Gehirn und Nervensystem des Menschen 14.05.16 Stefan Raffeiner, Michael Gorfer Das Nervensystem des Menschen Überblick Das Nervensystem des Menschen ist ein hierarchisch gegliedertes System von miteinander verbundenen Nervenzellen, welche Neuronen genannt werden. Es ist für die Aufnahme und Weiterleitung von Reizen, für die Erregungsverarbeitung, für die Aktivierung der Muskeln sowie für die Koordination und Aufrechterhaltung von Organfunktionen des vielzelligen Organismus zuständig. Anatomie und Funktion Die Reizwahrnehmung erfolgt durch spezialisierte Sinneszellen oder Rezeptoren, die Weiterleitung der Information durch spezialisierte Zellen, sogenannte Neurone (Nervenzellen, Ganglienzellen). Man unterscheidet Neurone mit relativ langsamer und unspezifischer Aktivität von solchen mit rascher Erregungsleitung. Nervenzelle Die Nervenzellen (Neuronen) gliedern sich generell in einen plasmareichen Zellkörper (Perikaryon), der u.a. den Zellkern enthält, sowie einer wechselnden Zahl erregungsleitender Zellfortsätze, dem Axon und den Dendriten. Dendriten sind relativ kurze, verästelte Fortsätze, über die die Nervenzelle Erregungsimpulse anderer Nervenzellen erhält. Das Axon ist dagegen in der Regel sehr lang und überträgt die Antwortsignale der Nervenzelle an andere Nervenzellen. Die Fähigkeit der Nervenzellen, auf bestimmte Reize mit einer bestimmten Aktivität zu reagieren, macht sie zu einem wichtigen Element bei der Übermittlung von Information zwischen den Teilen des Körpers. Reizweiterleitung Die Kontakstelle zwischen einem Axon und einer anderen Zelle bezeichnet man als Synapse und den Raum zwischen beiden als synaptischen Spalt. Ein Aktionspotential öffnet in der „präsynaptischen“ Membran, die noch zur signalisierenden Nervenzelle gehört, Kanäle für Calcium Ionen. Diese strömen aus dem Spalt in die Zelle ein und setzen das Ausschütten von Neurotransmittern in Gang. Sie diffundieren durch den Spalt, wirken auf 1 Gehirn und Nervensystem des Menschen 14.05.16 Stefan Raffeiner, Michael Gorfer Rezeptoren an der „postsynaptischen“ Membran der Empfängerzelle ein und lösen eine Reaktion aus: bei Muskelzellen beispielsweise eine Kontraktion, und bei Drüsenzellen z.B. das Ausschütten von einem Hormon. Hauptnervenbahnen Man unterscheidet zwischen Kopfnerven (Kranialnerven) und Rückenmarksnerven (Spinalnerven). Die Kopfnerven ziehen durch viele Öffnungen (Foramen) im Schädel von Kopf und Nacken zum Gehirn. Die Nerven des Rückenmarkes (Spinalnerven) verlassen die Wirbelsäule durch entsprechende seitliche Öffnungen der Wirbelsäule. Beide Nervengruppen enthalten sowohl zum Gehirn bzw. Rückenmark führende (afferente) als auch vom Zentralnervensystem abgehende (efferente) Bahnen. Afferente Fasern sind daher sensorisch, efferente Fasern sensorisch oder motorisch, je nachdem welches Gebiet sie innervieren. Kopf- und Rückenmarksnerven liegen paarig vor (zwölf bzw. 31 an der Zahl). Unter den Kopfnerven bildet der Vagusnerv (Nr. 10) eine Ausnahme: Er zieht nämlich nicht nur in die Gesichts- und Nackenregion, sondern breitet sich über die Brust- und Bauchregion aus. Der zweite, siebte und achte Kopfnerv bilden jeweils den Sehnerv, den Geschmacksnerv bzw. den Hörnerv. Der motorische Anteil der Kopfnerven innerviert den Kopf, die Augen, das Gesicht, die Zunge und den Rachen sowie die Kaumuskulatur. Die Nerven des Rückenmarkes treten auf der Höhe eines jeden Wirbels jeweils links und rechts in zwei Bündeln aus der Wirbelsäule aus: Über die Hinterhornwurzel (dorsale Wurzel) verlassen sensorische und vegetative Fasern das Rückenmark, über die Vorderhornwurzel (ventrale Wurzel) motorische und vegetative Fasern. Danach vereinigen sie sich zu den Spinalnerven. Autonomes Nervensystem Das autonome Nervensystem, das auch vegetatives Nervensystem genannt wird, besteht aus großen Faserkomplexen, die die inneren Organe, Herz, Blutgefäßsystem und Drüsen innervieren. Man unterscheidet hinsichtlich der Funktion arbeitende zwei mehr Untersysteme: parasympathische oder das weniger antagonistisch (gegensätzlich) sympathische (Parasympathikus) (Sympathikus) Nervensystem. Die und das Wirkung des Sympathikus auf den Organismus ist im allgemeinen anregend, die des Parasympathikus beruhigend. Der Sympathikus nimmt seinen Ursprung etwa in der Mitte des Rückenmarkes und verzweigt sich über weite Teile 2 Gehirn und Nervensystem des Menschen 14.05.16 Stefan Raffeiner, Michael