön mit Rosen-Bogen und grünen Ästen verziert. Nur hat Sünte Anna zu ihrem Feste den größten. Die Mitte der Halle ist immer noch groß und dient den anderen Bürgern von Schöpping und den sonstigen festen Bewohnern
sowie Gästen zur Teilnahme an der Hilligen Miss jeden Morgen, viele Meßdiener-Knaben schlafen nachts manchmal hier, damit
sie die weiten Wege nicht noch vorher haben – es ist ja oft vier Uhr früh. Und danach gehen sie auf die Höfe oder in die Stadt
arbeiten, auch etwas lernen, soweit es finanzierbar ist, zum Schul-Meister oder Rechen-Meister und auf jeden Fall zum Chor. Falls ein Predigt-Tag ist, wird vorher der Sand ausgewechselt, da setzt man sich auf den Boden. –
Bei Unwettern dürfen auch alle dort schlafen, im Kriegs-Fall auch die wertvollsten Tiere mitbringen, allerdings gibt es für
Zucht-Schweine einen eigenen angebauten ramm-sicheren Stall auf der Nord-Seite draußen und daneben hoch-gemauerte
Gehege für Milch-Vieh und Feder-Vieh – wie bei der Arche Noah - aber nur für je ein wertvolles Paar pro Hof. Das wurde gestattet wegen des Best-Haupts im Sterb-Fall der Fürsten – der Kirche ist bisher noch nie etwas Arges durch –
bewahre – Überfälle oder Blitze passiert. – Die Halle ist wiederum durch ein großes Schmiede-Gitter von der Tauf-Kapelle
getrennt, zu der es einen separaten Nord-Eingang gibt. In die Halle geht man von Süden, und in das Hillige Ost-Abteil durch
noch ein eigenes Portal. – Im Turm, wo sie stehen, ist eine schmale steinerne Treppe, die aber durch ein Gitter verschlossen ist,
zur Fürsten-Kapelle – sie heißt Karls-Kapelle, obgleich manche sagen, so alt sei der Turm nicht – aber bestimmt war da vorher
auch sowas drin. Darin steht ein geschnitzter Abrahams-Altar.
Den sieht man zwar nicht, aber deshalb dürfen jodischke und unklar konfessionelle Gäste unter diesem in die Tauf-Kapelle
hinein. – Indem nun die Sonne im Westen tief steht, flammt etwas stark goldenes Licht durch die Fenster-Türe der Tauf-Kapelle
mitten in die Halle hinüber, auch in Rot, Blau und Weiß gebrochen. – Matha hat dafür extra das äußere Schutz-Tor geöffnet – der
schwere steinerne Tauf-Brunnen leuchtet wie der Himmel selber in diesem Abend-Licht auf und wirft beiderseits einen matt
goldenen Schein auf die Wand-Teppiche und oben auf das kleine bemalte Vierer-Gewölbe, wo einige Stellen vor Alter schon
abgeblättert sind und es geheimnisvoll mustern wie himmlische Heer-Scharen zwischen den Sternen, dahin sind auch vereinzelte
schwebende Engel mit ursprünglich leuchtend bunten Flügeln gemalt. - In den vier Ecken der Kapelle sind groß die vier
Erz-Engel mit erhobenen Händen und gebreiteten Flügeln zu sehen, ein Fresco, ins Bläuliche ausgeblichen, mehr nur noch
angedeutet und dunkel, bis auf ihre Augen. - Also das ist wirklich schön hier, stimmen auch die Gäste zu – und wie großzügig
und weit! Sie stellen ihre mitgebrachten Gedächtnis-Lichter zu den anderen, die hier schon brennen, durch das Gitter einer Nische vor das
dafür vorgesehene Bild von der Erschaffung der Welt. "Keiner weiß, wo es her ist", sagt Matha leise, mehr zu sich, und betrachtet es nachdenklich, weil die vier Gäste jetzt beten und
ihrer verschollenen Männer gedenken, daß es ihnen, wo immer sie sind, ja nur gut gehen möge und daß man einander noch in
diesem Leben wiederfinden möge. – Eine Hand aus dem wolkigen Regen-Bogen der oberen Mitte segnet und gebietet einer in
farbigen Rauten und Kreisen der Seraphen und Sterne aus den tief-blauen Ur-Wassern hell auftauchende Schöpfung - Berge,
Bäume, Flüsse - auf dem Lande ganz winzig ein paar Tiere bei Adam und Eva und ihrem Baum mit der Schlange, der aus
richtigem Edelstein Äpfelchen hat. – In dem Meer schwimmt ein Lint-Wurm und ein Späterer hat noch ein Schiffchen aufs Wasser
gemalt – aus den Himmeln ragen Posaunen zwischen kreisende Adler hinein – selbst der Wind ist gemalt. Durch den Ruß ist das alles – was leuchtend auf Gold-Grund gemalt war – überschattet und nur zart zu erkennen – aber genau
das macht das Bild so beliebt, und auch, daß es sich an die Höchste Vorsehung aller wendet – es wirkt ehrwürdig alt. Es ist eingefaßt in einen breit silbernen Rahmen aus getriebenem Weinlaub mit Ranken, Beifuß-Blättern, Winden oder Rosen und
das Kerzenlicht spielt mit deren Relief, wodurch das Bild in der Mitte lebendiger schimmert. –
Meistens, wenn sie Sorgen hat, dann trägt sie auch ein kleines Lichtchen hin, für ganz arme Beter ist auch ein schmiede-eiserner
Span-Halter mit Asche-Fang an beiden Seiten angebracht. Als die vier mit Beten fertig sind, wozu auch Matha kurz das Aller-Hilligste um Beistand für diese Familie bat, besehen sie die
Späne-Halter und fragen, wozu dies hier dient. Sie holt aus ihrer Tasche einen Span hervor und zeigt es ihnen.
"Dies ist für solche, die kein Öl- und Wachs-Licht bringen können. Es soll ein jeder seine Bitten in den Himmel opfern dürfen." –
das finden sie sehr liebens-wert. Ach ja, sie kennen Span-Lampen ja auch, doch für die Wohnung sind sie einfach und hier auf etwa vierzig angelegt.
Nachdem sie in der Kirche alles genug angeschaut haben und Frau Pulcinella und ihre drei Töchter nun wußten, wofür die Altäre
hier alles sind, beten sie nochmals still um ihre Anliegen. Matha bringt sie dann wieder hinaus und geleitet sie um die Anlage herum zu ihrer an die Süd-Wand der Kirche gebauten
Wohnung. Columbine sieht an der mächtigen Kirchenwand hinter der Häusken-Reihe entlang und hinauf und sagt: "Ihr wohnt also genau
Wand an Wand mit der Hilligen Marien-Mutter Anna im grünen Mantel." –
Matha stutzt, sieht auch nochmal hin und lächelt. Darauf war sie selber noch nicht gekommen – das war aber schön! Sie führt das Grüppchen zu ihrer Mutter und stellte die Mütter einander vor. Diese stellten dann jede ihre Kinder selber der
anderen vor. Die stattliche Frau Pulcinella spricht nun mit geübter Grazie: "Werte Fraue Wagenmacherin, gestattet mir ein kleines Wort" –
und Frau Mutter Aleidis nickt verwundert und winkt mit einer leichten Hand-Bewegung Zustimmung "Was uns eine ganz besondere Freude bedeutet, ist das: ein bißchen an Eurer Beheimatung teilhaben zu dürfen, die wir doch
schon so viele Jahre ohne ein festes Obdach und ohne das tägliche Nachhause-kommen-Dürfen durch die Lande ziehen – wenn
Ihr erlaubt, wo wir schon zum heißen Kräuter-Trank geladen sind, möchte ich Euch bitten, aus der Hand meiner kleinen Töchter
diese Speisen entgegenzunehmen und mit uns zu teilen" - und sie holt mit einer schwungvollen Präsentations-Gebärde zu aller
Überraschung eine mittelgroße Dauerwurst und einen Zopf aneinander-geflochtener Zwiebeln aus ihrem weiten Wind-Fang
heraus "Wisset, liebwerte Fraue Aleidis, es fehlt uns weniger an Hab und Gut als an Herzen, an die wir auf unserer weiteren Reise
zurückdenken und an denen wir uns in der Kälte der Ellende innerlich wärmen können" - und damit gibt sie die Schätze der
kleinen Pierrot und diese mit Knicks der Matha und diese der Frau Mutter Aleidis. Die kleine Inszenierung ihres komödiantischen Könnens verwandelt den kleinen Koch-Platz vor Mathas Haus sofort in eine ganz
andere Welt, nimmt sie alle in die Illusion einer höfischen Umgebung hinein und hebt die Stimmung ins Festliche. Diese Frau
Pulcinella versteht aber wirklich ihr Fach. Mathas Frau Mutter Aleidis geht ja so gerne auf diese Verzauberung ein - sie hat in diesem Jahr eine so propere Wurst noch nicht
in Händen gehabt und fühlt sich durch diese nette Szenerie aber fast wie eine Künningin von der Frage enthoben, ob sie mit
ihrem winzigen Haus-Wesen dem etwas ähnlich Wert-Volles hinzufügen könnte – mehr als mitzuspielen wurde ja gar nicht
erwartet. Die Geschenke hebt sie also bewundernd auf beiden Händen vor sich hoch, zuerst die herrliche Wurst, beschnuppert sie
anerkennend - zeigt sie dann der kleinen Runde, ebenso dann die strammen Zwiebelchen einer hier unbekannten rötlich
überhauchten größeren Sorte und dankt: "Lieb-werte Fraue Pulcinella – werte Jungfräuken – es mangelt der Sprache an
Ausdrücken für die Freude, die Ihr dem Hause – was sag ich – dem ganzen Orte mit Eurer Aufwartung bereitet und so kann ich
nur anfügen: lagert Euch in unserem Frieden nach Herzens-Lust nieder und erfreut Euch des besten Trankes, den unser Hof zu
bereiten versteht, teilt auch diesen mit uns im Maße Eurer Güte" - und neigt das Haupt auf ihrem "Thron", den Festmahl-Beitrag
zunächst wieder bis zur Pierrot zurückgehen lassend. - Laurenz reißt erfreut die Augen auf und reckt den Hals zu der herrlich
duftenden Stange hin, ihren Verbleib nicht aus den Augen lassend – für seine Begriffe waren die Hilligen 3-Künninge soeben in
ihre bescheidene Hütte eingekehrt und stifteten Gold, Weih-Rauch und Myrrhen, und er schaut hoffnungs-freudig zwischen den
Müttern hin und her. –
Welche Wonne, wenn sie nun von diesen herrlichen Speisen den Anschnitt machen würden und jedem ein Scheibchen der Wurst
abgeben würden – vielleicht bekäme er sogar den Wurst-Zipfel ab, ganz für sich alleine! – aber nein, diese Dame hat so
lieb-reizende Töchter, der Wurst-Zipfel ginge sicherlich an die so schmächtige kleine Pierrot. –
Ach, aber so ein ganzes Scheibchen, so ein hauch-zartes duftendes Juwelchen – mmh! - das versprach seltene Wonnen!. – Matha
winkt ihm mit der Hand, ihr das gute Metz aus seinem Gürtel zu geben und poliert an ihrem Unterrock rasch dessen Klinge und
reicht es Frau Pulcinella. Alle setzten sich inzwischen nah an das dampfende Kesselchen mit der Kelle heran, während sie nun
doch einen großen Kanten vom Brotlaib aus dem Haus holt.
Den bricht sie über einem reinen karierten Tuch in zwölf Stücke und reicht sie in diesem auf-gebreiteten Tuch erst ihrer Mutter
und dann der Pulcinella hin, worauf jede für ihre Kinder und sich die Stücke zuteilt,
"Und das Übrige" – erklärt nun Matha – "gehört noch unserm Öhm und Gänse-Wichtken Gertrud und der Kleinen, der Hanna,
die noch von ihren Tätigkeiten abgehalten sind, zum Abendessen zu kommen". Auch sie erwartet freudig für jeden ein Scheibchen Wurst und vielleicht je ein ganzes Zwiebelchen. Frau Pulcinella nickt und teilt nun ebenso die Wurst und die Zwiebeln völlig in zwölf Portionen auf und legt sie auf Mathas
Tuch, daß sie es der Frau Mutter bringe, die davon für ihre Familie wählen darf und dann wieder ihr für sie und ihre Töchter
hinreicht. So nämlich ginge es tagtäglich bei den edlen Haushaltungen zu. - Meine Güte! – für jeden ein ganzes Stück Wurst und
eine ganze eigene dieser prall-saftigen duftenden Zwiebelchen auf die Hand! Mit so viel haben sie in Mathas Familie gar nicht
gerechnet. –
Laurenz hält sein Stück Wurst in der einen, die Zwiebel in der anderen Faust und seine glänzenden Augen fragen wie ungläubig
der Reihe nach seine Frau Mutter und Matha und die Frau Pulcinella, ob das tatsächlich ganz für ihn sei – und als alle genickt
haben, knabbert er zur Besitzergreifung schon-mal hastig ein klein wenig in den Rand und die Schale und seufzt vergnügt "Aach"
und "hmmm" – und leise "jetzt wird gefressen!". Zwölf Becher gibt es im Haus aber nicht, also schöpft Matha die zwei vorhandenen voll und gibt sie den beiden Frau Müttern,
woraufhin ihre Frau Mutter als Haus-Vorsteherin den Tisch-Segen spricht und die anderen mit Amen bestätigen. Jede trinkt dann
ihren Becher an und stellt ihn dann den Kindern hin. Die Becher werden auf den mit zwei schönen Klette-Blättern zur Tovel verwandelten Tisch-Klotz – ein stattlicher
stehengebliebener Baum-Stumpf, deren es hier zwei gab - gestellt, sodaß jeder leicht daran teilhat - und im Kesselchen ist
genügend viel drin, hier nicht sparen zu brauchen. Als der Liebe Herr Burg-Mann Torck zu Asbeck sein Amt antrat, hatte er allen Armen der Gemeinde je Haushalt eine sehr stabile
Pferde-Decke gespendet. Die ersetzte ein ganzes Zimmer oder Zelt und in kalten Zeiten die zusätzlich nötige Heizung. Darauf
sitzt jetzt die Jugend. –
Nun widmet sich jeder auf seine Art den Gaben und Matha schaut genußvoll aus den Augenwinkeln auch den anderen zu, wobei
sie merkt, daß dies die Columbine genauso auch tut. Als sich ihre spähenden Augen begegnen, strahlen sie sich wie
Verschworene an. Columbine ist ihr schon jetzt wie eine Schwester – und in allem Verhalten so ähnlich. Die kleine dünne Pierrot ist mit ihrer Wurst, die sie hastig in sich hineinstopft, schnell fertig– sie war so schön salzig, das gibt
rote Wangen - und genießt das Brot nun mit der Zwiebel im Wechsel - das schöne Fräuken Harlekine hält - mit lustig
abgespreizten Kleinfingern - in einer Hand Wurst, in der anderen die Zwiebel mit Brot - und beißt zierlich hier und da
abwechselnd ab. –
Columbine kaut genußvoll und lange erst das eine, dann das andere auf, die Zwiebel als erstes, ähnlich wie Matha, die sich die
Wurst auch für den Abschluß anspart. Laurenz macht Schiebe-Wurst und schiebt über die Wurst dem Brot mit den Zähnen beim
Abbeißen immer vorwärts, indem er von der Wurst immer nur ein Käntchen und vom Brot einen größeren Happen zusammen
abbeißt, so behält er ein gutes End übrig, das er sich dann in seine Brusttasche schiebt, um diesen Luxus noch ausdehnen zu
können bis in die Nacht – ach was, das würde 3 Tage lieblicher Wonne bedeuten! Frau Pulcinella arbeitet sich sachlicht mit vollen Backen hindurch und Mathas Frau Mutter schneidet sich wegen des schwachen
Gebisses die Happen reihum mit dem zierlichen Sticker-Metz ab und das Brot stippt sie ein in den Trank. – Die einen loben nun
Brot und Trank und die anderen komplimentieren über die Wurst und die Zwiebel. So war es ein richtiges Fest-Mahl und kein
Krümel bleibt übrig außer den zurückgestellten Portionen der drei Abwesenden. Diese hängt Matha in dem karierten Tuch in die
Stube mäuse-sicher beiseite. Während nun noch beiderseits der Becher kreist, bittet Matha die Frau Pulcinella, ob diese nun ihrer Frau Mutter bitte erzählen
möchte von der Sache mit dem Minoriten, der früher ein heidnischer Liiven-Prinz war. –
"Gut" - spricht diese, setzt sich gemütlicher auf ihnen zusammen-gerollten, an die Bank gelehnten Wind-Fang, während die
Jugend sich malerisch auf Mathas Pferde-Decke hinkauert oder -streckt. - "Also hört – hört – höret: vor langer langer Zeit – es
mag so 50 Jahre her sein, da brachte ein westfälischer Kaufmann – wenn ich nicht irre, aus einem Ort namens Telligt," – "Oh ja"
jubelt Laurenz dazwischen, "das kenn ich, es ist nur ein paar Stunden östlich von hier, neben Münster vorbei!" –
"Ja? – ist ja fein, na, vielleicht kennt Ihr die Leute. Also da brachte ein Kaufmann seine Familie nach Liivland ins Rävala in die große Hafen-Stadt Sünt Olevs am Kessel-Meer mit und dort starb leider bald sein vertrautes Eh-Gespons. Seine halbwüchsige Tochter wünschte sich von Herzen, zu den weißen
Nonnen zu gehn und für die Seele der Mutter und das Leben der andern zu beten - dort war auch ganz in der Nähe ein Konvent
des Hilligen Bernd auf einer ufernahen Insel Püha-Pirita. – Ich meine, das bedeutet in deren Sprache: zur Hilligen Brigida." –
"Oh, da gibt es die auch?" mischt sich Matha dazwischen "hier nach West hin - zwei Orte weiter - ist die Kirche Sünte Brigide
von Legden. - Das gibt es nur einmal." –
"Da sieht man doch, wie klein die Welt ist. Meistens sind Brigiden-Kirchen selten – es sei denn man ist unter Iren – dann waren
sicher die auch Stifter von hier. –
Also nach einigem Überlegen und der Prüfung der Gesinnung des jungen Fräukens wurde alles vom Vater mit jenem Konvent
geregelt – Herkunfts-Nachweis, Mitgift und dergleichen - und seine Tochter durfte zur Probe-Zeit eintreten, da. Trotz manchmal
beängstigender See-Stürme und klirre-kalter Winter auf jener Insel gefiel es ihr gut und so kam der Tag der Einkleidung der
Novizin. -
Bei solchen Anlässen pflegten sie dort – damit sich mehr Leute der neuen Braut Christi erfreuen – sie im Hilligen Toom auf dem
Dom-Berge über Rävalas König Kalev zu weihen und mit viel Volk die tief-verschleierte geweihte Jungfrau in Prozession den
langen Weg zur Saare-Pirita, der Insel, zu geleiten. Die Feier in der Hilligen Messe währte gut etwa vier Stunden voller
herrlicher Gesänge, und beim Abzug war es im Rävala noch heller Tag, doch vor dem Strand zündeten sie alle ihre Lampen an
und kamen als schimmernde Gesellschaft weithin leuchtend in die Dunkelheit wie die klugen Jungfrauen zur Hochzeit des
Bräutigams auf jener für Fremde fest verschlossenen Insel in dem Kloster Püha-Pirita an. So erfuhren durch das Singen und Leuchten auch die Küsten-Fischer, daß heute im Himmel mal wieder eine große Freude war.
Am Tag danach war nämlich dann immer ein Gast-Mahl am Strande, wozu der Vater der neuen Novizin alle Armen einlud, eben
genau wie bei einer Hochzeit. - Das verpaßten dann die Fischer auch nicht. –
Also es waren zwei freudige Tage. - Nun ritt – während noch Tag war und der oberwärts tief kornblumen-blaue Himmel nach
Norden zum Meer hin weiß-rötlicher werdend diese stillen Wolken des nahen Sonn-Unter-Ganges als Fische aufstellte..." "Oh nein, wie schön Ihr das eben gesagt habt, ganz als seien wir dort!" freut sich Mathas Mutter und erklärt ihren Kindern, daß
sie ja einst mit dem Herr Vater Laurenz selig dort drei Jahre lebten und genau diese Fische nie woanders als dort gesehen hat –
"Ja", fuhr Frau Pulcinella fort "Man konnte eben gerade noch gut alles sehen. - Also nun ritt von ungefähr ein Liiven-Prinz durch
jenen Strand, allein sich bei der Jagd verweilend – ein schöner starker Junge - und er gewahrte durch das Kiefern-Wäldchen
jene lange Prozession – sie war auch weit zu hören – Frauen-Stimmen sangen vor, Volk wiederholte, dann wurden Pfeifen
geblasen und die kleine Trommel gerührt und der nächste Wechsel-Sang folgte. –
Beim nächsten Mal, in zwei oder drei Jahren, da würde der Fest-Zug am großen Tor zu der Insel innehalten und ein Requiem
singen und die Braut würde niemand mehr zu Gesichte bekommen. – Damals gab es das so. Prinz Udo ging näher, sein Pferd an der Hand, denn von so etwas hatte er niemals gehört. Alle waren verschleiert, doch die Braut mit dem Kornblumen-Kranz auf der schnee-weißen Tracht wurde ein letztes Mal nun der
Sonne gezeigt – und so sah er sie an und verliebte sich bis über beide Ohren. Er folgte ihnen im Gebüsch des Strandes verborgen bis in die Nacht. Er wußte ja nichts über Kloster-Frauen. Er staunte, warum
hier keine Ritter oder andere Mannschaften mit in das Tor zogen, in das dann die Licht-Prozession untertauchte – und von
drinnen hörte man noch einmal die schwebenden Gesänge sich langsam entfernen. Er hat gedacht, dieses Tor führe direkt ins Meer und staunte, daß der Gesang im Wasser nicht endet. Er war zum ersten Mal an
dieser Stelle und wußte nichts von dem natürlichen Damm nach Püha-Pirita hin. Folglich glaubte er, er habe eine Meer-Jungfer
heim-kommen sehn. - Wie schön die doch sind und wie erstaunlich trocken sie wirken! – dachte er – man hätte doch meinen
können, sie seien an Land etwas grünlich und feucht? – aber diese sah wirklich überhaupt nicht gruselig aus. Nachts unter dem Stern-Himmel überdachte er dies und beschloß, man könne ja immerhin fragen, da am Tor, ob hier eine solche
Jungfer zu ehelichen sei. Sein Volk kannte darüber Legenden, daß beim Ehe-Versprechen aus Meer-Jüngferken wieder richtig Menschen würden. Meistens würde man dann ein paar Rätsel richtig lösen oder eine Helden-Tat vollbringen müssen und zum Schluß in
still-schweigendem Einverständnis die gewünschte entführen – andernfalls seien die Minniglichen Frauen beleidigt. Also ritt er früh am Morgen munter an das Tor heran und pochte mit der Lanze forsch an den geschlossenen Fenster-Laden,
woraufhin zur anderen Seite sich ein Schlitz im Tore aufschob und eine auf ihn zielende Pfeil-Spitze ihn barsch fragte: Was
begehrt Ihr in der Frühe? – Weist Euch aus, ob und von wem Ihr gesendet worden seid! – Kein anderer als mit Erlaubnis Seiner
Eminenz Jaani Fifhusen ein naher Bruder der Lieben Frauen hier betritt die hier geweihte Stätte!" –
"Sagtet Ihr Fief-husen oder Vyf-husen? - Das wwaren vor meiner Zeit zu hohen Würden gekommene Kleriker aus der Legio
Haverenbeke – seht Ihr die Reihe Weiden dort stehen? - Dort beginnt Haverenbeke!" - meldet sich Frau Mutter Aleidis erfreut.
"Der Vater meines Lieben Gemahls Laurenz selig wurde seinerzeit von jenen dort nach Riiga hin für Arbeiten am Chor-Gestühl
berufen – aber dann gab es auf einmal irgendein Problem – so anno 1370 – eventuell wegen des Zerwürfnisses zwischen
Deutsch-Orden und Hanse und Bischöfen und den verschiedenen Likendeelern und überhaupt allen – genau weiß ich das auch
nicht, mein Lieber Gemahl selig wurde erst zwei Jahre später geboren" – sie verharrt einen Moment, um zu sehen, ob Frau
Pulcinella hierzu auch etwas Näheres wisse. –
Aber nichts kommt, also setzt sie fort: "Wie klein also doch die Welt ist! - Nachdem Unser Eminenz Bischof Jaan Fifhues, der
meines Gemahl Familie dorthin berufen hatte, damals so unerwartet in Ungnade fiel, legte die Familie die Titel ab und verbarg
sich als wandernde Handwerker unter der Landesbevölkerung Eestlased und Wenden, sich jeweils als die anderen ausgebend,
bis sie die Sprachen verstanden hatten. Als mein Lieb Gemahl selig dann mich gefreit hatte, sprach er zu mir: Laßt uns in die Lande ziehen, wo meines Vaters Herr in
Ehren stand. Vielleicht weist man uns dort ein Plätzchen zum Bleiben zu.
Ich möchte nämlich Euch – mein Liebes zartes Eh-Gespons – nicht solcher Arebeite aussetzen, unsere lieben Kinderlein in einen
dieser harten Winter auf den Straßen zu gebären. Dann verhalf mein Vetter, der Minorit, der sich immer um mich gekümmert hatte, uns weiter nach hierher." Matha hat dieses von ihrer Herkunft noch nie gehört. - Also daher hatten sie ihre geschickte Begabung in feinen Hand-Arbeiten
und Holz-Werken und also wirklich einst einer adeligen Sippe zugehört. Das war ja wirklich interessant. –
Doch sagt sie nichts – vielleicht kommt ja mehr noch darüber. –
Hingegen Laurenz staunt nicht, sondern lernt es gleich mit. Inzwischen führt Frau Pulcinella sie wieder zum an das Tor pochenden Prinzen zurück: "Also Prinz Udo teilte der drohenden
Pfeil-Spitze unverblümt mit, er werde um das schöne Meer-Fräuken freien, die man gestern gefangen habe – was er mit eigenen
Augen beobachtet habe, jawohl! – und er werde keinesfalls dulden, daß man sie vor ihm – der sie erlösen will - verberge. – Die
Pfeil-Spitze zog sich lachend zurück und der Spalt schloß sich. Prinz Udo vermutete, man werde sein Anliegen sogleich drinnen
weitergeben, aber der rauhe Pförtner-Bursch dachte nicht daran, der dachte nur, daß diese Heiden ein bißchen zu dumm sind,
um darauf jemals näher einzugehen." Ganz leise hatte sich soeben der Schilderer-Junge Jan-Hendrik zu der malerischen Versammlung gesellt. Er deutet – um nicht zu
unterbrechen – wortlos mit kurzen Hand-Zeichen an, daß er so gerne Geschichten zuhöre, und weil er am Gürtel seinen
Trink-Becher mithat, bekommt auch er etwas vom Kräuter-Trank eingeschenkt und darf sich neben den Laurenz mit auf die
Pferde-Decke hocken. –
"Nachdem Prinz Udo drei Tage lang am Tor verweilt hatte und keine Antwort bekam, erboste es ihn und er ritt eilig zu seiner
Frei-Schar zurück und kam zurück mit fünf Freunden. Er selbst sah noch aus wie ein Mädchen, weil man erst nach dem ersten
besiegten Gegner die Haare kurz schneiden und einen Bart wachsen lassen durfte. –
So kamen sie nun geritten und wollten des Klosters Pforte erstürmen – aber im Hand-Umdrehen hatten die tat-kräftigen
Pforten-Brüder sie schon gefangen, ihnen Kleidung, Waffen und Pferde abgenommen und sie flugs in ihr Verlies am Tor gesteckt.
Nach 5-6 Tagen - zur Abkühlung ihrer Erregung - wollte man ihnen ihre Sachen wiedergeben und sie wieder laufen-lassen – so
verfuhr man hier mit herum-streifenden kleinen Horden. Dadurch wurde viel Blut-Vergießen vermieden. Doch Prinz Udo – der dies ja nicht wußte – er war nur verliebt und nahm nur zur Kenntnis, daß sie nun immerhin hinter der
Pforte in der Anlage waren und daß es dort über einen Damm zu dem Palast ins Meer hinaus ginge. Während man die erschrockenen Heiden zum Kerker drängte, griff er sich unbemerkt eine nahebei stehende Schüppe und nahm
sie mit hinab in das Loch. Als die schweren Türen hinter ihnen zukrachten, begann er schon mit der ziel-sicheren Richtungs-Gabe Verliebter in die Erde zu
graben, obgleich sie kaum Licht hatten, wühlten er und seine Freunde sich unverdrossen abwechselnd unter dem Meeres-Boden
voran, die Erde einfach wieder hinter sich schaufelnd. Als die Pforten-Brüder ihnen Brei und Brot bringen wollen, fanden sie nur
ein mit Erde gefülltes Loch und dachten, man muß es abdichten, damit nicht die See hinein-dringt, wenn die armen Toren den
Meeres-Boden eröffnen – und verschlossen die Wand wieder. Irgend-woher war aber dennoch ein bißchen Luft bei den
Grabenden und ihr Tempo gewaltig. –
Den Prinzen trieb die Liebe an – die anderen die Angst im Dunkeln, doch mit Erd-Löchern kannten sie sich gut aus, weil sie
zuweilen ihre Winter-Quartiere wie Biber unter die dort viel verbreiteten Sümpfe anlegten." –
"Was sind das: Sümpfe?" fragt Laurenz.
"Sümpfe, das ist, was man hier ein Venn oder Fehn heißt und im Süden ein Moos" "Dort sagt man Soo dazu" fügt Frau Adelaidis dazu. –
Ja, eigentlich sonderbar, aber so habe ich es gehört. –
Jedenfalls hatten sie Erfolg und gerieten in so eine Art Kasten einer Gruft oder es war ein Brunnen-Kasten – und kamen in dem
Garten der Nonnen heraus, die sie aber nicht bemerkten. Diese pflegten soeben einen sehr kranken Herrn, den sie auf die Wiese getragen hatten und der sie belehrte oder instruierte. –
Aha, sagte sich Prinz Udo, das muß wohl der Krals-Palast sein, von dem zuweilen die Lieder der Sakslased Wunder-Dinge
erzählen - das ist dann sicherlich dieser leidende "Künning am Pfortas"- soweit er verstand. Aber dann sind das hier auch keine zauberischen Meer-Jüngferken, sondern sein Harem? –
So genau hat er das nicht in Erinnerung, wie das da war – aber vielleicht konnte jener diese Neue doch noch entbehren, die sie
gestern gebracht haben – so krank wie der war, kann er doch nichts mit ihr vorgehabt haben, außer sie um sich zu haben – und
siehe – da kam auch die gestrige Schöne und kniete sich zu dessen Kopf-Ende nieder und erzählte ihm etwas Vertrauliches, so
wie die anderen vorher auch der Reihe nach taten und während-dessen hörten alle anderen weg. –
Was es da wohl zu reden gab? - Ob sie ihm ihre Träume berichten mußten, wie bei ihm zuhause man dem Traditions-Hüter alle
Träume mitteilt? – Er wußte ja nicht, daß die Geistlichen Jungfern jeden Tag ihre Sünden bekennen und daß das dort ihr
schwer-kranker Seelen-Führer war, der diesen Dienst noch versah. Als sie geendet hatte und leicht-füßig aufsprang, um ihrem Tages-Werk zu-zueilen, raschelte Prinz Udo mit dem Busch, hinter
welchem sie steckten, um auf sich aufmerksam zu machen, und sie kam näher, und sie kicherte errötend, als sie die
unbekleideten, von der Erd-Arbeit überaus sandigen Heiden-Kinder sah - und Prinz Udo ignorierte vornehm diese Situation,
"bekleidete" sich kurzerhand mit dem älteren Uko – diesen vor sich haltend – und erklärte über dessen Schulter hinweg mit aller
ihm möglichen Zierde der Lieblichen all seine Minne, sie stürmisch auffordernd, sofort mit ihr zu jenem "Künning am Pfortas" zu
eilen und jenen um ihre Frei-Gabe anzuflehen. Sie war nicht unfreundlich, zumal sie noch von den Feiern des gestrigen Tages von reinster Freude durchdrunggen war, also gab
sie ihm Antwort, daß jener schöne Greis dort so eine Art Vater dieser Burg sei, aber sie bereits von einem großen Bräutigam, den
er vermutlich nicht kenne, errungen sei und keineswegs von jenem lassen werde, der für sie schon soviel gelitten habe. –
Sie hat es ihm gleich so entschieden gesagt, daß Prinz Udo nun einsah, daß er zu spät gekommen war. - Er entschuldigte sich
viele-mal für diese Frage und bat um Erlaubnis, sich ungesehen zu entfernen, da sie mit zu wenig Verteidigungs-Möglichkeiten
ausgerüstet ja nur seine Braut-Werbung hierher getrieben habe. Sie versprach, Still-Schweigen zu wahren und wanderte leicht-füßig weiter, in das große Haus, während Prinz Udo und seine
Freunde hinter dem Schutz der hohen Büsche und Bäume zur Mauer-Krone hinauf hangelten und von dort oben vorsichtig ins
Meer hinaus sprangen, um dies unerfreuliche Pforte nicht wieder zu treffen. Zu ihrer Freude sahen sie bald ihre Pferde am Strand müßig weiden, und ihre Gewänder ordentlich drauf-geschnallt. - Es fehlte
auch nichts, denn diese Pforten-Brüder wollten keinesfalls in den Verdacht der Wege-Lagerei kommen, und wo nun die
Gefangenen einfach in der Erde verschollen waren, sollten solche, die nach ihnen suchten, wenigstens deren Eigentum wieder
bekommen. –
Etwas verwirrt kleideten sie sich also an und ritten davon, erstmal etwas zu essen. Sie waren ja – besonders Prinz Udo – durch
all das erheblich hungrig geworden und müde. –
Nachdem er zuhause ausgeschlafen hatte, wußte er nichtmal genau, ob er das alles erlebt oder geträumt hatte, denn beim
Erinnern war ihm so, als habe ein fast unsichtbarer freundlicher Licht-Riese sie all die Zeit hindurch geführt, begleitet, befreit
und gerettet. Prinz Udo wollte zuhause seinen Traditions-Hüter Waaske zu diesem Träume befragen. - Meister Waaske nahm an,
daß das Ganze ein Traum war, denn er hatte noch nie etwas von diesen Püha-Pirita-Nonnen im Meere gesehen – es traten ja
nicht so oft welche ein, aber er wußte genau, daß der kranke Künning Amvortas der alten Sakslased ganz weit entfernt lebe, nicht
bei denen, sondern noch westlicher, etwa da, wo die Sonne im Westen zur Tag- und Nacht-Gleiche untergehe. Prinz Udo habe vielleicht durch sein Fasten den Grad eines persönlichen Traum-Begleiters erlangt, und ein lichter
menschen-gestaltiger Riese sei Zeichen sehr großer Begabung – er könnte zum Ennustaja geworden sein – ob er bei Meister
Waaske in Ausbildung kommen wolle? Prinz Udo war nicht so überzeugt, daß er zur Aufgabe des Heilens und Traditions-Hütens geboren sei – er wollte lieber lustig
sein und jagen und tanzen und sich auf höfische Weise eine edle Frau erwerben und später seines Völkchens Grave oder gar
Kriegs-Herzog mehrerer werden. Also er nahm das Herum-Streifen wieder auf und überfiel mutig die kleinen umhegten
Siedlungen des Landes Wiek und erwarb schönen Beute, während jene Region ihre Bewohner nun schon wieder durch Neue
ersetzen mußte. Er fühlte sich dabei ganz gut, denn noch lehrte ihn niemand über Gut und Böse und daß man auch die Leben von Fremden
schonen müsse. Nach Jahren durchritt seine Streife zufällig wieder das Rävala an der Küste – es war gerade der Tag der Hilligen Profeß jener
von ihm erspähten westfälischen Jungfer, und wiederum zog eine lange Fest-Prozession sich vom Dom-Berg hinüber zum
Püha-Pirita-Tor-Haus. Diesmal war die Braut ganz in Weiß wie zuvor, aber mit weißen Blüten bekränzt und mit Myrthen und
auch verschleiert. Aber an einem plötzlichen Zögern und ihn hinter der Weg-Biegung erkennden kurzen Betrachten begriff er, daß es das erste Mal
nicht geträumt haben konnte – und da ritt er zornig davon und kam zurück mit all seinen Kämpfern, um dieses Kloster zu
stürmen, ihren Mann zu erschlagen, den sie da drinne versteckten," –
Alle lachen, daß dieser Prinz Udo nicht wußte, daß Nonnen mit ihrem "Gemahl" immer den Lieben Herrn Jesus meinen -"Ja –
woher sollte ein Heide das wissen?" fährt Frau Pulcinella fort "Aber er war schon berüchtigt und man hatte ihn kundschaften und
davon-reiten sehen und erwartete diesen Überfall schon, mit unseren eisen-harten erfahrenen Ordens-Rittern, die mit ihnen
kurzen Prozeß machten und all diese Räuber am Strande erschlugen. Als Prinz Udo dann auch vom Pferd sank, dachte er schon, in die ewigen Jagd-Gründe zu versinken - heiß schlug der Schmerz
über ihm zusammen und all seine Wut war darin verbrannt – anschließend fühlte er sich gewiegt-auf-der-Spitze-des-Mast-Baums
und dann einer kühlen Dunkelheit übergeben und sehr schwer lag sie auf ihm. Doch als sie ihm fast unerträglich schien, kam wieder dieser freundliche Licht-Riese leicht-füßig daher und wischte die Schwere
einfach mit einem Fähnlein hinweg und es wurde heller. Bald erwachte er nun und er konnte erkennen, daß nun auch er in jenem Garten lag und diese lieblichen Frauen ihn pflegten. Er
aber konnte noch gar nichts bewegen, als er nun aufspringen wollte – er war noch zu schwach.. Wer nämlich derartig schwer verwundet auf einem Kampf-Platz gefunden war, den bekamen die Nonnen zur Pflege. Sowie ein
solcher sich wieder bewegen konnte, gaben sie den dann den Brüdern zur weiteren Erholung weiter. Mitunter gewann man auf diese Art treue und sichere Freunde unter den Heiden, die derartiges nicht boten, ihre Feinde zu
heilen. Täglich stellten sie Prinz Udo in die Sonne zu ihrem greisen Vater des Konvents, der tatsächlich noch lebte, und dieser erzählte
Udo alles, was er wissen wollte und mehr: er gewann ihn zur Taufe und Prinz Udo wollte nun auch so ein Pforten-Bruder
werden.
Er war aber noch nicht wieder richtig im Kopf - nach der langen Bewußtlosigkeit, also ließen sie ihn sich eine Zelle an die Pforte
dazu bauen, wo er zunächst einfach mitleben durfte. Sein Volk dachte längst, er sei tot und von den Wellen fortgetrieben. - Wenn von denen einige hier beim Jagen vorbeistreiften, bot
er ihnen ein bißchen Wasser an zur Erfrischung – und sie erkannten ihn nicht in der braunen Kapuze und dem wuchernden Haar.
Er wurde sogar kühner und fragte direkt nach Prinz Udo und sie erzählten ihm, er sei bei einem etwas unsinnigen Raub-Zug
gegen dies Haus, wo es – mit Verlaub – wirklich nichts außer Wasser und alten Männern zu holen gab, den Helden-Tod
gestorben, ganz hier in der Nähe. –
Ja – etwa da habe man ihn vom Pferd stürzen sehen, dicht am Wasser. –
Offenbar hatte keiner seiner Freunde aus der Frei-Schar überlebt, der dort je eine Nonnen-Prozession sah, allerdings hieß es,
gelegentlich spuke es hier herum. Er führte sich als braver Bruder und eingedenk seiner Talente im Gänge-Ausgraben bekam er die Schüppe anvertraut und den
Garten zu graben und sie lehrten ihn das Pflanzen und Säen – bald erstreckte sich sein herrlicher Garten am Meeres-Strand
durch raffinierte Abdeichungen vergrößert den ganzen Damm entlang beiderseits bis an die Insel – und er war immer fröhlich,
was er früher von sich nicht kannte. - Die Ursache dafür war, daß seit der Zeit seiner Bewußtlosigkeit jede Nacht ein Engel in
seine Zelle eintrat und zuerst seine Wunden versorgte, ihn dann schöne Weisheiten lehrte, der ihn dazu bewegt hatte, die Taufe
und das Ordens-Leben zu verlangen und welcher nachher noch manch gute Ratschläge und Gespräche mitbrachte, ihm
beibrachte, meditierend den Saum des Himmels zu berühren und den Himmlischen Thron wie durch einen Tür-Spalt gesehn zu
erahnen – und dieser Engel trug genau dieses liebliche Antlitz seiner Kornblumen-Braut. -
Nach wiederum etwa 15 Jahren hörte er drüben vom Kloster der Frauen ein Singen, daß eine der Lieben Frauen im Geruche der
Hilligkeit verstorben war und wirklich umschwebte ab dem Läuten des Glöckchens ein mächtiger Rosen-Duft die ganze Stätte –
und in dieser Nacht kam kein Engel zu ihm. In der folgenden Nacht bat er innig den Himmel, seine Seelen-Geleiterin wieder zu ihm zu senden, wenn möglich, doch da
erschien gegen Morgen sein freundlicher Licht-Riese wieder und wies sich mit den Wund-Malen als Unser Heiland Selber aus –
was ihm ja nun ein Begriff geworden war - und eilig warf er sich nieder, um Ihm für all dieses zu danken. –
Ohne daß dieser ihm etwas zu erklären brauchte, erkannte Bruder Edward, wie er jetzt hieß, daß all die Jahre diese kluge Nonne
ihn versorgt hatte, ihn im Irrtum belassend, daß sie ein Engel wär. So vermied sie, daß er sie jemals berührte. –
"Probiert dieses bloß nicht," platzt skeptisch die Liebe Frau Mutter Adeladis heraus und sieht alle vier Jungfern scharf an,
"diesen Fall, daß es gut ging, kann man nur als ein Wunder bezeichnen – das nicht jeder erlangt."- worauf die drei
Comödiantinnen kichern und Matha sich wundert, wieso. "Als er nun wußte, daß sie in den Himmel-Zustand entschlafen war, bat er um Urlaub vom Hause, um eine Fahrt nach San Diago
zu gehen und auf dem Wege zu prüfen, ob es einen Orden gäbe, der ihn noch weiter ausbilde. - Dadurch kam er unter die
wandernden Minoriten. –
Und nun versuchen wir, ob wir ihm zufällig irgendwo begegnen, damit wir erfahren, ob die Geschichte genauso war, denn wir
würden daraus gerne eine lobenswerte Comedia machen." So schließt Frau Pulcinella ihre natürlich auch sehr ausdrucksvoll unter Gebärden vorgebrachte Erzählung und alle sind noch
halb benommen davon - und Jan-Hendrik nickt herb und sagt, er könne es schon grad wie gemalt alles iinnerlich sehen, Frau
Pulcinella sei gewiß der Erzählenden Groß-Meisterin. Sie werde eine mächtige Hilfe sein, dieses Altar-Bild zu erstellen, denn er
stelle es sich über und über belebt und lebendig gemalt vor – falls man ihn fragt, aber es fragt ihn ja keiner. –
Doch später einmal, wenn auch er Meister-Schüler ist – dann werde er so ein Bild malen. – Und ohne einen Nacht-Gruß schwebt
er schlag-artig davon, seinem Wohn-Häusken nebenan zu, um darüber zu schlafen. - Frau Pulcinella lächelt gutmütig hinter-her
und sagt: "In dem Kerlchen steckt wirklich ein Künstler! – Wer ist es?" –
Matha antwortet: "Ich dachte, Ihr könntet es eher uns sagen, er kam kurz vor Euch an und ist der Jüngste der malenden
Bruderschaft, die mit Euch reist." "Nein sowas", lacht sie, "da ist er mir doch niemals aufgefallen – ein - so ein netter Jüngling – nun ja, die Reise-Gesellschaft war
groß, da passiert das schonmal. Schließlich hat selbst die Allerseligste Mutter Maria unterwegs Unseren Lieben Heiland
verloren und es erst nach drei Tagen bemerkt." - "Verzeihung – nach einem Tag – die drei Tage haben sie Ihn dann gesucht." murmelt Matha leise.
"Ach ja danke, – aber so ähnlich - netter Jüngling, das." - antwortet zerstreut Frau Pulcinella und schaut auf einmal müde und
etwas traurig nachdenklich ihre kleine dünne Pierrot an, flüchtig erwägend, ob man nicht für diese besser bald ein Liebes
Eh-Gemahl fände, damit sie in einem festen Haushalt ein wenig zu Kräften käme und sich zu einer Frau erhole. –
Es müßte ja so ein Junger sein, der sie vorläufig noch nicht in irgendeiner Hinsicht fordere, weil er noch selbst nicht zum Manne
erwacht ist – grad so einer wie Jan-Hendrik, ein bißchen tüchtig wie ein gestandener Pferde-Knecht - ein bißchen verträumt und
imstande, von Wasser und schönen Geschichten zu leben, die er sich zu guten Welten ausmalt. –
Pierrot indessen albert mit dem kleinen Laurenz herum, grimassiert, schlägt Rad - zeigt ihm gern, wie das geht – mitten im
Kirch-Hof hier, zwischen den Gräbern, denn Mathas Nachbarschaft ist an die Kirche gefügt und erstreckt sich natürlich nur hier
vor den Gräbern. – Ja, und dann verbirgt sie wieder einen Husten-Anfall als Gelächter und prustet mit spaßig ablenkend
wedelnden Händen in der Luft. –
Ach, die Kleine ist derartig tapfer – doch es wird noch in diesem Sommer aus-heilen müssen, sonst wird sie damit kaum noch
einmal den folgenden Winter durchstehen können, so dauernd unterwegs, wie sie leben – denkt Frau Pulcinella, die Mutter. Doch ein Maler-Junge steckt ja auch dauernd unterwegs irgendwo und hat sicherlich gar kein Zuhause, wo man eine Braut für
ihn heran-pflegen kann, wahrscheinlich wird er gar Kloster-Bruder, um unter die großen Kirchen-Maler zu kommen. Tja, und diese kleine Familie - dieser Laurenz kommt schon gar nicht schon in Frage, er ist ja noch ganz und gar Kind und diese
Familie so arm – wer weiß, ob sie ihre kleine Kranke noch durchbringen könnten, selbst wenn sie ihnen regelmäßig etwas zum
Unterhalt hinzu stiften würde. –
Ach ja, man hat schon seine Sorgen, und ihre Gebete vorhin in der Kirche kamen durchaus aus überfließendem Herzen. Mit der
Großen, der Harlekine, ist es jetzt auch kein einfaches Alter, denn die möchte am liebsten allen Männern schöne Augen machen
und kann damit der Comedia noch Schaden zufügen, wenn ihr da eine Ehe-Frau mißtrauisch wird – Harlekine gefällt sich als
Attraktion auf dem Seil mit ihrer gerten-elastischen straffen Figur und den lebhaften Füßen. –
Ja, das Gefährlichste sind ihre flirtenden Füße, wenn sie auf dem Seil daher-tanzt und dann in die Knie geht und wie taumelnd hie
und da einem Mann, der darunter steht und sie bestaunt, mit dem einen Fuß über Mütze oder Wange streicht – so haar-scharf
vorbei und schnell weg. Mutter Pulcinella sieht mit großer Besorgnis, wie dann die Blicke der Männer sich ändern und ihnen unhillige Ideen als sehr nahe
erscheinen. Sie braucht dann alle Kraft ihrer stattlicheren Weiblichkeit und Rezitations-Kunst, um hinterher dieses doch noch schnell genug
zu übertrumpfen und in geregeltes Wohl-Wollen zurück-zuwandeln – nach dem bewährten Motto: Appetit holt Euch auswärts,
doch gegessen wird zuhause. –
Deshalb sind sie ja in letzter Zeit richtig wohl-habend geworden, doch Harlekine beginnt zunehmend aufmüpfig zu werden und
sie spürt, was sie könnte. –
Hoffentlich findet sich rechtzeitig der männliche Familien-Zweig wieder, denn das Fräuken braucht jetzt eine Festigkeit und
recht bald ein Zuhause, sonst ist alles zu spät. –
Auf dieser Miss könnte es ja wieder gut-gehen, seit die Schöne sich glücklich den Fuß verknackst hat und diesmal nicht auf's Seil
steigen kann.
Da muß man für ein pünktliches Unglück grad noch den Hilligen Elias und Antonius dank-sagen gehen, denen sie ihre
Kümmernisse vorgetragen hatte. Grad als sie in höchster Not diese Hilligen rief, weil das weiße Kostüm ihrer Großen sich
soeben mit irgend so einem Minne-Knaben in das Dunkel der Büsche entfernte, kam eine Sau aus dem Dunkel gerannt und warf
die Schöne kräftig in die Suhle, wobei die sich den Fuß verstaucht hatte. Natürlich teilte sie mit wieder weichem Mutter-Herzen deren Schmerzen und machte die ganze Nacht immer neu Erd-Päckchen
drüber und wusch sorgfältig wieder das köstlich teure in Glas-Perlen blitzende weiße Kostüm höchst-persönlich – echt Venedig,
hatte ihr Lieber Herr Gemahl, der Bajass, gleich beim erstenmal dort erworben – aber ganz im Innersten wußte sie, daß die
Rettung vor einem kräftig vergnüglichen Sünden-Fall ihrer Großen diesmal sehr knapp war. Columbine ist zur Zeit ihre Unkomplizierteste. - Mit ihr würde sie noch so vier oder fünf Jahre herumziehen können, sie würden
umsteigen auf Balladen, mehr rührend und in verteilten Rollen dargeboten, oder etwa das Gudrun-Lied zu zweit darstellen. Der
kleine Maler da – falls er gut ist – vielleicht malt er ihnen noch rasch ein paar Szenen daraus auf weiße Tuche, damit man es dazu
zeigt – zur Zeit kann sie ihm gut dafür zahlen. Das bringt auch bei Moritaten-Sängern immer eine gute Bede, solche besingbaren Szenen. - Wenn sie – bewahre – nicht bald
eine Lösung findet für ihre beiden Sorgen-Kinder, dann droht ihnen die Zuordnung anderer Bede-Kategorien durch den nächsten
oder übernächsten Ober-Advocatus, es gibt ja 42 Möglichkeiten, von denen gewiß übermorgen gut zwanzig zu erwarten sind –
doch bei vielen ist bald die Gelegenheit zum Lügen beinah zwingend und das möchte sie nicht, noch halten sie sich ähnlich
Pilgern mit der Comedia-Kunst ganz brav und frei den Rück-Zug von der Straße offen. –
Mathas Mutter wiederum sitzt auch ein bißchen still geworden da und läßt die Hände rasten. Ach ja, denkt sie, was haben wir es doch recht gut getroffen, daß wir hier auf dem Kirch-Hof Schutz und Dach bekommen haben.
Sie hat im Lauf der Jahre das Gräber-Feld wie zufällig verschönt durch hie und da verlorene Blumen-Samen, sie haben ihr
Gemüs-Gärtchen – falls alles schlecht läuft, wird ein Almosen oder Bede sie erhalten, ihr Schutz ist auf ihr Leben lang bezahlt,
für sie und Matha und den Kleinen. –
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Der Wald-Bot oder einer der vielen Schulten oder die Edel-Herren auf dem Ramsberg und in Heven - die hätten sie gewiß doch
schon an der Kirchspiel-Grenze empfangen und dem Herrn Burg-Mann v.Torck zu Asbeki Bescheid gegeben haben und sie dann
in so ein Hues Wersche, Hues Geysteren, Mersch-Hues, Voss Hues thor Küppel oder in die Alst hinterm Berge hinüber gebeten
haben, auch wenn es noch so voll belegt gewesen wäre – sie hätten einfach ein paar andere Edle für solche Herrschaften an die
Luft gesetzt, es sei denn, diese selber räumten freiwillig das Quartier für solche Künninge. – denkt Matha zufrieden. Ja, grad kürzlich, als die Einführung der neuen Eminenz Graf v.Moerss Bischof v.Münster nach Münster stattfand, da war in
weitem Kreis um Münster jedes herrschaftliche Quartier besetzt gewesen – da schliefen auch die Gäste im besseren Platz und die
eigenen Kinder im Freien - einige weinten auch wegen der plötzlichen Ausquartierung - da schauten die eigenen Kinder und
Öhms zu, mit wäßrigem Mund und kauten beim Zuschauen sehnsüchtig mit, was vom Besten des Hauses den Gästen serviert
wurde, wenn für alle nicht genug im Haus war – "da wird Heulen und Zähneklappern sein" stellt sie sich so vor: klein Laurenz
heult ohrenzerreißend und sie klappert mit den Zähnen, weil sie ihm gegen die Kälte ihr warmes Tuch umgewickelt hat. Sogar sie bekam zwei nette Mohren-Knaben für drei Wochen zur Versorgung zugewiesen, welche einer der Herren von Moerss –
eben "Mohrs" bei den Spanischen in Holland frei gekauft hat. Zurück schicken konnte er sie ja nicht – sie wußten nicht, wer sie
waren - aber es könnten brauchbare Hof-Bedienstete daraus werden, eventuell auch artige Wacht-Lakaien im Palast. Noch waren
sie aber erst etwa siebenjährig und sprachen nur spanisch. Nachdem der ganze Ort sie drei Tage lang genug bestaunt hatte, konnten sie schon gleich etwas Deutsch: Kieke-mol und: Wat'n
seuten Kiärl-awer-auk und: Maman, bitte-was is-das? Sind-ti bemaalt? Gejt-dat nu-nie-nich-wie'er aff? –
Zum Glück für die ganz verschüchterten Kurzen gab es aber überall einquartierte Fest-Gäste und mußte man auch noch bekieken
und manche stifteten süße Kuchen, und auch für die örtliche Gratulations-Mannschaft war genug an Vorbereitungen zu tun:
Kleidung zu richten, Lieder und Gedichte zu proben, für die Kranken und kleinen Kinder zuhause einen Dienst und Helfer für das
Melk-Vieh zu organisieren, während der Ort alle Mann hoch - Mütter und Jungfrauen in Tanz- und Prozessions-Gruppen ja auch
- für drei bis acht Tage nach Münster zöge. Manche Schulten führten ihre Bauern und Leute persönlich an, andere, die keine Leute-Schulzen waren, ordneten sich zu den
Abordnungen der jeweiligen Besitzer der über-Land-Straßen ein.
Matha war zu gering, um mit-zuziehn, aber sie durfte den Ort hüten helfen, nach einigen Bett-Lägerigen schauen, einige Babys
hüten. In der Zeit vertraute Matha die beiden Jungen mit den großen sanften Augen ihrem Bruder Laurenz zum Beschäftigen an,
sie tauten bald auf, zeigten ihm einige Kunst-Fertigkeiten, die sie bei ihrem früheren Herrn zu tun hatten: sich ein gutes Flötchen
selber zu schnitzen, zierlich zu zweit Flöte zu pfeifen, einen kleinen Tanz dar-zubringeen, Getränke auf einem Tablett zu
kredenzen und Stock-Fechten. Nun sagt Mathas Bruder Laurenz ja immer: wer weiß, wozu man es braucht – und binnen 3
Wochen konnten sie schon recht viel Deutsch und auch er etwas Spanisch, vor allem die Aussprache. Ja, das war alles sehr spannend und aufregend und man war nachher ganze drei Tage noch nicht wieder bei sich - die guten
Gewändern mußten gereinigt und wieder weggepackt werden und der Vorrat ergänzt. –
Also nie kämen drei Künninge mit ausgerechnet auch noch den Kronen auf dem Kopf unbemerkbar daher-gereist. -
Wie zur Bestätigung reitet ein paar Tage später der neue Vogt Grave Eberwyn mit zwei großen Herren ins Wigbold ein, schon
saust Burg-Mann Herr Torck zu Asbeki sporen-klappernd aus dem Tor-Haus - grüßt sie - läßt das Tor auf-reißen - führt den
schönen kostbaren Graven-Hengst persönlich am Zügel.
Der Türmer bläst Versammlungs-Ruf - ihr Eintreffen meldend - in die Posaune und der herrliche Hengst Bu-Kefalos steigt feurig
empor, wie das-Pferd-von-Sybaris tanzt, sowie es die Trompete hört. –
Der Ausrufer kündet: "Ankunft der Hoch-Lieben Exzellenzen - Grave von G"TTES Genaden Eberwyn Erb-Grave von Benthem
Erb-Herr von Götterswyk, Schwäher Sculthete van Scopinghe von Stemwerth, Herr von Otten-Stein, Advocatus unseres
Landesherrlichen Bistums Münster, Advocatus unserer Landes-Herrlichkeit Abbatissa Mathildis von Hervurth, Advocatus des
Landesherrlichen Kur-Erz-Bistums Colna-Burg" - klatscht schallend dreimal in die Hände: "...beuget die Knie – erhebet euch –
sowie des weltweit berühmten Seefahrer-Fürsten Häuptling Uke, Sohn Häuptling Focke Ukena de witte Leue to Edermoore,
Vater ihrer Lieblichkeit Braut Theda, Bruder des Schreckens der Kesselsee Kapitan Udo selig von Moormerlande zu Oldersum"
– klatscht hier wieder dreimal schallend in die Hände: "...beuget die Knie – erhebet euch! – sowie des bei Unserem Lieben Herrn
Graven Eberwyn zu Gast weilenden Herzogs Philippe Fils d'Antoine de Louxembourg und der Lieb-reizenden Fraue Jeanne la
Comtesse de Saint Pol et Ligny - von G"TTES Genaden Hertoghe van Brabant, de güldene Leu und Seigneur de Waelhem
Ruh-Wart van Brabant," – er klatscht wieder dreimal schallend in die Hände: "...beuget die Knie – erhebet euch!" Natürlich hat sich schon bei der ersten Herolds-Trompete vom Stadt-Turm-Ausguck jeder, der abkömmlich ist, sein gutes
Gewand übergeworfen und ist zum Unter-Tor geeilt, um zu repräsentieren, weil der Trompete nach drei Hohe Herren einreiten
werden. –
Matha, Laurenz, Columbine, Pierrot, Harlekine und ihre Mutter Pulcinella wie auch Jan-Hendrik sind natürlich auch gleich dabei,
es gibt ja wieder eine kleine un-gemessene Bede zu erwarten und wieder viele Skizzen, welche Jan-Hendrik dabei ernten kann.
Seit das Reich wieder einen zum Kaiser bestimmten einen deutschen Künning hat, wird allerorten darauf wieder geachtet. –
Niemand darf sich vor Fremden in irgendwelchen Lumpen zeigen und selbst die Schwan-Feller vom Doeth-Asyl am Heid-Berg
haben bei solcher Gelegenheit einen reinen weißen Streifen Baum-Wolle als Lenden-Schurz um-zutun. –
Matha fragt Laurenz: "Welchen Tag schreibt man heute? - Vielleicht ist es wichtig, der sieht ja sehr krank aus - vielleicht ein
eiliges ein Testament?" – "Anno Domini 1430 den 4.Augst - weißt du, die Brabanter haben Toten-Ritter-Pflicht." Grave Eberwyn van Bentheim hat seine rote spitze Amts-Mütze auf, welche oben in eine nach vorn geneigte Kerbe gipfelt, deren
gelber hoch-gerollter Aufschlag vorn verziert ist mit einer wunderbaren, in Bernstein gefaßten, großen schwarzen Perle - ein
kleiner Bart ziert seine schmalen Lippen und schulter-lang fallen seine nuß-braunen offenen Korken-Zieher-Locken. Er trägt ein wein-rotes hoch-geschlossenes Unter-Kleid, darüber einen Rock aus golden-und moos-dunklem Seiden-Samt - mit
schnee-weiß schmeichelndem Nerz ausgeschlagen - einen rot-ledernen Gürtel mit goldener Schließe –
"Alles Schüöp'n Meister-Stücke, die er zum Amts-Antritt bekam – akkurat, was?" - tuschelt Laurenz dem Jan-Hendrik zu. In der Rechten trägt er seinen Marschall-Stab zum Zeichen, daß er in höchster Vollmacht unterwegs ist – sein lebhafter
Grau-Schimmel Bu-Kephalos andalusisch-arabischer Zucht trägt ein rot-ledernes Zaum-Zeug feinster Qualität, das mit
gold-farbenen Messing-Nägeln beschlagen ist und auf den Ringen große goldene Rosen trägt. Er reitet rechter-hand des zu geleitenden halb verborgenen Herzogs uns schaut sich mehfach nach hinten um, woraufhin
Jan-Hendrik auch gleich guckt, ob sie irgendwie verfolgt werden. Er sieht aber nichts. Genauso goldene Rosen schmücken das tiefblaue weit puff-ärmelige Wams, welches Ukko der Häuptling über der Rüstung trägt,
auf den Schulter-Schließen - seine Ärmel sind dunkel moos-grün und sein Wams ist einem stählernen Ring-Panzer kronen-artig
aufgearbeitet, aus Samt. Ein Schwert mit goldenem Griff hängt zu seiner linken Seite am Gehänge. Um die linke Hand trägt er einen schwarz-blauen aus Lapis-l'Azuli-Stein geschnittenen schlichten Arm-Reifen und mit der
rechten Hand sticht er den überlangen ambulanten Markt-Wimpel in die Luft, was jeder Stelle, die sie zwischen Maien-Bäumken
durchqueren, einen sofortigen Markt-Frieden erzeugt, auch sein wie mit einem Eis-Zapfen gestirnter kostbarer Fuchs trägt solche
goldene Rosen - größere als die des Graven-Pferdes - auf den Ringen des mit Eisen-Punkten beschlagenen
schwarz-grün-ledernen Zaum-Zeugs. Sein unbehelmter Kopf wirkt imposant mit seinem festen, durch eine weiß-flatternde Kopf-Binde gebändigten schwarzen
Haar-Schopf und dem prächtigen schwarzen zwei-geteilten kurzen Kinn-Bart. Seine Kopf-Binde trägt als Häuptlings-Zeichen eine größere blau-schwarze Saphir-Kugel in eine Bernstein-Brosche gefaßt – falls
es kein edles Kröten-Auge ist - und eine stolze blau-schwarze Fasanen- oder Hahnen-Feder, deren Natur Jan-Hendrik aus dieser
Entfernung kaum erkennen kann – und seine rechte Wange trägt ein schwarzes Pulver-Mal. Und ein kostbar woll-weiß-gekleideter päpstlicher Herold auf einem Schimmel reitet vor ihnen her, seine Trompete
entfaltet das Skorpio-Bild schwarz auf Gold – das schon Kaiser Tiberius als Haus-Wappen führte. Du hast es bemerkt - der Imperator Tiberius hat es aus dem Alt-Reich Ägyptens dem frühen Pharao "Scorpio" abgesehn
oder entlehnt, ohne es zu wissen. Sein Hut ist ein spitzer hoher Kegel, schwarz mit zwei breiten goldenen Reifen, also 5-geteilt schwarz-gelb blasoniert - wie man
so sagt - um dessen Hut-Basis ist ein Turban aus feinstem weißen Linnen wie sein Unter-Kleid, das milch-weiße Ober-Gewand
aus feinster weißer Wolle ist allseits gekantet mit breiten goldenen Bordüren, eine sehr wertvolle Arbeit. Der Herzog, welchen sie geleiten, lagert - für das Volk kaum sichtbar - auf einer zwischen beide Pferde gespannten Sänfte, an
den Friesischen Häuptling gelehnt, er scheint krank und furchtbar erschöpft zu sein. - Sein breiter Eisen-Hut bedeckt sein Gesicht
bis über die Nasen-Spitze. Er hat einfach seine eisen-schwarze Rüstung an – jedoch der Brust-Panzer ist im Prinzip vergoldet, nur
schon sehr abgewetzt. -
Und der mächtig gebaute Häuptling reitet sehr achtsam zu diesem Herzog gewendet, nur seine Augen prüfen den Weg vor ihnen,
während der Liebe Grave van Benthem nach rückwärts sichert, ob sie nicht verfolgt werden. –
Jan-Hendrik prägt sich alles dies ein. –
Was es wohl bedeuten mag? Die üblicherweise am Tor ihr Recht heischenden Bed-Nehmer weichen sogleich zur Seite und fallen beim 3xmal Klatschen
jedesmal so-flink-es-geht-nieder und grüßen - und alle drei Herren lassen ihnen kleine Münzen hinüber werfen, welche
aufzusammeln und untereinander zu verteilen immer eine Welle Debatten unter ihnen erzeugt - alle herbei-gerannten Krotten und
Mägde und nicht ganz so eiligen Knechte sowie die Bewohner desgleichen aus der Nähe des Wigbolds und aus diesem, hastiger
stellen sich die Ratsherren – soweit anwesend – und die Gemeins-Männer bereit, ob man sie brauche.
"Wie eben festzustellen ist", sagt Matha zu Jan-Hendrik - "keine drei Fürsten können etwa ungesehen ins Stroenfeld oder
irgendwo durch die Gemarkung fahren, schon des Herolds wegen. Sogar nicht, wenn sie ihr Gefolge nicht bei sich haben.
