Das Nervensystem des Menschen

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Gehirn und Nervensystem des Menschen
14.05.16
Stefan Raffeiner, Michael Gorfer
Das Nervensystem des Menschen
Überblick
Das Nervensystem des Menschen ist ein hierarchisch gegliedertes System von
miteinander verbundenen Nervenzellen, welche Neuronen genannt werden.
Es
ist
für
die
Aufnahme
und
Weiterleitung
von
Reizen,
für
die
Erregungsverarbeitung, für die Aktivierung der Muskeln sowie für die
Koordination und Aufrechterhaltung von Organfunktionen des vielzelligen
Organismus zuständig.
Anatomie und Funktion
Die
Reizwahrnehmung
erfolgt
durch
spezialisierte
Sinneszellen
oder
Rezeptoren, die Weiterleitung der Information durch spezialisierte Zellen,
sogenannte Neurone (Nervenzellen, Ganglienzellen). Man unterscheidet
Neurone mit relativ langsamer und unspezifischer Aktivität von solchen
mit rascher Erregungsleitung.
Nervenzelle
Die Nervenzellen (Neuronen) gliedern sich generell in einen plasmareichen
Zellkörper (Perikaryon), der u.a. den Zellkern enthält, sowie einer
wechselnden Zahl erregungsleitender Zellfortsätze, dem Axon und den
Dendriten. Dendriten sind relativ kurze, verästelte Fortsätze, über die die
Nervenzelle Erregungsimpulse anderer Nervenzellen erhält. Das Axon ist
dagegen in der Regel sehr lang und überträgt die Antwortsignale der
Nervenzelle an andere Nervenzellen. Die Fähigkeit der Nervenzellen, auf
bestimmte Reize mit einer bestimmten Aktivität zu reagieren, macht sie zu
einem wichtigen Element bei der Übermittlung von Information zwischen
den Teilen des Körpers.
Reizweiterleitung
Die Kontakstelle zwischen einem Axon und einer anderen Zelle bezeichnet
man als Synapse und den Raum zwischen beiden als synaptischen Spalt.
Ein Aktionspotential öffnet in der „präsynaptischen“ Membran, die noch
zur signalisierenden Nervenzelle gehört, Kanäle für Calcium Ionen. Diese
strömen aus dem Spalt in die Zelle ein und setzen das Ausschütten von
Neurotransmittern in Gang. Sie diffundieren durch den Spalt, wirken auf
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Rezeptoren an der „postsynaptischen“ Membran der Empfängerzelle ein
und
lösen
eine
Reaktion
aus:
bei
Muskelzellen
beispielsweise
eine
Kontraktion, und bei Drüsenzellen z.B. das Ausschütten von einem
Hormon.
Hauptnervenbahnen
Man
unterscheidet
zwischen
Kopfnerven
(Kranialnerven)
und
Rückenmarksnerven (Spinalnerven). Die Kopfnerven ziehen durch viele
Öffnungen (Foramen) im Schädel von Kopf und Nacken zum Gehirn. Die
Nerven des Rückenmarkes (Spinalnerven) verlassen die Wirbelsäule durch
entsprechende seitliche Öffnungen der Wirbelsäule. Beide Nervengruppen
enthalten sowohl zum Gehirn bzw. Rückenmark führende (afferente) als
auch vom Zentralnervensystem abgehende (efferente) Bahnen. Afferente
Fasern sind daher sensorisch, efferente Fasern sensorisch oder motorisch, je
nachdem welches Gebiet sie innervieren.
Kopf- und Rückenmarksnerven liegen paarig vor (zwölf bzw. 31 an der
Zahl). Unter den Kopfnerven bildet der Vagusnerv (Nr. 10) eine Ausnahme:
Er zieht nämlich nicht nur in die Gesichts- und Nackenregion, sondern
breitet sich über die Brust- und Bauchregion aus. Der zweite, siebte und
achte Kopfnerv bilden jeweils den Sehnerv, den Geschmacksnerv bzw. den
Hörnerv. Der motorische Anteil der Kopfnerven innerviert den Kopf, die
Augen, das Gesicht, die Zunge und den Rachen sowie die Kaumuskulatur.
Die Nerven des Rückenmarkes treten auf der Höhe eines jeden Wirbels
jeweils links und rechts in zwei Bündeln aus der Wirbelsäule aus: Über
die Hinterhornwurzel (dorsale Wurzel) verlassen sensorische und vegetative
Fasern das Rückenmark, über die Vorderhornwurzel (ventrale Wurzel)
motorische und vegetative Fasern. Danach vereinigen sie sich zu den
Spinalnerven.
Autonomes Nervensystem
Das autonome Nervensystem, das auch vegetatives Nervensystem genannt
wird, besteht aus großen Faserkomplexen, die die inneren Organe, Herz,
Blutgefäßsystem und Drüsen innervieren. Man unterscheidet hinsichtlich
der
Funktion
arbeitende
zwei
mehr
Untersysteme:
parasympathische
oder
das
weniger
antagonistisch (gegensätzlich)
sympathische
(Parasympathikus)
(Sympathikus)
Nervensystem.
Die
und
das
Wirkung
des
Sympathikus auf den Organismus ist im allgemeinen anregend, die des
Parasympathikus beruhigend. Der Sympathikus nimmt seinen Ursprung
etwa in der Mitte des Rückenmarkes und verzweigt sich über weite Teile
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des Körpers. Der Parasympathikus entspringt aus den übrigen Bereichen
des Rückenmarkes, also aus der Kopfregion und der Sakralregion. Auch er
ist stark verzweigt und innerviert im wesentlichen dieselben Organe wie
der Symathikus.