Gorfer des Körpers. Der Parasympathikus entspringt aus den übrigen Bereichen des Rückenmarkes, also aus der Kopfregion und der Sakralregion. Auch er ist stark verzweigt und innerviert im wesentlichen dieselben Organe wie der Symathikus. Erkrankungen des Nervensystems Neuritis Eine Neuritis ist eine Entzündung eines peripheren Nervs oder Hirnnervs, gekennzeichnet durch sensorische oder motorische Störungen. Diese können sich durch (häufig brennende) Schmerzen, Taubheit, Prickeln, Überempfindlichkeit oder Anästhesie (Unempfindlichkeit) im Bereich des betroffenen Nervs äußern. Es kann auch zur Schwächung oder Lähmung des von diesem Nerv versorgten Muskels kommen. Diese Erkrankung ist im allgemeinen die Folge örtlicher Einwirkungen, z.B. durch Verletzung, Druck durch Arthritis in dem Bereich der Wirbelsäule, wo die Nervenwurzel sitzt, durch Tumoren oder ausgedehnte Einwirkung extremer Kälte. Neuritis kann auch mehrere Nerven verschiedener Körperregionen befallen. Diese Art der Neuritis betrifft meist die Extremitäten (Arme und Beine). Einige Formen der Neuritis werden verursacht durch Infektionskrankheiten wie Typhus, Malaria, Syphilis oder Tuberkulose sowie durch Vitaminmangel Diabetes, während Schwermetallvergiftungen, der Schwangerschaft, Beriberi Alkoholismus, (Vitamin B1 (Thiamin) Mangel: Symptome sind Gewichtsverlust, Gemütsverstimmungen, Störungen der Sinneswahrnehmung, Herzrhythmusstörungen. Beriberi tritt bei Schwäche Menschen und auf, deren Hauptnahrungsmittel polierter weißer Reis ist, der wenig bis gar kein Thiamin enthält. Daher ist die Krankheit vor allem unter der Bevölkerung Asiens verbreitet (außerdem bei chronischen Alkoholikern mit Leberfunktionsschäden). Wird ein Baby mit der Muttermilch einer Frau ernährt, die an Thiaminmangel leidet, so kann bei dem Kind ebenfalls Beriberi auftreten) und Pellagra (Vitaminmangelkrankheit: Niacin). Neuralgien Bei einer Neuralgie tritt ein dumpfer oder stechender, in Schüben auftretender oder konstanter Schmerz entlang eines Nervenstammes oder seiner Verzweigungen auf. Die zahlreichen Typen der Neuralgie werden nach dem betroffenen Nerv oder der zugrunde liegenden Ursache unterschieden. Der Schmerz kann durch ein Virus verursacht werden, das 3 Gehirn und Nervensystem des Menschen 14.05.16 Stefan Raffeiner, Michael Gorfer den Nerv angreift, wie bei Herpes zoster (Gürtelrose), durch eine Vergiftung, z.B. mit Alkohol oder Blei, durch eine lokale Infektion, etwa der Zähne, Ohren, Mandeln oder Nebenhöhlen, aber auch durch eine Verletzung, durch Vitaminmangel oder Druck auf den Nerven. Häufige Formen der Neuralgie Trigeminusneuralgie sind (Tic douloureux: schmerzhafte Gesichtszuckungen) und Ischiasnerv-Neuralgie. Die Behandlung zielt meist auf Schmerzlinderung (palliative Behandlung; lateinisch palliare: mit einem Mantel bedecken) und beinhaltet oft die Verordnung von Vitamin B12 oder des Vitamin-B-Komplexes. Beim Tic douloureux, einer Neuralgie, die häufig wiederkehrend ist, empfiehlt sich in manchen Fällen ein operativer Eingriff. Multiple Sklerose Die Multiple Sklerose ist eine Erkrankung des Zentralnervensytems, bei der das Myelin allmählich zerstört wird. Diese weiße, fettähnliche Substanz ist ein wesentlicher Bestandteil der Markscheide, welche die Nervenfasern umhüllt. Auf diese Weise entstehen zahlreiche Entmarkungsherde im Gehirn und Rückenmark. Die Ursache dieser Erkrankung, die vorwiegend im Alter zwischen 20 und 40 Jahren auftritt, ist nicht bekannt. Je nach Ort der Entmarkungsherde Krankheitszeichen. Doppeltsehen, Die völliger äußern häufigsten Verlust sich Symptome des Sehvermögens, unterschiedliche sind Schleier- Zittern der und Hände, Schwäche in Armen und Beinen, Empfindungsstörungen wie Taubheit, Prickeln oder (abgehackte Schmerzen und in manchen schleppende) Körperteilen, Sprechweise sowie skandierende Harn- und Stuhlinkontinenz (Unvermögen, Harn und Stuhl zu halten). Die Krankheit verläuft häufig in Schüben. Die ersten Symptome treten zumeist vorübergehend auf, möglicherweise nur für einige Stunden oder Tage. Im allgemeinen bleibt der Patient nach Abklingen des ersten Anfalls oft jahrelang symptomfrei. Nach einiger Zeit äußern sich erneut Krankheitszeichen, die dann wieder vollständig oder teilweise nachlassen. Dieses Auf und Ab der Symptome, die oft von Rückfall zu Rückfall variieren, kann sich über viele Jahre wiederholen. Zunächst bleiben nur wenige Nachwirkungen