Die 3-Künninge auch nicht." "Wißt Ihr schon, werter Meister Wernsing," sagt hinter ihnen Meister Isormann zu diesem "daß sie sich neuerdings schon mit
dem Gedanken tragen, eventuell ein gemeinsames Banner als die drei Weisen vom Moor-Meer-Land zu führen? –
Möchte ja zu gerne wissen, was da auf uns zukommt. Ihre Kinder sind schon einander versprochen, so um drei Ecken rum. –
Na ich sag ja nichts, ich kür ja nur." –
Und damit haben sie sich, ins Gespräch vertieft, entfernt. Wenn es zu hoch hergeht und einzelne Bed-Nehmer sich um Almosen zu schlagen anheben, schickt der Liebe Herr Torck zu
Asbeki in seiner Eigenschaft als Burg-Mann zwei drei Knechte dazwischen und sammelt alles wieder ein. Für - wie er es dann
auf 10% abschätzt – Schlichtungs-Gebühr an sich und die Tor-Mannschaft verteilt der Burg-Mann es dann unter die Anwesenden
nach einem in seinem Liber Vagantorum aufgeschriebenen Satz je nach den 28-Kategorien der Bede. Deshalb raufen sie sich neuerdings lieber nicht um Almosen, sondern haben einen zuverlässigen gichtischen Sünt Cyriax-Mann
ausgewählt, dem sie alles bringen und der es verteilt ohne Zehnt einzubehalten. –
Das Liber Vagantorum scheint ein schönes Buch zu sein – schweins-ledern eingebunden und aus hauch-feinem
Ziegen-Halb-Pergament und illustriert mit 28 Miniaturen am Text, und je in der Initiale ist ein typischer Vertreter einer Bede
dargestellt mit seinen Abzeichen und Trachten - der Cyriax-Bedeler hat es sich auswendig-lernen dürfen, sagt der. Wird jemand nämlich neu ein Bed-Nehmer oder wechselt das Fach, bekommt er vom Wigbold-Rat oder Kirchen-Ältesten-Rat
eine Ausstattung Kenn-Zeichen gestellt – im Wechsel – wehe, er gibt sie anderen! – instand halten muß sie jeder dann selbst. Seit den Zeiten des Isernen Kaisers Karl des Großen gibt es diese Art Bede-Kategorien, alle Gemeinschafts-Leistungen, die an
Ort und Stelle im ganzen Reich erhoben werden dürfen, sind bemessen. Das heißt, die Lieben Landes-Herren - bei erster Auffahrt in ihre Rechte - bekommen natürlich ein besonders teures Gewand als
Präsent – abgesehen von den un-bemessenen Fälligkeiten. –
Man ist ja schließlich wer und wenn es gefällt, tragen sie freiwillig Reklame. "Wess' Brot ich eß, dess' Lied ich sing." Der Umfang jeder Bede ist genau festgelegt in Höhe und Dauer. Zum Beispiel, wenn ein Nachrichten-Bote auf dem Wege
verunglückt, hat er Recht auf Beistand aus dem nächsten Ort, in ein Haus gebracht und ernährt und gepflegt zu werden, bis
1-Jahr-und-Tag – das ist zur Zeit eine Frist von 1-Jahr-6-Wochen-3-Tage. Bis dahin muß er gesund sein oder jemand soll ihn abholen und heimbringen. Dehnte er diese Bede danach auch nur um einen weiteren Tag aus, dürfte jeder ihn totschlagen.
Das muß alles eine Grenze haben. Auch die Ehrwürdige Mutter Abbatessa v.Hervurth und Seine Eminenz der Bischof v.Münster, auch der Künning natürlich ist
Bed-Nehmer, denn jeder von ihnen hat im Land verteilt seine Residenzen und Pfalzen, sowie jederzeit Einreit-Recht bei jedem
eigenen Untertanen, lebt also auch direkt aus dem Gemeinsamen vor Ort - es spart Wege, den Zehnt je hinzuschleppen und dann
wieder all das Lebens-Notwendige aufzupacken, wenn man umher-zirkuliert und nach seinen Gütern sieht. – Darum haben sie
ihre Straßen immer am liebsten so je 1 Tages-Strecke weit beieinander und dazwischen ihre Gerichts-Stätten. Aber auch das betrifft eine fest abgemachte Zeit und inhaltliche Menge, was im Normal-Fall zur Verfügung stehen wird. Ob es im Krankheits-Fall eine Grenze gibt, die der Künning als Gast nicht überschreiten dürfte, ohne seine Unverletzlichkeit zu
riskieren, wird allerdings höflicherweise wohl nicht aufgeschrieben – oder wenn, dann sicher nicht hier in dem Gesetz. –
Dies Recht auf Pflege kann ein Landes-Herr an einen Stell-Vertreter abtreten, aber nicht dadurch mehren, indem er etwa dann
nochmals selber kommt. Ebenso könnte er einen Gast stellvertretend für sich wohin einquartieren. Es scheint sich um so etwas zu handeln, daß wohl der Hohe Herr v.Brabant krankheits-halber in Grave Eberwyns Lehen hier in
Pflege gebracht wird, weil es das nächst-gelegene zu seiner Verletzung ist. –
Alle sind total gespannt, was los sein mag – es fehlt ja das ganze Gefolge! –
Schon während sie sich niederwerfen und nach den Münzen schauen, geht das Rätsel-Raten los, was dieser Gast zu bedeuten hat.
Kommt gleich noch ein Verfolger? – das wäre schon vom Berg gesichtet worden und der Not-Ruf geblasen. –
Suchen sie Asyl? –
Nein, dann wären sie unverzüglich zu der Insel abgebogen in die Welle unter der Pastorat. –
Hat man sie überfallen und ihres Geleites ganz beraubt? – ist er bei einem geheimen Treffen oder Jagen unerwartet erkrankt? –
wozu dann der päpstliche Herold? –
Es wird wohl ein eiliger Rechts-Fall vorliegen –
Testament! - für so etwas rufen viele die Frei-Gerichte hier an. –
Man steht noch ein wenig herum und beküert es, aber als dann kein Buern-Bote loszieht, die Schild-Freien irgend-eines Rechtes
zusammen zu rufen, verstreut sich das Volk. –
Es ist schon verwunderlich, daß die drei Herrschaften schon binnen zwei Stunden wieder weiter geritten sind, ebenso eilig wie sie
kamen und auf einem anderen Weg als sie kamen, noch vor Mittag – das kleinst-gültige Villicaten-Gericht des Ortes war eilig
zusammengerufen worden und der Geistliche Herr Pastor Tiderik wurde noch vom Meßner geholt. –
Aber von diesen ist nachher kein Wort herauszulocken, um was es gegangen ist und ob das da der wirkliche Herzog v.Brabant
gewesen ist – manchmal tun sie nur so mithilfe eines Doppel-Gänger, um bestimmten Nachstellungen zu entgehen. Der echte
müßte doch Kanzlei-Beamte und anderes Gefolge dabei haben – oder? –
Daß es der 4.Augst ist, hat sich der Geistliche Herr Kaplan dann auch sogleich in sein Buch geschrieben. Zu Colnaburg beging
man heute den Sünt Protasius-Tag, Sohn der Hilligen Martyrer Vitalis und Valeria, Bruder des Hilligen Gervas – welche Gräber
noch Sünt Ambros selber auffand – und die Prediger-Brüder gedachten zu Münster und Coesfeld und besonders an der
Hochschule zu Bologna ihres Ordens-Gründers Dominicus Guzman selig. Für andere wieder ist es der Tag Justin, das Fest Sünte Nazaro-Mutter Perpetua Eh-Gespons des Africano, die noch bei Sünt
Apostel Petrus selber in Rom für die Kirche gewonnen worden war und mit ihm hingerichtet wurde – zu Romaburg - und es ist
dort auch die Vigil von Maria ad Nives - ein guter Tag für Vorgänge, die mächtige himmlische Bürgen und eine gute
Tages-Meinung benötigen. –
Er stellt sich auch eine heimliche Testaments-Änderung im letzten Moment vor. Weil Jan-Hendrik ja erst kürzlich erfuhr, daß die Hilligen Drei-Künninge auch sehr wichtig für diesen Ort sind und der Iserne
Kaiser Karl selig immer noch auch – aber da war es schon festgelegt, daß das Weihnachts-Mysterium nur die Geburt anzeigen
soll, fiel ihm was ein und er zeigt es seinem Lieben Herrn Meister: es ließe sich doch so herum klappen, daß zu dem
Geburt-Jesu-Bild die linke Seite mit Gericht und Kreuz-Weg noch Raum für viele Leute bot, die andre Wege gehen – da könnte
man – "...seht mal - so drei Weise aus dem Morgen Land – wie die Drei aus dem Moor-Meer-Land wie damals, als sie so eilig
vorüber-kamen - wenn die sich zuerst oder zuletzt noch einmal treffen - wenn die zur Hilligen Krippe anreisen?" –
Und eben – diese Ente, welche er schon seit der Ankunft fertig in der Welle vor sich sah, einzeichnen. –
Kann sein, daß noch heute ein Vogel zu höchsten Höhen aufbrechen wird? –
Enten sieht man es überhaupt nicht an, daß sie das könnten. Also ein denkwürdiger Tag. =***=
"Saht Ihr das Speculum maiale des Kollega Vincentius vBeauvais in der Kathedrale von Chartres, wie er das
Querhaus-Fassaden-Programm angelegt hat?" - hört Jan-Hendrik den Ehrenwerten Groß-Meister Robert mit seinem eigenen
Lieben Herrn Meister reden. Er war am Schüöp'n Berg Stein-Bruch und sucht Steine in bestimmten Natur-Farben, weil sein
Vorrat an gelb-weißen, getönten deckenden Pastell-Tönen zuende ging - und sowieso, das gehört zum Fach, daß man jede
Gegend, in die man kam, auf farbige Mineralien absucht. Große Farben wie Türkis, Saphir, Smaragd würden ja im Edelstein-Handel durch Mäzene der großen Meister gekauft und
besondere Erden wie für das Gewand des Erlösers beschafft der Auftrag-Geber oder die Werkstatt – doch das alles ist teuer,
eventuell hat man ein Bild falsch berechnet und kommt mitten in einer Figur mit der Farbe nicht mehr aus. Dann kann es passieren, daß sein Herr Meister völlig entnervt durch die Gegend rennt – herum-schreit – Pinsel und Stift in die
Ecke feuert – brütet – tagelang nicht mehr ißt und dann wochenlang halbwegs die Lust am ganzen Objekt verliert, weil er an
dieser einen Partie das nicht hatte, was er im Geist ja schon fertig gemalt vor sich gesehn hat. –
Als kluger Novize der schönen Künste hat ein Stift wie er dies seit Jahren mit Erfahrungen anderer Werkstätten-Helfer verglichen
und gelernt, frühzeitig aufzupassen, wenn es an die Beratungen der Meister betreffs der Programme ging – wenn das Konzept
soweit gereift war, daß die vorgegebenen Bedingungen eines Auftrags zu überblicken waren: Thema, Mal-Technik,
Qualitäts-Stufe, zu gestaltende Flächen, vorgegebene Räumlichkeiten und Licht-Verhältnisse, Platz für Sonder-Wünsche,
Großzügigkeit des Bestellers, was es kosten dürfte – und natürlich verfügbare Zeit. Er unterhält sich gern mit einfachen alten Werkstatt-Helfern, die selber nicht malen, aber zum Beispiel als Lauf-Boten eines
Meisters davon leben, diesem dies und das zu besorgen, wenn er in seiner Haupt-Werkstatt ist.
Er nimmt ihnen – sowie er Gelegenheit dazu findet, einfach für einmal mit-Satt-Essen ein paar weite Fuß-Wege ab, nach dem
Motto: "Verpustet Euch ein bißchen, werter Gesell - ich hab die jüngeren Beine, sagt mir nur, was ich sagen soll und ich hole es
rasch." –
Von diesen erfährt er eine Menge Besonderheiten, die außer ihnen keiner kannte. Einige feinere Herrchen, die sich um die Schilderer-Gaffel bewarben, hielten sich immer nur um den Meister auf, um abzusehen,
wie er den Pinsel führt und warum er dies oder das so macht. Jan-Hendrik weiß längst, daß es vom Material des Pinsels und der Vermalbarkeit der Farbe abhängt, wie man den Pinsel
zwangs-läufig führen muß, damit man überhaupt voran-kommt. –
Und da gibt es Meister, die Hunderte von Pinseln immer bereit-zuhalten wünschen und deren Stifte greifbar - damit bepackt wie
die Esel - zur Hand herumlungern müssen. Besonders die armen Kerle, deren Hütte auf al fresco spezialisiert ist, wo es immer eilt
und nach dem Trocknen nie mehr zu korrigieren ist, beneidet er nicht – bei denen ist es auch immer feucht, bis die Wand fertig
ist. Sein Lieber Herr Meister hat eher weniger Werkzeuge, aber die, die er hat, hütet er gegen jedermann und pflegt sie selber – er
sagt, das sei sein A und O. - Seine Pinsel sind nur fünf in verschiedenen Größen, vier von gleicher Art und einer speziell borstig.
Jan-Hendrik besitzt selber auch schon einen, mittel-groß, mit fein auslaufender Kante und bequem kurzem Stiel, der war seinem
Meister mal abgebrochen und da durfte Jan-Hendrik ihn haben. -Er hat es gut mit der Hubertschen Erfindung, Tempera mit Öl zu
verehelichen und auf tragbaren Holz-Unterlagen in manierlicher Größe viele Bild-Strukturen teilweise auch anderswo als am
Ziel-Platz fertig-stellen zu können. Gelegentlich hat er schon Toveln begleitet zu Kloster-Bruder Jaccobus, der die zierlichsten Kräuter zu malen versteht, aber nicht
mehr so gehen und stehen kann, oder zum Zütphener Roß-Maler Otho. –
Und noch etwas weiß er: Eine Nadel versteckt man natürlich nicht im Heu, wo sie durch Pieksen auffallen könnte, sindern im
Nadel-Kissen! Selbstverständlich übernimmt die Maler-Hütte solche Arbeiten wie das Einfärben und Streichen von Kisten und Wand-Paneelen
auch. Wegen der Zölle und Räuber-Gefahren läßt sein Meister das Vergolden mit Blatt-Gold oder das Versilbern aber nur bei
einem bestimmten Gold-Schmied nahe von Antwerpis besorgen, der es hinterher raffiniert so mit gefärbten Ei-Häutchen
überzieht, daß es wie ein ocker-farbig stumpfer Bereich gemalter Sand-Böden wirkt und als sei es ein fast fertiges billiges
Möbel-Brett oder für irgend-eine Bürger-Stube die gewöhnliche Zimmer-Vertövelung, verziert mit ein paar Ranken. – Das
Geheimnis daran ist, daß diese Ranken so liegen müssen, daß es bei umgedrehtem Brett auch benötigte Linien des später
bezweckten Gemäldes sind. Schon die Grenze des zu vergoldenden Gebiets liegt dann fest und Änderungen des darzustellenden
Inhalts müssen notfalls genau da hinein passend umspielt werden mit so Tricks wie zusätzlichen Hügeln oder
Horizont-Überschreitern oder Kopf-Putz-Varianten.
Jan-Hendrik ist inzwischen Spezialist geworden für die Beschaffung preis-günstigerer bereits grundierter Bretter, die jemand
bestellte, aber plötzlich nicht braucht. Man kann ja nicht einfach jedes Holz nehmen. Es muß abgelagert und ohne Risse getrocknet sein, dann erst geschnitten, damit es
sich nicht nachher biegt, und schreinerisch lückenlos durch Sicherheits-Kerben verfugt, dann wird manchmal beste Leinwand
einer-seits darauf mit Holz-Nieten gleichmäßig verspannt angenagelt und blasen-frei aufgeleimt - anderer-seits ist die Tovel dann
schon bemalt und so kann man beide Seiten zugleich fertig haben. Das alles braucht immer wieder Zeit, zuletzt wird der Mal-Grund mit ihrer kalk-haltigen Spezial-Tünche grundiert. Die ganz großen Meister lassen mitunter mehrere herstellen, wenn ihnen eine Änderung einfällt. Herzog Philipp v.Burgund zum Beispiel feilscht da nicht herum. Wenn Jan-Hendrik schon angefangene Toveln besorgt, wo schon die oder jene Ranken oder Linien drauf sind, freut sich sein
Lieber Herr Meister. Dieser mag es nämlich sehr, sich von vorgegebenen Zufalls-Linien her inspirieren zu lassen. Als er einmal besonders mitteilsam war, der Liebe Herr Meister – unterwegs kommt das ab und zu vor, wenn sie wegen einer
Verlegenheit irgendwo fest-stecken und gar in Lebens-Gefahr sind – hat er Jan-Hendrik erläutert, daß jemand von seinem
Talent-Profil, der sich sehr gut mit Symbolen und Zahlen und Maßen und dieser ganzen wunder-schönen Theorie auskennt, ein
Problem hat, einen richtigen Baum so auf ein Blatt zu zeichnen, daß man ihm den Baum glaubt, daß also so einer sich in
manchem selbst etwas ausdenken muß, um einigen Pfiff in die Gestalten zu bringen.
Einer kann noch so viel über die verschiedenen Baum-Arten wissen, ihre Blatt-Formen, Farben, Stamm-Dicke und so – er wird
ihn dennoch nicht mithilfe des Wissens richtig darstellen können. Er saß oft genug neben anderen Malern, deren Baum wurde eine Eiche, sogar wenn sonst nichts daran stimmte, die Blätter vom
Wein-Stock und der Stamm von der Linde war. Irgendwie sah denen ihre immer echter aus als die, die man gemeinsam abzuzeichnen als Aufgabe bekommen hatte. Jan-Hendrik habe nämlich dieselbe Begabung für das, was Gelehrsamkeit einbringen kann – meinte der Liebe Herr Meister
damals – und deshalb auch dieselbe Schwäche mit dem selbständigen zeichnerischen Schwung. Deshalb hält sein Lieber Herr Meister sich auch eine kleine Schar begabter Heim-Arbeiter, die irgend etwas sehr gut konnten –
etwa ein Genie für zu malendes Glas, einen für Bild-Brokate, einen für gemaltes Pelz-Werk, für Füße, einen für Tuche
verschiedenster Qualität, und einen für Edel-Steine - und betreffs der Gesichter und Tiere arbeitet er gern mit
Pergament-Papier-Kopien, die ihm erlaubten, ein ihm einmal schön gelungenes Gesicht mehrmals in verschiedene Szenen
einzupassen und – wenn ein Besteller sich dorthin nicht etwas Bestimmtes wünscht, es auch noch ganz wo anders zu verwenden.
Er hat ihm sogar versprochen, bei diesem Bild auch noch das Kopieren in verschiedener Größe beizubringen.
Dafür besitzt er so eine komische Art von Scheren-Gitter, mit am Ende einem Storchen-Kopf, woran man den Skizzier-Stift in
verschiedene Löcher des Schnabels stecken kann, wobei der dann größer oder kleiner das malt, was man mit dem Stachel am
anderen Ende sachte nachzieht. - Man muß natürlich aufpassen, dabei das Original nicht zu verschrammen, und das Gestell muß
dabei absolut ruhig liegen oder gehalten werden. Zig-mal hat er bei solcher Gelegenheit das Gerät dabei halten müssen, damit es
nicht verwackelt. Sie sind miteinander auf Leitern - von zwei Seiten zugleich und wer weiß wie hoch - in Gewölbe gekrochen, haben sich von
Galerien zu Fresken abgeseilt, sind in halb Europa fast berg-steigerisch in die hohen Fenster gekraxelt, um schöne Beispiele aus
der Glas-Malerei zu holen oder sie machten schritt-weise zehn-fache Vergrößerungen aus Miniaturen, die man sie nur einige
Stunden und unter strenger Bewachung anschauen ließ oder sie verwandelten andersherum große Mosaiken schritt-weise in
Miniaturen für Stunden-Bücher. Dann blieben von der Zwischen-Größen immer mal Skizzen übrig, die Jan-Hendrik sich zum Lernen nehmen durfte. So hat er
sich besonders die handlichen kleineren gesammelt, sie sich nach und nach auch aus Farben-Resten farbig gestaltet, manchmal
hat ihm der Meister oder ein Geselle etwas genauer gezeigt. Jan-Hendrik selber war nie auf der Mal-Akademie, wo man systematisch Aufgaben zu lösen bekam, aber alle sagten, das A und
O sei dann doch das Kopieren und daraus begreifen. Also noch ein A und O. Kopien konnte man manchmal verkaufen und war sie dann selbst leider los. Aber der Kasten mit Skizzen war sein eigen und den
hütet er gut und weiß auch genau, wie man diese Verkleinerungs-Dinge herstellt. -Neuerdings haben sie auch einen magischen
Kasten, der bei gutem Sonnen-Schein durch ein kleines Loch ein Haus oder Land auf ein dünnes Halb-Pergament abspielt. Das
nutzt sein Meister, um Maß-Stäbe zu vermessen und Proportionen zu berechnen – das ist gar nicht so einfach.
Er sagte, früher – vor der – bewahre – geschwinden Pestilenz – da lebten die Meister der Bau-Hütten, die sich auf alles
verstanden, was den Lauf der Gestirne, die Zeiten und die vollkommen richtigen Zahlen betraf, die bauten dir ein Gewölbe, wo
man sich auf eine Stelle setzen konnte und flüstern und im ganzen Saal verstand jeder es ruhig und klar, kein Zwischenhall
verdarb die Choräle der Chöre und zu jeder Tages-Zeit fiel von irgend-woher etwas Sonne und besuchte die Böden, Wände,
Säulen, Bilder, Statuen und Altäre gemäß der Planeten-Stunde. –
Und die mit der Sonne wandernden Licht-Flecken und Schatten der Formen zeigen die Heils-Geheimnisse zu ihrer Stunde und
Jahres-Zeit an und erwiesen viele Bau-Elemente als etwas Anderes als man dachte. Sie liebten Den Herrn, Der diese Erde und
Himmel so zuverlässig geschaffen und den Menschen befähigt hat, all so etwas zu bemerken, zu berechnen und vorher zu
erwarten. Der Meister kannte - als er noch ein Junge war - noch einen ganz alten Überlebenden der Bau-Hütte Avignon, der ihm viele-male
aus jenen Tagen erzählte. Aber lehren konnte er es ihn nicht mehr, er hatte da nur gearbeitet, aber nicht zünftig gelernt – doch
drauf bringen konnte er einen, auf was alles geachtet wurde, und was der Effekt mancher Maßnahme war, weil er es auf
Anweisung hin viele-male gemacht hatte. Immer hat der Meister sich seitdem dabei Notizen gemacht über Zahlen, Winkel und Maß-Verhältnisse dessen, was besonders
schön war, wenn sie herrliche Bauten besuchten. Oft hielten sie dann inne und seufzten vor etwas so Schönem, wie sie es nie
selbst zu erfinden begnadet worden waren. Aber der große Lehr-Vater Hubert selig, der keine eigentliche Ausbildungs-Hütte führen wollte, der hat Jan-Hendriks Meister
geliebt und sogar ihn, den Knirps Jan, mit dabei sitzen lassen, wenn er von einigen ihm gut gelungenen Werken schwärmte. Noch kurz vor seinem Tod hatten sie ihn besucht und da war er schon sehr sehr krank, und er bat sie, zu seiner Memorie – jedoch
nirgendwo geschrieben – in seinem Sinne ein Werk zu malen, wo auch immer das nächste bestellt wird, sowie er im
Himmel-Reich ist – er werde bei ihnen sein und alles zu fügen helfen, falls Der Meister der Meister im Himmel ihn läßt. – Dann
döste er etwas vor Schwäche - dann fuhr er hoch und faßte den kleinen Jan-Hendrik am Arm, was diesen ganz schön erschreckte
– und sagte dringlich: "Kind sei vorsichtig mit dem zu Roten und dem zu Grünen – darin lauert der Tod – versuche, es nie mit den
Händen zu berühren - laß es nie an Essen und Trinken heran oder als Fleck auf dem Kittel - laß nie Kleine dran rühren – und
rette als erstes die Farben, wenn's brennt - die, die brennen, vergiften – meine neue Mischung brennt sehr, gibt gut acht, stell
nicht zuviel auf Vorrat her – ach-ach" – jammerte er dann – "es gäb noch so vieles, was du unbedingt wissen solltest - und nun
weiß ich's allein, aber werde schon abberufen." – dann schwieg er wieder, aber ohne zu dösen – er bat, ihn ein wenig zur Seite zu
drehen und winkte dem kleinen Jan-Hendrik, näher zu kommen, und dieser hockte sich also dicht vor jenen, ans Kopf-Ende hin.
–
Sie hatten ihn schon in die Lade gebettet, worin er begraben würde, denn dort war gerade ein Groß-Brand gewesen und es gab
keine bessere Wohnung – und er hatte ja keine Schar Gesellen um sich gewollt, daß sich viele um ihn in der Krankheit gemüht
hätten – sein Bruder Meister Jan war unterwegs über See und noch nicht zurück zu erwarten. –
Einen Geistlichen Herrn mit dem Hilligen Sakrament ließ er zu sich bitten, und einen Beicht-Minoriten, und machte Dem Herrn
seine Sache bereit. –
In jener Nacht lebte er dann noch ein paar Stunden und ließ sich aus dem Buch Lied der Lieder Salomonis etwas verlesen,
lächelte hüstelnd, wenn die Vorlese-Jungfer mitunter stecken-blieb und errötete. Er sagte leise, da sei nichts zum Erröten, denn es besinge die Liebe der Seele zu ihrem Erlöser. Dann sprach er wieder zu Jan-Hendrik, der sich nicht zu entfernen gewagt hatte, seit er ihn rief. Seine Augen begannen zu dunkeln, er erkannte ihn nicht mehr, und er sagte: "Magdalein, Mädchen – gewiß doch, Ihr seid es –
mein Lieb. Habt Ihr euch alles gemerkt, was ich sagte?" –
Jan-Hendrik wußte nicht, was er sagen sollte, aber sein Lieber Herr Meister gab ihm den Wink, einfach mit: "Ja mein Herr." zu
antworten und jener fuhr fort: "Zeig mir deine Hände. - Mit den – behüte - Daimonen, den sieben Daimonen – weil ihre Bosheit
vergeblich ist und sehr traurig: geh nicht auf sie ein und ahme sie niemals nach, und wenn du sie gestaltest, verspotte sie nicht. Auch gefallene Engel sind Engel – auch gestürzt bleibt am Fürsten der geborene Fürst." Ja, und dann streckte er sich noch ein bißchen und lächelte freudig und entschlief mit dem Blick. Jan-Hendriks Lieber Herr Meister hat damals ganz andächtig dieses Lächeln skizziert und später hat Jan-Hendrik es für sich
abkopiert und diese Worte darunter geschrieben und darüber "Mein Stern". –
=***=
Und nun endlich ist die Gelegenheit gekommen und sie dürfen unter Ober-Aufsicht des großen Meisters Robert ganz alleine
diese Tovel bemalen, es stünden gute Mäzene dahinter und sie bräuchten für's erste mit den Kosten nicht zu schüchtern zu sein. Sie haben lange miteinander von Meister Hubert selig gesprochen, die Meister, und beschlossen, es sollte versucht werden. Auch
der Bruder des Seligen habe sich einverstanden erklärt, auf diese Weise ein Denkmal zu setzen. Er selber werde das begonnene Werk in Gent fertigstellen, dessen Innen-Seiten noch warteten. Dieser Altar bekam 3 große Toveln, im Verhältnis 52 zu 38 in Umrahmung von 5 – sodaß beim Schließen die Mitte 10 Einheiten
weit zwei Bilder trennt, doch beim teilweisen Öffnen das in diese Mittel-Zone zu malende Kreuz noch überdeckt ist. Das
Mittel-Schild wird also 2 mal 38 plus 10 =86 an Breite haben – 10 Fuß. Wenn es in Gebrauch ist, wird es direkt auf den Altar-Tisch montiert, der also wie eine Kammer vom Innen-Bild umhüllt wird,
deshalb wird innen-seitig der Himmel mit Blatt-Gold belegt sein und hat das goldene, in Kerzen schimmernde Himmels-Licht und die Passions-Geschichte enthalten,
"Jesus der Neu-Mond", wie das Evangelium Johanni beginnt, gehört auf die kostbarere Leinwand-Grundierung - denn den
Neu-Mond sucht man im Westen am Abend und den Oster-Termin ermittelt man durch den Voll-Mond im Frühling. Beider-seits nach Außen wird man dann normaler-weise zur Linken - auf der Nord-Seite sitzend - auf das Geheimnis der
Empfängnis schauen, vor blaue natürliche Himmels-Farben gestaltet –
Empfängnis bis Geburt liegen immer nach Daten des Sonnen-Jahres fest - und rechter-hand auf das Geheimnis der Geburt des
Heilands, in ähnlicher Manier aus der Süd-Seite her schauen. An den besonderen Feier-Tagen Mariä Empfängnis 25.März und Hillige Drei-Künninge 6.Januar und Sünt Annen 26.Juli wird
eine Seite dann ganz aufgeschlagen und die andre geschlossen, das verwandelt dann diese ganze Szenerie in erhöhte Konzepte –
das muß beim Passions-Bild in allen Punkten berücksichtigt werden. Zwischen Weihnacht und Neujahr würde er dann beider-seits geschlossen der ganzen Gemeinde die Freuden Mariens erzählen,
weshalb diese Szenen sehr groß-figurig zu halten sind und es soll deutlich gemacht werden, aus wie guten Verhältnissen heraus
die Hl Jungfrau kam und dann doch bitter arm ihren einzigen Sohn gebären sollte – welches aber ein Anfang bedeutender Dinge
wurde, Gründung einer ganz neuen Kirche. Ab dem Licht-Meß-Fest 2.Februar für die Septuagesima-Periode siebzig Tage vor Neu-Jahr Ostern wird er dann vollständig
aufgeschlagen zu betrachten sein, denn da gedenkt man schon des Gebetes Jesu im Ölie-Baum-Garten und der angekündigten
Passion, und nach Quinquagesima der Geißel-Säule, des Hilligen Antlitzes im Schweiß-Tuch der Veronika. Tags darauf wird die Fasten-Zeit begonnen und mit einem Hunger-Tuch, das dieses Antlitz zeigt, das ganze Bild völlig verdeckt
und das große Prozessions-Kreuz dahinter erhöht bis zur Oster-Nacht. Dann wird das Bild wieder als Goldene Kammer des Hl Altares gestellt. Also wurde zunächst der Altar nachgemessen und der Herr Meister hat diese Maße beim Bild-Schreiner bestellt.
Zum Vergolden muß aber der Herr Meister mindestens das Konzept und das Programm schon fertig vorberechnet haben. Deshalb ist Jan-Hendrik hoch aufmerksam, wenn er mitbekommt, daß irgendwo sein Meister auf Ideen-Safari ist und
fach-bezogen mit einem Großen plaudert. Darum sammelt er auch jetzt gerade die Gesteins-Proben ganz in der Nähe von da, wo sie heute herumspazieren, denn der große
Meister Robert wird höchstens drei Tage verweilen. Wenn sie jetzt über Chartres reden, ist er schon richtig – von der Kathedrale zu Chartres geht immer noch das Geheimnis des
Maßgeblichsten aus. Natürlich wünscht jeder der Fahrenden sich, einmal selber die Kathedrale zu sehen. Sogar er hatte das Glück, daß ihn letztes Jahr sein Meister dorthin mitnahm und erfuhr die Geschichte des wundervollen Hauses
G"TTES dort:

Seit der Zeit Kaiser Constantins sind dort Christen, und dort gab es die besondere Plage vieler Brände der ursprünglich
mehreren kleinen Kirchen von Chartres am Haupt-Platze da: familiäre Toten-Kapellen. 
Anno 743 im Jahr nach der Geburt des Isernen Karl des Großen legte Hunald Herzog vAquitania dort sogar mit Absicht
einen Brand. Nach erneutem Groß-Brand anno 858 legten sie die kleinen Kirchen und Kapellen vernünftig zusammen und
errichteten eine neue Basilica für alle durch Seine Eminenz Fulbert Bischof v.Chartres. 
Anno 876 bekam dies schöne Werk die Christi Geburts-Tunica "Sancta Camisia" Mariens aus Aachen in einer
wunder-lieblich festlichen Translatio - das purpel-bräunliche schlichte Gewand, das sie bei Geburt Unseres Lieben
Heilands Jesu angehabt habe, durch Kaiser Karl den Kahlen nach Chartres: anno 1134 ist es trotz großer Feuers-Brunst
nicht verbrannt. - Seitdem halten sie dort jährlich die Marien-Miss ab und wurden wohl-habend im Ort. 
Anno 1145 bekam der Turm eine hohe Nadel-Spitze zur Krönung - damit Händler und Käufer schon von weitem hierher
sehn und kommen, doch muß in dieser kühnen Leistung wohl zuviel Menschen-Stolz gelegen haben, denn schon anno 1194
verbrannte außer der Krypta mit der Hilligen Tunica und den West-Türmen diese ganze Basilika. –

Da überstand dies Feuer auch noch die Bau-Plastik Künnings-Portal-Gruppe mit Melchisedek, Abraham, Moses und
Samuel und das Fenster Notre Dame de la belle Versière aus anno 1150. 
Das große Unglück tat den Menschen damals aber überall leid und man gab, was man konnte, zum Helfen. Der völlig
verarmte Künning Richard Löwen-Herz spendierte, weil er nach seiner Geiselhaft in Deutschland Anderes nicht mehr geben
konnte, den Sammlern für den Wieder-Aufbau wenigstens seiner Reisigen Geleit. 
Das Meiste wurde zwischen 1215-1240 gespendet, anno 1220 stand dann das neue himmel-ragende Mittel-Schiff, bis anno
1260 zur Weihe alles. - Besonders herrlich wurden dort die Fenster. Der Erzbischof v.Canterbury stiftete eins dieser
Fenster, Lanzett-Formen und Gaffel-Medaillons kamen köstlich hinzu - Fenster umfassen hier sehr viel Glas, es sind gute 81
mal 81 mal 3 Fuß an Fläche - die schimmernd riesige und doch geheimnisvoll gegliederte West-Rosette und die drei Fenster
darunter sind die Schönsten der Welt, und dazu eine verschwenderische Fülle an Skulpturen, am Nord-Portikus, das
Mittel-Portal und so fort – dies gibt es vielleicht nirgends - es sind bestimmt 10.000 Figuren am und im Haus und das ganze
hohe Strebe-Werk hinauf – alles Dank und Hoffen der Beter zu verdanken. All so etwas zu hören und darüber mit andern zu reden, geht lieblich an ihn, wie Honig und Milch.
Wer an solch einem Werk hätte mit werken dürfen! - Also darüber sprechen die Meister und Jan-Hendrik paßt auf:
"Nein, das Querhaus-Fassaden-Programm Speculum maiale des Kollega Vincent in der Kathedrale von Chartres, ist mir
letztes Jahr gar nicht so aufgefallen." –
"Dann solltet Ihr zumindest den Gedankengang erwägen. Die Passion soll ja hier auch gestalten-reich und viel-bedeutsam sein.
– Die nördliche Vorhalle - diese gestaltet in der mittleren Arkade den Spiegel der Natur: Speculum naturale, wie die ganze
Natur für den Menschen geschaffen ist und nun harrt der Erlösung – ist doch wegen der verderbten Menschen auch eine ganze
Welt davon-gewaschen worden – und es sprach doch Der Herr auch zu Jonas dem Propheten: Dich erbarmt des einen Strauches
- sollte Ich mich nicht erbarmen all der Menschen und des Viehs? - Da paßt im Übrigen sehr gut die Wurzel Jesse einer
Abstammung des Hillig Josef hin, mit seinen 14 Künningen aus Harfen-Spieler Künning David. –
Die rechte Arkade widmet er dem Spiegel der Gelehrsamkeit Speculum doctrinale: weil diese Natur zu haben einen Hilligen
Sünder wie Vater Adam nicht vor Irrungen gerettet hat, und so braucht es die Schule der Gebote. - Dahin zu malen oder stellen
eignet sich die Galerie großer Lehrer, angefangen - wenn ihr wollt, mit Noah, seit welchem nun die Abstammung aus einer Folge
Lehrer die Menschheit trösten soll für Zufälligkeiten einer Abstammung aus Eltern, was nicht immer so erfreulich sein kann: also
Speculum doctrinale. - Das kann man auch als Wurzel Noah parallelisieren durch die Lehrer-Kette Sünt Josefs, bis zum
Prophet-Sänger Moses. –
Und die linke Arkade befaßt sich mit dem Spiegel der Ethik und Gebote, vier Kardinal-Tugenden als Paradieses vier Ströme,
daraus fließend, sieben Sakramente, sieben Gaben des Hilligen Geistes, sieben leiblichen Werke der Barmherzigkeit und - eh –
sieben geistigen Werke der Barmherzigkeit: Irrenden den Weg weisen, Weinende trösten, Unwissende lehren, Zweifelnde
beraten, Einsame begleiten, sich mit dem Fröhlichen freuen – hm? - mh – also da fragt lieber nochmal Euren Geistlichen Herrn naja: also das ganze Speculum morale hat er in der linken Arkade. Und die südliche Vorhalle mit Nord- und Süd-Portal widmet er dem Spiegel der Geschichte: Speculum historiale, also da
kommen die nennenswertesten Ereignisse hin: Constantins Imperiums-Sieg an der Milvischen Brücke und seine Reichs-Taufe im
Sterbebett, Künning Chlodwigs so ähnliche Bekehrungsschlacht und dessen Taufe im Fluß bei Reims, Kaiser Künning Karls Sieg
und Herzog Wittekinds Taufe – all so etwas und die hervorragenden Hilligen." –
"Aber - darf ich unterbrechen?" - fragt sein Herr Meister. "Dies Tovel-Werk wird nicht die Abmessungen einer Kathedrale wie
Chartres erreichen – aber ich werde versuchen, an solche Hintergründe zu denken – die Verkündigungs-Situation – Hillig Geist
wird Dich überschatten - ist ja eine Art Schul-Vaterschaft und die Geburt Jesu als Mensch – zumal mit Ochs und Esel, welche
das Hillige begreifend sich bereits unbefugt zu berühren meiden, ehe der Mensch darauf kommt - ist ein Ens naturale - nicht
wahr? - Damit hätten wir zwei. Wie aber paßt sich das in die andere Regel: Nord-Seite Altes Testament – Süd-Seite Neues Testament – das West-Werk für das
Welt-Gericht ? - Einen Westen wird das aufgestellte Tovel-Werk ja nicht haben – aber – ja! - auf den Flügeln wird der äußerste
Teil sozusagen auf den Westen verweisen – ja! – da stell ich das Ecce Homo als Gerichts-Tagung hin. –
Doch ratet mir – wenn es Euch nicht zuviel Mühe bedeutet – wie arrangieren die Großen gegenwärtig den historischen Gang? Das mit den Schlachten und Taufen wird hier schon aus Platz-Mangel nicht zu malen sein. –
Und – ehrlich gesagt – Imperator Kaiser Constantin und Franken-Künning Chlodewig – das wird links der Ems im ganzen
Vechte-Bogen niemand gern verstehen. Aber Künning Iserner Kaiser Karl selig allerdings – so hörte ich in Abtei Hervurth – mag
schon an dieser Quelle hier gebetet haben. Es soll zunächst hier eine seiner Heer-Stations-Kapellen hier gestanden haben als Stätte eines Neben-Grabs des Hilligen
Bischofs Brixius – das Volk hat so geheißen, Brücterii - glaube ich. Die Lieben Damen v.Hervurth wollen unbedingt, daß ich den
Isernen Kaiser Karl selig an diesem Platz erwähne, wegen der Reichs-Unmittelbarkeit dieser Stiftung und seines Hilligen
Synods." "Oh, dafür gibt es eine gute Möglichkeit in anderer Anordnung: über-einander oder in bei-geordneter Szenerie: pro Thema eine
neu-testamentarische Begebenheit oder andere Hillige zu je zweien aus dem Alten Testament mit den Hilligen Juden wie die
Propheten, Künning David oder seiner Wurzel Jesse – und dazu je zwei Sybillen wegen der Vorbilder und Verheißungen aus den
Heiden." "Aber ich bitte Euch - Sybillen – ich weiß nicht – am Ende noch Aristoteles und Plato. Versteht mich – verehrter Meister Roberto – diese Menschen hier nehmen das alles sehr viel konzentrierter und verstehen sich
auch bei großer Rom-Treue in keinem Fall selber als Erben hellenischer Tage und Sehnsüchte – man singt an den Lager-Feuern
weder Homers Ilias noch die Odyssee, sondern eher noch denn Beo-Wulff und Thiderik oder Kundri-Lied - die hau'n mir solch
ein Gemälde höchstenfalls um die Ohren und entzieh'n mir die Pinsel, zumal sie dafür ja auch spenden und die sind,, die davor
zu beten vorhaben – und bald hüpft hier Jupiter noch hinter der Leda in Gestalt des Stemwertschken Schwans über die Tovel? –
In einer Kirchen Schildereye? Mit allzuviel Fremden auf einmal darf ich ihnen nicht kommen." Dabei funkelt er drastisch mit den Augen, worüber Meister Robert nun wieder lachen muß: "Bleibt so stehn, Herr Collega" - sagt
er - "dieses Bild muß ich haben!" - und schon zückt er den Notiz-Block, den er immer bei sich trägt und setzt sich zum Zeichnen
auf einen Findling, und darüber muß wieder der andere lachen, holt auch seinen Block heraus und sie zeichnen lachend einer den
anderen. Jan-Hendrik ist ganz stolz auf seine gemütlichen Herren Meister und prägt sich die Idylle gut ein. Noch ist er nicht reich genug, auch selber so einen guten Skizzen-Block zu haben. Er harrt auf die Blätter, die sie probierend
verwerfen, manchmal schon nach wenigen Strichen. Da-drauf malt dann er oder tut sie, wenn es ihm gefällt, zu denen in seiner
Kassette. "Zahlen-Werte: Pythagoras - ungerade ist vollkommen, weil unteilbar" fängt dann Meister Robert das Fach-Gespräch wieder an,
"wir sind schon drei hier auf dem Berge, also vollkommen." - und Jan-Hendrik soll nun zeigen, was er gelernt hat – sein Lieber
Meister nickt ihm zu, es fortzusetzen:
"Sag mir – was ist eins" - hebt er im Singe-Ton an –
"1 ist Der HERR und dies einmal und einzig, darin ist ER Der Meister der Meister der Schöpfung. –
1 und 1 sind die Hörner der Kuh, 2 sind die Brüste der Frauen," – er kichert ein bißchen genierlich - "das gibt Leben normal, 2
ist auch die von Begehren befleckte Paarung, 2 sind die Naturen Unseres Herrn Jesu Christi als G"tt und Mensch, 2 haben wir
der Testamente, das alte und Neue. –
1, 2, 3 erkennen wir durch den Hilligen Geist die über alles vollendete Trinität, darum sollen wir sie nicht als drei gleiche G"tter
zu malen versuchen. –
1 ist fest, 2 fließt, 3 strömt Dampf, 4 flammen, also 4 sind die Zustands-Elemente der Welt, so kommt jedes vom Festen
verschieden über flüssig und dampfig zum Leuchten. –
5 ist eine Hochzeit: 1 Braut und 1 Bräutigam, 1 Pastor, 2 Zeugen. 5 Bücher schreibt Moses. –
1 und 2 und 3 - das ist zusammen 6 und so: die Tage der Mühe der Arbeit vermehren das Brot. –
3 und 4 sind die Woche der 6 erbrachten Tage, da scheint der Himmel durch. Es wird ja kosmisch, so sind die 7-Gestirne und Töne schon kosmisch, jedes wandelt gemäß seinem Charakter vor sich hin und
unbeirrbar. –
8 durch 2 durch 2 durch 2 aber breitet sich auseinander bis zur eins, das teilt sich ganz aus, zu je zweien ent-zwei, das ist
Sonntag, die neue Woche, die nächste Epoche als Anfang der himmelischen Welt, und diese Acht ist auch das, was das Grab aus
dir macht, wirst du Staub. –
Aber 9 ruft aus dem Staube zusammen, was zu leben erwarb: 9 Monde trägt die Frau das Kind unterm Herzen. Mit Vigil und
Oktav kommt man zur 9 der Novene, 3 mal 3 wird vollendet wie Engel –
99 das sind 9 mal die 11 und heißt Amen. –
War das richtig, Herr Meister?" - endet Jan-Hendrik atemlos und mit strahlendem Blick. Meister Robert lächelt amüsiert, wie der Kollege seinen Jünger gedrillt hat. Seine bekommen es weniger kompliziert und lernen
mehr praktisch das Handwerkliche.
"Warum sind die ersten neun die Zahl aller Welt – weißt du das auch?" fragt Meister Robert, um nicht als weniger gelehrt
dazustehen wie der Kollege.
"Weil jede andere Zahl durch ihre Quer-Summe sich zu einer der neun bekennt, welches ihr Wesen sei?" fragt Jan-Hendrik
zurück. –
Das weiß nun aber Meister Robert selber nicht genau und möchte es aber nicht zeigen, nickt also, dem Geringeren das Wort
erteilend, wie es sich gehört, Jan-Hendriks Meister zu: "Drei, da kommt noch eins hinzu – siehst du drei, unter denen der Meister
die Mitte ist, siehst du die ganze Gesellschaft erschienen - weil 3 Mitglieder schon 1 Bund ganz vertreten, egal wie groß – und 3
sind 1 Gesetz findendes Gericht aus Richter und zwei Beisitzern - weil der erste und der Liebste zunächst des Meisters sitzend ihn
zum Wir aller charakterisieren – so zeigt die Trinität trotzdem nur Den Einzigen an als Den Meister. –
Ja, und dem fügen sich sogar die Stolzen, die nur mit sich selber teilen zu brauchen und mit eins" - führt er es routiniert fort - "da
sind die 10 Gebote das Höchste: die Summe aus 1+2+3+4 des Anfangs der Welt, aber als 2 mal 5 Finger des Leibs sinnvoll die
Erfassung auch der Geringsten der Menschen, 10 zu Häupten sind aber wider-sinnig wie Babels Hörner und der Medusa
Schlangen-Haupt – ihre Quer-Summe eins macht keinen Kopf aus den Hörnern. Nur das Haupt faßt wie 1 Brenn-Punkt
zusammen, was als ein Körper lebt, dann aber hat jedes seinen richtigen Platz in dem Leibe. Aber 11 ist wieder vollkommen, denn wenn die Finger dem Haupte gut dienen, führt es sie jeden besonders, deren Quer-Summe
2 bedeutet die Stände zwischen...?" –
Jan-Hendrik ergänzt fröhlich: "... zwischen Meister und Jüngern." –
"Stimmt. - Und auch 11 organisiert sich zuweilen als 8 Gesellen und 3.
Zu elft sind die 11 Sterne Josefs bei Sonne und Mond selig, zu dienen, 8/3 baut man den gotischen Chor-Schluß harmonisch zum
Goldenen Schnitt – 8 zu 5 wie 5 zu 3 sind die erwachsenen Menschen wie alle schönen Dinge proportioniert. – Übrigens HEEC
heißt hier der Nachbar-Ort, hörte ich, das ist: 8-5-5-3 der Zeichen des ABC – ein harmonischer Name. Mit einer Anzahl gibt man auch Namen an umd umgekehrt. 12-jährig kommt der Sohn voll-gültig in die Gemeinde, Quer-Summe 3 hat man dann auch bei 12 Söhnen: 12 Stämme Israel aus
Geburt der Natur, 12 Apostel Jesu aus Geburt bevollmächtigter Lehre, 12 bezeugen ein eigenes Reich. –
Hier kommt es schon darauf an, wie man sie verteilt: 12 als 11 Treue plus 1, der verriet - oder 12 als 1 Erster, der stürbe für
alle, wofür einer zurücktritt und gibt 2 Söhne. Und 12 als 8 plus 4 sind die Stämme der Zeit, 12 als 7 plus 5 eine volle Oktav aller Zwischen-Töne, die jede für sich eine
Harmonie führen, 2 mal 12 gleich 24 ist dies ganze Volk der Geschichte mit G"TT, die 12 des Alten Bundes plus die 12 des
Neuen Bundes, die 24 Ältesten aus alt und neu 6 mal 12 wird 72 Sprachen, sie trennen das große Volk der Adams-Welt, 72 zu 1 macht der Hillige Geist Jünger einig 144 gleich 12 mal 12Ellen lang wird die Mauer des himmlischen Jerusalem, das uns alle erwartet. 100 ist die Fülle im Geiste 1000 Jahre sind 1Tag ewig 144.000 ist 12Stämme 12 Monde 10Gebote 100 im Geiste willig - ist 1 - alle Hilligen. –
Doch 50 sind die Freuden der Tore des Lichtes, die sie durchquerten, am 50.Tag erdröhnte das Licht des Flammenden
Hilligkeits-Geistes im Abend-Mahls-Saal und erweckte die Kirche" Er holt Luft und fährt fort: "Wenn die 12 etwas Einiges tun, sind sie 13 Personen, nämlich ihr Wir leitet sie als ihr Meister,
genauso, wie ein wahres Ehepaar 3 sind. 13 sind die Maßstäbe der Barmherzigkeit, beim Beurteilen anderer sich immer noch zu
ihnen zu rechnen, sich nicht zu dispensieren vom Sünder. Dessen Quersumme ist 4 wie beim 22er Baum, dessen 10 Äste plus 12 Zweige stehn für die Prim-Zahlen eines Jahres-Quartals.
10 aus 5 plus 5 ist in Himmels Wirklichkeit rund, und das Gerade: 12 aus 4 Winden mal 3 Dimensionen ist Erde, in welcher der
Baum wurzelt, schon unter den Zweigen erdig erbräunend." – jetzt senkt er die Stimme für seine Besonderheit, die nicht jeder
schon weiß: "Im Alten Bund schrieben 22 der Zeichen sowohl Zahl als auch Namen als auch Zeit. - Das Geheimnis erfuhr ich in
Avignon von meinem Bau-Hütten-Eingeweihten: Nimmst du die Gruppe der Zahlen, bis du 22 Prim-Zahlen hast: 1A 2B 3G 5D
7He 11V 13Z 17H 19T 23J 29K 31L 37M 41N 47S 51Ej 53P 59Tz 61Q 67R 71Sch 73Thau – dann findest du Zahl 78 vor der
nächsten Primzahl 79. Dies umfassen die 22 Zeichen, und in vergangenen 78 Werktagen feierten 13 un-zählbare Herren-Tage Ruh, und so hat man
genau eines Jahres Quartal. – Versteht Ihr, was drin steckt in diesen unglaublichen Maßen von Avignon?" –
Mit normaler Stimme normal setzt er dann fort: "30 ist das Mannes-Alter für den Dienst am Hilligtum, 40 weniger einen die
Schläge der Stäupe, 40 die Tage der bestandenen Prüfung, 40 Fürsten und 30 Helden sind 70, das Landes-Gericht unserer
Älter-Männer. - 1/60 oder 60 vom selben macht ganz unähnlich dem 1, was war." Man merkt, daß er immer so fortfahren könnte, aber Meister Robert winkt nun lachend ab und sagt: "Freund, Ihr überfordert die
Menschheit! - Wie wollt ihr aus diesem ein Bild entstehn lassen, das noch einer versteht?" "Ihr habt recht – verzeiht, wenn ich abschweifte, aber unser Freund Meister Hubert van Aygk selig war ein großer Freund
solcher Wissenschaften – er sagte mir einmal, deshalb auch liefen ihm alle Schüler davon, besonders bestürzte ihn die
Verdammung der Templer im Konstanzer Konzil. Jene standen den Bau-Hütten Avignons nah. Doch weil er mit all diesem Wissen nicht sterben wollte, flehte er mich an, es zu übernehmen, auch wenn ich dessen Hintergrund
gar nicht verstehe – so tat ich ihm die Liebe und hoffe, irgendwem zu begegnen, der damit mehr anfangen kann."
"Das allerdings ehrt Euch, Collega, aber da habt Ihr Euch ganz schön was vorgenommen." - sagt Meister Robert und
Jan-Hendrik ist stolz, als er hört, daß der große Roberto seinen Meister Kollega genannt hat, auch wenn er nicht weiß, was es
heißt. "Tja," sagt Jan-Hendriks Herr Meister - "irgendwie bin ich es ihm nun auch schuldig, einiges davon in dieser Altar-Schilderei
zum Gedächtnis an ihn zu realisieren. Soweit es nur Zahl und Maß angeht, läßt es sich wohl machen." Und dann unterhalten sie sich über verschiedene Darstellungs-Fragen, etwa, ob man in einer gemalten Menge Bischöfe
kennzeichnen kann, die ohne Ornat gemalt werden wollen. Ein Bischof ritt Schimmel und trug auf Bildern vor 200Jahren oft
auch einen spitzen kegel-fömigen Hut, golden, mit weißem Aufschlag, in den Kirchen-Farben –
"jo - jo. Das müßte gehen". -Hier, wo eine Kirche Sünt Brixius neben einer Kirche Sünte Brigida existierte, hatte man sicherlich
anno 1391 auch die Kanonisierung der hilligen Pirita sive Brigitta v.Vadstena, Witwe eines Land-Richters, vermerkt, die vor 54
Jahren starb und schon 18 Jahre später kanonisiert-hillig-gesprochen und dem Erd-Kreis zu Verehrung empfohlen wurde. Von den 5 roten Punkten an der Haube ihrer Nonnen, die an die "Fünf Hilligen Waffen Christi" – Seine Wunden – erinnern
sollen, kamen die beiden Meister nun auf Attribute der zu malenden Hilligen zu sprechen, was einem große Freiheiten gäbe, wie
man sie ansonsten darstellt. Zum Hilligen Blasius – also dem 2.Februar, passen zum Beispiel Schwein, Wolf, Kind oder 7 Frauen, die Blut aufsammeln, oder
vor dem Hals gekreuzte Kerzen, zu Sünt Ludgerus die Wild-Gans, zu Sünt Rochus ein Hund und kaputtes Knie - zu Sünt
Dominicus ein anderer Rüde und mit Stern, Pferde für Sünt Georg, Nikolaus und Martin - San Diego auch. Was, Sünt Jacobus maior mit Pferd? - Tja, doll nicht? - und Carolus magnus selig, und Herzog Widukind selig.... Meister Robert lacht plötzlich und erläutert dann, daß sich Baiern vom Königs-See, die er mal traf, dieses damit merken, daß sie
zwei Zeige-Finger kreuzen und sagen. "Die blas i us, dann bin i g'sund." Das Schwein steht aber auch manchmal für den Hilligen Abt Antonius, den Klausneren – also 17.Januar – der hier im
Roggen-Anbau-Gebiet sehr verehrt wird als Helfer der Roggen-Brand-Siechen in ihren Qualen und als Beschützer des Viehs. –
"Gab es nicht auch einmal einen Prozeß gegen ein Schweinchen?" – "Ja, ich erinner' mich, da war was – ich komm nur grade
nicht drauf. - Aber das hat noch Zeit." – Jan-Hendrik spitzt die Ohren. - Aber nix. Sie haben das Thema gleich schon wieder
verlassen. - Dafür kommen sie auf die obligatorischen Pflanzen zur Szene: die Lilie bei der Verkündigung wird zum goldenen
Lilien-Kreuz, den Cleven, im Triumph – dabei erinnert man sich, durch nur 3 sichtbare Ilgen an Ramsberg zu verweisen Veigelgen, Duft der Bescheidenheit erweitert das Blatt zum Lieb-Frauenmantel, der Gabe der Hilligen Groß-Mutter Anna für
Frauen - Löwenzahn, Bild des Lanzen-Stichs der Passion wird zum blauen Sonn-Wendel als auferstandenem Löwenzahn zur
verklärten Lanze – Weck-Holder wie im Heliand: die Jungfrau Kalinka immer-grün: es gibt keine männlichen Blüten an ihrem
Strauch, dennoch trägt sie die Beeren Juni-Perus - die Maien-Birken der Markt-Freiheit Eröffnung - die Frei-Linde vor eines
Schöffenbaren Haus - die Gerichts-Eiche der Fehme, und die Wurzel Jesse, der Wein-Stock der Verheißung spreitet die Reben
aus Isai bis Jesus – "Und Rosen-Stock – wie wär's damit?" - Sie flüstern einander etwas zu und schauen sich um, daß sie außer
Jan-Hendrik keiner höre. - Aber sogar der hört es nicht, was ihnen dazu einfiel, so leise reden sie das. Nun haben sie wieder ein Thema: soll man sie malen, die Wurzel Jesse, nach wem geht man vor?Zuerst war das in
Kloster Lorsch, im karolingischen Codex aureus gemalt, und in Alba Iulia Rumänien. –
Um Vater Abraham, Künninge David und Jechonja gruppieren sich da je 13 Vorfahren Jesu, also 39 – oder wie um die
Jahrtausend-Wende im Uta-Codex von Regensburg: alle Stamm-Väter bis Mariens Geburt Christi – oder wie im
Krönungs-Reliquiar Künning Wratislaws in Prag zeigt man 54 Halbfiguren ab Abraham, gegenüber-gestellt der Porta clausa –
dann vor dreihundert Jahren wächst es direkt aus einem schlafenden Jesse heraus laut Isaias, Kapitel Anfang 11, als Rute - das
heißt Virga, klingt wie Virgo, die Jungfrau - und samt Adam mit Eva plus Propheten gipfelnd im Christus Salvator mundi als
Weltenrichter oder Gekreuzigten – dann nach anno 1200, in der Decke von Sünt Michael Hildesheim, überzieht der rankende
Wein-Stock wie ein Dach die Gemeinde, so ähnlich wie in Sünte Constanza Kirche zu Rom – oder ab dem letzten Jahrhundert
mit dem Ziel in Maria mit Kind. –
"Ich weiß nicht" sagt Jan-Hendriks Meister dann, "mir scheint, das wird in einer Schilderei der Hillig-Grab-Lege zuviel. Man
kann ja anregen, daß sie den Wein-Stock ins Gewölbe malen – ein Rosen-Stock wäre dann auch nicht schlecht und der besagt
dasselbe Gleichnis Jesu, worin allerdings Er doch der Wurzel-Stock ist und darauf pfropfen sich die Hilligen der Kirche. Also ich
denk mir die Empfängnis körperlos gemalt als Sonnen-Strahl durch das halb geöffnete Fenster anzudeuten, aber nicht aus der
Höhe der Sonne her." – "Oder als Wind-Hauch – Hilliger Geist?" – wagt Jan-Hendrik sich ungefragt dazwischen. Aber sie sind
zu vertieft in ihr Gespräch. – Er beschließt, wenn, dann macht er das einmal. "Ich sah – ich weiß nicht wo, auf einem solchen Strahl die kleine Seele Jesu schweben statt der Taube" erwähnt Meister Robert,
ohne es eigentlich vorzuschlagen. –
"Das hat mit der Geistliche Herr Tiderik aber schon als einen Irrtum erklärt" antwortet Jan-Hendriks Meister bedächtig – " Im
Osten die Indier und ihre Nachbarn glauben ja an die Seelenwanderung, wonach ein Leben als Material betrachtet nicht nur
einem gehört, sondern nach dessen Tod wieder gebraucht wird vom nächsten, der grad geboren wird. Man solle es daher
pfleglich behandeln". - "Es meint ja nicht die Person" - sagt er - "welche sündigt und vor das Gericht kommt, sondern die
Materie und was sie betreibt, daher kann es uns gleich sein und falls wir malen möchten, wie jemand im Sterben seine Seele als
winziges Kindchen zur linken Schulter heraus oder im Atem davon-schweben läßt, das wär möglich. Betreffs Jesu aber gilt, daß
Er als direkter Sohn G"TTES weder eine schon benutzte Seele anderer braucht noch eine solche im Tode abgibt, denn geboren ist
Er vor aller Zeit und auferstanden und in den Himmel-Zustand gegangen ist Er immer vollständig. – Ich muß sagen, das hat mir
eingeleuchtet. - Wir sollten Jesus nicht nach den Üblichkeiten der anderen Menschen in Bildern malen. - Er hat gesagt, deshalb
soll ich dessen Gesicht auch auf keinen Fall aus den Hiesigen eines Mysterien-Spieles nehmen. Vor Hiesigen fehlt es leicht an
Respekt." - "Dann nehmt besser auch für die Allerseligste Jungfrau keins von hier – wie wäre es mit Kollega Hubert vAygks selig
Verkündigungs-Gesicht? - Ihr wollt sie ja groß darstellen, aber nicht allzu fremd." "Nun ja – die Kirchen-Ältesten beider-seits des Altares werden sie ständig vor Augen haben – eine westfälisch-niederländisch
mögliche züchtige junge Fraue – wie die Lauretanische Litanei sagt: eine geschlossene Pforte, ein Davids Turm, ein
wohlbewahrter Garten - wie in einem Flecht-Zaun geborgen, meint Ihr das? – Oh, da habe ich eine Idee." – er skizziert rasch
seine lesende Kloster-Jungfer in einer Zella, deren Boden er so kachelt, daß ein dunkles Zick-zack sich zwischen ihr und dem
Boten hinzieht wie ein Zaun. - Er lächelt ein bißchen spitzbübisch und zeigt Meister Robert den "Zaun" - "Engel oder nicht, sie
hat ja keine Erfahrung – Mann ist Mann – da bleibt sie vorsichtig weg und schaut ihn nicht einmal beim Zuhören an – aber spitzt
die Ohren - so, nicht?" - und er betont ihr Ohr, senkrecht in die Höhe gespitzt. - Meister Robert schaut hin und erwähnt: "Ihr
wolltet mich hiermit wohl sicherlich fragen, ob Ihr meine Verkündigung für die Armen von Flémalle wohl zitieren dürft?" –
Jan-Hendriks Meister nickt, etwas verdutzt errötend, denn ihm war das Arrangement des großen Meisters, das jener vor 4 Jahren
malte, mehr versehentlich durch den Mal-Stift entschlüpft – er hatte es wirklich nicht bedacht. –
Aber der klopft ihm freundlich lachend auf den Arm: "Warum nicht – zitieren wir nicht alle ununterbrochen die anderen schon
dadurch, daß wir uns an denselben Großen der Kunst alle schulen? – Wollt Ihr aber etwa Euren Josef ebenfalls Mause-Fallen
bauen lassen, dann muß ich Euch vorwarnen – Ihr glaubt nicht, was die Zimmer-Leute von Flémalle gemurrt haben, weil solch
gute Bastel-Werke keinesfalls in ihr Fach schlagen – die sagten, Fummel-Kram sei was für ihren Schmied. - Dabei dachte ich nur
daran, daß ein Hilliger sicher der braven Jungfrau, die lernen will, vorrangig die Mäuse abschafft." – "Oh ja, im Atelier sind sie
die wahre Plage aller Buch-Malerei." Und nun ergehen sie sich in Erinnerungen und Abenteuern mit Mäusen, was die schon alles fertig-gebracht haben, und vergessen
darüber den Rang-Unterschied und den Zweck ihres Treffens, daß der große Meister Robert zwar ursprünglich den Auftrag für
Bischof vdHoie angenommen hatte, aber durch den Wechsel des Bischofs mehr Gelegenheit hat, anderen Aufträgen einiger
Rat-Häuser zu folgen und daher diesen dem jüngeren Verehrer Hubert v.Aygks selig zuschieben konnte. - Er versprach aber seine
Super-Vision. - Es ist halt so ein schöner Tag hier auf dem Schüöp'n Berg – man schaut hinaus zum Tal der Vuchte und die
Farben schwingen frisch vom grünen Land zum zarten Himmel – im Hintergrund Orte – das erdige Schlängeln eines
Fuhrmanns-Weges, das braun-goldene Glänzen der Haverbeke zwischen ihrem Ried - bestellte Felder in verschiedenen Farben –
Zeilen nahrhafter Büsche – "Ach", sagt Meister Robert – "Was meint Ihr, wenn die stille Jungfer in der Stube, wo sie lernt und
stickt, aus ihrem Fenster solche Lande sähe?" - "Sie lernt so sehr, daß sie das Licht des Fensters lieber ihrem Buch zuwendet,
ihm selber also nur die Schulter zeigt." spinnt Jan-Hendriks Meister diesen Vorschlag weiter aus, "die kleinen Jungfern sind so
früh im Stift, daß sie nicht Weiden und nicht Wälder kennen – damit sie ahnt, um was es geht, schenkt ihr der Bräutigam den
kleinen Wald Wachholder für das Kämmerlein – das duftet gut und hält der – behüte – bösen Pestilenz Miasmen von ihr fern." –
"Dann schenkt ihr wenigstens auch so eine neue Katze gegen Mäuse," - kommt Meister Robert wieder auf sein Thema - "In
diesem Ort hab ich schon zwei gesehen. Ist doch anmutiger als die Mäuse-Schlangen überall, die man sich hielt – die mocht' ich
nie im Atelier, man tritt da drauf, wenn sie vor Kälte langsam sind - und grade wenn sie schlafen, übernehmen die Mäuse die
Herrschaft im Haus. - So ne Schlange, der muß man die Wärme hin-bringen, andernfalls läßt sie dich ganz auf den Mäusen im
Stich – eine Katze dagegen wärmt einem im Winter die Füße. - Schade, daß sie beim Fahren nicht mitziehn wie die Rüden." –
"Tja, stimmt – is'n Elend unterwegs." Jan-Hendrik zappelt vor Ungeduld, denn da möchte er auch etwas sagen, aber wenn Meister gemütlich sind, übersehen sie
Lehrlinge gern. Sein Meister läßt ihn nun aber auch etwas erzählen. "Hier in Schüöping – der neue Geistliche Herr Kaplan – hab
ich gesehen – der baut sich da so ein Gestühl gegen Mäuse, er will sich auch Bücher illuminieren, glaube ich. Bei Nacht und
Regen stellt er es in die Halle der Kirche, hat er gesagt, und bei gut Wetter ins Freie wegen der Farben." –
Das interessiert nun beide Meister tatsächlich: "Mal es mal auf" sagt Meister Robert und leiht ihm wohlwollend seinen Block –
sie sind ja hier unter sich und es ist ein wirklich schöner Tag. ´- Er sieht, daß sie es wirklich von ihm wollen, obgleich sie sich
vom Geistlichen Herrn Kaplan doch sicher den ganzen Bau-Plan genau holen könnten - und rasch erpreßt er nun listiger-weise
dafür, daß sie ihn bei diesem Altar doch bitte auch beteiligen sollen, etwas darin zu malen, weil er doch auch mit am Sterbe-Bett
des Meisters Hubert selig hat teilnehmen dürfen - und überdies seit kurzem doch auch schon zu den jungen Gesellen zähle. - Mit
zügigen Strichen skizziert er dann das Saphsalion-Gestühl aus dem Gedächtnis. - Laurenz hatte ihn ja schon mehrmals dorthin
mitgenommen, um sich beraten zu lassen, wenn er sich mit einer zu schnitzenden Verzierung verhauen hat, wie man es ein
bißchen so ändern könne, daß es wie Absicht aussehe – bevor der Herr Kaplan ihm drauf komme, der mit seinem Gestühl ja sehr
eigen ist. - Daher kennt Jan-Hendrik es fast genauer als Laurenz.- Und zurücik auf dem Kirch-Hof beginnt er, sein erstes
Konzept-Bild zu malen: die Tovel der Glorie – und den unteren Abschluß zuerst. +++
Der Geistliche Herr Pastor Tiderik kommt soeben aus der Sakristei und sieht, wie Jan-Hendrik völlig versunken einen Schläfer
von hinten portraitiert, der halb angezogen – roter Kittel, schwarzes Beinkleid – grüner Hut am Kirch-Hof liegt und eigentlich
wach-bleiben wollte – er hat seine Sau-Feder noch fest in der Linken im Griff und sich auf diesen Ellen-Bogen gestützt, um sich
ein Momang'ken auszuruhen, aber ist mit erhobenem Kopf eingeschlafen. Mit der Rechten hält er sich am Schien-Bein stabil –
sieht nach Erfahrung aus. – Der Geistliche Herr muß innerlich lächeln, diese Pferds-Wachen haben oft ein gar glücklich Gemüt –
sicherlich gehen seines Herrn Pferde inzwischen spazieren – wenn er pfeift, kommen sie ja auch meistens zurück. - Nur wenn die
Grevener Miss naht, ist's kritisch – dann wälzt sich so allerhand Völkchen hier durch und dann läßt hier keiner ein Hühnken im
Freien stehn oder ein Pferd ohne Wächter da drauf. - Doch auf dem Zeichen-Blatt – sieht er - ist schon ein anderer gemalt, ein
Verwundeter beim Erwachen, ja richtig – den kennt er, der Reisige aus Lidwinendorf vom Meyrings Back-Hues, dort einquartiert
aufgrund üralter Dokumente der Abtei - der war im Witte Brock am Weg nach Samberg angegriffen und bewußtlos
liegen-gelassen worden und nur zufällig durch Streu-Sammler gefunden worden. – Wie heißt er noch – Doetesvelt – nein, das ist
der andere - er ist der Godesrittere Hinnerik zu Langenperich, Halbpart-Wingert, er spricht ganz anders als die Leute hier: "Mier
zwing" - sagt er, da bedeutet: wir zwei, "saj hout un moor gätt iwwerzwerches" – sind heute und morgen n'bitken verdreht, "dä
Gickel hott asoo bumstich gekrische" – der Hahn hat so plötzlich gerufen – "un'-do is uns' Ammer ehr Drom-Sääch in't Dijelchen
gefalle" – und da ist die Handsäge unserer Oma in die Stiel-Pfanne gefallen "un' öss Qwätsche-Kraitchen is knaustisch un' lätsch
wor'n" – und das Plaumen-Mus wurde schmutzig und schlecht gewürzt. –
Naja, das ist seine Sache, seine Leute zuhause reden wohl alle so ähnlich, ein Problem gab es nur, als er "ze näscht-bescht jonge
Leecht Bestooren" wollte und damit sich verehelichen - zum Termin nächsten Neu-Mond - wollte – so ganz schnell ging das
nicht. Man mußte erst erkunden, ob er nicht ein Eh-Gespons bei Leutesdorf schon wohnen hatte. Doch die Abtei-Bauern fahren ja
öfter mal hin und sie können ja fragen. - Die Kinder derer bitten den Hinnerik manchmal, ihnen Mären ze trohn – das ist
Geschichten erzählen - damit sie dann, wenn sie mal hinfahren sollten, die Wörter verstehen – da, wenn man Wasser braucht,
muß man nach einem "Petz" fragen, Brunnen, wie die Colnaburger nach dem Pütz - "Haff" ist dort Hof, "Schlepp" ein schmaler
Pfad, und zurück geht es "hief" – und all sowas. – Er schreibt sich solche Ausdrücke ganz gerne auf, falls er darauf in alten Akten
stößt. – Daher weiß er auch, daß die Leutesdorfer immer einen Mann im Meier-Gut zu wohnen haben, um stets aktuell zu wissen,
wer das Amt des Meiers innehat – sie müssen dem beim Kelter-Hues ja die wertvolle Ladung des Rhein-Schiffes von Hervurth
anvertrauen. Man hat zuerst gedacht, der Überfall auf den hätte etwa damit zu tun, daß er hier alles ausspekuliere. Aber es war
nur ein Pärchen minnigliche Leute im Busch, die nicht gesehn werden wollten. Früher war das Erbe Meyring ein riesiges Vorwerk für das ganze Scopen-Go, wurde dann aber schon unter dem Isernen Kaiser
Karl selig neu verteilt, als der Haus-Meier-Bezirk der Pépin Meruwe oder v.Landen – das weiß man nicht mehr - zum
Kerspel-Schulten Stockhem und zum Kerspel-Schulten Weterinc zwei-geteilt wurde und man – der herein-drängenden Sachsen
wegen - hier zwei Weg-Stationen von Xanthen nach Reni zum Buer-zi-Bant-Go hin mit Kapellanen und mehr Wehr-Buern
besetzte. – Das Frei-Gericht im Synod an der Welle versorgte ganz früher den ganzen Vechte-Bogen hier. – Das ist jedenfalls an
ihn noch mündlich so von alten Einheimischen überliefert – Akten gibt's ja nicht dazu – oder in Corvey und Hervurth – oder im
älteren Utrecht - da kommt man nicht so leicht dran. Die Gegend ist auch öfters von Goten, Wikingen, Nord-Männern - jedenfalls
am Wasser längs verheert gewesen, und da verbrennen viel Archive auch. Na - immerhin, als er in Utrecht ausgebildet wurde, dem zur Hälfte auch Bentheim gehörte, und weil er gern Lateinisch lernt, hat
er im Archiv auch stöbern dürfen, sollte Urkunden auswählen, die schon sehr gelitten haben, schau'n, was drin steht, und notieren
- und fürs Copiale wurden sie dann abgeschrieben und erneut – so macht man's überall zur Zeit. –
Fast wäre er in der Kanzlei gelandet, da wurde Bentheim Advocatus eines riesigen Bereichs, und Seine Eminenz Tiderik
v.Moerss Erz-Bischof zu Colnaburg mit Paderborn wies darauf hin, daß man sich ganz genau mit allen alten Rechten und
Verträgen hier befassen sollte, zumal sein Bruder Hendrik dann nach Münster Bischof werden konnte – von allen Seiten
praktisch Anrainer zur Abtei Hervurth – nur die Äbtissin zählt noch indirekt zum Hause v.d.Hoi, war jung und gedachte noch
lang zu regieren – doch sie war Realist, der Konvent sowieso. Sie präsentiert ja den Pastor Sünt Brixii und man schlug ihn ihr als einen Schrift-Kundigen vor. Bei der Wichtigkeit, den ihr
westlichster Pastor für die ganze Bewirtschaftung ihrer Gebiete im Engers-Go hat – und auch vermerkend, daß sich eine sehr
mächtige Allianz in Ost-West-Richtung bis Burgund und Frankreich vorbereitet, es auch unterschwellig in der Avignon-Zeit
schon war – also da war ihr selbst an einem Pastoren gelegen, der Dokumente beschaffen und auch verstehn kann, was drin steht,
denn einige Rechte begannen zu wanken – mancher fälschte auch ein bißchen an den Daten darin ´rum – ihr war dann lieber, sich
dem Lieben-G"TT und korrekten Rechten zu vertrauen. Die riesige und alte Reichs-Abtei war ihr ja anvertraut und nicht der
großen Sippe überlassen, die je die Äbtissin stellt. - Indessen, als ihm diese durch den Kopf ging, war er schon am Tor gewesen,
holte sich die Liste, wer erwartet wurde und ob es zur Kanzel Wichtiges zu melden gibt.