Erkrankungen des Nervensystems
Neuritis
Eine Neuritis ist eine Entzündung eines peripheren Nervs oder Hirnnervs,
gekennzeichnet durch sensorische oder motorische Störungen. Diese können
sich
durch
(häufig
brennende)
Schmerzen,
Taubheit,
Prickeln,
Überempfindlichkeit oder Anästhesie (Unempfindlichkeit) im Bereich des
betroffenen Nervs äußern. Es kann auch zur Schwächung oder Lähmung
des von diesem Nerv versorgten Muskels kommen. Diese Erkrankung ist im
allgemeinen die Folge örtlicher Einwirkungen, z.B. durch Verletzung,
Druck
durch
Arthritis
in
dem
Bereich
der
Wirbelsäule,
wo
die
Nervenwurzel sitzt, durch Tumoren oder ausgedehnte Einwirkung extremer
Kälte. Neuritis kann auch mehrere Nerven verschiedener Körperregionen
befallen. Diese Art der Neuritis betrifft meist die Extremitäten (Arme und
Beine).
Einige
Formen
der
Neuritis
werden
verursacht
durch
Infektionskrankheiten wie Typhus, Malaria, Syphilis oder Tuberkulose
sowie
durch
Vitaminmangel
Diabetes,
während
Schwermetallvergiftungen,
der
Schwangerschaft,
Beriberi
Alkoholismus,
(Vitamin
B1
(Thiamin) Mangel: Symptome sind Gewichtsverlust, Gemütsverstimmungen,
Störungen
der
Sinneswahrnehmung,
Herzrhythmusstörungen.
Beriberi
tritt
bei
Schwäche
Menschen
und
auf,
deren
Hauptnahrungsmittel polierter weißer Reis ist, der wenig bis gar kein
Thiamin enthält. Daher ist die Krankheit vor allem unter der Bevölkerung
Asiens
verbreitet
(außerdem
bei
chronischen
Alkoholikern
mit
Leberfunktionsschäden). Wird ein Baby mit der Muttermilch einer Frau
ernährt, die an Thiaminmangel leidet, so kann bei dem Kind ebenfalls
Beriberi auftreten) und Pellagra (Vitaminmangelkrankheit: Niacin).
Neuralgien
Bei einer Neuralgie tritt ein dumpfer oder stechender, in Schüben
auftretender oder konstanter Schmerz entlang eines Nervenstammes oder
seiner Verzweigungen auf. Die zahlreichen Typen der Neuralgie werden
nach
dem
betroffenen
Nerv
oder
der
zugrunde
liegenden
Ursache
unterschieden. Der Schmerz kann durch ein Virus verursacht werden, das
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den Nerv angreift, wie bei Herpes zoster (Gürtelrose), durch eine Vergiftung,
z.B. mit Alkohol oder Blei, durch eine lokale Infektion, etwa der Zähne,
Ohren, Mandeln oder Nebenhöhlen, aber auch durch eine Verletzung,
durch Vitaminmangel oder Druck auf den Nerven. Häufige Formen der
Neuralgie
Trigeminusneuralgie
sind
(Tic
douloureux:
schmerzhafte
Gesichtszuckungen) und Ischiasnerv-Neuralgie. Die Behandlung zielt meist
auf Schmerzlinderung (palliative Behandlung; lateinisch palliare: mit
einem Mantel bedecken) und beinhaltet oft die Verordnung von Vitamin
B12 oder des Vitamin-B-Komplexes. Beim Tic douloureux, einer Neuralgie,
die häufig wiederkehrend ist, empfiehlt sich in manchen Fällen ein
operativer Eingriff.
Multiple Sklerose
Die Multiple Sklerose ist eine Erkrankung des Zentralnervensytems, bei der
das Myelin allmählich zerstört wird. Diese weiße, fettähnliche Substanz ist
ein wesentlicher Bestandteil der Markscheide, welche die Nervenfasern
umhüllt. Auf diese Weise entstehen zahlreiche Entmarkungsherde im
Gehirn und Rückenmark. Die Ursache dieser Erkrankung, die vorwiegend
im Alter zwischen 20 und 40 Jahren auftritt, ist nicht bekannt. Je nach
Ort
der
Entmarkungsherde
Krankheitszeichen.
Doppeltsehen,
Die
völliger
äußern
häufigsten
Verlust
sich
Symptome
des
Sehvermögens,
unterschiedliche
sind
Schleier-
Zittern
der
und
Hände,
Schwäche in Armen und Beinen, Empfindungsstörungen wie Taubheit,
Prickeln
oder
(abgehackte
Schmerzen
und
in
manchen
schleppende)
Körperteilen,
Sprechweise
sowie
skandierende
Harn-
und
Stuhlinkontinenz (Unvermögen, Harn und Stuhl zu halten).
Die Krankheit verläuft häufig in Schüben. Die ersten Symptome treten
zumeist vorübergehend auf, möglicherweise nur für einige Stunden oder
Tage. Im allgemeinen bleibt der Patient nach Abklingen des ersten Anfalls
oft
jahrelang
symptomfrei.
Nach
einiger
Zeit
äußern
sich
erneut
Krankheitszeichen, die dann wieder vollständig oder teilweise nachlassen.