zurück, aber mit der Zeit entwickeln sich bleibende Behinderungen. Oft wird der Patient dadurch unbeholfen und zunehmend schwächer. In einigen Fällen verläuft die Erkrankung langsam, aber kontinuierlich fortschreitend. Selten tritt sie akut mit einem progressiven (schnell fortschreitenden) Verlauf von lediglich Wochen oder Monaten auf. Meist führt multiple Sklerose zum Tode. Bisher ist kein 4 Gehirn und Nervensystem des Menschen 14.05.16 Stefan Raffeiner, Michael Gorfer spezifisches Heilmittel bekannt. Mit Hilfe physikalischer Therapie und Beschäftigungstherapie sowie einiger Arzneimittel läßt sich eine Besserung der Symptome (Steroidhormone) erzielen. Akute behandelt Rückfälle werden. Die können Häufigkeit mit der Corticoiden Anfälle bei schubweisem Verlauf kann man mit Interferon senken. Das Gehirn des Menschen Überblick Das Gehirn ist ein Teil des Zentralnervensystems (siehe Nervensystem), der bei Wirbeltieren im Schädel liegt. Beim Menschen ist das Gehirn eine etwa 1,3 Kilogramm schwere Masse aus rosa-grauem Gewebe. Es besteht aus ungefähr zehn Milliarden Nervenzellen, die untereinander verknüpft sind und gemeinsam alle geistigen Funktionen steuern. Neben den Nervenzellen (Neuronen) enthält das Gehirn auch Stützzellen (Gliazellen), Blutgefäße und Organe, die Substanzen ausscheiden. Das Gehirn ist die Steuerzentrale für Bewegungen, Schlaf, Hunger, Durst und praktisch alle anderen Lebensfunktionen, ohne die der Organismus nicht existieren kann. Hier entstehen alle menschlichen Gefühle wie Liebe, Haß, Angst, Freude und Trauer. Außerdem empfängt und interpretiert das Gehirn die unzähligen Signale, die es über die Nerven von anderen Körperteilen und aus der Umgebung erhält. Anatomischer Aufbau Bei äußerlicher Betrachtung erkennt man, daß das Gehirn aus drei untereinander verbundenen Teilbereichen besteht: Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm. Als Hirnstamm bezeichnet man in der Regel alle Strukturen zwischen dem Großhirn und dem Rückenmark, d. h. das Zwischenhirn, das Mittelhirn, die Gehirnbrücke und das verlängerte Mark. In der Embryonalentwicklung entstehen alle diese Teile aus dem Vorder-, Mittel- und Rautenhirn. Außerdem ist das Gehirn nicht nur durch die Schädelknochen gut geschützt, sondern zusätzlich noch von drei Hautschichten umgeben, den Hirnhäuten oder Meningen. Die äußere dieser drei Schutzhüllen, widerstandsfähig Dura und mater oder glänzend. Die harte Hirnhaut mittlere genannt, (Arachnoidea ist oder Spinngewebshaut) umschließt das Gehirn lose, erstreckt sich aber nicht in die Furchen der Gehirnoberfläche. Die innere Membran schließlich, die 5 Gehirn und Nervensystem des Menschen 14.05.16 Stefan Raffeiner, Michael Gorfer man Pia mater oder weiche Hirnhaut nennt, besteht vor allem aus kleinen Blutgefäßen, die mit der Gehirnoberfläche verbunden sind. Hirnstamm Thalamus Dieser Teil des Zwischenhirnes besteht aus zwei rundlichen Massen aus grauem Gewebe und liegt genau in der Mitte des Gehirns zwischen den beiden Großhirnhälften. Er ist eine wichtige Schaltstelle für ankommende Sinnesinformationen Großhirnrinde und bzw. ausgesandte von ihr motorische weg Signale, geleitet die werden. zur Alle Sinneswahrnehmungen mit Ausnahme des Geruchs laufen auf dem Weg zum Gehirn zunächst durch eigene Kerne (Gruppen von Nervenzellen) im Thalamus. Hypothalamus Der Hypothalamus liegt unmittelbar unter dem Thalamus in der Mitte der Gehirnunterseite und besteht aus mehreren abgegrenzten Feldern und Kernen. Er wirkt bei der Steuerung vieler wichtiger Körperfunktionen mit und fungiert insbesondere bei solchen, die für Überleben und Fortpflanzung entscheidend sind, als Triebkraft: Dazu zählen Essen, Trinken, Temperaturregulation, Schlafen, Gefühlsbewegungen und Sexualität. Außerdem regelt er über das unwillkürliche Nervensystem die Tätigkeit innerer Organe, steht in enger Verbindung mit der Hypophyse und arbeitet koordiniert mit der Formatio reticularis (Teil des verlängerten Rückenmarks) zusammen. Mittelhirn Das Mittelhirn oder Mesencephalon besteht aus drei Teilen. Der erste umfaßt die Großhirnschenkel – Fasersysteme, die Impulse zum Großhirn und von ihm weg leiten. Der zweite besteht aus den Corpora quadrigemina, vier Gewebekörpern, die zusammen die Vierhügelplatte bilden und Signale über optische (die beiden oberen Hügel) und akustische (die unteren Hügel) Nervenbahnen weiterleiten. Der dritte ist der bereits erwähnte Aquaeductus Sylvii, ein flüssigkeitsgefüllter Kanal. Um ihn herum befindet sich graue Gehirnsubstanz, die für Schmerzempfindung und möglicherweise auch für Suchtzustände von Bedeutung ist. Auch die Kerne für den dritten und vierten Gehirnnerv liegen im Mittelhirn. 