Und als er wiederkam, war dieses Bild Jan-Hendriks fast schon fertig und der Pferde-Hüter weggegangen - es sah irgendwie so
einsam und heraus-gehoben aus – der eine links-herum von hinten, in der Ecke hingebreitet – in der Mitte nichts, der andere dann
rechts herum fast wie symmetrisch, aber alles anders-rum, von vorn und irgend-wo zum Stein-Bruch hin gelegt, zu Stümpfen und
zu Bäumen auf den nackten Weg – wie's aussieht. - Was das wohl werden sollte? - Er neigte seinen Kopf zur Seite, zeigte mit
dem Kinn zum Bild hin, um Jan-Hendrik anzudeuten, daß er's gerne wissen würde, was es ist. Der ist zu abgelenkt, vertieft in die
Gesichts-Ausdrücke, und murmelt nur: "Zu Pauli Bekehr ist der Winter halb hin und halb her," – und noch-was vom Samariter
und dem da, der unter die Räuber gefallen war, wie der liebt. - Da kam ihm vor, als habe er dieses schon einmal wörtlich vor sich
gesehen – da in der Mark, wo alles gleich und doch nichts gleich aussieht – es war doch vor nicht all-zu-langer Zeit - da blieb er
mitten in der Weersche stehn und fragte sich, was ihn derart geändert haben konnte, seit es diese seine erste Stola nicht mehr gab,
die mit den 15 Perlen, die ihm immer geholfen hatte, sich etwas auszudenken. Was hinderte ihn, sich auch ohne diese Hilfe eine
Einöde vorzustellen, wo des nachts die Karawane wandert und er in ihr - was hindert ihn, sich vorzustellen, sie fänden einen
kranken Mann da liegen, so ganz verloren und alleine ? - Dazu brauchte man nicht an den Weg von Jericho nach Jerusalem zu
fahren, hier konnt man es genauso haben und allein umkommen dort im Freien, wo er in Gemeinde steht. - Man könnte
drüber-fallen, bräche jemand sich ein Bein hier, ohne den vorher zu sehen - und läge einer nur drei Büsche seitwärts, müßte er
schon rufen oder klappern, damit man ihn bemerke – und wär es nachts, da bis zum Morgen warten, andernfalls - den würde
niemand sehn. – Er kam aus einer Gegend des Bistums Utrecht her, wo es nicht-mal so-viel Hügel gibt wie dies "Gebirge" hier
und hat sich anfangs mal im Schüöpen Berg verlaufen. Da hatte er in Haus Alst seine wöchentliche Früh-Messe gedient und dachte doch, er fände schon allein zurück – sein Meßner
wollte noch nach einem Vetter essen gehen. - Es kam ja vor, daß er dort ankam und es war überhaupt niemand anwesend – die
Herren-Familie v.Münster fuhr gern mit der ganzen Belegschaft zu andern Verwandten weg, weil - sie bauten grad um und der
kleiner Sohn Sundag vertrug nicht die Nässe. Doch seine Pfründe beinhaltet ja, diesen Altar auch mit Ehrung zu versorgen wie
der Stifters selig arme Seele es erhoffte. – Dabei, wenn denn gar niemand hier zum Beten kam, unterhielt er sich wenigstens ein
paar Minuten auch mit diese Stifter Seelen, wie man jemand kurz besucht, gedachte auch des Ehren-Grabes, welches ein Altar ja
immer bleibt. –
Naja, und wenn es ihm in den fremden Mauern - so ganz allein mit seinem Meßner - einem ihm gegenüber ziemlich wortkargen
Hünen - zu alt und einsam war, so halb noch nachts, dann heiterte er sich damit auf, die zu erwähnenden Hilligen aus dem
Meß-Kanon wirklich da drüben im Himmel-Zustand anzusprechen und sich in der Kapelle als Gemeinde zu denken, die
wenigstens Freude dran hat, daß er hier ist und das Meß-Opfer darbringt. - Nachher sagte er – in Gedanken zu ihnen: Ihr bringt
mich doch noch ein Stück heim? - Und er setzte voraus, daß sie Zeit haben und es bejahen und so wanderte er dann mit dem
stummen Meßner durch die meist klamme nächtliche Natur zurück über den Berg – er durfte zwar reiten, aber er traute seinem
Pferd Regulo nicht so ganz, wenn er das Aller-Hilligste mithatte. –
Ziemlich oft sagte dann aber der aller-gnädigste Herr Kümimg David ab, da er noch relativ oft von anderen Betern gebeten
wurde, sie anzuhören. – An zwei Orten können sie ja auch im Himmel-Zustand nicht zugleich sein und so geht er schon während
der Hilligen Miss durch, wer ihn nachher begleitet, das wird jedesmal ein bißchen verschieden – die Aller-Seligste Jungfraue
Künninginne Maria, klar, die bat man ja nicht nachts auf die Straße, das wäre sehr un-minniglich – Sünt Michael als Chef der
Engel-Heere – ja, der war sicher auch zu stark beansprucht, zuviele arme Seelen hatte er in der 3.Nacht zu geleiten, und er
Tiderik lebte ja noch, und der Hillige Täufer Johannes – naja, vor dem hatte er ein bißchen Angst, ob dieser zu rauh auf seine
Sünden zu sprechen käme. Die Hilligen Apostel-Fürsten Simon Petrus und Paulus - hatten meist viele Besprechungen abzuhalten,
besonders zur Zeit wieder – also hatte er ihnen rasch seine generellen Sünden eingestanden, und was konkret seit gestern wieder
vorgekommen war, und auch seinerseits kurz seine Fürbitte für andere Sünder – so ungefähr, es war ja nur der Meßner da, von
dem er gar nichts wußte. – Nun, und als man denn zu Tische geht, zur Opferung, da ordnet er sie – natürlich ohne den Hilligen
Erz-Engel, der ja nicht speist – in die Saphsalien beidseits des Altares ein, komplimentiert scheu und fürchtig die Edle Frau
Künningin gleich zuerst auf ihr Kissen, versteht sich, mit ihrem Vetter Johannes Täufer zur Seite, einerseits und die Sünten
Apostel-Fürsten beide, andererseits, so, daß alle gut sehen können – nein, heute regnet es durch, also bittet er sie auf die Plätze,
die ihm im schwachen Kerzenlicht als die trockensten erscheinen und beeilt sich etwas, um zum "Sanctus sanctus sanctus"
überzugehen. –
Bei der Memorie eingangs des Kanon wird die Kapelle fast voll: "behüte und einige sie voller Huld" - in diesem Sinn auch
gedenkt er Seiner Hilligkeit im Hilligen Stuhl, Vater-Brücken-Schläger Martinus – ein Colonna - ? – Colonna, da war doch was,
hatten die nicht diesen – alleine zum Römer-Kaiser erhoben? – hm, lassen wir das, paßt nicht, hier – naja, egal, Sippen haften ja
nicht gleich für jeden, und dieser Papst Martin im Hilligen Stuhl bringt die eine Einheit zurück, das ist gut – er lebe uns lange in
dieser Welt - und Seiner Eminenz Bischofs Hendrik – v.Moerss – ja - "und aller Umstehenden" – also der Meßner – "dessen
Glauben-und-Opfer-Gesinnung DU-allein kennst" – nein, "deren" – er mit, darum soll ja wenigstens einer mit im Umstand
dabei-sein – und nicht "DU-allein", er ertappt sich in einem Anflug von Bitterkeit, weil dieser Hüne da bei ihm so stumm zu ihm
ist. Nach dem Sanctus ist für so Ideen wirklich kein Raum, also nochmal richtig, wie's da steht: "für alle Umstehenden, deren
Glauben-und-Opfer-Gesinnung DU kennst". – Hat schon seine Richtigkeit – denkt er - daß diese Kanon-Texte unberührbar
bleiben sollen, nachdem man eingestanden hat, daß Lieber G"TT so hillig ist. –
Er mag das Lateinisch ja gerne und kann das Beten mit-denken – aber gleich mogelt man dann auch gern Spitz-Findigkeiten
hinein. - Der Meßner bei ihm sagt es einfach nur auf – das geht auch, ist erlaubt und vielleicht für den Text dann auch besser –
Memorie sagt ihn ja doch nicht auf eigene Konto des Beters, sondern verschenkt sie als gute Werke an die, derer gedacht ist –
unterstellt, daß sie im Jenseits nun ganz dazu stehen – das hat ihm einmal Rebbe Heyman in Ahues erklärt: sie beten auch einen
Kanon, fast noch denselben vom Herrn Jesus noch – sie dürfen ja über Religion reden – das Hillig hillig hillig ist da auch fest im
Text, nur daß die darin eine Warnung sehen: – Achtung – nicht dran rühren, es kann töten - wie Berg Sinai. Oh, Moment – wo ist er? – "In Hilliger Gemeinschaft..." –
die glorreiche, allezeit reine Jungfrau – sitzt noch da - Johannes der Täufer beschäftigt sich momentan abgesondert,
die Hilligen Send-Boten und Blutes Zeugen Peter und Paul, ja noch huldvoll anwesend,
während nun alle anderen 10 ersten Apostel hinzu-strömten, je zu zweit:
Kutter-Führer Andreas Peters-Bruder
mit Ritter Jakob de Greuter,
jung Johann der Bräutigam
mit Bau-Meister Thomas dem Zwilling Jesu,
Jacob der Minder-Bruder mit Philipp – der den Kammer-Herrn von den Mohrs taufte – wie passend zur Zeit –
Bartel mit dem Most und Matthei der Eisbrecher? – nein:
Levit und Evangelist Matthäi am Letzten: der Grenzer, und dann wird's wieder kälter, der in Sünt Peters Trevi-Burg zu Coblenz,
und dann Simon der Zürner – wie immer etwas aufgeregt –
und Judas Thaddai mit den Laub-Besen und Säge und all dem Herbst-Gerät. –
Ja, und dann die Hilligen Väter: Nach Petrus Sünt Linus, nach 12 Jahren enthauptet –
und ana-Kletos der Dritt, seit welchem nur 3 Bischöfe je einen neuen weihen und nur Bischöfe einen Priester, auch 12 Jahre –
dann erst Clemens aus dem Brunnen, der sich wiederfinden hieß von den Ost-Aposteln Cyrill und Methodios, den Sünt Paulus
anwarb und der als verschleppter Steinbruch-Mann den Filz erfand, am Schwarzen Meer – damals hat Sünt Johannes noch am
Evangelium geschrieben – sonderbar – hat ihm neulich ein Konfrater ausgerechnet – ja,
und der Fünfte namens Sechster: Sixtus-Xystos für 10 Jahre –
dazu die Hilligen Väter Freigelassener Cornelius und Doctore Cyprian, Gegen-Päpste die schließlich beide vom Kaiser Gallus
nach Sardinien ausgesetzt wurden in die Wald-Einöde des Meeres zwischen die wildesten Pferde - um zu verrecken. – Tja. - Das
war der erste Fall, wo zwei gewählt und beide hillig waren – vielleicht der einzige Fall, daß sie beide so hillig waren, arglos
hineingeraten – wie man hört aber keineswegs ohne Temperament und Talent, alle zwei – sie beschäftigen ihn jedesmal etwas
länger, diese ersten der Hilligen Väter – oh nein – die stellen sich bei ihm aber auch zu gern meist von ferne hinzu, das sind ja
die aus Mitte September - jedesmal verwechselt er sie mit Doctore Hippolyt der Mohr von Karthago - und Hilliger Vater
Pontiano, Nachfolger des Katakomben-Callixt, der der Freigelassene war, gegen den sie den Doctore aufgestellt hatten – aber da
kommen ihm die Richtigen schon, enthauptet - aber gelehrt war er auch, Doctore Hippolyt aus Mitte August mit dem Kaiser
Thrax –
dann Diakon Laurenz vom Feuer-Rost, vor all den Armen, Vermögen, das es immer gibt. –
der gefangene Seelsorger Chrysogon, , im Kerker enthauptet, dessen Betreuerin Fraue Anastasia, der er tröstende Briefe
zusandte, die dann einen Monat später zur Christ-Nacht zuhause verhungert ist. – Dann die zwei Höflinge der Hilligen
Prinzessin Constanze, Jean und Paule, sehr elegant wieder mal, die auch enthaupteten Wetter-Herren und einzigen
Martyrer-Gräber innerhalb der Mauern Roms – ob er da auch je hinkommt, in die Hillige Stadt? –
und Cosmas mit Damian die Heiler, die das Laub bemalen für Sünt Michaeli Fest, auch enthauptet - ist ja schlimm, fällt ihm
heute auf: alle enthauptet! – Und nun noch "und aller Deiner Hilligen" – wer ihm dazu noch einfallen mag – und schon strahlen
die eben erwähnten Hilligen Cornelius und Cypriano und der 13.Apostel Eisbrecher Mattheis und Hausfrau Anastasia, daß sie
doch nicht vergeblich gekommen sind. - Und nun natürlich die aus dem Altar-Stein und jene frommen Stifter vom Hause Münster,
die ihm etwas hinterließen, daß er sich erbarme und auch ihrer nun gedenke - "wenn Du ins Paradies ein gehst, gedenke mein" so sprach der gute Schächer auch, obwohl doch Jesus vor ihm starb. –
Priester Tiderik macht sich wenig Illusionen über Tugenden von Stiftern. - Ursprünglich war da mitunter recht wenig – aber dem
Empfänger, das gibt er zu, wird es wichtig und wertvoll, daß sie es egal warum taten – so wie auch er zu vielem dient, egal wie
gerne, was doch das Leben aller etwas weiter bringt. –
Bei der Gaben Annahme ist es dann wieder ziemlich leer um ihn, sie haben sich wohl in den Raum mehr nach hinten begeben
und nun kommen die drei Anders-Gläubigen hinzu:
Abel mit dem Opfer-Lamm, beide jung, und unbefangen glücklich –
Vater Abraham zwischen den halbierten Opfer-Tieren, sich zum Wachen hinhockend und dann doch schlaf-entrückt, damit er
was höre, in dessen Schoß die Müden alle endlich ausruhen werden in Frieden, sehr alt –
und der weise fromme Heiden-Künning aller Priester, mittel-alt, prächtig anzusehn, heißt es, sehr würdig – der aus-dem-Nichts:
Melchisedech, zu dem er sich – er weiß es nicht, warum, in seinem eigenen Priester-Sein zuzählen soll – nur weil er des
sieg-reichen Abraham Zehnten bekam? – er entschuldigt sich – unbekannterweise – bei diesem, daß er in dessen Schule zählt,
aber das zu Lernende nicht begreifen kann, außer, daß Wein und Brot ebenso-viel werten wie all die geopferten Tiere zuvor,
sowie es Dem Höchsten geweiht werde. – Und dies also tut er dann – während der Meßner neben ihm bereits unruhig wird, dem
es scheint, daß diese Hilligen Messen in letzter Zeit hier immer länger andauern, seit ihnen kein Mensch mehr beiwohnt in Haus
Alst. – Der Geistliche Herr Pastor Tiderik fühlt sich aber dadurch heute einfach gestört und nickt ihm deshalb kurz zu – mit dem
Kinn - daß er heim-gehn könne, falls er es möchte - und der zuckt mit den Schultern, stellt die Fackel in den Ständer und geht
auch sofort, denn er freut sich seit dem Aufstehn schon auf's Morgen-Mahl bei seinem Vetter Dillm, der hat so eine prima heiße
Brei-Suppe zu Brot für ihn, die ist nur heiß, wenn er rechtzeitig kommt. – Nun ist es in der Kapelle bis auf das verteilte Platsch
des Regnens auf die Chor-Stühle leise, es zieht Hochwürden Pastor Tiderik ja auch nicht sehr an, in den Regen fort-zugehn –
dann lieber etwas konzentrieren – was ist dran? –
die Einigung, ja, mit Dem Hilligen Engel – ob das da war, wo der Hillige Priester Zacharias der Vater Sünt Johanni Baptist
werden durfte? – ob da jeder Priester einen Besonderen stehn hat? – aber – erst der ganze Kirchen-Staat aller Zeiten. – Dann die
drei aus der Vorzeit – und dann war: Der Eine Bote – also vor aller Zeit – vor Abel noch – vor allen Menschen, allen Namen, gab
es Engel nur zum Schauen und Anbeten im hellen Licht in Ewigkeiten – doch gewiß, mit dem vereinigt betet jegliches Gebet –
denkt er – doch seine Worte - Gesten - Rituale ziehn ihn weiter, so, wie es ist, er tut es jeden Tag –
nun die Gemeinschaft aller Hilligen – schon wird es wieder voll im Raum,
Sünt Johann tanzt ganz sommer-froh als Bräutigam heran, sein Büßen, Fasten, Taufen, Schimpfen hat was eingebracht:
Sünt Stephan Diakon mit Brot und Steinen – der zweite, der den Himmel offen sah –
dann der Ersatz-Mattheis, nun ist er eingeladen, hat sein' Platz gefunden und Barnabas, der es genausogut hätt werden können –
Ignatius, das Kind, das Jesus in die Mitte holte – Patriarch von Antiochien Syrien, der vom Schiff schrieb, es sei richtig, auch
inmitten wilder Löwen anzukommen mit der Botschaft, wenn sie nur recht viele kennenlernen –
und Alexander, ältester der 7-Brüder mit der Mutter, der von Widukinds Familie geholt dort kurz vor Bremen ruht, ja thront –
Hilliger Vater, Marcellin, der nicht als Blut-Zeuge sterben durfte, sondern als Sklave die Pferde versorgen mußte und den
anderen zusehen an der Arena, wo seine Gläubigen enteignet, entehrt und gemordet wurden –
Petrus der Teufel-Austreiber – oder Pietro Martyr von den Prediger-Brüdern zu Mailand? – nein, alle andern sind früh, also der,
2.Juni, der zu Hinrichtung um seines Glaubens willen gleich noch den Priester Marcello und den Haft-Richter samt dessen
Familie mitbrachte, der, welchen Kaiser Ludwig pius nach Seligenstadt holen ließ – und nun die 7 Lieben Goldenen Frauen –
Sklavin Felizitas mit-der-Kuh und Herrin Dame Perpetua mit-dem-Säugling, die dunkel-aber-Schönen aus Karthago, die Sünt
Augustinus noch preist, daß ihr Fall 6.März, ihr unglaublicher Mut, jedes Jahr in ganz Africa verlesen wurde –
energische Sizilianerin Matrone Agatha, am Vesuv mit dem Schleier das Feuer abwehrend –
vorweihnachtlich leuchtend Lucia, die Braut von Syracus - auch Sizilia, die nicht die Jungfrauschaft abgeben wollte –
klein Agnes, die erste der Goldnen Jungfrauen, die mit dem Lamm ihrer Freundin Emmerantia erschien –
die Braut Cäcilia, mit 200 andren - singend, schon tanzend die Rosen im Himmel sehend, die mit Papst Urban, Bruder Cornelius
und Bräutigam Valerian als ganze Gasse zum Martyrium kam – diese alle aus Rom –
und Eh-Gespons Anastasia aus Illyrien Ungarn nun, die schon Erwähnte, die ihr Gatte allein zu verhungern bestimmte. – Ja, die
Kapelle ist voll nun mit fröhlichen - weil nun in Sicherheit seligen - Leuten, und so entfernt sich der Festzug bis auf vier Hillige
aus der Mitte des Chors – bei der Fürsprache, daß es gefallen haben möge im Himmelreich, sind noch die Künningin Maria und
Petrus, Paulus dageblieben und anstelle des Täufer-Johannes sitzt im Chorgestühl neben Maria nun des Täufers Johannes
Geselle Andreas noch, der als erster seinem Bruder Simon Petrus vom ersehnten Messias erzählte, gefundenen sei der. –
Für den Abgesang hört man vier Stimmen von den drei Pagen Asaria, Mischael und Hanania, Daniels-Freunde, aus der
Kupfer-Hütte, oder Eisen? – ob sie das damals schon hatten - in Babylonis? – jedenfalls glüht das und brodelt gewaltig – er war
selbst mal auf der Hamm – grad wo im Märten die Blau-Veyeln blühn - bei einer Reise-Beschickung dabei - und doch kennt man
eines jeden Stimme heraus, wie die jodischen Jungen, allein unter Heiden in höfische Dienste gezwungen – trotz allem G"TT
preisen – und ihr Engel stimmt ein - sie sind frei. – So sind es immer 50 lichte Freunde bei ihm, die der Ritus aufruft, und die
drei aus dem Altar, die Stifter der Memorie, eventuell ein Kapell-Patron hinzu, falls er noch nicht bei diesen andern war – wer
könnte sagen, daß hier niemand mit ihm feiert, dem er: Geht, ich sende Euch - am Ende sagte? –
Derart ermutigt nimmt er nun die Fackel, löscht die Kerzen, schließt die Tür zu der Kapelle – wandert durch die leeren Gänge
hallend und zum Tor Haus-Alst-hinaus – vergißt, daß es noch regnet – und schon ist die Fackel aus. - Nun ja, denkt er – das kennt
man schon, das kann passieren – hast du wenigstens die Hände frei und einen guten Knoten-Stock, ein Tovel-Messer auch – was
soll's? – Er hüllt sich fester in den Wind-Fang, zieht die Schaube weit nach vorne über die Stirn und macht sich auf, zum Wald
hinein, um über'n Berg zurück zur Pastorei zu gehen. Die Fackel läßt er am Haus Alst - wenn trocken, wird sie wieder nützen –
nächstes-mal vielleicht. – Erst ist es einfach, gradeaus, da ist der Weg ja oft benutzt, man merkt ihn daran, daß es nicht
bewachsen ist. Ganz ohne Licht ist's einfacher, dann blendet nichts, man kann es fast ein Sehen nennen, wenn man ganz im
Dunkeln geht – er tat es schon so oft. – Von seinen Hilligen bittet er Sünt Hippolyt und Pontian, für heute etwas weiter
mitzugehen, schon weil am Berge hier die freien Pferde-Herden hausen – auch Dachs und Luchs, hat er gehört – und anderes
Getier, naja – und solche Witten Wiefkes möchte er auch nicht gern alleine treffen, manchmal sind sie da zu sehn - prompt fällt
man vom Stein-Bruch runter, folgt man ihnen – also er fühlt sich nun begleitet von Könnern, was fremde Wälder betrifft konzentriert sich auf Pfützen, sie früh genug zu ertasten, eh daß sie zu tief sind - richtet sich nach Fahr-Rinnen der
Zwei-Rad-Karren, die hier öfters sind - hofft ganz vage, einer käme, dem er dann die Ehre der Begleitung geben könnte – aber
heute früh will hier grad keiner längs. –
Gerade disputiert er leise mit Gegen-Papst Sünt Hippolyt, wie der es selber heute finde, was seit ihm dann oft geschah, welch
Elend doch mit Gegen-Päpsten oft auch angerichtet wurde, wenn sie nicht wie der vernünftig wurden – da kreischt es in seiner
Nähe ganz mark-erschütternd aus den Wipfeln - und haar-scharf an ihm saust eine riesige Wald-Ohr-Eule oder so etwas vorbei –
man hört das fast liebliche Aufjammern einer Maus – und er fällt vor Schreck auf den Boden. – Na, er fiel nicht sehr schlimm,
also stellt er sich rasch wieder auf, ehe die Nässe den Wind-Fang durchdringt - tastet besorgt nach dem Pectorale, ob das
Aller-Hilligste sicher am Ort blieb - und findet auch seinen Knoten-Stock vor sich wieder, bah, kalt und glibberig anzufassen - er
reibt sich die Hand am Wind-Fang ab – nur – wo war jetzt der Weg? – Er ist aus der Richtung gekommen. – Sünt Hippolyt sagt
zu ihm: Siehste – so ist das bei uns auch passiert – eine kurze Verwirrung und schon war dann ich für die Leute ein Hilliger
Vater – bei uns in der Gegend kam gar kein andrer infrage – und ich meinerseits glaubte nie, daß ein freiwilliger Toten-Gräber
wie mein Erster-Bischof Calixtos eine Gemeinde leiten könnte, die so gelehrte Probleme um sich hatte. Der Mann hatte immer
schon Tote begraben und gab sich erdenkliche Müh, ihnen unter der Erde von Rom schöne Stollen zu richten, sie froh bemalen zu
lassen mit Blumen und Vögeln und Hirten und Brunnen und – ach – als Erster-Bischof Pontian und ich dann ausgebootet auf der
harten Küste von Sardinia angelandet waren, wo nicht zu erwarten war, daß auch ein Hahn nach uns noch krähte – was hätt ich
gegeben darum, einen zu wissen, der uns die Gnade der Bestattung erweisen würde – glaub mir, ich habe es doppelt und dreifach
gebüßt, denn was half mir nun die ganze gute staats-politische und dialektische Schulung? - Und auch – mein ganzes Haus
wurde getötet, die Familie, die Diener, die Sklaven sogar – so als sollte es niemand erinnern dürfen, daß ich überhaupt war –
und dieses wissend saß ich nun da auf der Insel der wildesten Pferde. O je – Pferde hätte er nicht erwähnen sollen – schon vermeint Pastor Tiderik, sie heran-galloppieren zu hören – wo er steht, wirkt
der Hohl-Weg recht eng – es rumpelt ganz nah, es ist aber nur ein Stein, der im Regen wohl frei-gespült wurde und rutschte – nun
versperrt er die vermeintliche Fahr-Spur. - Dadurch ist aber nun die Richtung ihm völlig abhanden gekommen. - Er hält inne mit
Wandern und sagt sich, es sei sicherlich besser, nun nicht mehr zu gehen, eh daß er sich ein Bein bricht - denn es wird ja auch
irgendwann doch bald tagen, dann sähe er mehr - dann sähe er überhaupt wieder was. – Er beschließt, wo schon ein Stein vom
Himmel fiel, wird sicher nicht sofort noch einer hingehn, also bleibt er bei dem und überlegt nur, wo bergauf liegen könnte, um
sich dorthin zu setzen, falls der dicke Brocken noch weiter zu rutschen gedächte. – "Gedächte! – Felsen denken doch nicht" –
sagt Hilliger Vater Sünt Pontian nun milde – "damit kenn ich mich aus – du weißt, Sardinia ist sehr steinig gewesen." – "Tu es
Petrus... – du bist der Fels!" – kontert Pastor Tiderik, inzwischen etwas müde und gereizt durch die Nässe, das Frösteln, wenn
man da ruhig sitzt. Dann entschuldigt er sich aber wieder sofort bei dem Hilligen Vater, für den Unsinn, den er da verzapft hat
und bekommt das Gefühl, daß sie Mitleid mit ihm haben und sich neben ihn setzten, um den Wind ein wenig abzuhalten, und er
schmiegt sich mit dem nassen Rücken an den Felsen, und nun entzieht im die nasse Kleidung wenigstens nicht von hinten die
Wärme - das macht warm - ein bißchen, aber immerhin. – Der Regen hat jetzt nachgelassen, etwas Morgen graut ins Schwarz,
doch Sterne sieht er keine, die er kennt - da stehen zuviel Bäume ´rum, hoch über ihm, von allen Seiten. – Er tröstet sich: vor
Pferden bist du sicher hier am Stein, die können auch nicht dran vorbei. – "Ja, sag ich auch" – nickt dann Sünt Hippolyt, "so
halfen wir uns auch, nun ruh ein bißchen aus." –
Es wird still, er kann sowieso nichts unternehmen, schläft ein. - Als er erwacht, ist es zwar hell, aber unglaublich nebelig - man
sieht fast schlechter, als wenn es dunkel wäre, stellt er fest und hat erst recht nun keine Ahnung, wo er ist. - Er wärmt sich auf,
indem er nur um seinen Felsen Runden geht, weil: einfach wohin weg zu laufen, brächte ihn vielleicht noch ganz vom Wege weg,
auf dem er vorher war – die Chance war höher, hier entdeckt zu werden – oder daß der Nebel sich behöbe. - Sein Gesinde wird
ihn jetzt schon suchen – er versucht, zu horchen, ob sie nach ihm rufen – ob er eine Ave-Glocke hört, dann wäre es Clock sechse
– oder zwölve – was weiß er, ob er lange schlief? – Ist so der Tod, Mein HERR? – fragt er nun zaghaft bei G"TT Vater direkt an.
– Es schweigt. - Auf einmal geht ihm auf, daß das Gleichnis von dem Mann am Wege, dem der Samariter aufgeholfen hatte, von
der Liebe dessen, der da lag und doch gefunden wurde, handelt - die andern beiden hatten ihn ja wirklich nicht gesehen, wird
doch ausdrücklich gesagt. - Das wollte er bei der Calende nächstes-mal auch mit den Konfratres mal durchgehn, dachte er, indem
er damals weiterging - das mit der Stola: wie riskant es ist, wenn man sich etwas angewöhnt zum Beten oder denken, was einen
Gegenstand benötigt, der schon morgen fehlen könnte, oder so ein Bild. – Seit jener Nacht ging es ihm wieder besser und er war
nicht mehr so gereizt, weil ihm nichts einfiele - ihm fiel ja wieder irgend-etwas ein, seitdem. – Doch hat er dann vergessen, es
den Confratres zu sagen – und nun – wenn er hier verdürbe, würden sie es nie erfahren – und das tut ihm jetzt - vor G"TT Dem
Vater schrecklich leid. – Er ist sich plötzlich sicher, daß ihn keiner finden wird und er hier sterben wird, denn er hat Fieber, ist
verwirrt und weiß nicht, ob der Tag noch kommt oder schon wieder geht – ihm ist entfallen, warum er hier überhaupt gegangen
ist – da fällt ihm doch noch ein, daß man in solchem Fall das Aller-Hilligst nicht ohne Schutz verlassen darf. – Er holt sein
Pectorale hervor, betet Reue-und-Leid um sein Leben und ißt das gewandelte Brot, die paar Hostien - für den Fall, daß doch
welche zur Früh-Miss gekommen wären - andächtig und zugleich trauernd nun sorgfältig auf, küßt die Hülle und steckt sie
wieder zurück. – Er spürt die Süße des gebackenen Weizens am Gaumen, wie bereitwillig der sich erweichen läßt – so sollte
mein Herz stets bereit sein, sich erweichen zu lassen, zu verzeihen, zu erbarmen, zu lieben – denkt er - nickt wieder ein an seinem
Stein.Auf einmal hört er Stimmen murmeln, öffnet die Augen und sieht als erstes seinen Meßner - da lacht der ihn kurz an und sagt
dröhnend: "Er ist wieder bei sich – kann losgehn!" – da erst merkt er, daß sie ihn auf irgendeine Trage zwischen Pferden
aufgeladen und leicht angebunden haben. Es sind zwei Deichseln oder so, hier wo es schmal ist, praktisch, ein Pferd vorn, das
andre hinten hat sie seitlich unterm Sattel in zwei Schlaufen stecken, und unter ihm ist so ein festes Segel-Tuch gespannt, darauf
liegt er und neben ihm der Meßner achtet drauf, daß ihn die Büsche nicht herunter-schlagen. – Seinen einen Stiefel, den der fand,
hat er bequemerweise angezogen, um die Hände frei zu haben - zeigt der ihm nun. - Der Gute war schon bei dem Vetter Dillm,
aber hat dann überlegt, daß irgendwas passieren könnte und sein Geistlicher Herr Pastor käme doch nicht allein über den Berg,
kam ohne Morgen-Mahl sofort zurück, fand die Fackel und hat mit ein paar Helfern dann sofort zu suchen angefangen. – So
kam er dann doch schon vor Mittags-Zeit gerettet wieder heim – das Fieber war schnell auskuriert mit etwas Flieder-Tee und
Linden-Blüten und Hollunder. – Ja, nun ist ihm der Meßner lieb – und das war da passiert. –
"Mid-dem Elende, nich to hues - un' all de graute Arebede, düsse Ploog – dat - oder ik - ik weet nich..." – murmelt Jan Hendrik
etwas ratlos auf Platt, so als habe er sich laut erinnert – merke nicht, daß er den Text eines Anderen redet, als er den Sieg-Mann
fertig gemalt hat - als den zuerst einmal sickig, Siech-Geschlagenen, wie er sich her-wandelt, völlig umkehrt aus dem andern, der
er nie mehr werden will – er hat ihn völlig um-ge-kehrt und nichts bleibt gleich – lehnt anders-rum, guckt anders-rum, die
Kleidung ist vom Gegenteil, die Waffen auch – ganz, Punkt-um-Punkt gewandelt – und er sagt: "Saulus – Paulus – neuer Mensch
– so wird die Heils-Geschichte neu beginnen, wo man denkt des Liedes End," - und sieht dabei den Geistlichen Herrn Tiderik
Hensonis an und dieser ihn - das braucht ja wirklich eine Erklärung. - Man hatte ja schließlich vom Flamen Melchior Broederlam
die "Flucht nach Ägypten", aus Siena den "Einzug in Jerusalem" des Buoninsegna - und einen Wand-Teppich "Christi Geburt"
aus Notre Dame de Beaume in Burgund, ein Altar-Tuch "Kreuzigung", aus Narbonne einiges aus dem Fresko des Giotto zur
Gefangen-Nahme Jesu, einiges aus Fresken des Simone Martini in Avignon - und die Art, für die Hillige Familie und Engel, wie
sie kürzlich der große Meister Robert Campin aus Tournai als Weihnacht-Bild gemalt hatte - und einige Privat-Studien des
Meisters Hubert van Aygk selig – also Vorbild zum Inhalt genug – aber ihm kam's immer anders zustande, wenn er etwas
Kompiliertes mit Eignem verband. "Wieviele Tage hat er eigentlich gesehen?" fragt Jan-Hendrik auf dem Weg nachhause seinen Lieben Herrn Meister. "Du meinst,
unser Lieber Freund, der Hubert selig? - Laß mich nachdenken – geboren ist er – ungefähr – ja, wie Andrej Rubljew aus
Holmgarde so etwa anno 1370 und entschlafen - das weißt du ja selbst - ist er am Gedächtnis der Hilligen Kaiserin Richardis
Eh-Gemahl des Hohen Kaisers Karl festus, des stattlichen, einem 18.September – der Tag mit Flammen, Pflug und Bär, anno
1426 – übrigens mein ich gehört zu haben, Andrej Rubljew auch, fast zugleich, irgendwo in Lodomeria, glaube ich. Nun, dessen
nächster Groß-Fürst heißt ja sowieso der Blinde. – Ich bezweifle, daß es je größere unseres Fach-Gebiets gibt als diese beiden –
den Meister Andrej sah ich nie, .aber Kopien seiner Ikonen. Das mußt du versuchen, auch einmal zu schauen, Junge, dieser wird
dir gefallen. Sanft und hingebungs-voll teilt sich dreifaltig sein Engel-Besuch Abrahams gastlichen Tisch. – Warte, ich glaube,
ich hab eine Skizze gemacht." - Da sie inzwischen in ihrer Unterkunft angekommen sind, macht er die Span-Lampe an und
entkramt seiner Kassette die Zeichnung von den der Engeln und noch eine vom thronenden Christus, wenn er wiederkommt, in
grisaille-artiger Weiß-in-Weiß-Tönung. - Und so verbrachten sie dann noch etwa ein halbes glückliches Jahr mit der
Vorbereitung der Schilderei. +++
Mitten in der Nacht kommt eines Tages ein berittener Bote zu Jan-Hendriks Meister und übergibt diesem einen Befehl, sofort
zum Herzog von Burgund zu kommen und alle Arbeiten, die er grad hat, liegen zu lassen. - Er hat ihn zu einem Auftrag für
mehrere Jahre berufen. - Das kam schon vor, daß er jemanden von den Meistern bestellte, ihm bestimmte Personen zu
portraitieren – zum Beispiel wenn es um zu vermittelnde Ehen ging, aber auch um etwas über die Identität bestimmter Leute zur
Hand zu haben, wenn sie zu Dritten empfohlen werden sollten – manchmal auch, um Wand-Muster oder Pflanzen oder
Rasse-Tiere zu kopieren. Einerseits ergab das dann eine Art Vorzeige-Kassette zwecks Handel. - Andererseits und überhaupt – es
wurde auch beliebter, Interieurs, Handels-Waren und Landschaften genau abzuportraitieren, das erste Interesse an genaueren
Landkarten kam auf. – Grenzen wurden mehr und lästiger und man wollte schon öfters bestimmte Bezirke exakt umgehen. –
Seit jenem plötzlichen Besuch zum nächsten besten Frei-Gericht im Schüöp'n Wigbold waren dem Herzog Philipp gewaltige
Gedanken durch den Kopf gegangen – dieser sonderbare Fall eines so kleinen Ortes, der juristisch aus einer Ansammlung von
Hoheitsgebieten bestand, die hier alle einen Titel Landbesitz mit allen Rechten eines eigenen Gerichts besaßen – jedes "Land" im
Grunde nichts weiter als eine Straße tagreise-weit voneinander entfernter Übernachtungss-Stätten oder besser gesagt,
Anlauf-Punkte, um jederzeit leicht einen reichs-unmittelbaren Rechts-Entscheid zu bekommen – das hat ihm ein Erbe
eingebracht, mit dem als Basis er nun zum Erobern eines Streifen-Reiches zwischen Mittelmeer und Nord-See kommen wollte. –
Wie auch immer, der Herzog hatte viele Pläne und wenn er Maler, Dichter, Musikanten rief – er zahlte gut, man traf die Besten,
bekam die Reisen gut bezahlt und nie gehabte Chancen, sich künstlerisch zu vervollkommnen. - Also Jan-Hendriks Meister
zögert keinen Moment, dem Ruf zu folgen. Andererseits war er ein Mann von Ehre und wollte den versprochenen Altar auch liefern. Er dachte immer daran, was ihm der
große Meister Hubert selig allen riet: "Gehst du eine Treppe hinauf, vergiß nicht, daß es ohne dein Zutun auch vorkommen kann,
daß du sie wieder herunter gehst – renn niemanden um, der darauf sitzt." - Und während Jan-Hendrik ihm also eifrig die Sachen
packt und Proviant vorbereitet, sieht er ihn sich nachdenklich an und beschließt, den Jungen jetzt schon zu ermächtigen, sein
Meister-Stück zu malen, eben diesen Altar. - Er selber konnte ja die inzwischen schon sehr geschickten beiden Kleinen als
Gehilfen mit sich nehmen und ihn bevollmächtigen, bei denselben Heimarbeitern arbeiten zu lassen, die sonst für ihn tätig waren,
die Jan-Hendrik auch alle schon kannten. - "Jan," sagt er "laß das mal einen Moment beiseite, ich muß mit dir reden." –
Jan-Hendrik also kommt zu ihm und hockt sich wie immer neben seine Schlaf-Bank und bringt noch etwas Kräuter-Trank mit,
den er schon zwischendurch fertig-gestellt hatte. "Nimm dir auch eine Schale." - sagt er freundlich. Es würde das erstemal sein,
daß sie sich trennten, seit er den Jungen von irgendeiner Heer-Straße zu sich genommen hatte. Also Jan-Hendrik holt das Kesselchen näher und seinen eigenen Becher und schenkt sich auch etwas ein. Er hatte es sich so
perfektioniert, daß er eine Schweins-Blase voll starken Extrakt aus seinen Kräutern vorbereitete und dann immer nur rasch
warmes Wasser zu bereiten brauchte, um den Trank zu bereiten. - "Paß auf," hebt sein Meister dann an, "die Nacht ist kurz und
wir müssen etwas Wichtiges entscheiden. Du weißt, das solch eine Berufung nicht abgelehnt werden sollte – du weißt, daß ich
von Herzen gern male und eventuell jetzt meine Chance bekomme. – Aber was du dir vielleicht niemals klarmachen konntest:
dort, wohin ich jetzt komme, werde ich unter den Großen nur ein Mittlerer oder Geringer sein – Seine Ehren der Herzog sammelt
so viele Talente und vergibt so viele Projekte – es kann – viel wahrscheinlicher - sein, daß ich darin ganz einfach untergehe oder
weit weg von hier – behüte – irgendwo liegen oder einfach der Ernährung wegen hängen bleibe. – Nein, sag jetzt noch nichts,
wir haben wenig Zeit. - Weißt du" – druckst er plötzlich etwas schüchtern herum "mein Traum war es eigentlich, irgendwo
nördlich der Lippe mein kleines Imperium der Altarmalerei aufzubauen, wo man so nach und nach den Gemeinden die Kirchen
ausstattet und wir nicht die Großen, aber die Ersten sein werden. Wir würden unser Auskommen haben und jeder sein Talent im
eigenen Tempo verbessern, unser Werk immer besser verstehen und Der HERR, Den es preist, wird es sicher auch segnen. –
Wenigstens in deinen Augen, Jan, möchte ich dieser dein Meister auch immer bleiben – ich habe dich einfach zu gerne – ich
liebte es auch immer sehr, dir ein Vater und getreuer Herr zu sein, den du bewunderst. - Deshalb möchte ich dir etwas
anvertrauen – und ich werde dich dabei in jeder Hinsicht unterstützen von wo immer ich bin – sieh mal, es ist so: Seine Ehren
der Herzog schreibt einfach ein Breve und gebietet, alles liegenzulassen, was wir soeben tun, um ihm nun zu dienen. Er fragt
nicht einmal, um was es sich handelt, ob es für uns oder jemand Anderen wichtig sein könnte – ob wir bei jemandem im Wort
stehn – ob wir gerade eine herrliche Idee umzusetzen im Begriffe sind – und sei gewiß: wollte ich den Ruf etwa ablehnen, um
diesen Altar hier fertig zu machen – man entzöge ihn mir hier. - Für Seine Ehren den Graven, für Seine Eminenz den Herrn
Bischof und all die anderen wäre ich den Auftrag nicht mehr wert, wenn ich so sehr dran hinge, denn für sie ist es eine Ehrung,
daß man mich grad aus einer Arbeit für sie weg beruft. Ich bin nicht sicher, ob es sie wirklich interessiert, mit wieviel Interesse
und Liebe wir dies hier tun. - Sie würden den Altar auch akzeptieren, wenn er einfach irgendein solches Werk ist, Vorlagen sind
gewählt, geschickt zusammen-setzen kann sie fast jeder unserer Zunft, Inhalt der Hilligen Geschichte ist bekannt. – Volk dazu
kann man sich denken und so irgend-wie dazwischen setzen, so ähnlich anziehen wie sie und die paar Landschaften dahinter. –
Du aber warst von Anfang an dabei und warst am Toten-Bett unseres großen Hubert selig. –
Du kennst seine große Kunst, die gemalten und gemeinten Dinge liebevoll und wahrhaft zu verweben, seine Geheimnisse, die er
uns aus den alten Bau-Hütten über Zahl und Maß und Segen übergab, seinen Starkmut, keine Lehr-Werkstatt zu führen und sich
in seine Werke derart zu vertiefen, wie sie es als Mit-Erschaffung in der Welt Des Herrn verdienen – wie es Der Liebe G"TT
verdient. - Es ist doch schon ein Wunder – überleg mal – wenn ich mir ein - na, sagen wir mal, Schwienken - denke, schwebt mir
eins vor aus allen, die ich sah – da warst du nicht dabei – du siehst in meine Vorstellung zunächst nicht rein. - Dann nehm ich
meinen Finger und schreibe Zeichen in den Sand – es können irgend-welche sein, doch du und ich, wir hätten abgemacht, dies
spricht man so. Es braucht so wenig Zeichen, ich könnte schreiben: "in" – "ein" – "wein" und du ahnst es noch nicht, aber jedes
ist schon etwas – ich setzte noch ein "S" davor und schon siehst du in deinem Kopf ein eignes Schwieneken. – Und maltest du es
oder ich - egal - wir könnten uns einigen, daß es genau das ist, was jene Zeichen anzitieren, wir sagen auch, es sei dasselbe
Schwin. Nimm an, wir setzten uns getrennt und jeder malte von sich aus ein und dasselbe wirklich hier laufende Schwin – dann
müßten wir beträchtlich gute Maler sein, um nachher festzustellen, ob es dasselbe Schwein war, das wir malten – wir müßten
mehr als portrait-ähnlich das Individuelle treffen. - Siehst du – darüber haben wir nun schon oft debattiert und gesprochen. Es ist
ein Wunder." – "Ja," sagt Jan-Hendrik "der Mensch ist das Wunder und das so Zuverlässig Geschaffene – hat er gesagt – die
außer-gewöhnlichen Ereignisse sind Ausweis und Waren-Probe zum Kennen-Lernen Des Meisters der Welten - und unser großer
Meister Hubert selig wurde nie fertig mit Staunen." -"So ist es. Wenn wir nun daran gingen, den großen Hubert selig noch
einmal zu ehren - du weißt es – wir sind nicht so gelehrt, wir haben weder sein Wissen noch seine herzliche Frömmigkeit, nicht
seine Art, zu malen – zweite sind wir schon dadurch, daß wir nachahmen, was ihm von selber kam, daß wir nicht selber sahen,
was ihn an was erinnern konnte. - Wir kommen bisher einfach nicht einmal aus dem Probieren heraus. - Wir sammeln
Materialien und Wünsche und möchten etwas Vollkommenes tun.
Nun hat Seine Ehren der Herzog vermutlich einfach nur irgendwen mit irgendwas zu beauftragen gebraucht und weiß nicht,
wobei er uns unterbrach. Es heißt doch: alle Wege sind Vorsehung bis auf die Punkte darin, wo der Mensch zufällig will – das
kann er wählen, sogleich dann tritt wieder Vorsehung ein, bis er wieder was will." – Jan-Hendrik unterbricht ihn leise: "Bitte,
Lieber Herr Meister – wie war das?" – "Alle Wege sind Vorsehung – also da weiß und wählt der Liebe G"TT, wie die Welt laufen
soll - bis auf die Punkte darin, wo der Mensch zufällig selbst etwas will – das kann er wählen, des Menschen Wille ist frei, sonst
wäre Sünde nicht strafbar oder nicht-einmal möglich eine - sogleich dann tritt wieder Vorsehung ein, bis er wieder was will. –
Kürzer ausgedrückt: es wird wohl zu irgend etwas gut sein, daß ich hier wegberufen werde. - Unser Projekt aber will ich auch
nicht verlassen. Vielleicht - denk ich - ist das ein Finger-Zeig, daß ich dir dieses ganz übergeben sollte. – Dich hatte Unser
großer Hubert selig doch gern und du warst an seiner Seite, als er abberufen wurde – ich bitte dich, mein Jan" – sagt er herzlich
"versuch es und frag nicht. Ich als dein Meister darf entscheiden, wann du dein Meisterstück versuchen solltest. Versuch es hier
und jetzt – ich werde es anmelden und verteidigen, ich werde auch Meister Jan als Bruder dabei beteiligen und wir werden es
abnehmen – so G"TT will, daß du es fertig-stellst. - Unterwirf dich dem einfach, weil ich es möchte – nie wieder werde ich dir
mehr Förderung geben können als direkt jetzt noch einmal – mein Sohn sollst du sein, du warst es ja immer. - Schau: heute stellt
mich diese Berufung sehr hoch, bis unter die malenden akademischen Musen-Künstler – heute und morgen zählt also meine
Empfehlung etwas. - Später werde ich einer der Vielen sein und hier schon vergessen. - Also ich bitte dich, mein Jan, schlage ein
und ich werde im Rest dieser Nacht deine Meister-Aufgabe beschreiben." –
Jan ist fassungslos und sehr überrascht, denn im Grunde war er doch noch nichteinmal bis zum Gesellen-Stück gekommen und
von dem bis zum Meister waren gewöhnlich noch einige Jahre nötig. Aber er sieht, daß sein Meister sich betrüben würde, also
schlägt er ganz ehrfürchtig ein. Er mag es ja kaum glauben. - Nun spingt sein Herr Meister auf und sagt ganz frisch: "So, und nun
– lauf rasch und wecke den Jungen Laurenz mit dem Super-Gedächtnis. Er soll mit zuhören, denn es wird sehr umfangreich, weil du sehr jung bist und man dann mehr verlangen wird als von anderen.
Wenn du es erreichst, mach unserem Kleinen, Freund Laurenz, die Freude und nimm ihn zum ersten Lehrbuben. Er ist begabt
und wird die nützlich sein" – er zwinkert verschwörerisch "... und auch die ganze kleine Sippe mach zu deiner, wenn du in das
Heiratsalter kommst." – "Oh – Lieber Herr Meister" – stottert Jan-Hendrik "das habt Ihr gemerkt?" – "Na, was hast du gemeint?
Braucht man dafür den Blick in eine Zauberkugel für ganz weit Entferntes? – Schon deshalb denk ich: du bleib besser noch ´ne
gute Weile hier – habt Spaß an eurer ersten Liebe, sing sie malend in dein Meisterstück. Aber nun mach dich auf die Socken. Und weck die Jungs, die können mein Gepäck fertig machen und müssen ja auch ihre Beutelchen schnüren. Wir haben noch viel
zu tun heut Nacht." – dies alles geht nun so schnell – naja, und wäre da nicht wirklich die Erwähnung der Matha und vor allem
die Aussicht, diesen Altar-Auftrag selbständig durchführen zu dürfen, so hätte Jan-Hendrik diesen Abschied viel schwerer
genommen. Jetzt aber fühlt er sich wie auf einen Hügel gestellt und vor sich eine herrliche Straße ausgebreitet. – Eine ziemlich
verborgene Straße – das Meiste von lichten Wäldern verborgen, genauer gesagt – es ist nur, als seien kurz alle Vögel der Straße
aufgeflattert und jubelten für ihn. Daran sah man die Straße. Denn er hat ja keinerlei Ahnung, wie das funktionieren soll, jetzt
schon bald Meister zu werden. Aber selbst malen zu dürfen – die inneren Worte und Bilder hinaus aufzustellen – oh, davon hatte
er viele! Während Jan-Hendrik dies alles zu erledigen in die Nacht eilt, nimmt der Meister sein Stunden-Buch, betet die Matutin –
"Domine, labia mea aperies ... HERR öffne DU meine Lippen, daß ich Dein Lob verkünde" – notiert ganz klein am Rand, daß er
die Bortschaft heut bekam - und denkt: ach, öffne meine Hände, HERR, daß ich los-lassen kann - und er versucht, seinen eigenen
Trennungs-Schmerz zu übertönen: oder ist das am Ende dasselbe? – Es geht ihm eben nach Art aller Väter, Mütter und
Lehr-Väter – sagt er sich im Hinter-Kopf, während die vertrauten Texte ihm von fast selber über die Zunge flirren. - Es hat dir
nicht weh-zutun, denn dazu zieht man die Kleinen groß, daß sie ein bißchen besser werden sollen, ein bißchen weiter sehen sollen
als man selbst – vermeinte er in sein Herz von innen her friedlich gesagt zu bekommen – aber es tut dir doch weh, weil es
Vertraute sind, und daran hängt so viel Kraft, nicht? – Ja - der Kleine war ihm eine Art mitwanderndes Zuhause geworden mit
seiner niedlich altväterlichen Höflichkeit. - Von ihm konnte er das eigentlich gar nicht gelernt haben – sonderbar – genau wie
beim Malen, man denkt, man lehre sie – aber irgendwoher holten sie sich ihre Vorbilder blitzschnell und selbst. – Ja wirklich, er
wäre gern der Größte unter den Kleinen geblieben, nun aber würden sie ihn bald in den kalten Wind des Vergleichens zerren. - Er
spürt sich bei der Aussicht schon schrumpfen. –
Neulich war hier ein junger Mann gewesen, nicht-mal Maler, nein, sowas wie ein durchreisender Kaufmanns-Sohn – zur Wieden
oder so – der sagte, als sie grad Entwürfe malten: Sieht nett aus - darf ich auch mal? – Er sah sich dann die Farben und die Pinsel
an und malte dir so aus dem stante-pede einen Wächter ab, der gemütlich malerisch im Dienste eingeschlafen war, mit einem so
perfekten Strich, so sicher in der Kraft der Linienführung, so schön in seiner blau und weißen Kleidung, daß man sich kaum
vorstellen konnte, daß dieser nicht geträumt hätte, er sei im Himmel eingeladen – so lag der anmutig und glücklich an sein Schild
gelehnt zwischen seinen Krügen – man wußte schon, die hat der ausgeleert und trotzdem schlief er reinen Herzens - schon auf
Anhieb so gemalt und nicht zu übertreffen. – Er hatte ihm empfohlen, sich an Meister Robert anzuschließen und ihm ein
entsprechendes Breve geschrieben - und der junge Kaufmann nickte so, als sei das hiermit klar. – Was wuchs denn da für eine
neue Künstlerwelt heran? - Wozu würde der noch einen Meister brauchen? Was Anmut, Blick, Ausdruckskraft und lichte
Prächtigkeit betraf, war dieser wohl schon fertig auf die Welt gekommen. Zum Meister bräuchte er nur noch die Sitten des zu
Malenden bei der Schilderer-Gaffel zu erfahren. - Er würde reisen, sich ansehen, was andere machten und leicht auch seinen Weg
dazwischen finden. –
Sein Jan-Hendrik aber war von Kindheit auf mit ihm gereist und hat den Vorteil, seine Walz schon vorher mitgetan zu haben. Er
kennt das Farben-Machen von der Pike auf und alles, was man dazu braucht, im Original – ihm bedeuten Farben ganz bestimmte
Preise, Situationen, Herkunfts-Quellen, Erlebnisse, Beschaffungs-Kostbarkeiten, ihm ist bewußt, ob eine giftig ist, wo er die
Kleinen hüten und zur Vorsicht mahnen mußte – ihm ist bekannt, was man von manches Steines Heilkraft weiß und wenn er
wählen kann, zieht er sie vor, um Heil mit Heilen zu verknüpfen. Er betet noch, indem er malt – er kennt nur die Altäre - und jede
Skizze, die er macht, sieht er schon integriert in einem Bild der Heils-Geschichten. - Für ihn ist nichts profan. – Er betet sein
Stunden-Gebet zuende, dann noch ein bißchen um Behütung in dieser neuen Zukunft, ein bißchen bang ist ihm schon und er ist
überzeugt, daß es weit begabtere Maler als ihn gebe, wenn auch natürlich unbegabtere, die ebenso ihr Auskommen finden, am
richtigen Platz. Während er nun seinen persönlichen Beutel schnürt, kommen die Kleinen schon und zeigen ihre Beutel vor und er packt ihnen
einiges zweckmäßiger um. - Sie sprudeln vor Begeisterung, mit ihm in die weite Welt zu ziehen, fragen, welche Sprachen man
jetzt brauchen werde - und wo es hingeht - und was die da essen werden - und wer alles mitkomme. – Für einen Augenblick
verstummen sie betrübt, als er ihnen sagt, daß der Große hier bleiben und den Auftrag zuende malen wird. – Aber die
kommenden Aufregungen und Abenteuer - und ihr Aufstieg zu Ober-Lehrlingen – das riß dann doch alle aufkommenden
Bedenken um, und während sie sich wieder zum Weiterschlafen entfernen dürfen, kichern und freuen sie sich weiter wie doll. Der Meister, wann-immer er morgens abfahren muß, läßt das Packen immer gern so früh wie möglich vorher erledigen. Dann
würde es morgens nicht so hektisch. - Nun kommt auch schon Jan-Hendrik mit Laurenz wieder und der Meister fragt Laurenz, ob
dieser einverstanden sei, vorläufig dem Jan-Hendrik zur Hand zu gehen, damit sich dieser konzentrieren könne, sein
Meister-Stück zu malen – er wisse, daß Laurenz in diesem Fall Verdienst-Ausfälle haben würde und verspreche, ihm diese zu
ersetzen, und wenn sich Laurenz hier geschickt bewähre, wolle er von dort, wohin er kommt, versuchen, ihm auch zu helfen, das
zu werden, was er werden möchte. - Weil er das natürlich nicht allein entscheiden könne, werde der Meister auch alles mit der
Familie d'Arimatta klären, aber wegen der eiligen Reise wohl schriftlich. - Wenn er bezahle, wird das bestimmt keinen stören –
aber, ob Laurenz es will, könne er ihn nur selber fragen – es sei wichtig, ob er wolle, denn Jan-Hendrik brauche einen getreuen
Helfer. – Also Laurenz schlägt ein, was seine Willigkeit beträfe – die Frage, ob er dafür frei-stellbar sein würde, blieb davon ja
unberührt. - Er solle sich aber nicht grämen, falls irgend etwas nicht klappen würde, machen sie zusätzlich ab, denn das hänge
davon ab, ob G"TT es will und welche Entscheidungen ihnen die nächste Zeit überhaupt ließe. Nun aber wird es Zeit, sich um
den Meister-Auftrag zu kümmern. - Also, die Maße des Altars stehen fest, die Toveln sind ja beschafft, vorbereitet und grundiert
und die Vergoldung der Himmel ist schon erledigt. Jan-Hendrik soll aber die schützenden Überzüge erst ganz zuletzt entfernen,
schon aus Schutz vor begehrlichen Fingern. Nichteinmal Laurenz dürfe es zu früh erfahren - schärft der Liebe Herr Meister dem
Jan-Hendrik ein. - Man beurteile - erklärt er ihm - ob sauber und klar sowie haltbar gemalt wurde, aber das wisse er ja. Man
beurteile des Weiteren harmonische Farben-Verteilung, die Symmetrien und großen Linien-Führungen. Bei einem Altar dieser
Art sei auch die Ablesbarkeit der Szenen zu beachten, daß das Auge bequem das Bekannte wiederfinde, was die Hillige
Geschichte betrifft, wie man sie kennt – also wie sie spontan jeder mittlere Kirchenbesucher auch weiß: der
Wieder-Erkennungs-Wert bezieht sich auf den bestellenden Käufer, nicht auf des Malers Erklärung.. Das muß wenigstens
überwiegen.