Dieses Auf und Ab der Symptome, die oft von Rückfall zu Rückfall
variieren, kann sich über viele Jahre wiederholen. Zunächst bleiben nur
wenige
Nachwirkungen
zurück,
aber
mit
der
Zeit
entwickeln
sich
bleibende Behinderungen. Oft wird der Patient dadurch unbeholfen und
zunehmend
schwächer.
In
einigen
Fällen
verläuft
die
Erkrankung
langsam, aber kontinuierlich fortschreitend. Selten tritt sie akut mit einem
progressiven (schnell fortschreitenden) Verlauf von lediglich Wochen oder
Monaten auf. Meist führt multiple Sklerose zum Tode. Bisher ist kein
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spezifisches Heilmittel bekannt. Mit Hilfe physikalischer Therapie und
Beschäftigungstherapie sowie einiger Arzneimittel läßt sich eine Besserung
der
Symptome
(Steroidhormone)
erzielen.
Akute
behandelt
Rückfälle
werden.
Die
können
Häufigkeit
mit
der
Corticoiden
Anfälle
bei
schubweisem Verlauf kann man mit Interferon senken.
Das Gehirn des Menschen
Überblick
Das Gehirn ist ein Teil des Zentralnervensystems (siehe Nervensystem), der
bei Wirbeltieren im Schädel liegt. Beim Menschen ist das Gehirn eine etwa
1,3 Kilogramm schwere Masse aus rosa-grauem Gewebe. Es besteht aus
ungefähr zehn Milliarden Nervenzellen, die untereinander verknüpft sind
und gemeinsam alle geistigen Funktionen steuern. Neben den Nervenzellen
(Neuronen) enthält das Gehirn auch Stützzellen (Gliazellen), Blutgefäße
und Organe, die Substanzen ausscheiden. Das Gehirn ist die Steuerzentrale
für Bewegungen, Schlaf, Hunger, Durst und praktisch alle anderen
Lebensfunktionen, ohne die der Organismus nicht existieren kann. Hier
entstehen alle menschlichen Gefühle wie Liebe, Haß, Angst, Freude und
Trauer. Außerdem empfängt und interpretiert das Gehirn die unzähligen
Signale, die es über die Nerven von anderen Körperteilen und aus der
Umgebung erhält.
Anatomischer Aufbau
Bei äußerlicher Betrachtung erkennt man, daß das Gehirn aus drei
untereinander verbundenen Teilbereichen besteht: Großhirn, Kleinhirn
und Hirnstamm. Als Hirnstamm bezeichnet man in der Regel alle
Strukturen zwischen dem Großhirn und dem Rückenmark, d. h. das
Zwischenhirn, das Mittelhirn, die Gehirnbrücke und das verlängerte
Mark. In der Embryonalentwicklung entstehen alle diese Teile aus dem
Vorder-, Mittel- und Rautenhirn. Außerdem ist das Gehirn nicht nur
durch die Schädelknochen gut geschützt, sondern zusätzlich noch von drei
Hautschichten umgeben, den Hirnhäuten oder Meningen. Die äußere dieser
drei
Schutzhüllen,
widerstandsfähig
Dura
und
mater
oder
glänzend.
Die
harte
Hirnhaut
mittlere
genannt,
(Arachnoidea
ist
oder
Spinngewebshaut) umschließt das Gehirn lose, erstreckt sich aber nicht in
die Furchen der Gehirnoberfläche. Die innere Membran schließlich, die
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man Pia mater oder weiche Hirnhaut nennt, besteht vor allem aus kleinen
Blutgefäßen, die mit der Gehirnoberfläche verbunden sind.
Hirnstamm
Thalamus
Dieser Teil des Zwischenhirnes besteht aus zwei rundlichen Massen aus
grauem Gewebe und liegt genau in der Mitte des Gehirns zwischen den
beiden Großhirnhälften. Er ist eine wichtige Schaltstelle für ankommende
Sinnesinformationen
Großhirnrinde
und
bzw.
ausgesandte
von
ihr
motorische
weg
Signale,
geleitet
die
werden.
zur
Alle
Sinneswahrnehmungen mit Ausnahme des Geruchs laufen auf dem Weg
zum Gehirn zunächst durch eigene Kerne (Gruppen von Nervenzellen) im
Thalamus.
Hypothalamus
Der Hypothalamus liegt unmittelbar unter dem Thalamus in der Mitte der
Gehirnunterseite und besteht aus mehreren abgegrenzten Feldern und
Kernen. Er wirkt bei der Steuerung vieler wichtiger Körperfunktionen mit
und
fungiert
insbesondere
bei
solchen,
die
für
Überleben
und
Fortpflanzung entscheidend sind, als Triebkraft: Dazu zählen Essen,
Trinken,
Temperaturregulation,
Schlafen,
Gefühlsbewegungen
und
Sexualität. Außerdem regelt er über das unwillkürliche Nervensystem die
Tätigkeit innerer Organe, steht in enger Verbindung mit der Hypophyse
und arbeitet koordiniert mit der Formatio reticularis (Teil des verlängerten
Rückenmarks) zusammen.
Mittelhirn
Das Mittelhirn oder Mesencephalon besteht aus drei Teilen. Der erste
umfaßt die Großhirnschenkel – Fasersysteme, die Impulse zum Großhirn
und von ihm weg leiten. Der zweite besteht aus den Corpora quadrigemina,
vier Gewebekörpern, die zusammen die Vierhügelplatte bilden und Signale
über optische (die beiden oberen Hügel) und akustische (die unteren Hügel)
Nervenbahnen weiterleiten. Der dritte ist der bereits erwähnte Aquaeductus
Sylvii, ein flüssigkeitsgefüllter Kanal. Um ihn herum befindet sich graue
Gehirnsubstanz, die für Schmerzempfindung und möglicherweise auch für
Suchtzustände von Bedeutung ist. Auch die Kerne für den dritten und
vierten Gehirnnerv liegen im Mittelhirn.