6 Gehirn und Nervensystem des Menschen 14.05.16 Stefan Raffeiner, Michael Gorfer Brücke Die Gehirnbrücke (Pons) liegt zwischen verlängertem Mark und Mittelhirn unmittelbar vor dem Kleinhirn. Sie besteht vorwiegend aus quer und längs verlaufenden weißen Nervenfasern, die zu einem komplexen Geflecht verwoben sind. Eine Querbrücke aus Fasern, die von den Kleinhirnstielen ausgeht, verbindet die beiden Hälften, und ein kompliziertes System aus Längsfasern zieht sich vom verlängerten Mark zu den Großhirnhälften. Außerdem liegen die Kerne des fünften, sechsten, siebten und achten Gehirnnervs in der Brücke. Verlängertes Mark Das verlängerte Mark (Medulla oblongata), das zwischen Rückenmark und Brücke liegt, ist eigentlich ein pyramidenförmiger Fortsatz des Rückenmarkes. Einen großen Teil dieser Struktur macht der Beginn der Formatio reticularis aus, eines wichtigen Geflechts aus Nervenzellen. Außerdem befinden sich im verlängerten Mark die Ausgangspunkte des neunten, zehnten, elften und zwölften Gehirnnervs. Auf- und absteigende Fasern im verlängerten Mark übertragen die Nervenimpulse zwischen Rückenmark und Gehirn. Im verlängerten Mark liegen die entscheidenden Steuerungszentralen für Herzschlag, Blutgefäßverengung, Atmung und andere unwillkürliche Funktionen, z. B. auch für das Erbrechen. Eine Schädigung dieses Gehirnteiles hat meist den sofortigen Tod zur Folge. Limbisches System Einige Teile von Thalamus, Hypothalamus, Hippocampus, Mandelkern, Schweifkern und Mittelhirn bilden zusammen eine Funktionseinheit des Gehirns, die man als limbisches System bezeichnet. Diese Strukturen sind in besonderer Weise über Nervenfasern verknüpft und steuern viele Aspekte des Verhaltens, so z. B. Gefühlsausdruck, epileptische Anfälle sowie die Speicherung und den Abruf von Erinnerungen. Gehirnnerven Auf der Gehirnunterseite entspringen zwölf Paare symmetrisch angeordneter Nerven. Sie laufen im wesentlichen zu verschiedenen Teilen von Kopf und Hals und werden von vorn nach hinten durchnumeriert. Manche davon sind motorische Nerven, die Muskelbewegungen steuern, andere dienen der Sinneswahrnehmung. Einige enthalten sogar Fasern für sensorische und motorische Signale. 7 Gehirn und Nervensystem des Menschen 14.05.16 Stefan Raffeiner, Michael Gorfer Physiologie und Chemie Das Gehirn ist mit seinem Stoffwechsel auf die ständige Versorgung mit Glucose und Sauerstoff angewiesen, die vom Blut über Arterien herantransportiert werden. Die Nervenzellen brauchen beide Stoffe in großen Mengen, weil sie ununterbrochen, Tag und Nacht, physiologisch aktiv sind. Viele Substanzen können aus dem Blut nicht ins Gehirn übergehen, denn winzige Elemente in den Adergeflechten der Ventrikel und in den Gehirnkapillaren wirken als Molekül- und Ionenfilter. Diesen Effekt nennt man auch Blut-Hirn-Schranke. Viele biologisch aktive Wirkstoffe mit hoher molarer Masse, beispielsweise die Hormone der Nebennieren oder Aminosäuren, können diese Barriere nicht ohne weiteres überwinden. Und bestimmte kleinere Moleküle sowie Ionen sind dazu wegen ihrer Polarität (elektrische Ladung) überhaupt nicht in der Lage. Deshalb bleiben die chemischen Verhältnisse im Gehirn im Gleichgewicht, gut geschützt vor den manchmal gefährlichen Veränderungen, die sich oft ergeben, wenn der Mensch bestimmte Dinge ißt oder trinkt. Die Nerven- und Gliazellen unterscheidet man (pyramiden- oder nicht in nur sternförmig), den nach einzelnen ihrer sondern Gehirnabschnitten anatomischen auch Gestalt hinsichtlich ihrer chemischen Ausstattung. Die Neuronen enthalten je nach Typ viele verschiedene Neurotransmitter, die der Kommunikation zwischen den Zellen dienen. Einer davon, das Serotonin, kommt beispielsweise in vielen Neuronen des Hirnstammes vor. In anderen Nervenzellen findet man das Noradrenalin, und wieder andere enthalten Acetylcholin. Neueren Forschungsergebnissen zufolge spielt die Feinabstimmung der Aktivität dieser chemischen Signalübertragungswege eine bedeutende Rolle für die Steuerung der Körpertemperatur, das Eßverhalten und vielleicht auch den Schlaf. Auch manche psychiatrischen Störungen entstehen durch Fehlfunktionen bei Produktion, Abbau und Wirkung der Neurotransmitter im limbischen System. Eine grundlegende Funktion von Tranquilizern und anderen Psychopharmaka besteht darin, daß sie das Gleichgewicht zwischen zwei oder mehreren Neurotransmittern wiederherstellen oder ein bestimmtes Neurotransmittersystem anderweitig beeinflussen. Aminosäuren und andere Substanzen (z. B. Peptide), die in Gehirnzellen vorkommen, spielen vermutlich eine wichtige Rolle für die Dämpfung der Aktivität von Nervenzellen und für die Hemmung der Übertragung ihrer Impulse. 