Dazu könnte er zum Beispiel für die marianischen Themen das Schema der Miniaturen aus den beliebten Stundenbücher
verwenden: Acht Szenen betrachtet das Marien-Offizium:
Inmitten der Nacht während der Matutin meditiert man die Verkündigung der Geburt durch den Erz-Engel Gabriel – und
warum? – doch es gilt als unschicklich, einen solchen Besuch der Aller-seligsten Jungfrau als nachts geschehen darzustellen, es
gibt Besuchs-Zeiten wegen des guten Rufes bei Tag. –
Auch in der Nacht noch, wenn sich die ersten Vögel melden, gedenkt die Laudes der Lob-Preisungen anläßlich des Besuchs
Mariens bei ihrer Base Elisabeth, auch dafür gelte dasselbe, daß die Heim-Besuchung als etwas darzustellen ist, was tags
geschah. - Wegen des vorgerückten Alters der Base würde Maria sie nicht nachts beunruhigen. – Genau zu Sonn-Aufgang
meditiert die Prim Christi Geburt – das ist ja einleuchtend verknüpft: Sonne der Gerechtigkeit. – "Darf ich es darstellen, daß der
Hillige Evangelist Johannes genauer aussagt, daß Unser Herr Jesus mit dem Neu-Mond zu vergleichen sei?" – kommt
Jan-Hendrik auf eine seiner Lieblings-Ideen zu - ihm schwebe vor, ein neugeborenes Kind in seiner zarten Winzigkeit, mit ganz
zartem Strahlen auf die Heide neben die Mutter zu legen, so als finde sie eins und sie steht nicht und sitzt nicht, sondern schwebt
überrascht und verehrend wie die Sonne daneben – "Jan, das kann ich dir nicht beantworten, ich wäre auch gespannt, wie du das
darstellen würdest – aber so etwas ist zum Beispiel deinem Einfalls-Reichtum überlassen. - Doch du mußt es mit 1-mal-Erklären
an den Mann bringen können. - Dein Altar wird eventuell lange Zeiten ohne deine Worte bestehen und den Betern spontan
gefallen müssen. - Gut, also Das Morgengebet Terz widmet sich der Verkündigung an die Hirten auf dem Felde, während diese eigentlich in der Nacht
stattfand, des Leuchtens der singenden Heerscharen wegen oder so –
und mittags in der Sext schließt sich das Beten dem Besuch der Hilligen drei Künninge an. –
Mitten im Nachmittag betet die Non zum Thema der Darbringung Unseres Lieben Herrn Jesus im Tempel, Seine Beschneidung
und Namens-Gebung – das versteht sich von der Stunde Seines Todes am Kreuze her. –
Zur Zeit des Abendessens in der Vesper wird die Flucht der Hilligen Familie bedacht, grad weil der Tag sich neigt und wer weit
weg kommen will, reist besser in den Abend ab, denkt man wohl. –
Und in den Abend legt die Komplet die freudige Erinnerung an die himmlische Marien-Krönung. – Also, wenn du das nimmst,
halte dich ungefähr an dies Schema. - Du kannst es auch kürzer fassen. Wenn du mit acht Szenen beginnst, siehst du, daß es sieben zu eins geteilt ist und das überdenke. Du hast zwei klappbare Toveln
am Altar und insgesamt 5 Flächen zur Hand – in die Mitte soll ja die Kreuzigung und auf alle Seiten nur die
Evangelien-Geschichte gemäß der dem Volk der Gläubigen verlesenen Perikopen – theoretisch ginge das wohl, aber richte dich
nicht nach mir – dein Meister-Stück muß ganz von dir allein verteidigt werden. - Und nun zur Neun – wenn du etwas auf Neun
malen willst, bietet sich an, daß es im Stundenbuch der Geistlichen neun Lesungen im Officium sind, von denen jede ein eigener
Einleitungs-Segen trägt: diese Lesungen wechseln, aber die Segen stellen sie in ein bestimmtes Licht, verstehst du?" – "Verzeiht,
Lieber Herr Meister – darüber weiß ich nicht viel." – "Also ganz kurz: wer es immer mit-betet, wird alles, was neun-zählig ist,
unwillkürlich darauf bezogen ablesen, allen anderen ist es möglicherweise gar keine Aussage, außer er bemerkt, daß es neu ist
und denkt dabei an erstens Vigil, der Vorabend, zweitens eine Fest- oder Gedenkwoche, drittens den liturgischen letzten Tag
dieses Gedächtnisses. –
Also nach "Öffne Du meine Lippen, o Herr" und Psalm "Kommt, laßt uns hoch-leben-lassen den Herrn Fels unseres Heiles" –
Hymne – Vater-Unser – Absolution und Segen ist man im Officium vor der ersten Lesung mit "Durch einen beständigen Segen
segne uns Der Ewige Vater" – vor der zweiten mit: "Der Eingeborene Sohn werde gewürdigt, uns zu segnen und zu helfen" – vor
der dritten mit: "Des Hilligen Geistes Gnade erleuchte unseren Sinn und das Herz" – das ist eine erste Nacht-Wache - die
Nocturnen teilen ja die Nacht wie den Tag in Drei-Stunden-Abschnitte. - Nun zieht im Himmel und auf Erden mit einem neuen
Vater-Unser, Absolution Fortsetzung und Segen die zweite Nachtwache auf und vor der vierten Lesung ist man wieder vor dem
Vater: "G"TT Allmächtiger Vater sei uns geneigt und milde" - vor der fünften Lesung ist man mit "Christus des beständigen – es
gebe uns Freude - Lebens" und vor der..." – Jan-Hendrik platzt dazwischen: "Ach, das heißt das?" - dann hält er sich artig schnell
wieder den Mund zu, um den Lieben Herrn Meister nicht zu unterbrechen und der setzt fort: "...vor der sechsten Lesung mit:
"Das Feuer Seiner Liebe entzünde uns G"TT in unsere Herzen hinein" – in ähnlicher Weise zieht nun die dritte Nachtwache auf,
zu der siebenten Lesung führt "Der Guten Botschaft Lectio sei Heil für uns und Protectio" und nur vor der achten Lesung
unterscheidet sich, um welche Art Fest-Tag es sich an diesem Tag handelt, ob Herren-Tag "G"ttliche Hilfe bleibe immer mit
uns", Marien-Tag "Deren Fest wir begehen, dieselbige trete ein für uns vor Dem Herrn" oder Hilligen-Fest entsprechend – und
vor der neunten mit "Zur Gesellschaft des Volkes der oberen Welt führe uns hindurch der Künning der Engel" – soweit das. –
Und: möchtest du auf zehn marianische Szenen heraus, kämest du auf 10 Szenen und zwar durch zehn Marien-Feste, sie
brauchen aber jeweils vier Jahre und eins: im ersten Jahr vier: 8.12. Marien-Empfängnis – 8.9. Geburt Mariens – 12.9. Name
Maria – 21.11. ihr Tempelgang – im zweiten Jahr drei: 23.1. Vermählung – 25.3. Verkündigung – 2.7. Heimsuchung – im dritten
Jahr Weihnachten und eins: 2.2. Darbringung Jesu und Reinigungs-Opfer der Mutter zu Licht-Meß – dann tritt Jesu eigenes
Leben hervor - und im vierten Jahr zwei: 15.8. Entschlafung und Himmel-Fahrt – 24.9. Barmherzigkeits-Tag - Vor-Beterin
Maria im Paradies. - Hier im Münster-Bistum mußt du das anders teilen – denk immer daran, weil hier im Bistum Münster
Neujahr immer zu Ostern liegt. - Hier bräuchte es nur drei Jahre. Im ersten Jahr nur ihre Jungfrauschaft, das sind sechs: 8.12.
Marien-Empfängnis – 8.9. Geburt Mariens – 12.9. Name Maria – 21.11. ihr Tempelgang – 23.1. Vermählung – 25.3.
Verkündigung – im zweiten Jahr Mariens Mutterschaft, also zwei: 2.7. Liebfrauen Heimsuchung bis Weihnachten - 2.2.
Darbringung Jesu und Reinigungsopfer der Mutter zu Lichtmeß – dann tritt Jesu eigenes Leben vor alles andere - im dritten Jahr
Mariens Glorie, also zwei: 15.8. Entschlafung, Himmelfahrt und Krönung – 24.9. Barmherzigkeits-Tag Fürbitterin Maria im
Paradies. - Du siehst, das macht Sinn. Es hängt für die Feste-Ansetzung enger so zusammen. Du wirst Gemeinden finden, deren Wunsch es auch entspricht, Mariens Feste auszuweiten, auch auf ihre Mutter und die weitere
Familie, weil ihre Sippen den Alltag bestimmen – niemand gehört sich alleine - und vielleicht, weil die sächsischen Erb-Linien
sieben sind und nicht vier wie bei anderen, aber auch nicht ewig wie die schwäbischen: Da gibt es gleich nach San Diego das
Fest Sünte Annen und Sünt Joachim – Sünte Annes Empfängnis der von Erbsünde befreiten allerseligsten Maria – Sünte
Elisabethen und Sünt Zacharien Empfängnis Johanni, bei diesen sagt ein Engel die Nachricht dem Vater – Kindheiten Unser
Lieben Frau Mariens und Unseres Lieben Herrn Jesu, Segnung Des Hilligen Kindes Jesus durch die Hillige Seherin Anna und
den Greis Sünt Simon -.des Hilligen Herrn Josef erster Engel-Traum – Sünt Josef Ziehvaters Zimmermanns-Verlobung – der
Reinen Unschuldigen Ermordung – Unseres Herrn Jesu Bundesbeitritt durch Beschneidung – Sünt Josef Ziehvaters zweiter
Engel-Traum und ihre Flucht ins Ellende nach Ägypten - Heimkehr der Hilligen Familie – ihr verborgenes Leben während der
Kindheit Jesu in Nazareth – Des Lieben Heilandes Jesu Hilligtums-Fahrten mit der Familie, Firmung zum Mannes-Stand und
Verloren-Gehn im Hilligen Tempel – das selige Sterben Josefs in den Armen Unseres Herrn Seligmachers Jesus – Unseres Herrn
Jesu Tauchung durch Sünt Johann und erste Geist-Offenbarung im Jordan und Seine Prüfungs-Zeit in der Wüsteneie – wie Er
betet und dem Versucher – dessen Name vergessen sei – widersteht, den vom Himmel reißt und in die tiefste Finsternis stürzt –
Unseres Herrn zweite Erscheinung in Seiner Großzügigkeit an der Seite Seiner Hilligen Mutter Maria bei der fröhlichen
Hochzeit zu Kana im Kreis Seiner fröhlichen Degen – Unseres Herrn Jesu dritte Erscheinung in Seiner Macht in Bergpredigt,
Apostel-Berufung, Brot-Vermehrung und Seesturm-Stillung – die Aussendung der Hilligen Apostel und Jünger, zwei zu zwei Seine verschiedenen Geist-Austreibungen, Wunder, Lehrstunden, Zwiegespräche, Zukunfts-Reden, Kranken-Heilungen,
Toten-Auferweckungen – wie die Massen Ihn erkennen und suchen, verfolgen, ihn zum Hochverrat drängen wollen, damit zur
Entfernung ins Exil zwingen und zum Verbergen nötigen – wie sie Ihn schließlich als Künning in der Hauptstadt empfangen
wollen, während Er Seine Pilgerschaft erfüllt – Seine Einstellung des Hilligen Zeichens der Eucharistie, woran wir einander
erkennen sollen, beim Letzten Abendmahle, wo wiederum Seile liebreiche Mutter nun Ehrengast ist, denn bei der Kreuzigung ist
sie dabei und empfängt in Gemeinschaft den Hilligen Geist. - Bei alledem haben sie viel weniger Zeit für die Menge der Hilligen
sonst und sehn in Reliquien mehr die alltägliche Notwendigkeit, für ein Ordal auf eines zu schwören, die vielen Synods und
Go-Gerichte, die Hillige Vehme, in Varlar und in den beschaulichen Häusern verkehren lebendige Brüder und Schwestern mit
Seelen und holen sich Rat, doch man spricht auch die Lieben Verwandten am Grabe, die man schon kennt, versorgt sie mit ihrem
wichtigen Ablaßgebet wie die noch Lebenden mit Brot und kennt kein Pallio für einen Gemeinschafts-Patron - wie Italien es
feiert, will von Fremden nicht allzuviel selbst. - Man kennt also Unsern Lieben Herrn Jesus - das ist ein direkter Verwandter,
weil Er es versprach und es zuverlässigen eigenen Leuten beglaubigte. Das macht souverän. –
Wenn eine Reliquie nachweisen kann, das sie echt ist, dann genügt sie zum Eide-Ablegen. - Diese Hilligen holt man am
sichersten aus Rom, gut Bekannte aus Akten - sie zählen wir hier aber mehr zu den anderen Ministerialen – man wird nicht intim
und rechnet nicht mit persönlicher Treue Freundschaft. Der Ministeriale hat ja nichts frei, außer den vereinbarten vorherigen
Gerichts-Freien-Würden. - Sie sind alltags eben nur der Name ihres Herrn – wer weiß, mein Jan, bald wird es meiner Freiheit
als Künstler genauso bestimmt sein, ein Irgendwer Flämischer Schule – wer merkt sie sich schon – oder: Werk-Meister
Burgundischer Arbeit, ein Niveau ist gemeint, wird bestellt – oder auch nur ein namenloser Zulieferant wie jene, die mir und dir
helfen. – Nimm an, daß ich es akzeptieren werde, wenn's dann mich ernährt und ich eine Familie wie die Handwerker – so
richtig mit Eh-Gemahl - gründen könnte als Stadt- oder Hof-Maler wo. - Denke dir, mein Jan - du könntest ein Leben lang
malen und noch ginge dir es an Themen Jesu nicht aus, Unseren Lieben Herrn Jesus mit Wort und Bild zu umspielen. - Bedenke
immer wieder all diese Geheimnisse mit und vor Ihm – wie ich es Dich lehren durfte – doch es wird dir an Auftrag-Gebern
mangeln, welche dir das Material dafür stellen und dich ernähren. - Vieles wirst du nur in dein Innerstes malen. – Hinzu kommen
ja noch die viel wesentlicheren Hintergründe des Lebens und Aufopferns Jesu: Der Allmächtige Vater der Welt und wie sie im
Verein mit dem Sancte Spiritus alles gemeinsam geschaffen, bebrütet, vieltausend Jahre in der biblischen Heilsgeschichte
angekündigt und vorgezeichnet – gefördert – in Sehnsucht erhalten und zur schönen Glorie vervollkommnet haben - bis in die
herrliche Zukunft des künftigen Lebens – das Leben." Jan-Hendrik und Laurenz reißen fasziniert die Augen auf, während ihr Meister sich so vertraulich begeistert – denn ihm selber
kommt ein heftiger Schmerz, daß ihn der große Herzog der Burgunder eventuell von diesen Themen weg berufen wird zu andren
Diensten wie nur Dekors für Speisesäle, Spionen-Bilder fremder Lande, Personen-Zeichnen für dessen Sammlung Gesichter oder
Entwürfe für Brokat-Webereien. - Jan-Hendrik sagt schüchtern: "Lieber Herr Meister – wie treffe ich unter all diesem die rechte
Auswahl für ein doch so kleines Altarblatt – es würde doch alles Holz, Linnen, Papier und Mauerwerk nicht ausreichen, es zu
malen?" – Sein Meister faßt sich wieder und sagt: "Ich will Dir ein Geheimnis sagen, mein großer Jan: bewege dich beim
Malen immer in der Gedankenwelt des zu erlangenden Guten und Schönen. Folge Unserem Herrn Jesus nach, wie dieser
unablenkbar Den Vater anbetet und preist. Lebe und zeichne Seine Freude für unsere Errettung und Seinen ungestümen Willen,
daß es uns Nachherige unbedingt geben soll und nicht schon alles mit einer verfrühten Machtergreifung hier untergehen soll –
wie Der Vater und Er und Der Hillige Geist sich auf dich und Laurenz, auf jeden einen so freut, uns zu helfen und einzulösen –
dann kannst du jede Auswahl zeichnen, welche dir Gemeinden auftragen und findest den richtigen Darstellungs-Ton. So hat es
mich mein Lieber Herr Meister Feoderico Toggenburgensis in der Klause bei Hohen-Ems gelehrt und ich überliefere es an dich
weiter."
Nun zählt er auf, was sie zum Altarprojekt bis jetzt erarbeitet haben: "25.3. Verkündigung – da male zwei Personen gesamt, statte
die Hillige Jungfrau Maria als Stifts-Fräulein in Abtei Hervurth - oder Asbeki, Metelen aus, deren Zellen gleichen in etwa dem
Modell eines Stübchens, an dem du – erinnere dich – das räumliche Zeichnen von Meister Robert gezeigt bekamst, nimm deine
Skizzen oder fahr noch einmal hin – mach keine Fehler, sei sorgfältig mit dem Parkett, welches Muster du nimmst – erinnerst du
dich an diese dezente Zickzack-Struktur in den Fliesen, die ich am Berge skizzierte? Mach daraus Fliesen. Setze irgendeine
Umzäunung um die Jungfräulichkeit – denk an die Beschreibung des himmlischen Besuches im Heliand. – Nimm des großen
Engels Gesicht nicht aus den Hiesigen, male zum Beispiel einen wunder-schönen geistlichen burgundischen Prinzen im
Chor-Mantel mit Flügeln – sei sehr sorgfältig mit der Material-Aufgabe des falten-reichen Gewandes, welcher Stoff wie fällt – so
etwas beachten die Prüfer auch und es bemerken de hiesigen Textil-Fachleute. Laß dir im Entwurf durch unseren Stoffe-Maler
beistehn, das ist erlaubt, aber das Muster entwirf selber und melde es an." Jan faßt zusammen: "Also Verkündigung zwei, ein Hilliges Stiftsfräulein Maria und ein Hilliger Fürst der Engel Gabriel." - Dann
kommt er schon auf seine Konzepte: "Darf ich der Jieben Jungfrau ins Zimmerchen auch ein Weckholder-Töpfchen einstellen,
wie es die zarten Frauen des Duftes und der Gesundheit zuliebe hier halten? - Weckholder - Kalinka, JuniPerus – heißt das: im
Juni schwanger? – Es besagt im Heliand "die Jungfrau immergrün – sie wirkte am liebsten kostbare Tuche", singt der
Heliand-Skalde auch von ihr, also ich lege ihr so eins dazu. - Empfängnis sah ich schon als Sonnen-Strahl gedeutet, aber mit
Täubchen oder Seelchen darauf einschwebend. - Was meint Ihr, Lieber Herr Meister, darf ich das weglassen? - Es sieht mir so
nach einem Zauber-Ritt aus oder als sei es der Hilligen Jungfrau träumende eigene Seele." – "Wie würdest du es denn
zeichnen?" – "Wenn Ihr gestattet, Lieber Herr Meister, Sünt Goar – so hörte ich - hängte seinen Mantel an Sonnen-Strahl auf,
also ich will hier kein solches Wunder-Zeugs malen. - Ich denk mir, der befruchtende Strahl stiehlt sich mehr unten durchs
Fenster wie ein sanft säuselndes Wehen Des Geistes, und der Lieben Hilligen Jungfraue geb ich ungefähr das
Verkündigungs-Maria-Gesicht Unseres Meisters Hubert selig. - Es ist von der Art, wie sie hier aussehn, aber keine von hier." –
geschafft, geschafft – er hat es elegant untergebracht, freut sich Jan-Hendrik – und wirklich, es wird gebilligt: "Das ist weise,
mein Jan, denn gewöhnlich tritt unter den Lieben Frauen eine große Verbitterung ein, wer in einer Altar-Stiftung die Madonna
spielen soll. - Wenn sich nachher herausstellen sollte, daß gerade diese so rein und lieblich Gemalte, wie sie dem Maler gefiel,
unter den Frauen an der Welle zu gut bekannt und gar so-eine ist, tut das dem Beten nicht gut. - Sag einfach, du bist zu jung, um
zu wählen und dieses wichtige Gesicht möchtest du – mit aller Erlaubnis – vom großen Meister Hubert selig zitieren, weil van
Aygk ja bei Coesfeld liegt, das ist nah. - So ähnlich mach es mit Jesu Gesicht, nimm keinen von hier und auch nicht so, wie sie
hier und ihre Nachbarn selbst aussehn. Kopiere ein schönes Antlitz von weit weg, das den Gesichts-Ausdruck hat, den du lieben
könntest beim Beten – kein zu prägnantes, das ermüdet bald. - Noch ein Rat: such dir einen Leit-Gedanken aus, ehe du malst.
Hast du da etwas für diese Szenen Empfängnis und Geburt?" – "Oh ja – aus der - ich weiß nicht - aber Harrasmann hat es mir
gegeben: Was Wunder, wenn ich durch Dich ganz zum Feuerbrand würde und so mich selber verzehrte! Du bist ja das lodernde
nie verlöschende Feuer, die Liebe, welche die Herzen läutert und erleuchtet den Geist. – Die Lauretanische Litania und die
Liturgie nennt ja die ehrwürdigen Throne der Hilligen Jungfrau Sitz der Weisheit – Geistliches Gefäß – Ehrwürdiges Gefäß –
Verschlossene Pforte - Umfriedeter Garten - vortreffliches Andachts-Gefäß – MorgenStern... – ich denke, die zitiere ich alle in
den Utensilien." Der Liebe Herr Meister sagt: "Unser Freund, Meister Hubert selig, er band es uns immer auf die Seele, Das Fließende Herz der
G"ttheit von der Hilligen Begine aus Magdeburg aufmerksam zu beachten - und hier in Stift Borghorst, da gehört es doch Bistum
Magdeburg zu. - Er lehrte mich viele Passagen des Buches – dich doch auch, erinnerst du dich? - Die kleinste Wahrheit ..." –
Beide Jungen rezitierten zugleich los: "Die kleinste Wahrheit, die ich dort gesehen, gehöret, erkennet, gleichet nicht höchster
Wahrheit, die auf Erden je wurde benennet..." – "Ja, stop, genau diese Begine Mechthildis – das ist gut, mein Laurenz, daß du es
auch bereits lerntest. - Da gibt es den Vers: Unsere Hillige Fraue Maria ..." – Laurenz ergänzt: "... braucht am Thron keine
Lücke zu füllen, denn sie hat mit ihrem Kinde allen Menschen die Wunden geheilt und es ward ihnen gewähret die Gnade, welche
sie hatten behalten wollen und konnten..." – "Ja, bis hier." – "Oh ja, ich seh's – ja, das Konzept werde ich versuchen. - Das
Büchsken hat eine frische Sprache und so starke Bild-Kraft." "Gut, dann kannst du auch gleich beim Weihnachts-Bild daraus wählen - 25.12. Geburt Unseres Herrn Jesus – Geheimnis der
Neune, was hast du dafür vor?" – "Also Neun wäre gut? – Dreimal Drei! – zum Einen: Er geboren – fein und zart wie der
Neu-Mond im Gefilde des Abends – zwei, Seine liebenden Eltern, die Hillige Mutter Maria, noch ganz Jungfraue und fürsorglich
zuverlässig der Herr Zimmermeister Josef – dafür hab ich eine herrliche Studie aus dem Ort, natürlich hat er nun kein Werkzeug
in der Hand, sondern etwas zum Schützen des Kindes – eine molligen Beutel – und neben ihnen steht halb aufgezimmert eine
Feld-Scheuer – nur das erste Gebälk: Ich werde wieder aufrichten die verfallene Hütte - will sagen Recht-Sprechung Davids hat mit der Hochwürdige Herr Kaplan gegeben - und daher brauchen sie der kalten Winde wegen einen Vorhang, das ist das
feine scharlach-rote Tuch, das die Hillige Jungfrau ja fertigte – ich stell sie ganz frei in die Brache des Stroenfelds, etwa da, wo
die Wege sich gabeln nach Ahues, Nijenbork oder Heek - Krippe, Ochs-Esel und einsam – wißt Ihr, der vertrampelte
Ochsen-Fern-Weg, wo letztes Jahr die 1.000 Ochsen von Holstein nach Xanten durch-geschoben sind – dort genau – hat mir
Mathas Frau Mutter Aleidis erzählt, ist der Laurenz geboren, ja, der hier. Da wurde mir klar, daß sich jeder Punkt der Welt
eignet, G"TTES Eben-Bild auf die Erde zu legen. Und nun drei: die Hilligen Erz-Engel – nun ist die Hillige Mutter Maggiora: die Größere, das billungschke Stift Borghorst ist
magdeburgisch - da kopiere ich dann eben den Burgundischen Geistlichen Herrn Prinzen hinüber und wesentlich kleiner und
zwei gefiederte Prinzen gleichen Rangs, gleicher Schönheit hinzu. - Dazu hat die Hillige Begine schöne kühne Verse in Das
fließende Licht: ... da erschienen ihr rasch zwei sehr geschmückte Engel, diese sandte ihr G"TT in herzlicher Liebe entgegen, und
sie sprachen zu ihr: Frau Seele, was sucht Ihr hier so weit oben? Ihr seid noch bekleidet mit finsterer Erde. – Da sprach sie: Je,
Ihr Herren, schweigt mir nur darüber still und grüßt mich ein wenig mehr huldvoll! Minnen werde ich gehen! - Je tiefer Ihr Euch
versenket zur Erde, desto mehr verbergt Ihr Euren Himmelsglanz hold – doch je höher ich steige, desto glänzender schein ich! –
Da nahmen sie zwischen sich diese Seele und führten sie fröhlich von hinnen - und da erblickte die Seele das engelisch Land – da
ist sie ohne Gefahren bekannt – da wurde der Himmel erschlossen für sie – da stand sie herzens-zerflossen und sah an ihren
Liebsten und sprach: O Herr – ich sehe Dich – und ich werd Dich lobpreisen ob Deiner Weisheit wundervoll! ... - Ja, und dann
mal ich wieder drei Singende Engel - Prinzen singen für Hirten, das reicht, es sind 3-mal Dreie - die Neune vollkommen – im
Himmel der Hilligen Dreifaltigkeit auch. - In den Einzelheiten werde ich außerdem mit-zuberücksichtigen suchen, daß Sünte
Mariens Throne noch mehrere sind: Der Gerechtigkeit Spiegel – Goldenes Haus – Arche des Bundes - bewahrter Garten – Heil
aller Kranken. –
Und auch Sünt Josef den Zieh-Vater, den mag ich - Ihr wart mir ja auch wie ein Zieh-Vater gut, Lieber Herr Meister" - und zum
erstenmal äußert Jan-Hendrik die verehrende Liebe, die er von jeher für seinen Meister dafür empfand, ihn nicht nur vor Hunger
gerettet zu haben, sondern ihn, als Maler, ganz in sein Werk mitzunehmen - und er strahlt nun seinen Meister offen an - "...
Speculum patientiae - der Geduld Spiegel Sünt Josef – sorgsamer Beschirmer Christi – Haupt der Hilligen Familie - Licht der
Patriarchen - Erbe der großen biblische Künninge aus dem hilligen Sänger David. – Ja - ich werde malen! - ein Singen und
Hören im ganzen Altar! –
In der Saga vom Künning Rother, der sich Herr Tiderik nannte - da ist die Schlüssel-Szene diese: Künning Rother – nachdem die
Gefangenen frei und die Dinge geklärt sind, tritt er hinter den Vorhang und singt – und er singt so lieblich, sagt der Skalde, daß
einer, der den Becher in der Hand hätte, und ihn ganz entrückt sinken ließ mit der Hand, und genauso das Metz zum Schneiden
des Brotes, und es horchten die Vögel. - Da sind die zwei Knaben, die ihren Vater in der Fremde verloren – sie hören und
wissen: ihr Vater ist nah – heimkehren wird man bald können. - Mit diesen wird es wie die Worte, die Harrasmann immer mal
von Lieber G"TT sagt: Gib Dich mir, das genügt, denn außer Dir gibt es keinen Trost." – "Moment – wohin nimmst du die zwei
Knaben? - Es sind doch schon neun in der Szene." –
Jan-Hendrik kommt jetzt mit seiner Überraschung heraus – er wollte immer, aber jetzt soll er ein wahres Meister-Stück machen,
das besteht für ihn daraus, daß er es vielfach verwandelbar malen will: "Ja" – lächelt er geheimnisvoll – "ich habe da was
ausprobiert, hab es Euch doch schon angedeutet, wie die drei Weisen aus dem Moor-Meer-Lande eingeritten waren - Ihr wißt,
mit em kranken Herzog - die Schilderei wird doch klappbar und handelt alles von Unserm Herrn Jesus – wenn nur das
Geburts-Geschehen vor-geklappt wird, bleibt vom Passions-Geschehen die linke Hälfte zu sehen, und alles wirkt anders – da ist
die Herberge voll zu sehen – da kommen die Drei-Künninge – da sind die zwei Kinder inmitten der Brücke - und sie zeigen und
strahlen. - Hinter ihnen sieht man dann Ecce Homo ganz anders, wo nun die Befreiten Send-Boten König Rothers in neuen
Gewändern nachhause gehen können – oder auch, daß nämlich Jesus der Richter ist und Er sagt jetzt über Pilatus: Ecce? –
Homo. Seht ihr? – nur ein Mensch, also fürchtet euch nicht vor Richtern, die nur den Leib töten können..."
Sein Meister schaut ihn nachdenklich an – was der Junge sich da aber vorgenommen hat – das verlangt ein enorm gutes Gefühl
für gezeichnete Zwischentöne, wenn ein ganzes Volk Leute ebensogut zur Passion wie zur Glorie stimmen soll. Aber vielleicht
ist es möglich - das muß der Junge eben selbst herausfinden. Er selbst hat nie versucht, mit doppelter Deutung zu malen. - "Nun,"
sagt er "du denkst an Unsern Meister Hubert selig – er wird dir beistehn von dort wo er ist - meine ich. Wenn das
Passions-Geschehen sehr viel Menschen enthält, werden sie ja etwas kleiner gemalt – das mag kombinierbar sein. - Schade, daß
ich nicht dabei... sein-werde - bin." – Fast wird er nun wieder sehr traurig, denkt aber daran, daß der Junge viel trauriger sein
wird, wenn ihm erst klar wird... Also setzt er frisch neu an: "Aber nochmal zu den Punkten, die bewertet werden: der Gedanke ist selten und die Umsetzung
schwierig, wenn du es hinbekommst, wird es sicher was gelten. - Zur Pflicht beachte gut, wie du das Stück Natur im Stroenfeld
durchführst – vom Kindchen vorn am Boden bis zu den Orten im Horizont muß die Räumlichkeit stimmen und die Farb-Gebung
sehr geschickt abgestuft sein, zeig es im ganzen Werk wenigstens einmal perfekt, samt dem natürlichen Himmel, und laß sie auch
im Verkündigungs-Bild ähnlich in der Ferne sehen. – Wie hast du es dir mit dem Friede auf Erden gedacht? - Perfekte
Spruch-Bänder sind auch eine Pflicht-Aufgabe, die gelöst werden muß." – "Oh, da wird bei der Verkündigung der Hillige
Erz-Engel Gabriel eines emporsagen: Siehe, Du wirst empfangen... - und wegen des Eben-Maßes dieser zwei Ereignisse werden
die drei Sänger in der Höhe verneigend ihr Gloria sagen. - Außerdem wird man ferne im Horizont die Maien der Orte sehn, daß
dort ein permanenter Fried-Bezirk ist, so, wie sie das hier-zulande haben. - Über den Stall muß ich doch nochmal nachdenken. So richtig Ochsen wollen sie hier um keinen Preis in der Kirche haben, weil der Ochsen-Auftrieb hier hindurch alle paar Jahre
zur Katastrophe führt - die Verwüstung des Acker- und Gartenbaus und erst der Wege ist zu oft verheerend, aber der
Nieder-Rhein braucht sie – ich versprach, ihn nur so harmlos wie im der Toggenburger Chronik gemalt zu verniedlichen und
farblich im Vorhang zu verstecken – den Esel gleich mit und auch keinerlei Schafe. - Es gibt doch das Ereignis mit dem Esel des
Hilligen Antonius, welcher sich vor dem Aller-Hilligsten unaufgefordert nieder-kniete, und es verehrte, weil die Natur ihren
Schöpfer erkennt, jadoch der Mensch macht es sich immer so schwer damit. - Gewiß wollen die Prüfer aber hinreichend gut
gemalte Tiere sehen?" – "Da weiß ich was – schenk der Hilligen Jungfrau im Kämmerken eine Mause-Katze und male die recht
echt – im Wiegbold sah ich schon welche. Sie sollte nicht gelb und luchs-artig aussehn, weil das ein Symbol des – behüte – Bösen
ist. - Und erkläre den Orts-Bezug durch irgendein Erlebnis hier." –
Laurenz meldet, daß auch er da was wisse: "Da hatte vor Zeiten der – das lassen wir weg – also einer von hier, jeder kennt ihn
trank viel zuviel Rausch-Trank und wurde dann immer sehr böse. Eines Tages hat er im Suff mit der Stäupe sein liebes
Eh-Gespons zu Tode gepeitscht. Ja - schlimm, was? Ein brutaler Rü'e-bell-za'el! - Ab der folgenden Nacht erschien sie ihm als
Katze – mit all den geschlagenen Striemen und zerkratzte ihm ab nun all-nächtlich ganz erzürnt das Gesicht. Er bereute ja und er
besserte sich wirklich, doch sie kannte keine Gnade, bis seine Nachbarschaft für ihn eine Novene abhielt und für ihr Seelen-Heil
im Jenseits auch betete. Da erschien sie immer seltener, bis die Striemen geheilt waren. – Paßt sich doch ganz schön auf den
Altar?" – "Nun ja – so als kleine Mahnung – es soll ja hie und da noch jemand hier seinem lieben Eh-Gemahl im Suff Striemen
geschlagen haben. - Hast du auch an die Marien-Throne Hillige Maria Turm Davids – Elfenbeinerner Turm – Geschlossene
Pforte - Pforte des Himmels - gedacht? Ich meine, du mußt nicht unbedingt jeden berücksichtigen." – "Nein, ich habe mehr an
ein bescheidenes Jung-Fräuken gedacht, nachdenklich – sie bewahrte all diese Worte im Herzen – und ein bißchen spröde, denn
die reine Jungfrau will sie ja bleiben." – "Du weißt ja, ein Teil der Einrichtung im Kämmerken wird heute immer verlangt – Lilie
– Stunden-Buch – Wasch-Ecke – Apfel – Kamin – ein paar schöne Einzelheiten werden von Prüfern begrüßt, gestalte die ruhig
individueller und danach, was es hier im Ort gibt. - Ach ja, ein kleines elegantes Stilleben mit etwas aus Glas gehört zu den
Aufgaben." – "Sie stellen hier herrliche Beutel aus Leder her." – "Ja, das ist gut, sei aber genau mit dem Meister-Stück und dem
Material." –
"Klar, Lieber Herr Meister – der Fachmann hier wir es kritischer ansehn als irgendein Prüfer. – Möchtet Ihr nicht doch noch ein
bißchen die Füße hochlegen? - Morgen wird ein schwerer Tag." – "Nein-nein, mein Jan - nett, daß du daran denkst, aber du
weißt, ich bin ins Burgundische berufen und wer weiß, wohin dieses mich führt. - Man spricht viel von der seherischen Jungfrau
La Pucelle, die den Aufstand des Anjou-Frankreichs bewegt hat und sie ziehen schon auf Orléans, soweit ich weiß – alles, was
England betrifft, geht Burgund an und uns auch nebenan – eh – euch hier und euren Graven v.Bentheim mit Holland. - Sieh du
nur zu, daß die Madonna schön mädchenhaft wird. – Ehe ich ganz weg bin, will ich dich hier gesichert wissen. – Laß uns also
weitermachen. – Also die marianischen Seiten sind außen und ihre Personen zusammen sind elf, Quersumme zwei, die Daten
sind im Sonnen-Jahr fest, 25.März bis 25.Dezember, und geschehn kann, daß Mariä Verkündigung in die Kar-Woche fällt und
die Passion überspringt. - Das Fest Sünt Josef liegt also mal näher, mal ferner davon, und wenn also sowohl Sünt Josefs 19. als
auch Sünte Mariens 25. in der frühen Kar-Woche wären, geraten sie auf den Montag nach Weißem Sonntag - als Paar. - 19 ist
auch die Zahl der Jahre, nachdem ein solches Treffen wiederkehrt. - Diese 19-Zahl ist Zeit. Die Quersumme ist 1 und es sind 7
Tage ab dem 19. bis 25. – So ist es als Meister Huberts selig geplante Anordnung erwünscht. – Ach ja – im Raum soll auch ein
räumlich Acht-Eck liegen, etwa als Dischken – das ist sehr schwer zu konstruieren und zählt hoch, wenn du es richtig bringst." "Danke, Lieber Herr Meister. - Doch Ihr verzeiht – ich bin noch jung – was ist, wenn ich es nicht hinbekomme?" – "Dann
versuch es besser mit der Bank, dem Stuhl – du weißt, das haben wir geübt. Es ist ja so – die meisten wagen gar kein räumlich
Acht-Eck, aber Acht ist Isern Kaiser Karl selig des Großen Pfalzkapelle und der Chor 3/8 Abschluß, der überall gebaut sein soll
in Kürze. – Übrigens, ich sah deine Skizzen – wieso malst du zwei weiße Lilien in Mariens Kammer?" – "Lilie bedeutet doch die
Unberührtheit Mariens – aber Sünt Josefs Keuschheit ist ebenfalls eine Lilie. – Oh – und Jesus macht Reinheit: wie 3-Lilien
v.Ramsberg." – "Jan, Jan, über was du schon nachdenkst. Aber Recht hast du, mach das man so. – doch nun zum Passions-Bild.
– sonst überholt die Sonne uns noch. Wo setzt du ein? – Schwere Schatten beginnen mit dem Mord am Hilligen Johann dem
Täufer. Da kommt Unser Herr und führt das Buß-Predigen fort, auch Jesus selbst hat getauft. – Also nicht, und nachher
Künnings Einzug?" – "Das leg ich in die Gestalt Unseres Herrn Jesus, Er ist en geborener Künning der guten Art." – "Und die
Tempel-Auftritte – das Komplott der Lehrer – der 30-DenarVerrat – Fuß-Waschung, Fuß-Salbung, Abendmahl, Bissen an Judas,
die Hillige Eucharistie – das innige Ölgarten-Gebet und drei Schläfer daneben? - das ist alles sehr bildhaft." – "Da setze ich ein
mit dem Kuß, auf der linken Außen-Tovel, aber in der obersten rechten Ecke, ich werde es dunkel an den Horizont grenzen
machen. Es möchte doch keiner hier auf ewig als Verräter oder Festnehmender Unseres Lieben Heilandes gemalt werden, aber
ihre schweren Rüstungen würden sie gerne zeigen – es sind wahre Pracht-Stücke dabei. In der Nacht-Szene geht das. - Die
Hillige Eucharistie bringe ich wie ein kleines Fronleichnam in der Glorie unter – irgendwie." "Ah ja, gut. - Wenn du eine reine Gerichts-Prozeß-Tovel malst, um die Passion einzuleiten, dann nimm 7 Szenen mit 9-mal 7
Menschen darauf – darunter 6-mal Herr Jesus – nördlich, also rechter-hand des Kreuzes male den Burg-Palast, von dort
hang-aufwärts die Baum-Gärten für die Schwine-Mast in Haverenbeke, Halegtern und die Alst - das ist etwas Gutes für das
Meister-Stück: du kannst hier die Aufgabe eines verschachtelten Palast-Hofes lösen. - Welches Ensemble hattest du vor?" – "Oh,
ich dachte an einige grün-spanige Turm-Stücke mit ´nem Melusine-Lint-Worm dran - aus dem Louvre-Palais zu Paris, mit
schneeweißem Putz mit viel Stuck oder Marmor und eine Ost-Ecke der hiesigen Kirche." - "Dann baue dir vielleicht erstmal ein
kleines Modell – bei der Beurteilung zählen die perspektivisch geschickt dargestellten Einblicke und Anschnitte, die Natürlichkeit
verschiedener Bau-Epochen des Palast-Ensembles. - Beachte gut die Bau-Materialien, die eine kaiserliche Stätte heute vor
anderen auszeichnen, reise sicherheitshalber einmal nach Nürnberg und sieh dir an, was gegenwärtig für Künning Sigismund
zubereitet wird. Kaiser Tiberius von Rom hatte es nicht minder, wo seine Prokuratoren amtierten. – Apropos Kaiser Tiberius –
dessen Haus-Zeichen war der Skorpion – ich sah einmal im vatikanischen Schatz aus uralten Zeiten ein wunderbares Juwel aus
Onyx, das einst für Kaiser Tiberius angefertigt wurde und ihn an der Seite des Augustus thronend zeigt. Er bekam es für seine
Siege an der pannonischen Front eben in dem Jahr des germanischen Aufstands gegen Quintilius Varus. – Der Aufstand soll ja
nach den kürzlich in der Abtei Hersfeld - oder war es Corvey? - entdeckten Chroniken des Römer-Ritters Tacitus nahe von hier
ausgebrochen sein - hat mir Seine Hochwürden Abt von Corvey erzählt. - Also wohl doch Corvey. - Ja - Es gibt darin auch
Aufschlüsse zur Vorgeschichte der Abteien Corvey und Hervurth. – Jedenfalls, das Haus-Wappen des siegreichen Tiberius in
diesem Kleinod stellt auf seinem Schild das Bild Skorpion dar - schau, ich mal ihn dir auf – so ein Skorpion. - Soll ägyptisch ein
sehr alter Adel gewesen sein – nachher als Imperator führt er natürlich zusätzlich den Reichs-Adler des Throns. - Du kannst das
so verteilen, daß des Prokurators Palast unter dem Reichs-Adler steht, aber dieser selbst wäscht sich die Hände in Unschuld am
Tode Unseres Herren Jesus, dennoch wird die Hinrichtung der Verantwortung gegenüber einem lebendigen Kaiser geschehen,
welchem zuliebe – also für den Skorpion, der bereits regiert – Künning Herodes die geborenen Konkurrenten zu beseitigen hilft.
– Also die Aufgabe Gericht: 7 Szenen mit 9-mal 7 Dargestellten, wie stellst du sie dar?" "Oh, zuerst fiel mir auf, daß 63 auch zwei Monate sind, und zähle ich die Sonntage hinzu, sind es die 70 Tage der Septuagesima
vor Ostern, im Münsterschen Jahres-Ende: Zeit für das Synod - Gerichts-Tag. - Denn am Grün-Donnerstag sind alle öffentlichen
Sünder zur Buße nach Münster zum Dom bestellt - dort waltet auch der höchste der Minoriten mit dem Privilegium, auch die dem
Papst oder Bischöfen vorbehaltenen Sünden zu erlassen. - In der Feier der Oster-Nacht werden sie wieder zugelassen - und am
Weißen Sonntag können Erwachsene getauft werden. Wie das? - Na manchmal kommt einer von den mongolischen oder ein den
Spaiern entlaufener Sklave aus Lybia oder von den Mekka - Mesdschijd - Musl? - Muselamen? - na, die mit Mohammed Prophet
- nach hier. - Immer ist dann irgendwo irgend etwas zu den Prozessen Übliches zugleich anzusehen – hier jedenfalls sahen wir es
selbst. - Da ist der Buern-Bot unterwegs mit zwei Schöffen, um jemanden vor Gericht zu holen – 4-mal 4 gleich 16 Beteilgte geb
ich für die Fest-Nahme Jesu im Garten Geht-se-man an: das ist Er und Sein Judas, und der Bot mit dem Amts-Boten-Stab, rot
gekleidet, unbewaffnet - und er tastet den Gesuchten am Kragen des Gewandes an, unter Angabe der Anklage - sowie dessen
zwei Vorladungs-Schöffen – macht fünf – dazwischen drei Apostel, die schliefen – darunter etwas gesondert Sünt Petrus, macht
acht, der erschrocken und wild um sich haut und der von ihm am Ohr getroffene Knecht Melchior der Pastorat - macht neun, und
hinzu Not-Ruf-Berufene Bewaffnete aus der Region – macht nochmal sieben, also sechzehn. - Als Olie-Berg würde man hier die
Mast-Bäume Eiche und Buche am Wehr-Baum nehmen. Ein Maien mit gestochener Fahne und Fackel wegen Markt zu
Fest-Beginn, ein Laternen-Helm – die nürnberger Erfindung, haben sie auch hier. –
Erstes Verhör, Hoher Rat, das ist hier – die Gemeinds-Männer mit dem Geistlichen Herrn, zur ersten Orientierung, ob ein
geistlicher Unrechts-Fall wie – behüte - Ketzerei, Zauberei staatliche Beihilfe braucht – dafür male ich nur ein Stück Kirche
zunächst der Verhaftung ein und keine Leute. – 3-mal 5 dachte ich mir für die erste Pilatus-Instanz bis zur pro-forma
Überweisung an Künning Herodes – ob es vielleicht im monarchischen Sinne damit erledigt sein würde, daß dieser Verklagte
kein Rom-Bürger ist? – Der Hillige Apostel Paulus durfte ja deshalb nicht gegeißelt werden und mußte weiter zu des Kaisers
Gericht überwiesen werden, hat der Geistliche Herr Kaplan für mich nachgelesen.
Also die ersten fünf – das ist Er und vier: zwei krönen Ihn mit der Hilligen Dornenkrone und schlagen ihn mit einer kleinen
Strieme zum obersten Ritter eines Reichs. – Einer salutiert grüßend dem Künning und einer beaufsichtigt die Dorn-Kronen-Halle
– die Verleugnung des Petrus am Torweg, das laß ich hier aus. Für diese Krönung gibt es dann so eine kleinere Kammer neben
dem östlichen Südtor des gedachten Palastes, zur Kirche hin, nur so eine Art Wand – Nische - oder so. –
Ihr habt Recht, Lieber Herr Meister, ich glaub, ich muß mir ein Modell bauen – in meiner Vorstellung überseh ich zu wenig,
wohin was paßt." - "Gut, das mach dann aber bald. Zum Prozeß solltest du hier ziemlich detailliert vorgehen, hier tagen ja
Gerichte aller Art. Versuche, ein paar Prozesse zu sehen und laß dir erklären, wer darin was tut, auch bestimmte symbolische
Gebärden. Daraus nimm die erste Pilatus-Szene. - Gruppiere sie auf je 5 Personen – z.B. 1 Richter und 2 Umstands-Leute und 2
Zeugen - Pilatus in seiner Verhör-Stube sind fünf - für ein gesetz-gebendes Gericht. – Er schafft und entscheidet einen Fall, für
den der Codex vorhandener Satzungen noch nichts vorsieht." - "Und der Angeklagte?" – "Arrangiere das Ergebnis des Urteils
so, daß dieser im Blickwinkel steht, aber zu den nächsten fünf zählt, die das Urteil ausführen – Dornkrone hast du, also
Geißelung des Jesus am Pranger." – "Jesus, Sein Geißler, zwei, und Verleugnung des Petrus am Wacht-Feuer, drei, macht fünf?"
– "Ja, oder so ähnlich." – "Die Spieler der Grablege-Comedia haben gesagt, daß aber keiner der im Bild werden will, der den
Lieben Heiland schlägt - es würde ihn beim Beten kränken, in alle Ewigkeit grad damit zu sehen zu sein - so einer ist er nicht, hat
er gesagt." – "Na, dann laß aber die Verleugnung des Petrus hier auch weg und laß drei Marisken im Kreis um unsern Herrn
Jesus herum-springen, die nur gegenseitig auf einander schlagen, der fünfte zählt die Schläge vor, dann war es keiner im Bild,
aber die Situation ist zitiert." –
"Danke, Lieber Herr Meister - und des Herodes Verhör, was für ein Gericht war das?" - "Mmh, gute Frage. Also,
vergleichsweise – vor der Abtei Hervurth gab es hier auch schon Volk, Fanken, Sachsen, Friesen, irgendsolche, so ein Grave, mit
dem war jeder Freie und ein Teil der Eigenbehörigen Erben noch verwandt, der regierte Leute und ihre Straßen, wo sie weiden,
wie man so sagt, deren Recht besteht im Sachsen-Spiegel geschrieben als Brauchtums-Gericht, Anteilnahme aller
Schöffenbar-Freien, einstimmige Beschlüsse, freier Himmel – das ist es nicht. Das wäre Herodes auch nicht. Ein Künning, der es
eigentlich nicht mehr ist, weil ein Kaiser darüber seine Prokuratoren einsetzte, der aber ansonsten noch existieren darf, so etwas
ist der biblische Herodes, Makkabäer haben ja einen Thron ohne David erstellt, um ein eigenes Land zu besitzen, die waren
Priester, Herodes nicht mehr – hmm." – "Das wäre Seine Eminenz Bischof v.d.Hoie – der Sent im Wigbold hier – tagt ungeboten
3-mal jährlich – er ist mehr Landes-Herr als Priester gewesen. - Braucht es Todes-Urteile, überweist man es jetzt dem Advocatus
des Kaisers, glaub ich," sagt Jan-Hendrik – "Das gilt auch für den Abtei-Synod dreimal jährlich im Kirchspiel Schüöping. Das
Kaiser-Geschenk wird von der Abtei umritten, also die ganze Fläche." fügt Laurenz hinzu "aber der Zehnt geht zum Bistum, bis
auf die Schulten-geführten Höfe, das sind hier 16 Einheiten und das Pastorat. Die sind reichs-unmittelbar, wie die corveyschen
Höfe. Die Abtei besitzt es, trägt es neuen Kaiser-Dynastien an und bekommt es wieder zu Lehen, bestimmt selbst ihren Vogt." –
"Aber es gab auch noch dazwischen Ländereien, die nicht schon vorher der Künning besaß, die er also nicht verschenkte, hab ich
gehört." sagt der Meister. – "Ja, Stift Asbeke – Stift Überwasser – Stift Metelen – Stift Langenhorst – die gehörten noch Freien,
deren einer zum Beispiel Bischof geworden ist, und die Erbschaft übertrugen sie nun diesen Stiften, und das trug man dem
Bistum Münster oder sogar Magdeburg an, um es als Lehen zurückzuerhalten – da war immer noch Freiherren-Land und auch
wenn ein Teil der Familien Ministeriale werden, bleiben meistens noch welche mit Hausgut dazwischen – und so gibt es immer
noch freie Herrlichkeiten mitten hier zwischen, die reichs-unmittelbar richten." erläutert Laurenz. – "Also wozu paßt nun das
Verhör bei Künning Herodes?" beharrt Jan-Hendrik und sein Meister grübelt: "Hab ich mir eigentlich auch nie so überlegt. Aber
so ganz richtig Künning war der nicht mehr, weniger noch als sein Vater, der vom Kindermord. Er hat die
Reichs-Unmittelbarkeit verloren. Das wäre bei uns ... - Nimm mal an, durch den Kampf mit dem Bischof vdHoie, da war's um
den Graven von Steinfurt geschehen. Noch gibt es aber den Namen und das dazugehörige Rechtspaket wird als Erbe seiner
Tochter zusammen bleiben, wenn es alsdann jemand erheiratet - oder das Bistum verlehnt es als Sieger des Feldzugs um diesen
Preis. Es kann auch als Lösegeld den Besitzer wechseln, aber eher kommt das nur in Pfandschaft und später ans Erbe zurück.Wenn der Stemwrther Stuhl noch Recht spricht, dann nun nach dem Codex des Bistums oder des Graven, der es als Titel-Grave
verliehen bekommt. So ähnlich war es schon mit den Herzogtümern zur Zeit Heinrich des Löwen. - Tja, mein Jan, da weiß ich
auch nicht – eigentlich muß aber Herodes mit rein und Annas und Kaiphas auch – vielleicht als Weihbischof und Archediakon –
wenn man's genau nimmt." - "Moment, eh ich es vergesse, Lieber Herr Meister, da war fünf: die Richterstube des Pilatus und
fünf: die Geißelsäule Jesu: Er und - eh – zwei zählen die Schläge auf und ich laß zwei Marisken hopsen, in der Vorhalle des
Prangers - sie umtanzen ihr Opfer grotesk und verspottend, heißt es: in Babylon führen sie Tänze auf! – Unser Herr Jesus aber ganz sanft und müde der Wunden inmitten, so wie das Vorbild beim Geistlichen Herrn Pater Thomas a Cempis: Zuerst halte
dich in Frieden, dann wirst du anderen den Frieden schenken können – die Verleugnung vor der laut Ich-weiß-was-bölkenden
Magd und dem Hahn und wo dann Sünt Petrus weint." – Plötzlich verdunkelt sich sein Blick in Empörung und er wird
leidenschaftlich: "Oh, meine Güte, so Fraunslü'e kenn ik – immer wenn man mal ganz stikkum aus einer peinlichen Lage durch
Verhaltens Täuschung fast davongekommen ist, will so eine sich nur mal vergewissern, daß sie Leute gut erkennt und posaunt es
heraus: Ju kenn ik woll we'er – ju büss ouk een vun dese Mölers!" – "Ach nee – wo denn zum Beispiel?" fragt sein Meister
verwundert.
Jan Hendrik stottert: "Och, naja – öh – em, also ja, war ja eigentlich gar keine Sache, aber da ist man, hm, da bin ich vor zwei
Jahren, wie ich da in Warendorf sechs Wochen Aushilfs-Lehrling war, in Verlegenheit um Eierklar zum Firnissen für
Wand-Dekors gewesen, und die Bauern wollten da partout der Werkstatt keine Eier mehr verkaufen, wenn wir die nicht essen. Da hab ich gesagt, ich geh als Waise bede-nehmen – bin ich ja - und mich kennt ja keiner hier, dann werde ich wohl doch paar
Eier für die Werkstatt kriegen. – Ich war auch ganz gut und hatte dann bald so fast ein Schock beisammen – so hier ein Flöt und
da ein Flöt geschnorrt - und da schleich ich mich grad am Bot vorbei in Richtung Werkstatt, da brüllt so'n Fraumensch übern
Platz: Ik kenn ju woll, ju büss de Jaan vun Schüöping, de graute Jung vun de Mölers! – und ich: Nee-nee, Lieb-gut Fraue, Euch
täuschen Eure Augen – das kann ich gar nicht sein" – und ich roll mit den Augen zum Bot rüber, sie soll doch stille sein, aber sie,
fröhlich, trompetet weiter: Na klar büss ju een vun de Mölers! - Wat nemmich min Fründ, de Biännd ess, dä hat mi justement
öwergestern kürt, dat ju nun hier angehüürt hefft bi de Mölers Hütte, he kennt Ju vun Schüöping! – und was noch. - Und prompt
sagt der Bot: Zeig mal her, was du da trägst. – Naja, und da hat er alle Eier bis auf zwei konfisziert, weil ja die Hütte keine mehr
kriegen sollte. – Nachher sagt sie noch, das tät' ihr aber leid, denn sie hätte nur gehofft, daß ich sie für ihren lieben Bernd einmal
male – immerhin, für zehn neue Eier hab ich sie dann eben gezeichnet, direkt in den Deckel ihrer Truhe, aber aus Rache genau
so - damit sie künftig vorsichtiger ist." - "Wie, genau so?" – "Na so: laut bölkend und mit beiden Händen winkend. - Moment, es
war ganz nett geworden, ich zeig's Euch mal." –
Er läuft zu seiner Bilder-Kassette und zeigt die Figur seinem Meister. Er hat sie immer in der Nähe. Der Meister schaut sie an,
nickt kurz, deckt mit der Hand die Skizzen daneben ab und sagt: "Ja, das geht schon – die kannst du als Klagefrau ins Volk am
Kreuzweg stellen. – Aber zeig doch mal her." – Und im Nu hat der die Kassette geschnappt und blättert Jan-Hendriks
Schatz-Kästlein durch. "Sieh mal an, du Schalk, da hast du ja ganz schön gebunkert – ah, das war ich – ah, das auch – ach,
Meister Robert auch? Wie hast du das ergattert?" – "Mmhh, naja, Ihr wißt doch, Lieber Herr Meister, wie die Besprechung der
wählbaren Zitate für Szenen im Rathaus war, da hab ich so nebenbei vieles skizziert, auch was sie nicht auswählten – ich dacht
mir, wer weiß, nachher ist er mit alledem wieder weg und jemandem tut's leid um dies oder jenes – und da sah er meine Papiere
und Stifte und skizzierte beim Warten ein paar Rats-Herrn, nachher – naja, ich denke, der gute Wein – ich hab morgens alles das
fein aufgesammelt und in die Kassette geräumt - und er hat nix gesagt und nix nachher gefragt." – dabei guckt er betont harmlos.
- Sein Meister lacht: "Junge, darauf kannst du dir was einbilden. - Sei sicher, daß unser großer Meister Robert sturz-betrunken
sein könnte – dem entgeht trotzdem nichts, diese Skizzen hat er dir schenken wollen. Sonst verkauft er alles, sogar die Blätter, wo
er nur die Stifte einschreibt und die Pinsel probiert, ehe er kauft, und läßt garantiert auch kein Fitzelchen liegen. – Aber er weiß
ja, daß wir en masse kompilieren – er wollte nur spendabel sein. – Da hast du aber schon ganz schön viel Munition für dein
Meister-Werk. Du wirst ziemlich viel brauchen, wenn's an die Fertigung geht. - Paß auf – damit wir schneller vorankommen –
nimm aus der Kassette die Bilder, die für dein Meisterstück vorgesehn sind und mach sie hier an die Wände – da ist Nord, da
kommt die linke Innen-Tovel hin – da ist Ost, da kommt das Hillige Kreuz hin und da ist Süden, da kommt die rechte Innen-Tovel
hin. Die Marien-Seiten sind ja einfacher." - Jan Hendrik steckt ganz vorsichtig die winkende Magd auf die Ost-Wand links neben
die Mitte, das Pärchen Kinder ziemlich weit unten nach links, nimmt eine braune Kreide und deutet Horizont-Linie, Kreuze,
Stadt-Tor, Brücke und unteren Abschluß an. – Er überlegt kurz und zieht – ganz wie am Anfang, als sie hier eingezogen waren auf der Nord-Wand ein großes diagonal liegendes Kreuz und parallel dazu Ecken, deutet den linken Bild-Rand als
Gebäude-Stapel an – dann zieht er ähnliche Ecken auf die beiden anderen Wände und rechts auf die Süd-Wand oben ein
Recht-Eck und die Abschluß-Linie, deutet ein paar große und kleinere Bogen-Linien an – recht auf Süd einen langen Tisch. – In
die Nord-Wand heftet er dann mit Laurenz die Zeichnungen ein, die schon erwähnt wurden oder fügt für Gesichter Kreise ein,
zieht dann von da herunter Linien, soweit da der ganze Körper zu sehen sein wird, das alles geht sehr schnell, im Licht des
Olie-Lämpchens heben sich allerdings ziemlich schwarz die Schatten der Bilder ab. "Ja," sagt er dann – "das ist fein, danke,
lieber Herr Meister, danke – das können wir nach Eurer Abfahrt nochmal genau durchgehen!" - "Siehst du" sagt der Meister –
"das machen wir ja doch sonst auch immer so. - Aber weiter: Laß die Verleugnungen Petri hier aus den Szenen erstmal weg –
wieviel, sagten wir, sind hier die hervurdischen Frei-Schöffen-Stellen?" – "Sechzehn." antwortet Laurenz, "manchmal achtzehn."
– "Ah, wart mal: noch kommen unbedingt 32, du weißt: zwei mal zwei mal zwei ist acht, mal zwei ist sechzehn mal zwei. 32, das
ist auch eine Fünfheit, eine höhere - sogar die Quersumme ist fünf. Das würde unserm Meister Hubert selig wichtig sein –
bewertet wird das nur, weil es Gelehrtheit zeigt und trotzdem wirkt wie Zufall. Verstehen werden die prüfenden Meister es nicht.
- Dahin muß nun die Situation Ecce Homo: Seht ihr? Auch nur'n Mensch – sagt der Prokurator, weil: man hat den Angeklagten
gekrönt, halb tot geschlagen, verspottet und mehrfach durch Jerusalem getrieben, aber der Himmel stürzte nicht ein und keine
Legionen erhoben sich, der Angeklagte blieb fast ganz stumm, kein Donnern des Himmels umgab ihn mit Schreckens-Glanz. Das ist nun auf der Empore des Prokurators, da sagt der noch: Ihr kriegt ja jährlich einen frei, wen möchtet ihr, den hier oder
den großen Räuber Barrabas? – Was machst du mit Barrabas?" – "Muß ich den bringen? Dann müßten auch die beiden
Schächer dazu – macht drei mehr. Wollte ich nicht." - "Nee, brauchste ncht - haben viele nicht. - Also Er und Pilatus und drei
Herren Umstand – da stellst du einfach Herodes, Annas, Kaiphas um Pilatus – das sind vier - und 16 Freischöffen – nimm ruhig
einen auch als Ewaldi-Zwerg und wenn du welche dazu kriegen kannst, auch vorne ein paar schöne von den Juden, sie brauchen
nur zu stehn und zu verweigern, was der Richter vorschlägt – Barrabas wurde frei, also male einen Nicht – macht 22, ein
KünningsThie." – "Ihr meint, so einen Nicht ohne Haar, Hut oder Glatze, die ich Tönis nannte, weil Ihr das Gesicht beendet
hattet und zum Oberkopf noch nicht gekommen wart und ich als kleiner Junge deshalb dachte, daß es der enthauptete Sünt Denis
sei? – Barrabas – Barnabas – oh, den male ich wieder bei Kreuzweg und Himmelfahrt und Haus Geist – als Herrn Jedermann
ohne bestimmtes Gesicht." – "Ja, warum nicht? Irgendwer wird doch hier bestimmt Tönnis oder so ähnlich gerufen, da malst du
den hin." – "Und wie malt man, um was es geht? – ah, ich weiß, und mitten da rein stell ich in die Mitte ein rosa Schweinchen,
seht mal, Meister – ein ganz kleines Borg-Schwein, schön getroffen, nicht? - Man tagt um ein Schwein. – Da wüßt' ich einen
schönen Rechts-Fall, wo ein Borg mal Kläger war. – Bei den Prozessen vor dem Haver-Tie, und Giämen auch, da geht es oft um
Schweinchen, sie toben viel herum und stell'n was an – und zu dem Tünnes – was so ähnlich klingt wie Tönnis, gehört ein
Schweinchen.und ein SchweineRüde – außerdem, die jüdischen Kaufherren hier, die kennt man, die tragen keine besonderen
Zeichen, und sie essen kein Schwein – aber wie malt man ein Kein-Schwein? – Wenn ich sie schön würdevoll und wohlhabend
male, und wo es außerdem ja für die Kirche ist, da wird es sie nicht stören, daß da eins steht." - und er heftet sein
Schweinchen-Bild ganz vorn unten in einem freien Halbkreis an. "Naja, das krieg erstmal hin. Hast du schon welche in deiner Kassette? Jüdische Personen, mein ich." – "Moment, lieber Herr
Meister, vom Sünt Annen Tag hab ich schöne, vom Markt – hier – zwei mit Turban, grad zurück aus den Türken, Gelehrte, boten
ziselierte Silberwaren feil – vielleicht für Annas und Kaiphas? Da – hinter Pilatus – und hier, drei, ein Klezmore mit Flöte und
zwei Tuch-Kramer – die wollte ich nach da, zum Würfel-Spiel um das Hillige Gewand des Erlösers stellen – da ungefähr. Und hier vier, nein fünf – erinnert Euch, als wir nach hierher kamen, da von Böhmen her, die Zehnschaft, da war doch einer
Juden-Meister auf dem Weg nach Altona, mit Kaiser-Breve von Künning Sigismund, mit seinem Schreiber – da standen sie grad
irgendwo davor und war'n auf ihre Art dagegen. – Ich glaub, da spielte so ein Gauch zum Spaß der Leute Foltern vor – ehrlich
gesagt, mir lief's auch kalt den Rücken runter und gelacht hat hier keiner – war eben ein Gauch. – Die könnten hier hin. - So,
nicht?