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Brücke
Die Gehirnbrücke (Pons) liegt zwischen verlängertem Mark und Mittelhirn
unmittelbar vor dem Kleinhirn. Sie besteht vorwiegend aus quer und längs
verlaufenden weißen Nervenfasern, die zu einem komplexen Geflecht
verwoben sind. Eine Querbrücke aus Fasern, die von den Kleinhirnstielen
ausgeht, verbindet die beiden Hälften, und ein kompliziertes System aus
Längsfasern zieht sich vom verlängerten Mark zu den Großhirnhälften.
Außerdem liegen die Kerne des fünften, sechsten, siebten und achten
Gehirnnervs in der Brücke.
Verlängertes Mark
Das verlängerte Mark (Medulla oblongata), das zwischen Rückenmark und
Brücke
liegt,
ist
eigentlich
ein
pyramidenförmiger
Fortsatz
des
Rückenmarkes. Einen großen Teil dieser Struktur macht der Beginn der
Formatio reticularis aus, eines wichtigen Geflechts aus Nervenzellen.
Außerdem befinden sich im verlängerten Mark die Ausgangspunkte des
neunten, zehnten, elften und zwölften Gehirnnervs. Auf- und absteigende
Fasern im verlängerten Mark übertragen die Nervenimpulse zwischen
Rückenmark und Gehirn. Im verlängerten Mark liegen die entscheidenden
Steuerungszentralen
für
Herzschlag,
Blutgefäßverengung,
Atmung
und
andere unwillkürliche Funktionen, z. B. auch für das Erbrechen. Eine
Schädigung dieses Gehirnteiles hat meist den sofortigen Tod zur Folge.
Limbisches System
Einige Teile von Thalamus, Hypothalamus, Hippocampus, Mandelkern,
Schweifkern und Mittelhirn bilden zusammen eine Funktionseinheit des
Gehirns, die man als limbisches System bezeichnet. Diese Strukturen sind
in besonderer Weise über Nervenfasern verknüpft und steuern viele Aspekte
des Verhaltens, so z. B. Gefühlsausdruck, epileptische Anfälle sowie die
Speicherung und den Abruf von Erinnerungen.
Gehirnnerven
Auf
der
Gehirnunterseite
entspringen
zwölf
Paare
symmetrisch
angeordneter Nerven. Sie laufen im wesentlichen zu verschiedenen Teilen
von Kopf und Hals und werden von vorn nach hinten durchnumeriert.
Manche davon sind motorische Nerven, die Muskelbewegungen steuern,
andere dienen der Sinneswahrnehmung. Einige enthalten sogar Fasern für
sensorische und motorische Signale.
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Physiologie und Chemie
Das Gehirn ist mit seinem Stoffwechsel auf die ständige Versorgung mit
Glucose
und
Sauerstoff
angewiesen,
die
vom
Blut
über
Arterien
herantransportiert werden. Die Nervenzellen brauchen beide Stoffe in
großen Mengen, weil sie ununterbrochen, Tag und Nacht, physiologisch
aktiv sind. Viele Substanzen können aus dem Blut nicht ins Gehirn
übergehen, denn winzige Elemente in den Adergeflechten der Ventrikel
und in den Gehirnkapillaren wirken als Molekül- und Ionenfilter. Diesen
Effekt nennt man auch Blut-Hirn-Schranke. Viele biologisch aktive
Wirkstoffe mit hoher molarer Masse, beispielsweise die Hormone der
Nebennieren oder Aminosäuren, können diese Barriere nicht ohne weiteres
überwinden. Und bestimmte kleinere Moleküle sowie Ionen sind dazu
wegen ihrer Polarität (elektrische Ladung) überhaupt nicht in der Lage.
Deshalb bleiben die chemischen Verhältnisse im Gehirn im Gleichgewicht,
gut geschützt vor den manchmal gefährlichen Veränderungen, die sich oft
ergeben, wenn der Mensch bestimmte Dinge ißt oder trinkt.
Die
Nerven-
und
Gliazellen
unterscheidet
man
(pyramiden-
oder
nicht
in
nur
sternförmig),
den
nach
einzelnen
ihrer
sondern
Gehirnabschnitten
anatomischen
auch
Gestalt
hinsichtlich
ihrer
chemischen Ausstattung. Die Neuronen enthalten je nach Typ viele
verschiedene Neurotransmitter, die der Kommunikation zwischen den
Zellen dienen. Einer davon, das Serotonin, kommt beispielsweise in vielen
Neuronen des Hirnstammes vor. In anderen Nervenzellen findet man das
Noradrenalin,
und
wieder
andere
enthalten
Acetylcholin.
Neueren
Forschungsergebnissen zufolge spielt die Feinabstimmung der Aktivität
dieser chemischen Signalübertragungswege eine bedeutende Rolle für die
Steuerung der Körpertemperatur, das Eßverhalten und vielleicht auch den
Schlaf.