8 Gehirn und Nervensystem des Menschen 14.05.16 Stefan Raffeiner, Michael Gorfer Heute beschäftigen sich Tausende von Gehirnforschern auf der ganzen Welt mit diesen chemischen Systemen. Wenn man wissen will, wie das Gehirn von seiner grundlegenden Physiologie bis hin zu Lernen und Gefühlsleben funktioniert, muß man weitere Kenntnisse über die chemischen Abläufe in seinem Inneren unter normalen und krankhaften Bedingungen gewinnen. Krankheiten Gehirnerschütterung Die Gehirnerschütterung ist eine Verletzung des Gehirns nach einem Sturz oder einem Schlag auf den Kopf, in der Regel mit kurzzeitiger Bewußtlosigkeit, deren Ursachen nicht ganz geklärt sind. Vermutlich kommt es durch stärkeren Druck auf den Hirnstamm zu einer Verlangsamung oder zum vorübergehenden Aussetzen der Atmung und zur Verlangsamung des Pulses – beides Begleiterscheinungen der Gehirnerschütterung. Weitere Symptome sind Blässe, Schweißausbrüche und das Absinken des Blutdruckes. Nachdem der Betroffene wieder bei Bewußtsein ist, folgen oft Schwindelgefühl, Übelkeit und ein dumpfes Gefühl der Unruhe. Nachwirkungen wie Kopfschmerzen, Schwindelgefühl und Nervosität können sich mehrere Tage lang fortsetzen und kehren manchmal noch nach Wochen oder sogar Jahren wieder. Eine Gehirnerschütterung kann zu vorübergehenden oder dauerhaften Schäden am Nervengewebe sowie zu Gedächtnisverlust, Reizbarkeit und Müdigkeit führen; oft ist das Gedächtnis in Mitleidenschaft gezogen. Sofern es sich nicht um eine sehr schwere Gehirnerschütterung handelt, tritt normalerweise schnell eine vollständige Genesung ein. Enzephalitis Unter Enzephalitis vertseht man alle Infektionskrankheiten des zentralen Nervensystems beim Menschen, die durch eine Entzündung des Gehirns gekennzeichnet sind. Die typischen Symptome sind Kopfschmerzen, Fieber und extreme Lethargie, schließlich kann der Patient ins Koma fallen. Doppeltsehen, Delirium, Taubheit und Gesichtslähmung treten häufig im akuten Stadium der Krankheit auf. Zu den Nachwirkungen der Enzephalitis können Taubheit, Epilepsie und Demenz zählen. Einige Formen der Enzephalitis werden durch eine Virusinfektion des Zentralnervensystems verursacht. Diese können wiederum in zwei Hauptgruppen unterteilt werden: primäre neurotrope Virusinfektionen (die direkt das Nervensystem befallen) und sekundäre Infektionen, die sich als 9 Gehirn und Nervensystem des Menschen 14.05.16 Stefan Raffeiner, Michael Gorfer Komplikation einer primären Virusinfektion einer anderen Körperstelle ergeben. Neurotrope Virus-Enzephalitis Die Gruppe der neurotropen Virus-Enzephalitis umfaßt einige epidemische Erkrankungen, die hauptsächlich freilebende Säugetiere, Haustiere und Vögel befallen. Die Krankheit wird durch Insekten von diesen Tieren auf den Menschen übertragen. Die Saint-Louis-Enzephalitis, auch amerikanische Enzephalitis genannt, wurde erstmals 1933 während einer Epidemie in Saint Louis im US-Bundesstaat Missouri entdeckt. Diese Form der Enzephalitis wird durch Stechmücken übertragen. Auf dieselbe Weise werden auch die Japonica B oder Enzephalitis japonica, die CaliforniaEnzephalitis-Gruppe und die Pferdeenzephalitis übertragen. Zecken sind die Überträger der Russischen Frühjahr-Sommer-Enzephalitis. Sekundäre Virusinfektionen In der Gruppe der sekundären Virusinfektionen lassen sich zwei Enzephalitisarten unterscheiden: die postinfektiöse und die postvakzinale Enzephalitis. Erstere tritt als Komplikation einer Viruserkrankung wie Mumps, Masern, Grippe und Gelbfieber auf. Mitunter kann eine Infektion mit dem Herpesvirus auf das Gehirn übergreifen und Hirnschäden verursachen oder zum Tode führen. Die zweite Art kann in seltenen Fällen nach oder als Folge einer ersten Impfung mit abgeschwächten Viren auftreten, z. B. nach einer Pocken- oder Gelbfieber-Schutzimpfung. Andere Formen Enzephalitis kann auch als Folge einer Sporozoeninfektion durch Toxoplasma auftreten – eine