Einer – erinnert Ihr Euch, der hier links, seht Ihr? – war grad aus Florenz wieder da – ach ja, sah ein bißchen finster aus, war
aber ´n richtigen Gelehrten - was der alles wußte! - und ganz nett, hat mir für Wasser-Mitbringen und Feuer-Machen und
Lampe-Anzünden unterwegs am Schabbes – na, wo ist es noch? – hinterher so ein Mohren-Papier mit Skizzen geschenkt. – Ja,
genau – das da, dies Pärchen am Bade. – Pech." – "Was ist Pech?" – "Na, die ist doch so schön süd-ländisch, und nun kann ich
sie gar nicht verwenden." – "Ach ja? - Zeig mal her. Jan, Jan – also so etwas sammelst du auch?" – er zieht ihn ein bißchen auf:
Das schöne Fräulein der höfischen Zeichnung ist ziemlich nackt aus dem Wasser gestiegen und windet sich recht kokett in ihr
Tuch, während sie mit dem Jüngling liebäugelt. - "Beim besten Willen ist das bestimmt aus keinem Altar abskizziert." Aber, nun ja, der Junge wird ja zum Mann. – Jan-Hendrik wird ein bißchen rot und fühlt sich ertappt, der Meister lacht: "Ja, das
paßt freilich kaum in eine Kirche. Aber es gibt nichts, was etwa gar nicht ginge. Sie zeigt eine schöne klar-linige Gebärde, läßt
sich gut extrem verkleinern. – Da gibt's doch – da war doch dieser Rechts-Fall von Susanna im Bade – ich weiß: du trennst die
zwei, mach eine kleine Marmorfigur für den Palast daraus – du mußt sowieso im Meister-Stück auch Statuetten in
Grisaille-Technik malen – hast du schon so welche?" – "Nn-ja, doch, aber wenig bisher – da, das war in Straßburg, so ein
Wasser-Speier-Vieh vom Louvre – und da – ein paar Löwen – ah ja, und so ein komischer Franken-Adler, von denen, die so
aussehn wie fast Enten, von so alten Münzen, hab versucht, es zu vergrößern." – "Na das reicht doch, verteil sie irgendwo am
Haus, dann noch des Kaisers Doppeladler drauf – und der hier, der ist doch fast perfekt, der kleine Roland – den setzt ins
Stadttor von Jerusalem von Schüöp'n rein – sie sind doch Stadt." – "Ja, Wigbold oder Freiheit oder Stadt, das wechselt hier in
letzter Zeit andauernd. – Ich versteh den Unterschied ja auch nicht. Dann schreib ich schön das SPQR dicht dabei – so etwa –
nicht?" - er verteilt oder skizziert sie blitzschnell. "Ja, das sieht gut aus. Aber noch zuende, erstmal dies – vergiß nicht, mehrere Epochen Bauwerk müssen rein. - Und jetzt noch
zehn Personen. Was fehlt jetzt an Szenen?" – "
Zwei, die Hände-Waschung und das Wegführen zur Kreuzigung." – "
Ach ja, also zuerst vier: das Pilatus-Ehepaar, Frau Pilatus erzählt ihm ihren Traum, er wäscht seine Hände, zwei Pagen
bedienen das Wasch-Gerät, das ist ein eigner kleiner Pavillon – oh, da tu nochmal den Reichs-Adler drauf – anders herum
schräg, diesen so – den so: Zweifel: Er zweifelt, ob das richtig war." –
"Oh ja - und daneben zwei: den Hilligen Zweifler Didymus Thomas, der Zwilling Jesu oder Er selber inkognito und ein andrer –
die setz ich auf eine Bank an die Mauer zum Ölgarten – so ungefähr, sieht sonst so leer aus - da, wobei sie zueinander leise
reden, und sehen dem zu oder beobachten das Abführen zum Kreuzweg: und da sind wieder vier: Er und ein sich Seiner
Bemächtigender, der Jesus am Kragen fassen muß und dessen Vorsprech für die Exekutions-Formel, mit Hellebarde, und noch
einer, der ihn für das Hinrichtungs-Kommando anpackt. - Das macht zehn, insgesamt 63 Leute in sieben Szenen." – "Da setzen
viele Meister schon mit der Kleider-Beraubung ein, aber das Kreuz-Tragen malen die meisten dann doch in dem Gewand, um
das nachher noch gewürfelt wird." –
"Ich geb dem Lieben Herrn Jesus nach der Geißelung so eine dunkle purpurne Pilatus-Decke, locker umgehängt – die bekommt
ja dann Herodes - und unserem Lieben Herrn Jesus dann Sein eigenes dunkel purpurnes Kleid zurück. – Aber die Schächer
bekommen ein einfaches Hemd. – Diese neue Hemdin-Ware gibt es ja im Wigbold auch schon – freut die." – "Gut. Außerdem
wäre noch gestaltbar: Judas erhängt sich – aber das hängt davon ab, wie du es aufbaust, würde ich sagen. – Das ist höchstens
klein im Hintergrund und um den handelt es sich gar nicht." – "Noch etwas, Lieber Meister, ehe ich es vergesse: ich wollte
wegen einiger Gemarkungs-Namen von Stockum und Haverenbeke den Olie-Garten nord-östlich unterbringen, also oben und
rechts auf der linken Seiten-Tovel, dann die Architektur links in voller Höhe abschließen lassen, die Ereignisse dann in einer
Diagonale Dornen-Krone – Geißel-Säule – Ecce Homo nach links unten einen Streifen Gesichter - sowie die kreuzende
Diagonale von Pilatus in der Gerichts-Kammer zur Hand-Waschung und Weg-Führung Unseres Lieben Herrn Jesus nach recht
unten – also ein Kreuz voller Gesichter, in dessen Mitte die Hillige Geißel-Säule sich hervorheben soll. – Wie bekomme ich das
hin, damit es räumlich wirkt?" "Gut, laß mal sehn, das hab ich dir ja noch nie erklärt, da gibt es einen Trick. Also wenn du das so anlegst, hast du es leichter,
die hinteren Gesichter systematisch kleiner als die vorderen zu zeichnen, das wird gut benotet als Raum-Tiefe des Bildes. Die
Gebäude werden nach hinten zu kleiner und am besten auch etwas dunkler. Siehst du – so – nach hinten zu werden die
Kreuz-Balken einfach schmaler – so und da zieh dir Hilfs-Linien zwischen – zwei – siehst du – und setz die Köpfe systematisch
kleiner ein – siehst du, so." – er skizziert es auf seinem Notiz-Bogen, Jan-Hendrik überträgt es auf die Wand. "Gut. Und die Ecke links unten mach möglichst hell und leer von Leuten – ist ja Leer da - nimm doch die Vechte oder Wolbeke
dort ins Bild. Oder gibt es eine Haveren-Beke? Die Ecke recht oben im Olie-Baum-Garten mit dem Judas-Kuß – wenn du die
dann nicht zu winzig malen willst, leg auch als Diagonale parallel und einfach sehr dunkel als Nacht-Szene an, dann können sie
ruhig wieder größer - eine Geschichte für sich - sein." – "Oder zwei – Sünt Peter mit dem Sax, in voller Wut und großer Gebärde
– schwebt mir vor – das wollte ich etwas hervor-leuchten lassen – aber im Kampf ohne Hilligen-Schein. Ehrlich gesagt, ein
Sonder-Wunsch der Hanseaten im Wigbold und einiger hiesigen Burg-Männer von Sünt Peter-Paul Nien-Borg – daß er wen
verletzte, muß nicht hinein, aber die Wehr-Fähigkeit – man muß die Eide ja oft bei Sünt Peter ablegen, er behütet die
kauffahrerische Redlichkeit. - 4-mal im Ganzen soll er hinein." - "Du weißt, daß vier eine strenge Zahl ist?" – "Das ja, aber ein
D oder 4 bedeutet auch Türen. - Wenn ich die dreimalige Verleugnung malen würde oder wie er verzweifelt weint, wären es vier.
Aber das faß ich zusammen, ohne es zu sagen – schaut, Lieber Herr Meister – so etwa – da ist die Mauer zum Olie-Berg,
Halb-Figur genügt. – Dieser Pastorats-Diener Malchus will ihn am Kragen fassen; sich grad seiner bemächtigend, rutscht er ab,
etwa so – Sünt Peter holt weit aus – so – und das Tovel-Metz mit Arm wird zum Hahnen-Schweif – und dazu setz ich ganz nah
diesen wehrhaften fränkischen Vogel, als sei es der krähende Hahn – ohne Schweif, und der unterscheidet im Bild die Bereiche
Nacht und Tag. - Dadurch hab ich dreimal Petrus frei, einen wollte ich für das Hillige Beicht-Geheimnis nehmen, einen im
Himmelfahrts-Berg und einen im Haus Geist, immer in die gleiche Höhe und nach oben rechts." - "Na gut. Mal es einfach so und
- erklär's lieber nicht, mit dem Hahnen-Schweif und das, es wird den Leuten zu kompliziert sein, manche sind da auch
empfindlich." –
"Aber der Hillige Lehrer Aquino sagt ja so: Per formam enim, quae est actus materiae - durch die Form nämlich, welche die
Verwirklichung des Stoffes ist, - materia efficitur - wird der Stoff – ens actu - zu einem wirklich Seienden – et hoc aliquid - und zu
diesem bestimmten Etwas. - Unde illud quod superadvenit -- daher irgend etwas, das noch hinzukäme – non dat esse actu
simpliciter materiae - nicht verleiht dem Stoff einfach-hin ein Wirklich-Sein, - sed esse actu tale - sondern ein
Wirklich-so-oder-so-Sein, - sicut etiam accidentia faciunt - wie das auch die nur hinzukommenden Merkmale tun – ut albedo facit
actu albeda - wie die Weiße macht die Wirklichkeit von Weiße. – Gut, nicht? Hab ich auswendig gelernt, ganz genau – naja - erst
hat es mir der Laurenz die Wörter besorgt. - Unser Meister Hubert selig sagte doch, man soll an solche Dinge immer denken,
wenn man bestimmte Verhältnisse und Personen genau charakterisieren will. - Zuoberst aller Kirchturms-Spitzen steht doch oft
des Petrus Hahn? – Die Form, die ich einer Gestalt verleihe, bedeutet den Stoff, aus dem diese Seele in dem Moment geschnitzt
ist – und wenn da mein Sünt Peter – ein hand-fester Fischer – das Tovel-Metz zum Schlag erhebt, packt er ihn an wie kein
Krieger, denn so hackt er sonst höchstens ein Tau von den Segeln, um sie zu kappen - um sein Schiffchen in Stürmen zu retten.
Hätte er aber diesen schweren Schlag herabsausen lassen, hätte man zwei halbe Malchus zusammen-heilen müssen. Aber jeder
weiß, Petrus durchschnitt nur das Ohr und hielt da bereits inne, weil Der Liebe Herr Jesus da rief: Haltet ein! – Steckt Euer
Schwert in die Scheide, denn jeder, der zum Schwerte greift, wird mit dem Schwerte gerichtet werden – oder so. - Und was seine
Kleidung betrifft, Kleid blau auf Silber-Grund, Philosophen-Mantel grün auf Gold-Grund, trotzdem starke Arbeitsstoffe, wie sie
die Beider-Wand machen, ohne Firlefanz und Muster. – Und sein Gesicht ist sachlich, würdig und entschlossen – denn Haß oder
Kampf-Lust liegt ihm völlig fern - seht Ihr, lieber Herr Meister, so wollte ich sein Wesen schildern. Form wie ein
Hahnen-Schweif, aber Materie schlichter guter Dauer-Ware, Hoffnung und Treue. - Meine schlagenden Marisken holen ja auch
weit aus, doch keiner bis zur Form des Hahnen-Schweifes – der mit der Keule kratzt sich sogar grad nur selbst am Rücken, dabei
hab ich den gemalt. - Der Gelbe aber – der da wird leuchtend gelb – der war einer jener grausamen Geißler, hier – Moment – ja,
der. Der war völlig von Sinnen und brüllte Gebete zum Himmel und ging blindlings geradeaus – wißt Ihr noch, da an der
böhmischen Grenze, wie der dann ins Wasser gefallen war und uns unter der Brücke eigentlich hätte sehn müssen, aber
unverändert aufstand und durch das Wasser weiter geradeaus weiter ging?" – "Ja, natürlich wird ich das nie vergessen - ich
dachte, mein Atem vergeht vom Anhalten vor lauter Angst, er könnte uns sehen – aber hör mal, mein Jan, da warst du acht Jahre
alt und hast doch noch gar nicht gemalt!" –
"Nein – ja – das nicht, aber ich fand diese Figur sozusagen wieder-erkennend auf einem älteren Fresko – ich sah ihn immer noch
lange im Traum. Nachdem ich ihn kopiert hatte, ging es mir besser. – Haben nicht jene, die sich so selber zerfleischten und die
Menschen zum Morden aufhetzten, in Wirklichkeit unsern Lieben Heiland viel härter geschlagen als jene römischen Knechte? –
Aber ich baue es so auf, daß sein himmel-wärts verdrehter Blick, der nichts auf Erden mehr ansehen wollte, um unerbittlich zur
Buße zu schreien, dabei auf densanften ernsten Blick Jesu fällt - und sofort hält er inne, sich zu Tode zu geißeln. – Wißt Ihr,
Lieber Herr Meister, ich kann dies Skalden-Lied von den schrecklichen Leiden Sünt Gregorii einfach nicht vergessen – und seine
schreckliche Sünde hatte er doch niemals mit Wissen begangen – und die seiner Lieben Eltern auch gar nicht selber begangen
und hat trotzdem so grausame Buße gegeben."- "Aber dann war's auch für alle gesühnt - so hat er seine Eltern geehrt."- "Ja, und
dann die Vision vom Aller-Hilligsten Schmerzens-Knecht Jesus."- "Stimmt. Also gut – mein Jan, du hast eben immer auch fest vor
Augen, daß das Bild eine Lehre bewirkt. Laß mich einst wissen, wie das Ergebnis ausfällt. – Verheddere dich aber nicht zu sehr
mit der Aufgabe der gestaffelten Architektur, doch wenn du sie gut hinbekommst, wird es hoch bewertet, dafür kannst du dir
deinen Selbst-Geißler auch leisten." – "Und einen Gruß an Hilliger Vater Sünt Gregorius." - "Ja. – Ja, kann man wohl auch – du
mußt sehn, wie es ankommt. - Übrigens, das Gericht mit den 22 muß auf-dem-Sand-Well sein, also Sand-Platz und Wellen, kein
Blumenteppich darunter!" – "Och – lieber Herr Meister – aber unten die Abschluß-Kante lang – wenn da bestimmt keiner
drauftritt? - Die Wiese könnte ich doch als deutliche Welle zum Sand hin abgrenzen – Ihr wißt doch, Euer - unser Klausner
Jakob, der Blumen-Maler, braucht doch die Arbeit – ich sag ihm, er soll nur ganz einfache Kräuter nehmen. – und wo die
Hand-Waschung ist, da geht es auch, nicht?" "Ach mein Jan, ich geb ja nur Rat und nenn dir das, was geprüft wird, natürlich machst du dein Stück dann selber, und glaub
mir, ich gönne unserm Blumen-Klausneren jedes Kräutchen, das er für uns malt. – Aber laß uns zur Mittel-Tovel weitergehn –
oder möchtest du zuerst die rechten Flügel?" – "Nein, lieber erst die Haupt-Sache – die Nacht ist kurz" - "Möchtet Ihr noch
Kräuter-Trunk? - Hier – komm, Laurenz, auch ein bißchen. Tut gut, ja?" –
"Ach, mein Jan, deine Dienste und Höflichkeit werd ich vermissen – wieviel Jahre sind wir zusammen gereist?" – "Oh – nächsten
Monat sind es zwölf Jahre, seit Ihr mich aus dem Ulmer Wald gerettet habt, wo mich meine Leute verloren hatten." – "Ja, wenn
man denkt. Mir ist es, als sei ich nie in meinem eignen Leben ohne dich gewesen, du bist mir recht ein eigner Sohn geworden.
Tja." – ihm lag schon auf der Zunge, mehr zu sagen, aber dann reißt er sich zusammen und beschließt, nur an des Jungen
Zukunft-jetzt zu denken und fährt wieder mit der Aufgaben-Beschreibung fort: "Im Mittelfeld verwende Symmetrie.In die Mitte
das Kreuz und nur Ihn, ganz zuoberst, nicht wahr? – das kommt Dir entgegen – mach es unauffällig. Grad am Kreuz ist Der Herr
Jesus einsam und leise, aber bis zum letzten Atemzug voller Freundlichkeit." "Oh ja, lieber Herr Meister, daran hab ich gedacht. - Seht mal, den Nimbus, den will ich danach anpassen. Bei der
Dornen-Krönung ist es mir eingefallen – da war es technisch bedingt. - Die große Scheibe des Nimbus verblaßt hier
vorübergehend zu einigen zarten Streifen Aura großen Heiles – immer da, wo Ihr die Strahlen eingezeichnet hatten – wißt Ihr
noch – an dieser Wand, ganz anfangs, hier – die 2x 13 Nimben und 5-und-1 Aureolen, 32 Wirksamkeiten aus der Jenen Welt,
denn dieser Hilligkeits-Nimbus würde nicht zulassen, daß so einen jemand berührt. Die beiden Schergen halten im Grunde ihre
Rohr-Stöcke nut als Esels-Ohren an den Kopf – etwa so, seht Ihr – da sind sie einfach schon beim Verspotten, sie tun Ihm im Bild
auch nicht weh – sonst fände ich dafür keine Darsteller, genau wie beim Stäupen. - So zart wie die Aureole bei der Geburt – die
mehr ein Wind-Hauch ist, gleich dem Strahl der Empfängnis - wird die Ausstrahlung dann wieder ab dem Kreuzweg bis ins
Grab, denn - Er war ja gehorsam bis in den Tod und gering-schätzte Seine Hilligkeit um unseretwillen. - Aber wenn Er in die
Unter-Welt hin-steigt und als Redemptor aufleuchtet, unser Erlöser, dann kriegt Er den aller-prächtigsten Nimbus, mit
Ramsberg-Stric-Cleven, Ilgen-Kreuz wie Sein buntes Schwert auf dem Wimpel und Sein Freuden-Kragen schleppt Leuen-lang wird rosen-rot die Finsternis erhellen." – schwärmt er. - "Das hast Du schön durchdacht, mein Jan - ich seh, Du machst es nicht
schematisch." - "Ja. Den Horizont – der ist hier ja auch so ein Nimbus, den haben wir ja schon gewölbt unter Sein Kreuz und
vergoldet – zur Linken die Stadt auf dem Berge Schattgen-Horn – das ist zur Rechten Der Herrn Jesus, die Gute Stadt, auf einer
Klippe, mit der Legende: Vom klugen und vom dummen Ritter – die gute Burg-Stadt oben und eine schlimme Stadt unten. –
Rechts ist ja dann zuoberst die Grablege, aber könnte eine zweite Klippe ohne Burg zum Hügel der Himmel-Fahrt und Haus
Geyst dieses noch wiederholen?" – "Warum nicht? - wer mit dem Dummen nur aus Treue auf den bösen Weg mitgeht, kommt
ebenso ums Leben. Was für eine Burg-Stadt willst du nehmen?" –
"Die hatten hier eine alte Burg in Schat-gen-Hornum, gen Horstmar gelegen – die Höhen-Burg der Herren de Lere, aus den
Tagen Künning Hendrik des Vinkelaere – da mal ich das Hand-Zeichen Wink Winkel-und-Leere, der Vogel-Fänger heißt das glaub ich, er ist der Vater Kaiser Otto des Großen, das weiß ich – und sein künningliches Eh-Gemahl war die Hillige
Künninginne Mathild – die hat in unserer Hohen Schule Abtei Hervurth gelernt bei ihrer Groß-Mutter, Der Lieben Abatissa
Tildeken selig. - Ach so – die Burg - erzähl du mal bitte, Laurenz – du weißt das genauer." - "Also - vor etwa hundert Jahren, da
war die Curia mit Herrn Tiderik? – weiß nicht – v.Leer zur Maut-Erhebung besetzt und belästigte Reisende mit zu hohen
Forderungen. Seine Eminenz Bischof Ludwig selig - Nachneffe der Hilligen Elisabeth Landgrave v.Hessen" – er muß direkt Luft
holen nach einem so langen Titel – "Es fiel ihm wohl bei der Erhebung des Kreuzzugs-Pfennigs auf ließ sie der Abtei Hervurth
schließen und abreißen, hab ich gehört, es war solche Not überm Land– die schwersten Zeiten hielt er nachher als Guter Hirt des
Bistums hier durch. Man hat ihn wirklich sehr geliebt. Keiner weiß aber, wie die Burg ausgesehn hatte." – "Oh, das macht nichts
- ich nehme eine aus den Miniaturen, so etwa 36 Zimmer groß mit Kemenate, Bergfried, Mauer, bunten Dächern, eine gute. Von
dort vorbei laß ich die Angehörigen des Guten Schächers kommen." – "Nimm dafür wieder fünf." –
"Ja, ist gut, also eine Narwarinne, und ihr Geleit – drei sichere Geleiter: ein östlicher Kloster-Bruder, ein Pope und ein
Hanse-Fürst - Marder-Mütze – also gotische Hanse – und – naja, noch ein dienender Zwerg wie beim 22-Gericht – dat
Welle-Wächterkenn. – Heimkehrer aus dem Liivland könnten in Nowgorod gewesen sein, den Sünt Petri Kisten-Schlüssel der
gotischen Hanse verwahrt Soest." – "Was du nicht alles weißt. – Aber wie kommt das nach Schüöp'n? – Spätestens werden die
Leute dich fragen." – "Ja, eh – ach ja, die Gemarkung nördlich von Blikk, zum Breedel hin, da ist die Paol-Braj und
Paol-Camper, und Paol gibt es auch neben Dillmanns - und alt-eingesessene Einwohner hier heißen einander Paol-Bürger –
also das klingt nach Polen, und von dort kommen seit dem Constanzer Consilium Flüchtlinge – anno 1410 war ja die große
Niederlage des Deutsch-Ordens-Lands und Litauen-Polen ist sehr groß geworden. Dann war da dieser hetzerische
Falkenburger, dem anno 1418 der neue Hillige Vater Martin einfach nicht das Wort verboten hat und es gab einige Metzeleien
im polnischen Bereich – und die natürlich wehrten sich kräftig." – "Ja, das weiß ich noch, aber das ist doch weit weg?" - "Oh
nein, Lieber Meister – von den Freiherrn und Kaufleuten her ist das Räwala an der Kettel-See nur unsere Außen-Stelle." sagt
Laurenz - "Darf ich? – Danke, also: Viele von hier sind doch seit dem Weih-Bischof Bernd von der Lippe selig in den Osten
gegangen – zum Beispiel das ganze Haus vWetering ist nur noch dort und in Milau-Kurland die Go-Richter van Schoepingk. Aus Schüöp'n einige der Hake und Hakenfort und Hackenfort." – "Ach ja...– öh - ach ja, du bist noch nicht fertig, entschuldige,
Laurenz." – "Schon gut, Moment, seht mal - nehm ich am guten Schächer die Bein-Haltung so – seht Ihr? – das sind Haken – und
so – ist Hacken-fort - und an Jesu Beinen laß ich alle Haken fort und Apeldern und Viefuss und Fiefhues – die sind auch in den
Osten gegangen, aber zinsen noch hier. - Welche von ihnen gingen als Wirte, als Bauern-Kolone ins Warmia-Bistum, andere als
Stadt-Handwerker, Kaufleute oder Händler, als Deutsch-Ritter, auf die Walz oder sie gingen ins Bistum Wiek zur Christlichen
Seefahrt. - Manche von ihnen sind verarmt, weil all ihre Männer gefallen sind oder waren gefangen und mußten riesige Auslöse
zahlen und kommen nun zu den Verwandten heim - und andre von hier übernehmen deren Stellen. - Doch einige möchten nur
einfach heimkehren, bis die Situation unter polonischer Herrschaft geklärt ist. - Solche Heimkehrer malte ich vor zwei Jahren –
schaut, hier. - Ist auch brauchbar als Flucht nach Ägypten, hinter den Drei-Künningen im Abstand her - Sünt Josef träumt ja erst
dem hinterher." - "Aha, ja. Schöne Gruppe, das – aber nur Brust-Bild?" – "Ja-ja, wenn mir nicht einfällt, ob sie gehen oder
reiten, setz ich sie in einen Hohl-Weg, und man sieht sie eben nur bis hier. – oder – moment, nee, da war mein Papier knapp und
ich dacht, da wird mir schon was zu einfallen. – Genauso diese zwei Schönen Edel-Herren für die Stellen Blikk und Paol. - Die
nehm ich für den Dummen und den Klugen." "Aha. Dann hast du fünf und zwei, also sieben für sich, gut. – Blick, das kann man auch als Prophet auslegen – ja! – wenn rechts
die Geburt zu sehen ist, dann sind sie Sünt Anna und Sünt Simeon – oder Hirten auf dem Felde im Wallfahrer-Hohlweg –
Is-Linn-Gau, das ist Est-Stadt-Gerichts-Bezirk? - Schüöpn-Pferrich zur Linken, da denkt man sich die Hirten im Berge – ja." –
"Oh danke, Lieber Herr Meister, jetzt hab ich's – da oben kommt der Engel des Guten Schächers Dismas hin, der schwebt den
drei singenden Engeln von Bethlehem schön hinterher – so – ganz winzig und bunt" - er skizziert es und heftet diese Bilder an. –
"Damit hast du neun. So. Und nun zum Weihnachts-Thema noch einige – zweimal sieben."- "Da hätte ich die Hilligen
Drei-Künninge und den Burgmann, und den reitenden Herold des Skorpio – auch die Künninge zu Pferde – ein Silber-Grauer
und ein Fuchs – wißt Ihr noch, wie anno 1429 der geheimnisvolle Besuch Seiner Gnaden des Brabanter Herzogs hier war? – Ach
nein, da wart ihr unterwegs – seht, hier, so sah das aus: Seine Ehren Eberwyn v.Bentheim auf Bukephalos, seinem feurigen
Silber-Grauen - andererseits der Meeres-Held Häuptling der Friesen im Moor-Meer-Land auf dem isernen Pferd – ein mächtiger
Leib, nicht? - Sieht fast aus wie der Künning von Babel – paßt doch gut auf Mor-gen-land – und zwischen ihnen der alte Herzog
von Brabant Philipp le-Bon, der Gut - oder hieß der nicht Jehan sans-peur, der ohne-Furcht? - in Weteringe gibt es eine
Ohne-Furt jenseits der Vechte - das - ömm, ... ömm... ja, liegt auch linker-hand, wenn die Tovel nach Ost steht." - "Der
Erb-Lasser hieß Herzog Philipp Comte de Saint-Pol et Ligny - Herzog war er v.Brabant, erinnerst du dich? Du selber dachtest
an den Trauer-Ritter, den sie opfern, wenn eins stirbt." - "Ach ja richtig, Jehan ist des Lieben Herrn Herzogs Herr Vater und
hatte die Frau Gravinne Margaret v.Henne-Go und Hohl-Land. Na gut. - Und der sie empfangende Herr Burgmann Torck zu
Asbeck und der Herold auf Schimmel Heim-dall – Brücken-Wächter, Dill? - Künninglicher Törn-Herr – hier, die Brücke über die
Welle – oh ja. – So, und..." –
"Warte – halt mal eben ein" - unterbricht der Meister - "das kannst du vielleicht nicht wissen, ändere den Herzog – ich glaub,
Seine Gnaden wird nicht wollen, daß man ihn erkennt, hat ja ein sehr auffälliges Gesicht – zieh mal den englischen Helm noch
tiefer – etwa so, Mund und Kinn – das genügt. - Phantastisch!." – "Ach, ja. Na-ja, denn eben nich'. Auch gut. – Ich hörte was
munkeln, daß er damals sein Erbe Holland bei der Hilligen Vehme gegen Wittelsbach absichern ließ, auf dem Sant-Well - und ich
dachte, er sei schwer verletzt und sie wollten zum Stadt-Physicus ins Wigbold." – "Das war er damals auch, schwer verletzt. Daher ließ es sich gut weg-erklären, was er in diesem winzigen Wigbold zu suchen hatte. - Jetzt begreif ich – daher nur zwei
Pferde für drei Reiter." - Jan-Hendrik gibt dem Laurenz aus der Kassette derweil weitere Bilder und sie heften sie an die Wände
dazu, während es voran-schreitet. - Mitte links, ganz am Roland-Tor - aus Jerusalem hinaus, aber so, als ritten sie östlich dessen
einfach daran vorbei nach Süden. – "Nur die Fuß-Gänger nehmen diese Brücke, und Wagen - die müssen ja - die Brücke ist ein
Wagen, wenn ich will - seht Ihr? - hier das ist dann Rad. Hab ich nochmal, am Sarg Jesu im Ölgarten. - Das ist ja so in
Schüöping, hier ist die Welle noch nicht sehr tief. Pferden tut das Nasse gut. - eh - Meister, ich möchte jetzt eigentlich mehrere
Gruppen auf neun." - "Und das wäre?" "Zwei – Pilatus und sein Droste gemeinsam auf einem Fuchs – etwa auf der Berg-Stiägge
längs vom Heer-Weg herkommend. - Dann im Roland-Tor zur Freiheit Wigbold und Ebbinghove vier: auf der Brücke die zwei
Kinder, der Prinz mit der Hues-Gronower Spindel - und sein Milch-Bruder – so die typischen lebhaften Krotten, aber meine
lieben, wie Sünt Johann Baptist mit Jesus-Kind, wie sie Kinder waren - seht Ihr - hier, die Mütter im Tor von Jerusalem - und in
dem Tor zwei Hillige wie scheu heraus-schauende Eltern – wenn die Geburts-Szene zu sehn ist, kann man zeigen, wie hier das
Hillige Kind Jesus im Hilligtum verloren ging und Seine Eltern suchen Ihn in dem Gedränge mit Schmerzen – eins der 7
Schwerter, die das Herz Mariä trafen. Das macht sechs, und dieselben wieder, nun zugleich Hillige Mutter Maria nahe der
Ohnmacht am Wege und Sünt Johann unterm Kreuz: und eine hillige Magd oder Elisabeth, Johanni-Mutter – nein, ich nehme
hier von Bethanien Sünte Martha und Sünte Maria dahinter, die über den Platz Da-ist-ja-der-liebe-Junge! schreit – und ein
weißer Wachtel-Rüde." – "Wessen Rüde?" – "Ach, für Veritas, Justitia, Misericordia, Pax - da steht doch neuerdings in den
meisten Kreuzigungen ein Rüde dabei - Wachsamkeit, Sünt Gabriel sogar und für Prediger: Hilliger Bernd, Hilliger Dominik. –
Biä'nd heißen hier viele, einige nach dem hilligen Zisterzienser und einige nach dem hilligen Grave zur Lippe aus der Zeit, als
dessen Tochter Gertrud hier die Liebe Frau Abatissa von Hervurth war, weil: mit dem kamen ja die Unsrigen ins Liivland
gezogen. Also meiner ist bekümmert und kennt seinen Herrn – treu wartet er, daß es weiter geht, wann sich die Hillige Mutter
erholt haben wird." – "Nä." sagt Laurenz dazwischen - "dat da is'n Vüörsteh-Rüde, der hat was gefunden – kiek doch – die Pfote
ist hoch – da hockt irgendwo eine Wachtel oder Raub-Huhn, Fasan." – "O ja – wie konnte ich das übersehen! - er hält inne und
wittert. Aber schön getroffen, nicht? - Der Physiologus erzählt doch vom Raub-Huhn, wie es weint und nach den Kindern schreit,
die es als Fremde zu sich genommen hatte und liebte, die es dann ihrer Kinder berauben und es verlassen – man braucht ja nicht
das Raub-Huhn malen, wenn es genügt, daß der Rüde eins anzeigt." –
"Ja, mein Jan, dein Laurenz ist dir bald noch über", lacht der Meister – "nachher zeigt ihr mir bestimmt noch ein leeres Blatt und
sagt, das ist Siegfried v.Xanten– weil, als er die Tarn-Kappe aufhat und unsichtbar ist und das kennzeichne dort einen Torn – na
gut, also das waren neun. Hast du jetzt nochmal neun?" – "Ja, am Tor das viele Volk sind zusammen 3-mal neune." – "Als da
sind?" - "Die ersten neun hatten wir schon, die zweiten sind mit Jesu Kreuz-Tragung beschäftigt, die andern neun sind nur
Gedränge im Weg. Bei unseren Hinrichtungen zur Grönen Insel geht auch kaum jemand hin. Drei sind Tor-Steher Ritter vBerg diese s'Heere-Bergk - gelbe Punkte auf schwarz, wo der Göttweigschke oder Bentheimschke Maure bei ist. - Davor stell ich den
riesigen Vischering – ein lieber Schulte, der stellt den Hilligen Simon v.Cyrene dar, er muß aufpassen, daß der Kreuz-Balken
auch nicht die kleinen Krotten von der Brücke schlägt, die ihn gar nicht bemerkten - und Er natürlich, dem er Kreuz-Tragen hilft,
und ein keifender Mariske macht seine Arbeit, die Verurteilten zu schimpfen - und noch genau-so der Verschlepper, der nach
dem Tor den Stric: Strick übernimmt – alles an der Welle-Brücke nah der Quelle. - Die nächsten neun sind dahinter, ein Wächter
mit Hellebarde, der noch zu den drei Künningen gehören soll. – Und der Grau-Kopf von den Aposteln, zum Beispiel Jacobus
Minder-Bruder, der schon beim 22er Gericht war, der berichtet ja alles - und drei Geistliche: einer mit Hut und ein
Kloster-Bruder und wieder ein Nicht, der Leiter-Mann Stock-um, und zwei Hüte und ein Glieder-Helm in geflügeltem
Ketten-Panzer – das alle steht und geht an der Krüss-Breide Stockhem - neun. 3-mal neun sind zusammen 27 am Kreuz-Weg,
eine höhere Drei." - "Und Sünte Veronika mit Hilligem Schweiß-Tuch?" – "Das bring ich nicht mehr dazwischen, glaub ich - es
müssen ja noch welche hinein - nee - da im Tor, das ist denn mal eben nicht Sünt Johann Evangelist, sieht ja bei mir sowieso
aus wie ein Frauken - das ist dann mal Sünt Veronica mit der Veronica in der Hand.- Außerdem haben wir ein Sünte
Veronika-Relief in der Kirche." "Jetzt setz wieder fünf dazu. Ein bißchen Spannung näher bei den Kreuzen." - "Also gut – fünf, aber ohne Veronika extra – da
hab ich noch die Mit-Gefangenen, der Gute, dacht ich, schaut mit etwas Mitleid zu der zusammen-sinkenden Schmerzens-Mutter,
Mariae Entschlafung - neben ihnen etwas distanziert und verschlossen die verschleierte Schwester des anderen Schächers, der
düster zu Boden schaut, die beiden im leichten Hemd und gefesselt. - Die winkende Maria Magd steht dann da wie die laut
jammernde Kirche neben der bekümmerten Synagoga und als dritte trauernde Frau ist die Hillige Madeleine, als die eine Magd
aleene – ein bißchen schlangen-artig am Kreuz sich empor-windend – sie war ja eine große Sünderin – aber seht, jetzt ist sie
ganz voller Liebe – wie man in den alten Skalden-Liedern sagt: Voll war die Schöpfung der Trauer, als unser Heiland da hing sogar die Midgard Schlange am Weltenbaum klagte. – Da habe ich vom Geistlichen Herrn Pastor Diderik Henson ein Gebet des
Hilligen Anselmus, was die Hillige Magdalene im neuen Schüöp'n Grablege-Spiel sagt: Hange Ihm an, meine Seele, hange Ihm
ungestüm an! – so sagt sie am Kreuz, daher hangt Ihm der gute Schächer ganz ungestüm an!. - Und am Sarg wird sie knien und
Beichte ablegen und laut rufen: Du aber – o guter, guter Herr, weise sie nicht zurück, krank ist sie vor Hunger nach Deiner
Liebe. - Ein drittes-mal spricht sie im Garten zum soeben erkannten Gärtner Jesus: O erquicke sie. Deine Liebe möge sie
sättigen, Deine Zärtlichkeit stärke sie, Deine Minne erfülle sie. Ja, möge Deine Liebe mich ganz erfassen, mich ganz in Besitz
nehmen. Und ein viertesmal hört man sie in Haus Geist: Denn Du bist ja der eine G"TT mit dem Vater und den Hilligen Geiste –
gepriesen bis in die Ewigkeiten der Ewigkeit. Amen." "Amen. - Ach, das ist gut, laß dir von ihm noch recht viele Texte dieser Grab-Lege geben und laß ihn, ehe die Prüf-Meister
kommen, den fertigen Altar nochmal theologisch durchsehen. Manches hat man früher malen können, aber jetzt nicht mehr. –
Mach jetzt weiter mit zweimal fünf." - "Ja, zunächst ist da nun ja auf dem Mit-Kreuz zu Seiner Rechten der gute Schächer Sünt
Dismas und zwei, sein Engel und sein unschuldig Seelchen, das sich erfreut vom Engel abholen läßt. – Mit Thomas a Cempis
kann er beten – lehrte mich Klausner Jacob: Nach der Fülle Deiner Güte und nach der Größe Deines Erbarmens sieh auf mich!
Und erhöre das Beten Deines armseligen Knechtes, der ferne von Dir im Schatten des Todes die Luft der Verbannung atmet. Unter diesem dachte ich mir, daß Pilatus gewiß auch zur Hinrichtung kommt, aber reitet nicht selber, der Droste hat ihn mit auf
dem Pferd - ein Falbe. - Sie reiten aber auch so, daß sie bei auf zu sehender Geburt Christi den Hilligen drei Künningen
entgegen reiten oder einer der Künninge beim Treffen der 3-Künninge selber sind. Da ist Pilatus ganz klein. - Das sind fünf, und
nochmal fünf: ein Ritter auf Rappe und der Hillige Soldat Longinus auf Fuchs, der mit der Lanze, der Blinde, und sein Helfer auf
dem Rappen Minne - zwei tun ja den Lanzen-Stich, heißt es, und Longin wird davon dann sehend. –
Ich male den Moment des Lanzen-Stichs. Es heißt bei den Visionen der Begnadeten, dies sei doch Misericordias - Barmherzigkeit
- Minne führte die Hand. - Also stelle ich die Situation in eine hilfsbereite Stille und Stimmung des Vertrauens – gespannt
schauen die zwei Sehenden hinauf zur Herzens-Wunde Jesu - verlegen senkt der Blinde sein Haupt, daß er dieser Art Hilfe
überhaupt sucht. Gütig und aufmunternd schaut der Heiland noch im Tod zu ihm und dem Schächer her.- Das ist so verschämt
und fast abwesend, daher setz ich einen völlig unbekümmerten Junker Erf-Exe davor, den scheinbar viel mehr als diese intimen
Vorgänge hinter seinem Rücken die angekommenen Hilligen 3-Künninge interessieren, wozu er sich in den Steig-Bügeln
aufstellt, als ob er aufpaßt, daß die keiner störe - während sein Page den Falben hält. - Diese kleine Krotte ist eine Szene für
sich, auch ganz allein ist er vertieft in das Pferd, um das Schaurige und Beängstigende um ihn herum zu vermeiden. - Im
Christ-Nacht-Szenario der Ucht wird er freudig wirken – in der Passion nur völlig abgelenkt sein - falls ich das hinkriege." "Gut, das waren jetzt zur Rechten Jesu neun Szenen mit 52 Personen gesamt, davon einmal Er. Das ist genau die Wochentage
eines Jahres, viermal 13, die Barmherzigkeit." – "Und als Part von Schüöping stellt es die Gemarkungen Wigbold im Empkhove
und Schatgenhorn dar. - Das Wigbold der Stadt mit den Häusern ist nicht gezeichnet – wer möchte schon die Stadt als
Kalvarien-Berg sein? - Und die munter-bunten Giebel krieg ich da auch nivcht gedanklich dazwischen – ehrlich gesagt. Als
Gemarkung war es vor den Gassen lübischer Hanse-Berechtigung die Woort, das Wohn-Stück in der Eppingk-Hove, hab ich mir
sagen lassen. - Darum sind hier im als Wieken angepachteten Stadt-Schüöping der Gassrn des Bischofs auch fast so viele Leute
zu zeichnen nötig wie im Flügel des Dorf Schüöping der Abtei. – mit den 7 Legiones sind's fast 800 Kommnikanten hier." - "Das
ist klar, hätte ich beinah vergessen. Die haben ja hier im Grunde zwei Orte. – Ach nein, juristisch gesehn ist es ja soviel Orte wie
Schulten." – "Ebend! - Deshalb wollen die Haupt-Schulten auch wenigstens soviel Pferde hinein haben." –
"Nun aber – Er alleine, die Mitte, das Gößte, das Höchste – ein Tav-Kruzifixus commissa, wie das des Sünt Philippus – dafür hat
Seine Gnaden der Herzog von Burgund ja die ganze Vergoldung gespendet." - "Ich setze das Hillige Kreuz in eine Felsbasis
stabil, in die Gemarkung Woort – wegen der sieben Worte Des Heilands am Kreuz und weil Er bei Johannes das Wort genannt
wird. Die Kreuzigung erstreckt sich weit in den Süd-Osten oben bis etwa Hakenfort in Tinge. – Schädel und Gebein Adams liegen
achtlos am Kreuzes-Stamm. - Das ist Seine eigene Szene mit nur einmal Er, nur bei völlig geöffnetem Altar von allen zu sehen.
Jeder Sterbende schämt sich ja keusch seiner Hilflosigkeit, deshalb deckte ja Finsternis jene drei Stunden die Welt – weshalb wir
statt des Tages-Himmels ja Gold-Grund genommen haben, eben erst wird es wieder licht. - Der Geistliche Herr Pastor Diderik
Henson gab mir den Text einer hillig-mäßigen Lieben Fraue dazu, Juliane v.Norwich, sie entschlief vor etwa sechs Jahren,
glaube ich: Gar fröhlich und heiter blickte Unser Herr in Seine durchbohrte Seite, betrachtete sie und sagte: Sieh, wie Ich dich
liebte! – ganz als hätte Er gesagt: Mein Kind, wenn du nicht schauen kannst meine G=ttheit, dann schau hier: wie Ich meine
Seite öffnen ließ und Mein Herz entzwei spalten und ausrinnen ließ alles Blut und Wasser, das darin war – das macht mir Freude
und Ich will, daß es auch dich freue. – Dies ließ mich sehen Unser Herr.– Unsere Lieben Frauen in den Stiften rund-um erbauen
sich auch gern an ihren Betrachtungen" "Unser Meister Hubert selig erinnerte uns auch daran, daß das Herz des Kreuzes im Altar auch das Datum am 19.Juli darstellt,
am 22. ist Sünte Madeleine und am 26. unsere Sünte Anna genau in der Oktav, des Jahres Zentrum der Wärme und Liebe. – Da
verehrt man seit der Zeit des Isernen Kaiser Karl selig des Großen die Hilligen Kreuze wie Sünt Hülpe Diepholz, Volto Santo in
Lucca mit Fahrten – diese alten stillen Künning-HERR-G"TTs-Bilder Jesu am Gnaden-Kreuz tragen feierlich Bart und Gewand
lang, die Muskeln mangels Kleidung sind stark profiliert. – Das muß ich doch nicht?" – "Nein, aber dadurch ist auch wieder
etwas Merk-Würdiges passiert. Weil das Bild in Vergessenheit kam und niemand mehr einen Gekreuzigten mit langem Rock
darstellt, fanden manche Orte solche Hillig-Krüss-Bilder wieder, die eventuell in Krieg und Pestilenz vergessen in die Erde
sanken und erinnerten ihrer nach Besichtigung von Brust und Bart und Rock als Hilliger Frauen Barbarina, Kummernissa,
Starosta, WillGehfortis, OntKommere, Deliberatrix, und knüpft daran, daß diese – ganz wie Caterina von Siena selig, die den
Hilligen Vater bestürmte, den Hilligen Stuhl wieder in Romaburg aufzustellen, als er fast nur noch in Avignon ein
Nations-Gericht war - nicht für ihre Schönheit begehrt sein wollten und auf ihr Gebet hin verlieh ihnen der Himmel den Bart –
wie der seligen Prediger-Schwester die Pocken-Narben. - Das aber warf ihnen Unvernunft als Zauberei vor und kreuzigte sie. –
Diese weiblichen Hilligen Kreuze stellen aber eigentlich Jesu Symbolum: Jungfrau Hilfe vom HERRN dar, sie sind seit etwa
hundert Jahren in den Konventen und bei Bürgern in den Nieder-Landen begehrt." – "In Sankt Nicolai Rostock malt man diese
Legende aber auch, mit Szenen dieser Legenda als Wand-Bild – eine Geiger-Legende, wo der Skalde zu deren Füßen ihren
Goldenen Schuh erhält, denk auch daran – hat mir ein alter Capellan aus der Lauenburg mal erzählt." – "Aber Hillig Kreuz
Erhöhung, das begehen Stromberg und Heek hier nebenan im Sommer und am 14.September. Ein T-Kreuz kennzeichnet außer
Sünt Philippus den Hilligen Abbas Antonius Klausenaere - und den guten Schächer Sünt Dismas." – "Und auch das Kreuz
Frankreichs auf der Fahne des Saint Louis." – "Mag sein, mit einem Schuh, denk ich, da kann ich was machen. - Ich gestehe,
lieber Herr Meister, davon hörte ich auch und entnahm die Anregung, daß ich zu Füßen meines Herrn Jesus auch jemand
musizieren lasse, wenn auch in unserm Lasterhusen nur die schluchzende Flöte des jüdischen Klezmore erklingt. - Man sagt,
diese Musik betäube den Schmerz und sei auch in Ahues sehr schön anzuhören. - Das sind auch wieder neun: Fünf sind nun die
Spieler um das Hillige gute Gewand des Erlösers, und ein Trinker dabei, eben in Lasterhusen – und anwesend, aber keineswegs
aus Leichtfertigkeit, sind die sachverständigen Kramer, drei: der Flötist und ein Kramer und ein Geldverleiher, bildlich im
Westen, also unten unter Adams Haupt untergebracht, gen Ahues.
Das Kaiser-Gesetz legt ja fest, daß jeder Jude leihen muß und es nicht ablehnen darf, andererseits zieht seit dem Künning
Wenzel, der ja selbst ein Freund der Laster war, der Hof gelegentlich die Schuld-Scheine alle ein und fordert auf, sofort und
ohne Zins zurück zu zahlen – doch an die kaiserliche Kammer, der Gläubiger kriegt nichts. –
Das heißt doch, im Grunde ist es so: wo immer einer sich von den Jodischken etwas leiht, verlangt er, daß der damit dies dem
Künning schenkt. Trotzdem – besteuert werden sie außerdem aber nicht minder. Das hat mir dieser unterwegs erzählt, als ich ihn
fragte, warum der hier so greise Alte sich sein Brot noch mit dem Flöten-Spiel erwirbt – er sollte doch nicht mehr so reisen
müssen wie die Jungen, meine ich – erst dacht ich, sie ehren ihre Älteren nicht." – "Naja. Es gibt ja hier diese Legio Lasterhusen,
vielleicht waren es früher die letzten oder die spätesten Häuser. Aber das mit dem Leihen und Künning Wenzel hab ich auch so
gehört. – Na gut. Nun kommt der andere Schächer zur Linken Jesu. Dahin können zunächst drei und sieben oder acht und zwei."
- "Verzeihung, lieber Herr Meisterm – da hab ich nicht aufgepaßt, über den neun in Lasterhusen sind noch zwei Szenen,
zusammen sieben Leute: fünf davon gehören noch eng zum Kreuz Jesu – schaut, Meister, eine herrliche Gruppe reitet wie auf
einem Jagd-Ausflug daher – unsere Geistlichen Herren: einer mit Seiner Eminenz dem Bischof Grave vMoers hinter sich, auf
dessen Schimmel, den spielt unser Geistlicher Herr Pastor Diderik Hensonis selbst, die Frei-Linde hinter ihm ragt in den
goldenen Himmel hinein, doch da stößt er auf des Gekreuzigten Jesu durchnagelte Füße, nimmt den Blick von der Fährte, der sie
folgten, und betrachtet erschrocken und voller Mitleid diese Hilligen Wunden. – Und dann ist da der Hillige Hauptmann Longin,
der Bekenner, auf einem Fuchs, er raunt seinen beiden Begleitern die Erkenntnis des G=ttes-Sohns zu, dem bischöflichen
Schulten auf seinem Rappen, und einem Kaufmanns-Fürsten auf seinem Schimmel – dahinter im Feld steht eine Linde, die
Freilinde vor Tinge. - Es sind mächtige Herren, ihrer Welt sicher, gewöhnt, völlig frei durch weite Gefilde und Steppen zu
traben, unbefangen. - Aber ihre Pferde sind die vier Farben der apokalyptischen Pferde – denn es ist der Moment, wo der
Vorhang des Tempels im Beben zerreißt und sich die ersten der Toten zum Aufstehn erheben. - Diese Reiter spielen außerdem
auch die Vorhut des großen Isernen Kaiser Karl selig, als er gen Pavia reitet, um den Sünt Brixius zurückzuerobern, welchen
Langobarden den Burgund-Franken aus dem National-Hilligtum geraubt hatten, um darauf Pavia, Schreckens-Glanz, zu
gründen – zuvor hieß es Tissino. Dazu singen die Skalden das Schreckens-Glanz-Lied vom Isernen Kaiser Karl selig dem Großen: wie es ist, wenn der Richtige
kommt – 28.Jänner, der kälteste Winter – das zwingt Lombarden-Künning Didier so nieder, weil selbst Tissino und Padus
erstarren zu Stahl und man kann drüber reiten. - Das mal ich wortwörtlich: den Künning Iserner Kaiser Karl selig als
vollständig eisen-gepanzerten Ritter zu Ising, Isermann, Iising-Breide, Ijs-Lant und Isling-Au - mit eiserner Stange hoch in der
Rechten auf dem unbeirrbaren isenfarb-Braunen mit dem Leib-Knappen Jacob Minor - mit der Keule Kuelbeki - und anno 774
vor Pavia aufziehend. – Den würde Schulte Eggenrodde wohl zu Modell stehen, hat er zugesagt - er hat noch so eine eiserne
Rüstung und das passende rost-braune Pferd: da liegt Sieh-verth. Den schauenden Künning Didier und seinen Franken-Ritter im
Asyl erkennt man für diesen Moment in den beiden gesonderten Halb-Figuren Blick und Paol - und die mittlere Gruppe als
Geistliche Vorhut Des Isernen Kaiser Karl selig, den einzelnen Erf-Exe – Holz-Grave der Mark - als Späher – also ein
Panzer-Ritter mit dem Schwamm auf seiner Stange und sein Recke: zwei. - Wenn die Verkündigungs-Szene zur Linken das
Frei-Gericht und Kreuz Des Herrn Jesus überdeckt, sind sie die Künninge und die Mächte der Menschen, die den Messias
ersehnen, dann kommen alle zum Hilligen Berg – während Er in Seiner Glorie durch die Welt eilt und alles belebt, befreit, nährt
und heilt. - Und dann erst kommt der andere Schächer, das sind drei: am Kreuz der Schächer, die Füße angezogen, mit einem
Hacken fort - außen über ihm ein kleiner Höll'scher – der im Tingk, wie eine Katze von jenseits der Maien zuspringend und das
sich gegen beide sträubende Seelchen Leben - dies Mit-Kreuz zur Linken Der Lieben Herrn Jesus reicht nach Südosten auch ins
Tingk, ab Hackenfort, hinein. - Der schaut jetzt von den beiden anderen Kreuzen weg und hinunter, ihn hungert – da liegt etwa
Hummert – und er greift –immer noch listig - zum Schwamm hin, der auf Des Isernen Kaiser Karl selig Stange unter ihm vorbei
reitet – doch es ist zu weit weg – so wird die Verdammnis ausgehn, wie das Hillige Evangelium berichtet, kann es auch sein, daß
der Schlimme, der die Bedeler abwies, dort durstet, während er Selige glücklich in Abrahams Schoß ansehn muß. Anschließend daran kommt der Verschwiegene Hain, Kirchspiel bis Burloer Wald, mit den zwanzig Buß-Klausnereien der
Wilhelmiten, dorthin geht der jährliche Hillig-Krüss-Ritt der Schüöp'n Umdracht mit dem großen Reliquien-Kreuz - dahin leg ich
die stille Grablege-Szene." –
"Dazu nimm elf Personen. - Und wenn es Hintergrund sein soll, mal sie etwas kleiner." – "Aber nicht zu klein, das mag ich nicht,
denn es ist doch genauso wichtig. Es ist sogar das ganze Thema der Aufgaben-Stellung Mysterien-Spiel." – "Na gut – leg den
Busch an wie ein Nest und laß die Ereignisse leuchten, aber sanft wie natürlicher Abend." – "Wie wär's, wenn ich es als das
Grals-Burg Bett des Amfortas anlege?" – "Wie wär's, wenn als Anfang des Himmlischen Fest-Mahls? – Naja, nur so eine Idee –
man lag früher zu Tische." "Danke. Mm-hm – ich teile dieses sechs Frauen und vier Männern zu, Jesus zu bestatten. Das ist dann Er – das Gesicht weiterhin
schauend zur Seite geneigt und zu Ihm schlängelt sich die Hillige Büßerin Maria Magdalene und legt ihre letzte Beichte ab, teilt
ihre flammende Reue und Zuneigung mit - ähnlich der Klausnerin Sünt Maria Ägyptiana, die sie dort hoch verehren. Unser
Klausner Jacob hat mir von Klausner schon vieles erzählt. - Zu deren Häupten - doch sie nicht belauschend - stehn wieder
Ekklesia und Synagoga. Ekklesia neigt sich zum Herrn Jesus hin und Synagoga - welche über den verlorenen sündigen Schächer,
den Bruder, hier im Verborgenen weint - beugt sich zur Seite weg. Die Beweinung führt an die Hillige Großmutter Anna, an
welche die Sünte Maria Tochter sich halt-suchend lehnt, und auch ist Sünt Maria Salome da, die ja dann Spezereien besorgt und
Ostern früh wiederkehrt. - Als Leitwort fand ich in den Visionen der Lieben Fraue Mechthild von Magdeburg, die sie mich in Stift
Metelen lehrten, dieses – dafür spenden sie ihren Teil Farben zum Altar: Es sprach die Seele zu ihrem Verlangen: Eia – fahre hin
und sieh, wo mein Liebster weilt – sag Ihm, ich möchte minnen. Da fuhr das Verlangen gar eilig von hinnen, denn von Natur ist
es schnell, und es kam zu der Höhe und rief: Großer HERR – tue auf! Laß mich ein! – und Der Herr sprach: Was willst du, da du
so heftig drängst? – HERR, ich hab Dir zu künden: es kann meine Herrin so lange nicht leben – würdest Du fließen, so könnte sie
schwimmen – es kann doch ein Fisch nicht im Sande lang treiben und quick dabei sein. ... Wohin bin ich gekommen? Bin ich
verloren in Dir? Ich kann der Erde so gar nicht gedenken, noch irgend meines Herzeleids – ja, ich gedachte, Dir – wenn ich Dich
schaute – gar von der Erde so vieles zu klagen – doch nun hat – o HERR - mich Dein Anblick erschlagen – Du hast mich ganz
über meinen Adel höher-getragen. – Dann kniete sie nieder und dankte Ihm für Seine Gnaden. ... da schaute Er ihr ins Angesicht.
- Damit hab ich sieben. Dazu nun fünf Männer der Bestattungs-Bruderschaft: Sünt Petrus schirmt mit seinem Körper und selbst
tief verborgen im Hut das Sacramentum Remedium Poenitentiae ab – Jesus Selbst hat hier natürlich nicht nötig, zu beichten Sünt Johannes stützt Sünte Annen in ihrer Klage, am Fußende tritt aus dem Dunkel der Geistliche Herr Kaplan mit dem Becher
der Hilligen Ölung, begleitet vom Bruder der Klausnerei – er spielt den Ratsherren Josef vArimathia – da ungefähr liegt
Lethmate. – Oh – sieben und fünf sind ja zwölf! – Aber wen kann ich entbehren?" "Ja, tatsächlich – hmm, laß mich nachdenken. - Der Klausner wird vielleicht noch realer, wenn du ihn fast in den Bäumen wie
unsichtbar verborgen malst, sodaß beim ersten Blick nur die Elfe erscheinen. Noch fehlten ja 13 zur Vollkommenheit des
Mittel-Bildes, dann hast du dafür auch zwölf. Versuch's so. – Was ich noch sagen wollte: Ekklesia und Synagoga beschäftigen
dich wohl sehr, seit wir mit dem jüdischen Minjan gefahren sind? - Ich geb's zu, daß ich es auch nicht begreife. - Doch bei dem
Schmerz, den sie in und nach – behüte G"TT uns davor – der schwarzen Pestilencia tragen mußten, noch und noch. – Schmerz,
Weh und Angst der Einzelnen ist doch dasselbe wie Schmerz, Weh und Angst immer - und immer wieder hetzt einer Menschen auf
sie, sich schwer zu versündigen, meistens zugunsten Geschäften anderer oder um eines einfachen Paragraphen willen, der auch
erfüllbar wäre, ohne wen zu verletzen und roh zu berauben – das doch kaum in einer verlockenden Botschaft von Erbarmen und
Milde Des Heilandes aus ihrer Mitte geboren. – Wie denn sollten sie sich für solchen Glauben anderer interessieren, die dann ja
doch nichts außer Treue zu eigenen Verwandten bekennen? – Geht aber damit vorsichtig um, daß ihr mich dieses hört reden –
nicht wegen mir, ich zieh ja fort ins Burgund und werde auch niemals mehr als ein Fremder – deren Volk hat ja doch noch
einander und betet. Solange der Mensch betet, kann er nicht wirklich verkommen, sage ich euch: vertraut darauf – und wenn einem Maler das
Beten durch Pinsel und Stifte gelingt, wird er stets das Gute anzuzeigen und zu lehren suchen, um mit dem guten HERRN G"TT
über Gutes zu reden. - Daher gibt es auch immer in christlicher Kunst eine Würde der Synagoga neben der Würde der Ekklesia:
Wenn jemand dich darauf anspricht, erwähne den Sakraments-Altar Drogos aus anno 830 Paris: Frau Ekklesia kommt mit dem
Grals-Kelch bis unter das Kreuz, dahin kommt Frau Synagoga dann auch, blind im Sinne von Justitia, eventuell im armen
Gewand der Klarisse - bei Karolingern war das so Brauch zu derselben Zeit wie die erhörenden Hilligen Christ-Künning Kreuze
– unter Beratung Gelehrter aus Süd-Frankreich und Hispania wurde die Verwaltung des Reichs aufgebaut und auch dieser Ort
hier der Abtei Hervorth zugeeignet, was doch niemandes Schaden gewesen bisher – siehst du drei Hasen wie hier im Süd-Fenster
Ost oder im Dom Paderborn, der wie Kirche Sünt Brixi Schüöping auf einer kostbaren Quelle fundiert ist, so ist das deren
Zeichen für Speyer und Worms und Mainz – ihre hierher gebetenen Schulen des Rechtes und gerechter Verwaltung. – Nun kommt
ja die Szene der Erlösung der Seligen aus dem Gewahrsam des Todes und da rettet Der HERR diese Ersten der Juden. – Also
zwölf unten rechts, wie malst du das?" "Ich teile wieder in 7 und 5, dacht ich: erstmal natürlich Er in dem leuchtenden Tuch, das Sünte Jungfra gewirkt und das Seine
Geburt auch beschirmt hat, sein freudiger Kragen, und Sein Nimbus strahlt Lilien und Sein Wimpel flammt ebenso rot – Hillig
Geist Liebe ist es, nicht das Blut, und Er eilt, es zu tun. Sechs Tote erweckt Er zuerst – da ist sofort am Tore der selig gewordene
Dismas, Er versprach ihm doch: Heute noch wirst du im Paradiese sein, dann die Hillige Urmutter Eva – für eine einzige Sünde
hat sie wahrhaftig doch lange gestorben sein müssen, dann ein ganz gleicher wie Sünt Paul, nämlich der Selige Moses, und der
Selige Adam, der Selige Patriarch Jakob und der Selige Vater Abraham. Das sind schon alle der weiteren mit – und weitere zwei
sind noch drinnen, im Daumen des Hauses, der eine will offenbar in seinem Schlafe verbleiben, der andre ist David und versucht,
ihn zu wecken. - Oben auf dieser Burg Hantschuch springen zwei kleine Höllsche mehr erschrocken als feindlich herum, denn auf
jeden anderen würden sie Steine werfen und Pfeile schießen - die Burg der Befreiung – also örtlich käme die völlig abgerissene
OvelGünne über dem Uchte-Bett in Frage, aber auch der Heid-Berg beim Rawert – da liegt Doedt. Dort führt ein Fußweg ab
Buerger Weg linkerhand parallel zu der Uchte zum Braj-Weg bei Lütke Wennig und Hachmann..- Dort gab es immer schon
Gräber seit uralter Zeit, Begräbnis-Hügel, Steinbeile, eigenartige Becher-Scherben, adamitischen Feuer-Stein zum
Funken-Schlagen – bestimmt ist das über 100 Jahre lang her – und Elsen Grund heißt es. - Der Selige Prophet Elisäus könnte
der sein, der noch nicht aufgewacht ist, denn er erwartet ganz sicher zuerst seinen Meister Elias den Propheten, der noch nicht
vor dem Jüngsten Tag stirbt, sondern möglicherweise als Josef von Arimathia die Bestattung Jesu vornahm, denn der pflegt so zu
tun, wo immer sich sonst keiner wagt, Gerechte zu begraben. –
Ach, Lieber Herr Meister - ich glaube - ich würde auch auf Euch harren, eh ich erwache zum Paradeis. Möchtet Ihr mir
gestatten, daß ich dort hinein – diese zwei – Euch und mich male, wie Ihr als mein David, der mich Stunden-Gebete gelehrt hat,
mich weckt? Da ganz unten im Winkel, im Daumen – es wär so etwas wie die Signatur von Euch als meinem Lieben Herrn
Meister und mir – ich setze uns auf die Gemarkung Lütke Wennig." – "Aber Jan! – Noch ist gar nichts endgültig. - Vielleicht
geschieht irgend etwas schon morgen und übermorgen bin ich wieder hier. - Nun schreib mich doch nicht allzu traurig ab, mein
Jan. - Ich sprach ja nur von langem Abschied für den Fall der Fälle. – Mach weiter, oder war's schon alles?" – "Naja, denn
nich'. Also – ich nehm den Tor-Haus-Bau wie den in der Tovel Meister Konrads, Sünt Petri Hamburg, das sieht wie Ovel-Günne
aus, sagten die im Rathaus - doch zieh ich meinen Auferweckten etwas Leichtes an: sie treten vor Den HERRN an jedem Tag, und
- es ist doch in der Kirche. - Im Einzelnen beschrieben mir drei Alte jene abgerissene Burg, so ein Bau Hantschuch, wißt Ihr,
über die Uchte gewölbt ein Gebäude, geringfügig größer als das große Tor für volle Ernte-Wagen, eine rechte Hand, im Daumen
ein vergitterter Wacht-Raum und oben drauf die bewohnbaren Stuben – ach ja, da kommt noch ein dritter Höll'scher heraus, der
die Munition aus dem Vorrat herausträgt – das ist der Zwölfte. - Zur Verteidigung hat es einen Dach-Garten mit Zinnen und
beiderseits Brust-Wehren zum Schutz der Verteidiger an den Ecken. – Ja, und da ist doch ein Erd-Beben im Evangelium genannt
und ich dachte, um dies zu malen, da tritt Der Erlöser auf die herausgerissenen Tore der Unter-Welt, unter denen sich der
schwatte Sau-Rüde von Schulze Giämen noch windet. Nur dieser ist böse im ganzen Altar, denn das trifft keinen Menschen, kein
Eben-Bild G"TTES, und man wird den kaum sehen im Schlamm, dem er zugehört. – Aber da such ich noch einen Rüden für,
einen guten.Man erzählte mir – hinter vorgehaltener Hand, daß eines Abends so ein Un-Rüde bei Schulte Giämen am Herd-Feuer lag und
ihn mit funkelnden Augen anglühte. Der Mann ist nicht schreckhaft, also versuchte er, ihn hinauszuwerfen, doch der murrte nur
und blieb liegen. Der Schulte rief da seine Knechte und das ganze Gesinde, jeder packte mit an und mit Mühe schleppten sie ihn
vor die Tür, doch das Wesen wollte wieder ins Haus, dann wollten sie ihn verladen und ins Stroen-Feld wegfahren, aber der ließ
sich kaum heben, da machte der Schulte beim Schimpfen ein Kreuz-Zeichen und schwupp - war der Sau-Rüde verschwunden. Und so wurde er beschrieben und so kann ich ihn malen. Man sagt, dies war der Giärm – die Skalden singen von der
Braut-Werbung an Gymirs Gehöft um dieses Hünen züchtige schöne Schwester, die Gerd. Es gibt ja dort niemanden namens Eva
zu markieren, aber einen Hof SchultenGerd, Gymirs Gehöft bewohnen ja Hünen, also male ich die Befreiten so groß wie ihr
Verdienst es auch ist, und den rettenden Heiland am größten. Dann beanstandet keiner die Burg, denn das ändert sie sehr, es
sieht nur noch nach einer Art Rüden-Hütte aus. Wieder aufgebaut darf sie nicht werden in Ewigkeit, wurde verfügt, aber daß es
sie gab, das ist wahr. - Alles, was wahr ist, das darf man auch malen, habt Ihr mich gelehrt. – Eine solche Halle mit niedrigem
Süd-Schiff für die Hillige Jungfrau heißen sie einen Hantschuch, und Skalden erzählen von Helden, von solch einem Hantschuch
im Dunkeln, in dessen Anbau sie schliefen – morgens erst merkten sie, daß es der Handschuh eines dort lebenden Riesen war und
sie im Daumen-Abteil genächtigt hatten. Da begriffen sie, was wirklich groß ist. – Auch ist es ein Lohaus, wie in der der Tomas a
Cempis uns lehrt: Was Wunder, wenn ich durch Dich ganz zum Feuerbrand würde und so mich selber verzehrte! Du bist ja das
lodernde nie verlöschende Feuer, die Liebe, welche die Herzen läutert und den Geist erleuchtet. - Flammen umgeben also die
Herausgerufenen, obgleich sie keineswegs in der Hölle waren, sondern im Reiche des Schlafs auf den Tag Des HERRN harrten,
allnächtlich aufstehend zum Anbeten – dann wieder schlafend. - Mit dem alten Adam und Eva sind ja vom Erlöser befreit auch
alle die Guten von Walhalla und ihren Palästen der Guten. – Oder darf ich das nicht?" "Nun, ich denke, wenn es in Rom und Italia Kirchen-Malern erlaubt und sogar nahegelegt wird, ihre vor-vergangenen Großen
mit zu den Hilligen ab Christus zu setzen, Aristoteles und Sybillinen nicht minder als ihre Merkur-und Venus-Vereine, dann liegt
nichts dagegen, wenn mit gerechter Erwägung der Norden auf seine Art seiner Großen gedenkt und sich eigene Eltern und Ahnen
im Paradiese erwartet. – Beruf dich auf die Hillige Gertrud, die vor etwa vier Generatiuonen entschlief. Die große Abatissa von
Helfta sagt: Abgrund unerschöpflicher Weisheit ruft den Abgrund / bewunderns-würdiger Allmacht – / wie in Psalm 42: sie
rühmen / die wunderbare Güte, aus welcher Seine überströmende Barmherzigkeit in das tiefe Tal meines Elends geflossen ist. ...