Auch manche psychiatrischen Störungen entstehen durch Fehlfunktionen
bei Produktion, Abbau und Wirkung der Neurotransmitter im limbischen
System. Eine grundlegende Funktion von Tranquilizern und anderen
Psychopharmaka besteht darin, daß sie das Gleichgewicht zwischen zwei
oder mehreren Neurotransmittern wiederherstellen oder ein bestimmtes
Neurotransmittersystem anderweitig beeinflussen. Aminosäuren und andere
Substanzen
(z. B.
Peptide),
die
in
Gehirnzellen
vorkommen,
spielen
vermutlich eine wichtige Rolle für die Dämpfung der Aktivität von
Nervenzellen und für die Hemmung der Übertragung ihrer Impulse.
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Heute beschäftigen sich Tausende von Gehirnforschern auf der ganzen Welt
mit diesen chemischen Systemen. Wenn man wissen will, wie das Gehirn
von seiner grundlegenden Physiologie bis hin zu Lernen und Gefühlsleben
funktioniert, muß man weitere Kenntnisse über die chemischen Abläufe in
seinem Inneren unter normalen und krankhaften Bedingungen gewinnen.
Krankheiten
Gehirnerschütterung
Die Gehirnerschütterung ist eine Verletzung des Gehirns nach einem Sturz
oder
einem
Schlag
auf
den
Kopf,
in
der
Regel
mit
kurzzeitiger
Bewußtlosigkeit, deren Ursachen nicht ganz geklärt sind. Vermutlich
kommt
es
durch
stärkeren
Druck
auf
den
Hirnstamm
zu
einer
Verlangsamung oder zum vorübergehenden Aussetzen der Atmung und zur
Verlangsamung
des
Pulses
–
beides
Begleiterscheinungen
der
Gehirnerschütterung. Weitere Symptome sind Blässe, Schweißausbrüche
und das Absinken des Blutdruckes. Nachdem der Betroffene wieder bei
Bewußtsein ist, folgen oft Schwindelgefühl, Übelkeit und ein dumpfes
Gefühl der Unruhe. Nachwirkungen wie Kopfschmerzen, Schwindelgefühl
und Nervosität können sich mehrere Tage lang fortsetzen und kehren
manchmal
noch
nach
Wochen
oder
sogar
Jahren
wieder.
Eine
Gehirnerschütterung kann zu vorübergehenden oder dauerhaften Schäden
am Nervengewebe sowie zu Gedächtnisverlust, Reizbarkeit und Müdigkeit
führen; oft ist das Gedächtnis in Mitleidenschaft gezogen. Sofern es sich
nicht
um
eine
sehr
schwere
Gehirnerschütterung
handelt,
tritt
normalerweise schnell eine vollständige Genesung ein.
Enzephalitis
Unter Enzephalitis vertseht man alle Infektionskrankheiten des zentralen
Nervensystems beim Menschen, die durch eine Entzündung des Gehirns
gekennzeichnet sind. Die typischen Symptome sind Kopfschmerzen, Fieber
und extreme Lethargie, schließlich kann der Patient ins Koma fallen.
Doppeltsehen, Delirium, Taubheit und Gesichtslähmung treten häufig im
akuten
Stadium
der
Krankheit
auf.
Zu
den
Nachwirkungen
der
Enzephalitis können Taubheit, Epilepsie und Demenz zählen.
Einige Formen der Enzephalitis werden durch eine Virusinfektion des
Zentralnervensystems
verursacht.
Diese
können
wiederum
in
zwei
Hauptgruppen unterteilt werden: primäre neurotrope Virusinfektionen (die
direkt das Nervensystem befallen) und sekundäre Infektionen, die sich als
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Komplikation einer primären Virusinfektion einer anderen Körperstelle
ergeben.
Neurotrope Virus-Enzephalitis
Die Gruppe der neurotropen Virus-Enzephalitis umfaßt einige epidemische
Erkrankungen, die hauptsächlich freilebende Säugetiere, Haustiere und
Vögel befallen. Die Krankheit wird durch Insekten von diesen Tieren auf
den
Menschen
übertragen.
Die
Saint-Louis-Enzephalitis,
auch
amerikanische Enzephalitis genannt, wurde erstmals 1933 während einer
Epidemie in Saint Louis im US-Bundesstaat Missouri entdeckt. Diese Form
der Enzephalitis wird durch Stechmücken übertragen. Auf dieselbe Weise
werden auch die Japonica B oder Enzephalitis japonica, die CaliforniaEnzephalitis-Gruppe und die Pferdeenzephalitis übertragen. Zecken sind
die Überträger der Russischen Frühjahr-Sommer-Enzephalitis.
Sekundäre Virusinfektionen
In
der
Gruppe
der
sekundären
Virusinfektionen
lassen
sich
zwei
Enzephalitisarten unterscheiden: die postinfektiöse und die postvakzinale
Enzephalitis. Erstere tritt als Komplikation einer Viruserkrankung wie
Mumps, Masern, Grippe und Gelbfieber auf. Mitunter kann eine Infektion
mit
dem
Herpesvirus
auf
das
Gehirn
übergreifen
und
Hirnschäden
verursachen oder zum Tode führen. Die zweite Art kann in seltenen Fällen
nach oder als Folge einer ersten Impfung mit abgeschwächten Viren
auftreten, z. B. nach einer Pocken- oder Gelbfieber-Schutzimpfung.
Andere Formen
Enzephalitis
kann
auch
als
Folge
einer
Sporozoeninfektion
durch
Toxoplasma auftreten – eine zu den Protozoen zählende Parasitenart, die
Säugetiere,
Vögel
und
Menschen
befällt.