zu den Protozoen zählende Parasitenart, die Säugetiere, Vögel und Menschen befällt. Auch eine Trypanosomiasisinfektion durch das Protozoon Trypanosoma cruzi, die durch den Stich der Tsetsefliege übertragen wird, kann zu Enzephalitis führen. Außerdem entsteht manchmal eine nichtinfektiöse Enzephalitis als Komplikation einer Vergiftung mit Schwermetallen, besonders mit Blei. Tumor Ein Tumor ist im weitesten Sinne eine räumlich begrenzte anomale Größenzunahme eines Gewebes oder Organs. Wie sich bei medizinischen Untersuchungen auf mikroskopischer Ebene herausgestellt hat, kann eine solche Schwellung entweder durch Zellen entstehen, die aus einem 10 Gehirn und Nervensystem des Menschen 14.05.16 Stefan Raffeiner, Michael Gorfer anderen Körperbereich einwandern oder aber durch die Vermehrung von Zellen, die aus dem betroffenen Gewebe selbst stammen; nur in diesem zweiten Fall spricht man von einem Tumor. gutartig (benigne) oder bösartig (maligne) sein. Die Tumore können Unterscheidung zwischen Gut- und Bösartigkeit ist allerdings nicht immer sinnvoll. Die wichtigste Eigenschaft, die einen Tumor bösartig macht, ist die Fähigkeit seiner Zellen, auch benachbartes oder weiter entferntes Gewebe zu besiedeln. Diese Ausbreitung auf entfernte Körperteile, Metastasierung genannt, ist ein typisches Kennzeichen von Krebs; sie verläuft in der Regel über Blut- oder Lymphgefäße. Aber auch manche sogenannten gutartigen Tumore können zum Tode führen, ohne Metastasen zu bilden. Die wichtigsten derartigen Tumore sind die Gliome im Gehirn, die so groß werden können, daß sie stark auf benachbarte Gehirnteile drücken und schließlich die Atemfunktion lahmlegen. Ein Lebertumor kann auch ohne Metastasen die lebenswichtigen Funktionen dieses Organs zunichte machen. Manchmal heißt es, die Zellen bösartiger Tumore verlören ihre charakteristische Funktion; dies trifft jedoch nicht immer zu: Blutzellen können Myelome bilden, Tumore, deren Zellen weiterhin die Fähigkeit zur Herstellung von Antikörpern besitzen. Tumore der Gebärmutter, die man Blasenmole nennt, sind gutartig, aber sie können die Vorläufer des bösartigen Chorionepithelioms sein. Die eindeutigsten Beispiele für gutartige Tumore sind Muttermale auf der Haut und Warzen. Schlaganfall Unter Schlaganfall wird in der Medizin die Schädigung des Gehirns infolge Gefäßverschluß oder Hirnblutung verstanden. Undurchblutetes Hirngewebe nimmt rasch Schaden oder stirbt ab. Dies führt zur Lähmung oder zum Funktionsausfall der Glieder oder betroffenen Hirnregionen gesteuert werden. ereignen sich (Arteriosklerose, im Zusammenhang Gefäßverkalkung) mit oder Organe, Die meisten Bluthochdruck, beidem. die von den Schlaganfälle Atherosklerose Anzeichen für einen schweren Schlaganfall sind Schwäche der Gesichtsmuskeln, Unfähigkeit zu sprechen, Verlust der Schluckbeschwerden, Kontrolle Lähmung über die Harnblase, oder Schwäche Atem- besonders und einer Körperhälfte. In der Medizin wird der Schlaganfall als Apoplexia cerebri bezeichnet. 11 Gehirn und Nervensystem des Menschen 14.05.16 Stefan Raffeiner, Michael Gorfer Ursachen Die Mehrzahl der Schlaganfälle wird durch Gefäßverschluß aufgrund einer Thrombose oder einer Embolie hervorgerufen. entsteht durch allmähliche Ansammlung Eine Thrombose fettartiger Stoffe oder atherosklerotischer Gewebsveränderungen in einer oder mehreren der vier Hauptarterien, die zum Hirn führen. Wenn diese Arterien enger werden, erleben Schlaganfallgefährdete in vielen Fällen wiederkehrende Warnzeichen, vorübergehende Lähmungen des Armes, Beines oder der Gesichtshälfte einer Körperseite. Als Alarmzeichen treten auch Sprachoder Sehstörungen Funktionen auf. sowie In diesem Beeinträchtigungen Stadium können anderer motorischer Ablagerungen an den Gefäßinnenwänden der Hirnarterien oft operativ beseitigt werden, z. B. mit Hilfe der Laserchirurgie oder mikrochirurgischer Methoden der Gangbarmachung. Antikoagulantien (Mittel mit Hemmwirkung auf die Blutgerinnung), Ernährungsumstellung Acetylsalicylsäure (Aspirin) dienen und ebenfalls tägliche der Gaben von Vorbeugung eines Schlaganfalls. Eine Thrombose besteht bei völligem Verschluß einer Arterie. Tritt dies in einer Hirnarterie auf, kommt es zu bleibenden Hirnschäden. Eine Embolie liegt vor, wenn eine Arterie plötzlich durch Material aus der Blutbahn verschlossen wird. Solche Blockierungen, Embolien genannt, bestehen oft aus Verklumpungen aufgrund einer