- / da war mir, als sei ich in einem Chor,/ in der Ecke, wo ich sonst mehr mechanisch mein Gebet zu verrichten pflegte, / und ich
hörte die Worte: Ich erlöse dich / und ich werde dich retten, / fürchte dich nicht. – / Während ich dies hörte, sah ich, / wie Seine
zarte Rechte die meine nahm, / wie um das Versprechen zu bekräftigen." – Jan-Hendrik dankt und notiert sich die Stichworte,
weil er heute zu aufgeregt ist, es gleich auswendig zu lernen. "So hat er nun 5 Szenen links und südlich von Jesus mit 42 Personen – das ist in Tagen 6 Wochen gesamt, davon 2-mal Unser
Herr Jesus – alles auf Ebbing-Hove, Schagen-Horn, Tinge, Kerspel und Ech-Rodt verteilt." – zählt nun Laurenz auf, als eine
Pause eintritt. "Und die ganze Mittel-Tovel enthält jetzt 15 Szenen für 95 Leute gesamt, das sind 5 mal 19 – ist das auch etwas
Besonderes? - davon 4-mal Er und dabei 12 Pferde für 17 Reiter in Freiheit Schüöping," – "Ach, tatsächlich? – Ja, 19 ist etwas
Besonderes und muß sein. - Na, dann machen wir erstmal weiter mit der
rechten InnenTovel." - "Da fange ich unten an wegen der Auferstehung Unseres Herrn Jesus aus der Unterwelt – mit der
Himmel-Fahrt muß ich ja oben die Kante erreichen." – "Richtig. Also für die Auferstehung komm auf 9." – "Da sind zunächst die
zwei Schläfer, die eigentlich Wache stehn sollten: einer ist ein sehr hübscher Prinz, blauer Über-Rock und weiße Leinwand –
klar, es war ja eigentlich sein Fest-Rock zu Pessach – er hat den Berg-Schild: sieben Punkte auf schwarz und die goldene Rose breite goldene Borten und ein schön geschürzter Leinewand-Streifen schmücken ihn, er schläft mit seiner Hellebarde im Arm
zwischen seinen zwei Krügen im Vordergrund, und ein Krieger hinter ihm in Rot, mit blau-goldenem Zipfel-Mütz-Helm dient ihm
als Kissen – wißt Ihr, Lieber Herr Meister," sagt er, während er die Zeichnung anheftet –
"Oh ich weiß schon, das war der junge Kaufmann Rogier, das große Talent." lächelt der Meister "Ich hörte, er macht jetzt
wirklich die Lehre bei Meister Robert Campin in Brüssel oder Flémalle. – Aha, also da fängst du an – ja, man merkt schon, hier
kommt es von Sam-Biärg nach Giämen zum Rams-Biärg und Schom-Biärg hinauf, dazu passen - Gemarkungen wie Krüger –
Hinter-Mann - Schild – Werens Mann und Wernsing – Laiger Manns Hook, des bequemen Manns Eck." – "Ja - der bequeme
Mann, rot mit grüner Mütze bekleidet, liegt dann auch anstatt zu kochen der Länge nach über der linken unteren Ecke, über
seinen Sau-Spieß gesunken – daß ihm die ja keiner stiehlt? - zwischen drei Baum-und-Säulen-Stümpfen am Feuer – lang füllt
die sonstige Wasser-Ecke sein leuchtender Blau-Schild, als sei es ein See.unter der Brücke bei blauestem Himmel der Ost-See hat mir einer geschildert - sowohl er als sein Schild haben einen Buckel. – hier eignen sich Gemarkungen und Höfe wie Stübbe Fier – Holt – SchierHolt – Kock – Haver-Kock – wißt Ihr, Lieber Herr Meister, ich dachte auch, es ist die Freude angebrochen –
da darf es auch ein bißchen spaßig werden – sind sie nicht aller-liebst, Freund Rogiers Schläfer?" Der Meister fährt ihm mit den Fingern durch das Haar und lächelt: "So ist es recht, mein Jan: der rechte Gläubige sei lieber
fröhlich und das stets, sowie er kann. - Das sind also jetzt 3. - Und nun?" - "Nun 2 – Erstens Der Eine, Er – Erlöser – Heiland
und Priester, springend: salisch, selig eilend zu unserer Erlösung, schön und groß und leuchtend rosen-rot in Seinem weiten
Kragen, wie die Sonne des Psalmisten, wie der Bräutigam aus seinem Bette, wie der Einzige Löwe, einfach da, die Rechte zum
Schwören erhoben und in der Linken das bunte Schwert mit dem Lilien-Kreuz-Wimpel – die Cleven, Gold in Rot. - Sein
Kragen-Umhang fegt noch seine Spur fort, woher er kam – so – ach ja, genauso beim Befreien der Toten, wie der der Schweif des
Einzig-Löwen - der da ist und keiner weiß, woher er kommt, wohin er geht – der Jäger findet nicht Ihn," er skizziert es auch dort
– "und 1 Hilliger Engel in Weiß als Levit, der den Deckel des Grabs gastlich wie einen Abend-Mahls-Tisch her-breitet – Altar für
das himmlische Gastmahl. – Dazu passen in der Gemarkung die Hove-Stellen Ent-Fiäger – Elisäus Kamp – Eidt-Hoff –
Middel-Rott – Witte-Buer – Fleige – Heck. - So. Nun sind es 5 – ach, ich mal das so gerne! – wie freu ich mich drauf - mein
Lieber Herr Meister: ich dank Euch dafür!" – zum erstenmal sagt er "Lieber" mit der weichen Betonung, es auch zu meinen,
denn sonst ist es ja ständige Formel – und ohne auf Antwort zu warten sprudelt er seine weiteren Pläne heraus.
"G"TT ist die Liebe, und wie sie Unsern Herrn Jesus fragten, wie man es hinkriegen kann, G"TT so ganz zu lieben und seinen
Nächsten wie man selbst, da erklärt er es mit dem Manne, der unter die Räuber fiel und da lag er – zwischen Jericho und
Jerusalem, das kann nicht einsamer sein als zwischen Ahues und hier – und da kann man grad drüberfallen und doch einen nicht
sehen, der zu schwach ist, sich zu melden. – Da sind doch die Höfe wie Sicker, Sicking, SickMann, Sickem Hook – eine ganze
Siechen-Ecke nach Giämen zu, wo die Malädschken, Leprösen oder die mit Sünt Antoni Füer ihre Pflege und Versorgung
bekommen, und wo ja bei – wovor G"TT uns behüte – Pestilenz-Gefahren die Reisenden ablagern müssen, um das Wigbold vor
bösen Miasmen zu schützen, da scheint mir, gehört zum Altar auch die Lehre der praktischen Liebe gut hin. Also da leg ich einen
Gefallenen nieder, schwer verwundet und schwach. - Es ist auch passend zu Hinkers, daß er nur noch einen Stiefel anhat, und wo
er hinsieht und hinwinkt, BogenStahl – WiinkersHook gelegen und da ist grad niemand zum Lieben. Die ganze letzte Ecke ist
Hügel und Wald und die steinernen Stümpfe eines Stein-Bruches oder Vulkan-Schlots, denn: wenn man es zu einem Fest-Tag
will, ist es Sünt Pauli Bekehr kurz vor dem Tag Des Isernen Kaiser Karl selig - 25.Jänner, an der Geraden Straße zum Südt-Tor
Damaskus bei den 24 Säulen-Stümpfen, dann ist dort immer eine kleine Reise." – "Was für ne Reise? – die sagen hier doch
Wall-Fahrt?" – "Nö. Zur Wall-Fahrt, der Grenz-Begehung, wie es der Cellerarius nennt, sagen sie Schnat-Gang, wo sie die
Gräben und Wälle abgehen. – Und wenn man für Den Lieben-G"TT zu einer Kirch-Miss zieht, sagen sie Opfer. Es gibt
Dungel-Reisen für die Frohnde und Reisen im Hammer, zum Verhütten von Erzen, so 1-2 Wochen glüht dann der Schmelz-Hütte
durchgehend, solange Holz-Kohle genug vorbereitet ist und Erz oder Hütten-Sau..." – "Jaja, ich erinnere mich, da sagt man
Reise. – Also da liegt er..." - "Ja-wohl, da liegt er also, hat die vergeblich winkende Hand auf den Hut abgelegt – ein Schuh fehlt
ihm auch, den – eh – ja, den hat jener Reuwer, der auf der anderen Wand den Lieben Herrn Jesus zur Hinrichtung schleppt, ja. –
Und hinter ihm spielt Jesus Selbst den Priester, der in der Auferstehungs-Eile ihn wirklich hinter sich nicht sieht, und der Engel
spielt den Levit, der die schwere Platte – vom Klapp-Haus - anhebt und ebenfalls deshalb nichts Anderes sieht, denn Jesus wollte
nicht die kritisieren, sondern sagen: ein Hilfloser wie dieser wird nicht jene lieben, die schöner, netter oder sonst viel frömmer
sind, sondern die, die da zufällig kommen und helfen können, weil sie ihn auf dem Wege sehen, wenn die es tun. – Sie sind noch
hinter Telgen, Büschken. – und dieses Hügel-Wegs kommen nun die Dreie: Hillige Marien-Frauen - Weil: wißt Ihr, Lieber Herr
Meister" - er senkt die Stimme und raunt verschwörerisch: "...itz kummen drei ´sundere Frauen /em iä'schde Morjed-Grauen
/übär hiddere-häddere-Bärjsche do-hiär..." – sein Meister sagt trocken: "Steht aber nicht so in der Hilligen Schrift – woher hast
du's?" – und schaut ihn ziemlich verwundert an, als wisse der Junge etwas, was er überhaupt nicht wissen könne – und Jan
erläutert: "Ich weiß nicht, hab es vielleicht, als ich krank war, gehört – irgendwo hab ich diese Sprache gehört, mein ich – und
versteh sie auch ungefähr – vielleicht ist es mir im Traum eingefallen – ja, merkwürdig – woher hab ich's? – Oder darf man das
nicht?" – "Och je, verboten ist das nicht, aber nicht öffentlich, klar – es holt sich ja wohl jeder mal ´nen Rat, wenn die es nicht zu
weit treiben, die's tun. Ich dacht' ja nur an etwas, das sehr lange her ist. Machen wir weiter." "Und wer kein'n Olie und kein'n Wein dabei hätt', könnte es nicht lindernd auf die Wunden tun – sie tragen also Spezereien,
holten diese aus dem Klapp-Hues - Club-Haus - nein, aus Sünt Cosmas-und-Damian Met-Elen - also eilig, für Jesu Grab, die Er
jetzt aber gar nicht braucht, er lebt ja schon und ist nicht da – was sie ja noch nicht wissen können. Sie kommen gerade hinterm
Schom-Piärch – Schön-Pferch - sie wollen, denk ich, über Wirre grad zum Sam-Piärch - Schaum-Berg - sie sind also eben in den
Schomron-Samma-Ritter-Hügeln. – Also diese, die stoßen auf ihn, sowie sie um den Berg auf die Gerade Straße einbiegen, und
ziemlich sicher ist, daß sie ihm helfen, denn das ist ja hier Brauch – das erfuhr'n wir ja auch und die mittlere hat ihn gerade
gesehen – seht, diese drei Schönen, es sind Frauen aus Gemen – sie schauen doch voller Mitgefühl so etwa – Lütke-Bitter Damit
ist der Altar einmal um Schüöping ganz herum gemalt – auf der Rück-Seite, die Geburt Jesu ist ja in Stroen-Feld Mark." – "Das
ist sehr gut bedacht, mein Jan. – Also 9. - Und nun?" - "Ja, die Auswahl war nicht so leicht, denn die Hilligen Schriften berichten
ja mehrere Situationen, wo Unser Herr Jesus in den vierzig Tagen nach seiner Auferstehung war. Das Früheste war Er als Gärtner für die Hillige Marie Magdalena auf dem Kirchhof in Jerusalem, und ich meine, sie werde ich
als Begegnung auch malen. - Aber auch drei Marien, denen ein weißer Jüngling es sagte – die laß ich ja heran-wandern und da
steht einer ja - und wie Sünt Petrus und Johannes das leere Grab finden, welches Magdalena ihnen sagt - doch das Treffen der
Hilligen Engel ist nicht dasselbe, wie Ihn selber lebend zu sehn. – Dann kommt ja Er zu den zehn – ohne Judas und Thomas in
den Abend-Mahls-Saal – dafür hält der Hillige Engel den Sarg- Altar-Deckel als Mahles-Tisch - und auf der Straße gen Emmaus
ist Er wie ein Pilger mit auf der Heim-Fahrt, die zwei Jünger mit Sünt Kleophas begleitend - und dann wieder Er und die 11 mit
Maria und nun auch Thomas, wieder im Abend-Mahls-Saal, Weißer Sonntag. - Dafür hält ja der Engel den Tisch schon bereit –
gibt es eine bessere Verwendung von Sarg-Deckeln, als daran das Freuden-Mahl der Auferstehung zu servieren?" – "Tja,
stimmt." "Auch noch kommt Er an den See von Galiläa, unterhielt schon Sein Feuerchen zum Fische Braten, bei Sünt Peter und denen, die
mit ihm wieder fischen. Er versprach ja, sie sollten voraus-gehen und Er komme nach dem Aufstehen nach. – Dafür brennt hier
das Flämmchen der schlafenden Wächter zu Seinen Füßen, und der Blau-Schild erweist sich als der Genezareth-See – einer
Harfe gleich länglich geformt – Gemarkung Buckelt. - Und nochmals kam Er und an die 500 Jünger haben ihn erlebt, wie
Pfingsten auch. – Aber das kann ich von der Gemeinde verlangen, diese 500 regelmäßig selber zu stellen, ist Er doch das Haupt
und der Leib hat's zu sehn. - Und zuletzt kam Er, wie Sünt Paulus gesteht, noch zu Ihm – obgleich die Bekehrung erst später
stattfand – zu den 24 Säulen-Stümpfen der Graden Straße vor'm Süd-Tor Damaskus traf ihn ja die Vision, daß sie doch dasselbe
wollen: – Warum leckst du, Igel, denn gegen den Strich und du tust dir nur weh? - wie der Blitz. – Hat mir der Geistliche Herr
Kaplan ganz genau übersetzt. – Ob es möglich war, daß er Sünt Paulus auch in den 40 Tagen einmal traf, doch – die
Fehl-Geburt – diesem sagte das da noch nichts? – Ah – ja, der gefallene Sickmann ist blind und beide sind Paulus: so herum der
Saulus mit dem Spieß gegen Jesus gewendet extrem – so herum der bekehrte, aber nun blinde Paulus - der sich verwundert der
Erkenntnis auf den Kopf faßt – ja, das ist ja noch schöner, als wie ich mir dachte. - - - Meint Ihr nicht auch, Lieber Herr Meister,
daß mir Der Herr Selber diese Bilder zuspielte, damit ich dies alles auch malen kann?" – ganz ergriffen hält er nun die Skizze in
Händen, die er von der Wand nochmal abgenommen hat und zeigt sie seinem Meister näher an der Lampe, durch die
Schuster-Kugel heller gemacht. –
Sie haben nämlich eine Schuster-Kugel für das Arbeiten bei Nacht, die macht das Flackern ihrer Öl-Leuchte milder und verteilt
das Licht - und wenn man will, vergrößert sie etwas, sodaß man eine Arbeit gut sieht - und der Meister mustert das liegende Paar.
- Im Sünt Pauls-Zusammenhang betrachtet, leuchtet es auch wirklich ein: Um-kehrung selbst der Kleider – "Also eine gemalte
Metanoia" – erkennt der Meister – "Ja, die Umkehr." – Sie haben auch eine Kugel aus Berg-Kristall - eigentlich war es ein
Stopfen für eine Karaffe, aber die ist längst hin - mit der kann man allerhand untersuchen und sehr Kleines vergrößern, als stünde
man drin - und sehr Großes auch klein sehn und bequemer abzeichnen. Besonders nützlich war er immer zum Zeichnen und
Studieren von Miniaturen. - Und diesen eifrig gehüteten Schatz, die Vergrößerungs-Kugel, zieht der Meister nun aus der
Brust-Tasche und hält ihn Jan-Hendrik hin:
"Weißt du, ich denke auch jetzt, Der Liebe Herr-G"TT Selbst wird dir helfen bei diesem Altar - und ich hab dir noch gar nichts
zum Abschied geschenkt. Möchtest du wohl unser magisches Auge behalten?" – "Oh mein Lieber Herr Meister, das braucht Ihr
doch selber!" sagt Jan-Hendrick besorgt. "Nein, nein – davon wird mir Sene Ehren der Herzog von Burgund auch ein Dutzend
besorgen lassen, wenn ich für ihn malen soll," scherzt dieser und legt sie in Jan-Hendriks Hand und schließt ihm die Finger um
sie: "Es soll dich begleiten und an mich erinnern – tu mir die Freude - ja?" – und Jan-Hendrik nickt nun erfreut, aber wortlos –
aber mindestens zig-mal strahlt er nun und schaut abwechselnd seinen Meister, seinen Freund Laurenz und die schöne
Glas-Kugel an, und selbst Laurenz bekommt vor Mit-Freude rote Ohren, denn er hat das Ding immer äußerst bewundert, daß es
so schöne Steine der Weisen auch tatsächlich gibt. – Daß der Herzog von Burgund derartig reich ist, solche Steine für seine
Künstler zu kaufen, hätte er nie gedacht. - Dann war doch das Glück zu dem Meister gekommen, wenn so ein Herzog ihn rief! –
Eventuell würde der Gute nun vier-mal die Woche sich sogar satt essen dürfen? - denkt Laurenz. "Diese Erscheinungen des Auferstandenen sind alle biblisch und ich hab sie vor, zu verknüpfen." fährt Jan-Hendrik nun fort –
"Also jetzt drei: Er als Gärtner im Schlapphut verborgen, den Griff einer Schippe oder Harke in der Hand – es ist der Stab von
seinem Ziehvater Josef, aber ich hab einen Wall davor, man sieht es nicht genauer – in der Gebärde des Austeilens der Hilligen
Eucharistie beim Abend-Mahl – woran man Ihn erkennt - steht er vor Sünte Maria von Magdala und sie ist glücklich - fast wie
ich, aber natürlich noch glücklicher. Ja. So ein schönes Geschenk. – Doch ist ein Auge Zeuge dieser Auferstehung und
Begrüßung, hab ich mir gedacht – der andere – wenn er freundlich war, dann so ähnlich verborgen im verdunkelnden Hut war
der einäugige Nationsherr im Goldhelm, alt Ygg. – Für den ist's allerdings vorbei, ihm wird es keine neue Erde geben. Er darf nur einmal noch den Blick drauf werfen, daß nun dieses neue Sein beginnt. Möglicherweise ist es auch Mimir, der
einzelne Kopf, der stets gute Berater. Man sieht hinter dem Klapp-Haus eben grad nur den Kopf und möglicherweise schaut er
wie gebannt nur auf das Haus Geyst. – Man sieht aber klar, daß nicht dieser Unser Herr Jesus sein kann: Ygg gab ja an dessen
Quelle sein eines Auge an Mimir, um nochmal beraten zu werden. Jesu freundlich sanftes Gesicht sieht man im Altar nämlich
immer im Halb-Profil mit beiden Augen und die sind immer offen wie die des Einzig-Löwen, der ein König ist und nie zeigt, ob er
sieht oder schläft. – Sie sprechen einander alleine im umfriedeten Garten, zwischen ihnen in der Blumen-Wiese steht der goldene
Becher – es kann ihr Theriak drin sein, aber auch Wein oder Salbe. – Nun kommt die Szene der Himmel-Fahrt – der Donnerstag
als Friedens-Tag im Sachsen-Spiegel - und die Legion dieser Stelle ist Heven." - "Dann brauchst du 14, teile sie in 7 und 7." "Gut, also da ist zur Linken oben eine Fels-Nase, Klippe, doch ohne Burg mit zwei Frei-Bäumen. Bei den Hügeln, die erste
Klippe mit gute Stadt oben und schlimme Stadt unten stand für den Namen Skop. Er ist erkennbar als Sein Stab und
hinauf-steigende Füße – sie verschwinden wie im Sachsen-Spiegel gezeichnet in ein dunkles Gewölk, für den Himmel-Zustand. Es
sind außerdem noch beide Fuß-Tapfen auf dem Hügel gegenüber der Klippe zu sehn und das bunte Schwert. - Und 5 Mann der
Hilligen Apostel: sie schauen auf Des Herrn Jesu Entrückung so, wie zuhinterst ein Jedermann es ihnen zeigt. - Im Hinter-Grund
wächst ein kräftiger Maien gegenüber dieser zweiten Klippe – man ist natürlich nun in der Legio Heven, wo etwas Land auch
deutsch De Hemmel heißt. – Es ist Fried-Tag Donnerstag, daher genau wie im Sachsen-Spiegel dargestellt, und der 6. Maien der
Innen-Toveln. - Auch die Außen-Toveln tragen Maien – natürlich, hätt ich beinah vergessen!" – Eilig skizziert er sie und schreibt
Maye daneben, damit er nicht vergißt, was das Gekrakel bedeutet. –
"Binnen der Maien ist Friedens Bezirk" - also das ganze Gemeinde-Gebiet - "Die Klippe mit zwei Frei-Linden hier paßt zur
Gemarkung BootHorn, weil die andere das ScatenHorn ist, Boothorn ist ein Steven. – Hier etwa beginnt der Bezirk des
Stever-Go. – Der Maien bedeutet ein Baoken-Eschk – Baken-Wisch - hier ist ein Wäldchen: Wiit Loo – die 5 Apostel hier sind da
zu UpHues Göcke - up't-Hues-Gucker - weil rechts, wohin sie sehen, Haus Geyst ist – ein kleines Wall-Stück mach ich kahl, das
paßt zu Rode – de Hemmel, hatten wir, ist klar - und der Stab des bunten Sieges-Schwertes - paßt zu de Stiärt – hier, und da ist
Graes, also Weide – und der Hügel soll zu Wenke passen, sie winken zum Abschied. - Die andern 7 – da umgeben 6 Mann die
Hillige Mutter, das sind 5 Apostel und wieder 1 Jedermann, mit dem Buch in der Linken, weil alles so geschrieben steht –
geblendet wie erschrocken hält er die Hand vor das Gesicht. Sie sind auf einer anderen Stelle am Hügel, mehr im Ramsberg als
in Heven, aber auch im Hohlweg oder einem Tal – ich dachte mir, sie deuten jetzt schon auf der Königin Maria Krönung hin.
Deshalb brauch ich 2 Tönnis." – "Moment – du hast hier 5 und da 5 und hier Den Herrn Jesus und da die Hillige Mutter, und
hier 1 Tönnis und dort 1 Tönnis – 2-mal 7, das stimmt. – Aber im Fest-Evangelium: da standen zwei Männer in lichtem Gewand
und sagten: was starrt ihr da rauf? – wo sind die?" – "Ja eben, mit noch 2 Engeln dazu - dann käm' ich nicht hin, es würden 16 –
daher dachte ich es mir so aus: Manchmal erscheinen doch die Hilligen Engel in Gestalt von jemand Bestimmtem, wie beim
jungen Tobias der Wander-Gefährte aus gutem Hause. - Wenn es – nehmen wir an – einen Apostel beträfe, wird dessen Gesicht
unwesentlich – leuchtende Gewänder sind rot, über Blattgold-Grund gesetzt. Zwei Apostel sind in dem Moment Engel. Jedermann kann eines anderen Engel sein – so, wie...", er wollte sagen: wie Ihr einstens mich so viele Mal gerettet hattet – aber
der Meister würde darauf prüde reagieren, also verschluckt er diesen Satz und guckt nur einen Augen-Blick sehr liebevoll seinem
Meister in die Augen – so ganz kurz von seitlich unten her – und dieser schaut zurück ganz schnell und nimmt es ein – gleich
fährt Jan-Hendrik fort: "öh – weil – öh, nein: darum, ja darum nenn ich meine anderen Tönnies jetzt Engel Jedermann, wenn sie
Haar oder Hut tragen, aber niemandes Gesicht." - "Ah ja, das ginge wohl auch. Na gut. - Wird schon für die Prüfung voll und
genug reichen. – Ach." – er rappelt sich hoch, nun ganz wach und streckt die Hand aus: "Gib mir doch mal rasch ein Blatt, bitte,
denn da kommt noch eine Aufgabe vor, welche die Prüfer beachten: Leute von hinten und von vorne, die weit hinauf schauen. –
Paß auf, ich male dir einen Johannes von vorn," sagt der Meister und bittet: "Hock dich hinter die Lampe, schau zur Decke und
winke, stell die Schusterkugel dazwischen." - Während Jan-Hendrik sich passend hinhockt und den Kopf weit nach hinten neigt,
zeichnet der Meister mit schnellem Strich sein ihm so sehr lieb-gewordenes Gesicht. Sie machen es oft so, um Stellungen zu
erfassen. Der Meister kann Umrisse gut schätzen und es wird meist ganz ähnlich. Hinterher wird dann das Gesetz-Mäßige am
Bild untersucht und vermessen. Diesmal macht er sich große Mühe um die Portraitierung seines rot-blonden Jüngers, denn es
wird für lange Zeit das letzte Mal sein, daß er ihn sieht. "Ach", sagt er dann so, als sei es ihm mißlungen – nachdem er sehr zufrieden ist, "laß es gehen wie es ist, denn jeden Tag kriege
ich das auch nicht hin - kopier ihn genau in die Mitte der vorderen fünf, für die anderen neige einfach im Halb-oder-Voll-Profil
die Köpfe nach hinten und zieh ihre Mäntel gut faltig hoch, da etwa und da - das wird schon gehen – hauptsächlich einer muß
stimmen." – und Jan-Hendrik bedankt sich und heftet gehorsam den Johannes an die passende Stelle. - Daß sein Lieber Herr
Meister Meister ihn portraitiert hat, ist ihm gar nicht klar. Er würde aber auch nicht so kokettieren, etwa eine Debatte darüber
anzufangen, daß ihm dieser Johannes auf's Haar gleicht, denn durch die Gewöhnung des Kompilierens malen sie ja nie etwas
"selbst", sondern alles bedeutet je nach Situation dies oder das oder Jemanden sonst. - Er hat schon oft Maß gesessen, wie sie es
nennen. So leihen sich ja alle irgendwoher die Gesichter für die Hilligen der Altäre, nach Maßgabe dessen, wie man sich dessen
Wesen charakterisiert und welcher Gebärde man diesen Charakter anzusehen glaubt. Soweit Jan-Hendrik und sein Meister schon selbst Menschen direkt abzeichnen, weil sie eilig ein paar Gesichter mehr brauchten,
haben sie schon oft gemerkt, daß man schon sehr scharf hinschauen muß, um einen wirklich eben-mäßigen Charakter hinter
einem eben-mäßigen Gesicht zu entdecken. - An der Theorie des Verguckens scheint was dran zu sein. Menschen bringen es eher
fertig, einem Ideal-Bild zu ähneln, mit dem man sie tag-täglich umstellt, als einer Schar wohltuender Anderer auch innerlich zu
folgen. - Ihnen ist es sogar lieb, daß noch jedes ihrer Werke aus anderen zusammen-zitiert werden soll wie bei Kollagen – das
gibt Raum genug, den eigenen Sinn für Proportion und Farben-Harmonien zu üben und präsentieren - beim Zitat muß man ja
auch möglichst perfekt malen können. - Viele Besteller sind aber auch mit weniger Genauigkeit zufrieden, was Gebärden,
Gesichter, Attribute und Positionen betrifft. –
Sie trinken noch etwas Heiß-Trunk zuende. - "Gut soweit", sagt der Meister, "und nun der Abschluß. Wieso hast du da
ausgerechnet einen Kasten eingemalt? – Pfingsten übrigens für 50 ist ja nicht genug über - stelle mit der Zahl 13 zusammen,
denn die Barmherzigkeit sendet den Tröster." - "Also, das mit dem Kästchen, das hat mir Meister Hubert selig einmal gezeigt, als
wir da waren, in Gent. Er hatte da eine Bilder-Kassette, von der er sagte, daß nur er sie kennt und keinem zeigt. – Im Nachlaß ist
sie nicht gewesen, hat sie wohl verkauft. - Da sah ich sehr zarte Fahrende Leute und eigenartige Figuren gemalt. - Er sagt, er
habe sie einem Alexandriner abgehandelt, der es in Höhlen am Nil abzeichnete. Dort ist aber von der Hohen Pforte aus solche
Bilder zu haben keinem gestattet. - Der Fremde wollte wieder heimkehren und war froh, daß sie jemand kaufte, denn sie waren
sehr zierlich gemalt, wenn auch die Masken darin teilweise sehr befremdlich aussahen. - Da hat wohl einer ägyptische
Mysterien-Spiele der Nil-Bauern an die Wände gemalt, meinte Meister Hubert selig. - Wißt Ihr, Ihr wart da von Gent kurz nach
Brügge gefahren und ich hatte mich aus Ungeschick mit Rauschrot-Pigmenten vergiftet. Da wollte mit der gute Liebe Herr
Meister Hubert selig mir das Leben wieder wecken durch ein Karadion, wie er es nannte: etwas, was ich noch niemals gesehn
und was mich wundern würde – und dann käme mir mit der Neugier das Leben zurück. – Es hat geklappt, wie Ihr wißt.
Kurze Zeit fielen mir nur mal die Haare sehr aus, aber Meister Hubert selig kannte sich mit Giften seiner Hütte aus und gab mir
Gegen-Gifte. –
Also ich verdanke ihm mein – Leben, aber – verzeiht, Lieber Herr Meister – ich sollte Euch damals nichts erzählen, um Euch
nicht zu betrüben." – "Schon gut, ich hätte mich gewiß sehr aufgeregt." – "Also damals, diese bunten Miniaturen auf so einer Art
Gras-Papier waren alle sehr vornehm und zurückhaltend, Gesichter nur im Profil - aber lieblich! und verziert mit Tieren und
gedeckten Tischen - wie Landschaften angerichtet, und zwischen den großen Figuren war klein und schwarz vieles davon noch
einmal gezeichnet – skizziert, so viele, als sei es eine Schrift, aber das konnte es ja nicht sein, viel zu viel verschiedene Zeichen. -
Damit füllten sie Bereiche zwischen den Bildern aus und die erzählten auch. - Es war eine ganz lange Bild-Geschichte, in 77
Szenen, nur die großen gerechnet – gut 70 Fuß lang, aneinander gelegt, aber nur so hoch wie ein Buch – aber zierlich und
schön! - Am Ende jedenfalls sah ich einen riesigen Bären mit seiner Krone – und die Krone schien ein ganzes Haus zu sein – das
Haus, auf dem er stand, war bis an die Oberlichter in die Erde versunken, er strich eine Pauke mit einer Art Schweif in der Hand
und sang, und aus seinem Haus auf dem Kopf züngelten zwei schmale Flammen wie Hörner hinaus. - Mit dem einen Horn oder
Strahl schrieb er in einen Kasten am Himmel solch zierliche schwarze Bildchen hinein, es gab zehn Kolonnen und so eine Ecke
und da drin eine Taube. - Meister Hubert selig sagte: Weißt du, min Jan, was ich glaube? - Ich glaube, wir haben hier eine ganz
uralte Geschichte, die von Moses erzählt – siehst du: hier der Hillige Geist – und da: die zehn Gebote. - Hinter dem Bären gab es
noch einen hohen Berg mit etwas Wald und einem Häusken wie für Klausneren und um den Berg schaute eine riesige Wolke mit
der Sonne darin – sah aus wie eine Kuh mit grünem Maul - die Wolke, nicht die Sonne - und die sah derart gut-herzig aus, die
Kuh-Wolke, daß ich gleich wieder fröhlich war und lachen mußte und wollte dann natürlich alle sehn. – Das mit dem Eck der
Taube hab ich mir gedacht als Gruß an Meister Hubert selig." – "Ja, das ist recht, mein Jan." "Hier gibt es ja im Ramsberg Haus Geysteren Geist Hören, da paßt es sogar hin. – Also ich dacht mir, daß ich da die kleine
Zeichnung nehme, die ich von Fräulein Mathas altem Drei-Künnings-Altar gezeichnet habe. Seht, hier, da kommt statt des
Sternes die weiße Taube hin, in einen zu-gewölbten Chor. - Das ist ja der Abend-Mahls-Saal der Gemeinden." – "Gute Idee, eine
Biblische Szene im heutigen Kirchen-Interieur, das wird bei der Prüfung benotet. - Wieviele Fenster?" – "Ich nehme eine
6-eckige Kapelle wie zum Taufen - und wegen der vollen Dreifaltigkeit kann man 3 Spitz-Bogen-Fenster sehen – mit
Fisch-Blasen Maß-Werk in der Mitte, das einer Rose gleich geordnet wird, 2 Farn-Palmen-Säulen - wie der Baum der Erkenntnis
und der Baum des Lebens im Paradies – eh ..." – "Mach dir aber auch ein Modell davon, unterschätze es nicht, wie schwierig so
etwas zu malen ist. Die Idee genügt nicht, es muß richtig aussehn." – "Danke, ja, ich modelliere mir eins aus Ton. - Nun, also 13
– vorn und ganz im Rahmen des Querschnitts, ein Regen-Bogen – den mal ich romanisch, wie hier – die Hillige Jungfrau Maria unverschleiert in blauem Mantel der Empfängnis wieder, treu – sie sitzt etwas separat und schaut nach vorne empor. Hinter ihr
rechts - innen drin" – "Hier also links hinten, denk daran etwas kleiner werdend." –
"Ja, danke, Lieber Herr Meister - also Matha ihre 3-Künninge-Seite: 5 Männer, vorn ein stattlicher Sünt Peter am Tor-Pfosten,
er winkt mit der Hand: O komm doch herab! – Seht, den hab ich zweimal in genau dieser Gebärde, einmal von hinten, sehr
eindrucksvoll, der ist für die Himmel-Fahrt zentral, mit seiner schönen Tonsur - und derselbe hier – seht Ihr, die Hand ganz
genauso, aber auf die rechte Seite besehen, schön, nicht? – ja, und der Jedermann, den die Himmel-Fahrt blendete, aber hier
schmal, weiter dazwischen. - Genau in der Mitte der Hillige Evangelist Johann in leuchtend rotem Mantel. Auf der Seite bei
Matha ihren Hirten der Hillige Evangelist Matthäus dabei, einer verhüllt sich wie Hirten, und einer soll wegen der Haus-Inhaber
ein Ordens-Ritter sein." – "Aber nicht zu auffällig - nimm einfach einen im Ketten-Panzer." – "Ja? Schade. Es sind doch hier
etlichen Familien viele Verwandte im Kampf erschlagen worden, im Ordens-Land, anno 1410." – "Das schon, aber hier würdest
du ihn zum Apostel erheben – kann man das so behaupten?" – "Vergebung Lieber Herr Meister – damit kenn ich mich so nicht
aus. Ich richte mich nach Euch – also nur andeuten, ja? – gut." – "Wieviel hat also jetzt diese Glorien-Tovel?" – "Es sind 4 –
oder mit Pauli Bekehr 5 - Glorien-Szenen, gesamt 39 Personen gleich 14 und 13 und 12, davon 3-mal Er, 3-mal Jedermann - in
Heven Ramsberg Gemen." –
Jan-Hendrik betrachtet das prophylaktische Süd-Wand-Ensemble und grübelt: "...also da ist noch – was wollt ich noch sagen?"
sagt er – "Ach ja, als vorderster ist einer mit Buch, direkt neben der Sünte Jungfrau Maria – rote Mäntel umgeben sie wie einen
Thron bei ihrer besonderen Hilligen Firmung – versteh ich nicht." – "Was verstehst du nicht? - Pfingst-Geheimnis und Haus
Geyst – ein Haus Keppel – Hauskapelle Hillig Geist Oratorium - ist auch gleich mit dabei meinbar – du verstehst deine Aufgabe
bisher doch ganz gut?" – "Nein, Verzeihung, das meine ich nicht - ich denk nur grad – wenn man gefirmt wurde – wie wir letztes
Jahr – dann empfing man den Hilligen Geist und der brachte die sieben herrlichen Gaben – nix brauste, nix flammte, nix riß
mich aus der Ruhe - und einen Ruck gab es nur beim Letzten Backen-Streich" – "Also ehrlich, Seine Eminenz Bischof Jann Smed"
– "Wer?" – "Na, unsere neue Eminenz Weih-Bischof, Fabri, auch von den Minoriten, er hat es bei uns so gut gemeint, daß wir
nachher alle die fünf Finger auf der Backe hatten, nur weil der Schultewolterschke am Anfang so gekichert hat – über eine
Meise, die sich in die Kirche verflattert hatte und wir guckten alle hin und der Bilsingsche hatte gemurmelt: fast schon ´ne
Taube, muß noch wachsen – naja," - murmelt Laurenz dazwischen." – "O ja, das saß - da war ja auch ein Schmied am Werke," –
lachte Jan-Hendrik und rieb sich erinnernd die linke Wange - sie waren zusammen gefirmt worden, es war nicht jedes Jahr
üblich. - "und dann waren wir zu G"TTES Rittern geschlagen. – Ja, aber als unser Lieber Herr Jesus aus dem Jordan stieg, riß
es ihn um wie der Schreck, wenn so eine Taube aufklatscht und abfliegt, sie man vorher gar nicht bemerkt hatte, und unser
Geistlicher Herr Kaplan hat nachgelesen, daß Der Herr danach ganze vierzig Tage gerannt ist, so stürmte es in Ihm los - Der
Hillige Geist, so wie bei dem Propheten Elias und anderen, die dann gar nichts mehr hielt, bis sie irgendwo anders erwachten." –
"Ja, mein Jan, ich denk – nein, eigentlich hab ich darüber noch nicht gedacht - hast schon recht, ich hab auch meine Hillige
Firmung gehabt und gefunkt hat da – meine ich – so direkt nichts – oh ich hab's: Unser Herr Jesus hat es in Seinem
Menschen-Leben an Sich nachgeprüft und dem Allmächtigen Lieben Herrn Vater gesagt, daß es zu heftig ist, seitdem gibt es den
Hilligen Geist milder." – "Aber bei den Aposteln hat Er noch doll gebraust." – "Ja, aber gerannt sind sie nicht, oder? - Sie liefen
nur bis vor das Haus und blieben da und hatten nur einfach gar keine Angst mehr." – "Hm. Aber bei unserer Hilligen Lieben
Jungfrau Maria, da kam Der Hillige Geist vom Vater und vom Sohne – und sie empfing – und gebar einen Sohn, Unsern Herrn. Tja – also im Abend-Mahls-Saal – ich hab's: da empfangen die andern, aber sie lächelt zum Himmel und hat ja schon
empfangen!" –
"Ja, mein Jan – oh, hört mal, die Hähne! – Da sind wir ja gerade noch fertig geworden - das war's doch jetzt, nicht? – Schnell,
sag mir bitte noch dein Leit-Wort, das du dazu hast." - "Dafür hab ich nochmal die seherische Begine Mechthild selig:
Da sah ich die Schöpfung und die Ordnung des G=ttes-Hauses, / das Er Selber erbaute mit Seinem Mund – da hinein setzt' Er
das Liebste, was Seine Hände erschufen. – / Die Schöpfung des Hauses heißt der Himmel. / Die Chöre darin heißen Reiche,
darum nennt man es zusammen Himmel-Reich. ... Der Himmel umfaßt die Chöre / und zwischen dem Himmel und den seligen
Chören sind geordnet die weltlichen Sünder – / immer in ähnlicher Höhe zu den Chören, damit sie sich bessern und sie sich
bekehren. ... / denn sie waren einst ja hillig - alle, die heraus fielen dort – / und hernach müssen sie alle hillig sein, die dort
wieder herein kommen. ... / Über dem G"TTES-Thron ist weiter nichts außer G"TT – / G"TT – G"TT! - Der unermeßlich Große
G"TT! – / Oben, am Throne, sieht man den Spiegel der G=ttheit – Bild eines Menschen – Licht Hilligen Geistes – / und erkennt,
wie sie Drei sind Ein G"TT - und wie sie Sich fügen in Einer – und mehr kann ich hierzu nicht sagen.. //– So heißt der Text, ich
hab ein bißchen was fort-gelassen. Geht das?" –
"Herrlich! Frag nicht groß die Leute, mach es – mal es. - Für den ersten Moment brauchst du nur, daß der Besteller es lobt. Es
gibt in jedem Ort jemanden, auf den alle hören. – Wenigstens etwas muß deinen Gemeinden aber sehr gefallen und unabhängig
von Moden sein. Für jede Generation sollte etwas darin direkt ansprechend sein: für Alte die liebe Erinnerung, für Handwerker
Gutes aus ihrer Werk-Statt, für Kauf-Leute etwas aus ihren Waren, für junge Leute etwas, was ihnen noch überbietbar wirkt, für
die Kinder einiges aus ihrem Alltag Bekanntes, für Einsame liebe Gesichter, für Kranke etwas, das ihnen noch mehr leid tut als
sie sich selber. - Ein Altar soll Beter ja heilen, weil GTT heilt. Ein Portrait soll nur erinnern, auf was man einfach stolz sein
kann. – Das lehrte mich mein Lieber Herr Meister Feoderico.– Jetzt noch schnell das Zahlen-Werk zusammen-fassen. – Laurenz,
bitte mach du das". –
"Die Außen-Seite – so wollte Meister Hubert selig es gern gezählt haben - stellt im Kosmos den Maria-in-der Sonne-Kalender
dar, die 9 Monate der Schwangerschaft innen, genau wie die Sterne Josefs: 11. - Was haben wir da?" - "Jährlich haben wir da
am 25.3. Verkündigung der Geburt Jesu – zwei Personen gesamt, eine Szene in Weersche bis Wehr, Asbeki bis Brook." –
"Manchmal ist es aber nach Ostern, das ist doch kürzer?" wendet Jan-Hendrik ein. – "Naja, das kommt ja auch mit Kindern vor
– manchmal sind sie etwas schneller da, ich ja auch – ich war zehn Tage früher als gedacht," sagt Laurenz stolz und fährt fort:
"Und 25.12. Geburt Unseres Lieben Herrn Jesus – 9 Personen in 1 Szene, davon 1-mal Er – in Stroenfeld bis Metelen. Diese
Abtei-Seiten vor natürlichem Himmel. - Zusammen sind das 11, davon Unser Lieben Frauen Maria 2-mal, der Hillige Erzengel
Gabriel 2-mal und 1-mal Er als geborenes Kind - in 2 Szenen." – "Gut, und wo gibt es diese Zeit-Distanz noch einmal? – jetzt du,
mein Jan, so etwas fragen die Prüfer, mit dem Kalender sind Kauf-Leute sehr genau." – "Von Geburt Sünt Johanni des Täufers
24.6. bis Maria Verkündigung, 25.3. - aber da könnte Verschiebung auf 1 Tag länger vorkommen." – "Warum ist's im Datum
manchmal 1 Tag mehr?" – "Weil der Feber nur genau 4 Wochen zählt – manchmal ist Sünt Mattheis-Tag aber doppelt, dann hat
der Feber 29 Tage." – "Gut. Und nun, der Jesus-der-Neu-Mond-Kalender - ein Drei-Teil vom Jahr, das sind 120 Tage:
Septuagesima sind 70 Tage bis Ostern, unser Münster-Neujahr - und dann 50 Tage bis Pfingsten – das steht genau fest, wieviel
Wochen, aber nicht, ab wann. - Und was haben wir dafür da, Laurenz?" – "Da ist erstmal Unseres Lieben Herrn Jesu
Verhaftung, Prozesse im Palast: 7 Szenen, 64 Leute, das ist 8-mal 8, darin 6-mal Er, in Halectern Schüöp'n Berg, Haverenbeke,
Dorf Schüöping - einer Nacht Ereignisse für 70 Tage vom Kirchen-Jahr." – "Eh – Moment, was war das mit dem Feber noch?" "Ich sagte: manchmal ist Sünt Mattheis-Tag doppelt, dann hat der Feber 29Tage."– "Manchmal?" – "Ach ja, Sünt Mattheis ist
am 24.Feber genau - alle vier Jahre." – "Wann ist das nächste-mal?" – "Öh, 1432 war das letzte Mal – geht 32 durch 4? – eh –
4, 8, 16, 20, 24, 28 war zuletzt – ja: 1432." – "32 durch 2 ist 16, wenn das durch 4 geht, dann das andere auch." sagt Laurenz. "Ach ja? Ist ja praktisch! – Wie du das immer weißt! – also 1436 ist das nächste." - freut sich Jan-Hendrik – "Dafür hab ich auch
einen Winter lang dem Rechen-Meister Holz gehackt," sagt Laurenz stolz.- "Gut, das war's. Ich wußt's nicht mehr so genau. Ich
dachte, Sünt Oswalt Tag wird doppelt genommen. - Wer war das nochmal?" – "Der Künning der südlichen Franken Sünt Oswalt
hat unsern Sünt Brixien nach Clermont ins Burgundische translatiert – es geleitet die Lieben Verstorbenen in der zweiten Nacht
zum Paradeis, wird mit 3 Schatz-Kisten gekannt." sagt Laurenz auf. – "Ach ja, richtig, das geht ja um euren Kirchen-Patron. Aber gut, machen wir weiter, ich hab schon ein Braun-Kehlchen gehört, bald wird's tagen" - unterbricht der Meister sich selbst –
"Wo waren wir noch? 64 - ach ja. Seht Ihr, da ist doch einer ein Tönnies – zieht man den ab, macht's 63 – das ist 9-mal 7,
abgezogen sind da 7." – "Sonntage der Fasten sind 6, soviel mal ist Jesus drin - Also jeder ist ein Wochen-Tag?" – "Aber nee, 63
sind doch 9 Wochen, in 70 sind es 10 Sonntage." – "64 sind? – sag mal, Laurenz." – "64 sind Quer-Summe 10 gleich 1, oder
2-mal 32 – quer 5 - oder 4-mal 16 – quer 7 - oder 8-mal 8 – oder..." – er kontrolliert es mit den Fingern: "2-mal 2-mal 2-mal
2-mal 2-mal 2 – die hohe 6 aus 2. Denn 6-mal ist Er drin." – "Und 63?" – "63 sind quer 9, oder 3-mal 21, quer 3, oder 9-mal 7."
– "Oh ja, tatsächlich. – Das weiß ich auch nicht, ein Tönnies soll das wohl beides erlauben, mein Jan. - Aber weiter. Da kommt
ja noch einer." – "Nun kommt auf der Mittel-Tovel der Kreuz-Weg – Tages-Anbruch 1.-6. Stunde, in 9 Szenen 52 Leute gesamt,
das sind quer 7, 4-mal 13, alle Wochen eines ganzen Jahres, davon 1-mal Er, 2 Kinder, 7Frauen, in Schatenhorn, Stockum,
Wigbold, Ebbinghoff. – Und 3Maien, 4 Frei-Linden, Stadt im Berge, Stadt im Tale, 6 Pferde, Ente, Rüde, Kaisers-Roland Roma –
meint Ihr nicht, es sei das Georgs-Tor? – Da oben seh ich einen Lint-Wurm im Gebüsch." –
"Wo?" - fragen der Meister und Jan Hendrik gleichzeitig. - "Na hier in Jans Zitat der guten Stadt mit dem gefährlichen Weg," sagt Laurenz und nimmt das Blatt herunter, zeigt ihnen das winzige Gebilde, das sich tatsächlich nur als fauchender Lint-Wurm
deuten ließe. -"Mann, du hast aber gute Augen!" lacht der Meister. "Hast du es gewußt, Jan?" – "Nö, merkwürdig - paßt
schräg-über aber gut zum Sau-Rüde im andern Eck – behalt ich bei." – "Aber da war doch noch ein Tönnies bei, gleich bei
Jacobus und den beiden Geistlichen Herrn?" - Nun wird er eiliger, wie immer, wenn es um gedrängte Daten geht: "Ja, auch ein
Tönnies. - Wenn das ähnlich ist: 52 weniger den macht 51, das sind quer 6, 3-mal die 17, quer 8." – "Tja. Das sagt mir nichts. Aber schon Meister Hubert selig betonte, daß da viel vergessen wurde, wissen müßt man's nicht, nur ganz genauso machen, und
das ist genauso mit den zehn Geboten." - "Und in der Mitte 6.-9. Stunde Er allein am Hillig Kreuze – eine Szene bei geöffnetem
Altar zu sehen. - Dann die Grab-Lege und Erlösung, die 9. Stund bis Mitter-Nacht: 42 Leute, das ist 6-mal 7 in 5 Szenen, 2-mal
Er - in Tinge, Eggerode und Kirchspiel. - Das sind die 3 Hilligsten Kar-Tage. - Und Aufstehn, Himmelfahrt, Pfingsten und Pauli
Bekehr, 39 Leute gesamt, sind von 4-mal 13 dreimal Er, in 5 Szenen: in Gerade Straße Samberg, Gemen, Haus Keppel, Boothorn
Heven, Haus Weersche und Ramsberg, Haus Geyst-Herren - für 50 Tage ab Münster-Neujahr. - Die nördliche
Hilligen-drei-Künnige-Gesamtseite als Welt-Gericht hat 116 Leute, das ist 4-mal 29, in 16 Szenen, also 4-mal 4, zu Seiner
Kreuzes-Rechten, darunter 7-mal Er: 6-mal im Gericht,1-mal im Kreuz-Weg. – dazu kämen die 9 von der Geburt – macht 125,
das ist 5-ma- 5-mal 5 - darin ist Er zum 8.-mal und nun 7 Engel. – Ach ja, davon ab die 2 Tönnies macht 123, quer 6, das ist
3-mal 41, tja – weiß nicht. - Und die südliche Sünt-Pauli-Bekehr Gesamtseite hat 81 Leute gleich 9-mal 9 zu Seiner Linken in 9
Szenen. – Zusammen sind's 25, das ist 5-mal 5 Szenen um das Kreuz, dazu nun die Verkündigung: 26 ist 2-mal 13, und sind 83
Leute, darunter 4 Höll'sche, 2 Engel, 3 Jedermann, 5-mal Er." – Jan-Hendrik platzt dazwischen: "Oh, Lieber Herr Meister, jetzt
weiß ich: das Gericht, das ist klar: Der Herr Jesus Selbst akzeptierte den Spruch ja in jeder Instanz – Gesetz muß es geben, da
stehn 7 der Engel zu Ihm – doch das Glauben ist unklar, da stehen 2 Engel gegen 4 der Versucher, aber auf die Gläubigen zählt
es, wenn zwei oder drei in Seinem Namen - nicht dem eignen - sich versammeln, sind die Jedermann wie Engel und die 5 sind
dann mehr als 4 Höll'schen." – und Laurenz setzt fort:
"Hm-m. - Tovel Mitte innen hat 95 Leute gesamt, Quersumme 14, die Goldene Seite 198 quer 9 und das Ganze, Außen mit Innen,
darin 14-mal Er – quer 5, zeigt 209 Leute, quer 11. - Außen sind's ja auch 11. - Die Gerichts-Hälfte hat 16 Szenen – 4-mal 4, die
Pauli Bekehr-Hälfte hat 9 Szenen, 3-mal 3, zusammen gleich 25, 5-mal 5. - Oh! - Das ist das Dreieck PüddaGorass: Auge
G"TTES?! – Lieber Herr Meister – das lernen sie einen in Vreden, diese PüddaGorass-Sache!" - "Stop-stop, genug erstmal, mein
Laurenz!" lacht der Meister und fragt, wie es das sich zu Merken geschafft habe. - Laurenz zeigt ihm seinen Zettel, er hatte sich
die Zahlen in einer Liste notiert - darauf hat er sich nämlich rasch alles notiert, aber so:
2+
+9
= 11
2Marien, aus en Toffel
8-feste, Gebuhrt 1Er
2+
+42+39
= 83
//=11
ferkünne Heil, PaulsTäg /Rosa
25.3., 5Er
64+52
+9
=125 =
5x5x5
//8
Gehburt 25.12.+WeltGerücht
/Atwent-2.2., 8Er
64+52+ 1 +42+39
=198 =2x 9x 11
//9
25 Tsenen Goldseit 7/5 O-Stern, 120Täg: 13Er
<116>+ 1 +<81>
mit 15 Frauwe, 5Kint, 4 höilisch+ 2 engelin,
52+ 1 +42
= 95
=19x
5
//5
15 Tsenen mitte-Toffel
Kaa-fri dag /Sa,
4Er
2+ <64+52+ 1 +42+39>
+9
=209
=19x
11
alles
1 annum
0
+6 +1 + 1 +2 +3
+1 = 14 x Er
< Ferkünnung <7+1 pass Joon>13 <Graves-Ruh 5> Ucht >
- ist 13 x Er auff Moont-seit 198xLüe /da-derzu 12 Ferde für 17 Rietter, Borg, Ente, Wachtel-Rüe, Dauve
ze-samt 209 per so-nen =19x11 /Quer-sum 11/ davon 14x Er in 28=4x7 Tsenen - is 1 Moonts-Mont
52 Wochn =1ann = je Woche 4TagFriede =208// 52 :2 =26 :2 =13 // 209-11 =198 Quer-sum 18= 9 Und auf der Rückseite des Zettels, da steht: 4 Komm-bi Nationen !!!
beid-site zu: an 8 Marien festen
un Sünn-Josef 19/3 /un Kasse, Oxse, -Ä-s-s E-h-G-s-e-l-l -Ä-s- Asinus //quer 2
=11 Lüe, drinn 1xEr
in 2 t'Sehenen veerKünninc u Buert, 6 engelin,
auffe Sünn-sien Seit
Rechte-zu: wältge Richt Christ-Künninc,1.AtWend,Hil3-Künninge 6/1.-2/2.Licht-Miss:Salve thor Mundi
+ 64 =8x8 Leute, drin 6xEr
in 7 t'Sehenen Processio im Ballast un 22en-&Co-Gerücht,
/un 1Borg
+ 52 zesam, drinn 1xEr in 9 t'Sehn KrüssWeg, 3-Küningen Ankumpf "Künninc Rote's kahl Gehn Weg"
+ 9 zesam, drinn 1xEr, in 1 t'Sehn Buert, biHängell, "Künninc Rot-Herr de Trooste" /un 1Oxs-1Eesill
//quer 8 =125sum A, drinn 8xEr in 17 t'Sehenen =2x8+1, Engel, Georg+1Lintworm, 6Ferde, 1Ente,1Rüe,
link-sit zu: veerHeissinc LiebFraueTag 2/7. +Pauli bäcker 25/1. +veerKünninc 25/3.: Redemptor Mundi
= 2 Lüe in 1 t'Sehne VeerKünninc inklus"das Wort" – sünte Maria hat 2 Bücher auff! +Hl Geist vihent!
+ 42 zesam, drinn 2xEr in 5 t'Sehen ab Graff Liege, 1x "Künninc Rot Herr de ErLiezer"
/un 6 Ferde
+ 39 zesam, drinn 3xEr in 4 t'Sehnen upErstohn,
2x "Künninc Rot Herr de Werber" +6x St Marien!
//quer 11=2 = 83 sum A, drinn 5xEr in 10 t'Sehenen =2x5 –
füör 39Täg +ab 27/11.Sünt Andre at Venit
beid-sit auff: 120Täg-O-Stern-Kreis PassJohn – Bingste: +1 =1x1 dadrinn 1xEr Hl Krüss in Sien t'Sehne,
//quer 18 =9 =198 Lüe,drinn 13xEr, in 26=2x13 t'Sehenen,
auffe Nije-Moon-Siet = 9-Monde-Umständ
"Was für ein interessanter Zettel", sagt der Meister "schreibst du dir komplizierte Sachen immer so mit, Laurenz? – Das ist gut –
und wie gut du rechnen kannst! – Seht, meine Jungen, es gab eine Zeit, da war es die tägliche Wonne der Maler und
Bau-Meister, alles berechnen zu können, und sie schufen die herrlich hoch-ragenden Bauten, die glanz-vollsten Mosaiken und
konnten von der Gruppierung und Anzahl her bereits sagen, um welche Zusammenhänge sich etwas handelt. - Die nahmen noch
das Hillige wie's ist: mit Scheu: G"TT ist so groß, Der Panto-Krator – HERR der unendlich verflochtenen Fünf - Er könnte töten,
und Er ist es aber, der die Leben gibt und setzt, wie lang und wo. - Faßt Ihn schon dieses Welt-All nicht, dann auch nicht unser
FarbenTiegel – vergiß das nie, mein Jan, sei froh, daß so einer versprach, daß Er uns liebt! – Ich hab doch nur noch vermocht,
mir Zahlen einzuprägen, worin ein kleiner Bild-Altar sein Maß vollkommen haben soll, um zum Kosmos G"TTES zu stimmen. –
Aber wir wollen zufrieden sein, daß wir dies Bild wohl noch zusammen-bekommen haben, so, wie es Meister Hubert selig noch
vor sich gesehn hat - Ich kann so etwas leider nicht rechnen, erinnere mich aber, daß er die 5, die 7, die 9, die 11, die 13, die 15
und die 19 sehr wesentlich fand. – Gewiß schaut auch er jetzt auf uns und legt ein gutes Wort für uns ein, wenn auch wir seiner
Seele gedenken. Vergeßt nicht, an Aller-Seelen für ihn ein Lichtken anzuzünden, wenn möglich." – "Aber wo? Seine Stätte ist
doch wohl in Gent?" – "Tut es immer da, wo dann dein Altar-Bild steht, ob in der Hütte oder schon der Kirche. - Laurenz
erwähnt doch das Lied über Künning Rother, das wegen des Segens auf Tiderik der Szenerie – te-Seheneri-e" – lächelt er –
"hinterlegt werden kann. - Der lebte doch in Bari und da ist das Grab Sünt Klaus, des Kauffahrer-Patrons, für daß man sich an
den Handschlag treu halte - und für alle die Toten, die kein Grab fanden, wo man ihrer gedenkt. Dieser ist ja daher beim Altar auch ansprechbar und wird euren Gruß übermitteln." – "Ach wirklich?" sagt Laurenz erfreut,
"auch dafür ist der Liebe Hillige Martin gekommen? Dann kann er ja auch meinen Lieben Herrn Vater Laurenz grüßen, der im
Venn verloren ruht." – "Aber ja doch, mein Laurenz, so wird es in der Levante wie auch in der Hanse gelehrt. Sie verlieren ja
viele in der Kauffahrtei auf dem Meere. Du weißt doch: Sünt Martins Tag ist 11.Herbst-Mond., wenn die Schiffe heimkehren –
und welche kehren da eben nicht heim.- Man hofft dann noch bis Sünt Nikolaus 6.Tag Wihnachten-Mond und weiß dann, die
Meere sind zu und sie kehren nicht wieder." – sagt des Meisters ganz warm-freundliche Stimme. - "Oh, darf ich rasch nachhause,
das unserer Jungfer Matha und der Frau Mutter zu erzählen? Wir sind doch jetzt fertig – oder?" – "Ja, wir sind fertig, und
mach's gut, mio Lorenzo." – "Aber ich komm doch nochmal!" - ruft Laurenz, schon halb aus der Türe, über die Schulter zurück. "Lieber Herr Meister" – sagt nun Jan-Hendrik energisch, wo sie allein sind, "Nun habt ihr die ganze Nacht für mich geopfert, und
für Meister Hubert selig ein herrliches Werk vorbereitet. - Dieser wird sicherlich über Euch wachen und auch Sünt Paul und die
Hilligen alle und die Allerseligste Jungfrau und Der HERR selber von Seinem Throne – gewiß werden auch meine Lieben Eltern,
soweit sie schon selig ist und unsere Hilligen Engel Euch gut geleiten. –
Aber nun solltet Ihr wenigstens noch ein gut Morgen-Mahl essen. – Erlaubt, daß ich Euch mit Laurenz noch ein kräftig
Heidekorn zubereite. – Keine Sorge, es geht ganz schnell und ihr könnt es notfalls auf dem Heu-Wagen nach Deventer essen,
falls die Zeit nicht mehr reicht." - der Burgunder-Bote hatte dem Meister nämlich das Geleit mit der Deventer-Fahrt anbefohlen,
dort werde er im Burgundischen an der De-Venter-Maotte Nachricht bekommen, wohin er sich einfinden sollte. Sie hatten eine große Fuhre Lab-Kraut zum Käse-Machen abzubringen - Schüöping stellt selbst ja auch Abtei-Käse her – und
eine Fuhre feine Schuh-Leder war zu fahren, vier Fuhren Textil-Tonnen und eine Fuhre feiner und einfacher Beutler- und
Sattler-Manufaktur. – Dafür erwarb man dann die Hafen-Güter für Abtei und Bistum. Es war eine meist beliebte Fahrt, weil: man
würde nun unterwegs abwechselnd weich gebettet auf dem Heu-Wagen schlafen können statt den ganzen Weg zu laufen. Während er, ohne des Lieben Herrn Meisters Antwort abzuwarten – wie üblich, aber nun vorläufig zum letzten-mal - eilig das
Nacht-Feuerchen vor der Türe vergrößerte und in der Stiel-Pfanne Heide-Korn in ihrem letzten Ei wälzt und vorgart, dann
Wasser darauf gibt und er schickt Laurenz, den schon wieder zurück ist, um ein Becherken Dick-Milch zur Pastorat, wobei er
ausrichten solle, daß ihr Herr Meister für sofort nun abberufen wurde. - Und mit der Hervurther Fronde reisen wird, nahm sich
der Meister sein Stunden-Buch und las im Morgen-Grauen die Prim, Terz und Sext – sich auf sein Morgen-Bret freuend. –
Sein Jan war ihm ein recht guter Koch gewesen, nun würde er sich wieder so durchschlagen müssen – ihm gruselte schon vor
seiner eignen Kunst, er war zu zerstreut und ein lausiger Essens-Koch. – Aber auf Farben-Kochen verstand er sich besser. - Der
kochte nun gleich soviel für die drei Reisenden, daß sie gut zwei Tage auskommen würden. - Er schnürte ihnen dann auch noch
den Proviant-Beutel mit Zwiebeln und Honig-Waben, grauen Erbsen, Kohl, trockenen Bick-Beeren, geriebenem Käse,
Grieben-Schmalz, dicken Bohnen, Apfel- Birn-und Rüb-Schnitz, seiner grob-geschroteten Spezial-Mischung aus Heide-Korn,
Dinkel, Roggen - und Öl, Essig, Pfeffer, Salz, Majoran und Dill. Er hängte außen dran eine Blase mit Kräuter-Trunk, drei
Wasser-Beutel, den Becher der beiden Jungen – den größeren Koch-Kessel von den zwei, die sie besaßen, ihre Eß-Brettchen,
einen ihrer geschnitzten Löffel. -Dann fällt ihm ein, es könnte sich – bewahre - einer verletzen und er stopft noch eine Rolle
Werg-Streifen und einen halben Beutel blut-stillende Flechte hinein. – Ach, so gern hätte er ihnen alles mitgegeben, was der
kleine Haushalt besaß, war aber besonnen genug, daran zu denken, daß er vorläufig auch aus dem Vorrat würde leben müssen
und mit irgend etwas sein eigenes Essen bereiten – sein Lieber Herr Meister würde leicht in Deventer kaufen können, was noch
fehlte, wenn es stimmte, daß er eingeladen beim Herzog war – dessen Bed-Breve für Künstler reichte zum Überleben in dessen
Reich. . Indessen war der Ort erwacht und der frühe Vogel-Sang längst von Klappern, Laufen, Schweine-Gequieck und dem
morgendlichen Läuten der munteren Hof-Rüden übertönt, einige Wagen rumpelten sogar schon zum Aufstell-Platz los, während
die Fuhr-Leute ihr Anti-Beten auf die dicken Last-Pferde nieder prasseln ließen – oh, dem Rauschen nach zu urteilen hatte man
auch eine stattliche Anzahl Enten und Gänse zur Reise aufgenommen, denn aus ihren schon an den Leiter-Wagen befestigten
Gitter-Käfigen schallte es herüber wie aus dem Refektorium des Stiftes Asbeki während der Recreations-Stunde mit Gästen. Man hätte sie auch mit treiben können, hat aber keine Lust, sie aus Büschen zu klauben und auch wurden sie bei manchen
Mauten als Land-Betreter-und-Ab-Esser bemessen, jedoch nicht, wenn sie zur Baggage rechnen. - Das fiel auch dem Herrn
Meister auf, der nun strahlend das Stunden-Buch schloß, weil die Chance bestand, heute noch – zum Beispiel beim Absatteln in
Winterswiek an diesem Proviant mitbeteiligt werden zu können. - Da waren sie immer ganz anständig, wenn er mitfuhr. - Die
beiden Kleinen würden jubeln. –
Ach ja – fast hätten sie die nicht geweckt! – bei dem gleichmäßigen nächtlichen Gerede hatten sie ja erd-beben-fest
durch-geschlafen. - Der Liebe Herr Meister reißt die Haus-Tür auf, sodaß die Morgen-Frische aus zur Dach-Luke herab-fährt,
und ruft: "Auf auf, sprach der Fuchs zum Hasen – hört Ihr nicht die Jäger blasen?" – Und wie zur Bestätigung erklingt das
Nebel-Horn vom Turm-Wart und er kündet: "Viere! Viere! – der Morgen ist hiere! – Vier Evangelien gibt es von Mensch, Adler,
Löwe und Stiiiere!" - Darauf ist der Turm-Wart ganz stolz, denn er hat es selber gedichtet – und wenn man hier "Stiiiiere" hört,
sind alle besonders schnell auf den Beinen - der Ochsen-Auftrieb, der alle paar Jahre aus der Däne-Mark herkommt, benötigt ja
immer Alarm. – Manche finden daher seinen Vers auch gar nicht so witzig. Das hebt er sich also für die Abreise-Tage auf. Vier Uhr ist zum Fahren eigentlich schon spät, denn oft brachen die Fröner um zwei Uhr auf. Aber es waren jetzt keine heißen
Tage zu erwarten. - Nach Deventer nahm man sich bis zu drei Tage Zeit, weil das Stockum von Depenhem auf der Hälfte
unterwegs Partnerschaft bot, dessen Pastorat auch hier ein Vikariat dafür innehat. Das mag aus jenen Zeiten her sein, als die
Gebrüder van Ahues und van Depenheim ihre Erb-Teilung machten, also wegen der Verschwisterung - oder als der
Arche-Diakon mehr oder weniger über das Bistum Utrecht vermittelt aus Winterswiek nach Schüöping kam, um seine drei
Gerichts-Tage jährlich zu halten. Inzwischen konnte man eben schon in Deventer ins Burgundische einreisen, vor kurzem war da
noch alles bairisch. - Jedenfalls nachdem das Nebel-Horn zugleich mit der Kirchen-Glocke die Klock vier angebrochen hat, wird
es noch lebhafter zwischen den Häusern. Viele holen sich Wasser für's Morgen-Mahl und ins Haus, Pumpen quieken zum
Waschen der Leute und Windeln, die zu Ernährenden unter Mensch und Tier geben entsprechend Laut, Knechte, Mägde,
Tag-Löhner wandern plaudernd oder brummend zur Versorgung der Schweine und Pferde hinaus, öffnen Ställe und Koben,
soweit jemand drin ist. –
Sie sortieren sich und einander das Stroh aus Haar und Unter-Gewand, soweit man darin geschlafen hat, um anschließend zur
Früh-Miss hinein zu schauen. Frauen oder Kinder rufen Männern, Brüdern nach, was sie vergessen hätten, mitzunehmen oder
was sie bitte unbedingt nicht vergessen sollten, es eben mal mitzubringen oder jemandem auszurichten – das Übliche im
morgendlichen Zwie-Licht – und ziemlich ä-bäbä-kaaalt ist diese Stunde, schimpfen die Kleinen. Die Stadt-Laterne wandert schon in Richtung des Rüst-Platzes auf dem Helm des Wacht-Soldaten. Dann ist es auch schon Zeit
für den Meister und die beiden Kleinen, denn es würde nicht lange gewartet. - Laurenz und Matha mit Jan-Hendrik geleiten die
Reisenden und tragen das Gepäck. - Zuerst geht der Meister noch rasch zur Sakristei, damit er sich vom geistlichen Herrn Tiderik
Hensonis verabschieden kann, der dort gleich seine stille Früh-Miss feiern wird - er ist schon in der Albe, und normalerweise
spricht er aber vor der Hilligen Messe kein Wort. – Bei der Billerbeker Calende haben die Con-Fratres sich vorgenommen, daß
von allem das Erste den Lieben-G"TT gehören soll, also auch die ersten Worte am Tag. - Also erläutert ihm der Meister noch
kurz und völlig seiner-seitig, daß er ihm den Jan-Hendrik für den Altar hinterlasse sowie auch anempfehle, denn dieser solle sein
Meister-Stück daraus machen und sei ausführlich instruiert - außerdem bitte er, möglichst den Jungen Laurenz mit leichten
Arbeiten nur in der Nähe zu betrauen, damit dieser jenem beistehen könne, mit dem Altar. – Einige andere der Reisenden haben
sich hinzu-gesellt. Der Geistliche Herr Pastor nickt und hebt die Hand, alle sinken in die Knie und er spricht den großen
Reise-Segen über die drei und die andern, greift dann zum ständig griff-bereiten Weih-Wasser-Sprengel und sie singen
auswendig Asperges me – Besprenge mich o HERR mit, das aus dem Psalter. - Sie legen ihm eine kleine freiwillige Stol-Gebühr
in das Körbchen an der Sakristei-Türe und verneigen sich kurz einzeln beim Hinaus-Drängeln vor dem Sakristei-Kreuz. - Man
sieht darin eine vernünftige Norm, sich den Reise-Segen zu holen, nicht sicher kommt jeder lebend zurück, heutzutage – in
früheren Zeiten ja auch nicht. Draußen ist jetzt das kurze schöne Blau-Morgen-Licht angefangen – Jan-Hendrik hält kurz inne und freut sich dessen - und fast
im Lauf-Schritt geht es nun zum Sammel-Platz, wo schon die auswärtigen Fuhr-Leute unüberhörbar ihre Fahr-Bereitschaft
hergestellt haben – nun fügt sich das Gebrüll der hiesigen voll-tönend dazu. – Man packt auf. Gröber als diese wären höchstens
noch friesische Boots-Leute. - Der Meister seufzt leicht wegen dieses abrupten Wechsels nach den so innigen und ruhigen
Nacht-Gesprächen. Die beiden Kleinen dagegen sammelen bereits interessiert neue Kraft-Ausdrücke. – Für ein bißchen Aufgeld
lädt ein Fuhr-Werk auch noch das Umzugs-Gepäck der Meisters auf, eine Kleider-Kiste und außen drüber das Küchen-Paket. Wären sie eher angekommen, wäre es eventuell unter sonstwas bei-geladen worden und bis zum Ziel unerreichbar, deshalb
kommt der erfahrene Meister lieber etwas später an. Das Risiko daran ist aber, daß seine Sachen nicht mehr mitgenommen
würden, weil schon alles voll wäre – da hilft das Aufgeld auch nicht immer. - Aber er wußte ja auch gestern noch gar nicht, daß
er heute fahren würde. - Die leichteren Reise-Bündel trägt jeder gewöhnlich selbst, denn es gehen gut vierzig Leute gen Deventer
mit. Einige werden in Legden die Straße zur Hessen hinüber-wechseln, andere dazu-stoßen – am Ziel würden sie 200 bis 300
Leute sein. Die Fuhr-Werke aber waren schon abgezählt und bis zur Kraft-Grenze der stämmiigen Rösser bepackt. - Wenn sie
Glück hätten, stieße unterwegs sogar ein Fuhr-Werk für Passagiere dazu – hier hatte sich bisher noch keine Gesellschaft dafür
gefunden, eins zu hüern oder zu betreiben. - Man ist froh, daß es überhaupt eine feste Trasse für 2-achsige Schwer-Fuhren durch
die Gemarkung gibt. – Die hat Seine Eminenz Bischof Otto v.d.Hoi selig noch für seine bevorzugten Strecken zur
Landes-Kontrolle und für Handels-Wege anlegen lassen, vorher kamen höchstens 2-rädrige Tonnen-Wagen heil durch. – Man
hört, es soll jetzt - für stoß-empfindliche Transporte - in Spann-Reepen aufgehängte Wagen-Kasten geben. Hier ist so etwas noch
nicht durchgekommen und die meisten Fuhr-Leute sind vorsichts-halber vorläufig dagegen. - Schon rumpeln die ersten Wagen
los und es ist das übliche Durcheinander. –
So können sie sich nur noch eilig umarmen und irgendetwas Anderes auf den Weg sagen, als was angemessen gewesen wäre bei
solchem Abschied. - Aber Jan-Hendrik und Laurenz hatten ja ihre ganze Nikodemus-Nacht gehabt. - Laurenz wühlt in seinen
Kittel-Taschen und fördert einen wunder-hübsch geschnitzten Pinsel-Griff zutage – Jan-Hendrik kramt aus seiner Brust-Tasche
eine seltsame Versteinerung, die er selber vor Jahren gefunden hatte: einen mit Rosen besäten winzigen Turban. – Matha bringt
aus ihrer Ärmel-Tasche ein Näh-Besteck hervor. Das schenken sie Jan-Hendriks Meister, während der Marsch schon losgeht. –
Dann holt Jan-Hendrik für die beiden Kurzen auch noch zwei Gebild-Steine in Schnecken-Form hervor und Laurenz ein
geschnitztes Pferdchen und einen geschnitzten Adler, und Matha hat für jeden einen Schildpatt-Kamm – große Kostbarkeit. –
Darauf untersuchen auch die Kurzen ihre Kittel-Taschen und fördern zusammen für ihre Freunde ein winziges Fläschchen
Blumen-Öl, eine leuchtend rote Kordel – fast 5 Handbreit lang - und ein fast volles Röllchen Kupfer-Draht heraus. – Sie dürfen
wählen - zuerst ganz artig Jungfer Matha – versteht sich, mit großem doppeltem Knie-Fall graziös dargeboten – sie nimmt die
rote Kordel für ihr Haar und flicht sie ihrem Zopf gleich an, dann kommt der große Bruder Jan-Hendrik dran. – Er überlegt, daß
den herrlichen Draht sicherlich Laurenz gut brauchen wird und nimmt das Blumen-Öl. Und Laurenz jubelt tatsächlich über das
Röllchen, besonders, als ihm der Meister dazu noch eine zierliche Flach-Zange aus der inneren Hut-Krempe schenkt – auch so
ein Schatz - und der Matha ein gemaltes Medaillon.