Auch
eine
Trypanosomiasisinfektion durch das Protozoon Trypanosoma cruzi, die
durch den Stich der Tsetsefliege übertragen wird, kann zu Enzephalitis
führen. Außerdem entsteht manchmal eine nichtinfektiöse Enzephalitis als
Komplikation einer Vergiftung mit Schwermetallen, besonders mit Blei.
Tumor
Ein Tumor ist im weitesten Sinne eine räumlich begrenzte anomale
Größenzunahme eines Gewebes oder Organs. Wie sich bei medizinischen
Untersuchungen auf mikroskopischer Ebene herausgestellt hat, kann eine
solche Schwellung entweder durch Zellen entstehen, die aus einem
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anderen Körperbereich einwandern oder aber durch die Vermehrung von
Zellen, die aus dem betroffenen Gewebe selbst stammen; nur in diesem
zweiten Fall spricht man von einem Tumor.
gutartig (benigne) oder bösartig (maligne) sein. Die
Tumore können
Unterscheidung zwischen Gut- und Bösartigkeit ist allerdings nicht immer
sinnvoll. Die wichtigste Eigenschaft, die einen Tumor bösartig macht, ist
die Fähigkeit seiner Zellen, auch benachbartes oder weiter entferntes
Gewebe
zu
besiedeln.
Diese
Ausbreitung
auf
entfernte
Körperteile,
Metastasierung genannt, ist ein typisches Kennzeichen von Krebs; sie
verläuft in der Regel über Blut- oder Lymphgefäße. Aber auch manche
sogenannten gutartigen Tumore können zum Tode führen, ohne Metastasen
zu bilden. Die wichtigsten derartigen Tumore sind die Gliome im Gehirn,
die so groß werden können, daß sie stark auf benachbarte Gehirnteile
drücken und schließlich die Atemfunktion lahmlegen. Ein Lebertumor
kann auch ohne Metastasen die lebenswichtigen Funktionen dieses Organs
zunichte machen. Manchmal heißt es, die Zellen bösartiger Tumore
verlören ihre charakteristische Funktion; dies trifft jedoch nicht immer zu:
Blutzellen können Myelome bilden, Tumore, deren Zellen weiterhin die
Fähigkeit
zur
Herstellung
von
Antikörpern
besitzen.
Tumore
der
Gebärmutter, die man Blasenmole nennt, sind gutartig, aber sie können die
Vorläufer
des
bösartigen
Chorionepithelioms
sein.
Die
eindeutigsten
Beispiele für gutartige Tumore sind Muttermale auf der Haut und Warzen.
Schlaganfall
Unter Schlaganfall wird in der Medizin die Schädigung des Gehirns
infolge
Gefäßverschluß
oder
Hirnblutung
verstanden.
Undurchblutetes
Hirngewebe nimmt rasch Schaden oder stirbt ab. Dies führt zur Lähmung
oder
zum
Funktionsausfall
der
Glieder
oder
betroffenen Hirnregionen gesteuert werden.
ereignen
sich
(Arteriosklerose,
im
Zusammenhang
Gefäßverkalkung)
mit
oder
Organe,
Die meisten
Bluthochdruck,
beidem.
die
von
den
Schlaganfälle
Atherosklerose
Anzeichen
für
einen
schweren Schlaganfall sind Schwäche der Gesichtsmuskeln, Unfähigkeit zu
sprechen,
Verlust
der
Schluckbeschwerden,
Kontrolle
Lähmung
über
die
Harnblase,
oder
Schwäche
Atem-
besonders
und
einer
Körperhälfte. In der Medizin wird der Schlaganfall als Apoplexia cerebri
bezeichnet.
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Ursachen
Die Mehrzahl der Schlaganfälle wird durch Gefäßverschluß aufgrund
einer Thrombose oder einer Embolie hervorgerufen.
entsteht
durch
allmähliche
Ansammlung
Eine Thrombose
fettartiger
Stoffe
oder
atherosklerotischer Gewebsveränderungen in einer oder mehreren der vier
Hauptarterien, die zum Hirn führen. Wenn diese Arterien enger werden,
erleben
Schlaganfallgefährdete
in
vielen
Fällen
wiederkehrende
Warnzeichen, vorübergehende Lähmungen des Armes, Beines oder der
Gesichtshälfte einer Körperseite. Als Alarmzeichen treten auch Sprachoder
Sehstörungen
Funktionen
auf.
sowie
In
diesem
Beeinträchtigungen
Stadium
können
anderer
motorischer
Ablagerungen
an
den
Gefäßinnenwänden der Hirnarterien oft operativ beseitigt werden, z. B. mit
Hilfe
der
Laserchirurgie
oder
mikrochirurgischer
Methoden
der
Gangbarmachung. Antikoagulantien (Mittel mit Hemmwirkung auf die
Blutgerinnung),
Ernährungsumstellung
Acetylsalicylsäure
(Aspirin)
dienen
und
ebenfalls
tägliche
der
Gaben
von
Vorbeugung
eines
Schlaganfalls. Eine Thrombose besteht bei völligem Verschluß einer Arterie.
Tritt dies in einer Hirnarterie auf, kommt es zu bleibenden Hirnschäden.
Eine Embolie liegt vor, wenn eine Arterie plötzlich durch Material aus der
Blutbahn verschlossen wird. Solche Blockierungen, Embolien genannt,
bestehen oft aus Verklumpungen aufgrund einer Herzfehlfunktion oder
stammen
aus
losgelösten
Gewebeteilen
bei
Atherosklerose.