Herzfehlfunktion oder stammen aus losgelösten Gewebeteilen bei Atherosklerose. Sogar eine Luftblase kann zur Embolie führen. Die Behandlung ist größtenteils vorbeugend und besteht in einer Ernährungsüberwachung und gegebenenfalls Verabreichung von Antikoagulantien (Mittel, welche die Blutgerinnung hemmen). Blutungen von Hirngefäßen, eine weniger häufige Schlaganfallursache, treten an Stellen auf, wo sich Aneurysmen (blasenartige Ausbuchtungen) an den Gabelungen großer Hirnarterien der Hirnoberfläche gebildet haben. Bricht solch ein Aneurysma auf, kommt es zur Hirnschädigung. Diese wird entweder durch das Einsickern von Blut in Hirngewebe oder durch Mangeldurchblutung des hinter der Gefäßverletzung liegenden Gewebes verursacht. Rehabilitation Zur Wiederherstellung der Gesundheit nach einem Schlaganfall wird spezielle Hilfe von Neurologen, Physio- und Sprachtherapeuten sowie anderen Medizinern benötigt, besonders während der ersten sechs Monate, in denen die größten Behandlungsfortschritte erzielt werden. Passive 12 Gehirn und Nervensystem des Menschen Dehnübungen und 14.05.16 Stefan Raffeiner, Michael Gorfer Wärmeanwendungen werden eingesetzt, um die motorische Kontrolle über Glieder wiederzuerlangen, die durch den Schlaganfall bewegungsunfähig wurden. In einigen Fällen kann sich ein Patient soweit vom Schlaganfall erholen, daß er Expanderübungen für die Arme ausführen und zur Kräftigung der Beine auf dem Fahrradergometer trainieren kann. Durch gezielte logopädische Therapie kann das Sprechvermögen, das durch den Schlaganfall verlorenging, wiedererlangt werden. Wie weit sich der Patient von einem Schlaganfall erholt, ist von Fall zu Fall sehr verschieden. Der deutliche Rückgang an Schlaganfällen in der industrialisierten Welt, der seit 1950 zu verzeichnen ist, hängt möglicherweise mit der wachsenden Erkenntnis zusammen, daß Bluthochdruck ein Risikofaktor für Schlaganfall ist. Dies veranlaßt häufig eine Ernährungsumstellung, z. B. die Reduzierung gesättigter Fette und Cholesterin in der Nahrung. Auch das zunehmende Bewußtsein dessen, daß Rauchen ebenfalls das Schlaganfallrisiko erhöht, spielt dabei eine Rolle. Dennoch ist der Schlaganfall nach koronaren Herzkrankheiten und Krebs noch immer die dritthäufigste Todesursache in der westlichen Welt. Derzeit untersuchen Wissenschaftler den möglichen Einsatz körpereigener Dynorphine, um die Überlebenschance bei Schlaganfall zu erhöhen. Migräne Unter Migräne Schädelhälfte sind schwere betreffen, Kopfschmerz, der zu mit Kopfschmerzen, verstehen. Migräne folgenden die ist häufig ein Symptomen nur eine pulsierender einhergeht: Lichtempfindlichkeit, Übelkeit, Erbrechen und Schwindel. Oft sieht der Patient ein Flimmern vor dem Auge, bevor der Schmerz eintritt (Augenmigräne). Bei Frauen kommt diese Krankheit doppelt so häufig vor wie bei Männern. Es gibt auch Hinweise darauf, daß Migräne vererbt wird. Migräneanfälle können in Abständen von einem Tag bis zu mehreren Jahren auftreten. Zu Beginn des Migränekopfschmerzes verengen sich Blutgefäße im Gehirn; dies hat eine Verringerung der Durchblutung zur Folge. Es kommt dann zu einer Erweiterung der Blutgefäße des Gehirns, die eine Reaktionskette mit den typischen Kopfschmerzen auslöst. Man vermutet, daß der Anfall durch verringerten Gehirnstoffwechsel ausgelöst wird und daß die anfängliche mangelnde Durchblutung eine Reaktion auf den verminderten Stoffwechsel ist – und nicht so sehr durch die Gefäßverengung ausgelöst wird. Zu den biochemischen Veränderungen, die mit der Migräne verbunden sind, 13 Gehirn und Nervensystem des Menschen 14.05.16 Stefan Raffeiner, Michael Gorfer gehört eine Senkung des Enzephalinspiegels, also jener Stoffe im Gehirn, die zur Schmerzlinderung beitragen. Bei anfälligen Personen begünstigen Änderungen im Hormonspiegel (bei Frauen z. B. derjenigen Hormone, die während der Menstruation oder in der Menopause ausgeschüttet werden) Störungen der endokrinen (hormonproduzierenden) Drüsen und Streß das Auftreten der Symptome. Heute gibt es einige wirkungsvolle Behandlungsmethoden. Dazu gehören Medikamente wie Ergotamintartrat, das die übermäßige Erweiterung der Blutgefäße verhindert und akute Anfälle beendet, sowie Propranolol, das den Gefäßtonus stabilisiert und nachfolgenden Anfällen vorbeugt. Auch Biofeedback-Techniken haben sich als wirkungsvoll gegen Migräne erwiesen. Epilepsie Epilepsie ist eine chronische Störung des Gehirns, die