Dann nimmt er, noch-einmal stehen-bleibend, Jan-Hendriks kalte Hände wärmend in seine beiden – ebenso-kalten - Hände und
schaut zu Boden, murmelt für die anderen unhörbar: "Mein Jan – nimm, was ich dich lehrte, trage es weiter und gedenke mein,
wenn du am Himmel den großen Orion siehst, dann such den hübschen Fleck unter dessen Gürtel auf und bete für mich und auch
ich will daran immer deiner gedenken." - und einen Moment lang ist ihm sehr bang vor dieser Trennung. - Doch die
Gesellschaft geht schon ziemlich forsch voran, also laufen sie rasch wieder hinzu und begrüßen noch diese und jene, fragen,
wohin sie fahren und die Kleinen laufen so immer hin und her, dem Meister berichtend, wer alles dabei ist und wer bis Deventer
dabei sein wird, bis zum Grenz-Baum der Kirchspiel-Maut. +++
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"Was meint Ihr, man könnte die Personen einfach 200 Jahre älter anziehen, zum Beispiel der Bischof: im 12.Jahrhundert spitzer
kegel-fömiger Hut – Kirchen-Farben. gold, weißer Aufschlag - als Teil des Volks in Golgatha." – "Ja, mit dem Klerus, dazu paßt
ja auch der jährliche Sünd-Hülpe-Ritt mit dem Gabel-Kreuz zu uns, den Büßenden, in das Burloer Wäldchen." – Jan-Hendrik
betrachtet seinen malenden Klausneren, wie der rüstige Mann mit der scheinbar schweren 3-Finger-Hand hingebungs-voll
Blümchen um Blümchen in die vorgegebenen Grünflächen setzt. Er nimmt schon längst keine Vorlage mehr, sondern hat es fest
im Griff. Obgleich auch dieser auch bei den Wilhelmiten ist, trägt er keinen Bart wie die andern neun im Wäldchen, denn man hatte zwar
beim Eintritt versprochen, kein Scher-Metz mehr an sein Haupt kommen zu lassen, aber er fand nach zwei Jahren, daß diese
Haar-Fülle gräßlich für kleine Kinder anzuschauen sei, und einer von ihnen müßte doch ab und zu die kranken Kinder der
Umgebung segnen. - Seitdem reißt er sie sich immer wieder mit einer kleinen Zange aus, sowie man sie fassen kann - möglichst
einzeln, damit es nicht weh tut. - Er hält hier nichts von heroischen Selbst-Qüälereien, die andern auch nicht – es reicht, das, auf
was man per Gelübde schon für immer verzichtet hat, mit Anstand zu ertragen. Jan-Hendrik hat ihn nach der Abreise seines Meisters besucht, weil ihm der Verlust dessen und der zwei Kurzen doch sehr zu
schaffen machte, und vier Tage hat er traurig inmitten der Skizzen und angehefteten Bilder gehockt und nur eine riesige Rübe
gekaut, gleich so roh, und obwohl Laurenz und sogar Matha mehrmals nach ihm geschaut und ihm Essen angeboten haben. - Er
verzagte plötzlich bei dem Gedanken, dies riesige Werk auf die Toveln zu versetzen. Ab und zu schaute er in sein kleines
Stunden-Buch, um die Tag-Zeiten zu beten - nur weil sie auch sein Meister nun beten würde, wo auch immer dieser jetzt wohl
war. - Ständig schaute er dann nach dem über die Wand wandernden Fenster-Abbild um die Zeit zu vermerken und sich
vorzustellen, wo jetzt sein Meister und die beiden Kleinen wohl angekommen wären, wie sie da durch die verschiedenen
Landschaften wandeln und lagern, wieder aufbrechen und essen würden, bis Deventer – soweit wußte er die Strecke ja auch.Jetzt mußten sie die wunder-schöne Baum-Allee vor Winterswiek erreicht haben – gut! - Es war jetzt warmer Nachmittag hier –
dort gewiß auch, und die Kurzen würden in den herrlichen Schatten der Allee vergnügt um den Meister wimmeln und er würde
sie wie immer ermahnen, ihre Kräfte einzuteilen. – Ja, und jetzt würde Abend, der Latern-Legionär vorne-weg gibt das einzige
Licht außer Sternen und Mond und die nun schon bestimmt 150-köpfige Gesellschaft stolpert - teils müd und verdrossen, teils
ausgeruht und erst seit Stunden dabei - hinter dem weißen Licht durch den Abend zum Rastplatz, wie immer zu spät, weil sie am
Mittag wieder einmal zu lange verweilten. Die beiden Kurzen hingen wie vorher-zusehn war, völlig kaputt zu beiden Seiten an
Herrn Meisters Armen und meckerten einander an, nicht zu jammern vor Durst. - Bestimmt hatten sie ihm schon wieder alles am
Morgen schon weg-getrunken, was in den Trink-Beuteln war! – Und sein Herr Meister würde wie immer auch zu diesem nichts
sagen, sondern systematisch weiter-gehn, immer schön im Mittel-Feld aller - und in Gedanken woanders – hin-ziehn. – Ja,
Jan-Hendrik ging so in dieser Art Schritt für Schritt mit, die drei Tage und Nächte, ja des Nachts sogar schlief er nicht ein wie
sie, sondern umstreifte den vermutbaren Rastplatz argwöhnisch, daß da weder ein Fuchs noch ein Räuber sie störe – aber ach:
was konnte er hindern, von hier aus? - Nun aber war ganz bestimmt die Stadt Deventer glücklich erreicht – andernfalls hätten sie
ihre Not-Taube gesendet – und da fing er zu weinen an, übermüdet – ab nun nämlich wüßte er nichts, nichtmal, wer sie erwartete
und wo sie unterkommen würden. Als ihm nun klar wird, daß es nun vorläufig weder Vater noch Brüder in seinem Leben gibt, nicht mehr ihr Gezanke und ihre
scheuen Komplimente, wenn er sie mal wieder gerettet hat, nicht mehr die überschaubaren täglichen Wünsche des Meisters, kein
Einholen, Kochen und Kleider-Richten für vier – keiner mehr zu bemuttern – kein ständiges Guck-doch-mal,Großer! und
Schau-mal,-mein-Jan
– ach, das war schlimm. – Mehrmals stand er wütend vor der Wand - drauf und dran, das Bild der drei Künninge von
Moor-Meer-Land herunter zu nehmen und diesen verdeckten Burschen, den Herzog von Burgund, heraus zu reißen – aber weil
sein Lieber Herr Meister dessen Helm persönlich korrigiert hatte, war es eine Art Hilligtum geworden. - Der Meister wünschte
diese Trennung - ihm zuliebe - hatte er gesagt. - Es gab nun kein Zurück. Er hat ihn ja mit diesem Erbe des Meister Hubertus
betraut, wie man ein Szepter übergibt. – Daraufhin rollte er sich in seinen Mantel ein und schlief ganze zwei Tage durch. –
Dann aber siegte wieder die Jugend an ihm, und diesmal ließ er sich auch von Laurenz zum Essen einladen – es gab Wurzelen am
Spieß mit einem Hauch Honig und Pfeffer, zum Einstippen in einen großen Berg Kascha – und er aß das alles fast alleine auf,
bevor er merkte, daß alle gutmütig lachten und noch auf Frau Aleidiss Tisch-Gebet warteten. – Da schämte er sich artig - aber
nicht sehr - vergewisserte sich, daß keiner bös mit ihm war, und wurde fast wieder der gute alte Jan-Hendrik wie früher. - Sie
beteten nun und nahmen sich jeder noch eine Wurzel – mehr als eine pro Person hatte er ja nicht übrig gelassen. Matha
verlängerte den restlichen Klecks mit etwas heiß Wasser zu einer Heidekorn-Tunke und dickte sie mit etwa Reib-Brot schnell an
- und man aß nun "gesittet". - Sie berichteten, daß schon geklärt worden sei, daß er vorläufig seine Wohnung in der Maler-Hütte
behalten könne, denn sie stand ja im Pastorats-Grund, und wenn es ihm Recht sei, ziehe Laurenz zu ihm. - Der Junge sei sowieso
zu groß, um bei Mutter und Schwester im Häusken zu bleiben und könne ihm auch zur Hand gehen, wobei auch drei Türen
weiter die Frau Mutter seiner nicht ganz zu entbehren bräuchte. –
Die Pastorat setze ihm dafür als Entlohnung ein Sonntags-Brot wöchentlich aus und der Gemeinde-Rat des Wigbolds dreimal die
Woche ein Mahl bei der Stadt-Wache, für Jan-Hendrik dasselbe, aber sechsmal Essen mit der Stadt-Wache nach freier Wahl,
wann, sowie frei wohnen in der Maler-Hütte für zunächst einmal acht Jahr. - Wenn er den Meister-Grad erreiche, biete man ihm
die Position eines Stadt-Malers an, ein zwar bescheidenes, aber mögliches Einkommen, bei dem man ihm Neben-Einnahmen
gestatte.
Nur müsse er sich ab dann für je 5 Jahre zur Residenz im Kirch-Spiel verpflichten, um zur Hand zu sein, wenn es etwas zu malen
gibt. Falls andere Maler die Stadt aufsuchten, habe er sie allerdings auch zu beherbergen, wenn die kein Bürger oder Bauer
persönlich einlade. - Für deren Essen brauche er dann allerdings nicht aufzukommen, dafür sollen sie die Bede heischen gehen
wie andre auch. - Der Bote zur Abtei Hervurth und zum Bistum nach Coesfeld sei schon abgefertigt, die Bestätigung zu holen. Nach diesem hätte er ja nun fast sorgenlos ans Arbeiten gehen können, aber wenn er die Holz-Tovel zur Hand nimmt und einen
Strich skizzieren will, kommen ihm Tränen und er kann es nicht tun. - Da fällt sein Blick auf jene kleine Narwarinne - oben Ecke
links, dies ich-hab-es-gewußt in ihrem Blick, und es scheint ihm zu sagen: Trau dich endlich, sei der Meister – denn: es steht dir
zu. Da denkt er: Jetzt genug der Trauer! – und da packt er sich die schon vorher an-skizzierte rechte Außen-Tovel auf den Kopf und
läuft zum Burloer Busch, um ihren Klausneren Jakob aufzusuchen, damit der ihm die Blumen male. - Vielleicht tät ihm das auch
ganz gut. Mit zartem Stift hat er sich eingetragen, wo der ihm nun die Bäume und die Blumen zwischen-setzen soll. - Das Brett –
in seine Decke eingeschlagen und noch um zwei, drei Latten angemehrt, fällt nicht sehr auf. Er bringt ja oft für Bürger
Kleinigkeiten - Wiegen, Türen, Bett-Stirn-Bretter - zu den Klausneren in den Wald, damit einer ihnen die Blumen oder Herzen
darauf malt. - Er nimmt den Ober-Weg am Wall entlang und dann vorbei an Pastorats Dilms zur Freiheit Empkhoff hin. Da
braucht man nicht in einem fort den Wagen oder Reitern auszuweichen und muß der Maut nicht deklarieren, was man trägt. Er sieht nach links, zu Blikk und Appeldoorn und Paol und läßt die Blicke weiter nördlich schweifen, den Berg hinauf, als
erwarte er von dort die kleine liebe Narwarinne kommend, mit ihrem züchtigen Geleit. - Doch Sunn-Brink, Ull und Breedel
wirken so wie immer um die Zeit – der Weg nach Horstmar hebt sich staub-beladen aus dem matten hellen Grün der Weiden, die
nur schwach gedeihen, weil nach jedem Regen alle Fuhr-Werke und Gänger alten Rillen aus dem Wege wollten und sich nun
neue durch die Brache schufen. - Hier etwas anzubauen hat man gegenwärtig aufgegeben, nachdem der Hohl-Weg über'n Berg
zur Alst nicht mehr benutzbar war. - Alle Anlieger erheben dort nun einfach Maut für den Schaden. – Alle Durch-Fahrenden
drohen schon im Spaß, man werde sie gewiß dann auch bald wieder der Raub-Ritterei anklagen – und sie kontern: "Schun-moal
vun Rauw-Buern, Rauw-Kaup-Lü'en o'er Rauw-Kötterije ´hört? – Dat Delikt ghiwet et goar-nich !!" - Er muß zum erstenmal
seit der Abreise des Lieben Herrn Meisters wieder lächeln, reißt sich los und will nun schnell zu Hakenfort Legio Tingk, wo er
sich auf den Brunnen freut. –
Am Hängell neben Mächelt fallen ihm die wilden Veilchen ein, die Matha immer pflückt, wenn März ist - um sie in der Stadt und
auf den Höfen feil-zubieten. Zum einen macht man einen Sirup draus, der Husten lindert – dann tut man oft auch
Weiden-Kätzchen bei – die Korb-Weiden gibt es ja überall genug. - Und wenn der Winter hart war und das Essen knapp, dann
suchen sie ja stets die ersten Blätter: Melde - Nessel – Maus-Öhrlein Vergiß-mein-nicht – wo's gestattet ist, hier ist ja beinah jede
Rute Land verpachtet – dann halfen ein paar Veilchen-Wortelen deutlich dem Geschmack ein bißchen auf. - Zugleich tut's gut,
sich nicht so zu erkälten. - Jetzt ist ja keine Veilchen-Blüte-Zeit, aber bald schon blühen manche wieder für den Herbst. - Kurz
vor dem Brunnen kommt die Stelle hinter Hove Wewermann, ja, er erkennt es wieder: da - wo es im Frühjahr stets die stärksten
Mai-Glöckchen-Bestände gibt. Den Hirten dienen sie zu einer Hilfe für die schwachen Herzen alter Leute, und sie hatten es den
Klausneren beigebracht, wie man sie sammelt und dosiert. - Jetzt fällt ihm die Gemarkungs-Skizze ein: "Ja, da hab ich gar nicht
dran gedacht, doch paßt das prima!" – murmelt er sich selber zu – ja, hier, ja hier kommt das Herz Jesu in die Altar-Tovel hin. Ein Karren rumpelt des Weges, von links hinter den Büschen kommt er hervor auf zwei Rädern, hoch beladen, den zieht der
Mann mit seinem Rüden zugleich. Er kommt vom Schattgeren-Wald-Stück des Pastorats und brachte Sammel-Holz und Streu. Sie bleiben zugleich mit Jan-Hendriks auch am Wallfahrer-Bronn stehn, welchen Hakenfort zur Straße hin ausgemauert hatte, mit
eine Hocke für Kiepen und Kopf-Lasten, um sie kurz abstellen zu können, ohne sich zu bücken. - Hier teilt sich der Weg, ob nach
Klein Bur-Loe oder nach EggeRao.
Jan-Hendrik geht hinzu, sie grüßten sich – woher – wohin – wie schön, kein Regen schon drei Tage, gute Streu – "Gibt's Pilze
droben?" – der andre schüttelt sich: Pilze! – was diese Zugereisten alles essen! – Sein Rüde schüttelt sich zugleich, weil er genug
geschlabbert hat und nun sich auch des Tages freut. – Der Rüde heißt Harras. Wie der Mann eigentlich heißt, weiß Jan-Hendrik
noch gar nicht. Es ist nicht üblich, wen zu fragen – man sieht sich einfach öfters, hie und da. Es ist ein Brink-Setter aus
Ramsberg, das ist klar. Es gibt davon in Heven und Ramsberg eine größere Anzahl, Verwandte der Höfe, die sich ohne eigene
Äcker und Herden so reih.-herum nützlich machten, um davon zu leben, und ab und zu ein Pächter auch von anderswo. - Dieser
Harras ist ein guter Rüde, dunkel, kurzhaarig braun, riesig, unklarer Rasse, ungefüge anzusehn – da hatte sich wahrscheinlich ein
Sau-Hund einer Dogge genähert - und besonders kräftig, aber absolut brav – eh? – ja, das wohl auch. - Sein Besitzer spart an ihm
ganz sicher einen Esel, so ausdauernd zog der ihm den Wagen, mit dem Brustgurt angeschirrt, in Sommer und Winter. Und
wurde es darüber Nacht oder Nebel – das Ungetüm kannte den Weg ganz genau – und jeder in Schüöping kannte den mächtigen
Rüden von Gemen. – Jan Herndrik, soeben von ihm voll-gesprüht, überdenkt, daß er doch im Bild noch einen Höllen-Rüen
gebrauchen würde, und es hat ihn dabei schon gestört, daß auf seinen Altar etwas böse sein sollte. Weil dies nun die ersten waren, die er nach des Meisters Abfahrt unterwegs auf der Straße begrüßte, denkt er: das ist ein Zeichen
– und er sagt zu dem Mann: "Werter Brunnen-Gesell, gestattet, daß ich mich vorstelle" – "Ik kenn Ju woll, Eer siid de graute
Kleine vun de veer Möler-Lüe am Pastorat und heet Jannendriiks." – "Stimmt. - Also ich hätte da eine Bitte an Euch." – "Küe'tt
Ju ümmer so dwatsch?" fragt der Mann interessiert. - Jan-Hendrik nickt verwirrt und entschuldigt sich, daß er nur Deutsch reden
könne. Er sei mit seinem Meister in zuviel Landschaften gewesen, um eine der Sprachen für Leute richtig sprechen zu lernen.
"Makt nix", nickte der Mann, "is nich Ehr'n Schüllichkeit, ik verstaj. - Aowwer ik varstaj Ju woll, ik denn ja bi to veele Hiärrn. Wat is Ehrn Begehr, Brunnen-Geselle Jannendriks?" fragt er dann mit unmißverständlich zu Trink-Geld einladender Hand. – Jan
Hendrik fingert mit der freien Hand einen Schilling aus seiner Brusttasche heraus, reibt ihn blank und zeigt ihm den. "Für soviel
möchte ich Euren Harras malen." –
"Dä weerd nich ´mahlen – denn bruuk ik dach-däcklich!" reagiert der andre etwas empört. - "Nein-nein, guter Mann – nicht in
der Möhle mahlen - nur n'betken zeichnen, mein ich, für'n Bild - so." - und er macht die Gebärde des Gucken-Schreibens, damit
der andre nicht etwa nun denke, er wolle den Harras anstreichen. "Ach souu – aowwer ik füör miin Deil bruuk kien Borträä nich
vun demm, ik bin'n aormen Kiärl, met Verlaub" – sagt er besänftigt und dann neugierig: "Woutou bruuk Ji dat dann?" - denn
offensichtlich soll er ja den Schilling da bekommen, nicht zahlen – den möchte er schon haben, das ja! – Jan erklärt ihm, daß er
für die Altar-Schilderei einen – naja, eigentlich zwei noch zu malende Rüden brauche. - Er fängt es lieber erstmal vorsichtig an,
denn wer läßt schon sein bestes Stück einen Höllen-Hund nennen? – Vielleicht ist der Einfall doch nicht so gut? - "Aha, un wat
füör welcke?" – "Also - der eine sei ein Lieb-Frauen-Rüe, das sollte eigentlich ein schöner Höhner-Rüe sein, ein heller" – "Meen
ik auk, füör Unse Leiwe Fraue Juffer Maria – jau, aowwer min Harras we'd dat wol nich wiä'nn." – Naja – und wo Unser Herr
Jesus die Toten auferwecken geht, da ist immer so ein - naja, wenigstens ein guter, braver Sau-Rüe sollte da sein – der
normalerweise die Pforte bewacht, "der soll ja nur so gucken, wißt ihr?" - wegen – auf dem Hilligen Bild, da möchte er einfach
keinen wirklich schlimmen Rüden haben, weil: "das ist doch dann ein hilliges Bild, auf immer – nicht wahr?" schließt er eilig
und dreht verführerisch den Schilling mit drei Fingern hin und her. - "Hm, miin Harras – brav isser, jau. - Aower füörn Schilling
– dat is ja man nich veel." - probiert der Mann, ob sich mehr rausholen läßt. "Werter Brunnen-Gesell – mehr als einen Schilling
kann ich aber nicht geben, Ihr glaubt nicht, wie teuer einen heutzutage schon die Farbe und all das kommt. - Aber wenigstens
den Kopf, ja?" – "Na denn, aowwer nur den Kopp. - Wou schall he henn?" – "Wer?" – "Dä Kopp." – "Ach so, ja – also ich denk,
wenn ihr so gut seid und sagt ihm, daß er sich hinlegen soll, und wir legen da und da ein paar gute Äste daneben und – eh – zum
Beispiel diese Tovel ganz sachte darüber, daß er man eben so raus-schaut – das reicht. – Meint Ihr, daß er das mit sich so etwa
ein Credo lange machen läßt? So lange brauch ich zum Zeichnen." – "Oh, miin Harras, dä makt allns wat ik em segg. - Und
wenn?" – "Wenn was?" – "Na, gliks o'er later, n'annern Dach o'er sou." – "Von mir aus sofort." – "Na denn man tau." sagt der
Brink-Setter freudig und nimmt sogleich seinen Zug-Gurt vom Gürtel. - Sofort ist gut, dann könnte er für den Schilling noch
heute ein bißchen Salz und Pfeffer und Schuster-Garn einholen gehen. Vielleicht blieb auch noch was über für fünf oder sechs
Stahl-Nägel? – So alle Tage kriegt man ja keinen ganzen Schilling geboten. – Eilig löst er sich und den Rüden aus ihrem Geschirr
und sie häufen das Reisig zu zwei kräftigen Haufen, wo dann der Rüde dazwischen ablegen soll. Er wundert sich zwar, aber folgt
auf's Wort und legt sich. - Vorsichtig legen sie ihm die eingewickelte Tovel über und die Bretter passen sich gut, darauf noch
zwei Riegel-Beschläge anzudeuten. - "Seht Ihr, so etwa: man soll denken, der Liebe Herr Jesus habe das Tor der Unterwelt
einfach heraus-gerissen und über den Wall-Graben gelegt und damit zugleich den Rüen gebändigt, wodurch die Erlösten fix
drüber weg ins Freie turnen können." – "Aha.- Aowwer nu makt man vuoran un maolet – ik heff nich'n chantz'n Dach Tiid." sagt
der Mann etwas nervös. - Ja, schon tauchen von Hake, Hackenfort und Hakenfort, Kauling, Isfort, Brüning und Hummert die
kleinen Krotten und Hüerlinge auf, um das merkwürdige Schauspiel am Brunnen zu begutachten, ob es was ist und wenn ja, ob
es was bedeuten soll. - Jan-Hendrik hat sie auch bemerkt und eilt sich, diesen "Hellen-Rüen" so gut wie möglich
abzuportraitieren, samt der perspektivisch anzulegenden Türe – die so ungefähr, aber das schwarze Gesicht möglichst genau - mit
all seinen schlabberigen Lefzen und Runzeln – und dem unglaublichen hängenden Ohr - fast schon selbst eine Wild-Sau, ein
Wilder Watz. Der Rüde verfolgt alles um sich herum mit trief-äugigem, aber wachem Auge, aber liegt völlig still, solange er soll. - Binnen der
Zeit, die ein Credo im Rosen-Kranz braucht, ist Jan-Hendrik auch wie versprochen fertig und hilft rasch dem Mann, seinen
Karren wieder zu beladen, während dieser dem Rüden das Geschirr wieder anlegt. - Hackenforts Klein-Magd Lies sagt kühn und
wichtig-tuerisch: "Dat mi heer nu jaaa nich ebbes in Un-Üöddnung bliewet!" – wobei sie gebieterisch mit ihrer kompakten
Zeige-Hand auf einige kleine Zweige deutet, die noch am Boden liegen. - Hakenforts baum-langer Geerit mit der Schaufel in der
Faust kontert: "Nu speel di man heer nich as Flur-Botinne op, dat ess doch noor dä graude Möler-Jung un dä Harras-Mann vun
Häving - de wiä'nn schon weeten, wat se deihn. Un düsse poar Blärrer senn waohr-haftigen-dings kinne Un-Üödd-nung nich –
un usse Boe'nn ess auk nich Ehrn ehr Sack." – Jan-Hendrik hat indessen unbemerkt seine Zeichnung schon längst wieder in der
Brust-Tasche verschwinden lassen, und dem Mann schon beim Zweige-Aufladen den Schilling zugesteckt, und packt sich rasch
wieder seine Tovel und die Bretter auf. - So etwas passiert ihm ja oft genug, daß er vergißt, daß Leute nicht gewöhnt sind, daß
man gleich auf der Stelle irgend etwas zeichnet – und gar, wenn es weder Möbel-Blumen noch bestimmte Leute sind. Darum hat
er das Bild auch nicht herum-gezeigt. - Er sagt: "Och, er wollt mir nur beweisen, daß ihm der Hasso auf's Wort pariert." – "Der
Harras" – "Oh ja, verzeiht, der Harras." – "Aha. - no denn." - und mit hopp-hopp-Lüe, was-steht-ihr-hier-rum
es-gibt-genug-zu-tun zerstreut sich das Volk, während ihre Wege sich trennen. - Jan-Hendrik zieht weiter zum Burloer Wald und
der Harras-Mann zockelt weiter gen Schulte Oeing zum Vüchte-Übergang, beide grinsen vergnügt – jeder hat, was er wollte.
Als sie schon fast außer Sicht sind, drehn sich beide nochmal nach dem andern um. – Jan-Hendrik winkt, der andere nickt heiter
hinüber und Harras schlägt kurz ein tiefes Wouff an. - Jan-Hendrik denkt: Heer kü'en süffst dä Rü'en Platt - klingt fast schon gut
nach hier. - Vielleicht wird er es doch zu sprechen lernen, wenigstens einmal ein bestimmtes wie die richtigen Menschen überall
auch. - Aber dieser Harras-Mann – der hätt so seine Paß-Form – vielleicht wär das ein guter Wegs-Gesell? – Er wird jetzt
Freunde brauchen können. - Ja. Jetzt ist er ja so ganz alleine in der Welt. –
Doch da ist er schon vorbei an Keulbeck und bei Hölschers im Schagern und sieht den Klausneren-Wald schon vor sich. - Er
kämpft seine aufsteigende Trauer nieder und erinnert sich, wie gut und lieb doch Frau Aleidiss ganze Familie und auch der
Geistliche Herr Kaplan zu ihm sind, und wie Laurenz sich an ihn angeschlossen hat, der heute schon seine Utensilien in seine
Hütte überträgt und die Bilder bewacht. – Nein, es könnte schlimmer sein in der Welt. –
Alleine ist er nicht – und auch ist ja Der Herr Lieber G"TT immer bei ihm, und die Hilligen zwei Engel, die alles notieren – er
hört geradezu innerlich, wie der weiße dem schwarzen grad sagt: Möge seine nächste Begegnung so sein wie die eben – er hat
einem anderen eine Freude gemacht. - Jetzt im Busch muß er aufpassen, mit seiner großen Tovel auf dem Kopf, denn er muß
ziemlich tief ins lichte Unter-Holz. - Die Sonne malt vexierend Häusken ein, wo keine sind, und Schatten schafft sie aus dem
Blick-Feld, wo man welche sähe - bis man beinah über diese Zäunchen fällt, die jede Zelle um sich hat. Ein eigentlicher Weg ist
hier nicht vorgesehen, denn die Brüder möchten ihre Stille haben. – Jan-Hendrik freut sich, denn es riecht nach Pilzen – schade,
daß er sich mit seiner Tovel nicht nach den Maronen bücken kann – doch nachher, auf dem Rück-Weg, dann hat er die Hände
frei - und Matha wird sich freuen, wenn er welche mitbringt – er muß schmunzeln, als er an die weg-gefutterten Brät-Wortelen
denkt. - Es ist doch komisch – denkt er – diese Ritter sind so arm und trotzdem essen nicht-einmal sie die Pilze? – Na, macht nix,
sicher wird man ihm wie immer alle überlassen, wenn er darum bittet. Er hat es von klein auf bei ihrer Flucht zwischen Ulm,
Prag und Augsburg zu essen gelernt – da hießen die Schwammerln und so ähnlich. Er kennt die guten genau. - Nachdem er einige
der Klausen wieder-kennt, wird's leichter. Jede hat ein Gärtchen um die Kammer, mit dem Weiden-Flecht-Zaun, und in der Mitte
ist das größte schon ein Saal, darin treffen sie sich täglich zum Gebete – es heißt das Oratorium. – Sie essen nie gemeinsam, aber
gehen zur Hilligen Messe ganz früh morgens in die Kirche Sünt Marien Eggerode, aber auch nur in genauem Abstand, stumm
und tief verhüllt in einen schwarzen Umhang über ihrer Rüstung. Nur wallt mitunter lang ein Bart hervor, der darauf schließen
läßt, wie lange einer hier dabei ist. - Sie wollen nur noch geistlich leben, so, als seien sie auch für einander schon gestorben. Jan-Hendrik hat sich mit der Zeit, wenn sie hier Blumen malen ließen, einiges erklären lassen. Der Bruder Maler ist der
öffentliche Mann in dieser Klausnerei. Er darf Besucher sprechen und auch manchmal aus dem Wald auf Eier-Kollekte und die
andere Bede gehen. Nur wenn es sehr bedeutsam ist, darf er den Geistlichen Herrn Prior in dessen Klause stören. - Der erste
dieser ernsten Büßer hieß Guillermo, und der – das ist schon ziemlich lange her – gut drei Centurien - war zuerst ein Ritter, der
für seinen Zorn und seinen Leichtsinn wohl berüchtigt war. Eines Tages merkte er, daß er etwas Furchtbares angerichtet hatte –
so furchtbar, daß er es erst nach drei Wallfahrten über die Lippen brachte, zu beichten. Er war in Jerusalem, San Diego und Rom
– aber bekennen – das konnte er nur bei dem eigenen Hirten, der ihn einst zur Hilligen Firmung geleitet und als Ritter gesegnet
hatte. Doch als er nachhause kam, war der gestorben – er hatte zuviel Zeit für die Wallfahrt verbraucht. – Da erkannte er seinen
größten der Fehler: es ging doch um Herr-G"tt – und Er ist doch immer dabei, und man gesteht seine Sünden nur für die
Hilligkeit andrer – damit nicht Verdacht auf die Unschuldigen falle - und schon gar nicht auf die einwandfrei gute Gemeinde Des
Herrn, Der das nie getan hätte und sogar verbietet und Der bittet, daß jeder das Seine bekenne und die andren befreit – dafür ist
der Buß-Dienst der Kirche verbreitet und jeder Beichtiger geeignet – man eilt einfach zum nächst-erreichbaren hin – G"TT
genügt es. - Der Liebe G"TT lenkt, was der sagt, ganz egal, wie der ist – und ob's schwerwiegend oder öffentlich ist, oder einem
die Sühne zu leicht wirkt, unterwirft man sich dem ohne Frage – denn es handelt sich noch nicht ums Letzte Gericht. Das kommt
erst, wenn alle fertig gelebt sind, damit alle Zeugen für alles beisammen und ohne Menschenfurcht sind. – Also Ritter Guillermo,
der Büßer, zuhaus bei Siena, ging dann zur Beichte – bekannte dies alles und schämte sich dann ganz gewaltig für alles. - Er
kannte ein scheußliches Tal in der Nähe, mit Schlangen, Skorpionen – es dröhnte im Sommer vor Hitze, und Nachts war es kalt
und das Wasser da war kaum genießbar und wenig. Dort ging er hin mit dem Geistlichen Herrn und schloß sich durch Gelübde
auf immer dort ein. – Es waren natürlich auch Leute dabei, die ihn sich abseilen sahen, denn es gab nicht-mal einen Weg dort
hinein – und das Seil nahm der Geistliche Herr wieder mit. Ab und zu gingen Leute dann nach-sehn, ob dieser eigenartige Büßer
noch lebe und sie hörten ihn singen und beten. - Weil er aber nun völlig sicher zuhanden war, erzählten ihm manche auch Sorgen
oder baten um Rat – und als er nach Jahren da immer noch lebte, bat man auch um Segen, denn er war nun sehr ehrlich und Hillig
geworden. - Es stieg sogar schließlich ein Duft aus dem Tal - von den fleißigen Werken, die er dort vollbrachte: er hegte und säte
und pflanzte und setzte, probierte und lernte dort unten, schließlich blühten dort einzelne Rosen und eßbare Gräser – es kamen
Vögel hinein. – Und bis er dann anno 1057 an einem 10. Feber leise starb, hat sich trotzdem kein zweiter Mann gefunden, der
ähnlich wie er in dies Tal gegangen wäre. Als er jedoch gestorben war, da spürten viele sich gerufen, dieses Tal zu pflegen oder
andre aufzubauen, und es gab genügend Ritter, die es brauchten, sich zu schämen, wenn sie sich erkannt und das Böse
eingestanden hatten. Da schlossen sie sich Regeln des Sünt Benedict von Nursia an - der auch einmal ein Klausner gewesen - und
schufen Regeln für die Klausneren dieser Art. - Jan-Hendrik hat nun die Klause, die er aufsucht, erreicht und Bruder Jacobus ist
da.
Er eilt ihm erfreut entgegen, nimmt ihm die Tovel ab und trägt sie vorsichtig hinein. Im Gegensatz zu seinen Mit-Brüdern hat er
ein bartloses Gesicht und auf dem Kopf nur kurze graue Stoppeln, sein Kopf ist etwas adler-artig durch die kurzen Haare und die
etwas spitze, lange, römisch ausgeformte Nase über dem schmal zugeschnittenen Kinn. Doch meistens lacht er fröhlich wie ein
wirklich freier Mensch, man merkte nie, wie es ihm ging. Sein Blick hat da aber gar nichts vom Adler, sondern ist eher täuschend
naiv – wie seine Blümchen. Er macht aus jedem Elefanten eine Fliege – und wo immer sich in der Region zwei Nachbarn
übereinander verbittert haben, holt man ihn und es legt sich. Der Sprache nach ist er von hier, aber niemand behielt seinen Namen
bei ihnen. Darum heißt er Jacobus. Und der Mindere sagen sie, weil er ei n Franziskus-Prediger-Bruder ist, der hier freiwillig den
Außendienst macht. Schon eilt er zum Herd-Platz und bereitet Jan-Hendrik ein Süppchen aus Wurzeln – das ist seine Spezialität. Er weiß, daß
Jan-Hendrik der kleinen Gemeinschaft mit jedem zu malenden Blümchen und Bäumchen ein Almosen für sie und die Armen
einbringt. Sie haben feste Tarife beschlossen, damit man sich nicht zu bedenken braucht, wenn es mal mehr und mal weniger
sind.
Sie nehmen die Tovel dann aus ihrer Hülle und Jan-Hendrik erklärt, wo ein Baum, wo die Wiese und wo nur ein Hügel hin soll,
fischt die Farben dazu aus der Tasche und sogleich beginnt Bruder Jacobus zu malen. Andere Werk-Stücke hat er zur Zeit auch
nicht da. "Darf ich bleiben, Lieber Herr Frater?" – "Aber ja, wenn's nicht für einige Jahre sein muß – du weißt, meine Regel ist
komisch, jede Klause ist schon mit einem überfüllt, weil Unser Herr noch mit einzieht" lächelt der Bruder. - Jan-Hendrik weiß,
daß Bruder Jacob von allen zehn Rittern mitunter der Einsamste ist. - Die anderen, wenn sie erstmal die Finessen des Schweigens
erlernten, reden, wenn sie mal reden, von diesem und jenem, doch kaum über Glauben, weil es ja nur die eine Stunde pro Woche
Gelegenheit gibt. Jeder macht seine Stufen der Meditation und Erfahrung allein und die denen gemeinsame Entdeckung des
still-Unterhaltens bleibt ihm unerreichbar. - Er hat den ganzen Außen-Dienst und kann, was er zu ahnen lernt, nie reifen lassen
wie die andern. – Doch schließlich ist das seine selbst-gewählte Buße, weil er einmal ein arroganter sündhaft stummer Wächter
war, hat Druksken ihm einmal verraten – er ist irgendwie-herum mit den Overkempings verwandt. - Jan-Hendrik vermutet, daß
dieser damals seine Eminenz Bischof v.d.Hoie im Budden-Turm zu bewachen hatte – und nicht nur den. Aber er fragt Leute nie
aus. – Er hört aber gern, was sie von sich aus über etwas erzählen. Während jener nun malt, setzt sich Jan-Hendrik zur Türe und bittet ihn also, ihm zu erzählen, wie diese Klausnerei eigentlich hier
in den Wald kam. Der Bruder lacht und sagt: "Das tu ich gern, so höre: Unser Gründungs-Prior Gerrit Rode selig war als Ritter
bei jenen Mördern dabei, die in der bösen Zeit von Dorf zu Dorf die- bewahre Lieber-G"TT uns vor ihr immerdar - Schwarze
Seuche mit sich trugen, indem sie – wo diese Geißel begann, den Fanatikern dienten und jede Straße nach Ungläubigen
durchsuchten, um sie zu fangen und pulverisieren. – Ja – pulverisieren nannten sie es, Menschen zu verbrennen. - Dadurch
suchten sie orts-kundig jeden Ort auf, wohin Gesunde sich hatten retten können durch Trennung - und das Miasma sprang über.
Während vernünftige Landes-Herren jedes Reisen verboten und die Grenzen schlossen, achteten diese Häscher das nie, denn
angeblich gingen sie Hinweisen nach. Waren sie dagewesen, flammte hinterher überall das – behüte Der Herr uns davor –
geschwinde Sterben auf, aber sie achteten es nicht und behaupteten gar, man müsse es in Kauf nehmen, weil nur die Reinsten der
Frommen es überleben. Zwar hatte der Hilllige Vater es strengstens verboten, einfach ganze Glaubens-Gemeinschaften
unterschiedslos zu bekämpfen und die Bischöfe von Mainz, Colna-Burg und Regensburg stellten sich ihnen zunächst auch ganz
tapfer entgegen, aber sie waren taub für die Mahnung, verwarfen den Kirchen-Gehorsam, waren blind vor dem Hilfe-Ruf der
Gejagten und wüteten gegen eigene Leut, wenn die baten, doch endlich wo sitzen zu bleiben und das böse Miasma nicht in jeden
Winkel zu tragen. Besonders er tat sich darin hervor.– Und er kerbte seine Lanze nur für je zehn oder zwanzig tot-gejagte Menschen-Kinder ein,
doch bald war darauf gar kein Platz mehr, weil er auch darauf einschnitt, wer nach seinen Haus-Suchungen dann an Seuche
verstarb – er behauptete, das sei das schlechte Gewissen gewesen, weil sie ihn nicht unterstützten. Das eins zu zehn Registrieren
bezeichnete er als sich-nicht-Rühmen, wies aber jeden drauf hin, daß bei ihm erst je zehn Leute als ein erledigter
Menschen-Feind zählen. Er fand sich sogar geist-reich dabei. Er hob die Hände und schrie: Wo ist an mir ein Miasma? Wer
wagt es, zu behaupten, daß diese glänzende Lanze einer Geißel ähnlich sieht? Bin ich tot? - Weiß man nicht, daß nur Tote die
Seuche verschleppen? – und derlei Unsinn mehr. - Und eines Tages kam er in sein eignes Haus und kannte keinen Menschen
mehr. –
Jedoch sie erkannten ihn und hatten keine Angst vor ihm, doch ihre edlen Familien schämten sich seiner Taten sehr – sie
fesselten ihn mit Ketten und sperrten seine Mord-Gesellen in ein festes Gehege, wonach es keine neuen Todes-Fälle mehr in
dieser Gegend gab, außer den so verschiedenen normalen. – Da brüllte er derartig schaurig herum, wie er dieses alles rächen
werde – daß man ihm auch noch den Mund zuband. - Nachdem er nun gefesselt und geknebelt war und sein Geschrei nicht selber
hörte, kam er schnell zu sich und sah, was er verbrochen hatte. - Er sah sein kleines Schwesterchen mit seinem Todes-Stachel
spielen und entzückt die Kerben zählen und sie weiß bemalen – er sah, wie sie nun auch begann, die Menschen nur ab zehn zu
zählen und unter zehn nicht-mal zu grüßen. - Dann kam ein Kloster-Bruder vorbei und sagte ihn von Abraham dem Guten, der
uns lehrte, daß für zehn Gerechte sogar eine Stadt voll Sündern Recht auf Leben hätte und daß G"TT auch unter zehn den einen
nicht mit andern strafen ließe. - Da grunzte er durch seinen Knebel, weinte, winkte mit dem Kopf, und schrieb mit seinen Füßen
in den Sand, man möge ihm den Kloster-Bruder zur Beichte schicken. - Von dem erfuhr er von Malvalle und daß es jetzt nicht
richtig sei, zur Opfer-Fahrt wer weiß wohin zu ziehen – es gab ja hier den kleinen Fieber-Sumpf im Darveld - an der Grenze
zwischen Osterwick und Eggerode. Da könne er alleine sein, soviel er muß, und täte keinem Menschen mehr ein Leides an durch
zu viel Schweifen. – Ein bißchen später schlossen sich dann die Gesellen seines Mord-Zugs alle an, sie wurden schriftlich
instruiert und hier die ersten Wilhelms-Klausner. - Buße zu tun hatten sie sich zwar absolut durch die maßlosen Exzesse während
der – behüte uns Der Herr davor – Schwarzen Pestilenzia verdient, aber niemand verlangte, es zu übertreiben. – Das Gegenteil
von Andre-Quälen ist der Haß auf sich – doch jeder ist ein Meister-Werk von G"TT Dem Herrn – man soll es ganz verlernen,
solches zu verletzen. Sollte Liebe es verlangen, ist Gelegenheit genug, den Schmerz zu ignorieren, sei es in Krankheit oder daß
die Rettung eines Lebens Wunden schlüge. Da geht ein Ritters-Mann doch mit Grandezza seinen Weg." –
Jan-Hendrik fügt hinzu: "Ein Künstler auch, der achtet nicht der Schmerzen, wenn er schon vor sich sieht, was werden soll." –
dann hält er seinen Satz erschrocken inne, denn er hat grad bei sich erlebt, daß man im höchsten Jubel, sich ein Werk schon
vorzustellen, so tief fallen kann, nicht einen Strich dafür zu tun. - Der Klausener bemerkt das aus dem Augen-Winkel – er weiß ja
längst, daß Jan-Hendrik allein geblieben ist und daß den Meister eine Botschaft nach Burgund berufen hat. So etwas weiß hier
jeder schneller als die selbst Betroffenen ahnen. Ihm ist auch klar, was Jan-Hendrik will – vermutlich braucht er jetzt Familie
oder neuen Antrieb. –
Man sollte ihn mit jemand wie dem Harras-Mann befreunden – der braucht nämlich einen kleinen Bruder und sie könnten auch
einander Gutes geben. - Im Moment will er ihm aber weiter erzählen, denn nun kommt erst der mehr heitere Teil: "Was sie auf
sich genommen hatten, sollte etwas lehren. Sie hatten auch gelobt, bis zum Lebensende dies kleine Gehölz nicht mehr zu
verlassen außer für einen von andern bestellten geistlichen Weg und in Begleitung derer, die sie dazu abholen würden. - Aber bis
die ersten zwanzig unter ihrem Gerrit Rode als Prior hier anno 1361 endgültig eingezogen sind, da wußten sie bereits, warum sie
sich anfangs zehn Jahre Zeit gelassen hatten, die Klausen in den Wald zu stellen. - Gewöhnlich geht das zünftig so: die Brüder
stecken sich vier Hasel-Zweige in die Erde, so weit entfernt, wie alle Zinguli aus ihren Kutten eine Strecke sind. Dann ziehn sie
ein und fangen mit den ersten Psalmen an, sich einen Unterschlupf zu bauen und schön im Rhythmus der Gebete wird die Arbeit
portioniert - und ab und zu ist Schlafen dran und je nach Haben auch ein Essen. - Wenn nichts da ist, ist Fastenzeit – man nimmt
sich dann im Dunkeln ein paar Rinden, die beim Hausbau angefallen sind und nagt die Innenschicht herunter, lernt die Sorten
Bäume so von innen kennen. Aus Ästen flechtet man sich Wände, aus Span Gerät und Lampenwerk, aus Abfall-Holz entstehen
Schuhe, die Unter-Rinden kaut man gründlich durch, macht sich aus dem so gewonnenen Bast geflochtene Tuche für die Wände
und zum Unterkleid, bindet Laub zu einem Dach und Boden und nutzt die erste Tür als Bett-Palette für die Nächte. Und alles,
was den ungeübten Fäusten schon ganz gut gelungen ist, kommt zur Erbauung aller und zum Lob Des Herren in das Oratorium.
– Schon wächst die schönste G"TTES-Burg empor, man braucht nur einfach anzufangen. – So lasen sie es in Erbauungs-Büchern
aus der Wüstenväter Zeit und wählten unter Anrufung des Namens Jesu blindlings das Burloe aus der Liste unbewohnter
Ländereien aus. – Sie hätten vorher einen Blick drauf werfen sollen ..." – "Wieso? Es ist doch lieblich hier." – "Du hätt'st es anno
1351 sehen sollen: nur ein Sumpf, es war der Rückstau aus drei Möhlen und hatte 15 Bäche Einfluß dort. -.
Sie hatten aber ihr Gelübde, wo zu bleiben, ausgesprochen und wie vorgesehen Vigil Sünt Catharinen anno 1351 am
24.November und zur Non den Grundstein auch gelegt, sieben Ritter verschiedenen Alters, und sich unter Anleitung zweier
erfahrener Kloster-Brüder ins Noviziat der Brüder des großen Büßers San Guillermo di Malevalle begeben, dessen in sechs
Jahren 200. Himmels-Geburtstag sie als Professen hier zu gedenken vorhatten. – Das Stückchen Wildnis, das ihre Zinguli – es
sind bei uns Ketten, weil das länger aushält - umspannten, bestand nur aus Wasser und Sumpf, nicht ein einziger Baum, nur so
manchmal ein einsamer Strauch." – "Ach ein Venn?" – "Ja, fast ein richtiges Venn, ein Brook - und nur darin verschieden, daß
es kein Torf darin gab, denn es war nur durch Rückstau der Schüöp'n Mühlen entstanden, verschlammt, aber sandig. - Also
wenigstens gab es Fische auch hier. - Man beschloß, es etwas größer anzufassen, steckte eine Stange in einen hohlen Stein, den
man so etwa in die Mitte zwischen Burloer und Rockeleer Bach ruderte, befestigte die Zinguli daran und zog damit den Kreis –
damit wenigsten noch ein paar Erlen und Birken inbegriffen waren. – Sogleich ging Prior Geerit und der kleine Konvent nun ans
Werk und hatte bis zur Komplet einige Flöße gefertigt – für jeden zwei Bäumchen und deren Äste zerteilt zu kleinen
schwimmenden Hütten und eine große aus drei Bäumchen in die Mitte als ihr Oratorium. Dorthin legten sie ihre Wappen-Schilde
umgekehrt und die Helme ihrer Rüstungen nieder - am Kreuz. - In dieser Nacht war Matutin und Prim gar kein Problem. Sie alle
waren wach vor Kälte – man hörte einander auf dem Floße spazieren und unterdrückt-leise verschieden betonte Hallelujas
geschimpft. - Einer konnte den Psalm De profundis – aus Tiefen ruf ich – Herr, zu Dir! – der wurde erst lauter, dann bibbernd,
dann heiser erbracht - und nur Irrlichterken gab es statt Sternen. Früh-Nebel versteckte die Flöße bald ganz voreinander – das
Ziel Klausner war nun wirklich für jeden erreicht - bis zur Früh-Messe waren dreie vor Kälte zu steif, allein bis zum
Anlege-Stege zu rudern und man mußte sie suchen und retten. - Hätte nicht jeder ein Seilchen zum Kreuz in der Mitte gehabt,
dann hätt' man sie gar nicht gefunden. - Aber Vater Geerit sprach zum Morgen-Mahl, das ausfiel: So hat uns Lieber-G"TT
geholfen, es selbst zu erkennen, welchen Ort wir als Eiferer jedem andern bescherten - denn wohin man vor unserem Haß sich
noch hätte geborgen, war doch nur noch ein Venn oder Rand-Meer. – Die rauhen Brüder bedauerten schon, was sie versprochen
hatten – aber ein Wort ist ein Wort. - Aber die beiden im Schreiben erfahrenen Brüder Stric hatten zwar Schweigen versprochen,
solang sie hier bei sind, doch über Schreiben war nichts abgemacht worden, sie schrieben dem Abt, daß man hier ein Problem
hat, zu wohnen, zumal Winter beginnt – und sie würden an Kälte und Nässe wohl alle bis zur Christ-Nacht gestorben sein – aber
man werde sich fügen, falls die Sühne es will." – Hier flicht Bruder Jacob ein: "Nicht, daß die alle selber Böses taten und selbst
was ich von Prior Rode sagte, ist nur das, was uns befohlen wurde, so zu schildern, als sei er es – Er will, daß es einfach an ihm
haften bleibe, weil er unser aller großer Bruder sein wollte, auch der erste, den andre nicht mögen, die Schaden erlitten. Es trat
zu jedem Bösen auch ein Guter ein, um deren Sippen vor Verruf zu hüten. – Versteht Ihr, daß eine böse Tat in jedem Fall nach
irgend-etwas dagegen - deswegen - verlangt, denn es ist nicht egal, auch wenn es der Täter bereute und ließe – es bleibt in der
Luft und macht Menschen traurig. Wenn also der Täter nun freiwillig darbt, nichts verbraucht, nie mehr sich wehrt, alles läßt,
was andre Leben nennen, sondern künftig-hin Gutes tut, unangenehmste Arbeit erledigt, ein Sanfter und Hilfreicher wird - dann
grollt man nicht mehr derart – und wenn etwa der Täter nicht Sühne anbietet oder schon un-reuig starb, doch ein anderer bietet
sich an, dessen Darben zu übernehmen und die Auslösung des Namens der andern selber zu sein – dann trösten die Menschen
sich auch und der Mut kehrt zurück. – Die Angst vor bestimmten Familien hört schließlich auf – und sehr viele davon wird es
dann auch nie mehr geben. - Der Abt schrieb zurück an Ritter Hermann Stric, von dem zwei Söhne mit eingetreten waren und ihr
großes Gut mitbrachten – die Schulte-Eggenrodde-Länderei mit Mühle und halb Schatgern auch, und jährlich Renten zu Sünt
Martin-Tag – auch Hake brachte viel mit einem Sohn dazu - und gegenwärtig ist in Vorbereitung, auch Schulte Schatgern noch
zu geben und andere Ländereien." – Jan-Hendrik stutzt: "Das ist doch reich? – Ich dachte, Ihr sagtet, sie brauchen nichts mehr?"
– Bruder Jacob sagt: "Einmal bestelltes Land, das man erwirbt, darf nie verlassen werden, aber diese Güter waren es, und es fiel
zurück zum Urzustand – die Bauern waren ausgestorben und erschlagen, es mußte alles neu beackert werden, bis man wieder
darauf ernten oder weiden konnte. Darin besteht das Sühne-Werk. – Der Abt von Groß Burloe bei Borken empfahl den Herren
Stric, die Helden doch vom Wasser weg zu holen und zu beherbergen, wo es trockener ist. Man hielt uns halb für böse Geister,
weil wir schweigen. -. Der Konvent bekam nun aber Strics festes Hues Weersche zugewisen, nicht sehr groß, aber trockener
Boden, Ritter Hiärm ritt ins Burloe hinein in den Nebel und verlas diese Botschaft. - Außerdem stiftete er noch an
Baum-Stämmen, was zum Klausen-Bau fehlte. Man mußte sie zumindest auf Pfählen fundieren – sowas wußte ja jeder, aber die
Ritter hatten gar nichts gefragt – und jetzt konnten sie ja auch nicht reden. Es trat dann ein Sohn Stric auch wieder aus mit halb
Schult Eggenrodde, wo etwas Land nun wieder funktionierte – er ging in Bischofs Dienst in die Kanzlei, denn Eggenrodde
brauchte eine Mühle und man hatte Angst vor unsern Brüdern da. Es gab noch keinen wie mich, der im Außen-Dienst sprach.". -. lächelt er - "Also das war `ne Zeit - und G"TT lachte, je mehr der
Mensch dachte. - Bis das letzte Häusken im Walde gezimmert und einzugs-bereit war, hatten wir trotzdem noch Zulauf bekommen
– aber zwei waren schon tot, und nun wurden wir zwanzig. Während dem durften sie immer gastweise bei Ritter Stric im Haus tor
Weersche verweilen, aber im Sinn unseres Gelübdes stets einzeln verteilt. Also einer hauste in der Pferde-Box, einer im Sau-Stall,
einer im Keller und einer auf dem Spieker unterm Dach. - Einer lebte sogar unterm Storch-Nest auf dem Dach - einer mit den
Hühnern, einer in der Wagen-Halle und so weiter - alles mit der Regel völligen Schweigens außer zum Hersagen der acht
Tag-Zeiten, oder zum Zweck des gemeinsamen Gesangs bei der Hilligen Messe und einer Stunde pro Woche Erholung des
Sprech-Organes – naja, und zwecks geistlicher Beratungen am Sterbe-Bett - oder zum Geleit eines Hinzurichtenden der
umgebenden Orte kam auch mancher mal raus, weil – das hätte er selber verdient gehabt und sein Gelübde hatte immerhin
seinen Namen von solcher tiefsten Schande befreit. - Damit dies Wohnen nicht zu ungerecht ist, wurde monatlich reih-um
getauscht, wer wo Klausur zu halten hat. – Die Freude, Wieder-Gut-Machung geben zu dürfen, wuchs dann heran mit den
Bärten, kann man sagen, denn sie durften gar nichts mit benutzen oder haben, was zum Hof tor Weersche gehörte – nur das
trockene Zuhause - jede Woche wurde Razzia gemacht, falls einer schwach wird - an jedem Abend sagte jeder, was er übers Maß
genossen hatte – da lernten wir sehr viel zur G"TTES-Gabe Glücklichkeit: Der eine zeihte sich des hemmungs-losen Nutzens, daß
er gezielt grad dann am Wasser wäscht, die Wände scheuert, wenn die Sonne ihm dabei den Rücken wärmt, ein anderer des beim
Gebet an frische Buchen-Rinden Denkens, wie ihr Wohl-Geschmack doch allen andern Rinden vorzuziehen ist – und ihre Asche
sei die beste Lauge, wenn es was zu waschen braucht – er ißt jedoch am liebsten alles auf. - Ein dritter beichtete den andern, daß
er's stets kaum erwarten kann und drängelt, wenn mal Birken-Rinde ausgeteilt wird – er hebe sich den Bast sehr gern als Zünder
in den Regen-Zeiten auf und habe sich den Vorrat unterm Floß im Wasser angebunden und verleugnet, als ein andrer alle darum
bat. - Ein anderer, wenn er sich einsam fühlte, hatte seine Ohren so geschärft, daß er in stillen Nächten drei der Brüder
schlafend atmen hörte. – Verboten war ja nicht das Glück, jedoch wenn man es gar nicht mit den Menschen teilt. - Es wurde
Rüge-Buch geführt, da schrieb der Prior alles ein und auch Geständnisse des Tages. So wissen wir es jetzt, wie jene angefangen
haben. - Von dem Konvent aus hätte es noch gerne lang so bleiben können. Sie bauten allerdings im Burloe weiter, man handelte
den Vechte-Möllern ab, den Stau zu mindern und das Land zu trocknen. Es stand schon das geschnitzte Oratorium, wie du es
kennst, und jede Klause hatte Raum und Vorraum und stand trocken, das ab-drainierte Wasser wurde ausgenutzt zu einem
Fische-See, jeder Bruder lernte, daran zu denken, daß er hier für viele Spätere baut und es reicht nicht, was er meint, es sei ihm
genug. Sich im Moment schnell zufrieden zu geben. - So etwas waren die früheren Fehler, als sie noch so kopflos lebten, daß sie
ständig in Not kamen und dann andre beraubten, als sie einander zugestanden, daß Hunger ein Grund sei, den Menschen das
Vieh abzufordern, als sie die Zucht-Tiere aßen und den Obst-Baum für eine schnelle Barrikade umhauten. – Jetzt erkannten sie,
daß das alles gelogen gewesen, nicht wahr. Sie erkannten, daß das, was sie in Fanatismus schon Unglauben nannten und mit Tod
und Vertreibung bestraften, nur das Geschenk war, sich am Leben das Schöne und vom Nachbarn das Beste zu denken, wenn
man da nur einen hat. - Also sie machten große und geistliche Fortschritte, wurden begabt und sehr kundig, beteten gern. - Aber
seitens Gut Weersche gestaltete sich ihr Verweilen allmählich zu einem echten Problem. - Einerseits kamen von nah und fern
müßige Leute, um sich diesen Konvent anzusehen, der auf engstem Raum jeder ein Klausner zu sein wünscht, und wie sehr sie die
Einsamkeit suchen. - Man traf auf Schritt und Tritt einen schwarzen, in seinen Haaren verborgenen Büßer, der schwieg oder
betete, bis man ihm Sprech-Erlaubnis besorgte – und besonders der Prior, der sie hätte geben müssen, war sehr schwer zu
finden. – Die Krotten von Ramsberg und Heven erfanden das Spiel: sucht den Frater - und er suchte sich daher täglich ein
andres Versteck auf dem Gut. – Zwischendrin fand ja auch noch der Guts-Betrieb statt und es kam zu Unfällen, weil man das
Schwarz ihrer Kutten besonders im Sommer schlecht sah.. Da stach man schon etwa mal wen mit der Heugabel an, doch der sagt
nichts, oder füllte die Rüben in die Sauer-Kuhle, während darin noch ein Bruder saß. Normale Gäste einzuladen wagten die Stric
bald gar nicht mehr, denn jene fühlten sich nicht gut inmitten von Mördern, die nun Büßer werden wollten - und schließlich
verteilte er rote Mützen unter die Brüder, damit man uns sehe. Er wollte einfach keine weiteren Unfälle mit seinen Gespenstern,
wie er uns nannte. - Es war ja mindestens schon der sechste von uns umgeritten worden, als er zur Matutin in den Burloe
davon-huschte. Weil bei uns mit Lampen gespart wird, waren wir nachts und bei Nebel überhaupt nicht zu sehen - und damit es
nicht bezweifelt werden kann, daß wir da sind und nicht irgendwo im Dunkeln schlimme Dinge tun, verbanden wir einander bei
Verlassen des Hauses zwecks Gebet oder Arbeit mit einem dann bei 20 Brüdern schon sehr langen Reep zu einer Kette –
wodurch anders-herum damals auch schon Reiter gestürzt sind, weil wir ja nichts sagten. - Da teilte Seine Eminenz nun
Glöckchen aus, an jedem Kloster-Bruder zu tragen, ähnlich denen der Leprösen, damit man uns im Dunkeln höre. Ritter Strics Ahnherr hatte aus Sühne für Streit-Sucht und Gier schon den Eckrödern seine eigene Kirche samt
Haus-Kaplans-Pfründe und Pastorats-Land gestiftet und ihnen die wunder-tätige, von normannisch-englischen
Hillig-Land-Fahrern erbeutete Mary-Queen of the Heaven mit ihrem Brunnen überlassen, ihnen die beiden Ablaß-Briefe besorgt
und er nun den Büßern das Burloe geschenkt, und zehn Jahre die Büßer beherbergt. – Mit allen Gefahren - heute darf ich es dir
wohl auch sagen: ein Stric war auch unter den gründenden Brüdern – zuvor verschrien als Der Galgen-Strick - und auch ein
Hake – ganze sieben Brüder waren nah von hier und zuerst das Unglück ihrer Edel-Freien Häuser. - Wir Brüder pflegen ja
sowieso nicht schon beim Eintritt sehr hillig zu sein, sondern oft ist's nur die Wahl, ob man gehängt werden will oder die
Besserung versuchen – und ist man von Stande, zieht die Familien-Ehre die Besserung vor. Aus Gerechtigkeit gegen die Opfer
allerdings gilt auch, daß man für immer aus der Welt der anderen hinaus geht und nun nie mehr jemanden gefährdet, daß hier
auf - bewahre uns Der Herr davor – Fahnen-Flucht Tod unter Kirchen-Bann steht. – Wißt, junger Johannes, ich will nichts
beschönigen: anfangs sind viele nur halb freiwillig hier und jeder braucht deshalb das Schweigen schon selber. Von dreien hörte
ich, daß sie der Kutte entsagten und dann doch gern den Galgen bestiegen – aber das war nicht hier. Arm waren sie geworden, die letzten Herrn Stric gingen als Burg-Männer zum Bistum, um von etwas zu leben. Die Ritter Hake in
Schagern gaben die Höfe Rotarding und Wibbolding und die letzte Witwe Hake vererbte uns das restliche Ihre, Schulte
Besselt-Land, auch den Wilhelmiten, weil dies nasse Land in anno 1419 noch nicht-mal mehr für drei Mann zu leben bot. - Fünf
Höfe waren uns zuerst gegeben worden – deren Zehnt bestand darin, daß wir dem Matsch erst wieder Einhalt boten, dann nach
Graben-Stich und Placken-aus-der-Weersche-Tragen, trockeneres Feld erhöhten, bis es wieder Getreide trug – dann kam erneut
ein Pächter rein und diesem haben wir zu helfen, bis er davon leben kann – und wenn er Unglück hat, dann immer wieder so. –
Inzwischen haben wir für elf der Höfe mit zu sorgen, ein Schulte und das Gut dabei. - Und dies mit jenem ganzen großen uns zur
Sühne aufgetragenen Gebiet. Einmal unterm Pflug gewesenes Gelände darf ja nie mehr ganz brach werden, es zählt wie
Raub-Mord. – Jeden Armen, den Abtei Varlar nicht aufnimmt – oder der direkt her-kommt, ernähren und pflegen wir auch.