Sogar
eine
Luftblase kann zur Embolie führen. Die Behandlung ist größtenteils
vorbeugend
und
besteht
in
einer
Ernährungsüberwachung
und
gegebenenfalls Verabreichung von Antikoagulantien (Mittel, welche die
Blutgerinnung hemmen).
Blutungen von Hirngefäßen, eine weniger häufige Schlaganfallursache,
treten an Stellen auf, wo sich Aneurysmen (blasenartige Ausbuchtungen)
an den Gabelungen großer Hirnarterien der Hirnoberfläche gebildet haben.
Bricht solch ein Aneurysma auf, kommt es zur Hirnschädigung. Diese wird
entweder durch das Einsickern von Blut in Hirngewebe oder durch
Mangeldurchblutung des hinter der Gefäßverletzung liegenden Gewebes
verursacht.
Rehabilitation
Zur Wiederherstellung der Gesundheit nach einem Schlaganfall wird
spezielle Hilfe von Neurologen, Physio- und Sprachtherapeuten sowie
anderen Medizinern benötigt, besonders während der ersten sechs Monate,
in denen die größten Behandlungsfortschritte erzielt werden. Passive
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Gehirn und Nervensystem des Menschen
Dehnübungen
und
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Wärmeanwendungen
werden
eingesetzt,
um
die
motorische Kontrolle über Glieder wiederzuerlangen, die durch den
Schlaganfall bewegungsunfähig wurden. In einigen Fällen kann sich ein
Patient soweit vom Schlaganfall erholen, daß er Expanderübungen für die
Arme ausführen und zur Kräftigung der Beine auf dem Fahrradergometer
trainieren
kann.
Durch
gezielte
logopädische
Therapie
kann
das
Sprechvermögen, das durch den Schlaganfall verlorenging, wiedererlangt
werden. Wie weit sich der Patient von einem Schlaganfall erholt, ist von
Fall zu Fall sehr verschieden. Der deutliche Rückgang an Schlaganfällen
in der industrialisierten Welt, der seit 1950 zu verzeichnen ist, hängt
möglicherweise
mit
der
wachsenden
Erkenntnis
zusammen,
daß
Bluthochdruck ein Risikofaktor für Schlaganfall ist. Dies veranlaßt häufig
eine Ernährungsumstellung, z. B. die Reduzierung gesättigter Fette und
Cholesterin in der Nahrung. Auch das zunehmende Bewußtsein dessen, daß
Rauchen ebenfalls das Schlaganfallrisiko erhöht, spielt dabei eine Rolle.
Dennoch ist der Schlaganfall nach koronaren Herzkrankheiten und Krebs
noch immer die dritthäufigste Todesursache in der westlichen Welt. Derzeit
untersuchen
Wissenschaftler
den
möglichen
Einsatz
körpereigener
Dynorphine, um die Überlebenschance bei Schlaganfall zu erhöhen.
Migräne
Unter
Migräne
Schädelhälfte
sind
schwere
betreffen,
Kopfschmerz,
der
zu
mit
Kopfschmerzen,
verstehen.
Migräne
folgenden
die
ist
häufig
ein
Symptomen
nur
eine
pulsierender
einhergeht:
Lichtempfindlichkeit, Übelkeit, Erbrechen und Schwindel. Oft sieht der
Patient
ein
Flimmern
vor
dem
Auge,
bevor
der
Schmerz
eintritt
(Augenmigräne). Bei Frauen kommt diese Krankheit doppelt so häufig vor
wie bei Männern. Es gibt auch Hinweise darauf, daß Migräne vererbt wird.
Migräneanfälle können in Abständen von einem Tag bis zu mehreren
Jahren auftreten.
Zu Beginn des Migränekopfschmerzes verengen sich Blutgefäße im Gehirn;
dies hat eine Verringerung der Durchblutung zur Folge. Es kommt dann zu
einer Erweiterung der Blutgefäße des Gehirns, die eine Reaktionskette mit
den typischen Kopfschmerzen auslöst. Man vermutet, daß der Anfall durch
verringerten Gehirnstoffwechsel ausgelöst wird und daß die anfängliche
mangelnde Durchblutung eine Reaktion auf den verminderten Stoffwechsel
ist – und nicht so sehr durch die Gefäßverengung ausgelöst wird. Zu den
biochemischen Veränderungen, die mit der Migräne verbunden sind,
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Gehirn und Nervensystem des Menschen
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Stefan Raffeiner, Michael Gorfer
gehört eine Senkung des Enzephalinspiegels, also jener Stoffe im Gehirn,
die zur Schmerzlinderung beitragen.
Bei anfälligen Personen begünstigen Änderungen im Hormonspiegel (bei
Frauen z. B. derjenigen Hormone, die während der Menstruation oder in
der
Menopause
ausgeschüttet
werden)
Störungen
der
endokrinen
(hormonproduzierenden) Drüsen und Streß das Auftreten der Symptome.
Heute gibt es einige wirkungsvolle Behandlungsmethoden. Dazu gehören
Medikamente wie Ergotamintartrat, das die übermäßige Erweiterung der
Blutgefäße verhindert und akute Anfälle beendet, sowie Propranolol, das
den Gefäßtonus stabilisiert und nachfolgenden Anfällen vorbeugt. Auch
Biofeedback-Techniken
haben
sich
als
wirkungsvoll
gegen
Migräne
erwiesen.