durch wiederholt auftretende Krämpfe oder Anfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle können infolge einer Hirnschädigung, einer strukturellen Hirnverletzung, als Symptom einer systemischen Krankheit oder idiopathisch auftreten (ohne organische Ursache). Epileptische Anfälle unterscheiden sich je nach zugrundeliegender Ursache. Es kann bei einem Anfall zu Bewußtlosigkeit, krampfartigen Zuckungen einzelner Körperteile, Gefühlsausbrüchen oder zeitweiliger geistiger Verwirrung kommen. Untersuchungen haben gezeigt, daß Epilepsie selbst zwar nicht vererbt wird, die Veranlagung zu dieser Störung jedoch eine Erbeigenschaft ist, die für einige Fälle von idiopathischer Epilepsie verantwortlich ist. Bei Epilepsiepatienten haben die Hirnströme, durch die sich elektrische Aktivität in der Hirnrinde äußert, einen charakteristischen anomalen Rhythmus, der durch Nervenzellentladungen übermäßige entsteht. Diese und synchron typischen verlaufende Hirnstrommuster unterscheiden sich deutlich voneinander, je nach Art der Epilepsie. Die Aufzeichnung der Hirnströme ist daher ein wichtiges Hilfsmittel zur Diagnose und Untersuchung der Erkrankung. Dies ist mit Hilfe eines speziellen Geräts, des Elektroenzephalographen, möglich. Für Epilepsie gibt es keine spezifische Heilungsmethode. Die Häufigkeit der Anfälle läßt sich jedoch bei fast 90 Prozent aller Patienten durch Arzneimittel senken. Diphenylhydantoin Zu den angewendeten (Phenytoin), Ethosuximid und Valproinsäure. 14 Krampfmitteln Phenobarbital, zählen Carbamazepin, Gehirn und Nervensystem des Menschen 14.05.16 Stefan Raffeiner, Michael Gorfer Da sich epileptische Anfälle in Stärke und auftretenden Symptomen unterscheiden, läßt sich Epilepsie in folgende Hauptgruppen einteilen: fokale Epilepsie generalisierte (einschließlich Epilepsie psychomotorischer Grand (darunter mal und Anfälle) Petit und mal, die sogenannten großen und kleinen Epilepsieanfälle). Ein Anfall der Grand-mal-Epilepsie kündigt sich oft durch einen unwillkürlichen Schrei an, der durch Kontraktion der Atemmuskulatur verursacht wird. Sobald der Patient das Bewußtsein verliert, wird der gesamte Körper von spastischen Muskelkontraktionen ergriffen. Das Gesicht wird fahl, die Atmung kommt zum Stillstand, und der Rücken ist gekrümmt. In der Folge versetzt die wechselnde Muskelan- und - entspannung den Körper in so heftige Erregung, daß der Patient Gefahr läuft, sich ernsthaft zu verletzen. Ein zusammengefaltetes Taschentuch, das dem Patienten in den Mund gesteckt wird, kann verhindern, daß er sich während des Anfalls in Zunge oder Wangeninnenseiten beißt. Nachdem die Krämpfe nachgelassen haben, ist der Patient erschöpft und fällt möglicherweise in tiefen Schlaf. Häufig werden nach dem Erwachen Erschöpfung und Depression empfunden, und mitunter kann sich der Patient nicht an den Anfall erinnern. Die Anfälle treten in unterschiedlichen Zeitabständen auf, in einigen Fällen sogar nur einmal im Jahr, in anderen dagegen bis zu mehrmals täglich. Es können sich auch eine Reihe von Anfällen ereignen, ohne daß in den Zwischenphasen das Bewußtsein wiedererlangt wird. Diesen Zustand nennt man Status epilepticus. Er tritt bei etwa acht Prozent der Grand-mal-Fälle auf und kann tödlich sein, wenn keine geeignete Behandlung mit Diazepham oder anderen Medikamenten erfolgt. Bei Petit-mal-Epilepsie sind die Anfälle durch plötzliche, zeitweise Bewußtseinsstörungen oder Bewußtlosigkeit gekennzeichnet. Offenkundige Anzeichen hierfür sind oft nur starr nach oben gerichtete Augen, schwankender Gang oder leichtes Zucken der Gesichtsmuskeln. Häufig kommt der Patient wieder zu sich, ohne sich des Anfalls bewußt zu sein. Bei psychomotorischer Epilepsie ist das Hauptsymptom Amnesie. Die Dauer der Anfälle reicht von wenigen Minuten bis zu einigen Stunden. Der Patient bleibt während des Anfalls aktiv, sein Verhalten steht jedoch in keinerlei Beziehung zu seiner Umgebung. Diese Form der Epilepsie tritt Schläfenlappen-Epilepsie genannt, auf. Manchmal geht den Anfällen eine Aura (Vorbotenzeichen) häufig bei Temporallappen-Epilepsie, auch voraus (Leibschmerzen, Schwindel oder eigenartige Geruchs- oder andere Sinneswahrnehmungen). Manche schweren Fälle von Temporallappen15 Gehirn und Nervensystem des Menschen 14.05.16 Stefan Raffeiner, Michael Gorfer Epilepsie können erfolgreich durch operative Entfernung des geschädigten Hirnbereichs behandelt werden. 16