Damit sie leben können, essen wir dann eben wieder Rinden, wenn eine Hof-Stelle frei ist, lernen wir aus den Armen auch
Neu-Bauern an – manche sind Waisen - eventuell bekommen sie dann des alten Hofes Namen. - Vor einigen Jahren erst kam
auch de Hove von Herrn de Bremer hinzu - aber das ist eine andere Geschichte. - Wenn heutzutage Eigner eines Hofes ihre
Pflicht nicht mehr erfüllen können, dieses Eigen-Gutes Lebens-Unterhalt zu garantieren, müssen sie es an einen anderen
verkaufen, der es garantieren kann, und wenn sich keiner findet, tragen sie es einem Kloster an. Erst wenn wir dadurch selber
3Tage gar nichts zu essen im Haus für uns hätten, dann dürften wir Not-Glocke läuten, damit sich die Armen den Weg hierher
sparen und nicht noch schwächer werden. – Ja, so ist das mit dem reichen Land und dergleichen - oder wir arbeiten etwas für
gegen Geld, wie Eure Blümchen – schön schon, nicht?" – erfreut zeigt er nun dem Jan-Hendrik, wie weit er jetzt mit den Blumen
gediehen war – und Jan Hendrik erschrickt ein bißchen. - Er hatte vergessen, ihm etwas zur Größe zu sagen, die darin die Leute
bekämen – nun würden alle wie Riesen in einer niedlichen Berg-Landschaft stehen, vor und hinter ganz winzigen Bäumen. "Es sind 60 Bäume," sagt der Klausner stolz – "ein Maien dabei – größere unten und kleinere oben, genau wie gewünscht.
Stimmt's? – Sieht jetzt aus als wie hinten und vorn – ganz wie da draußen," strahlt er. "Soll ich in die andere Seite auch welche
machen – oder auf dieser noch etwas hinzu?" – es war noch etwas angerührte Farbe da. - Jan-Hendrik dreht vorsichtig die Tovel
um – "Naja, nur etwa hier können noch sechs." zeigt er "Aber wartet noch – hier – könnt Ihr so einen alten Weiden-Zaun? - Ich
bezahl Euch den pro Stecken als Bäumchen. Hier und hier herum, seht Ihr? - dann würde das ein kleiner Garten und da könnten
auch so kleine Kräuter blühen, hier und hier – so zehn. Aber Ob-acht, die Olie-Farbe trocknet sehr langsam, man darf 6 Wochen
nicht drauf kommen – sie verschmiert sonst. – Ach ja, aber wem sag ich's? – Erzählt mir bitte das noch mit den roten Mützen –
was für Mützen? Wurden die getragen?" Bruder Jacob neigt wieder sein graues Haupt über die Arbeit und fummelt mit einem Feder-Kiel geduldig und gleichmäßig
Ringel um Ringel auf Stäbe, und tatsächlich, es ähnelt da schon einem aus geflochtenen Zaun. "Wißt, junger Johannes, daß
Unsere Liebe Allerseligste Jungfrau Maria auch den Thron-Titel Wohl-verschlossener Garten trägt." – Jan-Hendrik nickt und
Bruder Jacobus fährt fort: "Also die roten Mützen, tja, so aus Wolle gewirkte – gestrickt, sagt man wohl. Ritter Stric meinte, das
könnten wir unserm Gastgeber zuliebe und seinem Namen zu Ehren auch tragen – zumal, wenn man uns doch nie mehr
anschauen soll. –
Groß und warm für die Ohren, das waren sie schon, und zum Schlafen auch sehr angenehm unterm Kopf hinzulegen – aber rot! –
Sowas von Rot! – Warte, ich zeig's dir – zu jeder Klause gibt es immer noch eine." - und er geht in sein zweites Kämmerlein und
kommt mit der Mütze auf dem Kopf gleich heraus – also wirklich sehr warm und sehr rot.
Jan-Hendrik kann sich das Lachen nicht verbeißen, doch mehr als er noch lacht der Bruder Jacob ja selbst. "Du hättest uns sehn
sollen, als der Abt es dann wirklich verfügte, daß wir die Mützen des Gast-Gebers nicht zurückweisen dürften, vielleicht hat er
das mit der Farbe auch nicht richtig begriffen oder es sollte auch eine Buß-Übung sein. – Das heißt, ich hab es nicht mehr
gesehen, wie es bei Tage als Tracht aller aussah, denn später, als schon alle uns nur noch Strics Ewaldi-Konvent zu den riesigen
Zwergen nannten, wurde uns gestattet, sie nur als Nacht-Schmuck zu nehmen. - Da aber waren wir ja auch schon hier im Burloe.
– Jedenfalls drängten ab der Sache mit den Mützen die Brüder selber zum Umzug, um lieber nachts naß als täglich lächerlich zu
sein." - Jan-Hendrik kann es gar nicht glauben, daß es solche Mützen gibt. "Darf ich mal aus der Nähe sehn? - Wie ist dies
Material gemacht?" – Bruder Jacobus steht noch einmal auf, gibt ihm die Mütze und holt zwei dünne eiserne Stäbe und etwas
Wolle. "Sieh mal – Stricken geht so – Masche – Masche – und dann soo durch holen und dann so – das ist schon das Prinzip. Es ist ja nicht so, daß diese Mützen auf ewig hielten, aber nachdem es sie gab, sollte es in dem Konvent auch so bleiben und wir
lernten, sie selber zu stricken. Nachdem wir das kannten, erfanden wir noch mehr und keiner braucht hier mehr zu frieren, wenn
er krank ist. – Und ich glaube, nun sagt auch keiner mehr über uns, wir seien die Galgen-strics, sondern nur noch Die Stricker. Wir bekommen jetzt Wolle von der Frater-Herren, spinnen sie und und stricken Beinlinge und Ärmel." – Jan-Hendrik hat den
kleinen Block herausgezogen und versucht, die Mütze in ihrer phantastischen Wärme und Weichheit zu zeichnen. "So welche
hab ich in der Gegend und da, wo ich war, wirklich niemals gesehen. Also ich find sie schön und lustig - wenn man sich erstmal
gewöhnt hat – so weich!" sagt er. – Bruder Jacobus, in die letzten sechs Bäumchen vertieft, erläutert: "Die Ritter Stric hatten sie
von Jakobitern erbeutet, das sind – da war eine schlimme Sache in der letzten Centurie: Da lief ein falscher Bischof namens
Jacobus nahe des Rheinlands umher und weihte überall jeden, der wollte, zu Diakonen und Priestern, für geringe Gebühr – aber
eben – er war kein Bischof und die waren nun allesamt ungültig geweiht, also auch alle Sakramente, die sie dann spendeten,
waren im Zweifel.- Und dieser Jakobus war leider sehr fleißig – es dauerte Jahre, bis man alle ungültig Geweihten gefunden und
nochmal gültig geweiht hatte. - Wer sich weigerte, sich gültig weihen zu lassen, weil er nun dafür auch die übliche Gebühr
entrichten mußte, war ja Laie wie vorher. – Aber damit man sie nicht doch noch für Geistliche hält, wurde verordnet, daß sie
diese Mützen anziehen sollten, damit man sie fragt, was passiert sei. - Unser Lieber Herr Ritter Hiärm Stric wußte, daß auch
zwei unserer ersten Brüder darauf reingefallen waren, und weil man durch die Bärte hier ja keinen mehr erkennt, beglückte er
den ganzen örtlichen Konvent mit solchen Mützen. – Die andern Jakobiter draußen trugen sicher ihre Mützen schließlich doch
nicht, da hat es ja kein Abt befohlen. Ich hab damit auch keine anderen gesehen." - "Hier sind ja auch keine." – "Aber junger
Johannes! Meint Ihr, ich sei gleich hier als Kloster-Bruder geboren? - Ich dachte da an früher, als ich noch gefahren bin und." –
und damit schweigt er plötzlich. – Man versucht ja, es möglichst alles zu vergessen, wo und wer man vor dem Eintritt bei den
Wilhelmiten war – verboten ist es nicht, aber tut immer noch weh. - Als ihm das Loch in dem Geplauder auffällt, das er grad
verursacht hat, endet er mit " ... und eben, ich sah sie sonst nicht." –
Jan-Hendrik – plötzlich etwas besorgt - will nun wissen, ob etwa jeder ein Mörder gewesen sein oder einen kennen muß, der hier
einzieht und Wilhelmit werden will. - Bruder Jacob lacht: "Ooh nein, das hab ich aber sehr miß-gesprochen! - Die am Anfang,
anno 1351 hier und woanders - da waren viele un-ehrenhafte Ritter, die sich bekehrten und als Mörder dabei, die aber alles
bereuten – wäre es nicht ums Hängen gegangen für das, was sie taten, hätten sie gewiß eine Enthauptung als Sühne gewollt –
und vorbei. Schon bei Kain und Abel war aber doch niemand geneigt, auch den zweiten zu töten, doch er sollte nicht bei den
Lebenden bleiben - ihretwegen. - Daher lehrt doch der Glaube Vergebung und Umkehr. – Inzwischen ist es die Lebens-Form
Klausnerei, die auch Männer anzieht, die von Anfang an den Wunsch spüren, sich vor G"TT zu erforschen und dies Leben zu
teilen. Zum Beispiel in großer brüderlicher Liebe traten bei der Gründung – zu Vigil Sünt Catharinen anno 1351 am
24.November unter unserem Lieben Herrn Prior Gerd Rode selig – wie gesagt – und er ruhe in Frieden – zu den Pflicht-Büßern die waren teils schwer zu ertragen, von so wilden Sitten und aufbrausendem Wesen – aber schon gleich auch die Freiwilligen
ein, man kann fast sagen, ein bißchen als Wärter über jene, damit sie nicht trotz aller Vorsätze hier herum etwas anrichten
gehen. Diese konnten dann wieder mit ihrem Erb-Teil nach Jahren heraus, als es genügend andere hoch-herzige Sühne-Brüder
dabei gab, die sich auch nichts zuschulden kommen ließen und die wilden sich völlig gewandelt hatten und nun selbst auf sich
achteten – oder eben natürlicher-weise entschlafen waren. – Jetzt kann hier jeder ganz ohne Sorge in unserm Busch sicher
schlafen oder wenn er mag, sich anschließen – es werden ja zeitweise Klausen auch frei. Zwanzig Mann sind wir nur noch
selten" +++
Du findest beim Überqueren der Uchte im Wald ein sehr liebliches "Denk-mal", da geht die Jungfrau durch das Laub, so einfach
mitten zwischen hohen Bäumen, und je nach Jahres-Phase umspielt sie lichtes Grün des Frühlings oder Gold und Braun dem
Herbst entgegen, dann wieder druckt sie sich tapfer durch wattigen Nebel oder bläuliche Stille eines Schnee-Tags vertieft ihr
Grau in etwas Klares wie Eis – "In Umkehr und Stille liegt euer Heiles, in Stillhalten und Vertrauen eure Kraft" - Sonne trifft
manchmal dorthin, und dann schimmert sie plötzlich wie grüßend heraus, an anderen Tagen mit regen und Sturm mußt du fast
nach ihr suchen – sie ist wirklich sehr schön dort in ihrer Versunkenheit anzuschauen, so seltsam richtig zugleich und dir
anscheinend doch unerreichbar. Ihr Blick und Gesicht ist geneigt und eigentlich tut sie nichts weiter, als eben inne-zuhalten mit
Schreiten, weil ihr etwas durch die Sinne geweht – was es auch sei: dieser Wald ist es nicht, nicht der Fluß und sein Übergang
vor ihr, nicht die verstreuten Stein-Reste, die noch so tun, als seien sie von jener Burg, die hier irgendwo war. Vom Beleben lerntest du: Die Statue - von Rainer Maria Rilke: / Wer ist es, der sich so liebt, / daß er sein liebes Leben – für dich
gibt?... – ja, genauso hat man früher Gedichte aufgesagt. - Aber du hast es auch wirklich interessant gefunden und zur Gitarre
gesungen, mehr um noch weiter darüber nachzudenken, denn eigentlich – was wär gut daran, wenn diese Jungfrau im Wald
plötzlich auflebte und dann geht? – Doch wenn du sie zufällig wiedersiehst, siehst sie immer noch auf eine Stimme in sich und
wird dessen nicht müde, sich zuerst alles einzuprägen, was sie da erkennt. Merkwürdig glaubhaft, ihr Zögern. – Der eingefangene
Moment in dem Stein, der währt an, das bleibt dort, bis deine Gedanken auch bis hierhin mitgekommen sind. Die Skulptur läßt
dem eiligen Menschen viel Zeit, daß er dazu was meine – in derselben Zeit wird er selber gar fünfzig und älter und kam doch
nicht dazu. Und so geht's uns mit Andern, die leben – ach, manchen prägst du dir ein und mußt aber erst noch dies und noch das,
und kommst wieder – da ist er schon neunzig – aber das war er doch eben noch nicht? – oder ist schon im Himmel – und eh du
dich versiehst, war's das auch schon für dich. Jan-Hendrik sitzt etwa fast genau hier und sieht über die Uchte hinüber, dort sammelt die Jungfrau Matha ganz eilig und heimlich
ein Körbchen voller Was-weiß-man-schon – was so Frauen eben immerzu brauchen, Flechten und Moos – drüben sollte sie
eigentlich gar nicht sein und er – er steht "zufällig" Schmiere und wacht - falls irgendwer des Weges kommt, wird er laut und
freundlich grüßen und hingehn und irgendwas fragen – dann kann sie sich verbergen. Es ist nicht so abgesprochen – daran dächte
sie nie – aber wenn es sich so ergibt, behütet er sie ganz gerne von ferne. - Er muß nachdenken über das Minnen und Lieben und
was er da eigentlich will – und sie ist in ihr Leben derartig vertieft, daß sie seiner nicht achtet, ganz als blieben sie einander wie
Kinder, denen es nur um das Gemeinsame geht. - Das Gemeinsame ist ja der Alltag auf dem Kirch-Hove und die Gespräche über
Ideen. - Seiner Schilderei geht er zur Zeit immer nur kurzfristig zuleibe, denn zum Lebens-Unterhalt streicht er an den Häusern
des Wigbold mit Laurenz und zwei-drei Helfern Fassaden an. – Rosa und Bläulich und Gelb, Fenster weiß abgesetzt, muntere
Dach-Reiter – heitere Türen mit Hinweisen: "Gut Ledern Schuch – mit Wichse-Fett 3 Jahr gratis - hier" – "Der beste Sattel für
Euer bestes Pferd – bemüht Euch hier herein" - "Feines englisch Wollen Tuch – Sünt Brixi auf Termin" – "Tovel-Metz
Leutersdorfer beste Isen-Ware – hier und Sünt Remigii Borken auf Termin" – ja, ja, es tut sich einiges, das Wigbold blüht, der
Markt gedeiht und manches kann man fast das ganze Jahr erhandeln, wenn man Leute kennt. Manche gab es mit verteiltem Sitz
und eigener Straße wie: "Bestellet Ewren Hering hier – Besuchet an Fabian Sebastian im Osterwic bei Schulthen Oudenhove" –
dieser gehört zur bentheimschen Burgmann-Familie v.Langen zu Ost-Beveren und sie holen den Hering ins Land, jeden Herbst,
das verkaufte anno 1342 Herm van Langen dem Stifte Asbeki ganz, nachdem es schon gut hundert Jahre seinen Hering aus dem
Zehnten von dem her bezog. - Es wird gemunkelt, daß der Oudenhove-Schulte, auf dessen Grund auch die Pfarr-Kirche Sünt
Fabian-und-Sebastian steht, wieder den Herrn wechseln wird, denn man sieht ihn bei den Kornetts v.Bever – bentheimsche und
auch bischöfliche Burg-Männer – ein-und ausgehn, ja - und viele Expeditionen macht er mit beiden Schulten Averdiek und
Overwater-Künningk aus gemeinsamem Kasten. Nachdem Edel-Jungfrau v.Stemwert anno 1420 vom Graven Eberwyn
v.Bentheim geehelicht wurde, fiel kürzlich das Erbe so an, daß Averdiek nun zum v.Stemwert-Besitztume zählt – da soll einer
noch durchblicken können – jedenfalls, Jan-Hendrik bekommt dadurch Aufträge, überall Wappen-Schilder zu ändern oder
ergänzen. – Dann bleibt die Altar-Schilderei wieder liegen. - Er versucht es so einzuteilen, daß sie ohnehin trocknen muß,
nachdem er eine Partie nun-endlich völlig fertig ausgemalt hat. – Immer noch sind aber Stellen nur ungefähr soweit fertig, daß
noch Gesichter, Blick, Kleider-Muster, Hände – all sowas Genaueres eingetragen werden müßte. - Manchmal bekommt er auch
im Dorf und an den Höfen anzustreichen, gegen guten Lohn, oft nur solid zu beizen und zu firnissen – zum Beispiel die stattliche
Herberge Schulte Over-Water-Künimngk an der Einfahrt aus Haverenbeke und Gemen, Ramesberg, Ahues – Stemwert und
Bentheim her. - Das ist zur Zeit wirklich die ansehnlichste Einfahr-Diele weit und breit - von außen unter einem großen warmen
Dach vereint, inn-wendig fast ein Markt-Platz selber, zwei-zeilig umgeben von Ställen und Schlaf-Kammern und darüber noch
ein gewaltiger Stau-Raum für Waren, wie sie hier lagern und abgeholt werden. - An der Stirn-Seite der Diele wirtschaften
immerzu die Koch-Diener für die Reisenden, rechte Portionen drehn sich an Spießen, große Tonnen mit Koit, Bier, Fleisch,
Fisch, Kappes und Beeten – kleinere mit Honig-Schmalz, Grieben-Schmalz, Sirup, Mus – Krüge mit Oliven-Öl, Lein-Öl,
Liudwinnen-Düörpschkem Hervurth-Wein - ein gewaltiges Schapp für gebackene Brote und Pumpernikel – mit schweren
Schlössern gesicherte Kasten Pfeffer, Münzen und Stein-Salz. Weiter hinten eine Kammer mit Verkauf von Messern,
Zaum-Zeug, Ketten, Trink-Gefäßen, Krüge, Schläuche, Schweins-Blasen, Beutel, eine kleine Auswahl in Kommission für eilige
Durchreisende und ihre schnelle Versorgung. - Da hat er letztes Jahr mit fast 10 Mann genügend zu tun dran gehabt, alles
anzustreichen und wetter-fest zu versiegeln. – Man mag jetzt auch, daß er ein paar Pferde und Ritter und schöne Jungfrauen an
die Wände der Diele malt oder einen rasenden Fuhrmann mit hoch-beladen schwankender Last – oder einen maien-bekränzten
Passagier-Transporter mit zwanzig Gästen drauf, die lustig singen und mit den hiesigen 1-A-Trink-Beuteln winken – er macht es
auch ganz gerne, um Erfahrung in die Finger zu bekommen – und weil dann auch für die altar-Schilderei immer etliches an
Farben abfällt. – Auch bei den anderen Schulten geht es teilweise ähnlich zu. –
Er jedenfalls – er kann davon nun Laurenz und Frau Mutter Aleidis und Jungfer Matha schön mit-verdienen lassen, seit deren
Öhm Herr Akku wegen seines kranken Herzens nicht mehr viel anpacken kann. Dieser reibt nun für Jan-Hendrik Farben an. Und da ist Tag und Nacht am Ort nun immer Fuhr-Fahr-und-Fähr-Betrieb - immer laut natürlich - immer hastig und dadurch für
manchen auch gefährlich. - Die halbwegs festen Wege aus Ost über das Weser- und Wiehen-Gebirge enden ungefähr hier und am
Ramesberg. - Der Schwer-Verkehr zieht noch das Wasser als Wege hinzu - und da kann man im Winter die gefrorene Uchte noch
nutzen, die vielen Schulten am Ufer hier laden die Waren auch um für die verschiedenen Kauffahrer nah und ferne. - Hier war ja
immer schon viel los, schon als Jan-Hendrik hier ankam, aber seit dem gewaltigen Umbau hier ist es atem-beraubend. Nach
vielem Verhandeln ist man sich auch bei den Gemeinds.Männern und dem Wigbold-Rat einig geworden, die Stra0en in den
Haupt-Richtungen wirklich für Schwer-Transporter zu befestigen – nicht etwa des Lieben Herrn Grave Everwyn allein zuliebe,
der schön stabil als Advocat des Landes waltet, sowohl für Abtei Hervurth als auch für Bistum Münster und sogar für Colnaburg
im Erz-Bistums-Bereich – nein, auch in Eigen-Leistung liegt der Schulten-Konferenz daran nun viel – seit langem kann der Ort
die Früchte von der Arbeit aller auch genießen. Der bemerkenswerte Segen liegt darin, daß diesmal alle Herrschaften recht lange
schon dieselben blieben - man weiß, wo man dran ist. – Seit dem 13.Mai anno 1433 ist der Deutschen-König Sigismund auch
richtig wieder Kaiser seines Kaiser-Reiches wie sein Vater, wenn auch spät – aber da, er residiert in Wien – da muß ja niemand
häufig hin. Aber man kann. - Zu den Krönungs-Feierlichkeiten ist natürlich eine Abordnung seitens Abtei und Bistum und
Grafschaft aus drei Gründen hingefahren – Jan Hendrik hat seitdem verschiedentlich Doppel-Adler mit weißen
Hilligen-Scheinen, also Nimben zu versehen Arbeit bekommen. Kurz danach ist Grave Rudolf v.Diepholz Bischof v.Utrecht
geworden – nah zu Graven v.d.Hoya verwandt – Franz Foscari regiert als Doge Venedig – Genua in Mailändischer Hand
untersteht Herzog Philipp Maria im Moment anstelle eines Dogen – tja, sonderbar, so etwas weiß man hier plötzlich, seitdem. Kaufmann Rogier war hier und erzählte, er lernte das Schilderer-Handwerk nun mit gutem Erfolg bei Meister Robert Flémalle –
welcher Jan-Hendrik freundschaftlich grüßen lasse und frage, wie es mit seinem Meister-Stück stehe - und er habe auch Brüsselle
gesehn – nein, ihn leider nicht. - Er wußte, daß Jan-Hendrik nach seinem Lieben Meister fragen würde. Aber er sei schon dem
Lieben Herzog Philipp v.Bourgogne – er sagt jetzt schon Bourgogne, nicht Burgund – vorgestellt worden – diesem ergehe es
prächtig, er disponiere jetzt um, vom englischen Bündnis nimmt er seit der Rückkehr des Anjou-Königs auf seinen Französischen
Thron Abstand, regiert ja nun in Seeland und Holland anstelle Baierns auch Nord-See-Gebiet - und dieser werde ihn wie Meister
Jan van Eyck künftig in seine engeren Dienste ziehen. Da gibt es Maler-Arbeiten in diplomatischer Mission – drollig, was? –
Jan-Hendrik kann sich darunter nichts vorstellen, außer daß man vielleicht etwas gast-weise ausführt und eine Braut portraitiert –
ob dann der Rest sich durch Heirat erledigt? Während sie dieses und vieles besprachen, gingen sie ein Stück weit von der Herberge weg, um mehr Ruhe zu haben. Das
Gebrülle der Fuhr-Leute und die Rennerei der hoch beladenen Fracht-Heuerlinge war ja wieder mal nicht auszuhalten – und dann
noch ein paar fluchende Schiffs-Führer mitten-mang mit ihren Sonder-Wünschen: Es ist ihre Dauer.-Litanei der täglichen
Arbeits-Freude, weil der Stockumer Treck wieder mal ein Wein-Schiff aufzutreiben oder neu zu bauen hatte, wie seit
Menschen-Gedenken alle fünf Jahre. - Mit diesem Wein-Schiff mußte es was Besonderes haben, es fuhr doch nur von der
Verlade-Stelle Duisburg Kelter-Huis Lippe-aufwärts getreidelt nach Hervurth und kam mit der Strömung zurück den Abtei-Wein
und Messer aus Luidwinnas-Dorf – dorthin brachte es ein anderes Schiff über den Rhein, ein beträchtlich großes – der Nachteil
der großen Kähne ist allerdings, daß im Rhein Sandbänke sind und nicht immer da bleiben, wo sie vor Jahren noch waren. Aber
Salm erntet man reichlich darin. – Tja, die Lieben Frauen von Hervuth. Alle paar Jahre fahren sie selber mit und sehn nach ihren
Manewerc und Vineae, was man gemeinhin Wein-Berge heißt. Doch gutes Eisen wächst dort auch, und etwas Kupfer, etwas
Silber, dazwischen wunderschöner Edel-Stein. Das ganze Land ist voller "Steine", wie Araber dazu sagen, Stätten, die an jemand denken machen, Erinnerung, an eine Bitte oder
Rettung mithilfe der Verehrung G"TTES und der Hilligen – und auch der Dank bekommt sein Mal – an unseren Kreuzungen in
der Gemarkung beginnen ganz regelmäßig die kleinen und größeren Stationen zu stehen – weil jede anders ist, helfen sie
Fremden, sich zu orientieren, wenn die diesen oder jenen Hove oder Weg direkt aufsuchen wollen. –
Es braucht nicht mehr jeder am Gemarkungs-Rand empfangen und hier strikte an allem vorbei persönlich begleitet zu werden. Es kommen zu viele und man gestattet ihnen bestimmte Wege probe-halber ganz. – Unsere Mühlen sind Frei-Plätz, ebenso wie
der Kirch-Hove, also die Kirch-und-Mühl-Wege sind öffentlich – Man vereinfacht vieles durch Zusammen-Legen – aber daß die
Frei-Gerichte jetzt kaiserlich gestrafft werden und zuoberst aller hierzulande Dortmund mit seinen 14 Freigerichten
herausgehoben wurde, gefällt dem Hinter-Land nicht so besonders. Auch die bisher freie Hanse hat sich dem Reich eingegliedert
als 5.Handels-Macht – Venedig ist ja auch frei-kaiserlich, Nachbar Osmanen - Sultan Murad II - Hohe Pforte – Es fehlt nur
wenig, daß das islamische Reich Konstantinopel übernehmen wird. - Zuerst fällt dir nur auf – wenn du den Ort besuchst:
Gebets-Statiönken groß und klein – im Wesentlichen mit nicht vielen Themen: Kreuzweg – Kreuz – Maria – Josef – Anton – Da
gibt es hier andere, heißen wieder Marien und sind völlig anders, mutter-satt schauen sie sonnen-ähnlich herum, während das
Kind auf ihrem Arm sich alleine beschäftigt, aber fast als Gefangener seiner freiwilligen Machtlosigkeit, Mensch zu sein. Dem
Künstler und seinen Auftrag-Gebern sind oft diese Mütter wichtig, so attraktiv allerseits – und es gab sie gar doppelt für die
Anbringung mitten im Volk, daß sie keinem den Rücken zuwenden – Du weißt, daß es in Süd-Deutschland für katholische
Gegenden typisch ist, die Marterln heißt, und in anderen als Flur-Denkmal mitunter überdauert, dann am ehesten solche, wo zu
vermuten ist, daß da ein toter Mensch gefunden wurde und ein Rechts-Fall war zu klären, nachher nutzt das Mal vielleicht als
Grenz-Stein weiter. - Und dann verliert sich die erinnerte Begebenheit – und als ein Bilder-Sturm in vielen Landen all die
Gebets-Stationen zum Merken weggerissen hat, da bricht sogleich ein langer Streit um Grenzen aus und Krieg reiht sich an
Krieg. - Aber hier stehen die Stationen einfach auch zum Dank für eine Rettung und sind im Neben-Effekt Markierer der Wege
zueinander. Und das Recht wird noch selbst besprochen - sooft es möglich ist, klärt man friedlich die Dinge im Ort. –
=*** =
Heute kann Jan-Hendrik einer Gerichts-Verhandlung beiwohnen, welche die Einheimischen mehr amüsiert als bekümmert. Ein
kleiner Borg tritt als Angeklagter des Schneider-Jung-Gesellen Matthes bei Meister Tiarksena im Wigbold auf. – Die
Ehrenwerten Hochgelahrten Doctores, was die gräveliken Legisten beider Rechte sind, haben ja für den Lieben Herrn Graven
v.Bentheim in seiner Eigenschaft als Advocatus sowohl der Abtei Hervurth als auch des Bistums an den Go-Gerichts-Tagen und
bei anderen Gelegenheiten für die friedlich-schiedliche Beilegung von Schaden-Ersatz-Fällen mit zu sorgen. Bevor es richtig losgeht, wird in der nacheinander eintreffenden Versammlung der Schild-Freien des Go zur Sand-Welle – dem
sich vielfach schon aus den 15 Kirchspielen die Hälfte der früher zur Folge Verpflichteten entzogen haben - zugunsten kleinerer
Herrlichkeiten wie das Haus des Schüöpen Kornetts Torck zu Asbeck – über die Situationen debattiert. Das Reich legt nun mehr
Wert auf Recht-Sprechung nach zentralen Codices, nachdem die große Kirchen-Spaltung Völkern so geschadet hatte, weil bald
alles auseinanderlief und nur der Fleiß der großen Schulen Bologna, Prag und vor allem Paris den Fürsten einheitlich geklärt
hatte, wie ihre Stellung zueinander und inmitten der alle nun noch wieder vereinenden Kirche vorläufig beschaffen ist – oder so.
Das Frei-Gericht hatte in der rechts-unsicheren Zeit wenigstens weiter arbeiten können, weil es auf Basis-Rechts-Findung und
Brauchtum basiert. – Unterschied ist, daß Grenzen und Grenzken bis auf Meter genau voneinander geschieden sein müssen, wo
man bisher weit genug auseinander zurecht-kam, und daß beim königlich-hohen Gericht Protokolle geschrieben werden – das
Frei-Gericht notiert weiterhin nichts außer Urkunden. - Das Frei-Gericht verhängt Bußen, zugunsten des örtlichen Wohls - aber
weiterhin, wenn Not-Ruf erschallt ist, gibt es die drei Ausgänge: Eid, Ordal – Wahrheits-Probe bei Nicht-Adel oder Zwei-Kampf
beim Adel - oder der Fall erweist sich als gegenstandslos. – Ein gefundener Schuldiger soll aber dem kaiserlichen Gesetz-Buch
überstellt werden - zur Verhängung unterschiedlicher Strafen. Das Eigeneist irgendwie schlichter. Ein angerichteter Schaden ist
wieder-gut-zumachen, ein überwiegend mündlicher Codex stellt fest, was darüber hinaus noch zur Sühne angebracht wäre, damit
dann wieder Friede sei. Jan-Hendrik ist dem Go-Gericht noch nicht verpflichtet, mit zum Entscheiden anzutreten – er ist ja auch erst etwa 6 Jahre im Ort
und wüßte nichts über Brauchtum der Maßstäbe beizutragen – doch er bat verschiedentlich, einmal an einer Verhandlung
teilnehmen zu dürfen, da er den Prozeß Jesu für Hiesige lieber authentisch malen würde – Er selbst hat keine
Heer-Schild-Freiheit und ist noch nicht direkt ein Bürger, wohnt noch immer am Kirch-Hof und zählt so etwa als
Ehren-Pauls-Freier hier – was er an den Orts-Pflichten mitmacht, tut er gewissermaßen im Namen der Lieben Frau Mutter
Aleidis de arimatta, seiner Nachbarin, für die er wie ein großer Sohn liebevoll sorgt.
Er hat auch seine Meister-Prüfung noch vor sich und ist etwa 18jährig – so genau weiß er es nicht von sich. - Der Liebe Herr
Meister hat ihn ja in einem ausgestorbenen Weiler bei Ulm aufgefunden als letzten Überlebenden. Er erinnert sich an fast nichts –
und wenn, weiß er nicht, ob es dort war – er war eben noch sehr klein und hat auch nie viel gefragt. Zu arbeiten gibt man ihm
hinreichend, um davon zu leben – aber an seinem Tisch sitzen oft bis zu zehn, die es mitversorgt – und zu mehr reicht es wohl
auch mit Meister-Breve nicht.Da ist es kürzlich vorgekommen, daß der Bert v.Schulte-Ebbinghove von der Fahrt nach Regensburg Unter-Isling den Schwank
vom Tapferen Schneiderlein zur Isling-Au nachhaus mitbrachte. – er leitet gern das Wort Schulte von Skalde ab und singt sehr
gerne auch längere Balladen auf und hat auch ein gutes Gedächtnis für einmal gehörte Spielmanns-Lieder. - Da kam unter andern
die Szene vor, wie das Schneiderli den wilden Borg fangen soll, der den Gärten durch sein eifriges Umpflügen immer wieder
beträchtlich schadete. - Regensburger Schneider gelten ja laut "Ze Regens-Burg aaf de' Kirch-Dorn-Spitz, do saßen de Schneider
z'samm..." als besonders zierlich und dünn. – Also das re'ensburgisch Schneiderli löste die Aufgabe so, daß er den wilden Borg
auf sich aufmerksam machte und dann so schnell es ging vor ihm weg rannte, in ein Marterli, eine kleine Straßen-Kapelle, hinein
und durch deren kleines Fenster wieder hinaus, während der Borg nun auch hinein stürmte – dann warf das Schneiderli von
außen die Tür zu und so war er gefangen.
Nun, nachdem bei den Schneidern im Wigbold die kleine Ballade genug oft mit Genuß gesungen, die Mär des öfteren erzählt
worden war, reizt es besagten Gesellen Matthes, dies Kunst-Stücksken nachzuahmen - er paßt ein herum-schweifendes kleines
Borg-Schwienken beim Stockem Ssünt Expeditii-Kapelleken ab, das kleine Fenster besitzt - neckt das Tier, damit es ihn verfolge,
rennt in das Hilligen-Häusken und versucht, durch das Fenster-Loch schnell wieder heraus-zukommen – zwei Lehrlinge sind bei
ihm und diese sollten – um die Sache zu vereinfachen - dann rasch die Türe verriegeln – was sie auch eilig tun. Wie das so mit nur gehörten Helden-Stücksken ist, ist unerwartet zweierlei passiert: der Matthes ist nun doch nicht akrobatisch
genug, aus dem Fenster-Loch zu entkommen und rettet sich nur hilfe-schreiend von dem Fenster-Loch auf den kleinen Altar.
Außerdem reißt er sich beim Versuch, aus dem Fenster zu kommen, eine Schramme an den rechten Arm. – Und der Borg
zerdeppert etliche Werte – das Reliquiar der Sünt Expeditii-Legionäre, einige Kerzen-Leuchter aus Stein-Gut und ein besonders
schönes Sträußken ewiger Blumen. - Fast hätte es da auch noch gebrannt, aber Matthes brüllt rechtzeitig Zeter-und-Mordio und
es-brennt-es bräh-ennt! – da reißen die Kurzen rasch die Tür wieder auf und helfen, das Feuer der umgeworfenen Kerzen aus zu
patschen, während der Borg erleichtert zwischen ihren Beinen hindurch mit blutiger Schulter und Nase das Freie gewinnt. Die jungen Burschen schweigen natürlich zunächst über ihre Täterschaft, weil sie Strafe fürchten müssen. - Ergebnis ist, daß der
erschrocken geflohene Borg sich an der Schulter verletzt und einen Blut-Fleck hinterlassen hat – und daß Matthes wegen des
verletzten Arms eine Woche lang sehr wenig zu nähen zustande-bringt - daß die Bruderschaft der Sünt Expeditii Legionäre den
Sach-Schaden als auch die Entweihung des Hilligen Ortes durch gefundenes Blut, das geflossen war, sofort zur Blut-Anklage
gegen Unbekannt anzeigt. Es kann ja wirklich ein Verbrechen geschehen sein. - Nachdem es sogleich vom reitenden Herold in den zunächst an die Kapelle
grenzenden Legionen vermeldet wird, daß jeder, der sach-dienliche Zeugen-Aussagen machen könnte, sich sofort zum
Not-Ruf-Tie einstellen solle – am Stool-un-Dischken von Haverenbeke, wird auch das Wigbold informiert. – Da gestehen die
jungen Burschen zumindest soviel ein, daß ein Borg-Schwein der Verursacher des Fleckes und der Zerstörungen gewesen sei –
und Geselle Matthes ging noch einen Schritt weiter und weist seine verletzte Hand vor, behauptend, das Ungeheuer habe ihn
dort-selbst gekniffen, in der erklärten Absicht, ihn anschließend ganz zu verschlingen. - Und er fordert kühn Schmerzens-Geld
von dem Borg, um seine Darstellung wahrer erscheinen zu lassen. – Er spekuliert gar darauf, ihn als Braten zugestanden zu
kriegen – so wenig Ahnung hat er von der Gerechtigkeit.
Sogleich fordert sein Meister als nunmehriger Neben-Kläger Schaden-Ersatz gegen den Borg "für entgangene Arbeits.-Leistung
seitens dieses sonst so unschätzbar fleißigen teuren Gesellen". - Die Sünt Expediti Brüder schließen sich an mit ihrer Forderung
nach hoher Sühne wegen des Sacrilegiums, auch noch außer der Zerstörung von Kult-Gegenständen die Entweihung durch
Blut-Vergießen auf den Hilligen und das Häusken geladen zu haben.
Die auf den Notruf hin gekommenen Versammelten kommen schnell zum Beschluß, den Übeltäter nun also zu ermitteln und vor
das Ordal zu laden und zu verurteilen.- Zugleich werden auch alle Sau-Hirten der Gemeinde berufen, unter ihren Tieren
Ausschau zu halten nach einem kürzlich verletzten "ziemlich wilden und großen". - Nach zwei Tagen wird entdeckt, daß nur der
eine Borg sich in den letzten Tagen blutig verletzt haben konnte – allerdings von keineswegs so arg bedenklicher Größe – jedoch
die Klage ist nun-mal anhängig, und so wird der Beklagte alsdann vom Buern-Boten mit zwei Schöffen und dem Oer-Latern des
Gerichtes zur Verhandlung gebeten. – Er kommt auch ohne sonderlichen Widerstand mit, am Reep, läßt sich zu Ehren des Freien
Stool-Gerichtes abschrubben und zum Dischken führen und bekam auch seinen Vorsprech zugeteilt – selber zu reden, ist ja
sowieso nicht vorgesehen und ein Geständnis entbehrlich, weil das Ordal Schuld ermittelt.
Die Versammlung ist sehr gut besucht, zumal es bereits novembert - und so richtig viel Arbeit liegt um die Zeit herum auf den
Höfen nicht an. - Das Wigbold hingegen schuftet Sommer wie Winter durch, ist aber sehr interessiert an dem Rechts-Gegenstand
eines Prozesses "hilfloses Jung-Handwerk versus gefährliches Schwein" – immer ein bißken im Unterdrückungs-Gefühl, als
selbst-bewußte aber relativ zu wenige Städter durch mitunter gefährliche Nebenwirkungen– wie ein wahnsinniger alleine
herum-schweifender Borg - seitens der bäuerlichen Umgebung umzingelt zu sein. - Also versuchen auch viele vom Wigbold, an
der Verhandlung teilzunehmen. - An der Welle unter den Frauen wird auch eifrig darüber spekuliert, und die Sympathie einer
hier stärker verbreiteten Mütterlichkeit lag natürlich bei zierlichen Schniderken Matthes, dem Opfer des nun schon ins
Apokalytische vergrößerten Tieres, das gewiß irgend-einem ungeheuren Sumpf-Loch des Venns entkrochen sein mochte – gewiß
ausschließlich, um harmloser Handwerker Kinder zu fressen – zumal es sich doch an einen fast schon erwachsenen
Jung-Gesellen gewagt hatte und sich eines offenen Sacrilegiums vermaß – und man war voll des Lobes über die
Hilfs-Bereitschaft der hoch-verehrten Lieben Sünten Legionäre Expeditii – wenn die man nur jetzt nicht verärgert wären! – Man
würde ihnen wohl mindestens ein Pfund guten Wachses spenden wollen, damit sie versöhnt werden.
Und die kleinen Krotten nahebei üben bereits mit Paneelen, Stöckern und Flitze-Bogen den Lint-Worm-Kampf für den Fall einer
solchen Begegnung – "Stell dich, du Unhold!" – "Falsch! Un-Tier, Ungeheuer – nicht Un-Hold, ist doch ein Borg." - und "Da
und da! - Ich werd dir's zeigen, du arger Gesell!" schallt es aus dem von ihnen dazu ernannten Bleek-Feld der Stunde und ab und
zu ein Jammer-Stimmken: "Au, du hast mir weh-getan – ich bin doch kein Lint-Worm nich' – bin ich nich'!" und die barsche
Knaben-Antwort: "Nu heul nich' – wat wills'te-iä'schd seggen, wann dat nacht-funkelnd Gulden-Boerstingk ju iä'schd tüschken
de Teen hett as-wie den dapperen Schnieder-Gisellen Matthes?" – Wenn da so ein Ungeheuer in Stockum gesichtet worden war,
gab es vielleicht davon ein ganzes Nest in der Nähe und wer-weiß-noch-wieviele Verwandte? - Der Sommer war heiß gewesen –
am Ende hatte er längst für ausgestorben Gehaltene aus diesen Schlangen-Eiern, die der Wunder-Medicus an der letzten Sünt
Brixi Miss verdächtig günstig feil-geboten hatte, ausgebrütet? .
Also der unklare Not-Ruf des gebotenen Tie bringt einige Anregung in den heute sonst eher trüben November-Tag. Auf dem Dischken und Stool nimmt inzwischen das Hohe Gericht von Stockum seinen Gang, wozu natürlich dem Angeklagten
die Leine abgenommen wird. - Jan-Hendrik durfte diesesmal mitgehn und zusehn, weil er sehr gebeten hatte, es einmal in einem
richtigen Fall mitzuerleben – er zeichnet ihn nun, wie er da so golden-weiß-rosig, klein und ahnungslos vor dem Richter-Stuhl
steht. - Er versucht, die Gerüche des Ortes zu begreifen - bedauernd wohl, daß das hier nur ein Sand ist, dem wohl gar nichts
Eßbares abzugewinnen sein würde. - Die Ankläger hatten der Reihe nach Hand an ihn gelegt - in Ermangelung eines Kragens auf
die Schulter, wobei der Jung-Gesell Matthes merklich zögerte – fürchtend, der Borg werde sich seiner zu deutlich erinnern – aber
der ist abgelenkt durch die verwirrend vielen Leuten um ihn und das Getatsche auf seine Schulter. –
Zwei der Schöffen aber vermerken das Zögern des Jung-Gesellen und auch den anderen schien es sehr unwahrscheinlich, daß
dieser doch noch nicht einmal schlacht-reif erwachsene Borg – der jetzt doch eher noch als Varken zu definieren wäre – sich
eines mörderischen Angriffes auf einen Menschen unterfangen hätte. - Zwei Bauern in Jan-Hendriks Nähe tuscheln spöttisch
zueinander: "Also ein Un-tier will das ja wohl nicht vor der nächsten Mast werden. – Aber die Lütken Laerer Gebrüder Brock
und Sinti von Tyr schmiedeten doch den Reit-Eber Guldin-Borsti, dessen Borsten nachts am Himmel leuchten und der schneller
als alle Pferde rennt – also auch den sich wöchentlich neun neue Gold-Ringe abtropfenden Ring Dropp-Nieder – n'bitken klein
geraten, aber der soll ja groß und stark sein – wenn er den Dropp-Nieder bei sich hat, und wenigstens einen Ring pro Woche
raus-quetscht, könnt er vielleicht leicht seinem Vormund den Schaden erstatten? – Vielleicht ist es so einer?"Ewald mit der roten Mütze lugt um ihre Ellenbogen – er ist recht klein, darum nennen ihn alle den Ewald – Laer liegt ja am
Ewaldi-Bach – er fügt hinzu: "Aber die Fraue Freyin - sie fährt doch eine von Katzen gezogene Kutsche, sie ist ziemlich klein –
ich kann sie ohne Beryll gar nicht sehen - gern reitet sie auch den schnellen gold-borstigen Eber Hell-ding-Schwien – vielleicht
ist der Wilde hier deshalb so klein? Der Schaden an so ´nem Schneider ist ja auch immer recht klein. – Er könnte vielleicht ein
paar Borsten spendieren?" – Die beiden sehn zu ihm herunter und sagen: "Ewald, du mußt grad darüber uzen." – "Immerhin bin
ich kein Schneider, sondern Sattler und keineswegs ein solch ein Dünnerken" - gibt er zurück. – Sofort werden sie zur Ordnung
gerufen, und Köster Thomas Goes eilt zu ihnen mit dem Straf-Gelder-Kasten - denn vor dem Frei-Gericht kostet jedes Schwätzen
eine Buße. - Sie holen jeder ihre Straf-Münze heraus – sie heißt Denar, ist aber kein echter Denar, sondern eine Pfandmarke extra
für diese Zwecke - man nutzt sie schon als Ortswährung mit. Hat man genügend davon, zählt man sie auf Gulden zusammen oder
gibt etwas zum Tausch dafür her. – Ewald guckt in seinen Geld-Beutel am Gürtel und murmelt übermütig: "Drei Bemerkungen
kann ich mir heute noch leisten" - woraufhin die anderen nochmal amüsiert ihren Blick nach ihm drehen, aber ansonsten wieder
ganz brav ihre offiziell martialische Miene aufgesetzt haben. Mit den Formeln, die Jan-Hendrik schon kennt, wird die Rechtmäßigkeit und Zuständigkeit dieses Gerichtes festgestellt. Der
Umstand teilt dann dem heutigen Go-Graven des Tie mit, daß die Gemeinde den Jung-Gesellen Matthes näher zu prüfen
wünsche, was an seiner Anklage dran sei. - Er wendet sich an diesen und fragt: "Was hat er an Zeugen des Vorfalles oder
anderen Beweisen vorzutragen?" – Matthes schreckt hoch – Zeugen! – seine drei Lern-Wichter würden sicher vor dem Hohen
Gericht nicht durchhalten, er zupft seinen Vorsprech am Ärmel und bedeutet ihm Nein. - Dieser formuliert: "Kläger ist der
Ansicht, daß seine Wunde Beweises genug sei" – aber Jung-Geselle Matthes legt die Hand auf den Mund. –
Der Vorsprech fragt ihn, was er Falsches gesagt habe. Matthes krempelt den Ärmel hoch und zeigt ihm, daß da nichts bis zum
Bluten verletzt war, es sind auch nur noch ein paar blaue Flecken erkennbar. - Doch schon hat der Vorsprech des Borg dies
vermerkt und bittet den anwesenden Feldscher um einen Blick auf die Verletzung. – Dieser schaut es sich an, drückt hier und da
drauf und erklärt dann: "Dies war eine Prellung und hat niemals geblutet – keinesfalls ist es eine Biß-Wunde gewesen." Matthes erbleicht daraufhin und bekommt nun ein sehr schlechtes Gewissen, was er da angerichtet hat – eilig tuschelt er seinem
Vorsprech zu, daß er die Klage zurückzuziehen wünsche, denn er hat plötzlich gewaltige Angst bekommen vor der so biederen
stillen Versammlung, der man ihr wirkliches Interesse daran, daß Recht geschehe, anzusehen pflegt – all diese Männer, die er
doch schon so gut zu kennen glaubte, sind hier so anders. – Sein Vorsprech runzelt die Stirn und auch der Vorsprech des Meisters
Tiarksena horcht auf. "Sag lieber gleich, wenn du noch etwas zu sagen hast." – Er zögert, sieht nach dem Borg und denkt, der ist
doch sowieso nur zum Brat-Spieß geboren, warum soll der nicht weiter der Schuldige bleiben? - So einem Schwein müßte das
doch egal sein. – Er also schüttelt stumm den Kopf. Der Matthes Vorsprech meldet dem Gericht, daß dieser Kläger angesichts des überführten Tat-Bestandes von einer
ihn-bezüglichen Blut-Anklage Abstand zu nehmen bereit ist. – Jung-Geselle Matthes nimmt die Hand vom Mund. Sein Meister
wird nervös. - Dessen Vorsprech fragt, ob auch er seine Klage zurück-ziehen wolle. Er sagt, die Sache mit dem Angriff sei doch
nicht vom Tisch. – Die anwesenden Schild-Freien beraten sich erneut und melden dem Umstand, es soll doch nun einmal
ausdrücklich nachgefragt werden, wie diese Sache mit dem Angriff angefangen habe. - Der Go-Grave gestattet nun dem
Jung-Gesellen Matthes das Wort und mahnt ihn er solle es ganz wahrhaftig hersagen. - Dieser beginnt das Ereignis
vorsichtshalber so spät wie möglich: "Also – eh, wie mich das Tier da eingeholt hatte und ich nicht durch das Fenster-Loch
paßte, und wie ich dann - auf dem – naja, also auf dem Altar stand, da hat es gerast und nach mir gegeifert, und den Altar
geschubst - naja, um mich runter zu holen – schauerlich geröchelt, gegrunzt und gebrüllt hat's und mich dauernd zu beißen
versucht. Und dolle Angst hab ich gehabt – ja." – Soweit war es ja wahr. - Der Vorsprech der Sünt-Expeditii Bruderschaft meldet
die Frage an: "Wolltet Ihr denn dort bei den Hilligen Schutz finden, weil der Borg Euch verfolgte?" – "N-jein, so direkt nich' –
wir waren eben da drin, nur, so. – Ja. - Also - wir waren eben ganz dicht hintereinander da ´rein gekommen." – Alle Parteien
dürfen nun fragen. - Der Vorsprech des Borgs meldet die peinliche Frage an, ab wo eigentlich dieser Angeklagte angefangen
habe, ihn zu verfolgen. – "Öh ja, also ab wo – ja, so ungefähr ab der Stockem Mühle, dem dieser Borg ja untersteht." – "Und
wieso habt Ihr Euch nicht da hinter die Mauer gerettet?" – "Oh – ist da eine Mauer – ja richtig, da ist ja eine Mauer, aber – aber
– och, das fiel mir da einfach nicht ein." – "Von dort bis zur Hilligen Sünt Expediti Station ist es aber ein ziemliicher Weg,
Schweine rennen doch gewöhnlich nicht viel weiter als 100 Schritt hinter einem her." – "Ich sag ja – er war ganz von Sinnen. Er blieb mir dicht auf den Fersen." – "Und warum habt Ihr dann bei der Kapelle nicht einfach die Tür hinter Euch zugemacht? –
draußen allein hätte der Angeklagte sich doch gewißlich beruhigt und wär wieder heim getrollt." – "Aber dann hätte ich ihn doch
nicht gekriegt!" – rutscht es dem Matthes heraus – sogleich legt er erschrocken die Hand vor den Mund. - Wieder berät nun die
Versammlung und verlangt, ihn zu fragen, ob nicht vielmehr er etwas mit diesem Borg vorgehabt habe, etwa ihn zu stehlen und
dann zu schlachten? – Bekanntermaßen ist die Schneider-Küche recht schmal und der Jung' ist im Wachstum. – Nein, das hatte er
allerdings wirklich nicht einen Moment lang gewollt, das könnte er sogar schwören, ohne daß ihm die Hand anfriert.
Nun holt der Vor-Sprech des Borg zu einer größeren Verteidigungs-Rede aus: "Zunächst möchte ich erwähnen, daß mein
Angeklagter selber mund-los ist, was das Sprechen betrifft, und mancher achtet die Seele des Viehs allein deshalb gering –
besonders die des eigenen Schweines, weil es immer zu lächeln scheint, obgleich ihm bei Menschen ein kurzes Dasein beschieden
ist – es scheint uns gar aufzumuntern, es zu verspeisen. - Aber das ist die reine Arglosigkeit, denn es glaubt an ein für es immer
kommendes Fest. – Doch als Geschöpf ohne Willen liegt ihm Spott oder Blasphemie selbst völlig ferne. Alle Kreatur außer dem
Menschen folgt seiner Bestimmung gehorsam. - Das wendische Buch Henoch berichtet: Und HERR G"TT berief alle Tiere der
Erde - alles Wild, alle Vier-Füßler, alle Kriech-Tiere auf Erden und alle Vögel - und führte sie unserm Vater Adam vor ... und er
machte sie alle unvernünftig, sodaß sie dem Menschen untertan und gehorsam seien, denn HERR schuf den Menschen zu einem
Herrscher über all seinen Besitz, deshalb wird von allen Lebewesen nur des Menschen Seele gerichtet. - Für die Tier-Seelen gibt
es in der großen Welt nur einen Ort und eine Hürde. – Keine einzige Tier-Seele, die Der HERR schuf, wird bis zum Großen
Gericht eingesperrt, doch all diese Seelen verklagen den Menschen: wer sie schlecht weidet, frevelt an seiner eigenen Seele - wer
aber ein Opfer aus reinen Tieren darbringt, heilt seine eigene – ebenso, wer ein Opfer aus reinen Vögeln darbringt. - Nun – hoch
ehren-werte Versammlung – also das ist aus alter Volks-Weisheit her Allgemein-Sicht. Aber auch lehrt Sünt Paulus: Alle Kreatur
harrt der Erlösung – so steht's geschrieben und daraus folgerte das Henoch-Buch". - Und – man versichert sich auch in vielem
auch der in bestimmten Dingen vorbildlichen Eigenschaften der Tiere, man soll sie sich ja als Beispiel angucken, um es zu
beherrschen: "Ihr seht hier bei Fest-Umtrachten in den Prozessionen so manchen Ritters-Mann noch mit Scher-Hörnern oder
Widder-Hörnern als spiraliger Helm-Zier, wie der Wiener Codex lehrt:
Ich höre von den Steinen sagen / die Nattern oder
Krotten tragen / daz große Tugend dar-an liege / ´s wer sie habe, der gesiege / mochten das Sieges-Steine ´wesen / so sollt ein
Wurm viel wohl genesen / der's in sinem Leibe trüge / - daß ihn nieman' derschlüge.// – Soweit dieses. - Auf vielen Jahr-Märkten
wird auch die Heil-Kraft geringelter - angeblich ammons-hörniger - Sieg-Steine gepriesen. Viele davon sind übrigens im hessen Wetzlar im Stein am alten Heiden-Turm neben der Kirche, ein beweglicher Stier-Kopf
daneben ist wohl mutwillig abgeschlagen worden, daneben ist ein vergittertes Loch, aus dem man vorzeiten auch Stimmen gehört
habe - das ist da Boccadium oder Steeren-Borg genannt – also ganz klar: Steert-vom-Borg, meine werten Urteils-Finder! - doch
von derartig großer Kraft kann bei meinem doch noch sehr jungen Beklagten noch die Rede nicht sein – noch beugt sich sein
Steert erst um ein Geringes – das deutet auf nur geringe Kraft – zum Angriff wird solch eine hysiognomie niemals langen". –
"Falsch!" – murrt Eidam Wigger dazwischen - "Immer diese Studierten! – N'Steert vom Borg ist immer gestreckter als der von
´ner Sau." - und Köster Goes bekommt wieder einen Denar in den Beutel. - "Nun-ja. - Solche Ringelungen – drei davon sind
auch im Wappen von Whitby: How of a thousand snakes each one / was changed into a coil of stone / when holy Hilda prayed Sünte Hilda Abatissa von Whitby – sie wurde 70-jährig und lebte 100 Jahre vor Bischof Liudger selig - man rühmt: sie
verwandelte kraft ihres Gebetes Schlangen in Stein. – Nebenbei, meine ehren-werten Urteils-Finder: eine Schlange rollt sich
aber umgekehrt ein, mit dem Kopf oben inmitten, denn den Kopf hütet sie am allermeisten – man schnitzt dort in Withby einfach
das Außen-Ende zu einem Köppken aus, hab ich bei meinem Studien-Aufenthalt zu Oxford anläßlich einer Land-Fahrt selbst
gesehen. – Hm, ja, das führt hier zu weit...." –Ein neuer Zwischenruf von hinten: "Woll-woll, un' wi wejt, dat Ju veel to veel Tügg
liä'nnt hefft - kommt zur Sache!" - der Rufer selbst winkt schon den Köster zur Zahlung der Buße für laster-haftes
Zwischen-Rufen herbei, überlegt kurz, gibt noch einen Denar im Voraus hinzu und ruft: "Un wou bliw' nu dat Schwien?" "Ja, darauf wollte ich soeben kommen: es wird den hoch-ehrenwerten Urteils-Findern allen aufgefallen sein, daß sogar der
Volks-Mund dem Schweine Unrecht antut, indem er auf das vor aller Augen offen liegende Ähnliche keinen Gedanken verwendet:
weil es sich bei diesen segens-reichen Spiralen doch ganz klar um das Vorbild handelt, dem der Borsten-Pinsel jedes
Schwiene-Steertkens nacheifert – die gebündelte Kraft und sieg-reiche Fruchtbarkeit. – Wirft die so genügsam ernährbare Sau
nicht viele Jahre lang leichthin 6 bis 10 nahrhafte Varken? –
Umso weniger würde das so verkannte Lebewesen seinem und unser aller Schöpfer dafür Undank erweisen. - Wenn es je eine
geweihte Kapelle aufsuchte, dann nur um des Schattens willen – niemals, um etwas darin anzutasten, es sei denn, aus Hunger
nähme es sich ein paar nicht brennende Kerzen – was ja nun wieder des Menschen Schuld wäre, sie nicht brennen zu haben.
Über die Weihen versteht es ja nichts – man schiebt es wieder hinaus und wirft ihm nichts daran vor – also es kann nicht wahllos
eines Sacrilegiums verdächtigt werden, nur weil es schweigt. Auch ist das Tier kein Spielzeug für des Menschen Übermut. - Im Namen des zu heftigem Bewegen bis zur Selbst-Verletzung
provozierten Angeklagten also, dessen Bewegungs-Ziel kein einziger der geweihten Gegenstände der Andacht war, der - lediglich
seines bestimmungs-widrigen Eingesperrt-Werdens wegen in arger Not - seinen Peiniger mit Körper-Gewalt umzubestimmen
suchte, ihn aus dem ihm ungewohnten Ort freizugeben, muß ich das Hohe Gericht um Feststellung von dessen erwiesener
Unschuld bitten. –
Dagegen jener bübische Mensch, der sich nicht unterfing, eine Hillige Station als Borg-Falle zu entfremden und der - wie er
selbst geschildert hat, in höchst unwürdiger Weise den Altar bestieg, um sein Leben zu retten, das er selber in Gefahr versetzte –
über dessen Mangel an Ehrfurcht vor dem Bitt-Gebete geweihten Stätten sollte bei einem weiteren Termin befunden und eine
angemessene Buße verhängt werden." - Und nun wird der Schneider-Geselle noch blasser – man sieht direkt, daß er überlegt,
wieviel glimpflicher er davongekommen wäre, hätte er einfach gelogen, es sei sein Blut gewesen, als ihm der Hitze wegen
schwindlig geworden sei, und halb bewußtlos habe er im Fallen die Geräte umgerissen und das Durcheinander erzeugt – und der
Biß oder so sei vom Leuchter geschehen. – Man sieht es daran, wie sein Blick alles absucht und immer entmutigter wird, und
dann wieder vorsichtig und beinah atem-los nach den Gesichtern der Versammlung linst und darin keine Art Nachsicht vorfindet.
– Da murmelt er seinem Vorsprech zu: "Ich bekenne und bitte um Gnade – eh, und ich trage die Schadens-Regulierung und die
ganze Gerichts-Gebühr selber."- und setzte ganz leise hinzu - "und wenn ich mein Leben lang daran abzahlen müßte" – und
dieser schaute ihn ebenso streng und undeutbar an. – Ob man am Ende ihn, den armen kleinen Gesellen Matthis, des doppelten
Sacrilegiums wegen mit dem Tode bestrafen würde? - Nun berät man im Hintergrund erneut und kommt zu dem einstimmigen
Schluß, daß betreffs des Borg weder ein Ordal noch Eid noch Probe erforderlich sei, der Fall also einfach niederzuschlagen sei.
Betreffs des vergossenen Blutes sei nun die Schuld-Frage neu zu formulieren, daß dieses vom Schneider-Gesellen Matthes
verursacht, aber kein eigentlicher Friedens-Bruch sei – und der Borg habe ja seinerseits keine Anklage erhoben, sondern sich
ruhig zu seinen Weiden zurück begeben und während der Verhandlung guten Gewissens seinen Friedenswillen durch gelassenes
Verhalten bezeugt und sich nicht im Geringsten um den Kläger gekümmert. –
Es bleibe das Faktum der Ver-un-ehrung des ehrwürdigen Hilligen Häuskens von Stockum und der Zerstörung einiger Leuchter
und der Altar-Figur, welches man dem Verursachern aber beiden nicht als eigentliche Absichten anlasten wolle, festzustellen. Mit einer Vermahnung an alle, Hillige Stätten des ganzen Volks künftighin zu achten und unsern Bruder das Haus-Tier nicht
unnütz zu plagen, wolle man es mit einer öffentlichen Ausläutung des wirklichen Vorfalls, Ersetzung der Hilligen Statue durch
eine liebliche Marien-Figur, durch den Schneider-Gesellen und dessen Meister zu zahlen, sowie doppelter Gerichts-Gebühr,
hiermit bewenden lassen, es seien ja aus einer Sache zwei geworden. –
Nun bittet der Matthes, sich hinlegen zu dürfen, denn jetzt ist ihm endgültig schlecht geworden, als er hört, daß auch sein Lieber
Meister zur Kasse gebeten würde für das, was er verbockte. – Man macht eben Meister wie Eltern mit haftbar für alles, was aus
ihrem Hause her geschah – es ist auch ein bißken der alte Zwist, daß die Wigbolden Meister in manchen Dingen das Umland aus
Bauern und Adel manchmal nicht so recht würdigten. - Es wird ihm gewährt, sich hinzulegen und ruhig zu verhalten, während
das Hohe Gericht sich es nun gemütlich macht und die zwei solcherart ihm frei zustehenden Fäßken Bier unverzüglich gleich hier
auf dem Sande zu sich nimmt. – Bald werden sie dann ja-lustig und gewinnen dem Vorfall die komische Seite ab, erzählen
einander von ähnlichen Fällen, während Matthes schwarze Zeiten bei der Arbeit auf sich zukommen sieht. – Er wagt sich erst
kurz vor Tor-Schluß nachhause. - Aber der Meister Derrik Tiarksena, der schön mit gefeiert hatte, zumal er es selber zu bezahlen
hat, sagt nichts weiter und meint, diese Angst sei auch Strafe genug – Matthes würde sicher hinfort solche Scherze unterlassen,
wenn man es nicht überzog. Und so ist es. - Jan-Hendrik dagegen fand dieses alles hoch informativ und spannend. Genau so malt
er dann die Gerichts-Szene fertig und gibt nur nach mehrerem Einspruch der Einwohner, daß ein Schwein am Altar eigentlich
wirklich nicht ginge – es sei denn im Neben-Altar oder der Station eines Sünt Anton de grautere Klausner, kurz
Schwiene-Tünnes - dem hell-rosa Borg Hunds-Füße bei – aber so eindeutig auch nicht. – Davon abgesehen, daß dieser Fall eher
zum Heiteren hin ausging, hat es Jan-Hendrik aber sehr imponiert, die versammelten Heer-Schild-Fähigen in ihren
Gerichts-Gewändern zu sehen – die Kybelinck und Smollinck zu Halecteren Kuelbeke, Rotgerinck und Bensinck und
Jarmarkeringk zu Tingk, Menekinck zu Heven, Langerkinck, Banekinckhove und Roterdinck zu Stockum, Messinch zu
Lasterhusen, Berndynghove zu Leer und ders neuen Besellershove standen etwas separat und Schulte Diekhove – als dessen Gast
er mitkam – erläuterte Jan-Hendrik, daß dies die einstigen Solmser Hervurth-Lehns-Mannschaft sei, die nun nicht jedem Go thor
Sant Welle zu folgen brauchten, aber im Not-Ruf wegen Blutvergießens ist das anders, da folgen alle – außer denen im Wigbold,
die man bitten müsse – sie bräuchten nicht. –
Diese verträten als Hervurther hier die älteste Tradition des Gerichtes. - Aber wie schön sie waren - genauso kostbar und würdig,
wie sie sonntags ins Hochamt gegangen wären, obwohl man sie aus Web-Stube, Schmiede, Weide oder vom Reiten durch die
Gemarkung abrief – deshalb brauchten sie alle soviel Zeit, ihre Kleidung zu wechseln und zu kommen. – Und wie ernsthaft sie
doch den Fall überlegten, was das Gerechteste sei – auch betreffs des Schwienekens. – Und die neue kleine Stockumer
Marien-Figur aus Sand-Stein gefällt allen sehr gut und so bekam der Matthes und sein Meister dann doch einige dezente Spenden
zugesteckt, um sie bald zu bezahlen, denn anscheinend erhörte G"TT dort die Gebete nun schneller als früher, weil es - zwar
töricht begonnen - dennoch gerecht und gnädig ausgegangen war. –
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