Epilepsie
Epilepsie ist eine chronische Störung des Gehirns, die durch wiederholt
auftretende Krämpfe oder Anfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle können
infolge einer Hirnschädigung, einer strukturellen Hirnverletzung, als
Symptom einer systemischen Krankheit oder idiopathisch auftreten (ohne
organische Ursache). Epileptische Anfälle unterscheiden sich je nach
zugrundeliegender Ursache. Es kann bei einem Anfall zu Bewußtlosigkeit,
krampfartigen Zuckungen einzelner Körperteile, Gefühlsausbrüchen oder
zeitweiliger geistiger Verwirrung kommen. Untersuchungen haben gezeigt,
daß Epilepsie selbst zwar nicht vererbt wird, die Veranlagung zu dieser
Störung
jedoch
eine
Erbeigenschaft
ist,
die
für
einige
Fälle
von
idiopathischer Epilepsie verantwortlich ist.
Bei Epilepsiepatienten haben die Hirnströme, durch die sich elektrische
Aktivität in der Hirnrinde äußert, einen charakteristischen anomalen
Rhythmus,
der
durch
Nervenzellentladungen
übermäßige
entsteht.
Diese
und
synchron
typischen
verlaufende
Hirnstrommuster
unterscheiden sich deutlich voneinander, je nach Art der Epilepsie. Die
Aufzeichnung der Hirnströme ist daher ein wichtiges Hilfsmittel zur
Diagnose und Untersuchung der Erkrankung. Dies ist mit Hilfe eines
speziellen Geräts, des Elektroenzephalographen, möglich.
Für Epilepsie gibt es keine spezifische Heilungsmethode. Die Häufigkeit der
Anfälle läßt sich jedoch bei fast 90 Prozent aller Patienten durch
Arzneimittel
senken.
Diphenylhydantoin
Zu
den
angewendeten
(Phenytoin),
Ethosuximid und Valproinsäure.
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Krampfmitteln
Phenobarbital,
zählen
Carbamazepin,
Gehirn und Nervensystem des Menschen
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Stefan Raffeiner, Michael Gorfer
Da sich epileptische Anfälle in Stärke und auftretenden Symptomen
unterscheiden, läßt sich Epilepsie in folgende Hauptgruppen einteilen:
fokale
Epilepsie
generalisierte
(einschließlich
Epilepsie
psychomotorischer
Grand
(darunter
mal
und
Anfälle)
Petit
und
mal,
die
sogenannten großen und kleinen Epilepsieanfälle).
Ein
Anfall
der Grand-mal-Epilepsie kündigt sich oft durch einen
unwillkürlichen Schrei an, der durch Kontraktion der Atemmuskulatur
verursacht wird. Sobald der Patient das Bewußtsein verliert, wird der
gesamte Körper von spastischen Muskelkontraktionen ergriffen. Das Gesicht
wird fahl, die Atmung kommt zum Stillstand, und der Rücken ist
gekrümmt.
In
der
Folge
versetzt
die
wechselnde
Muskelan-
und
-
entspannung den Körper in so heftige Erregung, daß der Patient Gefahr
läuft, sich ernsthaft zu verletzen. Ein zusammengefaltetes Taschentuch, das
dem Patienten in den Mund gesteckt wird, kann verhindern, daß er sich
während des Anfalls in Zunge oder Wangeninnenseiten beißt. Nachdem die
Krämpfe
nachgelassen
haben,
ist
der
Patient
erschöpft
und
fällt
möglicherweise in tiefen Schlaf. Häufig werden nach dem Erwachen
Erschöpfung und Depression empfunden, und mitunter kann sich der
Patient
nicht
an
den
Anfall
erinnern.
Die
Anfälle
treten
in
unterschiedlichen Zeitabständen auf, in einigen Fällen sogar nur einmal
im Jahr, in anderen dagegen bis zu mehrmals täglich. Es können sich
auch eine Reihe von Anfällen ereignen, ohne daß in den Zwischenphasen
das Bewußtsein wiedererlangt wird. Diesen Zustand nennt man Status
epilepticus. Er tritt bei etwa acht Prozent der Grand-mal-Fälle auf und
kann tödlich sein, wenn keine geeignete Behandlung mit Diazepham oder
anderen Medikamenten erfolgt.
Bei Petit-mal-Epilepsie sind die Anfälle durch plötzliche, zeitweise
Bewußtseinsstörungen oder Bewußtlosigkeit gekennzeichnet. Offenkundige
Anzeichen
hierfür sind
oft
nur
starr
nach
oben
gerichtete
Augen,
schwankender Gang oder leichtes Zucken der Gesichtsmuskeln. Häufig
kommt der Patient wieder zu sich, ohne sich des Anfalls bewußt zu sein.
Bei psychomotorischer Epilepsie ist das Hauptsymptom Amnesie. Die Dauer
der Anfälle reicht von wenigen Minuten bis zu einigen Stunden. Der
Patient bleibt während des Anfalls aktiv, sein Verhalten steht jedoch in
keinerlei Beziehung zu seiner Umgebung. Diese Form der Epilepsie tritt
Schläfenlappen-Epilepsie
genannt, auf. Manchmal geht den Anfällen eine Aura (Vorbotenzeichen)
häufig
bei
Temporallappen-Epilepsie,
auch
voraus (Leibschmerzen, Schwindel oder eigenartige Geruchs- oder andere
Sinneswahrnehmungen). Manche schweren Fälle von Temporallappen15
Gehirn und Nervensystem des Menschen
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Stefan Raffeiner, Michael Gorfer
Epilepsie können erfolgreich durch operative Entfernung des geschädigten
Hirnbereichs behandelt werden.
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